Lächle für mich von hungrymon ================================================================================ Kapitel 14: Vielgestresster, von Sorgen erfüllter Gitarrist ----------------------------------------------------------- „Aber wehe mein Käferlein ist - “, Isshi unterbrach sich, um einen großen Schluck aus seinem Milchshake zu nehmen, „bis übermorgen nicht wieder in Topzustand.“ „Das ist dann doch nicht meine Sache, sondern die von deiner Werkstatt.“, versuchte ich verzweifelt zu erklären, „Das Geld dafür bekommst du, aber um den Rest musst du dich kümmern.“ Der Sänger schüttelte den Kopf. „Das ist doch nicht fair, dass ich so viel Arbeit hab, nur weil du Träumer einfach so weiterfährst!! Und ich unschuldiger Teilnehmer am Straßenverkehr leide darunter.“ „Tja ist aber leider so. Und eigentlich bist ja du mir reingefahren…“ „Ach halt doch die Klappe! Es ist deine Schuld und basta!“, schimpfte er lauthals und schon wieder waren alle Blicke auf uns gerichtet. Der Kellner, der gerade einen Latte Macchiato zum Nebentisch bringen wollte, blieb stehen und starrte uns entgeistert an. „Schscht, Isshi!“ Ich nickte dem Kellner schnell zu und machte ein - hoffentlich - beruhigendes Gesicht. „Ich bestehe darauf, dass du dich um den ganzen Mist kümmerst!“, quengelte der Brünette. „Isshi, bitte!“ Lautes Schlurfen. Nun war der Milchshake leer und der Sänger immer noch nicht besänftigt. „Ich seh das eben nicht ein! Nur wegen dir und deiner Träumerei sitz ich jetzt hier und muss mir Gedanken machen, wie ich die nächsten Tage von A nach B komm!“ ‚Während du - auf meine Kosten natürlich - einen Milchshake nach dem anderen trinkst.’ Ich sah genervt aus dem Fenster. Mit jedem anderen normalen Menschen wäre diese Angelegenheit innerhalb von höchstens einer halben Stunde geregelt gewesen. Schaden begutachten, Versicherungsdaten austauschen, Ende. Doch so musste ich mir auch noch nach einer Stunde und zwei Milchshakes Beschuldigungen anhören. Als wären meine Gebete erhört worden, klingelte in diesem Moment mein Handy. „Mhh?“, hob ich ab und versuchte, meine Freude über den Anruf zu verbergen. „Aoi? Hast du kurz Zeit?“, hörte ich Reitas Stimme. „Ich hab auch lang Zeit.“ „Auch gut.“ „Also? Wo brennts?“, wollte ich wissen. „Ruki will zelten diese Woche.“ „Zelten? Im Winter?!“ Hatte der Zwerg nun völlig den Verstand verloren? „Ich hab mich dazu überreden lassen, dass wirs in meinem Wintergarten machen.“, gab der Bassist kleinlaut zu. „Ach so.“ Kleiner Teufel. „Ja...“ „Und was braucht ihr noch? Ein Zelt? Verpflegung? Schlafsäcke? Sag jetzt bitte nicht ein tragbares Lagerfeuer und Marshmallows!“ „Neinnein. Ruki hat zwar mit dem Gedanken gespielt, aber Kai hats ihm ausgeredet... - Du hast doch noch das Zweimannzelt oder?“ „Verstaubt in meinem Schrank, ja.“ „Dann weißt du ja, was du morgen mitbringst.“, meinte Reita. „Morgen??“, wiederholte ich. Irgendwie kam es mir so vor, als würde es anderen Spaß machen, mich zu überrumpeln. „Jap. Also bis morgen dann. Wenn du willst, kannst du noch Knabberzeug mitbringen.“ Und schon hatte er wieder aufgelegt. „Na dann viel Spaß morgen.“ Isshi hatte sich zurückgelehnt und spielte mit dem Strohhalm seines Milchshakes. „Ehm, ja, danke.