Freezing black soul - still survive von DaddysNightmare ================================================================================ Kapitel 3: Insomnia ------------------- Chap 3 Insomnia So schnell die Schlägerei in der Kneipe begonnen hatte, so schnell war sie auch wieder vorbei. Gustav hatte seinen Deckel bezahlt, sich ein Taxi gerufen und wollte so schnell wie möglich nur noch nach Hause. Vor allem hatte er keine Lust sich mit Georg zu unterhalten. Er hatte ihn aus der Scheiße gezogen und wollte es dabei belassen. Punkt. Schluss, Aus und Ende. Und auch Georg merkte schnell, dass er ihm seinen Namen nicht verraten würde. Und schon gar nicht wo er diese Fähigkeit zu kämpfen her hatte. Das lag sicherlich auch an dem nicht gerade niedrigen Alkoholpegel Gustavs. Als er fort war, wandte Georg sich der Wirtin zu, die vollkommen fertig wegen der Prügelei war und am ganzen Leib zitterte. Zwar war ihr das durchaus nicht fremd, aber sie kannte Gustav schon zu lange, als das sie das kalt gelassen hätte und genau diesen Umstand Silent. Tom brauchte sowieso noch ein wenig Zeit um sich zu akklimatisieren. Das war einfach zu viel für einen Tag. Sein Limit war erreicht. „Sie sollten die letzte Runde einläuten, den Laden dicht machen und sich ausruhen.“ Anna, die Wirtin, nickte nur und kurz darauf war die Kneipe, bis auf Tom und Georg, wie leergefegt. Seufzend ließ sie sich auf einen Hocker neben Georg nieder und zündete sich, immer noch mit zittrigen Händen, eine Zigarette an. „Ick weiß, ick hätt' die Bullen rufn müssen. Aber ick kenn den Jung schon so lange, da war der noch ganz kleen. War mit seinem Vadder schon mal des Öfteren nachm Spiel von Hertha hier her in meene Pinte. Den kann ick doch nich anne Polente verpfeifen nur weil er anjeschikkert un bisschen inne Bredullje hockt, wa? Der Juschtl war immer nen juter Junge. Ick wusste vorhin aber schon als er rinkam, det dette richtich Ärjer jibt. Die Karnalje von Schulz war ja schon den janzen Abend uff Stress aus. Aber solange der nix macht, kann icke den ja ooch nich rausschmeißen, verstehste Jung? So, un auf den Schock trinken wa nu eenen.“(*1) Resignierend seufzte die rüstige Dame, griff über die Theke hinweg nach einer Falsche Korn und drei Pinnchen,(*2) füllte diese und reichte zwei davon Tom und Georg. „Danke. Aber sie brauchten die Kollegen ja Gott sei Dank nicht rufen, wir waren ja da.“ Georg nahm die zwei kleinen Gläser entgegen, reichte eines davon an Tom weiter, wartete anstandsgemäß bis die Dame ihnen zuprostete bevor er sein Glas mit einem Zug leerte. Dog konnte nur den Kopf schütteln, was Silent als Aufforderung sah sein Glas auch noch zu entleeren. „Auf einem Bein kann ich nicht stehen, Dog. Oder siehst du das anders? So und nun zu der Geschichte von eben. Wie hieß der junge Mann noch einmal?“ Misstrauisch blickte Anna zwischen den beiden Polizisten hin und her. Zwar war sie dankbar dafür dass Tom schlimmeres verhindert hatte, aber dass Georg sie nun nach Gustavs vollständigem Namen fragte, machte sie stutzig. „Versteht mia nich falsch Jungs, aber ick hau den nich inne Pfanne bei euch. Außerdem wollt ihr…“ Sie stockte, füllte die drei Gläser erneut und schwieg. „Wir wollen ihm nichts. Ganz bestimmt nicht. Es ist nur so, dass ich persönlich gern gewusst hätte, wer er denn ist. Wie er heißt. Er hat mir heute… sagen wir mal… aus der Scheiße geholfen und ich wollte mich dafür nur bei ihm bedanken, nichts weiter.