Unsterblich von Flordelis (My Immortal ~ Eternal Chronicles) ================================================================================ Kapitel 19: Kinderspiel? ------------------------ Direkt vor ihr, auf dem Boden, lag ein kleiner blonder Junge, dessen Kleidung viel zu groß für den schmächtigen Körper war, der Zylinder, der einst auf seinem Kopf gethront hatte, war nun tief in die Stirn des Kindes gerutscht, so dass dieses nichts mehr sehen konnte. Leana glaubte, irgendwo tief in ihrem Inneren, diesen Jungen schon einmal gesehen zu haben, besonders als er die Krempe seines Zylinders mit beiden Händen ergriff, um die Kopfbedeckung nach oben zu schieben und seine beiden Gegenüber dann fragend aus großen grünen Augen anzusehen. „Leana, Ayumu... warum seid ihr so groß?“ Auch seine Stimme war nun um einiges höher als zuvor und klang nicht mehr so gekünstelt erhaben, wie er sonst zu sprechen pflegte. Der Ninja lachte trotz der ernsten Situation leise. „Die Frage ist eher, warum du so klein bist.“ Der Junge blinzelte irritiert und sah dann an sich herab. Als er den Blick wieder hob, waren seine Augen von Panik erfüllt. „W-WAS IST DAS!? WARUM BIN ICH WIEDER KLEIN!?“ Im nächsten Moment weinte er bereits so herzerweichend, dass Leana nicht anders konnte: Sie kniete sich hin und schloss ihn vorsichtig in die Arme, um ihn zu trösten. Tatsächlich beruhigte Fuu sich sofort wieder, wenn wohl auch eher, weil er von dieser Reaktion ein wenig überrascht war. Ayumu wollte das gerade kommentieren, als er von einer weiteren Bewegung abgelenkt wurde. Er hob das Wesen auf und stellte fest, dass es sich dabei um ein kleines Mädchen handelte, das eher wie eine Puppe aussah. Sie schien zu schlafen oder ohnmächtig zu sein, weswegen Ayumu sich an Fuu wandte. „Kennst du die?“ Der kleine Magier nickte, worauf sein Zylinder wieder nach vorne rutschte und er ihn mit einem genervten Laut wieder zurückschieben musste. „Das ist Mey.“ Leana warf ebenfalls einen Blick zu diesem Mädchen, sie hatte das Gefühl, die Kleine schon einmal gesehen zu haben, aber ihr fiel partout nicht ein, wo das gewesen sein könnte, deswegen verwarf sie die Überlegung wieder. „Was tut sie hier?“ „Sie und Marly haben Tokimi-san etwas gestohlen und...“ Fuu hielt mitten im Satz inne und versuchte, loszulaufen, um zu Tokimi zu kommen, die auf der Lichtung noch immer auf der Suche nach etwas zu sein schien. Dafür hatte sie inzwischen Ylva eingespannt, aber die Inugami kehrte immer nur zum Ausgangspunkt zurück. Fuu machte einige Schritte und stolperte dann über seine viel zu große Kleidung, worauf Leana wieder nicht anders konnte und den kleinen Magier auf die Arme nahm, um ihn zu Tokimi hinüberzubringen. Das Orakel der Zeit hielt sofort inne, als Leana den Magier vor ihr abstellte. „Fuu-sama?“ Tokimis Stimme verriet, dass sie ihren Augen nicht traute, aber egal wie oft sie blinzelte, das Bild änderte sich einfach nicht. Er griff nach ihrer Hand und zog sie damit ein wenig zu sich herunter, damit er den Kopf nicht zu sehr in den Nacken legen musste. „Tokimi-san! Da waren diese zwei Mädchen, die deinen Fächer gestohlen haben! Dann gab es einen hellen Lichtblitz und... warum siehst du mich so an?“ In Tokimis Augen war ein geradezu begeisterter Glanz zu sehen und schon im nächsten Moment zog sie einen runden Keks aus ihrer Tasche und reichte diesen Fuu. „Möchtest du ein Senbei?“ Fuu öffnete bereits den Mund, um das Angebot abzuschlagen, entschied sich dann aber offenbar dagegen und nahm dankend den Keks an sich, den er sofort zu essen begann. Leana seufzte leise. „Tokimi, was ist geschehen?“ Das Orakel stand auf und erwiderte Leanas Blick ernst. „Jemand muss meinen Fächer gestohlen haben und Fuu wollte ihn zurückholen. Dabei müssen die Energieströme von Fuu und dem Fächer aufeinandergeprallt sein und die Zeitumkehrung war nur bei Fuu effektiv.