Lächle für mich von hungrymon ================================================================================ Kapitel 28: Yuus Herz soll hüpfen --------------------------------- In meinem Herzen herrschten gleichzeitig Leere und Chaos. Ich kam an meinem Auto an und hatte Mühe, das Schloss an der Autotür ausfindig zu machen, da meine Umwelt mir nur schemenhaft erschien. Als ich endlich aufgeschlossen hatte und die Tür geöffnet hatte, ließ ich mich in das Polster des Sitzes fallen. Mit jedem Herzschlag durchzuckte mich der Schmerz. Und mit ihm kam jedes Mal das Bild von Uruhas ausdruckslosem Gesicht, das sich so in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Ich wollte schreien, so sehr war ich von meinen Gefühlen gepeinigt, doch stattdessen biss ich meine Zähne zusammen und ließ meinen Wagen an. An das Lenkrad gekrallt, als könnte ich mich an diesem festhalten, um nicht in das tiefe Loch der unendlichen Verzweiflung zu fallen, fuhr ich los. Ein andauerndes Rauschen übertönte beinahe die Verkehrsgeräusche, während ich durch die Straßen kurvte. Meine Kiefer und auch meine Hände waren taub, als ich endlich vor dem Mehrfamilienhaus zum Stehen kam. Ich öffnete die Autotür, verließ den Wagen und dachte sogar noch daran, diesen abzuschließen. Dann taumelte ich in Richtung Eingangstür. Ich öffnete sie und betrat den Gang. Mit immer schneller werdenden Schritten näherte ich mich meiner Wohnungstür. Meine Hände waren erstaunlich ruhig, als ich aufsperrte, doch nachdem ich schließlich in meine Wohnung gestolpert war und die Tür hinter mir zugeschlagen hatte, verließ mich auch der letzte Rest Selbstbeherrschung und ich sank auf die Knie. „Wieso, Uruha? Wieso?“, schluchzte ich. Am nächsten Morgen erwachte ich mit Rückenschmerzen. Und nasser Backe. „Ich habe im Schlaf gesabbert? Och nee... Und - ohh Gooott mein Rücken...“, jammerte ich, während ich mich ächzend aufrichtete. „Wie bin ich überhaupt hierher gekommen?“, fragte ich mich und stand auf und stöhnte. Mein Rücken fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit einem Hammer bearbeitet. Da erinnerte ich mich wieder an den gestrigen Tag. Und mich überwältigte der Schmerz beinahe abermals. Doch ich fasste mich wieder. Und ich begrub meine Gefühle. Ein weiteres Mal. „Erst mal duschen...“ Das warme Wasser lief beruhigend an meinem Körper herunter. Ich seifte mich ein und versuchte währenddessen an Banalitäten zu denken. An das anstehende PSC Jubiläum. An die Kostümentwürfe, die Kai uns gestern gezeigt hatte. An - Uruha. Nein! An … Kokosshampoo. An die dreckige Tasse, die auf meinen Couchtisch stand. Uruha... Es klingelte. „Moment!!“, rief ich und spülte mir schnell den Rest Shampoo aus den Haaren. Dann hüpfte ich aus der Dusche und band mir ein Handtuch um. Den ganzen Boden volltropfend ging ich zur Tür. „Ohayou, Sakura.“, begrüßte ich meine Nachbarin gähnend, nachdem ich dir Tür geöffnet hatte. „O-hayou, Yuu. Störe ich? Soll ich später noch mal kommen?“, fragte sie mit einem vorsichtigen Blick auf das Handtuch, dass ich mir nachlässig um meine Hüften gewickelt hatte. Ich spürte, wie ein Wassertropfen langsam an meiner nackten Brust herunterrollte. „Äh. Komm doch inzwischen rein und mach’s dir bequem während ich mich abtrockne und was anzieh’, ja?“, schlug ich lächelnd vor. „Okay.“ Mein Lächeln erwidernd trat Sakura ein und schloss die Tür hinter sich. „Geh inzwischen ins Wohnzimmer. Ich beeil mich auch.“, meinte ich, dann verschwand ich ins Bad. Ich trocknete mich geschwind ab und schlüpfte in eine Jogginghose, die neben dem Wäschepuffer auf dem Boden lag. Nach kurzer Überlegung entschloss ich, das T-Shirt, das ich vorhin über das Waschbecken geworfen hatte, anzuziehen. „Irgendwie war das ganze Aufräumen der letzten Woche völlig umsonst.“, stellte ich deprimiert fest, als ich die Badtür hinter mir schloss und ins Wohnzimmer ging. Sakura sah auf, als ich den Raum betrat. Ich setzte mich neben sie auf die Couch. „Also, was gibt’s?