Was du nicht weißt und ich vergessen will von Mirku ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: Heimatlos und Hungrig ------------------------------------------- Aois Sicht: Es war mein eigener Schrei, der mich aus dem Schlaf riss. Mein Körper bebte, mein Atem ging unregelmäßig und mein Herz raste. Wachsam sah ich mich im Halbdunkel des Zimmers um. Doch viel gab es hier nicht zu entdecken. Der Raum war leer, bis auf zwei Rucksäcke, die einsam in einer Ecke standen, und der Matratze auf der ich und meine Schwester zusammen schliefen. Doch sonst war niemand hier. Es war also nur ein Traum gewesen. Ein Albtraum. Mal wieder, aber glücklicherweise nur ein Traum. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was wäre wenn… Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare. Nein, das wäre nicht gut. Gar nicht gut! Lieber nicht darüber nachdenken. Vorsichtig, um Midori nicht aufzuwecken, stand ich auf und begann im Zimmer auf und ab zu laufen, um mich zu beruhigen. Langsam begann meine Atmung sich wieder zu normalisieren. Es war gut! Alles war gut! Es war nur ein Traum gewesen. Ein furchterregender Traum zwar, aber ein Traum. Und doch… Gar nichts war gut. Es hatte schon seinen Grund warum Midori und ich hier in diesem Raum schliefen, mit nichts weiter, als unseren persönlichen Sachen und einer Matratze, die wir vom Sperrmüll geklaut hatten. Es hatte seinen Grund, warum wir schon so lange auf der Flucht waren, warum wir wie Schatten durch die so oder so schon dunklen Gassen huschten und uns nie zulange an einem Ort aufhielten. Mit einer Hand zog ich vorsichtig den Vorhang, den wir über das offene Fenster gespannt hatten, ein Stückchen beiseite, um nach draußen zu schauen. Ein Strahl des verhassten Sonnenlichts fiel auf mein Gesicht und verärgert kniff ich die Augen zusammen. Ich musste erst ein paar Mal blinzeln, bis ich von der Welt da draußen etwas erkennen konnte. Es schien früher Nachmittag zu sein. Die Sonne schien noch hell, doch hatte sie schon einiges an Höhe verloren. Ein paar Menschen stapften, in dicke Wintermäntel eingehüllte, durch den Schnee, der die letzten Nächte unaufhörlich gefallen war. Nicht einer von ihnen würdigte das verfallenen Haus, unter dessen Dach unser Zimmer lag, auch nur eines Blickes. Und das war auch gut so. Für uns. Und auch für sie. Ein eisiger Windhauch pustete mir ins Gesicht und trieb ein paar aufgewirbelte Schneeflocken mit ins Zimmer. Schnell zog ich meinen Kopf zurück und spannte den Vorhang wieder über das Fenster. Ich fing schon wieder an zu zittern, diesmal jedoch nicht aus Angst, sonder vor Kälte. Die Temperatur hier im Zimmer lag vermutlich nur wenige Grade höher als draußen auf der Straße. Also nur wenig über den Gefrierpunkt. Doch hier waren wir wenigsten vor dem Sonnenlicht geschützt und wurden auch nicht eingeschneit. Schnell schlüpfte ich unter die dünne Decke zu Midori und schmiegte mich an meine kleine Schwester, um mich wenigsten etwas zu wärmen. Meine kleine Schwester… Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Auch wenn uns als Zwillinge nur wenige Stunden trennten, war sie trotzdem irgendwie meine kleine Schwester. Auch wenn nicht unbedingt die Schwächere. Nein, in vielen Punkten war sie stärker als ich, doch würde sie immer meine kleine Schwester bleiben. Und ich ihre große Schwester. Daran würde sich wohl nie etwas ändern. Glücklich lächelnd schloss ich die Augen und merkte kaum wie ich ein weiteres Mal einschlief… „Aoi! Hey Aoi! Wach auf!