“ „Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Leana. „Wir können ihn doch nicht so lassen.“ Tokimi lächelte freundlich. „Können wir nicht?“ Fuu pumpte empört Luft in seine Backen. „Nein, können wir nicht!“ Das Orakel lachte, während Leana ein leises Seufzen entfuhr. „Können wir mal ernst bleiben?“ „Natürlich, Verzeihung.“ Tokimi räusperte sich. „So einen Fall hatte ich auch noch nie, deswegen bin ich ein wenig ratlos, wie ich gestehen muss.“ Ayumu, der das kleine Mädchen am Kragen gepackt hatte und mit sich trug, gesellte sich ebenfalls zu ihnen. „Kannst du nicht einfach deinen Zukunftsblick benutzen, um herauszufinden, was du tun wirst?“ Er begleitete seine Worte mit einigen wirren Bewegungen seiner freien Hand, das kleine Mädchen wurde dennoch ein wenig hin und her geschwenkt, wachte allerdings nicht auf. Tokimi blickte ihn mit gerunzelter Stirn an, ihre Missbilligung war überdeutlich zu spüren, aber er kümmerte sich nicht darum, so dass sie verbal antworten musste: „In die Zukunft sehen zu können, ist keine exakte Wissenschaft. Ich kann mir auch nicht aussuchen, was ich sehe und was nicht.“ „Also sind wir trotz dieser ach-so-tollen-Eternal auf uns allein gestellt“, schloss er gelangweilt. Es war mehr als nur deutlich, dass er nicht sonderlich viel von ihr hielt, aber Leana musste sich nicht erst fragen, weswegen. Hätte ihr jemand indirekt mitgeteilt, dass er nur da war, um ihre Existenz auszulöschen, weil sie ohnehin nur ein Versehen war, wäre sie ebenfalls nicht sonderlich erbaut. Tokimi schnaubte wütend und setzte gerade zu einer Erwiderung an, wurde allerdings von Leana daran gehindert: „Statt uns zu streiten sollten wir uns lieber darauf konzentrieren, herauszufinden, was wir denn tun können. Auch wenn es mir persönlich egal sein kann, wenn Fuu ewig klein bleibt.“ „Er würde doch nicht für ewig klein bleiben“, sagte Tokimi. „Er würde wie ein normaler Mensch wachsen und in ein paar Jahren ist er dann wieder erwachsen.“ „Das ist mir zu lange!“, kommentierte Fuu schrill. „Ich will nicht mehr klein sein! Das war ich lange genug!“ Tränen sammelten sich in seinen Augen, doch bevor er losweinen konnte, kam auch Ylva dazu und nahm ihn ohne zu fragen in die Arme. Dabei murmelte sie leise etwas, das Leana nicht verstehen konnte, aber offenbar ausreichte, um den kleinen Magier zu trösten. Er schluchzte nur trocken, ohne wirklich zu weinen zu beginnen. Kinder verstanden sich untereinander wohl einfach immer noch am Besten, wie Leana zufrieden feststellte. Das schien Tokimi genug zu rühren, dass sie etwas anderes sagen konnte: „Wenn ihr mir bis morgen Zeit gebt, werde ich mir etwas einfallen lassen. Ich muss nur einige Dinge überlegen, vielleicht kommt mir auch noch eine Vision.“ Sie legte eine Hand auf ihr Herz und lächelte zuversichtlich, was Ayumu die Schultern zucken ließ. „Fein, eine Chance geb ich dir noch.“ Leana zuckte lediglich mit den Schultern. Abgesehen von diesem Plan gab es ohnehin keinen anderen, also könnten sie genausogut einfach abwarten und hoffen, dass die Deus-Ex-Machina-Fähigkeit der Eternal ansprang und das Problem für sie aus dem Weg räumte. Tokimi lächelte erleichtert und neigte im nächsten Moment aber fragend den Kopf. „Aber wo ist denn nun der Fächer?“ In einer anderen Welt war Marly gerade dabei, ihren Fund genauer unter die Lupe zu nehmen. Zwar hatte sie Mey durch diese Aktion verloren, aber dafür war sie nun im Besitz dieses Fächers – und wenn sie Glück hatte, war der Magier bereits Geschichte... oder Zukunft, wenn man bedachte, dass dieser Fächer die Zeit zurück- statt vordrehte. Vergnügt sang sie Reime vor sich her, in denen sie ihren Sieg feierte – jedenfalls bis sie bemerkte, dass sie nicht mehr allein im Raum war. Außer ihr war plötzlich noch eine Frau mit langem rosa Haar erschienen, die blauen Augen ruhten auf dem Fächer, während ihre ruhige Mimik nicht verriet, was sie gerade dachte. „Was ist das?