Lächle für mich von hungrymon ================================================================================ Kapitel 30: Hoffnungsschimmer ----------------------------- Das Schrillen meines Weckers riss mich aus dem Schlaf. Ich tastete brummend nach dem Störenfried. Endlich wieder Stille, als ich den Knopf gefunden hatte. Ich seufzte erleichtert auf und drehte mich auf die Seite. Nur noch zehn Minuten. Verdammt. Ich schlug die Augen auf und rollte mich aus meinem Bett. Das waren wohl etwas mehr als zehn Minuten gewesen. Reumütig schaute ich auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde, bis die Probe startete. Eigentlich hätten es zwei Stunden sein sollen. „Okay, wenn ich das schaffe - falls ich das schaffe, muss Reita mir aber echt einen ausgeben.“, beschloss ich, dann hetzte ich ins Bad. Mit nur acht Minuten Verspätung, aber dafür unterkoffiniert, mit fast leerem Magen - ich war dankbar um die Reste des gestrigen Essens gewesen - und noch feuchten Haaren stürzte ich in den Proberaum. „Geeschafft!“, rief ich triumphierend und erntete dafür nichts als verwirrte Blicke von meinen Bandkollegen. „Was genau hast du geschafft, mein Lieber?“, erkundigte sich Ruki, der es sich auf Reitas Schoß bequem gemacht hatte, vorsichtig. „Ich habe so verdammt verschlafen, sag ich euch. Und nun seht mich an, hier stehe ich!“ Und als würde er meinen Worten noch etwas Nachdruck verleihen wollen, grummelte mein Magen. „Respekt, Aoi, Respekt.“ Reita nickte mir grinsend zu. „Echt wow, wirklich große Leistung.“, stimmte Kai, der neben Reita und Ruki saß, mit einem noch breiterem Grinsen zu. „Wir ja sooo sind stolz auf dich.“, verkündete Ruki und klatschte fröhlich mit den Händen. „Irgendwie fühle ich mich nicht so ganz ernst genommen.“, bekannte ich und warf den dreien böse Blicke zu. Als hätte ich ihren ironischen Unterton auch überhören können. Uruha hatte sich wie immer rausgehalten und uns aus der Ecke, in der er lehnte, schweigend beobachtet. Als mein Magen die Stille laut grummelnd brach, sagt er: „Ruki, du hattest doch noch etwas Bento von gestern im Auto, oder?“ Der Angesprochene nickte eifrig. „Hai! Komm mit Aoi, die kriegst du! Mit leeren Magen kriegst du doch nix zustande!“ Er packte meine Hand und zog mich aus dem Zimmer und durch den Gang hinaus auf den Parkplatz. Dort ließ er mich endlich los und schritt vor mir zu seinem Auto. Ich wartete geduldig, während er den Kofferraum aufmachte und dann eine Kühlbox zu sich herzog. „Das Bento müsste eigentlich noch gut essbar sein. Es wurde die ganze Zeit gekühlt und außerdem ist es eh nur Gemüse.“, meinte er, öffnete das gräuliche Behältnis und reichte mir eine schwarz-weiß gemusterte Bentobox. „Danke, Ruki.“ Ich lächelte dankbar, als ich die Box entgegennahm. „Och gern geschehen. Ich hätte es wohl eh nicht mehr gegessen. Und es wäre schade drum gewesen, nachdem Reita und ich es mit so viel Liebe gemacht habe.“ Es war so viel Freude in Rukis Augen, als er diese Worte aussprach. Ein kleiner Piekser an meinem Herzen. „Es freut mich wirklich, dass ihr beide so glücklich miteinander seid.“ Doch, das meinte ich ehrlich. Doch da änderte sich Rukis Gesichtsausdruck auf einmal und er sah mich bekümmert an. „Bin ich ein schlechter Mensch, Aoi?“ „Wie kommst du denn jetzt darauf?“, wollte ich irritiert wissen. „Na wegen Uru. Er leidet so. Und das nur wegen mir. Ich bin so egoistisch geworden.“ Der Sänger starrte mich verzweifelt an. „Aber ich kann auch nicht mehr anders. Aoi? Bin ich jetzt ein schlechter Mensch, weil ich meine Nächte lieber in Reitas Armen verbringe als an Uruhas Bett?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ruki,“, begann ich, „du vergisst, wer die wahre Ursache von Ruhas Leiden ist. Und außerdem - er selbst will es doch so. Er will dir nicht weiter zur Last fallen. Er will, dass du auch endlich dein eigenes Leben führen kannst.“ Ich machte eine Pause, als ich sah, wie sich Rukis Augen mit Tränen füllten. „Ach Ruki...“ Ich zog den Kleinen sanft in meine Arme. „Ich bin so ein schlechter Freund.“, schniefte er. „Nein, das bist du nicht! Du warst und bist Uruha der beste Freund, den er sich jemals wünschen konnte!“ „Wieso lasse ich ihn dann so leiden?“ Ich spürte, wie mein Shirt sich mit Rukis Tränen voll sog. Vorsichtig strich ich dem Sänger über den Rücken. „Es ist erst knapp über eine Woche her, seit ich erfahren habe, was Ruha so leiden lässt. Aber du bist es nicht, wirklich nicht.“ „Aber bis jetzt war ich immer für ihn da, um das Leid von ihm fern zu halten...