Come To Life von Medusa ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Samuel zeigte seiner neuen Aushilfe noch den ganzen Club. Die Dunkelhaarige musste zugeben, dass er bisher erstaunlich nett war. Wäre er ihr auf offener Straße über den Weg gelaufen, hätte er höchstens einen skeptischen Blick der hellen Augen geerntet. Wirklich vertrauenswürdig wirkte er jedenfalls im ersten Moment nicht. Doch er war freundlich und schien sich köstlich über Belles Widerstand zu amüsieren. Diese hatte jedenfalls nichts besseres zu tun, als ihm bei jeder Gelegenheit entgegen zu schmettern, dass sie kündigen würde, wenn er Eline einstellte. “Belle, langsam reicht es. Du drohst mir bei jeder Gelegenheit mit einer Kündigung. Bei unserer letzten Aushilfe wolltest du dich sogar vom Balkon stürzen, wenn ich sie einstelle”, Samuel warf seiner Kellnerin einen ernsten Blick zu und Eline stellte fest, dass die junge Frau einen sehr anstrengenden Charakter haben musste. Sollte sie diesen Job nach einem Abend bereits wieder hinschmeißen, dann würde es eindeutig an der Schwarzhaarigen liegen. “Nimmst du mich nicht ernst? Du weißt genau, dass ich mir nicht erst einmal das Leben nehmen wollte”, der französische Akzent von Belle hauchte den Worten noch etwas mehr Dramatik ein, als nötig war. Samuel schienen ihre Worte jedenfalls nicht zu beeindrucken. Er hob nur skeptisch eine Augenbraue und musterte seine Angestellte. “Genau das ist wahrscheinlich dein Problem. Du willst dir ständig das Leben nehmen und stehst noch immer hier.” Eline verkniff sich ein Lachen, doch ihre Mundwinkel hoben sich deutlich zu einem unterdrückten Grinsen. Sie hoffte nur, dass Samuel nicht irgendwann mit ihr so umsprang, denn dann würde er sich recht schnell die nächste Aushilfe suchen können. Bisher amüsierte sie die Situation zwischen ihrem Chef und Belle aber eher und somit schwieg sie und ließ die Szenerie auf sich wirken. Allein die beiden waren es sicher wert dem Club mal einen Besuch abzustatten. “Lass dich nicht von ihren Drohungen abschrecken. Sie tut es sowieso nicht”, Samuel hatte sich etwas zu ihr hinunter gebeugt und es recht leise ausgesprochen. Erst dann räusperte sich und sprach wieder lauter. “Also, könntest du vielleicht heute Abend vorbei kommen? Dann kann ich mir anschauen, ob du hier auch zurecht kommst.” “Natürlich. Wie spät denn?”, die Dunkelhaarige wich dem Blick von Belle aus und schenkte Samuel ein freundliches Lächeln. Beim Anblick der Kellnerin würde sie wohl auch am Abend noch ein Lachen unterdrücken müssen. Hoffentlich endete das Ganze nicht in einem Fiasko. “Es reicht, wenn du gegen 22 Uhr da bist. Es sollen ja nur ein paar Stunden zur Probe sein. Du musst auch nicht die ganze Nacht bleiben”, er reichte Eline noch eine kleine Visitenkarte mit der Nummer des Clubs und seiner Handynummer, ehe sie sich voneinander verabschiedeten und die Brünette ihren - voraussichtlich - neuen Arbeitsplatz verließ. Im Freien schlug ihr die winterliche Kälte sofort wieder ins Gesicht und machte ihr die Jahreszeit bewusst. Und mit der Kälte schienen auch ihre Erinnerungen zurückzukehren; ihre Gedanken an die Geschehnisse kurz vor Weihnachten. Für einen Moment hatte sie ihre Sorgen tatsächlich vergessen. Es war das erste Mal seit Wochen gewesen, dass sie einfach gelächelt und sich amüsiert hatte. Diese bewusste Feststellung war ein Schlag ins Gesicht. Es war erschreckend; es war, als hätte sie sich die eigenen Finger verbrannt - an sich selbst, an ihrem Verhalten, an ihrer kurzen unbewussten Unbeschwertheit. Den Nachmittag verbrachte die Brünette alleine in ihrem Zimmer. Sie ging ihrer Mutter aus dem Weg. Seit diesem Tag hatte sie sich von ihrer Familie abgewandt. Niemanden wollte sie an sich heranlassen. Ihr Vater lebte in Amerika, zusammen mit einer neuen Frau. In den ersten Jahren hatte sie ihn noch einige Male besucht, doch sie konnte weder der neuen Heimat, noch der neuen Frau ihres Vaters etwas abgewinnen. Irgendwann hatten sie sich auf wöchentliche Telefonate