Was du nicht weißt und ich vergessen will von Mirku ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: Heimatlos und Hungrig ------------------------------------------- Aois Sicht: Es war mein eigener Schrei, der mich aus dem Schlaf riss. Mein Körper bebte, mein Atem ging unregelmäßig und mein Herz raste. Wachsam sah ich mich im Halbdunkel des Zimmers um. Doch viel gab es hier nicht zu entdecken. Der Raum war leer, bis auf zwei Rucksäcke, die einsam in einer Ecke standen, und der Matratze auf der ich und meine Schwester zusammen schliefen. Doch sonst war niemand hier. Es war also nur ein Traum gewesen. Ein Albtraum. Mal wieder, aber glücklicherweise nur ein Traum. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was wäre wenn… Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare. Nein, das wäre nicht gut. Gar nicht gut! Lieber nicht darüber nachdenken. Vorsichtig, um Midori nicht aufzuwecken, stand ich auf und begann im Zimmer auf und ab zu laufen, um mich zu beruhigen. Langsam begann meine Atmung sich wieder zu normalisieren. Es war gut! Alles war gut! Es war nur ein Traum gewesen. Ein furchterregender Traum zwar, aber ein Traum. Und doch… Gar nichts war gut. Es hatte schon seinen Grund warum Midori und ich hier in diesem Raum schliefen, mit nichts weiter, als unseren persönlichen Sachen und einer Matratze, die wir vom Sperrmüll geklaut hatten. Es hatte seinen Grund, warum wir schon so lange auf der Flucht waren, warum wir wie Schatten durch die so oder so schon dunklen Gassen huschten und uns nie zulange an einem Ort aufhielten. Mit einer Hand zog ich vorsichtig den Vorhang, den wir über das offene Fenster gespannt hatten, ein Stückchen beiseite, um nach draußen zu schauen. Ein Strahl des verhassten Sonnenlichts fiel auf mein Gesicht und verärgert kniff ich die Augen zusammen. Ich musste erst ein paar Mal blinzeln, bis ich von der Welt da draußen etwas erkennen konnte. Es schien früher Nachmittag zu sein. Die Sonne schien noch hell, doch hatte sie schon einiges an Höhe verloren. Ein paar Menschen stapften, in dicke Wintermäntel eingehüllte, durch den Schnee, der die letzten Nächte unaufhörlich gefallen war. Nicht einer von ihnen würdigte das verfallenen Haus, unter dessen Dach unser Zimmer lag, auch nur eines Blickes. Und das war auch gut so. Für uns. Und auch für sie. Ein eisiger Windhauch pustete mir ins Gesicht und trieb ein paar aufgewirbelte Schneeflocken mit ins Zimmer. Schnell zog ich meinen Kopf zurück und spannte den Vorhang wieder über das Fenster. Ich fing schon wieder an zu zittern, diesmal jedoch nicht aus Angst, sonder vor Kälte. Die Temperatur hier im Zimmer lag vermutlich nur wenige Grade höher als draußen auf der Straße. Also nur wenig über den Gefrierpunkt. Doch hier waren wir wenigsten vor dem Sonnenlicht geschützt und wurden auch nicht eingeschneit. Schnell schlüpfte ich unter die dünne Decke zu Midori und schmiegte mich an meine kleine Schwester, um mich wenigsten etwas zu wärmen. Meine kleine Schwester… Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Auch wenn uns als Zwillinge nur wenige Stunden trennten, war sie trotzdem irgendwie meine kleine Schwester. Auch wenn nicht unbedingt die Schwächere. Nein, in vielen Punkten war sie stärker als ich, doch würde sie immer meine kleine Schwester bleiben. Und ich ihre große Schwester. Daran würde sich wohl nie etwas ändern. Glücklich lächelnd schloss ich die Augen und merkte kaum wie ich ein weiteres Mal einschlief… „Aoi! Hey Aoi! Wach auf!“ Ich merkte wie mir jemand sanft gegen die Stirn tippte. Verschlafen blinzelnd schlug ich die Augen auf und blickte in das lächelnde Gesicht meiner Schwester. Da wir ja Zwillinge waren, war es fast so als ob ich in einen Spiegel schauen würde. Das gleiche hellhäutige Gesicht, umrahmt von den gleichen langen, braunen Haaren, die an den Spitzen schwarz wurden. Nur unsere Augenfarbe unterschied uns für Außenstehende, denn im Gegensatz zu Midori, mit ihren grünen Augen, hatte ich blaue Augen. Obwohl Midori wusste das ich schon wach war, stupste sie mir ein weiteres Mal mit zwei Fingern gegen die Stirn. „Ach. Auch endlich wach, du Langschläfer?“, fragte sie grinsend. „Es ist schon seit ein paar Stunden dunkel. Also höchste Zeit aufzustehen.“ Ich sparte mir meine Antwort darauf und knurrte nur leise vor mich hin. Midori war inzwischen aufgestanden und war dabei sich noch ein paar zusätzliche Sachen über zu ziehen. Als ich sie so vor mir sah, musste ich leicht grinsen. Sie bemerkte meinen Blick und sah mich hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist?“, fragte sie skeptisch und sah mir dabei in die Augen. Es war fast so als würde sie die Hände in die Hüfte stemmen. „Weißt du dass du lustig aussiehst, mit diesem Zwiebellook?