Unerwünschte Gefühle von Snuggle ================================================================================ Prolog: Die Wette ----------------- hier bin ich mit meiner neuen Story :D Ich hoffe sie gefällt euch wieder so gut wie meine letzte^^ also... ich will jetzt nicht lange um den heißen Brei reden und wünsche euch viel Spaß mit dem Prolog: ------------------------------------------------------------------------------------------ „…Mit dem Abschluss ihres Studiums haben sie einen wichtigen Lebensabschnitt gemeistert, der ihnen den Weg in ihre Zukunft pflastern wird. Ich hoffe, dass sie ihre Erfahrungen, die sie hier sammeln durften und ihr Wissen sinnvoll einsetzen und ein gutes Leben aufbauen werden. Hiermit wünsche ich unseren diesjährigen Absolventen alles Gute.“ Jubelnd standen alle ehemaligen Studenten auf und warfen ihre Mützen in die Luft. Eine dieser Absolventen hieß Maron Kusakabe. Sechs Semester lang hatte sie Psychologie und soziale Arbeit studiert. In ein paar Tagen würde sie aus ihrer Studentenwohnung ausziehen, die sie zusammen mit einer ihrer Freundinnen Sakura bezog. Sie studierte Jura und Medizin und hatte noch einige Semester vor sich. Maron würde sie vermissen. Die 24 Jährige Maron hatte immer wieder gesagt, dass Jura nicht zu ihr passte. Sie war viel zu schrill, laut und auffallend für dieses Fach. Demnächst würde Maron wieder in ihre Geburtsstadt Momokuri ziehen, wo sie 18 Jahre lang gelebt hatte. Für das Studium war sie dann nach Tokio gezogen, wo sie an einer der besten Universitäten Japans angenommen wurde. Doch sie musste zugeben, dass sie all das hier sehr vermissen würde. Vor allem die Freunde, die sie hier kennen gelernt hatte. Jeder von ihnen würde jetzt in eine andere Stadt ziehen um zu arbeiten. „Komm schon Maron! Die Party geht gleich los!“ wurde sie von ihren kreischenden Freundinnen aus ihren Gedanken gerissen. „Ich komme gleich nach.“ Antwortete Maron bevor sie sich umdrehte und noch mal auf die Universität zusteuerte. Es war Samstag und so waren alle Gänge ruhig. Alles was zu hören war, waren Maron’s High-Heels, die sie sich extra für die Party gekauft hatte. Der Boden und die Wände der Universität waren aus rötlichem Marmor. Die Decken dagegen waren kunstvoll gestaltet so wie man es aus mittelalterlichen Kirchen kennt. Ein letztes Mal ging die Absolventin durch die Gänge, die sie drei Jahre lang durchschritten hatte. Jede kleinste Erinnerung kam in ihr hoch. Die ganze Zeit über hatte sie sich gefreut endlich ihr Studium zu beenden und nicht mehr lernen zu müssen. Und jetzt, wo sie endlich hatte was sie wollte wünschte sie sich die Zeit zurückdrehen oder zumindest verlängern zu können. Man konnte es nun mal nicht jedem Recht machen. Man lebt und die Zeit läuft. Mehr ist es eigentlich nicht. „Maron!“ hörte sie auf einmal eine Stimme nach ihr rufen. Als sie sich umdrehte entdeckte sie Fujita, ihren besten Freund. Er studierte Kunst und Schauspiel im zweiten Semester und hatte wie immer ein eng anliegendes Hemd und eine enge Hose an. Die Franzosenkappe, die er auf seinem Kopf trug, war genau wie sein Hemd rosa. Maron hatte schon länger vermutet, dass er homosexuell war. Vor einem Jahr hatte er dann endlich dazu gestanden und gesagt, dass er schwul sei. Maron hatte rein gar nichts dagegen. Sie mochte ihn wie er war. „Ich wollte mich noch mal verabschieden, bevor du wegziehst.“ Sprach er mit seiner Stimme, die einen deutlich femininen Touch hatte. „Echt lieb von dir Fujita“, dabei umarmte sie ihn “, aber ich ziehe erst in zwei Tagen weg und ich wäre sowieso noch mal zu dir gekommen. „Dann wünsche ich dir eben viel Spaß auf der Party später.“ Maron musste kurz kichern. Sie wusste, dass ihr bester Freund nur zu gerne mit auf die Party kommen würde um Männer kennen zu lernen. Da er aber noch Student war und sein Studium erst in einem Jahr abschließen würde, durfte er nicht mitkommen. Aber jetzt waren erstmal Semesterferien und er würde zu seinen Eltern nach Shizuoka fahren. Allerdings blieb er extra ein paar Tage länger, weil er Maron versprochen beim Koffer packen zu helfen. Die 24- Jährige hatte schon begonnen ein bisschen auszumisten. In vier Jahren hatte sich viel angesammelt und es musste noch sortiert werden, was ihr gehörte und was Sakura. Wenn es nach Sakura ging würde Maron gar nicht ausziehen. Das bedeutete nämlich, dass sie eine neue Mitbewohnerin bekam und nicht wusste ob sie sich mit ihr verstehen würde. Sakura war 22 Jahre alt und würde über die Eltern, die in Kyoto lebten, Urlaub in Spanien machen. Ein bisschen neidisch war Maron schon. Ihre Eltern würden zu Hause