Ночной Бить von empty_mind (Ein Beat...der wie ein Echo in meinen Kopf dringt...) ================================================================================ Kapitel 2: второй бить ---------------------- второй бить Zweiter Beat – Abstand halten und einen neuen Blick für das Wesentliche bekommen. Ich wusste nicht, wie ich es geschafft hatte, überhaupt ein Auge zu zutun. Jedenfalls hatte ich einige Stunden geschlafen und sah dementsprechend nicht fertiger aus als sonst. Das redete ich mir ein, während ich tonnenweise Make-up in meinem Gesicht verteilte. Leise seufzte ich auf. Es hatte keinen Sinn, weiter zu machen. Es fühlte sich schon wie eine zweite Haut an. Alles konnte ich so oder so nicht verstecken, also konnte ich es auch dabei belassen. Das Make-up stopfte ich zurück in meinen Kulturbeutel und nahm diesen mit ins Schlafzimmer. Dort stand schon, fertig gepackt, mein Koffer. Den Kulturbeutel legte ich obendrauf und verschloss ihn. Ich war fertig für die Abreise. In zehn Minuten sollte mich Nii abholen und wir würden auf direktem Wege zum Flughafen fahren. Noch ein letztes Mal ging ich durch meine Wohnung, um zu überprüfen, ob alles erledigt und sauber war. Den Tisch mit dem Essen für uns beide hatte ich in den frühen Morgenstunden gleich nach dem Aufstehen abgeräumt. Das Essen war größtenteils im Müll gelandet, welcher gut verknotet vor der Tür darauf wartete, entsorgt zu werden. Auch die Rosen hatte ich in eine neue Vase und auf den großen Tisch gestellt. Für Dekorationszwecke war es okay. Dort würden sie verweilen, bis ich wieder kam und dementsprechend schon verdorrt sein. Der Sekt stand wieder im Abstellraum. Zum wegwerfen war er mir zu schade. Auch in der Küche war alles sauber und der Kühlschrank so gut wie leer, damit keine Lebensmittel verschimmelten. Ich konnte also beruhigt auf Tour gehen. Nach der gestrigen Nacht kam mir die bevorstehende Arbeit irgendwie paradiesisch vor. Meine Gedanken würde ich hier lassen, das schwor ich mir. Weder dich, noch meine Sehnsucht würde ich mit auf diese Tour nehmen. Dieses Mal wollte ich nicht, dass meine Konzentration litt, dass ich ständig an dich dachte und meinen Freunden Kummer bereitete. Alles würde anders sein, schließlich hattest du mir deutlich gezeigt, wo mein Platz bei dir war. Unmissverständlich und vor allem unwiderruflich. Ich ging zurück in den Flur und zog mir dort langsam meine Jacke und Schuhe an. In der Umhängetasche verstaute ich Handy und Brieftasche, die Schlüssel nahm ich in die Hand. Erst brachte ich den Müll nach unten und legte ihn auf einen Haufen. Die Müllabfuhr würde in ein paar Stunden hier vorbeikommen. Wieder hechtete ich hoch und nahm dieses Mal meinen Koffer mit nach unten. Die Tür schloss ich ordentlich ab, atmete tief durch und ging langsam die Treppen hinab vor die Eingangstür. Ein wenig Zeit blieb mir noch, bis Nii auftauchen würde, also zündete ich mir eine Zigarette an und schloss dabei kurz die Augen. Sie brannten, obwohl ich nicht geweint hatte. Wahrscheinlich war es die Müdigkeit, die mir zusetzte. Ich würde es nicht bei der Arbeit brauchen, ständig mit Kopfschmerzen herum zu rennen. Die Zigarette schmeckte auch nicht, wie sie es sollte. Angewidert davon, schmiss ich sie weg. Ich sollte besser aufhören zu Rauchen. Meiner Stimme tat es nicht gut und meiner Gesundheit so oder so nicht. Andererseits rauchten Nii und Shuu so viel, dass ich wahrscheinlich an Passivraucherkrebs sterben würde. Wo war da der Unterschied. Mit Sicherheit im Geschmack und selbst der ließ mich momentan im Stich. Ich beobachtete, wie der Qualm von meiner Zigarette aufstieg und sich nach und nach auflöste. Wenn es doch mit allen Dingen so laufen würde, dachte ich mir und schreckte ein wenig hoch, als ich ein aufdringliches Hupen hörte. Nii war schon um die Ecke gefahren und winkte mir fröhlich zu. Er hatte unseren Van übernommen und wollte uns damit alle einsammeln. Später würde der eigentliche Fahrer ihn wieder zum Studio bringen und dort stehen lassen. Eigentlich unnötig, dass Nii fuhr, doch konnte selbst unserer Fahrer nicht nein sagen, wenn Nii ihn wieder anflehte, ihm das Auto zu überlassen. Das Fahren machte ihm einfach zu großen Spaß, und kleine Kinder sollte man schließlich spielen lassen. „Bist du so aufgeregt wegen der Tour oder warum sieht es so aus, als wenn du nicht gepennt hättest?