“, fragte ich sie und musterte sie noch einmal genauer. Unter ihrer grünen Jacke, die sie nicht einmal mehr richtig zu machen konnte, trug sie einen schwarz-weiß gestreiften Pullover, über den sie noch eine kurze schwarze Weste trug. Ein großes, ebenfalls grünes Tuch hatte sie mehrmals um den Hals gewickelt. Doch das ging ja noch. Untenrum wurde das Sammelsurium von Kleidungsstücken erst richtig interessant. Ihre kurze Jeanshose wurde zum größten Teil von einem schwarzen Minirock verdeckt, aber halt doch nicht ganz. Dazu trug sie schwarze Overknees und helle Wollstulpen, die sie in ihre dunkelbraunen Stiefel gesteckt hatte. Stirnrunzelnd sah Midori erst an sich hinunter und dann wieder zu mir. „Als ob du so viel besser Aussehen würdest“, maulte sie beleidigt und warf mir meine dunkelblaue Jacke in den Schoß. Stimmte auch wieder. Wo sie recht hatte, hatte sie nun mal recht. Und ich sah wirklich nicht viel anders aus als sie, nur das meine Jacke und mein Halstuch blau und meine Stiefel schwarz waren. Aber wir hatten nun mal nicht die Möglichkeit wählerisch bei unserer Kleidungswahl zu sein, besonders im Winter wenn wir für jedes Kleidungsstück, das uns wärmte, dankbar waren. Und wenn wir mal was aus den Geschäften mitgehen ließen, dann immer in doppelter Ausführung. „Aber wenigstens sind meine Schnürsenkel ordentlich gebunden“, zog ich sie mit ihrer Angewohnheit auf ihre Schnürsenkel bei einem Stiefel überkreuz und bei dem anderen Stiefel gerade gebunden zu tragen. Doch diesmal war es Midori, die nicht anders konnte als zu grinsen. „Tja, meine liebe Aoi, das glaubst aber auch nur du.“ Verwirrt sah ich meine Schwester an, dann wanderte mein Blick nach unten zu meinen Stiefeln. „MIDORI!“, schrie ich. „Du hast doch wohl nicht etwa… Oh man! Wie viel Langeweile kann man eigentlich haben?“ Gespielt schmollend schob sie ihre Unterlippe vor. „Aber so ist es doch viel zwillingsmäßiger und außerdem… Du warst doch diejenige die nicht aufwachen wollte. Da ist es doch kein Wunder das mir langweilig wird!“ Beschwichtigend winkte ich ab. „Ist ja schon gut. Ich hab so oder so keine Lust mir die Mühe zu machen das jetzt wieder umzubinden. Außerdem habe ich Durst. Weißt du ob wir noch etwas hier haben?”, fragte ich mit einem hoffnungsvollen Blick in ihre Richtung. Doch sie zuckte nur mit den Schultern und begann dann unsere Rucksäcke zu durchwühlen. Kurze Zeit später hielt sie triumphierend einen Plastikbeutel mit roter, schwappender Flüssigkeit in die Höhe. „Eh voila. Einmal A positiv. Das ist aber auch alles was von unserem letzten Krankenhausbesuch noch übrig ist“, sagte sie und warf mit den Beutel zu. „Allerdings ist es kalt, wie alles hier im Zimmer.“ Auch egal. Hauptsache überhaupt etwas Blut. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, riss ich die Tüte mit meinen Reißzähnen auf und begann genüsslich zu saugen. Auch wenn es kalt war, und damit keinen Vergleich zu frischem menschlichen Blut darstellte, tat es unheimlich gut wieder Blut zu trinken und das brennen in meiner Kehle ließ etwas nach. Doch die kritischen und gierigen Blicke meiner Zwillingsschwester erinnerten mich daran, dass ich nicht alles trinken durfte. Seufzend setzte ich wieder ab und reichte ihr den Beutel. Ein letztes Mal leckte ich mir noch über die Lippen, um auch noch die letzen Blutstropfen abzukriegen. Midori brauchte nicht einmal eine ganze Minute um den Rest des Beutels zu leeren und sah mich dann aus großen Augen an. „Und jetzt? Ich hab immer noch Durst und Hunger.“ Ich zuckte mit den Schultern und zog mir meine Jacke über. „Wir werden wohl oder übel wieder jagen müssen. Auch wenn es mir gewaltig gegen den Strich geht.“ Das Risiko war mir einfach zu hoch. Um möglichst nicht aufzufallen, verzichteten wir weitest gehend auf frisches menschliches Blut und begnügten uns mit Blutkonserven, die wir aus Krankenhäusern klauten. Doch wenn wir dann mal jagen mussten, waren wir dann meist so ausgehungert, das es uns meistens schwer fiel, aufzuhören bevor wir die Menschen umbrachten. Was wir ja eigentlich vermeiden wollten, um nicht aufzufallen. Es war schon irgendwie eine scheiß Situation. Midori löste den Vorhang vom Fenster, kletterte auf das Fensterbrett und schwang sich nach draußen aufs Dach in die kalte Winternacht hinaus. Etwas weniger schwungvoll folgte ich ihr. Die Tür benutzten wir nur selten. Wozu auch? Für uns war es einfacher uns über die Dächer und Mauern der Städte zu bewegen, frei und nicht gebunden an die beengten und verzweigten Wege der Menschen. Obwohl es in den Gassen windstill schien, tobte über den Dächern der Stadt ein Schneesturm. Und in diesen Schneesturm waren wir jetzt bestimmt schon 10 Minuten unterwegs. Immer wieder waren wir stehen geblieben und Midori hatte überprüft ob sie irgendwo die Spur einer, für uns geeigneten, Beute wittern konnte. Schon seit dem wir ganz klein waren hatte ich mich bei der Nahrungssuche immer auf Midoris, selbst für einen Vampir, stark ausgeprägten Geruchssinn verlassen. Vor mir stoppte Midori erneut, das Gesicht dem kalten Wintersturm zugewandt und die Augen vor Konzentration geschlossen. Dann wandte sie sich grinsend zu mir um. „Ich hab etwas gefunden. Ungefähr fünfhundert Meter von uns entfernt liegt ein Mann in einer Gasse. Er hat vermutlich viel zu viel getrunken. Zumindest riecht er eindeutig so.“ Ich nickte und grinste ebenfalls. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Runter in die Straßen und Gassen der Stadt zu tauchen war eine echte Erleichterung. Endlich dem kalten und schneidenden Böen des Schneesturms entkommen zu sein. Der Mann lag mitten auf der Straße und war schon von einer dünnen Schicht aus Schnee bedeckt. Noch etwas unschlüssig standen wir vor ihm. „Lebt der überhaupt noch?“ fragte Midori und stupste ihn vorsichtig mit dem Fuß an. „ Scheinbar gerade noch so, aber wenn er noch ein paar Stunden hier draußen liegt wohl nicht mehr.“ antwortete ich. „Also wird es wohl nicht so sehr auffallen, falls er nicht mehr aufwachen sollte.“ Ich nickte zustimmend. „Aber lass ihn uns trotzdem lieber wo anders hinschaffen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass zu dieser Uhrzeit hier noch jemand vorbei kommt, aber man weiß ja nie.“ Midori nickte und packte den Mann and den Armen und ich übernahm die Beine. So schleppten wir ihn ein paar Meter weit, bis wir einen geeigneten Schuppen fanden, den wir aufbrachen und den Mann drinnen wieder absetzten. Diesmal ließ ich Midori den Vortritt. Erst probierte sie vorsichtig den eingefrorenen Knoten des Schals zu lösen und den Hals frei zu legen, doch als es nicht funktionierte verlor sie schnell die Geduld und riss den Schal mit einfachen, schnellen Bewegungen in Stücke. Als kurz darauf der Geruch von Blut den Schuppen erfüllte, ging ich vor die Tür um Wache zu halten. Es war still draußen. Der Schnee dämpfte die wenigen Geräusche, die es gab. Nur ab und zu hörte man den Wind durch die Gassen pfeifen oder in einer entfernten Gasse die Schrei von ein paar Katzen, die sich prügelten. Dann war wieder alles still, bis auf die ein leises Saugen und Glucksen hinter mir im Schuppen. Nach ein paar Minuten kam Midori aus dem Schuppen und tippte mir auf die Schulter. „Ich bin fertig.“ sagte sie. Ihr Gesicht war leicht blutverschmiert und schnell wischte sie es mit dem Ärmel ab. Ich schlüpfte an ihr vorbei in den Schuppen und ging auf den Mann zu. Bildete ich es mir nur ein oder war er wirklich noch etwas bleicher geworden, als er es durch die Kälte vorher schon gewesen war. Aber er lebte noch. Seine Brust hob und sengte sich immer wieder, auch wenn seine Atmung reichlich flach ging. Behutsam tastete ich mich mit meinen Lippen an seinem Hals entlang, um die Bissstelle zu finden die Midori schon hinterlassen hatte, damit ich ihm nicht noch eine Wunde zufügen musste. Als ich die Bissstelle gefunden hatte, fing ich an zu saugen, doch sofort setzte wieder ab und verzog angewidert das Gesicht. Midori hatte recht gehabt, der Typ war wirklich stockbesoffen und das schmeckte ich auch deutlich in seinem Blut. Doch hatte ich keine andere Auswahl und musste mich mit dem begnügen was ich hatte. Ich setzte wieder an und begann erneut zu saugen. Es schmeckte immer noch nicht wirklich, doch um so mehr ich von seinem Blut trank desto mehr gewöhnte ich mich auch an den Geschmack, bis ich ihn letztendlich kaum noch wahr nahm. Langsam merkte ich auch ´wie sich die Wärme des Blutes auch auf meinen Körper übertrug und ich anfing mich zu entspannen. Doch plötzlich riss mich Midoris Fauchen aus meinen Gedanken. Ruckartig setzte ich ab und schaute zur Tür, doch Midori knurrte nur noch. Schnell warf ich noch einen Blick auf den Mann. Er lebte, gerade noch so. Und vermutlich würde er auch noch weiterhin leben. Vielleicht hatten wir ihn sogar gerettet, als wir ihn von der Straße holten und hier in den Schuppen gebracht hatten. Sonst wäre er bestimmt erfroren. Doch das war auch kein Grund stolz auf uns zu sein. Hätte Midori mich nicht abgelenkt, dann hätte ich ihn bestimmt umgebracht. Ich leckte noch einmal über die Wunde, die wir hinterlassen hatten, um sie etwas zu versiegeln, dann schlüpfte ich wieder durch die Tür hinaus zu meiner Schwester. Midori stand an den Türrahmen gelehnt, die Augen zwar geschlossen, aber die Zähne gebleckt und die Muskeln angespannt. „Was ist los?“ fragte ich sie. Als sie mich bemerkte öffnete sie die Augen und sah mich an. „Wir wurden entdeckt.“ Erschrocken riss ich die Augen auf und mein Herzschlag beschleunigte sich automatisch. „Ich weiß nicht wer es ist oder wie viele es sind. Aber ein paar Vampire scheinen auf uns aufmerksam geworden zu sein und sind jetzt auf dem Weg hierher.“ „Scheiße!“ fluchte ich, packte Midori am Arm und begann zu rennen. Fluchtartig verließen wir wieder die Beengtheit der Gassen und flohen weiter über die Dächer. Eine Weile liefen wir so schweigend vor uns hin, immer wider Haken schlagend, um unsere Spuren so gut wie möglich zu verwischen. Der Sturm trieb uns immer wieder Schneeflocken ins Gesicht und erschwert uns somit die Sicht, doch wir rannten immer weiter. Immer weiter, bis wir das Gefühl hatten es geschafft zu haben, die anderen abzuhängen. Lautlos landeten wir in einer Gasse, die vollkommen leer war, bis auf ein paar Mülltonnen. Kurz lehnten wir uns gegen eine der Hausmauern, um nach Luft zu schnappen. Jetzt war ich an der Reihe meine Fähigkeit zu nutzen. Während Midori ihren ausgeprägten Geruchssinn hatte, konnte ich, wenn ich mich konzentrierte, die Präsenz von Lebewesen spüren. Und erkennen ob es Tiere, Menschen oder Vampire waren, und manchmal auch welchen Stand diese dann hatten. „Ich… glaube… wir haben sie abgehängt.