“ ‚Er muss doch gewusst haben, dass es nicht immer so weiter gehen konnte. Uruha wurde es jedenfalls vor kurzem klar...’ Das hatte auch ich in den letzten Tagen verstanden. Ruki hatte es zwar geschafft, Ruha vor seinen Schmerzen und den Ängsten zu schützen, aber heilen hatte er ihn nie können. Daraus war nicht nur das Verdrängen aller Gefühle, sondern auch eine starke Abhängigkeit entstanden, die neue Gefahren für Uruha barg. Der Gitarrist musste sich wieder für seine Gefühle öffnen, aber vor allem musste er wieder Selbstständigkeit erlangen. „Dafür sind doch wir alle da. Ruki, du bist nicht allein. Wir alle wollen und werden Ruha helfen.“, versprach ich dem Jüngeren. Da blickte er auf. „Und du glaubst, ihr - wir schaffen das? Ich war bis jetzt ja irgendwie nicht sehr erfolgreich...“ „Natürlich. Wir sind drei mehr, das heißt dreimal mehr Zeit, dreimal mehr Zuneigung, dreimal mehr Worte, dreimal mehr Ideen.“ Meine Worte klangen zuversichtlich und so fühlte ich mich auch in diesem Moment. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es so richtig war. Wir alle mussten Uruha helfen. Und ich würde eine große Rolle dabei spielen, wie es aussah. Und auch, wenn ich nie das zurückbekommen würde, was ich mir all die Jahre und auch jetzt noch insgeheim wünschte, er hatte es einfach verdient. Uruha, der wunderbare, engelsgleiche Uruha hatte es verdient, auch wieder ein richtiges Leben führen zu können. Das wäre der wahre Ausdruck meiner Liebe. All das Bewundern aus der Ferne, die schmachtenden Blicke, die netten oder mehr oder weniger anzüglichen Worte, all das war wertlos gegenüber dem, was ich für ihn tun würde und auch bereits für ihn getan hatte. Ich war bereit, mich für Uruha aufzuopfern, mit meiner letzten Stärke und bis zum finalen Atemzug. Eine völlig andere Art der Liebe, die mich nicht mit Selbstmitleid und Selbsthass füllen würde. Ruki drückte sich fest an mich. „Danke Aoi, vielen Dank. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde.“, nuschelte er gegen meine Brust. Ich wuschelte ihm sanft durch die Haare. „Hoffentlich nicht mit Reita Schluss machen. Das wäre wirklich schrecklich.“ Da guckte der Sänger auf. „Das könnte ich niemals. Ich liebe ihn!“ Ich spürte, wie die Aussicht darauf, diese Worte wohl niemals hören zu werden, ein klein wenig schmerzte. Doch diesen Schmerz hatte ich schnell verdrängt. „Na komm, lass uns reingehen.“, sagte ich. Ruki löste sich von mir und nickte. „Hm!“ Drinnen stopfte ich mir schnellstens das Gemüse in den Rachen, was eigentlich eine wirkliche Verschwendung war, denn es war sehr gut. Mit viel Liebe gemacht eben. Nach der Probe, saßen wir alle noch eine Weile erschöpft im Vorraum. Kai hatte und nur eine zehnminütige Pausegegönnt. Dafür lobte er uns nun ausführlichst. „Also Leute, ich habe wirklich ein saugutes Gefühl. Das wird echt ein super Event. Ich freue mich wirklich schon drauf!“, verkündete er strahlend. „Oh ja, ich mich auch!“, stimmte Ruki zu. „Ich bin soooo stolz, dass wir so ein tolles Team sind! Wir sind echt die Allerbesten.“ Er hatte sich halb über Reitas und Uruhas Schoß ausgebreitet. Ich grinste selig vor mich hin. Auch, wenn die Probe wirklich anstrengend gewesen war, genoss ich das Lob. Und außerdem konnte ich mich Rukis Meinung nur anschließen. Wir waren echt die Allerbesten. Ich fühlte mich so gut wie schon lange nicht mehr. Nach und nach leerte sich das Zimmer, bis nur noch Reita, von dem sich Ruki mit einem Riesenschmatzer verabschiedet hatte, und ich übrig waren. Wir schwiegen eine Weile, bis Reita auf einmal fragte: „Und, weißt du inzwischen eigentlich, wer den Date ist?“ Oh. Wie in Zeitlupe wandte ich mein Gesicht dem Bassisten zu. „Ich hab ja heute dieses Date.“ Er schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Aoi, Aoi. War ja klar, dass du das wieder vergisst. Naja, ich muss jetzt aber auch langsam los. Ich war jetzt zwei Tage nicht daheim und ich weiß außerdem ehrlich gesagt nicht so genau, ob ich meine Fenster alle geschlossen habe und die haben doch einen Sturm angesagt für heute Nachmittag. Also, bis morgen dann. Und erzähl mir, wies lief, ja?“ Dann stand er auf und verließ mit einem Nicken den Raum. „Vergiss nicht, abzusperren!!“, hörte ich ihn noch rufen. Ich saß noch eine Weile auf der Couch und starrte an die Wand. Verdammt, das Date hatte ich tatsächlich vergessen. Ich konnte es ja auch einfach absagen. Oder einfach nicht kommen. Das war ja durchaus eine Möglichkeit. So tun, als hätte ich es vergessen. Was ich ja eigentlich auch hatte. Hm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)