“, fragte Nii mich gut gelaunt und sprang aus dem Van heraus um mir die große Kofferraumtür zu öffnen. „Mehr oder weniger. Einfach ne beschissene Nacht gehabt, aber ich freu mich auf den Flug. Da kann ich mich ausschlafen.“, antwortete ich und hievte mit Nii's Hilfe meinen Koffer in den Van. „Ja, du hast ja keine Probleme damit, deine Beinchen auszustrecken. Für dich ist genug Platz.“, stichelte er ein wenig und wuschelte mir hart durch die Haare. „Ach leck mich doch...“, brummte ich verärgert, wobei ich mich mehr darüber ärgerte, dass er meine Haare durcheinander brachte, als über seinen dummen Witz. An die gewöhnte man sich mit der Zeit. Anfangs ärgerte man sich noch über gewisse Dinge, doch irgendwann gehören sie so zum Alltag, dass man sie kaum mehr wahrnahm. Sie werden selbstverständlich und sollte man diese Dinge, eben wie die kleinen Gemeinheiten, vergessen, stimmte irgendwas nicht. Soviel konnte man dann daraus schließen. So hatte auch Shuu gemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmte. Schon merkwürdig, wie manche Dinge so kamen. „So auf geht’s. Shuu hat mir schon vor einer halben Stunde geschrieben und sich beschwert, dass er sich den Hintern draußen abfriert. Daraufhin habe ich beschlossen dich und Ryo zuerst abzuholen. Also sollten wir uns ein wenig beeilen.“, erklärte mir Nii sehr professionell und schnallte sich wieder an. Ich lachte au. Die Jungs verstanden etwas davon, sich das Leben gegenseitig schwer zu machen, aber es hielt uns alle in schweren Stunden bei Laune. Und dafür war ich gelegentlich sehr dankbar. Innerhalb einer halben Stunde hatten wir Ryo und schließlich Shuu abgeholt. Shuus Laune war auf einem Tiefpunkt, als der Van vorgefahren kam, doch störte es keinen. Ein böser Blick, ein paar sehr unfreundliche Wörter und unser Bassist saß mit uns und wir fuhren auf dem schnellsten Weg zum Flughafen. Die Blicke, die Shuu mir zuwarf quittierte ich mit einem leichten Lächeln. „Alles in Ordnung?“, fragte er anschließend, als wir unsere Koffer aus dem Van holten. Nii übergab in diesem Augenblick die Autoschlüssel traurig einem Mitarbeiter und Ryo war bereits durch die Glastüren in den Airport gegangen. „Ja, es ist alles ok.“, sagte ich dann matt lächelnd, „Ich hab nur sehr wenig geschlafen und das merke ich gerade.“ Es war immerhin keine Lüge, die ich Shuu auftischte. Ich war wirklich sehr müde, aber was genau hinter meiner Müdigkeit steckte, musste er nicht wissen. Ein weiterer ausfallender Ausbruch musste so kurz vor einem mehrstündigen Flug nicht sein. „Ich werde im Flugzeug einfach schlafen.“ Shuu schien mit meiner Aussage zu frieden zu sein und nickte mir zu. Wir nahmen beide unsere Koffer, stießen zu Nii und betraten die den Airport. Es folgte eine Routine: Einchecken, Boardingcards nehmen, durch den Sicherheitscheck und anschließend Stunden warten, bis man das Flugzeug betreten konnte. Ich schulterte meine Tasche, steckte die Boardingcard in das Außenfach und schaute mich um. Das war eine gute Möglichkeit, sich noch etwas zu Lesen für den Flug zu kaufen. Alle zusammen gingen wir durch die DutyFree-Shops und sahen uns ein wenig um. Ich kaufte zwei Zeitschriften und wartete auf die Anderen. Während ich in der Musikzeitschrift herum blätterte, bereute ich es im nächsten Augenblick sehr, sie gekauft zu haben. Ein Special über deine Band. Ein extra langes Interview mit dir. Es ging um euer neues Album und die Singleauskopplung davon. Das war jedenfalls das, was ich auf den ersten Blick herauslesen konnte. „War ja klar, dass du dir die Zeitschrift kaufst, wo Hizumi drin is.