Zwischenwelten von Arle ================================================================================ Kapitel 5: Ziele ---------------- Beginn: 02.09.2009 Ende: 08.09.2009 Kapitel 5: Ziele Seine Wut war abgeklungen, hatte sich jedoch keinesfalls gelegt. Sie hatte sich lediglich ein wenig tiefer in sein Inneres zurückgezogen, um dort schwelend, still und leise den richtigen Moment abzuwarten. Den Moment, an den sie erneut hervorbrechen und gnadenlos alles vernichten würde, was sich ihm in den Weg stellte. Drei Nächte waren seit dem Gespräch mit seinem Lehrer vergangen und wann immer er daran dachte, wuchs in ihm mehr und mehr der Wunsch, den anderen für seine Respektlosigkeit büßen zu lassen. Ein niederer Vampir, der seinen Platz nicht kannte! Aber er würde ihn noch lehren, wohin er gehörte. Niemals würde er es zulassen, dass solche Beleidigungen ungestraft blieben. Der Ältere würde dafür bezahlen, dass er es gewagt hatte mit ihm zu spielen, sich über ihn lustig zu machen. Wie ein Kind hatte er ihn behandelt! Nun gut, ja, im Vergleich zu ihm war er das womöglich sogar, aber dann schien es ihm nur gerecht auch den anderen in seine Schranken zu verweisen. Für jemanden seiner Klasse war der andere dreist und überheblich in einer Weise, die geradezu danach schrie ihn daran zu erinnern, was wahrer Adel bedeutete. Allein das er ihn hier unterrichten durfte hätte für ihn mehr als alles andere eine Ehre sein sollen. Aber stattdessen... Erneut flammte die Wut in ihm auf, doch er ließ nicht zu, dass sie allzu viel Macht über ihn gewann. Als Lehrer für das gemeine Volk war dieser Mann sicher geeignet, aber für jemanden seines Standes und Intellekts war er geradezu eine Beleidigung. Umso mehr ärgerte es ihn, dass es dem anderen scheinbar mühelos gelang mit ihm fertig zu werden. Etwas, das selbst seinen Eltern zuweilen schwer fiel, was möglicherweise einer der Gründe dafür war, weshalb er diese Schule besuchen musste. Woher nahm dieser Mann nur seine Gelassenheit? Weshalb ließ er sich nicht aus der Reserve locken, wenn ihm seine Tätigkeit als Lehrer doch so zuwider war? Ein kleiner Skandal hätte völlig ausgereicht um ihn als nicht-qualifiziert des Hauses zu verweisen. Aber er leistete sich einfach keine ausnutzbare Schwäche. Nicht, dass er nicht eine hätte schaffen oder erfinden können, aber das erforderte Zeit und einen nicht unerheblichen Aufwand. Denn aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien Luca ungewöhnlich viel Vertrauen zu genießen, was ihn für Kira schon einmal grundsätzlich verdächtig machte. Er erinnerte sich gut an ihre erste Begegnung. Wie der andere vor die Klasse getreten war, um ihnen vom Direktor vorgestellt zu werden. Er hatte sich für seine Verhältnisse sehr ernsthaft gefragt, was ein Vampir wie Luca an einem Ort wie diesem zu suchen hatte. Vielleicht hätte er einen guten Hausmeister abgegeben, einen Reinigungsmann oder maximal noch einen Vertrauenslehrer, an den sich sowieso niemand wandte. Nett, hatte er gedacht, was nach der vampirschen Richterskala nur einen Punkt über akzeptabel lag. Mit anderen Worten jemand, der sich auf sein Äußeres wirklich nichts einbilden durfte. Irritierenderweise tat der andere das aber auch nicht. Er schien im Gegenteil sehr genau zu wissen, welche Wirkung er auf andere hatte und legte eine entsprechende Zurückhaltung an den Tag. Kira hatte ihn registriert, wie man eine neue Wanddekoration registrierte, später jedoch feststellen müssen, dass es sich bei diesem Mann um einen äußerst lästigen Dekorationsartikel handelte. Ja, seine Zurückhaltung konnte einen zur Weißglut treiben – und das war nicht das Einzige an ihm, das diese Wirkung hervorrufen konnte. Mittlerweile hatte der Ältere es fertig gebracht ihn davon zu überzeugen, dass eine völlige Missachtung seiner Person nicht nur nicht möglich, sondern auch alles andere als zielführend war. Dieser Mann begann ihn zu interessieren und es schien ihm durchaus erstrebenswert, ihn näher kennenzulernen. Denn nur so konnte er sicher sein, dass er ihn auch würde vernichten können. Er würde herausfinden, was der andere schätzte, was ihm gefiel und was er liebte – und würde es ihm wegnehmen. Genauso wie er in Erfahrung bringen würde, was er hasste und fürchtete. Davon würde er ihm so viel geben, bis er zu nichts anderem mehr fähig war als um Gnade zu winseln. Es würde ein Genuss sein ihn so weit zu bringen und ein Triumph ihm zu