“, wollte ich wissen. „Ich... Ich würde dich b-bitten...“, begann Sakura leise. „Ja?“ „Also - du weißt doch, dass ich ein Kind von Keichi erwarte?“ Ich nickte. „Ja, das weiß ich.“ „Ich wollte dich bitten, sein Pate zu werden, Yuu.“ „S-Sein Pate?“, wiederholte ich. „Ja.“ „Ich - bin überwältigt, Sakura.“ Das war ich wirklich. Doch... „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Wieso ich? Ich war doch wohl der Inbegriff eines Mannes, der eben nicht als Pate für ein Kind Verantwortung übernehmen sollte. Musiker. Musiker in androgynen Kostümen. Musiker in androgynen Kostümen, der durch sein unbedachtes Handeln ausgezeichnet war. Musiker in androgynen Kostümen, der durch sein unbedachtes Handeln ausgezeichnet war und dem Ordnung ein Fremdwort war. Und vor allem, ein Mann, der seit drei Jahren von seinen Gefühlen davonlief. „A-Also du musst es nicht tun, wenn du nicht willst.“ „Das ist es nicht. Ich bezweifle nur, dass ich der Richtige dafür bin.“ „Wieso das? Ich habe zusammen mit dir gelacht und geweint. Du bist der Einzige, auf den ich in jedem Moment zählen konnte und bestimmt auch in Zukunft zählen werden können. Ich kann mit dir über alles reden. Ich würde dir mein Leben anvertrauen, Yuu. Und ich würde dir gerne mein Kind als Teil meines Lebens anvertrauen. Denn ich bin mir sicher, dass auch es mit dir lachen und weinen wird, wie ich, immer auf dich zählen werden kann, wie ich, bei dir immer ein offenes Ohr finden wird, wie ich, und auch sein Leben in deine Hände legen würde, wie ich.“ „S-Sakura.“ Ich war gerührt von ihren Worten. „Also, Yuu? Immer noch am zweifeln oder nimmst du dieses Zeichen meines Vertrauens an?“ „Ich werde es machen. Ich werde der Pate für dein und Togu-sans Kind werden.“ Strahlend sprang Sakura auf und umarmte mich so fest, dass sie mir fast die Luft abdrückte. „Arigatou, Yuu.“, hauchte sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Bittebitte.“, murmelte ich verlegen. Dann löste sie sich wieder von mir. „Darf ich dich noch um etwas Weiteres bitten?“, fragte sie immer noch strahlend. „Klar. Was denn?“ „Ai, Keichi und ich gehen heute in den Zoo. Ich würde dich bitten, uns zu begleiten.“ Wie hätte ich da auch Nein sagen können. Nun saß ich als neben Ai auf der Rückbank von Sakuras Kombi und sah zu, wie die Bäume und Häuser an und vorbeirauschten. Das Radio lief und ich grübelte vor mich hin, den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt, während Ai fröhlich auf ihrem Sitz hin und her wackelte. „Ich freu mich schon auf die Pinguine. Und auf die Tiger. Und auf die Elefanten. Und - Eis!“, trällerte sie und wackelte noch etwas mehr, so dass ihr kurzen schwarzen Zöpfe noch größere Sprünge machten. „Aber Ai-chan, meinst du nicht, dass es für Eis etwas zu kalt ist?“, erklang Sakuras Stimme von vorne. „Nö!“, meinte die Kleine. Dann schaute sie zu mir herüber. „Freust du dich auf gar nichts, Yuu?“ Ich musste wohl ein ganz schön trübes Gesicht gemacht haben, denn meine Gedanken waren - wider Willen natürlich - abgeschweift. Zu meinem Lieblingsthema, versteht sich. ‚Du musst es schaffen, deine Gefühle zu vergessen, sonst wirst du nie wieder glücklich sein können...’ „Natürlich freue ich mich auf etwas, Süße,“, erwiderte ich und versuchte ein vorfreudiges Lächeln. „Und auf was?“ „Na wie du, auf die Pinguine. Und mein Herz würde gewaltige Freudensprünge machen, wenn du mich in das Insektenhaus begleiten würdest.“ Ai verzog angewidert das Gesicht. „Zu dem ekligen Gekrabbel? N-Na gut! Aber ich mach das nur für dich, Yuu.“ Ihre Reaktion entlockte mir nun doch ein echtes Schmunzeln. „Och, du musst ja nicht, wenn du nicht willst.“ „Nein! Ich mach das! Ich mach das, damit Yuus Herz hüpft!“ „Wir sind da.“, verkündete Sakura, während sie den Wagen durch die Einfahrt des Tama Zoos manövrierte. Schnell war ein Parkplatz gefunden und wir stiegen alle aus dem Auto. Ai lief schon mal zum Eingang vor und Sakura, Keichi und ich folgten ihr gemütlichen Ganges. Als ich am Kartenhäuschen nach meinem Geldbeutel kramen wollte, hielt Sakura meinen Arm sanft fest. „Ich lade dich ein.