“ keuchte ich. „Vor hin habe ich zwei Vampire aufgespürt. Adel, vermutlich Level B, doch jetzt merke ich nichts mehr.“ Midori atmete erleichtert auf, dann stockte sie kurz und fing an zu schnuppern. „Was ist jetzt denn?“ fragte ich, doch sie lächelte nur und schüttelte den Kopf. Dann ging sie zu einer der Mülltonnen und klappte sie schwungvoll auf. „Midori?“ fragt ich noch mal nach, doch sie ignorierte mich einfach und begann nach etwas in der Mülltonne zu suchen. Immer wieder hielt sie Sachen hoch und warf sie dann über die Schulter wieder weg, wenn es nicht das war was sie suchte, was immer das auch sein mochte. Einmal warf sie etwas Metallenes so schwungvoll nach hinten, dass es laut scheppernd gegen die nächste Hauswand knallte. Erschrocken zuckte ich zusammen. „Midori, du Idiot. Kannst du nicht mal aufpassen oder ist es dein Ziel die gesamte Nachbarschaft aufzuwecken?“ „Ne, eigentlich nicht. Trottel.“ schimpfte Midori zurück. Und wir beide wussten das die Beleidigungen von keinem von uns ernst gemeint waren. Trotzdem machten wir weiter. „Selber Vollidiot!“ konterte ich. „Volltrottel“ kam es von Midori aus der Tonne. „Klopsganove!“ „Vogelscheuche!“ „Waffelbäcker!“ „Ökokäse!“ „Ökowaffelkäsebäcker!“ „Pfannkuchen!“ Verblüfft sah ich zu Midori rüber, die inzwischen fast komplett in der Mülltonne verschwunden war. Was war das denn jetzt für ein Schimpfwort? Ich wusste ja, dass wir schon immer sehr kreativ waren, wenn es um eigenartige Schimpfwörter ging. Aber Pfannkuchen hatte ich bis jetzt noch nicht gehört. „Quarkbällchen“ erwiderte ich, was besseres fiel mir gerade nicht ein. Doch diesmal war es Midori, die mit einem verwirrten Gesichtsausdruck wieder aus der Mülltonne auftauchte, eine gut verschlossenen Schachtel in den Händen. „Hey. Diesmal hab ich gar nicht dich gemeint. Sondern die Pfannkuchen, die ich hier gefunden habe.“ sagte sie. „Sie sind sogar noch ziemlich frisch.“ Oh. Das erklärte natürlich einiges. Aber Pfannkuchen aus der Mülltonne? Misstrauisch schnupperte ich an dem Karton, den Midori mir vor die Nase hielt. Na gut, so schlecht rochen sie wirklich nicht. Doch plötzlich riss ich den Kopf hoch und sah mich erschrocken in der Gasse um. Wie hatte ich nur so unvorsichtig sein können. Wieso bemerkte ich erst jetzt, dass sich in einem rasanten Tempo ein Vampir näherte? Midori hatte vermutlich nichts gerochen, weil sie mit ihrer Nase zu tief in der Mülltonne gesteckt hatte. Doch wieso hatte ich nichts gemerkt? Ich war mir doch sicher gewesen, dass wir die beiden abgehängt hatten. Doch sie mussten unsere Spur wieder gefunden haben. Und jetzt waren sie schon verdammt nah. Gefährlich nah. Grob packte ich Midori wieder am Handgelenk und zog sie mit mir. “Aoi? Was ist…?” setzte Midori an, doch ich unterbrach sie. “Wir müssen hier weg. Sie haben uns wiedergefunden.” Sie kapierte sofort und ich sah wie sich ihre Augen weiteten. Doch dann begann sie ebenfalls zu laufen und wir rannten ein weiteres mal davon. Mal wieder auf der Flucht. Kapitel 2: 2. Kapitel: Das überraschende Ende einer Flucht ---------------------------------------------------------- Midoris Sicht: Aoi hatte mich immer noch am Handgelenk gepackt und zog mich hinter ihr her, immer weiter durch das Geflecht der Gassen und Straßen. Plötzlich landeten wir in einer Sackgasse, doch Aoi machte keine Anstalten langsamer zu werden und rannte direkt auf die Mauer zu. Ich verstand, auch ohne nachzufragen, was sie vorhatte. Sie wollte raus aus diesem Verwirrspiel aus Abbiegungen und Seiteneingängen. Ohne uns absprechen zu müssen setzten wir beide gleichzeitig zum Sprung an und erklommen die Mauer. Oh man, mir graute jetzt schon vor dem Schneesturm, der uns da oben erwarten würde. Während des Sprungs hatten Aoi und ich uns losgelassen um uns beim Landen auf der Mauer mit den Händen abstützen zu können. Der eiskalte Wind begrüßte uns mit stürmischer Begeisterung und zerrte an unseren Haaren und an unserer Kleidung. Doch Aoi ließ uns keine Zeit zum verschnaufen, sondern drückte sich gleich wieder ab und sprang weiter auf das nächstgelegene Dach und ich folgte ihr. Der Wind trieb viele Gerüche mit sich. Der faulige Gestank aus der Kanalisation unter der Stadt, der verlockende Duft des Blutes all der friedlich schlafenden Menschen und der saubere Geruch des frisch gefallenen Schnees. Nur von unseren Verfolgern konnte ich nicht die geringste Spur wittern. Doch da Aoi nicht im geringsten das Tempo drosselte, und das obwohl wir schon eine ganze Weile unterwegs waren, waren sie vermutlich immer noch irgendwo hinter uns. In diesem Fall konnte ich mich nur auf meine Schwester verlassen. Immer wieder änderten wir beim Laufen die Richtung, um unsere Spuren möglichst zu verwischen, doch auch das schien nicht viel zu bringen. Immer weiter mussten wir fliehen. Vor mir hörte ich Aoi keuchen und auch ich war schon ziemlich erschöpft. Ich machte zwei größere