“ Doch Anna war immer noch vorsichtig. Sie hatte ihr ganzes Leben in Pankow verbracht, hatte mitbekommen, wie ihr geliebtes Berlin sich verändert hatte. Und das nicht nur zum Positiven hin. Sie wusste genau dass man niemandem zu viel anvertrauen durfte. „Ick weiß ja nich ob ihr richttje Bullen seid. Ick meen… det war schnieke von dem da det er Schlimmeres verhindert hat aber…“ Bevor sich Anna weitere Gedanken machen konnte, kramte Tom seinen Dienstausweis aus seinem Portemonnaie und reichte diesen ihr. „Und der nette Herr rechts von Ihnen ist mein Kollege Georg Engels.“ Kritisch begutachtete sie Dogs Ausweis. Nicht, dass sie einen gefälschten von einem echten hätte unterscheiden können, aber es beruhigte sie irgendwie, diese kleine Karte in Ruhe ansehen zu dürfen. Dann seufzte sie noch einmal, setzte das Pinnchen an und leerte es in einem Zug. Georg tat es ihr erneut gleich. Doch bevor er das Glas von Tom wieder leeren konnte, hatte dieser es ihm abgenommen und es selbst ausgetrunken. Mit bösem Blick funkelte Silent ihn an. Doch Tom schaute demonstrativ triumphierend grinsend zurück. „Der Junge heißt Gustav Jegorow. Wohnt direkt hier umme Ecke. Is eijentlich wirklich 'nen lieber Junge. Issn Kollege von euch. Also ob det nu direkter Kollege is, dat weeß ick nich. Zuletzt war er bei der Kripo in Mitte. Allerdings ham se ihn im Moment auf Eis jelegt. Sein Boss meinte wohl, det er erstma mit dem Tod seines kleenen Bruders und dem der Eltern klar kommen soll. Erst dann kann er wohl wieder mallochen. Is wirklich ne janz arme Sau, der Kleene.“ Interessiert hörte Georg der rüstigen Frau zu, nickte aus Höflichkeit hier und dort ihren Aufführungen zu. Gegen ein Uhr nachts hatten sie die Wirtin dann noch heim gefahren. Zwar hatte sie zunächst erst dankend abgelehnt, aber in Anbetracht der Tatsache dass auch sie wohl nicht mehr ganz nüchtern war, sich dann doch chauffieren lassen. „Siehste Dog, ich hatte Recht. Der ist einer von uns.“ Müde ließ Georg sich auf die Couch in seinem Wohnzimmer fallen. Tom stand wie bestellt und nicht abgeholt inmitten des riesigen Raumes. Silents Wohnung war zwar groß, aber nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Nach dem Tod seiner Freundin und seines Sohnes hatte er fast fluchtartig das gerade gekaufte Einfamilienhaus verlassen und sich eine schicke, 100qm Atelierwohnung in Treptow gemietet. „Jetzt steh da halt nicht so rum wie Falschgeld. Fühl‘ dich wie zu Hause. Bier ist im Kühlschrank, Handtücher zum Duschen im Bad. Schlafen kannst du gern oben. Ich penn eh auf der Couch.“ Irritiert blickte Tom erst nach oben, dann in Georgs Gesicht. „Du solltest aber schon im Bett schlafen, Silent. Falls du es vergessen hast: Du bist entführt worden, man hat dich gequält und du hast einen richtig bösen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Ich denke dass du in deinem Bett schlafen und dich etwas erholen sollst. Sam hat gesagt ich soll auf dich achten und du sollst nicht immer so tun, als wenn dich nichts und niemand aus den Socken hauen könnte. Verdammt noch mal, du bist auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut und nicht aus Stahl. Also fang endlich mal damit an, auf dich und deine Gesundheit zu achten.“ Mit einem gekünstelten Lachen und einem Kopfschütteln griff Silent nach der Fernbedienung und schaltete den Flimmerkasten ein. „Bettbezug müsste im Schrank liegen. Das Daunenbett und auch das Kopfkissen liegen auf dem Bett.