nicht auf sie warten. Ihre Mutter Korron war berühmte Modendesignerin in Paris und ihr Vater Takumi war Architekt in New York. Korron und Takumi hatten sich scheiden lassen als Maron gerade mal 6 war. Lange hatten sie sich um das Sorgerecht gestritten. Als dann aber feststand, dass Maron vorerst bei ihrem Vater in Momokuri bleiben, ihre Mutter sie aber jederzeit besuchen dürfe, war sie Nebensache gewesen. Ihre Mutter kam nur selten um sie zu besuchen und ihr Vater hatte viel zu tun wegen seiner Arbeit. Mit 16 Jahren war Maron dann ausgezogen, war aber in Momokuri geblieben. Damit war sie dann komplett abgeschrieben und ihr Vater wanderte nach Amerika aus. Ihre Mutter war schon seit der Scheidung in Frankreich gewesen. Maron’s Studiengebühren hatten sich beide Elternteile geteilt. Das war für Maron kein Grund ihnen dankbar zu sein. Das war ja das Mindeste nachdem sie sie so im Stich gelassen hatten. Doch Maron war deswegen nicht mehr traurig. Sie würde jetzt ihr eigenes Leben aufbauen und irgendwann vielleicht sogar ihre eigene Familie gründen. Und sie würde auf jeden Fall eine bessere Mutter sein, als ihre Mutter es gewesen war. Als Maron auf die Party kam war es schon sehr voll. Nach und nach kamen ihr bereits ein paar Personen entgegengestolpert, die wohl etwas zu tief ins Glas geschaut hatten. Überall waren Girlanden aufgehängt. Inmitten der Stehtische war eine große Tanzfläche, über der eine große Diskokugel hing. An eine der weißen Wände wurden mit einem Projektor verschiedene Bilder von den ehemaligen Studenten projiziert. Auch Maron war ein paar Mal mit ihren Freunden, ihrer Clique, mit Fujita oder auch mit dem einen oder anderen Professor gezeigt, mit denen sie sich nach dem Unterricht unterhalten hatte. Manche Studenten hatten öfter versucht die Professoren zu verführen um an bessere Noten zu kommen. Maron fand nicht, dass sie so etwas nötig hatte. Sie hatte noch ein bisschen Zeit ihre Unschuld zu verlieren, sagte sie immer wieder. Die 24- Jährige wollte sich schon auf den Weg machen und ihre Clique zu suchen, als diese schon urplötzlich hinter ihr stand. Die kleine Mädchengruppe bestand aus Ayaka, Hina, Yui, Aoi und Rinako. Ayaka hatte Mathematik und Physik studiert, Hina Philosophie und Musik, Yui Mediendesign und Photographie, Aoi Sport und Schulmedizin und Rinako Naturwissenschaften und BWL. Alle waren wie Maron 24 Jahre alt und alle, bis auf Ayaka und Aoi, würden bald in verschiedene Städte ziehen. Die beiden würden in Tokio bleiben und an der Tokio-High unterrichten. Hina hatte eine Festanstellung in einer kleinen Oper in Beijing, Yui hatte vor eine eigene Werbeagentur in Osaka zu eröffnen und Rinako hatte einen Platz in einem Betrieb in Shima ergattern können. Maron würde jetzt erstmal wieder in ihre Geburtsstadt ziehen und wollte dann weitersehen. Sie hatte während ihres ganzen Studiums von einer eigenen, kleinen Praxis geträumt doch zuerst wollte sie etwas praktische Erfahrung sammeln. Sie hatte sich bei einer Psychologin in Momokuri beworben und wartete schon sehnsüchtig auf die Antwort. Die Party war in vollem Gange überall feierten und tanzten die Leute. Überall roch es nach Alkohol und Schweiß. Es war schon weit nach Mitternacht als Maron mit ihrer Clique die Location verließ. Sie wollten noch in die kleine Bar an der Ecke gehen um in aller Ruhe noch mal auf ihren Abschluss anstoßen zu können. Alle Sechs hatten schon viel Alkohol getrunken, aber ein Glas ging noch. Immerhin war es wahrscheinlich das letzte Mal, dass sie in dieser Gruppe zusammen Spaß haben würden. Sie kicherten noch viel als sie die Bar betraten. Dann setzten sie sich an einen der Tische und bestellten sich noch etwas zu Trinken. Chiaki Nagoya hatte endlich Feierabend. Er war 25 Jahre alt und erfolgreicher Arzt in dem Krankennhaus seines Vaters. Für eine Woche hatte er in einem Krankenhaus in Tokio gearbeitet und würde morgen wieder abreisen. Es war für ihn nichts Neues bis spät in die Nacht arbeiten zu müssen. Aber er gewöhnte sich dran. Da er zurzeit wahrscheinlich eh nicht schlafen könnte, machte er sich auf den Weg zu einer kleinen Bar. In der Nähe war laute Musik zu hören. Er wusste, dass es die Absolventen waren, die ihren Abschluss feierten. Immerhin war er auch mal Student gewesen. Als er die Bar betrat, war nicht viel los. An einem Tisch saßen ein paar kichernde Mädchen, an einem anderen ein paar alte Männer mit ihren Bieren und an der Bar saß nur ein älterer Mann und starrte Löcher in die Luft. Also nichts Besonderes. Seufzend ließ sich Chiaki auf einen Barhocker nieder und bestellte sich etwas zu Trinken. Die Mädchen waren sofort auf den gut aussehenden Mann aufmerksam geworden, der gerade die Bar betreten hatte. Augenblicklich hörten sie auf zu kichern. „Wer von uns spricht ihn an?