Schritte nach vorne um mit Aoi auf einer Höhe zu sein. Aus den Augenwinkel warf sie mir einen fragenden Blick zu. “Wir… müssen… uns aufteilen.!”, keuchte ich und machte einen Satz auf das nächste Dach zu. Ich sah wie Aoi unglücklich die Augenbrauen zusammen zog, doch sie nickte. Mir gefiel der Gedanke uns zu trennen genauso wenig wie ihr. Zusammen waren wir einfach stärker. Wir konnten uns gegenseitig beschützen. Jedes Mal wenn wir uns trennten fehlte mir etwas und ich fühlte mich unsicher und verloren. Aber uns aufzuteilen war vielleicht die letzte Möglichkeit unsere Verfolger doch noch los zu werden. Das sah auch Aoi ein. Während ich nach rechts auf eine niedrige Mauer sprang und auf ihr entlang lief, bog sie nach links ab. Ein letztes Mal drehte sie sich noch zu mir um, dann sprang sie vom Dach und verschwand aus meinem Blickfeld. Sofort setzte das Gefühl der Einsamkeit ein, dass mich so sehr an die Nacht vor fast zwei Jahren erinnerte. Auch damals hatten wir uns trennen müssen und es war furchtbar schief gegangen. Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf, ich wollte mich nicht daran erinnern. Ich musste den Kopf frei haben, das Gefühl einfach ignorieren, denn ich musste auch weiter. Doch wohin? Ohne Aoi hatte ich keine Ahnung aus welcher Richtung unsere Verfolger kamen. Shit! Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen sich zu trennen. Doch ich hatte keinen anderen Ausweg gesehen und keiner von uns hätte es noch lange durchgehalten in diesem Tempo weiter zu laufen. Blindlings rannte ich los, über Dächer und Mauern hinweg, einfach nur um vorwärts zu kommen, um nicht stehen zu bleiben. Auf einem etwas höher gelegenen Hausdach erlaubte ich mir eine kurze Pause um mich zu orientieren. Und diesmal war der Wind mir gnädig. Ich konnte einen Hauch von Aois Duft aufspüren, aber er verriet mir auch aus welcher Richtung die beiden Vampire kamen. Schnell drehte ich mich in die entgegengesetzte Richtung um und lief wieder davon. Doch all zu weit kam ich nicht. Als ich von einem Dachfirst zum nächsten springen wollte, gaben auf einmal meine Beine nach und ich verlor den Halt. Eine Menge Schnee mit mir reißend schlitterte ich in halsbrecherischem Tempo Richtung Erdboden. Panisch probierte ich mit meinen Händen irgendwo halt zu finden, doch die Dachziegel waren unter dem Schnee von einer dünnen Schicht aus Eis bedeckt sodass ich mich nirgendwo festhalten konnte. Erst als ich schon über den Dachrand baumelte, konnte ich mich gerade so noch an der Dachrinne festhalten. Ein schmerzhafter Ruck ging durch meinen Körper und über mir hörte ich es knacken. Kurz hing ich noch in der Luft, doch dann stürzte ich samt Dachrinne polternd zu Boden. Im oberen Stockwerk hörte ich Stimmen fluchen und dann erhellte Licht die Fenster. Schnell rappelte ich mich wieder auf. Den Sturz schien ich ohne größere Verletzungen überstanden zu haben. Nur mein linker Knöchel schmerzte etwas, doch das war jetzt egal. Ich musste weiter. Gleich würden dort oben die Fenster aufgehen und dann wollte ich lieber nicht mehr hier sein. Beim Laufen wurde der Schmerz in meinem Fuß mit jedem Schritt stärker, doch ich ignorierte ihn. Schwäche konnte ich mir jetzt nicht erlauben. Ich rannte weiter, bis ich feststellen musste das ich in einer Sackgasse gelandet war. Schon wieder. Wie viele Sackgassen hatte diese Stadt denn noch? Ich beschleunigte meine Schritte, damit ich genügend Schwung hatte um auf die Mauer zu springen. Doch gerade als ich abspringen wollte knackte mein Fuß seitlich weg. Ich stolperte und sackte mit einem leisen Schrei gegen die Mauer. Doch ich konnte nicht einfach hierbleiben. Ich hatte keine Ahnung wie nahe mir die Verfolger inzwischen gekommen waren. Mit vor Schmerz verzerrten Gesicht stand ich auf und lief humpelnd weiter. Den Blick auf den Boden gerichtet, um nicht wieder zu stolpern oder auszurutschen. Doch plötzlich fand ich mich abermals auf dem schneebedeckten Pflaster der Straße wieder. Ich war gegen irgendetwas oder gegen irgendjemanden gelaufen, so genau konnte ich das nicht sagen. Verwirrt blinzelte ich durch meinen Pony hindurch nach oben. Ein Mann mit schulterlangen, blonden Haaren, die er zu einem unordentlichen Zopf zusammen gebunden hatte, sah durch seine Brille auf mich herab. Den Rest seines Gesichts konnte ich nicht erkennen, da er es hinter seinem hoch aufstellten Kragen seines Mantel versteckte. “Kann ich dir helfen kleines Fräulein?”, fragte er und streckte mir seine behandschuhte Hand entgegen. Seine Stimme klang freundlich und fast etwas belustigt, doch ich ignorierte seine Hand trotzdem und stand lieber alleine auf. Wenn auch etwas langsamer, als ich es sonst für gewöhnlich tat. Er musste ja nicht gleich merken das ich nicht dem typischen Menschenbild entsprach. “Darf ein so junges Mädchen wie du überhaupt zu so einer Zeit alleine hier draußen sein?” Ich zuckte mit den Schultern und sah ihn mit leicht schräg gelegten Kopf an. Was wollte der denn. So jung war ich nun wieder auch nicht. Ich war immerhin schon sechzehn! “Ich weiß nicht so genau, aber ich kann