geeinigt, doch seit diesem Tag lehnte Eline auch diese ab. Sie wollte mit niemanden sprechen. Keiner würde sie verstehen oder konnte etwas an dem ändern, was geschehen war. An diesem Tag, kurz vor Weihnachten, da hatte sie ihren Vater nach Monaten einmal wieder gesehen. Doch sie hatte an diesem Tag nichts empfunden; wie in Trance war er an ihr vorbei gezogen. Sie hatte niemandem bei solch einem Anlass wiedersehen wollen. Nicht einmal geweint hatte sie. Erst spät in der Nacht, als sie alleine in ihrem Bett gelegen hatte, waren die Tränen wieder gekommen. Nun saß sie alleine an ihrem Schreibtisch, hatte einige ihrer Studienunterlagen vor sich ausgebreitet. Sie versuchte den Sinn der Worte zu begreifen, doch ihr Blick schweifte immer wieder zu den umgedrehten Bilderrahmen. Sie wollte keine der Fotografien jemals wieder ansehen, doch ihr Innersten sträubte sich dagegen sie wegzuwerfen. Es war dieser innere Zwiespalt, der sie seit diesem Tag begleitete und quälte. Sie konnte es sich selbst nicht recht machen, egal was sie tat oder nicht tat. Jeder Gedanke, jede Entscheidung und jeder Moment brachte einen gewissen Schmerz mit sich. Eline glaubte nicht mehr daran, dass es jemals vorbei ging. Es würde bleiben, für den Rest ihres Lebens, wie eine Strafe. Vielleicht konnte sie lernen damit umzugehen. Die Zeit verging quälend langsam und es war wie eine Erlösung, als der Zeiger der Uhr endlich auf die Acht sprang. Die Unterlagen hatten einfach nur vor ihr gelegen, doch ihr Kopf war voller anderer Gedanken gewesen. Sie hatte versucht die schmerzlichen beiseite zu schieben, hatte über den Abend nachgedacht, ihre neue Arbeit. Es war wie eine Erlösung, als es an der Zeit war sich fertig zu machen. Eline wusste nicht genau, wann sie sich das letzte Mal wirklich darüber Gedanken gemacht hatte, was sie anziehen sollte. Ihre Schminkutensilien waren in den letzten Wochen unberührt geblieben. Heute jedoch sollte es anders werden. Sie griff nach einer schwarzen Leggins, dem kurzen violetten Kleid, dessen Pailletten am Ausschnitt auffällig schimmerten. Die Dunkelhaarige schlüpfte in die schwarzen High Heels und zog eine elegante Kurzjacke in selbiger Farbe über. Ihr Make-Up war dezent, betonte jedoch ihre Augen. Der letzte Blick in den Spiegel wirkte prüfend und ihr Herz schlug für den Augenblick etwas schneller. Es war verrückt, was sie dort tat. Dennoch fand der Haustürschlüssel den Weg in ihre Tasche und sie legte ihrer Mutter einen Zettel hin, dass sie bei Aliena sei. Nun blieb zu hoffen, dass sie nicht die Dreistigkeit besaß einen Kontrollanruf bei ihrer besten Freundin zu wagen, wenn sie nach Hause kam. Eline machte sich auf den Weg zu dem Club und traf sogar eine halbe Stunde zu früh ein. Die Luft, die ihr entgegen schlug, schien nur noch aus dem Geruch von Alkohol, Zigaretten und Schweiß zu bestehen, gemischt mit dem kaum wahrnehmbaren Duft von unzähligen Parfums. Sie betete, dass sie sich daran gewöhnen und ihn bald nicht mehr riechen würde. Etwas zögernd machte sie einen Schritt vorwärts und schloss die Tür hinter sich, ehe sie Samuel auch schon entdeckte, der ihr deutete nach hinten zu gehen. Die zierliche Gestalt huschte an den vielen Besuchern vorbei, ohne sie wirklich zu beachten und verschwand durch die kleine Tür hinter der Theke. Belle, die gerade mit einem Besucher flirtete, begrüßte sie nicht einmal. Eline legte die Handtasche und ihre schwarze Jacke ab, verstaute beides in einem kleinen Spint, als auch schon Samuel den kleinen Raum betrat und ihr eine schwarze Schürze hinhielt. “Ich bin wirklich froh, dass du heute da bist”, seine Worte klangen ehrlich und Eline nahm ihm das schwarze Stück Stoff ab, band es sich um den schlanken Körper, während der Dunkelblonde fortfuhr. “Lass dich bitte nicht von Belles Art irgendwie einschüchtern oder beeinflussen. Wenn sie zu weit gehen sollte, dann sag mir Bescheid. Und du musst keinen der Gäste an dich heranlassen. Das hast du nicht nötig und das ist auch nicht dein Job hier. Sollte