“, sagte Ryo breit grinsend und stupste mich mit dem Ellbogen an. Ich grinste schief zurück. „Eigentlich kaufe ich jede Ausgabe dieser Zeitschrift.“, wehrte ich mich halbherzig und steckte die Zeitschrift, samt der anderen in meine Tasche. Man konnte an seiner Nasenspitze erkennen, dass er mir nicht glaubte. Wer konnte es Ryo auch verübeln. Ich hatte mir eine Zeitlang wirklich jede Zeitschrift gekauft, in der auch nur ein Foto von dir abgebildet war. Besonders gerne las ich die Interviews mit dir, schaute mir dein Fotos an. Es hatte mir wirklich spaß gemacht und ich hatte gehofft, dich auf diese Art und Weise etwas besser kennen zu lernen. Ich wusste kaum was über dich, als wir uns kennen gelernt haben. Und wenn ich so darüber nachdachte, bekam ich auch anschließend nicht viel von dir mit. Wirklich gesprächig warst du nie. Wenn ich in deiner Nähe war, kam es mir manchmal so vor, dass du mit Absicht den Mund hieltst. Entweder du hattest mir nichts zu sagen, oder du wolltest nicht, dass ich irgendetwas von dir mitbekam. Ich wurde nicht schlau aus dir und irgendwann gab ich es einfach auf und nahm es hin, dass du eben nicht viel sagtest. Dabei hätte ich so gerne gewusst, was in deinem hübschen Kopf vor sich ging. Seufzend ließ ich mich auf den Stuhl fallen und streckte die Füße aus. Das Handy in meiner Tasche vibrierte. Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch und fing an in meiner Tasche zu kramen. Nii sah mich kurz an, wand sich aber schließlich wieder seinem IPod zu. Shuu und Ryo wollten eigentlich etwas zu trinken holen, doch bis jetzt waren sie noch nicht wieder aufgetaucht. Wahrscheinlich konnte sich Shuu nicht entscheiden. Ich konnte mir das bei ihm gut vorstellen. Entscheidungsfreude gehörte nicht zu Shuus Stärken, doch wenn es um dich ging, war er erstaunlich schnell bereit eine Entscheidung zu treffen. Im Grunde immer gegen dich. Nach allem was ich ihm erzählt hatte, überraschte es mich natürlich nicht. Trotzdem hatte ich noch immer ein schlechtes Gewissen, dass ich dich bei ihm so schlecht geredet habe. So ein mieser Typ bist du schließlich nicht. Nur scheint sich weder Ryo, Nii noch Shuu davon abbringen zu lassen, dass ein guter Kern in dir steckt. Ich biss mir auf die Zunge, kramte weiter nach meinem Handy und machte mir Gedanken darüber, ob ich Shuu wirklich alles erzählen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste er nur davon, dass du mich versetzt hattest. Dass du mitten in der Nacht zu mir gekommen bist und wir wieder miteinander geschlafen haben, habe ich ihm nicht erzählt. Wenn ich ehrlich war, schämte ich mich sogar ein wenig dafür. Ich war so wütend auf dich gewesen, so maßlos enttäuscht. Und es schien mir, dass du nur mit dem Finger schnipsen musstest und ich sprang zu dir ins Bett. Man sollte meinen, ich hätte während meiner Zeit mit dir ein bisschen Stolz bewahrt, allerdings merkte ich nicht viel davon. Ich nahm mein Handy in die Hand und las den Namen durch. Mein Herz setzte einen Augenblick aus. „Ich bin kurz telefonieren.“, sagte ich betont ruhig zu Nii. Er zog einen Kopfhörer aus seinem Ohr und schaute mich fragend an. „Sag bloß der Spinner ruft dich an?“. Ich lächelte leicht und schüttelte den Kopf. Nein, du warst nicht dran und wolltest mit mir reden. Zwar hatte irgendwas in meinem Inneren das dringende Bedürfnis mit dir zu reden, doch auf der anderen Seite war ich sehr froh, dass ich es nicht musste. Ich wusste ohnehin nicht, was ich dir sagen sollte. Dich anschreien kam mir albern vor. Ein wenig melodramatisch. Dich anschweigen konnte ich auch nicht, immerhin waren wir keine 15 mehr. Normal mit dir reden schien mir am angebrachtesten, aber ich wusste nicht, über was. Smalltalk war zwischen uns nie gut gegangen. Nein, es war wirklich besser, wenn wir vorerst keinen Kontakt hatten. Draußen angekommen setzte ich mich auf eine Bank und nahm den Anruf entgegen. „Ja, Hallo?