“ fragte Aoi. „Maron!“ antwortete der Rest wie aus einem Mund. „Was? Wieso ich?“ „Weil du die einzige von uns bist, die noch keinen Sex hatte.“ „Und ich habe auch nicht vor das zu ändern!“ „Oder hast du Angst?“ versuchte Rinako Maron zu ärgern. Sie wusste wie man sie am besten auf die Palme bringen konnte. „Ich habe keine Angst!“ „Und warum gehst du nicht zu ihm?“ Das reichte für Maron. Abrupt stand sie auf und ging entschlossen auf den Mann zu. Er hatte kurze, blaue Haare, trug ein weises Hemd durch das man seinen gut gebauten Oberkörper sehen konnte und dunkle Jeans. Ein paar Schritte hinter ihm blieb sie stehen, richtete noch mal kurz ihr Kleid und ihre langen Haare und ging anschließend in eleganten Schritten auf ihn zu. Als sie direkt neben ihm stand wandte er ihr seinen Kopf zu. Chiaki wollte gerade in Gedanken versinken als er jemanden neben sich wahr nahm. Langsam drehte er seinen Kopf in Richtung der Person. Es war eine junge Frau. Sie hatte lange, braune Haare, die ihr in sanften Locken auf die Schulter fielen. Ihre haselnussbraunen Augen sahen ihn schüchtern an, ihre vollen Lippen waren leicht geöffnet. Langsam ließ er seinen Blick ein wenig nach unten wandern. Sie hatte einen zierlichen Hals, schmale Schultern. Ihre Oberweite war weder zu groß noch zu klein. Perfekt, wie der junge Mann fand. Ihre Beine waren lang, leicht gebräunt und glatt. Die High-Heels, die sie trug machten sie größer, als sie eigentlich war. Doch trotz hoher Absätze war sie noch immer ein ganzes Stück kleiner als er selbst. „Ähm… ka-kann ich mich zu ihnen setzen?“ „Aber natürlich.“ Antwortete er mit einem charmanten Lächeln und deutete auf den Barhocker neben sich. „Ich bin übrigens Maron Kusakabe.“ „Chiaki Nagoya. Freut mich.“ Schon wieder dieses charmante Lächeln. Die beiden redeten noch eine ganze Zeit miteinander und die College Absolventin musste zugeben, dass es gar keine so schlechte Idee gewesen war ihn anzusprechen. Er war nett, höflich, charmant gut aussehend. Und noch dazu war er Arzt, wie sie herausgefunden hatte. Also alles was sich eine Frau wünschte. Ab und zu spielte Maron mit einer ihrer Strähnen. Das hatte sie schon oft in Filmen gesehen und Chiaki schien das wirklich auf sie aufmerksam zu machen. Sie tranken ein alkoholisches Getränk nach dem anderen und beide begannen schon zu lallen. Irgendwann beugten sich Chiaki vor und küsste Maron’s Lippen. Mit vernebelten Sinnen erwiderte diese den Kuss mit voller Leidenschaft. Ein paar Minuten lang ging das so weiter bevor sie gemeinsam die Bar verließen und die Straße entlang torkelten. Circa zehn Minuten lang liefen sie lachend durch die Straßen bevor sie das Hotel erreichten, in dem Chiaki für diese Woche wohnte. Mit ein paar Problemen kamen sie aber noch in seinem Hotelzimmer an, wo sie ihren leidenschaftlichen Kuss fortsetzten. Wild entledigten sie sich ihrer Kleidungsstücke, die achtlos auf dem Boden landeten. Ab und zu mussten sie den Kuss unterbrechen um nach Luft zu schnappen doch keiner dachte daran, sich vollkommen zu lösen. Sie wollten mehr, viel mehr. Vorsichtig legte er Maron auf das Bett und legte sich auf sie. Genießerisch seufzte Maron als er begann ihren Hals zu verwöhnen und schloss ihre Augen. Immer weiter ging er, verwöhnte jeden Teil ihres Körpers. Noch einmal stöhnte Maron und zog Chiaki zu sich nach oben um ihn zu küssen bevor sie sich ihm völlig hingab. ------------------------------------------------------------------------------------------ Und? wie findet ihr's ? ich hoffe es gefällt euch :) eigentlich könnte ich hier schluss machen, happy end, alles super... xD aber so nett bin ich nicht *muhahahahaha* xD ich hoffe auch viele, liebe reviews^^ hab euch lieb eure Snuggle ♥♥♥ Kapitel 1: Endlich zurück! oder Die Wahrheit -------------------------------------------- also mir ist aufgefallen, dass der prolog nicht sooo gut angekommen ist. es ist euch wahrscheinlich etwas zu schnell gegangen. Aber in diesem kapitel werdet ihr erfahren warum ich es so geschrieben habe. Wenn ich etwas schreibe bin ich mir immer bewusst darüber was und wie ich schreibe. und hier ist das nicht anders ;) trotzdem danke für eure reviews :) Ich wünsche euch viel Vergnügen :P ------------------------------------------------------------------------------------ Grummelnd drehte sich Maron um. Ihr Kopf schmerzte tierisch, ihr tat alles weh und sie hatte keine große Lust ihre Augen zu öffnen. Widerwillig