“ „Ein Fächer für Schwächer, du Schwester“, antwortete Marly mit anhaltender Fröhlichkeit und gewohnt schlechten Reimen. Es war selten, sie so fröhlich zu sehen, da die meisten ihrer Pläne dazu neigten, nach hinten loszugehen oder erst gar nicht in irgendeiner Art und Weise zu funktionieren. „Das ergibt keinen Sinn“, erwiderte sie. Marly schob schmollend die Unterlippe vor. „Du bist immer so überkorrekt, Lilly-Konfekt.“ So lange kannten sie sich nun und ihr war noch immer kein Reim auf Lilly eingefallen, weswegen sie zu diesem Wortspiel greifen musste. Es war zum Verzweifeln. Lilly seufzte genervt. „Jetzt erzähl mir endlich, wo du diesen Fächer herhast.“ Sie spürte, dass es kein gewöhnlicher Fächer war, eine eigentümliche Magie ging von ihm aus, die verriet, dass Marly ihn nicht einfach irgendwo gekauft hatte. So wie Lilly sie kannte, würde sie ihn eher gestohlen haben – und das auch nur, um Fuu zu schaden. Alles, was Marly in irgendeiner Art und Weise ausheckte, diente nur dazu, dem Magier Steine in den Weg zu legen oder noch besser: Sie ihm an die Füße zu binden, um ihn danach im Fluss zu ertränken. Lilly kannte das bereits zur Genüge und war auch entsprechend genervt davon. Zwar widerstrebte es ihr, ihren ausgeklügelten Plan mit Lilly zu teilen, aber irgendwem musste sie mit stolzgeschwellter Brust verraten, was in der letzten Nacht geschehen war. Also tat sie genau das, mit einem breiten Grinsen im Gesicht und Reimen, die immer schlechter wurden. Lilly fragte sich einen Augenblick, ob Marlys Reime möglicherweise besser wurden, wenn sie schlecht gelaunt war, allerdings wusste sie auch, dass es nicht so war. „Du hast ihn also gestohlen“, schlussfolgerte Lilly aus der Erzählung. Marly nickte bestätigend – und im nächsten Augenblick stieß sie ein empörtes Kreischen aus, als Lilly ihr ohne großen Aufwand den Fächer abnahm. „Ich werde ihn zu seinem Besitzer zurückbringen. Nein, bemüh' dich nicht, ich finde schon heraus, wo genau sich diese Eternal befindet.“ Sie ignorierte Marlys wütendes Fluchen und auch das verzweifelte Flehen, während sie davonging, um das Haus zu verlassen und dann ein Tor zu öffnen, das sie dorthin bringen würde, wo sich die Besitzerin des Fächers befand. Marly folgte ihr nicht, sie schien bereits zu wissen, dass sie diesen Kampf verloren hatte und plante schon den nächsten Streich. Während sie lief, fragte Lilly sich, was wohl mit Fuu geschehen war, da Marly davon nicht hatte berichten können, offenbar war sie verschwunden, um ihm keine weitere Gelegenheit zum Eingreifen zu geben, aber sie zweifelte wohl nicht daran, dass ihr endlich ein schmerzender Streich gegen ihn gelungen war. Sie konnte nur hoffen, dass es dem Magier gut ging. Er wirkte zwar immer so unangreifbar und überlegen, aber sie war sich sicher, dass vieles davon nur zu seiner Show gehörte, die er für die Bühne brauchte und er in Wahrheit eben doch nicht unfehlbar war – denn es gab keine unfehlbaren Personen. Als sie im Freien stand, hob sie den Fächer, der von einem hellen Glühen umhüllt wurde. Sie bekam den Eindruck als wollte er ebenfalls zu seiner Besitzerin zurück und ließ sich deswegen direkt auf ihre Magie ein, um einen Spirit Corridor zu öffnen, der sie direkt zum letzten bekannten Aufenthaltsort seines Besitzers bringen würde. Die wild zuckenden Farben im Inneren des Korridors waren ihr vertraut, da sie ihn oft gebrauchte, um zwischen den Welten umherzureisen. Egal ob mit oder ohne Shinken, dieser Korridor war der einzige Weg, der sich einem bot, deswegen lernten Magier bereits früh, ihn zu ihren Zwecken zu gebrauchen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging Lilly hindurch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)