“, meinte sie und lächelte. „Arigatou.“ Ich hatte ohnehin festgestellt, dass ich ihn vor lauter Aufregung daheim liegen hatte lassen. Also wanderten wir durch den Zoo. Blieben hie und da stehen, um die einzelnen Tiere zu bestaunen oder uns auf dem Zooplan zu orientieren. Jeder von Ais Lauten der Begeisterung, die an jedem Gehege erklangen, machte, dass mein Herz etwas leichter wurde. Ich unterhielt mich sogar etwas mit Togu. Er erzählte von seiner Arbeit als Lehrer für Biologie - ich hielt mich mit Ausführungen über die meine etwas zurück. Nichtsdestotrotz, ich merkte, wie mein Misstrauen ihm gegenüber etwas nachließ. Und schließlich standen wir, alle vier genüsslich an einem Eis leckend, vor dem Insektenhaus. „Sicher, dass du da rein willst?“, fragte ich Ai, die skeptisch auf das Plakat mit einer riesigen Spinne und einem Tausendfüßler guckte. Die Kleine antwortete, jedoch ohne dabei den Blick von dem Bild zu nehmen: „Ja. Sicher.“ Wir betraten das große Gebäude. Es war etwas abgedunkelt und die Luft darin war etwas stickig. Ai ging tapfer voran zum ersten Terrarium. Zunächst lugte sie vorsichtig durch die Glasscheibe, doch als sie das Insekt erblickte, eine Gottesanbeterin, quietschte sie los. „Iiiiiehhh!!“ Togu, dessen Gesicht hochrot bei Ais Gekreische angelaufen war, beeilte sich, zu ihr zu eilen und ihr einzureden, wie toll und faszinierend diese Tiere waren, doch er machte alles nur noch schlimmer, als er zu den Jagdtechniken derselben abschweifte. Sakura und ich wechselten einen kurzen Blick und ich sah, wie auch sie sich beherrschen musste, um nicht loszulachen, dann gingen auch wir zu den zwei. „Na komm Ai-chan, wir gehen zu den Schmetterlingen.“, schlug Sakura vor. Für diesen Vorschlag ließ die Kleine sich noch begeistern und dann verließen wir das Insektenhaus aber auch wieder. Danach war erstmal ein Toilettenbesuch angesagt. Togu und ich warteten vor dem kleinen Häuschen. „Ich bin wirklich froh, dass Sie der Pate für unser Kleines sein werden, Shiroyama-san.“, meinte der Mann auf einmal völlig unvermittelt. „Ich - äh - danke?“ „Sakura hat mir erzählt, was Sie alles für sie getan haben.“ „Ach, das war doch gar nichts...“ „Oh doch. M-Meiner Schwester ist beinahe das gleiche passiert. Ich wünschte, ich wäre damals genauso für sie da gewesen, wie du für Sakura...“ „Ach, ich hatte damals sehr viel Freizeit, müssen Sie wissen.“, erklärte ich bescheiden. Die nächste Frage überraschte mir nur noch mehr: „Glauben Sie, ich kann sie glücklich machen?“ „Sakura?“ „Ja. Glauben Sie, ich kann Sakura glücklich machen?“ „Wenn Sie wollen, ganz bestimmt.“, erwiderte ich ohne zu zögern, als das ängstliche und doch gleichzeitig hoffnungsvolle Schimmern in Togus Augen bemerkte. „U-Und was ist mit Ai? Sie hatte doch niemals einen richtigen Vater, ich denke sie hat Sie immer als eine Art Vater gesehen... Was werde ich für sie sein? Wird sie mich akzeptieren?“ „Togu-san. Ich habe gar keine Ahnung von Familie und allem was dazugehört, aber das haben Sie sich sicher schon gedacht. Und noch weniger kann ich sagen, was in Zukunft passieren wird, ich bin ja kein Hellseher. Aber ich weiß, dass Sie mit Sakura und Ai auf zwei der liebenswertesten und wertvollsten Geschöpfe dieser Erde getroffen sind. Und wenn Sie sich das bewusst machen können, denke ich, sind all ihre Sorgen unbegründet.“ Togu kam nicht dazu, mir auf diese Worte zu antworten, denn die Tür schwang auf und Ai kam mit Sakura heraus. „Auf nach Hause!“, rief sie lauthals. Als wir zusammen dann durch den Ausgang des Zoos schritten, spürte ich ein sanftes Zupfen an meiner Jacke. „Tut mir Leid, Yuu, dass wir jetzt nicht so lang bei den Insekten waren.“, sagte Ai schuldbewusst, „Ich hätte dein Herz gerne hüpfen gesehen.“ „Aber Ai-chan, es ist doch gehüpft. Es ist sogar sehr hoch gehüpft.“, beruhigte ich sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)