“ Ich merkte wie mir jemand sanft gegen die Stirn tippte. Verschlafen blinzelnd schlug ich die Augen auf und blickte in das lächelnde Gesicht meiner Schwester. Da wir ja Zwillinge waren, war es fast so als ob ich in einen Spiegel schauen würde. Das gleiche hellhäutige Gesicht, umrahmt von den gleichen langen, braunen Haaren, die an den Spitzen schwarz wurden. Nur unsere Augenfarbe unterschied uns für Außenstehende, denn im Gegensatz zu Midori, mit ihren grünen Augen, hatte ich blaue Augen. Obwohl Midori wusste das ich schon wach war, stupste sie mir ein weiteres Mal mit zwei Fingern gegen die Stirn. „Ach. Auch endlich wach, du Langschläfer?“, fragte sie grinsend. „Es ist schon seit ein paar Stunden dunkel. Also höchste Zeit aufzustehen.“ Ich sparte mir meine Antwort darauf und knurrte nur leise vor mich hin. Midori war inzwischen aufgestanden und war dabei sich noch ein paar zusätzliche Sachen über zu ziehen. Als ich sie so vor mir sah, musste ich leicht grinsen. Sie bemerkte meinen Blick und sah mich hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist?“, fragte sie skeptisch und sah mir dabei in die Augen. Es war fast so als würde sie die Hände in die Hüfte stemmen. „Weißt du dass du lustig aussiehst, mit diesem Zwiebellook?“, fragte ich sie und musterte sie noch einmal genauer. Unter ihrer grünen Jacke, die sie nicht einmal mehr richtig zu machen konnte, trug sie einen schwarz-weiß gestreiften Pullover, über den sie noch eine kurze schwarze Weste trug. Ein großes, ebenfalls grünes Tuch hatte sie mehrmals um den Hals gewickelt. Doch das ging ja noch. Untenrum wurde das Sammelsurium von Kleidungsstücken erst richtig interessant. Ihre kurze Jeanshose wurde zum größten Teil von einem schwarzen Minirock verdeckt, aber halt doch nicht ganz. Dazu trug sie schwarze Overknees und helle Wollstulpen, die sie in ihre dunkelbraunen Stiefel gesteckt hatte. Stirnrunzelnd sah Midori erst an sich hinunter und dann wieder zu mir. „Als ob du so viel besser Aussehen würdest“, maulte sie beleidigt und warf mir meine dunkelblaue Jacke in den Schoß. Stimmte auch wieder. Wo sie recht hatte, hatte sie nun mal recht. Und ich sah wirklich nicht viel anders aus als sie, nur das meine Jacke und mein Halstuch blau und meine Stiefel schwarz waren. Aber wir hatten nun mal nicht die Möglichkeit wählerisch bei unserer Kleidungswahl zu sein, besonders im Winter wenn wir für jedes Kleidungsstück, das uns wärmte, dankbar waren. Und wenn wir mal was aus den Geschäften mitgehen ließen, dann immer in doppelter Ausführung. „Aber wenigstens sind meine Schnürsenkel ordentlich gebunden“, zog ich sie mit ihrer Angewohnheit auf ihre Schnürsenkel bei einem Stiefel überkreuz und bei dem anderen Stiefel gerade gebunden zu tragen. Doch diesmal war es Midori, die nicht anders konnte als zu grinsen. „Tja, meine liebe Aoi, das glaubst aber auch nur du.“ Verwirrt sah ich meine Schwester an, dann wanderte mein Blick nach unten zu meinen Stiefeln. „MIDORI!“, schrie ich. „Du hast doch wohl nicht etwa… Oh man! Wie viel Langeweile kann man eigentlich haben?“ Gespielt schmollend schob sie ihre Unterlippe vor. „Aber so ist es doch viel zwillingsmäßiger und außerdem… Du warst doch diejenige die nicht aufwachen wollte. Da ist es doch kein Wunder das mir langweilig wird!“ Beschwichtigend winkte ich ab. „Ist ja schon gut. Ich hab so oder so keine Lust mir die Mühe zu machen das jetzt wieder umzubinden. Außerdem habe ich Durst. Weißt du ob wir noch etwas hier haben?”, fragte ich mit einem hoffnungsvollen Blick in ihre Richtung. Doch sie zuckte nur mit den Schultern und begann dann unsere Rucksäcke zu durchwühlen. Kurze Zeit später hielt sie triumphierend einen Plastikbeutel mit roter, schwappender Flüssigkeit in die Höhe. „Eh voila. Einmal A positiv. Das ist aber auch alles was von unserem letzten Krankenhausbesuch noch übrig ist“, sagte sie und warf mit den Beutel zu. „Allerdings ist es kalt, wie alles hier im Zimmer.