schlug sie sie dennoch auf, musste sie anschließend wieder schließen, weil das Licht zu hell war. Murrend zog sie die weiße Bettdecke über ihren Kopf und kuschelte sich wieder an die Person neben ihr. Erschrocken fuhr sie hoch, bereute es aber wieder, weil ihr Kopf nur noch mehr weh tat. Mit großen Augen schaute sie geschockt auf den Mann, der neben ihr lag. Er hatte kurze, blaue Haare. Seine Augen waren geschlossen. die 24- Jährige an sich hinunter sah, musste sie feststellen, dass sie nichts mehr trug. Warum war sie nackt? Vorsichtig hob sie Bettdecke kurz an. Und warum in aller Welt war er auch nackt? Sie hatten doch wohl nicht…? Oder doch? Leise stand sie auf, wickelte die Decke um ihren Körper und machte sich auf die Suche nach ihrer Handtasche. Immer wieder traf sie auf diverse Kleidungsstücke, die entweder von ihr oder diesem Mann stammten. Irgendwie hatte sie einen totalen Filmriss und konnte sich nicht an seinen Namen erinnern. Im Flur fand sie ihre Tasche, aus der sie schnell ihr Handy zog und in das nächst beste Zimmer verschwand. Schnell stellte sie fest, dass sie sich wahrscheinlich im Bad befand. Hektisch wählte sie eine Nummer und wartete bis auf der anderen Seite abgenommen wurde. „Hallo?“ meldete sich eine verschlafene Rinako am anderen Ende der Leitung. „Rinako! Ich bin’s.“ „Maron? Verdammt, wo bist du? Ich hab mir totale Sorgen gemacht als du mit diesem Kerl verschwunden bist.“ „Tut mir leid. Aber ich habe einen totalen Filmriss.“ „Wo bist du?“ „Ganz ehrlich? Ich hab keine Ahnung.“ Kurzes Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung. „Hör zu, sprich mit ihm und dann kommst du sofort wieder nach Hause.“ „Mach ich. Mach’s gut.“ „Pass’ auf dich auf.“ Und damit war das Gespräch beendet. Rasch warf Maron einen Blick in den Spiegel. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Make-up war verschmiert und sie hatte leichte Augenringe. Mit Mühe und Not versuchte sie diese Spuren zu beseitigen, die nur bestätigten, dass sie in der letzten Nacht mit einem wildfremden Mann geschlafen hatte, den sie eigentlich überhaupt nicht kannte. Was wusste sie schon? Sie hatte ja sogar seinen Namen vergessen! Aber eigentlich war sie selbst schuld. Warum hatte sie sich auch auf diese blöde Wette einlassen können, die sie letztendlich ihre Unschuld gekostet hatte? Aber zu ändern war es auch nicht. Leise öffnete die ehemalige Studentin die Badezimmertür und trat hinaus in den Flur. Rasch ließ sie ihr Handy wieder in ihrer Handtasche verschwinden und machte sich wieder auf den Weg in das Schlafzimmer. Doch anders als erwartet traf sie den jungen Mann nicht an. Doch schon im nächsten Moment kam ihr der Geruch von Kaffee entgegen, dem sie folgte. In der kleinen, offenen Küche fand sie Chiaki letztendlich. Er saß an dem kleinen Küchentisch und hatte eine dampfende Tasse Kaffee vor sich stehen. Während er ab und an wieder einen Schluck davon trank massierte er seine Schläfen. Die Augen hatte er währenddessen zugekniffen. Als er Maron erblickte sah er sie mit seinen haselnussbraunen Augen an. Als er ihre zersausten Haare sah und die Bettdecke, mit der sie noch immer bekleidet war. „Guten Morgen.“ sprach er mit rauchiger Stimme. „Guten Morgen.“ Antwortete Maron schüchtern. „Kaffee?“ „Gern.“ Eine ganze Zeit lang herrschte Schweigen zwischen den beiden. Niemand wusste etwas in dieser Situation zu sagen. Sie hatten miteinander geschlafen, so viel stand fest. Aber sie wussten nichts voneinander. Maron war inzwischen wieder Chiaki’s eingefallen aber mehr auch nicht. Sie wusste weder wo er wohnte, noch ob er Familie hatte oder alleine lebte. „Ka-Kann ich deine Dusche benutzen?“ fragte die junge Frau deutlich unsicher. Es war ihr etwas unangenehm ihn das zu fragen aber ungeduscht wollte sie nicht aus dem Haus. „Klar. Wo das Bad ist hast du ja schon raus gefunden.“ Antwortete Chiaki und konnte nicht anders als zu grinsen. Er hatte ihr Telefonat vorhin mitbekommen trotz, dass sie genau das hatte verhindern wollen. Mit roten Wangen machte sich Maron auf in Richtung Bad ohne sich noch mal umzudrehen oder gar ein Wort zu sagen. Eine halbe Stunde später verließ sie den gefliesten Raum frisch geduscht und mit geföhntem Haar, das wieder seidig um ihre Schultern fiel. Sie trug wieder das Kleid von gestern, da sie natürlich nicht Neues in ihrer Tasche hatte. Immerhin war es nicht geplant gewesen, dass sie mit Chiaki nach Hause gehen und dann auch noch mit ihm schlafen würde. Die High-Heels hatte sie noch nicht angezogen. Sie hatten ihre Füße gestern genug gequält. Sie hatte nicht vor sie wieder anzuziehen, lieber ging sie barfuß nach Hause. Im Flur wartete Chiaki bereits auf sie. Locker lehnte er an der weißen Wand und musterte sie von oben bis oben. Sie war wirklich hübsch musste er sagen. Seufzend fuhr sich Maron kurz durch ihre Haare. „Hör zu, das mit der letzten Nacht war eine einmalige Sache und wird nicht mehr vorkommen, okay?