schon ganz gut auf mich alleine aufpassen.”, sagte ich und machte vorsichtig ein paar Schritte rückwärts, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Dabei passierte es das ich meinen verletzten Fuß wieder falsch belastete. Zischend zog ich die Luft ein. “Du scheinst dich verletzt zu haben. Wie ist das passiert?” fragte der Mann und kam ein paar Schritte auf mich zu. Musste das denn sein? Konnte er nicht einfach da stehen bleiben wo er war? “Bin gestolpert.” meinte ich leicht abwesend, da ich gerade probierte den Geruch der beiden Vampire die uns verfolgt hatten wieder zu finden. Doch da war nichts. Und auch keine Spur von Aoi. Dabei war es hier fast völlig Windstill. Also ideal um Gerüche aufzuspüren. Merkwürdig. Der Mann vor mir lächelte leicht und sagte irgendwas, doch ich hörte ihm nur mit halben Ohr zu. Er schien keine Gefahr darzustellen. “Ich hoffe es ist nicht all zu schmerzhaft. Wenn du willst kannst du etwas von meinem Blut haben, dann heilen die Verletzungen schneller…” “Was?” fragte ich misstrauisch nach. Seine Stimme hatte sich bei den letzten Worten kein bisschen verändert, sie war immer noch ruhig und freundlich, als würde er so etwas jeden Tag sagen. “Ich habe dich gefragt ob du etwas von meinem Blut haben möchtest? Du könntest ruhig etwas aufmerksamer sein wenn ich mit dir rede.” wiederholter er und klang dabei fast etwas quengellich. Aber er hatte mir tatsächlich sein Blut angeboten. Ich konnte es nicht fassen. Das hieß er wusste auch das ich ein Vampir war. Und trotzdem bleib er so ruhig? “Wie…” flüsterte ich und sah ihn entsetzt an, doch ich wusste nicht so genau was ich eigentlich fragen wollte. Wie er erkannt hatte das ich ein Vampir war? Warum er nicht weglief oder probierte mich umzubringen? Das erschien mir am logischsten. Zumindest wäre ich momentan am liebsten weggelaufen. “Wieso siehst du denn so geschockt aus? So schlecht schmecke ich doch bestimmt auch nun wieder nicht?” Jetzt quengelte er wirklich. Wie war der denn darauf? War der Selbstmordgefährdet sein Blut so einfach einem Vampir anzubieten? Plötzlich durchzuckte ein höllischer Schmerz meinen Körper, so als ob sich etwas brennendes um meinen Körper zusammen zog und mich fesselte. Panisch sah ich mich um, doch da war nichts. Nur der seltsame Mann vor mir im Schnee. Fauchend wich ich ein paar Schritte weiter zu rück. Wer war er? War er an diesen Schmerzen schuld? “Was ist los?” fragte er und war plötzlich wieder ernst. Wachsam beobachtet er mich, folgte mir diesmal jedoch nicht. Das etwas was sich um meinen Körper geschlungen hatte zog sich noch etwas fester zusammen und ich krümmte mich vor Schmerzen, doch ich konnte nichts dagegen tun. Ich wusste weder wer mich da angriff, noch mit was. Ich war völlig hilflos. Doch auf einmal traf mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag. “Aoi…” flüsterte ich und stolperte nach vorne. Es war Aoi, die angegriffen worden war, nicht ich. Ich fühlte nur ihren Schmerz, doch konnte ich ihr nicht helfen. Der Gedanke war unerträglich für mich. Die Schmerzen wurden immer stärker und ich konnte kaum noch atmen. Langsam merkte ich wie meine Sinne schwanden. Mir wurde schwarz vor Augen und ich kippte nach vorne. Eigentlich hatte ich erwartet auf den harten Boden aufzukommen und einfach im kühlen Schnee liegen bleiben zu können, doch stattdessen spürte ich etwas weiches. Jemand hatte mich aufgefangen und hielt mich nun in den Armen. “Aoi..” rief ich noch einmal nach meiner Schwester, doch es war kaum mehr als ein Flüstern. Dann verlor ich vollständig das Bewusstsein. Das Erste was ich wieder um mich herum wahrnahm waren die Geräusche und Gerüche die mich umgaben. Außerdem spürte ich die Wärme um mich herum. Immer noch mit geschlossenen Augen tastete ich um mich, um herauszufinden was mich wärmte. Klar. Was hatte ich erwartet? Natürlich war es eine Bettdecke. Aber wo war ich und wie war ich hierher gekommen? Plötzlich viel mir alles wieder ein. Aoi und ich hatten uns trennen müssen und dann war da dieser Typ gewesen, der erkannt hatte dass ich ein Vampir war. Die Augen immer noch geschlossen lauschte ich den Stimmen und probierte aus dem Gespräch heraus zu finden wo ich nun gelandet war. “Sie sagen, sie haben sie auf der Straße getroffen und sie wäre einfach so umgekippt? Und warum haben sie, sie dann hierher gebracht?” “Sollte ich denn ein hilfloses, kleines Mädchen einfach so auf der Straße im Schnee liegen lassen?” “Sie wissen genau das sie kein hilfloses, kleines Mädchen ist. Sie ist ein Vampir. Ein Vampir über den wir nichts wissen. Sie haben da ein ganz schönes Risiko auf sich genommen, sie trotzdem hierher zu bringen” Die eine Stimme konnte ich erkennen. Sie gehörte zu dem Typ, den ich auf der Straße getroffen hatte. Doch die Andere war mir vollkommen unbekannt. Von wem stammte sie? Meine Nase verriet mir nur, dass er selbst ein Vampir war, aber mehr konnte ich nicht über ihn herausfinden. Einer der beiden schien gerade wieder zum Sprechen ansetzen zu wollen, zumindest holte er tief Luft, doch wurde er von einem dumpfen Klopfen