“ Sichtlich wütend ob des ignoranten Kommentars von Georg stapfte Tom die Treppen zur Schlafecke der Wohnung hinauf. Auch dort war die Einrichtung eher spärlich. Zwar stand das Notwendigste an seinem Platz, jedoch gab es keinerlei liebevolle Dekoration, Bilder oder ähnliches. Seit dem schmerzlichen Verlust seiner kleinen Familie beschränkte Silent sich nur noch auf das Nötigste, verbrachte eh nur knappe 6 Stunden daheim zum Schlafen und duschen, bevor er dann den ganzen Tag über auf dem Präsidium, bei Einsätzen oder im Trainingsraum verbrachte. In der hintersten Ecke des Raumes standen noch Kartons vom Umzug gestapelt. Tom selbst hatte sie dort hingestellt weil Georg sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte, diese auszuräumen. „Da ist nichts Wichtiges drin, Dog. Nur Erinnerungen die mich weich werden lassen. Da kann ich dankend drauf verzichten. Sie sind tot und kommen beide nie wieder zurück. Also bleiben die Kisten zu und kommen, so wie sie sind, in den Kellerraum sobald dieser vom Vormieter ausgeräumt wurde. Ende.“ ‚Mhm. Und weil es schmerzliche Erinnerungen sind stehen sie auch noch hier oben. ‘ Seufzend schüttelte Tom den Kopf und machte sich daran, das Bett zu beziehen. Allerdings nicht für sich, sondern für Silent. Denn Tom konnte mindestens genauso stur sein wie sein Kollege. Er nahm die Aufgabe, die sein Vater ihm übertragen hatte, sehr ernst. Allein schon weil er genau wusste, dass Georgs Verletzung, auch wenn sie rein äußerlich nicht so wild aussehen mochte, alles andere als auf die leichte Schulter zu nehmen war. Mitten in der Nacht schreckte Gustav schweißgebadet hoch. Immer wieder holte ihn die Vergangenheit in Form von Albträumen ein. Immer wieder träumte er von Bastian und von dem Schuss, davon wie er seinen kleinen Bruder blutüberströmt auf dem Boden liegend fand. Er stand auf, ging in die Küche und nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, setzte diese an und trank sie in einem Zug halbleer. Mit immer noch zittrigen Fingern öffnete er das Küchenfenster, setzte sich auf das Fensterbrett und zündete sich eine Zigarette an. Er lehnte sich ein Stückchen zurück an die Wand, beobachtete das nächtliche Treiben und hing seinen Gedanken nach. Kurze Zeit später beschloss er, weil er ja doch nicht schlafen konnte, noch einen Spaziergang durch die Nacht zu machen. Dass er eine lebende Zielscheibe für Fjodorows Anhänger darstellte, kam ihm nicht in den Sinn. Nach einem kurzen Fußmarsch bog er in den Bürgerpark von Pankow ein, ging ein paar Meter und kramte seine Zigaretten hervor um sich eine neue anzuzünden. Es ging alles ganz schnell. Er hörte einen Schuss und verspürte darauf einen brennenden Schmerz an seiner rechten Körperhälfte. Mit Mühe und Not schleppte er sich zur nächsten Hecke um sich dort zu verstecken. Hatte er vorher doch keinerlei Angst vor dem Tod oder gar davor getötet zu werden, so hatte Gustav doch seine Meinung schlagartig geändert. „Hast du ihn erwischt, Alexej?“ Gustav versuchte sich auf seinen Angreifer und deren Kumpanen zu konzentrieren und seinen Schmerz zu ignorieren, was ihm allerdings nur schwer gelang. „Keine Ahnung. Ich denke schon, so wie er gestöhnt hat. Aber ich sehe ihn nicht. Scheiße. Nicht richtig getroffen. Fuck! Wir müssen ihn erledigen, sonst macht Pavel uns kalt. Er will den Mörder seines Sohnes tot sehen!