“ „Aber natürlich“, man konnte deutlich die Belustigung in seiner Stimme hören “, kann schließlich jedem passieren, dass er mal einfach so mit einer fremden und durchaus attraktiven Person in die Kiste springt.“ Das Grinsen in seinem Gesicht wurde noch breiter als auch Maron über die Antwort des jungen Mannes lachen musste. „Möchtest du frühstücken?“ „Tut mir leid aber ich muss dann auch langsam gehen. Tschüß!“ Gerade als sie die Tür öffnen und gehen wollte wurde sie noch einmal von dem jungen Mann aufgehalten. „Warte, Maron.“ „Was ist denn?“ Erstaunt sah sie Chiaki an als er in schnellen Schritten auf sie zukam und ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen hauchte. „Kann ich dich anrufen, wenn ich wieder zu Hause bin?“ „K-Klar.“ Schnell nahm sie einen Zettel und einen Kuli aus ihrer Tasche und schrieb ihre Handynummer auf. Warum sie ihm ohne zu zögern ihre Nummer gab wusste sie selbst nicht aber sie wusste, dass sie ihn sehr sympathisch und anziehend fand. Mit einem Lächeln gab sie Chiaki den Zettel und verließ anschließend das Hotel. Chiaki lief nervös im Schlafzimmer umher. Seufzend fuhr er sich durch seine kurzen Haare. Er konnte einfach nicht glauben was er getan hatte. Augenblicklich plagte ihn das schlechte Gewissen. Warum hatte er es nicht einfach bei einem One-Night-Stand belassen? Warum musste er sie zum Abschied noch küssen und sie nach ihrer Nummer fragen? Und selbst wenn er sie näher kennen lernen wollte. Eins war klar: Keiner dürfte jemals etwas davon erfahren. Erleichtert fiel Sakura Maron um den Hals, als diese endlich die Wohnungstür öffnete. „Bin ich froh!“ „Schon gut. Mir geht’s gut, kein Grund zur Sorge.“ „Kein Grund zur Sorge? Du warst die ganze Nacht nicht zu Hause und ich hatte keine Ahnung wo du warst!“ sie war mehr als aufgebracht, was man deutlich hören konnte. „Tut mir leid, aber da war dieser Mann in der Bar und wir haben geflirtet, getrunken und…“ „Und was? Sag’ mir jetzt nicht dass ihr… oh mein Gott! Habt ihr?“ „I-Ich glaube schon.“ Gab die Absolventin kleinlaut von sich. „Maron! Du bist noch nie mit einem Mann einfach so in die Kiste gesprungen! Du bist überhaupt noch nie mit einem im Bett gewesen! Da-Das glaub ich jetzt nicht.“ "Was glaubst du nicht?" Hörte man eine Stimme aus dem Wohnzimmer. Maron erkannte sofort, dass es Fujita war. Sie wollte ihn schon begrüßen als Sakura sie davon abhielt. „Maron hat mit einem wildfremden Kerl geschlafen!“ „Was? Und? Wie sah er aus?“ „Fujita!“ riefen Maron und Sakura vorwurfsvoll. „Schon gut.“ Beschwichtigend hob er beide Hände bevor er wieder ins Wohnzimmer verschwand. Kurz fuhr sich Sakura durch die Haare. „Hör zu, ich bin mit Hayato verabredet. Ich bin spätestens in ein paar Stunden zurück. Mach’s gut!“ Damit verließ sie die Wohnung und machte sich auf den Weg zu ihrem Freund. Ohne ihr nachzusehen drehte sich die 24jährige um und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo Fujita auf sie wartete. Gespannt sah der Student sie an. „Lass uns Koffer packen.“ Während sie alles für Maron’s Umzug vorbereiteten verloren sie nicht ein Wort darüber, was Maron in der letzten Nacht getan hatte. Trotz seiner Neugier verstand Fujita, dass sie nicht darüber reden wollte. Immerhin war es ihr erstes Mal gewesen und Maron konnte sich noch nicht mal ganz daran erinnern. Aber dafür war sie relativ gut gelaunt. Oder täuschte sie das nur vor? Circa zwei Stunden später war Sakura mit guter Laune zurück. Das war sie immer, wenn sie sich mit ihrem Freund traf. Die beiden waren schon über ein halbes Jahr zusammen. Kennen gelernt hatten sie sich in der kleinen Bar, in der Maron Chiaki getroffen hatte. In der Zeit hatte Maron viel über die letzte Nacht nachgedacht. Und sie hatte einen Beschluss gefasst. Wenn er sich bei ihr melden würde, wäre sie gerne bereit ihn ein bisschen näher kennen zu lernen. Und wenn nicht, dann würde sie es dabei belassen. Immerhin waren hier keine tiefen Gefühle oder so was im Spiel. Sie hatten sich kennen gelernt und hatten total betrunken eine Nacht miteinander verbracht. Mehr war einfach nicht gewesen. „Maron. Ich hab noch ein paar von deinen CDs bei mir gefunden.“ „Danke, Sakura.