unterbrochen. “Ja?!” sagte der Vampir und klang dabei leicht ungeduldig. Ich hörte wie eine Tür geöffnet wurde und jemand herein kam. Es war ein weiterer Vampir und er roch nach Kälte und Schnee und… nach Aoi. Ich konnte meine Schwester riechen. Sie musste mit dem anderen Vampir reingekommen sein. Ich wollte meine Augen öffnen und sie sehen, doch das Licht in dem Raum blendete mich zu stark und ich kniff die Augen schnell wieder zusammen. “Kaname, was machen du denn hier im Krankenzimmer?” “Ichijo, gut das du kommst. Rektor Cross hat einen Vampir mit hierher gebracht. Aber wie ich sehe hast du auch noch jemanden aufgesammelt.” Ichijo? Unbewusst zuckte ich zusammen. Dieser Name, er war dem anderen so ähnlich, aber doch ein anderer. Glücklicherweise. “Ich war mit Shiki unterwegs. Man hatte uns eigentlich losgeschickt um einen Level- E zu finden, doch die einzige Spur die wir fanden, führte uns dann zu diesem Mädchen. Wir bemerkten leider erst zu spät, dass sie doch kein Level- E war. Shikis Blutpeitsche hat sie nicht so gut überstanden und ich konnte sie schlecht einfach so da liegen lassen, oder?” “Aoi” flüsterte ich. Was war mit meine Schwester. Ängstlich öffnete ich meine Augen und sah mich suchend um. Ich lag in einem Raum mit weißen Wänden und einer Menge Betten. Links von mir standen zwei Personen, einer der beiden hatte schulterlange dunkelbraune Haare und der zweite war der seltsame Typ gegen den ich gegen gelaufen war. Immer noch nach meiner Schwester suchend schaute ich jetzt nach rechts wo noch ein Bett stand. Da war sie. Aoi lag da und schien zu schlafen. Neben ihr stand ein weiterer Vampir mit blonden Haaren. Ich setzte mich auf um sie besser sehen zu können. “Oh, Kaname schau doch, dass eine Mädchen ist aufgewacht” sagte der Typ begeistert zu seinem Nachbarn, der dann wohl Kaname war. “Ja, das war sie schon seit einer ganzen Weile. Sie lag nur still und hat die Augen nicht aufgemacht.” erwiderte dieser. Der Typ setzte sich zu mir aufs Bett und sah mich neugierig an. Der war ja vertrauensselig. “Wie heißt du eigentlich?”. Ich schwieg. Ich hatte keine Ahnung ob ich ihm meinen Namen sagen sollte. Normalerweise entschied Aoi immer wem wir trauen konnten und wem nicht. Doch jetzt war ich hier allein und Aoi konnte mir nicht helfen bei dieser Entscheidung. Doch selbst wen sie meinen Namen hätten, könnten sie nicht viel damit anfangen. Also entschied ich meinen Namen preiszugeben. “Midori”, sagte ich entschlossen und mit fester Stimme. Der Typ nickte nur. “Also ich bin Rektor Cross, und das da hinter mir ist Kaname und da drüben steht Ichijo.” stellte er erst sich und dann die anderen beiden vor. Ich nickte erneut um zu verdeutlichen das ich verstanden hatte. Hinter mir vernahm ich ein schwaches “Midori?”. Schnell drehte ich mich zu meiner Schwester um. “Aoi”, rief ich fröhlich. Benommen setzte meine Schwester sich auf und verdeckte ihr eines Auge mit der Hand. “Ihr seht euch ziemlich ähnlich”, stellte der Rektor fest. “Soll bei Zwillingen immer wieder vorkommen”, meinte Aoi trocken. “Ihr beide seid also Zwillinge?”, fragte Kaname jetzt nach. Aoi und ich nickten. “Was ist daran besonders?” Ich sah ihn fragend an, doch eine Antwort bekam ich nicht. “Hab ihr ein Zuhause, habt ihr Eltern oder Verwandte?”, fragte der Rektor weiter. Dieses mal verneinten wir wahrheitsgemäß und ich rutschte unruhig auf meinem Bett hin und her. Mir gefiel das Ganze nicht. Was sollte diese ganze Fragerei? Das war nicht gut, nein das war wirklich nicht gut. Nach einer Welle weiterer Fragen, die wir mehr oder weniger mit der Wahrheit beantwortend hatten, lehnte der Rektor sich zurück und seufzte. “Kaname ich hätte da mal eine Frage an dich”, sagte er und verließ zusammen mit dem anderen das Zimmer, um sich zu beraten. Was es auch immer zu beraten gab. “Wie geht es dir?”, fragte der Vampir, der uns als Ichijo vorgestellt worden war Aoi. Sie streckte vorsichtig ihre Arme und Beine und verzog das Gesicht. “Es geht so. Es tut noch weh, aber die Wunden heilen schnell.” Ichijo nickte und sah erleichtert aus. “Es tut mir leid was passiert ist. Es war ein Versehen und hätte eigentlich nicht passieren dürfen.” Aoi nickte nur stumm. Nach einer Weile kamen die anderen Beiden zu uns zurück und der Rektor begann erneut zu sprechen. “Also ihr beiden, ich habe mich eben mit noch einmal mit Kaname unterhalten und… naja... Fangen wir mal ganz von vorne an. Also ihr seid hier an der Cross -Akademie. An dieser Akademie, müsst ihr wissen, gehen Menschen und Vampire auf eine Schule.” Verwundert zog ich die Augenbraun nach oben. Eine Schule an der Vampire und Menschen zusammen Unterricht hatten? Von so etwas hatte ich noch nie gehört. Der Rektor sprach weiter. “Natürlich haben die Menschen und Vampire getrennt Unterricht. Die Vampire haben nachts- und die Menschen tagsüber Unterricht, sodass es für alle eine angemessene Tages- beziehungsweise Nachtzeit gibt”. Dieses mal war es Aoi die ihre Augenbrauen nach oben zog. “Ist ja alles echt toll, aber warum erzählen sie uns das?”, fragte ich verwirrt. “Tja, ich würde euch eine Platz an meiner Akademie anbieten. Noch ist Platz in der Nightclass und da ihr beide kein Zuhause habt, dachte ich ihr würdet vielleicht gerne hier bleiben.” Ein bisschen sehr verwirrt drehte ich mich zu meiner Schwester um, da sie sonst für uns beide immer die Entscheidung traf. Meine Schwester schien auch nicht ganz zu wissen was sie sagen sollte. “Können Midori und ich uns darüber noch mal allein unterhalten?”