“ Gustav verhielt sich ganz ruhig und hoffte inständig, nicht entdeckt zu werden. Scheinbar hatte sein Schutzengel doch noch einmal Mitleid mit ihm gehabt, denn die Russen wurden von der nächtlichen Patrouille der Parkwächter gestört und suchten das Weite um selbst nicht entdeckt zu werden. Als sich die Lage dann entspannt hatte, kroch Gustav aus seinem Versteck hervor und schleppte sich wieder in seine Wohnung zurück. Ins Krankenhaus selbst wollte er nicht, da man dort aller Wahrscheinlichkeit nach seine Kollegen informiert hätte. Und das hätte ihm mehr als nur lästige Fragen eingehandelt. Er wollte direkt von daheim aus einen befreundeten Arzt der Familie anrufen und sich von diesem helfen lassen. Denn, so wie er selbst schon bemerkt hatte, handelte es sich allem Anschein nach nur um einen Streifschuss, also steckte keine Kugel in ihm und es bestand keinerlei Lebensgefahr. Bis auf die Tatsache, dass er blutete wie ein Schwein. Tom hatte es nicht geschafft Georg dazu zu bringen, im eigenen Bett zu schlafen. Innerlich wusste der junge Polizist auch, wieso das so war. Seit Lilly’s und Jonas' Tod hatte Georg nie wieder im Bett geschlafen. Er ertrug es schlichtweg einfach nicht, allein in dem Bett zu liegen, das seine Freundin ausgesucht hatte, in dem er mit ihr gelegen hatte, in dem er sie geliebt hatte. Ein markerschütternder Schrei von Georg ließ Tom aus dem Schlaf hochschrecken. Er rannte, noch halb benommen vom Schlaf, die Stufen runter, schaltete das Licht an und kniete sich vor das Sofa auf dem sein Kollege lag, schrie und wild um sich schlug. Er hatte wirklich alle Mühe um Silent zu wecken. „Silent? Hey! Nun wach schon endlich auf! Alles ist gut, Mann! Es war nur ein Traum, weiter nichts. Hörst du? Alles ist okay. Ich bin hier. Alles ist gut!“ Silent brauchte eine Weile um sich zu fangen. Mit zitternden Knien stand er auf, ging an Dog vorbei und direkt zum Balkonfenster und riss es auf, atmete tief die kühle Nachtluft ein. Kurz beobachtete Tom ihn, ging dann auf ihn zu, stellte sich direkt daneben, zündete eine Zigarette an und reichte sie seinem Kollegen. „Willste mir nicht sagen, was du geträumt hast?“ Fragend blickte Tom ihn von der Seite an, während er aus der Schachtel eine weitere Zigarette für sich heraus kramte. Doch von Georg kam keinerlei Antwort, sondern nur ein kaum merkliches Kopfschütteln. Tom seufzte nur. Insgeheim konnte er sich denken, was Georg bis in den Schlaf verfolgte „Du weißt genau, Silent, dass du dir endlich Hilfe holen musst. Das hältst auch du nicht auf die Dauer durch. Verdammt du hast nicht deinen Hund, sondern deine Freundin und deinen Sohn verloren. Lass dir endlich helfen sonst beißt du als nächster ins Gras.“ Scheinbar unwissend schaute Georg Dog in die Augen. „Sag mal, was soll’n das Dog? Von was sprichst du da? Freundin und Kind verloren…“ Kopfschüttelnd schnippte er die Kippe vom Balkon hinunter, ging wieder hinein und schloss das Balkonfenster. „Silent willst du mich jetzt verarschen, oder was ist los? Ich mein okay, dass du versuchst 'n gefühlskalter Eisklotz zu werden, kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Aber die Nummer mit der Verdrängung von Lilly und Jonas geht ein Stückchen zu weit, findest du nicht? Sie war seit knappen 10 Jahren deine Freundin. Sie hat im Juli vor zwei Jahren euren gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht. Ihr wolltet im nächsten Sommer heiraten. Silent, so was kann man nicht verdrängen! Verdammt noch mal lass dir endlich helfen! Diese Albträume hast du doch auch nicht das erste Mal, oder?“ „Herrgott Tom! Ich weiß doch selbst noch nicht mal was ich da genau geträumt habe! Es war mit einem Mal hell und vor allem heiß. Ein Feuerball, ein schreiendes Kind und eine schreiende Frau. Ich hab echt keine Ahnung was das zu bedeuten hat! Ich und 'ne Freundin. Du hast 'se wohl nicht mehr alle! Sieht das hier so aus, als hätte ich je 'ne Frau an meiner Seite gehabt? Und Kinder – Dog ich bitte dich! Was will man in unserem Job mit 'ner Familie? Das ist glatter Selbstmord.