Venia Legendi Eudaimonía von KaethchenvHeilbronn (Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Der Eiskaffee ist eine willkommene Ablenkung für Alexander. So muss er nicht dauernd sein Gegenüber beobachten, wie der sich mit seinem Himbeereis vergnügt. Der Professor denkt krampfhaft über ein Thema nach, über das er mit dem Studenten reden könnte, das nicht belanglos, aber auch nicht zu privat ist. Bevor er jedoch irgendeines findet, hört er den Jungen leise murmeln. Alexander schaut auf und will schon nachfragen, aber da sieht er, dass sein Gegenüber nur in seinen Eisbecher starrt, einen Löffel nach dem anderen nimmt, und zwischen jedem Bissen etwas Unverständliches von sich gibt. Alexander kann irgendwas mit „solltest du nicht tun“ und „Norm“ erhaschen. Auch meint er immer wieder ein „Ja, ist in Ordnung“ zu erkennen. Als der Junge zu nicken beginnt, spricht ihn Alexander darauf an. „Heinrich?“ „Hn?!“ Sofort schnellt der Kopf hoch und der Student scheint wieder vollkommen da zu sein. „Was…was redest du denn laufend?“ „Ich rede…? – Oh, das! Ich denke nach.“, antwortet Heinrich mit einem leichten Lächeln, und da Alexander das Gefühl hat, dass es das erste Mal ein ehrliches, völlig unbefangenes Lächeln ist, belässt er es dabei und lächelt stattdessen zurück. „Wie sieht dein Tag morgen aus? Ist der genauso entspannt?“ Heinrich schüttelt den Kopf. „Nein, da hab ich ziemlich viel auf meinem Stundenplan.“ Er versucht die Himbeersoße aus seinen Mundwinkeln zu bekommen, leckt sich über die Lippen. Alexander sieht nervös auf ihren Tisch, auf den Boden. „Was, ähm, was steht denn an?“ „Ah, wissen Sie wo das schönste Gebäude der Welt steht?!“ Etwas desorientiert schaut Alexander den Studenten an. „Wie…wie kommst du denn jetzt plötzlich darauf?“ Heinrich lacht. Er lacht so wunderschön, dass er seinem Professor damit eine Gänsehaut beschert. „Sie sagten „steht“, da musste ich dran denken.“ „Oh, ähm, stimmt…“ „In Berlin! Das Brandenburger Tor, ist das nicht das schönste Gebäude der Welt?!?“ „Das…? Ähm, ja, stimmt, das Brandenburger Tor ist wirklich…gigantisch.“, antwortet Alexander etwas überfordert. Die blauen Augen des Jungen strahlen richtig, und er schiebt seinen leeren Eisbecher beiseite. „Waren Sie schon mal in Berlin, Herr Professor Humboldt?!?“ „Ja, ich…genauer genommen bin ich in Berlin geboren.“ „Echt?!?“ Alexander muss grinsen. Ihm gefällt das plötzliche Engagement des Kleinen. „Ich war noch nie in Berlin, obwohl es nicht weit ist, aber ich will unbedingt mal hin! Erzählen Sie was über Berlin! Wann waren Sie das letzte Mal da?!“ Alexander fährt sich schmunzelnd durch die Haare. Jetzt wird es ja doch privat. Aber es ist ja nicht ihm zu verdanken, Heinrich hat angefangen. „Dieses Wochenende.“, antwortet er also, weiß selbst nicht, wieso er den Kleinen nicht anlügen will. „Ich bin an der Siegessäule vorbeigekommen, dem Reichstag…Berlin hat sehr viele Gesichter, weißt du das?“ „Erzählen Sie!“ „Kleinen Moment.“ Schnell ruft Alexander die Kellnerin herbei, die gerade drei Tische weiter ist. „Ich möchte dann zahlen, bitte.“ Sie nickt, und er wendet sich wieder Heinrich zu. „Na ja, es gibt eine Menge über Berlin zu erzählen, da reicht ein Abend nicht. Außerdem musst du morgen früh raus.“ Das Lächeln verschwindet vom Gesicht seines Gegenübers, was Alexanders Herz zum Stocken bringt. „Hey, aber…! Wir können uns ja noch mal treffen, vielleicht…vielleicht kann ich ein paar Fotos mitbringen, von Berlin.“ Ihm fällt ein Stein vom Herzen, als das Lächeln wieder zurück ist. „Das wär…danke, ich – ich freu mich drauf, Herr Professor Humboldt.“ „Siehst du“, meint Alexander. „Die Vorfreude macht dir den anstrengenden Tag morgen vielleicht etwas angenehmer.“ Heinrich nickt bestätigend. Da kommt auch schon die Kellnerin, und Alexander bezahlt. „Wie kommst du denn nach Hause?“, fragt er den Kleinen. „Mit der Bahn.“ Ein Glück ist Alexander nicht mit dem Auto da… „Ah, welche musst du nehmen?“ „Die Fünf.“ „Hm, ich muss nach hinten zur Sieben.“ Alexander steht auf und schiebt den Stuhl wieder an den Tisch. Heinrich folgt ihm hinaus auf den Campus. Als sie ein paar Schritte gelaufen sind, und Alexander sich gerade umdrehen will, um sich vom anderen zu verabschieden, kommt ihm der Junge zuvor. „Herr Professor Humboldt!“ Heinrich ist stehen geblieben und schaut verunsichert auf. Seine Stimme klingt fest, aber die geballten Fäuste zittern und seine Wangen färben sich ganz langsam rosa. „Ich danke Ihnen für…für Ihre Einladung und das Gespräch und Ihr Angebot wegen Berlin, für…dass Sie…dass Sie so nett zu mir waren…“ Alexander muss zweimal hinschauen. Das sind doch nicht etwa Tränen in den blauen Augen...? „Heinrich, das…das hab ich doch gern gemacht. Es…auch mir hat der Abend gefallen.“ Du hast mir gefallen. Das lässt er dann doch lieber weg. Der Junge wischt sich hektisch über die Augen. „Dann…dann bis morgen?“ Alexander nickt zuversichtlich. „Ja, wir werden uns irgendwo über den Weg laufen.“ Er grinst den anderen an. Heinrich lächelt zurück, sieht zu seinem Professor auf, blinzelt, zögert. Er hat so lange Wimpern... „Gu- gute Nacht, Herr Professor Humboldt.“ „Gute Nacht, Heinrich.“, wünscht auch Alexander, und ihm wird einmal mehr bewusst, dass der Kleine gar nicht weiß, was er mit diesen Worten bei ihm auslöst. Für Alexander hingegen ist es jetzt schon klar, dass er diese Nacht mehr als nur einen Gedanken an diesen Jungen verschwenden wird, und als er dann heftig atmend in seinem Bett liegt, stellt er fest, wie schön es doch ist, endlich seinen Namen zu kennen, den er in die Stille seines Schlafzimmers hinein keuchen kann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)