einer zu weit gehen, weil Belle das bei sich gerne einmal durchgehen lässt, dann kannst du umgehend zu mir kommen. Oder du holst Alex, er ist meist irgendwo im Eingangsbereich.” Die Dunkelhaarige nickte und erinnerte sich an den recht großen und stämmigen Mann, den sie vorhin aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Sicher war dies der besagte Alex, zumindest hatte er den Eindruck von Sicherheit vermittelt, wenn auch auf eine recht fragwürdige Art und Weise. Sie persönlich fühlte sich wohl nur sicher, weil sie hoffte, dass er auf andere so bedrohlich wirkte, wie auf sie selbst. “Ich hoffe, dass ich der Aufgabe wirklich gewachsen bin. Ich habe so einen Job vorher nie gemacht”, sie verfluchte sich in diesem Moment für ihre Entscheidung. Wie hatte sie sich auf so etwas einlassen können? Sie musste von allen guten Geistern verlassen sein. Eline hatte keine Vorstellung von dem, was auf sie zukommen würde. Sie wusste lediglich, dass dort draußen viele betrunkene Menschen und eine unsympathische Kellnerin auf sie wartete. Fraglich war, wem sie zuerst zum Opfer fiel, dank ihrer eigenen Dummheit sich darauf einzulassen. “Keine Panik. Wenn ich nicht der Meinung wäre, dass du den Abend hier überstehst, dann hätte ich dir diese Chance gar nicht gegeben”, Samuel legte aufmunternd eine Hand auf ihre Schulter und nickte bestätigend. “Und nun raus mit dir. Belle kann wirklich etwas Hilfe gebrauchen, auch wenn sie das nie zugeben würde.” Eline versuchte tapfer zu lächeln, doch sie hatte das Gefühl, dass es ihr ziemlich misslang. Trotzdem wagte sie den Schritt hinter die Theke und begegnete sofort dem kalten Blick von Belle, die sie gedanklich just in diesem Moment sicher in Stücke riss. “Ich hatte gehofft, dass dich das nächste Auto erwischt, bevor du hier auftauchen kannst.” “Unwahrscheinlich. Ich hege keine Selbstmordgedanken, wie die deinen, die mich dazu verleiten könnten mich davor zu werfen”, Eline sah die andere unberührt an und griff nach einem der benutzten Gläser, das sie dann in das Spülbecken tauchte und sauber machte. Dass Samuel hinter ihnen stand und über ihre Worte grinste, bemerkte die junge Frau gar nicht. “Werd nicht gleich frech. Du hast hier überhaupt nichts zu melden. Du arbeitest hier gerade einmal zur Probe, also sei vorsichtig”, die blauen Augen der Französin blitzten gefährlich und das Bierglas, welches sie gerade befüllte, kam recht unsanft vor dem Gast auf der Theke zum Stehen. Keine Sekunde hatte Belle ihren Blick von Eline abgewandt, die seelenruhig einige Gläser spülte. Sie spürte den Blick der Älteren auf sich ruhen und wandte sich mit einem fragenden Blick an diese. “Was siehst du mich so an? Erwarte bitte nicht, dass ich jetzt unsinnige Diskussionen mit dir beginne. Ich weiß, wann es sinnvoller ist einfach den Mund zu halten.” Belle sah sie einige Sekunden an und schien nach Worten zu suchen, entschied sich dann aber doch diesbezüglich zu schweigen und wandte sich einem neuen Gast zu, der an die Theke gekommen war. Eline schenkte ihr keine weitere Aufmerksamkeit mehr und lächelte lediglich zufrieden, während sie weiter die gebrauchten Gläser spülte. Wenn Belle den restlichen Abend schwieg, dann würde es vielleicht doch recht angenehm werden. Die Neue blieb von den meisten Gästen recht unbeachtet. Etwas, was Eline keineswegs störte. Zwischendurch tauschte sie einige Worte mit Jules aus, dem Barkeeper. Er zeigte ihr, wie sie einige einfache Drinks mixen konnte, wenn er einmal Hilfe brauchte. Er war nett und sah wirklich gut aus. Sie konnte sich vorstellen, dass einige Frauen bei ihm Schlange standen. Der Abend verlief ruhig und dennoch war es anstrengend für die Brünette. Die Hitze, die vielen verschiedenen Gerüche, die stickige Luft - es zerrte ziemlich an ihrer Ausdauer. Aber was hatte sie erwartet, verbrachte sie ihre Zeit doch sonst in einem ruhigen Hörsaal und heuchelte Interesse an den Worten ihrer Professoren? Dies hier war etwas ganz anderes, zumal Eline normalerweise nicht der Mensch