“ Tom staunte nicht schlecht als Georg, vollkommen davon überzeugt niemals eine Freundin und ein Kind gehabt zu haben, diese Worte aussprach. Das war selbst für einen gestandenen Kerl wie ihn zu viel. „Du… du meinst das gerade ernst, oder Silent? Das was du da gerade gesagt hast… Alter, der Schlag, den du auf den Kopf bekommen hast, der war doch heftiger als wir dachten, oder?“ Kopfschüttelnd und immer noch schockiert griff er nach seinem Handy, um den Oberkommissar anzurufen. Silent hingegen legte sich wieder auf die Couch schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Programme. „Ich und Familie. Du hast den Knall doch nicht gehört.“ Schwer atmend und fast besinnungslos vor Schmerzen kam Gustav in seiner Wohnung an. Sofort zog er sich die Jacke und das Shirt aus und ging ins Badezimmer um seine Wunde genauer zu inspizieren. Auf dem Weg dorthin hatte er sich das Telefon geschnappt und einen alten Freund seines Vaters, einen Unfallchirurgen, aus dem Bett geklingelt. "Ich hab keine Ahnung wie tief genau die Wunde ist, Andrej aber es blutet wie Sau, schmerzt ohne Ende und mir ist mehr als nur schwindelig durch den Blutverlust. Ja es sitzt genau zwischen Hüftknochen und dem Anfang vom Rippenbogen.Nein, ich werde nicht in ein Krankenhaus gehen. Das erklär ich dir, wenn du hier bist, okay? Ja, ja ist gut. Dank dir.“ Achtlos warf er das Telefon auf den Stapel frischer Handtücher und begutachtete seine Wunde noch ein weiteres Mal eingehend. „Na ganz toll. Der Tag war so schon beschissen genug. Gott muss echt was gegen mich haben, dass er mich so abstraft!“ Er nahm ein Handtuch und presste es fest auf seine rechte Körperhälfte. Etwas wackelig ging er in die Küche, nahm eine Flasche Wodka aus dem Kühlschrank, trank einen kräftigen Schluck daraus und setzte sich damit an den Küchentisch und wartete auf den Arzt. Wenigstens den Schmerz wollte er etwas betäuben. Und womit sollte das besser funktionieren, als mit einem russischen Nationalgetränk? „Nein Papa, es ist so wie ich dir es gesagt hab. Der ist wirklich davon überzeugt, dass er nie eine Familie gehabt hat. Du solltest den Arzt noch einmal anrufen und ihm das sagen. So kann das auf jeden Fall nicht laufen! Entweder hat Silent nun wirklich einen Dachschaden oder er verdrängt es nur weil er keinen Bock auf Trauerbewältigung hat und meint, dass er damit besser durchs Leben kommt.“ Sam Latour staunte nicht schlecht als Tom ihm erzählte, wie Georgs Reaktion gewesen war. Er teilte seinem Sohn mit, dass er sofort am nächsten Morgen die behandelnden Ärzte anrufen würde um Näheres in Erfahrung zu bringen. „Tu' mir nur einen Gefallen, Tom. Pass auf dass er nichts Blödes anstellt und vor allem: Sorg dafür dass er liegen bleibt und dass du ihn morgen direkt zeitig ins Krankenhaus bringst. Damit ist nicht zu spaßen. Ich befürchte fast, dass das eine Art Amnesie ist. Allerdings ist es nicht normal, dass er vergangene Dinge vergisst. Aber ich bin kein Arzt. Tom, dass du mir ja gut auf Silent aufpasst. Er hat außer uns niemanden mehr.“ Wie versprochen brachte Tom Georg, natürlich nicht ohne Protest desselben, ins Krankenhaus. Dort warteten bereits der Oberkommissar und der behandelnde Arzt auf die Beiden. Er untersuchte Georg noch einmal eingehend und schickte ihn erneut zur Computertomographie. „Ich frag' mich echt, Sam, was der ganze Scheiß soll. Das haben die bereits gestern doch schon alles untersucht. Langsam fangt ihr echt an, mich zu nerven, wisst ihr das?