“, fragte ich leise. „Herr Gott noch mal, wie lange braucht ein Mensch um einen Anruf anzunehmen. Du kannst von Glück sagen, dass ich sehr hartnäckig sein kann, wenn ich etwas möchte.“, brummte Tsukasa in den Hörer und brachte mich zum Lachen. „Entschuldige, wir sind grade am Flughafen und ich hab mein Handy wieder mal tief in meiner Tasche vergraben.“ Mit dieser Aussage scheint sich Tsukasa zufrieden zu geben. „Sei‘s drum.“, sagte er dann knapp und ich hörte das Aufflammen eines Feuerzeuges. Es folgte ein kurzes Schweigen und Tsukasa blies die Luft geräuschvoll aus. „Ihr seid also schon am Flughafen. Das ist gut, dass ich dich noch erreicht habe.“ "Ja, unser Flieger geht in einer Stunde. Aber weil Shuu so ein Panikmacher ist, sitzen wir hier und warten seit Stunden. Damit wir den Flug auch ja nicht verpassen.“ Ich lachte erneut auf und schüttelte leicht den Kopf. Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir maximal ein ein-halb Stunden vor dem Flug überhaupt erst hier aufgekreuzt. Allerdings haben wir uns von Shuu breitschlagen lassen und verbringen mehr Zeit mit Warten als mit Schlafen, was mir nach dieser Nacht deutlich lieber gewesen wäre. Tsukasa lachte leise und sog an seiner Zigarette. „Na dann kann auf eurer Tour nichts schief gehen, wenn Shuu die Hosen anhat.“, witzelte Tsukasa und ich stimmte mit ein „Lass ihn das bloß nicht hören, sonst steigt ihm seine neue Berufung zu Kopf.“ Grinsend lehnte ich mich auf der Bank zurück und ließ den Kopf vorsichtig in den Nacken fallen. „Bestimmt nicht.“, willigte Tsukasa dann ein und seufzte etwas auf „Aber das war eigentlich nicht der Grund weshalb ich dich anrufe.“ Natürlich war es nicht der Grund warum Tsukasa mich anrief. Ich hatte mit ihm und dem Rest deiner Band nicht sonderlich viel Kontakt. Man sah sich, grüßte einander und gelegentlich ging man zusammen essen. Wobei letztes schon extrem selten vorkam. Ich war eigentlich nur mit dir im ständigen Kontakt. Wobei ständiger Kontakt etwas zu hoch gegriffen war. „Hab ich mir schon gedacht, dass du etwas Bestimmtes wolltest.“, sagte ich leise und schloss die Augen. Ich hatte Tsukasas Gesicht vor mir und sah wie er mich mitleidig anlächelte. „Ich will nicht lange um den heißen Brei herum reden“, sagte er mit ruhiger Stimme und ich hörte ihm aufmerksam zu, „Hizumi war gestern bei dir oder? Er hat ziemlich viel getrunken nach dem Interview. Wir waren in einer Kneipe und wollten eigentlich nicht lange bleiben. Aber es hat sich dann immer weiter hingezogen und Hizumi wollte sich von uns nicht nach Hause bringen lassen. Ich hab ihm ein Taxi gerufen, aber als er eingestiegen ist und gefragt wurde, wo er hin wolle, hatte er deine Adresse angegeben. Jedenfalls meine ich, es so verstanden zu haben.“ Tsukasa sprach ruhig und hatte einen sachlichen Unterton. Es war angenehm ihm zuzuhören, da mir das alles dann auch nicht zu persönlich vorkam. Es war, als würde er über ganz andere reden, als über Hizumi und mich. Ich öffnete die Augen und sah auf das Vordach, jedenfalls auf das, was ich von meinem Platz aus erkennen konnte. „Ja, er ist irgendwann gegen halb vier bei mir aufgetaucht.“, bestätigte ich Tsukasas Vermutung und stand auf. Eine kleine Unruhe keimte in mir auf. Ich konnte nicht mehr ruhig sitzen und musste mich bewegen. Bei wichtigen Telefongesprächen konnte ich selten auf einer Stelle sitzen bleiben. Es war eine meiner Macken und vor allem war es ein Wunder, dass ich es bei Meetings schaffte, zum größten Teil auf meinem Platz sitzen zu bleiben und geduldig alle Fragen zu beantworten. Nur war hier niemand, der mir böse Blicke zuwerfen konnte, wenn ich auf und ab ging. Einen kurzen Augenblick herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. „Hmm…“, brummte Tsukasa dann leise und seufzte auf „Satoshi, es tut mir leid, wir wollten ihn aufhalten und ins Bett schicken, aber er hat nicht auf uns gehört. Ich hoffe, es ist nichts zwischen euch vorgefallen?