“, stammelte ich. „Ich bin wieder weg. Wenn wir uns nicht noch mal wegen meinem Käferlein sehen, dann bis spätestens 22. Dezember, ja?“ Er schnippte den Strohhalm von seinen Fingern und erhob sich. „Was?“ Ich blickte den Sänger verwirrt an. „Na da ist euer Leader aber früh dran.“ entgegnete der Brünette mit einem schelmischen Grinsen, dann wandte er sich zum gehen und huschte aus dem Café. „Wa - ?“ Nun war ich vollends verwirrt. Ich wollte mein Handy schon ein zweites Mal rauskramen und Kai über den 22. Dezember ausfragen, doch gerade noch rechtzeitig kam die Erinnerung an das seltsame Verhalten des Drummers seit seinem Besuch wieder. Ein leises Räuspern riss mich aus meinen Gedanken. „Wollen Sie noch etwas, oder hätten Sie gerne die Rechung?“, fragte mich eine weibliche Bedienung. „Die Rechnung, bitte.“, bat ich höflich. Sie nickte, verschwand kurz hinter dem Tresen, dann legte sie mir vorsichtig das kleine, weiße Papier auf den Tisch. „1000 Yen…“ Ich drückte ihr das Geld höflich lächelnd in die Hand, dann stand ich auf und verließ das Café. Wieder grübelnd schlug ich den Weg zu meinem Auto ein. „Also, ich muss den Wagen noch zur Werkstatt bringen, mit meiner Versicherung telefonieren, mein Zelt suchen, rausfinden, was es mit dem 22. Dezember auf sich hat, ... - Bis ich daheim bin, hab ich die Hälfte vergessen.“ stellte ich fest. Mit einem Seufzen, das man bestimmt bis in die nächste Straße gehört hätte, stieg ich in meine Schrottkarre, brachte ihn zum Starten und fuhr los. Während der ganzen Fahrt murmelte ich vor mich hin: „ Wagen zur Werkstatt, Versicherung anrufen, Zelt suchen, 22. Dezember.“ Der Wagen ächzte und jammerte unterdessen zu meinem Gemurmel. „Oh mein Lieber, anscheinend hast du doch mehr abbekommen, als ich dachte. Du musst echt zur Werkstatt... Versicherung anrufen, Zelt suchen, 22. Dezember.“ Als ich endlich meine Wohnungstür hinter mir schloss, wiederholte ich es ein letztes Mal: „ Wagen zur Werkstatt, Versicherung anrufen, Zelt suchen, 22. Dezember. Okay! Womit fangen wir an? Das Zelt...“ Also ging ich in mein Schlafzimmer und öffnete meinen Kleiderschrank. „Wo ist es nur, wo ist es nur...“ Ich durchsuchte jedes Fach, guckte unter jeden Kleiderstapel, doch ich fand es nicht. Frustriert schleuderte ich meine Klamotten aus dem Schrank, bis dieser beinahe leer war, doch das dumme Zelt war nirgends zu sehen. „Das kann doch nicht wahr sein. Ich hätte schwören können, dass ich...“ Schließlich gab ich auf und ließ mich mit einem Grummeln in meinen Sessel fallen. „Wagen zur Werkstatt, Versicherung anrufen, Zelt suchen, 22. Dezember.“, fiel mir wieder ein, „Naja, vielleicht kann ich wenigstens meine Werkstatt erreichen.“ Ich griff nach meinem Telefon und wählte die Nummer. Als nach einer Minute immer noch keiner hinging, erinnerte ich mich, dass heute ja Sonntag war. „Okay, also morgen den ganzen Autokram erledigen.“ Ich seufzte. „Aber wo ist jetzt dieses verdammte Zelt?? Und - oh verdammt - wenn ich meinen Wagen morgen abgebe, wie komme ich dann zum Zelten?“ Ich wollte nämlich wirklich nicht mehr als nötig mit dem lädierten Auto fahren, weil ich befürchtete, dass ich dadurch nicht nur für mich und den restlichen Straßenverkehr ein Risiko darstellen würde, sondern dass ich den Armen dann auch gleich zum Schrottplatz bringen müsste. Kurzerhand wählte ich Reitas Nummer. „Hai?