“ Es war bereits Abend und Maron’s Zimmer ausgeräumt und ihre Koffer gepackt. Der Flug zurück nach Momokuri würde morgen schon früh morgens abfliegen und so hatten sie bereits am Sonntag alles gepackt und vorbereitet haben. Maron war Fujita und Sakura sehr dankbar für ihre Hilfe. Ohne sie wäre sie noch lange nicht fertig. In den vier Jahren an der Universität hatte sich einiges angesammelt und Maron war es deutlich schwer gefallen sich von dem ganzen Krimskrams zu trennen. Während dem Packen hatten sie einiges ausgegraben, das alte Erinnerungen wieder hochkommen ließ. Bilder, Videos und Ähnliches. Diese Sachen hatte Maron einfach nicht entsorgen können. Kurzerhand hatte sie alles irgendwo anders in der Wohnung verstaut. Fujita, Sakura und Maron saßen zu dritt auf der Couch und tranken Eistee. In der Wohnung war er schwül, wegen dem Sommerwetter, das draußen herrschte und so war Eistee eine angenehme Erfrischung nach dem anstrengenden Zusammenpacken. Sakura würde noch heute Abend von ihren Eltern abgeholt werden damit sie ihren Flug nach Spanien erwischen würden. Sakura freute sich schon riesig auf den Urlaub. Strand, Palmen, Sonnen, Cocktails, heiße Jungs. Hörte sich doch echt verlockend an. Allerdings hieß es auch, dass sie sich noch heute von Maron verabschieden müsste. Die Studentin konnte sich jetzt schon denken, dass es ein tränenreicher Abschied werden würde. Immerhin hatten sie ganze zwei Jahre zusammen gewohnt und, dass diese Zeit jetzt beendet war, daran wollten beide Mädchen nicht denken. Das Klingeln der Haustür riss sie aus ihren Gedanken. Das waren sicher ihre Eltern. Schnell warf sie einen bedauernden Blick zu Maron bevor sie die Haustür öffnete und ihre Eltern stürmisch begrüßte. Seit drei Monaten hatten sie sich nicht gesehen und dementsprechend froh waren sie darüber sich endlich wieder in den Armen liegen zu können. Als sie sich wieder trennten drehte sich Sakura augenblicklich um und schaute Maron traurig an. Ohne zu zögern umarmten sie sich stürmisch bis dann doch die Tränen aus ihren Augen liefen. Es dauerte nicht lange und lautes Schluchzen war zu vernehmen. Sie hatten eine wunderschöne Zeit zusammen verbracht und würden auch weiterhin in Kontakt bleiben. Doch oft sehen würden sie sich trotzdem nicht. Sakura brauchte jeden Yen für ihr Studium und Maron brauchte jetzt erstmal einen Job, bei dem sie genug Geld verdiente um über die Runden zu kommen. Mal eben nach Tokio zu fliegen war nicht drin. Lange brauchten die beiden Frauen um sich voneinander zu trennen. Doch mit Mühe und Not hatten Sakura’s Eltern ihre Tochter doch noch in das Auto bekommen und befanden sich auf dem Weg nach Kyoto. Ungefähr eine Stunde später legten sich Maron und Fujita schlafen. Der Student übernachtete für heute ebenfalls in der kleinen Studentenwohnung um Maron morgen früh zum Flughafen zu begleiten. Mühsam quälte sich Maron von der Couch, auf der sie heute Nacht geschlafen hatte, da ihr Bett bereits abgebaut wurde. In den nächsten Tagen würden auch ihre Möbel per Flugzeug nach Momokuri gebracht werden. Gleich heute Morgen bevor Maron die Wohnung verlassen würde kamen die Möbelpacker und würden die Möbel in einen kleinen LKW packen und zum Flughafen fahren. Mit kleinen Augen begab sie sich ins Bad und duschte, bevor sie sich erstmal in die Küche begab um zu frühstücken. Wie nicht anders zu erwarten war, wartete Fujita bereits gut gelaunt auf sie. Er trug diesmal ein pinkes Hemd und eine graue Stoffhose. Dazu schwarze Lackschuhe und seine gewohnte Franzosenkappe. Maron hatte ihren besten Freund noch nie schlechtgelaunt. Es sei denn ein Date verlief nicht so, wie er es sich gewünscht hätte. Als Mann mit homosexueller Neigung hatte er es nicht sonderlich leicht und deswegen nahm Fujita jede Chance wahr Männer kennen zu lernen. Der Richtig war leider nicht dabei gewesen. Maron tat ihr bester Freund ein bisschen leid aber sie war sich sicher, dass bald jemand für ihn dabei sein würde. Aber mit oder ohne Freund, sie mochte ihn wie er war. Einige Stunden dauerte der Flug nach Momokuri. Maron hatte währenddessen entweder geschlafen, gelesen oder einfach nur aus dem Fenster gestarrt und nachgedacht. Der Abschied von Fujita war ihr noch schwerer gefallen. Doch sie würden sich schreiben und telefonieren. Bei Gelegenheit würden sie sich besuchen aber auch hier gab es das Problem des Geldes. Es war kurz nach elf Uhr als das Flugzeug landete. Lächelnd und doch nervös stieg sie aus. Sie war seit sechs Jahren nicht mehr in ihrer Geburtsstadt gewesen. Mit 18 hatte sie Momokuri den Rücken gekehrt und war nach Tokio gezogen, wo sie zwei Jahre später ihr Studium begonnen hatte. Als Maron in der Innenstadt ankam sah sie sich erst einmal um. Es hatte sich wenig verändert. Es waren ein paar Häuser gebaut oder abgerissen worden oder ein paar Läden waren geschlossen worden aber ansonsten war alles geblieben, wie Maron es in Erinnerung hatte. Das Meer war noch genau so schön wie damals. Als Kind war sie oft am Strand gewesen und hatte der Sonne zugesehen, wie sie langsam am Horizont verschwand und letzte, warme Strahlen in den Himmel warf. Besonders nach der Trennung ihrer Eltern hatte ihr der Sonnenuntergang einen besonderen Trost gegeben. „Maron? Maron Kusakabe?