“. Tsukasa formulierte diese Frage sehr vorsichtig. Er hatte Angst einen wunden Punkt zu treffen. Nur leider warst du ein einziger wunder Punkt für mich. Ich war froh, dass du mich nicht anriefst, aber jetzt mit Tsukasa zu sprechen war nicht minder unangenehm für mich. „Nein, nein“, sagte ich schnell und schaute runter auf den Boden. Einige kleine Steine lagen vor mir auf dem Boden. Nach und nach schob ich diese mit der Schuhspitze weg „Es war alles okay. Ich war nur etwas erschrocken, dass er auf einmal vor meiner Tür stand. Aber sonst…“, antwortete ich und schob einen weiteren Stein weg. Ich spürte eine leichte Hitze meine Wangen hinaufklettern. Mir wurde warm bei dem Gedanken, was gestern Nacht passiert war. Und unter normalen Umständen hätte ich diese Wärme sicherlich genossen. Ich hätte die Augen geschlossen und mir noch einmal dein Gesicht vor Augen geführt. Ich hätte die ganze Nacht in meinem Kopf noch einmal abgespielt. Aber in diesem Moment war mir nicht danach. „Das glaube ich dir gerne.“, murmelte dann Tsukasa. An seiner Stimme konnte ich erkennen, dass er alles andere als begeistert von der Situation war. „Hör mal, Satoshi…“, setzte er an und ich horchte auf, „Hizumi benimmt sich in letzter Zeit wirklich etwas sonderbar.“ Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Es war hier wohl eher die Frage, wann du dich normal benahmst. Seit ich dich kannte, warst du etwas merkwürdig. Deine Launen waren manchmal schlimm zu ertragen. Aber eigentlich hatte es mich nie abgehalten, mit dir Kontakt haben zu wollen. Ich wusste, dass du zickig, stur und gelegentlich richtig bösartig sein konntest. Aber es störte mich nicht. Ich habe dich hingenommen wie du warst. Und eigentlich war ich immer der Meinung, dass ich mit deinen Launen umgehen konnte. Wirklich gestritten hatten wir uns nie und wenn mir etwas nicht gepasst hatte, habe ich dich dezent darauf angesprochen und meinen Standpunkt deutlich gemacht. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Aber einen ernsthaften Streit und heftiges Gezicke hatten wir nie. Allerdings musste dazu bedacht werden, dass wir uns emotional nie so nahe waren, dass es einen Streit geben konnte. Wir waren zwar gelegentlich körperlich eins, aber emotional immer getrennt. Du sprachst solche Themen generell nie an und ich traute mich nicht. Es war heikel und ich hatte immer die Angst, dass ich dadurch zu aufdringlich wirkte und du dich noch mehr von mir distanziertest. Habe ich dir vielleicht zu viel Freiraum gelassen? Hätte ich dir meine Gefühle und meine Ansichten vielleicht sagen sollen? Oder wäre ich damit in eine Sackgasse gerannt. Die Tatsache, dass ich dich nicht einschätzen konnte, machte mir die Entscheidung umso schwerer. „Hizumi ist immer merkwürdig.“, sprach ich meine Gedanken in gekürzter Form aus. „Das stimmt zwar…“, pflichtete Tsukasa mir bei „Aber diesmal ist es anders. Er redet kaum noch mit uns. Und das bereitet Zero und mir extreme Kopfschmerzen. Kary ist zwar der Meinung, dass er sich zwar wieder beruhigen wird, aber… wie soll ich sagen. Ich denke es ist besser, wenn ich dich wenigstens vorwarne.“ Mein Herz setzte einen weiteren Augenblick aus. Tsukasa wusste es wohl auch, allerdings konnte ich mir nicht erklären woher. Ich hatte es Ryo, Nii und Shuu erzählt, aber ich hatte sie gebeten, es nicht weiter zu erzählen. Und in diesem Falle konnte ich mich auf meine Freunde verlassen. Sie würden mich nicht so bloß stellen, jedenfalls hoffte ich es sehr. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und mein Schweigen animierte Tsukasa zum weitersprechen: „Ich weiß nicht genau was zwischen euch läuft. Aber ich weiß, dass ihr euch trefft. Und Hizumi ist zwar ein sehr guter Freund von mir aber…“. Ich hielt die Luft an. „Hizumi ist ein elender Egoist… Er nimmt sich was er will und achtet so gut wie nie auf die Menschen in seiner Umgebung. Selbst wir als Band leiden gelegentlich unter seiner Art. Und gerade macht er es uns nicht leicht. Wir haben viel Stress mit dem neuen Album und der Promotion. Und Hizumi führt sich zu dem auf wie ein Arschloch. Was auch immer zwischen euch ist… Du solltest es dir genau überlegen, Satoshi. Ich will dir keinen Floh ins Ohr setzten, aber mittlerweile müsstest du wissen wie er tickt. Lass dich von ihm nicht fertig machen, ok?“. Tsukasas Stimme wurde immer leiser, bis ich ihn fast nicht mehr hören konnte. Aber dennoch verstand ich jedes Wort. Mein Herz hämmerte wie verrückt und mein Mund wurde trocken. Ich räusperte mich leise und seufzte auf. „Ich weiß Tsukasa,“, sagte ich leise. Ich wusste wirklich wie du warst und was mich mit dir erwarten würde, konnte ich mir in etwa ausmalen. Auch, dass es nicht sonderlich rosig aussehen würde. Mit dir würden einige Probleme auf mich zukommen. Emotionale Probleme, die mich wahrscheinlich ziemlich fertig machen werden. „Ich weiß im Moment nicht, was ich machen soll, wenn ich ehrlich bin.“, gestand ich gegenüber Tsukasa ein und kämpfte einen Augenblick mit den Tränen. Ich ermahnte mich selbst, jetzt bloß nicht zu heulen. Das müsste ich vor den anderen erklären. Ich seufzte noch einmal und versuchte, meine Stimme etwas fester klingen zu lassen: „Ich bin von der Situation wirklich nicht begeistert. Auch dass er mich gestern versetzt und dann nachts überfallen hat… Aber ich will mich grade nicht mit ihm auseinander setzten. Ich will mich auf die Tour konzentrieren und den Kontakt zu ihm vorerst auf Eis legen… Ich hoffe, dass mir die Zeit während der Tour hilft, einen klaren Kopf zu bekommen und dann zu entscheiden, wie es weiter gehen soll… Wobei… ich denke, dass da nicht viel zu entscheiden ist.“ Ich sprach meine Gedanken nicht ganz aus, aber ich hatte das Gefühl, dass Tsukasa mich genau verstand. Du würdest doch niemals eine Beziehung mit mir eingehen. Und ich war mir sicher, dass ich es bei der jetzigen Situation nicht belassen konnte. „Verstehe…“, sagte Tsukasa, „Ich bin jedenfalls froh, dass es dir einigermaßen gut geht. Bitte lass dich nicht runterziehen. Ich weiß, es hört sich mies an, wenn ich so etwas über einen guten Freund sagte, aber er ist es nicht wert. Und ich glaube, dass weiß Hizumi auch.“ Es stach ein wenig in der Brust das zu hören. Du sollst es also nicht wert sein. Ich hätte spontan mehr als nur einen Grund aufzählen können, warum du es wert warst. Aber im Grunde genommen reicht es nicht, wenn eine Partei tausend Gründe hatte, der anderen Partei aber alles scheißegal war. Ich hätte mich genauso gut auf den Kopf stellen können und es hätte uns nicht weiter gebracht. „…Es ist nicht so leicht für mich, wenn ich ehrlich sein soll. Aber ihr braucht euch um mich keine Gedanken zu machen.“ Die Aussage schien Tsukasa zu beruhigen. Wenigstens einen konnte ich milde Stimmen und in Sicherheit wiegen. „Okay… Satoshi, falls du irgendwie Hilfe brauchst, oder irgendetwas mit Hizumi ist, kannst du mich wirklich jeder Zeit anrufen. Weißt du, wir machen uns auch unsere Sorgen. Am meistens sogar Zero. Er mag dich und deine Band sehr gerne und lässt keine Gelegenheit aus, Hizumi das Hirn zu waschen. Leider mit wenig Erfolg.