Venia Legendi Eudaimonía von KaethchenvHeilbronn (Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Er steht wieder ein paar Minuten später vor der Klasse. Johanna hat ihn aufgehalten. Oder ist es Jasmin gewesen? Nein, die trug einen anderen Minirock, ihrer hat Rüschen. Er stellt sich seine Bekanntschaft von gestern Nacht in diesem Rock vor und muss tatsächlich kurz stocken. Wo ist er doch gleich gewesen? Genau. „Man sieht also schon deutlich den Unterschied zwischen der stoischen Schule und dem Hedonismus. Während es der Stoa auf die Apatheia, die Autarkeia und die Ataraxía zum Erreichen der Eurdaimonía ankommt, steht im Hedonismus zum Erreichen der Glückseligkeit auch die materielle und körperliche Befriedigung im Vordergrund. Es möge also jeder die für ihn passende philosophische Richtung wählen.“ Wie zu erwarten werfen ihm hierauf einige der Mädchen in der ersten Reihe vielsagende Blicke zu, die er schwerlich ignorieren kann. Plötzlich scheppert es. In einer der hinteren Reihen bückt sich jemand nach einem heruntergefallenen Ordner. Als der knallrote Kopf wieder über dem Tisch erscheint, erkennt Alexander, dass es sich nicht um eines der Mädchen handelt, die sich mit solch einer Aktion Aufmerksamkeit von ihm erhofft hätten: Es ist ein Junge. „E-entschuldigung.“ Ein Junge, der…ziemlich… Alexander wendet seinen Blick von ihm ab. „Schon gut. Wo war ich? Jasmin?“ „Mein Name ist Jessica…“ „Oh.“ „So, machen wir Schluss für heute, in fünf Minuten klingelt es. Auch wenn es der Beginn des Semesters ist, seid ihr bestimmt schon mit Arbeit überschüttet. Also, raus mit euch!“ In der regen Aufbruchsstimmung packt Alexander seine Sachen zusammen. Er hat nicht viel gebraucht, nur seine zwei altbewährten Folien über die Stoa und den Hedonismus hat er aufgelegt. „Herr Professor“ „Ja“ Freundlich sieht er zu…der jungen Frau, deren Name mit J beginnt, auf. „Ich habe eine Frage, die ich mich nicht getraut habe, im Plenum zu stellen, da sie doch etwas privat ist.“ „Und die wäre?“ Sie blinzelt ihn schüchtern an und schiebt sich scheinbar beiläufig einen Träger ihres Tops zurecht. „Für welche Philosophenschule haben Sie sich entschieden?“ Alexander muss lachen. „Hmm“, macht er und nimmt auf der Ecke des Pults Platz, wodurch sie sich nun zwischen seinen Beinen wiederfindet. „Was schätzt du denn?“ Sie legt sich einen Finger an die Lippen. „Ich hätte da eine Vermutung…“, meint sie. „Sei nächstes Mal pünktlich, dann wirst du vielleicht sehen, ob sich deine Vermutung bestätigt.“, sagt er. Irgendwie muss er sie ja loswerden, und Wilhelm kann ihm auch keine Vorwürfe machen, seine (männlichen) Studenten zu belästigen. Sie schaut noch einmal zu ihm auf – war das ein Zwinkern? „Dann bis zum nächsten Mal.“ Er sieht ihr nach, als sie den Raum verlässt. Gerade will er sich wieder daran machen, seine Sachen einzupacken, da bemerkt er die Gestalt, die auf der anderen Seite des Pults die ganze Zeit gewartet haben muss. Überrascht sieht Alexander den jungen Mann an, der dasteht, die Hände krampfhaft um den Ordner geschlossen, den er vorhin hat fallen lassen, bestimmt eineinhalb Köpfe kleiner als er. Von Nahem ist es eher ein Junge, den man auch gut auf Sechzehn schätzen könnte. Ein Junge, der, wie er vorhin schon feststellen musste, unwahrscheinlich weiche Züge auf seinem rundlichen Gesicht, und bedürfniserweckende blaue Augen hat. Diese blauen Augen schauen gerade so fürchterlich verunsichert zu ihm auf, dass sie ihn sprachlos lassen. „Ich…ich wollte mich noch einmal für vorhin entschuldigen. Das war…das war keine Absicht…“ Alexander versucht das Gefühl zu ignorieren, das diese Stimme in ihm drinnen auslöst, und räuspert sich. „Kein Problem.“, meint er und klingt dabei erstaunlich sicher. „Ich wollte Sie nicht rausbringen.“ „Na, hör mal, ich werd nach fünfzigtausend Vorlesungen ja wohl noch in der Lage sein müssen, den Faden wieder zu finden!“, lacht Alexander. Da senkt der Junge den Kopf. Strähnen seiner schwarzen Haare fallen ihm in die Augen. „Selbstverständlich. Tut mir Leid.“, nuschelt er, und schneller als Alexander schauen kann, ist er aus dem Raum gestürmt. Etwas ratlos sieht Alexander ihm nach. Schließlich besinnt er sich wieder und rauft sich die Haare. „Das geht vorbei, keine Angst. Ganz sicher geht das vorbei…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)