“ Auch egal. Hauptsache überhaupt etwas Blut. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, riss ich die Tüte mit meinen Reißzähnen auf und begann genüsslich zu saugen. Auch wenn es kalt war, und damit keinen Vergleich zu frischem menschlichen Blut darstellte, tat es unheimlich gut wieder Blut zu trinken und das brennen in meiner Kehle ließ etwas nach. Doch die kritischen und gierigen Blicke meiner Zwillingsschwester erinnerten mich daran, dass ich nicht alles trinken durfte. Seufzend setzte ich wieder ab und reichte ihr den Beutel. Ein letztes Mal leckte ich mir noch über die Lippen, um auch noch die letzen Blutstropfen abzukriegen. Midori brauchte nicht einmal eine ganze Minute um den Rest des Beutels zu leeren und sah mich dann aus großen Augen an. „Und jetzt? Ich hab immer noch Durst und Hunger.“ Ich zuckte mit den Schultern und zog mir meine Jacke über. „Wir werden wohl oder übel wieder jagen müssen. Auch wenn es mir gewaltig gegen den Strich geht.“ Das Risiko war mir einfach zu hoch. Um möglichst nicht aufzufallen, verzichteten wir weitest gehend auf frisches menschliches Blut und begnügten uns mit Blutkonserven, die wir aus Krankenhäusern klauten. Doch wenn wir dann mal jagen mussten, waren wir dann meist so ausgehungert, das es uns meistens schwer fiel, aufzuhören bevor wir die Menschen umbrachten. Was wir ja eigentlich vermeiden wollten, um nicht aufzufallen. Es war schon irgendwie eine scheiß Situation. Midori löste den Vorhang vom Fenster, kletterte auf das Fensterbrett und schwang sich nach draußen aufs Dach in die kalte Winternacht hinaus. Etwas weniger schwungvoll folgte ich ihr. Die Tür benutzten wir nur selten. Wozu auch? Für uns war es einfacher uns über die Dächer und Mauern der Städte zu bewegen, frei und nicht gebunden an die beengten und verzweigten Wege der Menschen. Obwohl es in den Gassen windstill schien, tobte über den Dächern der Stadt ein Schneesturm. Und in diesen Schneesturm waren wir jetzt bestimmt schon 10 Minuten unterwegs. Immer wieder waren wir stehen geblieben und Midori hatte überprüft ob sie irgendwo die Spur einer, für uns geeigneten, Beute wittern konnte. Schon seit dem wir ganz klein waren hatte ich mich bei der Nahrungssuche immer auf Midoris, selbst für einen Vampir, stark ausgeprägten Geruchssinn verlassen. Vor mir stoppte Midori erneut, das Gesicht dem kalten Wintersturm zugewandt und die Augen vor Konzentration geschlossen. Dann wandte sie sich grinsend zu mir um. „Ich hab etwas gefunden. Ungefähr fünfhundert Meter von uns entfernt liegt ein Mann in einer Gasse. Er hat vermutlich viel zu viel getrunken. Zumindest riecht er eindeutig so.“ Ich nickte und grinste ebenfalls. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Runter in die Straßen und Gassen der Stadt zu tauchen war eine echte Erleichterung. Endlich dem kalten und schneidenden Böen des Schneesturms entkommen zu sein. Der Mann lag mitten auf der Straße und war schon von einer dünnen Schicht aus Schnee bedeckt. Noch etwas unschlüssig standen wir vor ihm. „Lebt der überhaupt noch?“ fragte Midori und stupste ihn vorsichtig mit dem Fuß an. „ Scheinbar gerade noch so, aber wenn er noch ein paar Stunden hier draußen liegt wohl nicht mehr.“ antwortete ich. „Also wird es wohl nicht so sehr auffallen, falls er nicht mehr aufwachen sollte.“ Ich nickte zustimmend. „Aber lass ihn uns trotzdem lieber wo anders hinschaffen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass zu dieser Uhrzeit hier noch jemand vorbei kommt, aber man weiß ja nie.