. Fragend sah meine Schwester den Rektor an. Der nickte und verließ zusammen mit Kaname und Ichijo den Raum. Ich hatte den Dreien nachgesehen und wandte den Blick jetzt zu meiner Schwester. Ich lächelte und krabbelte aus meinem Bett und hüpfte mit auf ihr Bett. Jetzt war mir wieder wohl. Ohne meine Schwester an meiner Seite fühlte ich mich verloren und einsam, da wir ja nun einmal Zwillinge waren “Und was hältst du von der Idee hier an diese Schule zu gehen?”, fragte meine Schwester mich. “Ich weiß nicht. Im Moment habe ich das Gefühl, dass wir hier sicher sind. Wir sind immerhin schon seit zwei Jahren auf der Flucht und sie haben uns noch nicht gefunden, aber … ich habe trotzdem keine Ahnung ob das eine gut Idee ist.” Aoi tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippen und schien nachzudenken, dann zuckte sie mit den Schultern. “Vermutlich hast du Recht. Es ist an der Zeit sich mal einen Ort zu suchen, an dem wir bleiben wollen. Also warum nicht hier?”, sagte sie. “Aber es wird wohl nicht ganz einfach werden. Scheinbar gibt es hier nur Adelsvampire. Kaname ist sogar Reinblüter und ansonsten kann ich weit und breit nur Menschen und adlige Vampire spüren.” Sie schüttelte sich. Das konnte ja heiter werde, besonders für uns als Level C Vampire. “Naja, wenn es nicht geht, dann verschwinden wir eben wieder.”, sagte ich und ging zur Tür, um den anderen unsere Entscheidung mitzuteilen. Als ich die Tür öffnete standen dort nur noch Ichijo und der Rektor. Kaname schien schon nicht mehr da zu sein. “Wir haben uns entschieden. Wir wollen bleiben.” teilte ich den beiden lächelnd unseren Entschluss mit. Der Rektor klatschte begeistert in die Hände. “Prima. Ichijo wird euch euer Zimmer zeigen.” Er drehte sich um und wollte schon gehen, als ihm doch noch etwas einfiel. “Hier ist der Katalog mit den Schulregeln. Lest ihn euch durch.” meinte er und drückte mir einen Stapel Papier in die Hand. Verwundert sah ich erst den Rektor und dann den Papierstapel in meiner Hand an, doch Rektor Cross verschwand ohne ein weiteres Wort um die Ecke. Ich ging wieder zu Aoi ins Zimmer um sie abzuholen. Sie hatte sich inzwischen aufgesetzt und baumelte mit den Beinen über den Bettrand. “Kannst du laufen?” fragte ich sie. Mir ging es zwar wieder gut, aber ich konnte es nur schwer einschätzen wie es ihr ging. Besonders da sich große Mühe gab das zu verbergen. “Es geht schon.” meinte sie, klang dabei aber nicht allzu überzeugend. Vorsichtig stand sie auf und ging ein paar Schritte. “Siehst du. Es geht!” meinte sie triumphierend, doch schon beim nächsten Schritt gaben ihre Beine wieder nach und sie fiel hin. Ich stürzte nach einen Schritt nach vorne um sie aufzufangen, doch Ichijo war schneller und fing sie auf. “Das mit dem Laufen geht wohl doch noch nicht so gut.” meinte er und hob sie wieder hoch um sie zu tragen. Ich sah wie Aoi leicht die Augenbrauen zusammen zog. Ihr schien es nicht zu gefallen nicht selbst laufen zu können, doch sie ließ es sich gefallen und wir machten uns auf den Weg zu unserem Zimmer. Während des Laufens fing ich schon mal an den Stapel mit den Schulregeln durchzublättern. “Muss ich mir das wirklich alles durchlesen?” knurrte ich wenig begeistert. Ichijo neben mir nickte. “Es wäre schon besser so”, sagte er. “Aber die wichtigste Schulregel an die ihr euch halten müsst ist vor allem, dass ihr auf dem Schulgelände kein Blut saugen dürft.” Ich runzelte die Stirn. “Also kein Blut saugen? Und wie ernähren wir uns dann?” fragte ich nach. “Von Bluttabletten, die extra an dieser Akademie entwickelt wurden.” erklärte Ichijo und hielt vor einer Flügeltür. “Hier ist euer Zimmer.” Ich öffnete die Tür und staunte nicht schlecht. Das Zimmer war riesig. An den Wänden standen mehrer Schränke und Regale. Vor dem Fenster zwei Schreibtische und in der Mitte des Raumes standen zwei Himmelbetten. “Ich hoffe es ist in Ordnung für euch in einem Zimmer zu schlafen?” fragte Ichijo und legte Aoi auf das eine Bett. Ich nickte nur, immer noch sprachlos von der Größe des Zimmers. “Morgen wird jemand vorbei kommen um euch eure Schuluniform vorbeizubringen und euch zum Unterricht abholen. Also wir sehen uns dann. Guten Tag noch und schlaft gut.” Ich setzte mich zu Aoi aufs Bett, die schon fast wieder eingeschlafen war. “Was hältst du von dem ganzen hier?”, fragte ich sie grinsend. “Nicht schlecht”, meinte sie gähnend und ließ sich in die Kissen fallen. “Das Bett ist schön weich.” Klar. Ich stupste ihr spielerisch gegen die Stirn, doch sie rührte sich nicht mehr. “Na dann, schlaf gut.” meinte ich und rollte mich neben ihr zusammen, um auch zu schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)