“ Entnervt folgte er der Schwester die ihn zu den Untersuchungsräumen brachte. Währenddessen sprachen Tom und Sam mit dem Doktor. „Sie wissen schon, dass ich ihnen normaler Weise keinerlei Auskunft über Herrn Engels Gesundheitszustand geben dürfte, oder? Allerdings hat er uns gestern, ihnen und ihren Kollegen Latour und Di Lauro gegenüber der Schweigepflicht entbunden, so dass ich ihnen somit den Gesundheitszustand ihres Kollegen näher bringen darf. Es sieht alles danach aus, als leide Herr Engels unter einer Art posttraumatischer Belastungsstörung.(*3) Diese kann oder wird meist durch einen Schock oder durch immerwährenden Stress hervorgerufen. Daher leidet er unter einer Teilamnesie. Zwar ist es nicht üblich, dass dadurch Dinge aus der Vergangenheit komplett gelöscht werden, was zum Beispiel nahestehende Personen betrifft, jedoch ist dies nicht unmöglich. Auch können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, wie lange diese Teilamnesie anhalten wird. Und sie sagen, er kann sich nicht mehr daran erinnern, dass er eine Freundin und einen kleinen Sohn hatte?“ Tom schüttelte nur den Kopf. „Nein. Er hat mich für bescheuert erklärt, wie ich auf die Idee gekommen wäre, dass jemand von uns je eine Familie gründen würde. Er sagte, dass sei glatter Selbstmord.“ Der Arzt nickte wissend. „Wenn Herr Engels allein lebt, dann sollten sie sich um ihn kümmern. Wenn er zu lange allein ist, dann drohen zu der Amnesie auch noch Depressionen hinzu zu kommen. Und er sollte, solang die Amnesie andauert, in den Innendienst versetzt werden. In diesem Zustand wäre es unverantwortlich, wenn er an Einsätzen jeglicher Art fernab vom Schreibtisch teilnehmen würde.“ Latour und sein Sohn schauten erst abwechselnd sich, dann den Arzt an. „Das wird lustig.“ „Nein, Vater. Das wird anstrengend. Schon mal versucht 'nen Löwen von der Wildnis aus direkt in einen Käfig zu sperren? Der bringt uns um, wenn wir ihm sagen dass er besser die Akten sortieren soll.“ Seufzend stand der Oberkommissar auf, bedankte sich beim Arzt für dessen Offenheit und verabschiedete sich von ihm. „Ich werd's ihm sagen. Tom? Ruf‘ Tsu an und sag ihm, dass er nach Feierabend zu Silent fahren soll, damit er nicht allein ist. Wir zwei müssen nachher noch etwas besprechen. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, was mir so gar nicht passt.“ Mit einem vielsagenden Blick, der allerdings nichts Gutes verhieß so wie Tom es am Gesichtsausdruck seines Vaters ausmachte, verließ Herr Latour das Büro des Arztes. „Ärger?“ Tom nickte. „Ja und ich ahne schon was. Ich frag mich nur gerade, wie er nun schon wieder davon Wind bekommen hat.“ Der Doc schmunzelte nur, widmete sich wieder seinen Unterlagen. „Herr Latour. Ihr Vater war 15 Jahre lang Oberkommissar beim Drogendezernat. Jetzt ist er Leiter ihrer Sondereinheit. Fragen sie sich wirklich, wie er von - was auch immer – Wind bekommen hat?“ *1: Ich bin zwar mit Berliner Dialekt aufgewachsen, aber ich denke diese Seite hilft euch da weiter, wenn ihr manche Titulierungen/Worte nicht versteht ;-) http://berlin-and-more.de/Berlinerisch-Deutsch/Worterbuch-Berlinerisch-Deutsch/B.html *2: kleine, 2 cl Gläser * 3: http://www.ame-pleurant.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=7&Itemid=8 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)