“ Midori nickte und packte den Mann and den Armen und ich übernahm die Beine. So schleppten wir ihn ein paar Meter weit, bis wir einen geeigneten Schuppen fanden, den wir aufbrachen und den Mann drinnen wieder absetzten. Diesmal ließ ich Midori den Vortritt. Erst probierte sie vorsichtig den eingefrorenen Knoten des Schals zu lösen und den Hals frei zu legen, doch als es nicht funktionierte verlor sie schnell die Geduld und riss den Schal mit einfachen, schnellen Bewegungen in Stücke. Als kurz darauf der Geruch von Blut den Schuppen erfüllte, ging ich vor die Tür um Wache zu halten. Es war still draußen. Der Schnee dämpfte die wenigen Geräusche, die es gab. Nur ab und zu hörte man den Wind durch die Gassen pfeifen oder in einer entfernten Gasse die Schrei von ein paar Katzen, die sich prügelten. Dann war wieder alles still, bis auf die ein leises Saugen und Glucksen hinter mir im Schuppen. Nach ein paar Minuten kam Midori aus dem Schuppen und tippte mir auf die Schulter. „Ich bin fertig.“ sagte sie. Ihr Gesicht war leicht blutverschmiert und schnell wischte sie es mit dem Ärmel ab. Ich schlüpfte an ihr vorbei in den Schuppen und ging auf den Mann zu. Bildete ich es mir nur ein oder war er wirklich noch etwas bleicher geworden, als er es durch die Kälte vorher schon gewesen war. Aber er lebte noch. Seine Brust hob und sengte sich immer wieder, auch wenn seine Atmung reichlich flach ging. Behutsam tastete ich mich mit meinen Lippen an seinem Hals entlang, um die Bissstelle zu finden die Midori schon hinterlassen hatte, damit ich ihm nicht noch eine Wunde zufügen musste. Als ich die Bissstelle gefunden hatte, fing ich an zu saugen, doch sofort setzte wieder ab und verzog angewidert das Gesicht. Midori hatte recht gehabt, der Typ war wirklich stockbesoffen und das schmeckte ich auch deutlich in seinem Blut. Doch hatte ich keine andere Auswahl und musste mich mit dem begnügen was ich hatte. Ich setzte wieder an und begann erneut zu saugen. Es schmeckte immer noch nicht wirklich, doch um so mehr ich von seinem Blut trank desto mehr gewöhnte ich mich auch an den Geschmack, bis ich ihn letztendlich kaum noch wahr nahm. Langsam merkte ich auch ´wie sich die Wärme des Blutes auch auf meinen Körper übertrug und ich anfing mich zu entspannen. Doch plötzlich riss mich Midoris Fauchen aus meinen Gedanken. Ruckartig setzte ich ab und schaute zur Tür, doch Midori knurrte nur noch. Schnell warf ich noch einen Blick auf den Mann. Er lebte, gerade noch so. Und vermutlich würde er auch noch weiterhin leben. Vielleicht hatten wir ihn sogar gerettet, als wir ihn von der Straße holten und hier in den Schuppen gebracht hatten. Sonst wäre er bestimmt erfroren. Doch das war auch kein Grund stolz auf uns zu sein. Hätte Midori mich nicht abgelenkt, dann hätte ich ihn bestimmt umgebracht. Ich leckte noch einmal über die Wunde, die wir hinterlassen hatten, um sie etwas zu versiegeln, dann schlüpfte ich wieder durch die Tür hinaus zu meiner Schwester. Midori stand an den Türrahmen gelehnt, die Augen zwar geschlossen, aber die Zähne gebleckt und die Muskeln angespannt. „Was ist los?“ fragte ich sie. Als sie mich bemerkte öffnete sie die Augen und sah mich an. „Wir wurden entdeckt.“ Erschrocken riss ich die Augen auf und mein Herzschlag beschleunigte sich automatisch. „Ich weiß nicht wer es ist oder wie viele es sind. Aber ein paar Vampire scheinen auf uns aufmerksam geworden zu sein und sind jetzt auf dem Weg hierher.“ „Scheiße!