“ Ertönte eine weibliche Stimme hinter ihr? Etwas erschrocken drehte sich die junge Frau um. „Ja?“ „Erkennst du mich nicht? Ich bin’s, Miyako!“ „Miyako? Doch nicht etwa Miyako Todaiji?“ „Doch genau die!“ „Oh, Wow! Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!“ „Seit sechs Jahren um genau zu sein. Wollen wir uns nicht in ein Cafe setzen?“ „Oh, natürlich.“ Lachend hakte sich Maron bei Miyako ein. Die beiden waren früher die besten Freundinnen gewesen. Als Maron aber nach Tokio ging brach der Kontakt leider ab. Warum wusste wohl keiner von beiden. In dem kleinen Cafe angekommen setzen sie sich in eine kleine Sitzecke. Maron stellte ihren Rollkoffer neben sich ab und setzte sich auf die eine Seite des Tisches. „Erzähl’, wie geht’s dir? Was hast du in den letzten Jahren gemacht?“ begann Miyako das Gespräch erneut. „Ich kann mich nicht beschweren. Ich war die letzten Jahre in Tokio gewesen und habe Psychologie und soziale Arbeit studiert und bin erst seit einer Stunde wieder hier. Was hast du so getrieben?“ „Wow, wirklich beeindruckend. Ich bin nach der Schule hier in Momokuri geblieben und bin Polizistin geworden. Und nächstes Jahr werde ich heiraten.“ „Herzlichen Glückwunsch! Und wer ist der Glückliche?“ „Was hältst du davon, wenn ich ihn dir heute Abend vorstelle? Du könntest zu mir nach Hause gekommen und wir machen uns einen netten Abend zu dritt… viert.“ „Oh. Oh nein. Ich… ich habe keinen Freund. Aber ich komme sehr gerne vorbei. Wohnst du immer noch im Orleans?“ „Ja. Seit 24 Jahren.“ „Was für ein Zufall. Ich bin auch gerade dort eingezogen.“ Die beiden Frauen redeten noch eine ganze Weile über Gott und die Welt bevor sie sich gemeinsam zu ihrem Wohnblock machten, wo ab jetzt auch Maron leben würde. Nachdem sich Maron ihre neue Wohnung angesehen hatte packte Maron ihre Sachen aus, die sie vorerst in einem kleinen Regal unterbrachte, das sich bereits an der Wand befand. Schnell zog sie sich frische Sachen an und schon war es Zeit zu Miyako zu gehen. Kurz richtete sich die Absolventin die Klamotten, bevor sie an Miyako’s Tür. Als sich die Tür öffnete dachte Maron sie würde der Schlag treffen. Vor ihr stand Chiaki! Geschockt starrte er die junge Frau an. Er wollte gerade etwas sagen als er von Miyako unterbrochen wurde, die sich neben ihn in den Türrahmen stellte. „Maron! Schön, dass du da bist! Darf ich dir meinen Verlobten vorstellen: Das ist Chiaki Nagoya!“ ------------------------------------------------------------------------------------------ Ich hoffe das kapitel hat euch besser gefallen :D ich war zuerst mit dem Anfang nicht zufrieden und habe ihn grundlegend verändert :P ich hoffe ihr seid zufrieden mit meiner Arbeit :P bitte lasst mir reviews da ;) hab euch lieb ♥eure Snuggle♥ Kapitel 2: Kampfansage ---------------------- Hallöle^^ da bin ich wieder. es hat ein bisschen länger geaduert, aber erst ging es mir nicht gut, dann hab ich zielich stress mit schule, und so.^^ ich hoffe ihr versteht das :) sooo... meine story kommt langsam ins rollen *muhahahaha* und ich hab richtig gute laune, wenn ich an dieser story schreibe xDDD jetzt wird es fürs erste giftig ;) danke für eure favos und reviews^^ freue mich immer riesig drüber :D Dann wünsche ich euch viel Vergnügen: ----------------------------------------------------------------------------------------- Einige Momente lang brodelte es in Maron’s Kopf. Miyako’s Verlobter! Sie hatte mit dem Verlobten ihrer besten Freundin geschlafen! Ob er es Miyako erzählt hatte? Nein, unmöglich! Sonst wäre sie nicht so gut gelaunt und hätte sie nicht eingeladen. Ruckartig streckte die 24jährige ihm ihre Hand hin. „Hi.