“ „Hey Reita. Ich wollte dich fragen, ob du mich morgen mitnehmen kannst. Mein Wagen ist nämlich - eh- nicht mehr so wirklich fahrtüchtig.“, stürzte ich gleich mit der Tür ins Haus. „Ehm Aoi, überleg doch bitte mal kurz, wo das morgen stattfindet, und wer deswegen bestimmt nicht irgendwo hinfährt und dich dann mitnehmen kann.“, prustete der Bassist los. „Oh.“ Verdammt. „Ja genau. Oh, Aoi.“ Reita kriegte sich vor Lachen kaum noch ein. Das hatte ich komplett vergessen. „Aber sag mal, ich bin doch nicht dein einziges Taxi.“, erinnerte mich der Jüngere wieder etwas ernster. „Ja sicher aber - “, ich unterbrach mich. Aber…?? „Aber was? Ruki und Uruha haben ein großes Auto und selbst zusammen mit zwei Zelten hast du auf der Rückbank noch Platz. Kai muss eh fast nichts mitnehmen außer Essen. Und beide müssen keinen so großen Umweg machen, wenn sie dich mitnehmen.“ „Ja, du hast schon Recht.“, stimmte ich widerwillig zu. „Also?“ „Ich werde Ruki anrufen. Tschuldigung, wenn ich dich gestört habe.“ „Aoi? Stimmt irgendwas nicht?“ Irgendetwas musste den Bassisten alarmiert haben, denn er klang auf einmal ziemlich besorgt. „Nein, ist schon alles okay.“, wich ich ihm schnell aus. „Lüg mich nicht an.“ Nun schwieg ich. Nein, ich wollte ihn nicht anlügen. Aber ich konnte diesen Widerwillen nicht einmal mir selbst erklären. „Bitte sag nicht, du hast Angst, dass Ruki oder Uruha sauer auf dich sind.“ Nein, das war es nicht. Ich erinnerte mich zurück an gestern und an Uruhas Dank. Das Glückgefühl, das diese Erinnerung mit sich brachte war jedoch so schnell wieder weg, wie es gekommen war. „Aoi, du musst schon mit mir reden!“ „Ich weiß es ja selbst nicht.“, murmelte ich schließlich. Ein Seufzen. „Pass auf. Ich komm morgen um fünf. Aber sei gefälligst fertig.“, brummte Reita. „Danke.“ Unendliche Erleichterung machte sich in mir breit. „Ist schon okay. Bis morgen dann.“ Wie oft hatte der Bassist mir schon aus der Patsche geholfen? Ich hatte aufgehört, zu zählen. Ich hoffte, ich würde mich irgendwann mal dafür revanchieren können. Doch das Gespräch mit Reita hatte einige unangenehme Gedanken, die ich bis jetzt schon wieder beinahe vergessen hatte, aufsteigen lassen. Kai. Ich hatte mir diesen seltsamen Blick doch nicht nur eingebildet. Was hatte er? Was bedrückte ihn? Ich hatte irgendwie das ungute Gefühl, dass es etwas mit mir zu tun hatte... Und dann natürlich auch noch Uruha. Ich wusste nun, warum er so war, wie er war. Doch was half es mir? Wie konnte ich ihm helfen? Und dann die Frage, die mich am meisten bedrückte: Wie sollte ich es überhaupt irgendwie schaffen, ihm näher zu kommen? Sollte ich die Hoffnung, die in mir aufgekeimt war, nicht doch gleich wieder ersticken? Wäre das nicht das Beste? Ich stand auf und trat an mein Fenster. Gerade huschte eine dunkel gekleidete Gestalt im Dämmerlicht über den Parkplatz. Togu. Oh Sakura. Ich fürchtete die Stunde, an der ich ihr sagen würde, dass auch er kein Stück besser war, als der Idiot, der sie vor fünf Jahren sitzen hat lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)