“ Ich stockte leicht. Mir war nie bewusst gewesen, wie viele Menschen von uns überhaupt bescheid wussten. Eigentlich hatte ich stets darauf hingearbeitet, dass unsere Treffen nicht an die große Glocke gehängt wurde. Und nun wusste ich nicht, wer noch über uns sprach. Auf der einen Seite freute ich mich ein wenig darüber, dass ich deiner Band nicht egal war und quasi als eine Bettgeschichte von dir abgestempelt wurde, doch auf der anderen Seite wusste ich nicht damit umzugehen. „Puh… Danke Tsukasa“, sagte ich dann aufrichtig und lächelte ein wenig vor mich hin, „Das ist sehr lieb von euch. Ich werde das Angebot nicht vergessen. Aber wie gesagt, macht euch keine Gedanken.“ Und obwohl ich es wirklich so meinte, wusste ich nicht, ob ich den Mut aufbringen könnte, Tsukasa anzurufen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, alleine mit dir fertig zu werden. Ich wollte aus eigener Kraft mit dir zusammen sein oder im schlimmsten Falle mich von dir trennen. Allein der Gedanke daran schnürte mir die Kehle zu. „Gut Sato, ich will dich nicht länger aufhalten.“, sagte Tsukasa hörbar erleichtert. Er war wohl froh darüber, in gewisser Weise reinen Tisch gemacht zu haben. Ich wusste leider noch nicht, ob ich froh war. „Ja, kein Problem. Wir hören voneinander, wenn wir wieder da sind. Bye“, verabschiedete ich mich von Tsukasa und legte auf. Ich ließ die Hand langsam sinken und legte den Kopf in den Nacken. Was sollte ich von diesem Gespräch halten? Bis vor ein paar Tagen hätte ich niemals gedacht, dass ich mit Tsukasa über meine Beziehung zu dir reden würde. Manchmal nahmen die Dinge einen sehr merkwürdigen Lauf. Ich steckte mein Handy in die Hosentasche, strich mir mit beiden Händen über das Gesicht und seufzte leise auf. Es machte einfach keinen Sinn, sich im Moment Gedanken zu machen. Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen geschweige den, dass ich schlau aus ihnen wurde. Vor ein paar Stunden hatte ich mir fest vorgenommen dich und meine Sehnsucht zu dir nicht mit auf Tour zu nehmen. Und daran sollte ich mich halten. Ich atmete tief ein und wieder aus und hüpfte ein paar Mal leicht auf der Stelle herum. An meinem Vorhaben wollte ich nichts ändern. Die Tour war einfach viel zu wichtig für unsere Karriere. Und ich wollte diese Chance ergreifen und genießen. Entschlossen, mich nicht von dir ablenken zu lassen, ging ich zurück zu den Jungs. Du solltest am besten hier blieben. Shuu und Ryo saßen bei Nii, als ich zurück kam und unterhielten sich lautstark über die bevorstehende Tour. Unsere Gedanken kreisten sich schon seit Wochen um nichts anderes und einen weiteren Patzer durfte ich mir in meiner Position nicht erlauben. Ich legte das Handy wieder zurück in meine Tasche und nahm neben Shuu Platz. Er reichte mir eine Dose lauwarmen Kaffee, den er aus dem Automaten gezogen hatte. „Danke.“, sagte ich leicht lächelnd und öffnete die Dose. „Wer hat dich den angerufen?“, fragte Ryo neugierig und nippte an seinem Kaffee. Zwar hatte ich gehofft, dass sie keine Fragen stellen würden, aber ich hatte es bereits geahnt. Alle samt waren die Jungs mehr als nur neugierig und vor allem waren sie es, wenn sie etwas mitbekamen und nicht alles wussten. In dieser Hinsicht waren sie ganz anders als du. Dir schien alles um dich herum nicht im Geringsten zu interessieren. Aber damit tat ich dir unrecht und das wusste ich. Du interessiertest dich sehr wohl für die Dinge, die um dich herum geschahen. Nur wogst du ab, in wie weit du ihnen Beachtung schenktest. Und den meisten Dingen schenktest du eben keine Beachtung. Ich habe mich oft gefragt, was dich wirklich bewegte und interessierte. Vielleicht hätte ich dich das mal fragen sollen. Dann würde ich nicht so darüber nachdenken. „Ach, das war Tsukasa.“, sagte ich dann wahrheitsgemäß, „Er wollte uns eine gute Tour wünschen und sagte, wir sollten nach der Tour mal wieder was trinken gehen.“ Das war die Halbwahrheit. Aber besser, als die wahren Einzelheiten zu erklären. Shuu musterte mich skeptisch und zog die Augenbrauen zusammen. „Aha…“, brummte er nur und zuckte mit den Schultern. „Das ist aber nett von ihm. Die Idee sollten wir auf jeden Fall im Kopf behalten.