“ fluchte ich, packte Midori am Arm und begann zu rennen. Fluchtartig verließen wir wieder die Beengtheit der Gassen und flohen weiter über die Dächer. Eine Weile liefen wir so schweigend vor uns hin, immer wider Haken schlagend, um unsere Spuren so gut wie möglich zu verwischen. Der Sturm trieb uns immer wieder Schneeflocken ins Gesicht und erschwert uns somit die Sicht, doch wir rannten immer weiter. Immer weiter, bis wir das Gefühl hatten es geschafft zu haben, die anderen abzuhängen. Lautlos landeten wir in einer Gasse, die vollkommen leer war, bis auf ein paar Mülltonnen. Kurz lehnten wir uns gegen eine der Hausmauern, um nach Luft zu schnappen. Jetzt war ich an der Reihe meine Fähigkeit zu nutzen. Während Midori ihren ausgeprägten Geruchssinn hatte, konnte ich, wenn ich mich konzentrierte, die Präsenz von Lebewesen spüren. Und erkennen ob es Tiere, Menschen oder Vampire waren, und manchmal auch welchen Stand diese dann hatten. „Ich… glaube… wir haben sie abgehängt.“ keuchte ich. „Vor hin habe ich zwei Vampire aufgespürt. Adel, vermutlich Level B, doch jetzt merke ich nichts mehr.“ Midori atmete erleichtert auf, dann stockte sie kurz und fing an zu schnuppern. „Was ist jetzt denn?“ fragte ich, doch sie lächelte nur und schüttelte den Kopf. Dann ging sie zu einer der Mülltonnen und klappte sie schwungvoll auf. „Midori?“ fragt ich noch mal nach, doch sie ignorierte mich einfach und begann nach etwas in der Mülltonne zu suchen. Immer wieder hielt sie Sachen hoch und warf sie dann über die Schulter wieder weg, wenn es nicht das war was sie suchte, was immer das auch sein mochte. Einmal warf sie etwas Metallenes so schwungvoll nach hinten, dass es laut scheppernd gegen die nächste Hauswand knallte. Erschrocken zuckte ich zusammen. „Midori, du Idiot. Kannst du nicht mal aufpassen oder ist es dein Ziel die gesamte Nachbarschaft aufzuwecken?“ „Ne, eigentlich nicht. Trottel.“ schimpfte Midori zurück. Und wir beide wussten das die Beleidigungen von keinem von uns ernst gemeint waren. Trotzdem machten wir weiter. „Selber Vollidiot!“ konterte ich. „Volltrottel“ kam es von Midori aus der Tonne. „Klopsganove!“ „Vogelscheuche!“ „Waffelbäcker!“ „Ökokäse!“ „Ökowaffelkäsebäcker!“ „Pfannkuchen!“ Verblüfft sah ich zu Midori rüber, die inzwischen fast komplett in der Mülltonne verschwunden war. Was war das denn jetzt für ein Schimpfwort? Ich wusste ja, dass wir schon immer sehr kreativ waren, wenn es um eigenartige Schimpfwörter ging. Aber Pfannkuchen hatte ich bis jetzt noch nicht gehört. „Quarkbällchen“ erwiderte ich, was besseres fiel mir gerade nicht ein. Doch diesmal war es Midori, die mit einem verwirrten Gesichtsausdruck wieder aus der Mülltonne auftauchte, eine gut verschlossenen Schachtel in den Händen. „Hey. Diesmal hab ich gar nicht dich gemeint. Sondern die Pfannkuchen, die ich hier gefunden habe.“ sagte sie. „Sie sind sogar noch ziemlich frisch.“ Oh. Das erklärte natürlich einiges. Aber Pfannkuchen aus der Mülltonne? Misstrauisch schnupperte ich an dem Karton, den Midori mir vor die Nase hielt. Na gut, so schlecht rochen sie wirklich nicht. Doch plötzlich riss ich den Kopf hoch und sah mich erschrocken in der Gasse um. Wie hatte ich nur so unvorsichtig sein können. Wieso bemerkte ich erst jetzt, dass sich in einem rasanten Tempo ein Vampir näherte? Midori hatte vermutlich nichts gerochen, weil sie mit ihrer Nase zu tief in der Mülltonne gesteckt hatte. Doch wieso hatte ich nichts gemerkt? Ich war mir doch sicher gewesen, dass wir die beiden abgehängt hatten. Doch sie mussten unsere Spur wieder gefunden haben. Und jetzt waren sie schon verdammt nah. Gefährlich nah. Grob packte ich Midori wieder am Handgelenk und zog sie mit mir. “Aoi? Was ist…?” setzte Midori an, doch ich unterbrach sie. “Wir müssen hier weg. Sie haben uns wiedergefunden.” Sie kapierte sofort und ich sah wie sich ihre Augen weiteten. Doch dann begann sie ebenfalls zu laufen und wir rannten ein weiteres mal davon. Mal wieder auf der Flucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)