war, den man ständig in Clubs oder auf Partys antraf - auch vor besagtem Tag nicht, der alles veränderte. Die grün-blauen Augen beobachteten Belle, wie sie von einem Tisch weiter hinten im Raum zurückkehrte. Auf dem Weg zur Theke fing sie an junger Mann ab, der schon ziemlich viel getrunken zu haben schien. Gespannt wartete die Dunkelhaarige ab, was geschehen würde. Überrascht und etwas pikiert musste sie mit ansehen, wie Belle sich zu einem leidenschaftlichen Kuss hinreißen ließ. Ihr schlanker, großer Körper presste sich an den Blonden und Eline wandte ihren Blick ab. Sie wusste nicht, was an der Französin auf die Männer anziehend wirkte. In ihren Augen war sie nichts weiter, als eine leicht zu habende Frau, wie es bisher schien. “Daran solltest du dich gewöhnen. Belle führt keine festen Beziehungen”, stellte Jules amüsiert klar, als er bemerkte, wie seine mögliche neue Kollegin schnell auf das Glas sah, welches sie gerade mit Sekt befüllte und über die Theke reichte. “Denkst du, dass ihr bewusst ist, dass sie sich damit später keinen Gefallen tut?”, Eline griff seufzend nach einem Glas, in das sie sich kühles Wasser geschenkt hatte. Ihr war unerträglich heiß und ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei. Sie lehnte sich mit dem Rücken an das Spülbecken und wollte gerade zum Trinken ansetzen, als eine Männerstimme sie davon abhielt. “Deine Rückansicht ist ja wirklich nett anzuschauen, aber meinen Durst stillt das eher weniger.” Hatte er nicht eine Minute warten können? Ihre Kehle fühlte sich an, als bestünde sie nur noch aus Staub. Einige Menschen hatten einfach kein Benehmen und etwas gereizt stellte sie das Glas auf ihre Arbeitsfläche, ehe sie sich umdrehte und versuchte freundlich zu lächeln. Doch jegliches Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sie ihren Gegenüber ansah; lediglich ihre Augen weiteten sich etwas. Wer auch immer er war und so lächerlich es für sie selbst erschien, er hatte ihr soeben die Sprache verschlagen und erstickte ihre Frage nach seinem Wunsch im Keim. Ihr Blick galt nur noch den dunkelbraunen Augen, die sie amüsiert musterten und deren Tiefe sie auf eine gewisse Art erschütterte. Wie konnte jemand solche Augen haben? Und wenn sie ehrlich war, dann waren es nicht nur seine Augen. Jeder seiner Gesichtszüge schien perfekt, umrahmt von den dunkelbraunen Haaren, die ihm fast bis auf die Schultern reichten. Er schwieg, schien darauf zu warten, dass irgendein Ton ihre Lippen verließ. Doch Eline wurde erst wieder bewusst, wie dümmlich sie sich gerade benahm, als Jules ihr ein gefülltes Cocktailglas in die Hand drückte, zusammen mit den Worten: “Für Dorian.” Zögernd stellte die Brünette das Glas vor sich auf den Tresen; Worte fand sie jedoch trotzdem nicht. Sie kam sich so lächerlich vor, doch ihr Körper wollte einfach nicht das tun, was er tun sollte. Es war ihr so furchtbar peinlich. “Du solltest eine Pause machen”, waren seine Worte, als er den Cocktail nahm und kurz lächelte, ehe er sich abwandte und sie nur noch sah, wie er zu der Treppe ging, die in den oberen Bereich des Clubs führte. “Eline...würdest du bitte Luft holen?”, neckte Jules sie und hielt ihr einen Eiswürfel an die Stirn, dessen Kälte sie erschrocken einatmen ließ und aus ihrer Starre löste. Noch immer etwas ungläubig blickte sie den Barkeeper an, der ihr weiterhin das gefrorene Wasser an die Stirn hielt und mit der anderen Hand einige Getränke zusammen mischte. “Sein Name ist Dorian”, sagte er dann, ohne dass sie ihn danach fragen musste. Dass der Eiswürfel an ihrer warm Stirn langsam schmolz und Wassertropfen den Weg über ihr Gesicht fanden, schien er entweder nicht zu bemerken oder zu ignorieren. “Aha”, war jedoch alles, was die Dunkelhaarige dazu sagen konnte und strich sich die dunklen Haare zurück, die an ihrem verschwitzten Hals klebten. Ihr war unerträglich heiß und in ihren Gedanken wiederholte sie immer wieder seinen Namen. Dorian. Dorian. Dorian. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)