“, sagte Ryo begeistert und klatschte in die Hände. Für ihn waren diese Treffen von pseudotiefgründigen Gesprächen mit Karyu geprägt, wobei sie schlussendlich doch auf das Ergebnis kamen, dass ihre Gedanken ins Leere liefen. Ich hatte einmal versucht, ihr Gespräch mit zu verfolgen. Nach langen Gedankengängen über die Idee mit einem Leben nach dem Tod, über den Buddhismus und die Frage, welches Model es schaffen sollte international durch zu starten, hatte ich es aufgegeben und mich meinem Bier zugewannt. Das hatte mich wenigstens verstanden und stellte keine hirnrissigen Fragen. Du hattest dich gelegentlich an den Gesprächen bei Tisch beteiligt, doch die meiste Zeit waren deine Gedanken so weit weg wie dein Blick. „ Darüber können wir uns Gedanken machen, wenn wir wieder da sind.“, sagte Shuu bestimmend und schaute auf seine Armbanduhr, „Wir müssen los. Das Boarding geht in 5 Minuten los.“. „Satoshi... Sato... Komm wach auf! Du sabberst mir mein komplettes Shirt voll!“, hörte ich irgendwann im Dämmerschlaf Ryo quengeln. Er rüttelte an meiner Schulter und ich schmatzte leise, „Ich kauf dir ein neues, lass mich pennen...“ Mit diesen Worten drehte ich ihm dann den Rücken zu und kuschelte mich in das kleine Kissen, was schon auf dem Platz lag und deckte mich fester zu. Es war merkwürdig. Aber kaum als ich das Gate verlassen habe und in das Flugzeug gestiegen war, überkam mich eine unglaubliche Müdigkeit. Ich hatte das Gefühl sofort und sogar im Gehen einzuschlafen. Mir fielen die Augen zu und ich nahm die Stimmen um mich herum fast nicht wahr. Alles an meinem Körper und erstaunlicherweise an meinem Geist zog es quasi zum Schlafen hin. Demnach war es auch nicht verwunderlich, dass ich, kaum als ich Platz genommen habe, eingenickt bin. Als das Essen serviert wurde, rüttelte mich Ryo aus meinen Träumen. Ein bisschen Essen schien mir nicht verkehrt und meine Müdigkeit war vertrieben. Mein Blick schweifte aus dem Fenster und ich sah das strahlende Weiß der Wolken und das angenehme Blau des Himmels. Selbst wenn man wusste, dass man von Tonnen an Metall und Kunststoff umgeben war, fühlte man sich im Flugzeug wie ein Vogel. Jedenfalls ging es mir immer so. Ich mochte es, raus zu gucken und sich frei zu fühlen. Wirklich so, als wenn die ganzen Probleme so klein und kümmerlich waren wie die riesigen Städte von hier oben. Aus ganz groß wurde ganz klein, es war alles nur eine Frage der Perspektive. Eigentlich eine Weisheit, die man sich zu Herzen nehmen sollte. Das schwierige daran war nur, die Perspektive zu wechseln. Ryo und Shuu alberten herum, während ich mich zwang, etwas mehr zu essen, als es mein Hunger eigentlich verlangte. „Ich hoffe die Tour wird ein riesen Erfolg!“ Ich blinzelte und blickte hoch in Nii's Gesicht, das mir freundlich entgegen lächelte. Ich lächelte ebenfalls. „Ja, das hoffe ich auch. Aber was soll schon großartig schief gehen? Wir geben unser Bestes und genießen das Kreischen der Fans!“, antwortete Ryo euphorisch und nickte mit dem Kopf, um seine Aussage zu untermauern. „Ohne die kreischende Menge würdest du wohl kaum auf die Bühne gehen oder?“, scherzte Shuu, der sich zu uns stellte um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Auch mir wurde das Sitzen langsam zu anstrengend und mein Nacken schmerzte. Ich hatte in einer sehr ungemütlichen Position geschlafen. Morgen würde es sich extremer rächen. „Doch, aber so macht es mehr Spaß.“, sagte Ryo verteidigend und das war der Moment, an dem ich mich zurücklehnte und die Augen erneut schloss. Diese Unterhaltung war mir zu anstrengend. Ich fühlte mich noch immer vom Schlaf benommen und träge. Es schien die Jungs nicht zu stören und sie ließen mich in Ruhe aus dem Fenster gucken, bis mir die Augen erneut zufielen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)