vergeben. Oder auch nicht, da war er sich noch nicht sicher. Er würde es wohl spontan entscheiden. Vielleicht würde er ihn auch zu seinem persönlichen Sklaven machen. Was konnte für einen Mann wie ihn demütigender sein, als dem Adel, den er so wenig respektierte, ein Leben lang dienen zu müssen? Der Gedanke gefiel ihm. Er gefiel ihm sogar außerordentlich. Und bei dieser Gelegenheit würde er gleich ein paar Gerüchten auf den Grund gehen. Das vielleicht interessanteste, weil in seiner Tragweite am weitesten reichende war jenes, dass der andere kein geborener Vampir, sondern ein durch einen anderen selbst zu einem solchen geworden war. Wenngleich eine Tatsache ganz und gar dagegen sprach. Und das war das Alter des Mannes. Alle, denen das Blut der Vampire ursprünglich nicht eigen gewesen war, verfielen früher oder später dem Wahnsinn. Das traf auf den Meister nicht zu und es war im Übrigen etwas, das man nur sehr schlecht verstecken konnte. Allerdings konnte man diesen Prozess erheblich verlangsamen und die dafür notwendige Bedingung war für Luca, der in verschiedenen Kreisen für seine eher exotischen Beziehungen bekannt war, gar nicht so abwegig. Keine Medizin und keine Magie dieser Welt war fähig etwas am geistigen Verfall der Erschaffenen zu ändern. Das Blut eines Adligen konnte es. Für gewöhnlich ließen sie solche Wesen nicht einmal in ihre Nähe und wenn doch, so nur um sie sich als Haustiere zu halten. Vor einigen Jahrhunderten hatte es angeblich einen Adligen gegeben, der mit ihm zusammengelebt und tatsächlich so etwas wie Gefühle für ihn entwickelt haben sollte. Schwer vorstellbar, aber wer wusste schon welche Eigenschaften der damals noch junge Meister besessen haben mochte. Aus Zuneigung und um ihn vor der allmählichen Selbstzerstörung zu bewahren, hatte der andere ihm sein Blut gegeben. Kira hielt es zwar nicht gänzlich für ausgeschlossen, aber er konnte es sich schwerlich vorstellen. Sympathie hin oder her – niemand hätte es gewagt ein solches Wesen in die Nähe seiner Kinder zu lassen. Dieses Risiko wollten selbst die Unsterblichen nicht eingehen. Leider hatten die Menschen mit ihrem Vampirwahn dafür gesorgt, dass ihre komplette Welt vollkommen durcheinander geraten war. Schönheit, Eleganz, Charisma, Leidenschaft, Kraft und Schnelligkeit – all die Eigenschaften die früher sichere Erkennungsmerkmale gewesen waren trafen heute nur noch sehr bedingt zu. Früher hatten die Menschen Vampire gefürchtet, heute wagten sie es sogar sich über sie lustig zu machen. Was in dieser Zeit so herumlief und sich Vampir nannte, wäre selbst für einen Menschen eine Beleidigung gewesen. Kira ballte die Hände zu Fäusten und beschleunigte seine Schritte. Das würde er alles noch ändern. Er würde derjenige sein, der diese Welt neu formte und dann würden es die Menschen sein, die über ihn schreiben würden. Nicht sie würden den Lebensraum der vampirischen Rasse gestalten. ER würde es tun. Und in dieser Welt würde es solche wie den Meister nicht mehr geben. Niemand würde es mehr wagen, gegen den Adel aufzubegehren. Und ironischerweise war die Schule dafür gar kein schlechter Ausgangspunkt. Denn ob er nun wollte oder nicht, er brauchte Verbündete. Die Alten waren zu träge, zu festgelegt in ihren Gedanken und Verhaltensweisen, als dass sie ihm so ohne weiteres gefolgt wären. Nicht einmal seine adlige Abstammung würde daran etwas ändern. Und er brauchte Verbündete, die sein absolutes Vertrauen genossen – und verdienten! Was er brauchte war frisches, junges Blut, das er für seine Ideen begeistern konnte und hier, an diesem Ort, kamen die Kinder fast aller namhafter Clans zusammen. Natürlich auch die weniger namhaften, aber in diesem Fall musste das nicht zwingend ein Hindernis sein. Man mochte von ihnen halten was man wollte – und in seinem Fall war das gewiss nicht viel – aber sie waren meist sehr viel loyaler, als dies in seinen Kreisen der Fall war. Und für seine Ziele war er durchaus gewillt eine Ausnahme zu machen. Aber das hatte Zeit. Er arbeitete bereits daran und schmiedete weiter seine Pläne, doch im Augenblick galt seine Aufmerksamkeit etwas oder vielmehr jemand anderem. Womöglich eignete er sich sogar dazu, ein Exempel an ihm zu statuieren. Stellvertretend für die Vertreter seiner Klasse und für all jene Zweifler, die ihre Bedeutung in dieser Welt so maßlos überschätzten. Kapitel 5 – ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)