“ Ihre Stimme war emotionslos, zeigte keine Gefühle oder derartiges. Es war wohl das Beste Miyako nicht zu erzählen, was passiert ist und gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Schnell zwang sie sich noch zu einem schiefen Lächeln, während in ihrem Kopf die Mordvisionen begannen eine Party zu feiern. Sie war so unglaublich wütend! Am liebsten hätte sie diesem Kerl den Hals umgedreht! Wie hatte er ihr nur verschweigen können, dass er verlobt ist? So was vergisst man doch nicht eben so! Wie lange betrog er sie wohl schon? Hatte er mit mehr Frauen geschlafen als mit ihr? Mein Gott! Miyako war prinzipiell ihre beste Freundin, aber sie würde ihm noch richtig die Meinung geigen! Wenn sie mit ihm fertig war, dann würde er seine Knochen einzeln aufsammeln können! Als Chiaki die Tür seines Appartements öffnete, das er zusammen mit seiner Verlobten Miyako bewohnte, war er im ersten Moment total geschockt. Was machte diese Frau hier? Wie hieß sie doch gleich? Maron? Mit großen Augen sah er die junge Frau an, mit der er vor zwei Tagen eine Nacht verbracht hatte. Heute Morgen hatte er noch einmal über diese kleine Affäre nachgedacht und beschlossen, dass er es vielleicht doch bei einem One-Night-Stand belassen sollte und jetzt stand sie vor seiner Wohnungstür! Es wäre Miyako gegenüber nicht fair gewesen. Immerhin liebte er sie. Aber seit das vor zwei Jahren passiert war, hatte sie sich sehr zurückgezogen vor ihm. Kein Wunder, dass er sie ab und an mal betrog. Aber was sollte er machen? Er war auch nur ein Mann mit Bedürfnissen! Jetzt gab es aber ein anderes Problem. Und das stand direkt vor ihm. Er wollte sie gerade fragen, was sie hier wolle, als sich seine Verlobte lächelnd neben ihn in den Türrahmen stellte. „Maron! Schön, dass du da bist! Darf ich dir meinen Verlobten vorstellen: Das ist Chiaki Nagoya!“ Der junge Arzt konnte genau sehen, wie es in Maron’s Kopf arbeitete nachdem Miyako ihn vorgestellt hatte. Er wunderte sich, dass noch keine Flammen aus ihren Ohren kamen und ihr Kopf nicht hochrot anlief. Vielleicht hätte er ihr doch erzählen sollen, dass er verlobt ist. Sie war sauer, so viel war klar. Aber warum? Sie hatten einmal miteinander geschlafen. Na und? Was stellte sie sich so an? Sie hatten ja keine Gefühle füreinander! Es war nichts mehr als ein netter Abend in der Bar, bei dem sie unter Alkohol im Bett gelandet sind, oder? Miyako würde er davon aber nichts erzählen. Dann wäre die Kacke nämlich kräftig am Dampfen. Nein. Wohl eher schon am explodieren. Eher würde die Hölle zufrieren. Von seinen anderen Affären hatte er ihr auch nichts erzählt und sie hatte weder etwas vermutet noch hatte sie ihm in irgendeiner Weise misstraut. Und was Maron anging: Sie würde ihm sicherlich die Hölle noch heiß machen! Und das war eine Tatsache. Etwas verwundert war er aber, als sie ihm ihre Hand entgegenstreckte und ihn mit einem emotionslosen „Hi“ begrüßte. Das hätte er nicht erwartet. Oder war es vielleicht weil Miyako nicht da war? Wahrscheinlich. Es wäre wohl das Beste mit Maron nicht alleine zu sein. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken schüttelte er kurz Maron’s Hand und ließ sie sofort wieder los. Das würde noch viel Ärger geben… Der Abend verlief verhältnismäßig ruhig. Maron und Miyako verstanden sich blendend und lachten viel miteinander. Es war, wie in alten Zeiten, als sie sich noch jeden Tag sahen und einfach unzertrennlich waren. Die ehemalige Studentin hatte in den letzten Jahren viel über die Zeit mit Miyako nachgedacht. Es war für sie einfach nur schrecklich gewesen, als der Kontakt abbrach. Vor Allem wäre das mit Chiaki nicht passiert, wenn sie noch weiter telefoniert und Briefe geschrieben hätten. Miyako hatte schon früher alles an die große Glocke gehängt und hätte sicher nicht verschwiegen, dass sie verlobt ist. Doch bei jedem Lachen und jeder Erinnerung, an die sich die beiden Mädchen erinnerten, plagte die Brünette das schlechte Gewissen. Es erschien ihr in irgendeiner Weise nicht fair so zu tun als wäre nie etwas passiert. Konnte sie jetzt einfach so mit Miyako lachen und Spaß haben, obwohl sie mit deren Verlobten geschlafen hatte? Aber es ihr zu erzählen kam nicht in Frage. Ich meine, wie sollte sie das anstellen? Sich einfach hinstellen und fröhlich plappern „Hey Miyako, ich habe mit deinem Verlobten geschlafen als ich betrunken war“? Niemals. Der Kerl würde schon noch sein Fett wegkriegen. Dafür würde Maron sorgen, das schwor sie sich. Chiaki hielt sich an diesem Abend sehr zurück. Es war für ihn eine mehr als komische Situation mit seiner Verlobten und seiner Affäre an einem Tisch zu sitzen. Und zu allem Überfluss verstanden sich die beiden auch noch! Am liebsten wäre er jetzt verschwunden mit der Ausrede er sei müde, aber er hatte Angst, dass Maron Miyako doch noch die Wahrheit erzählen würde. Er hatte ja keine Ahnung, was für ein Mensch sie war. Im Grund genommen kannte er sie ja kaum. Naja, auf der anderen Seite kannte er sie besser als manch anderer. Mit einem Kopfschütteln verwarf er diesen Gedanken wieder. Er hatte im Moment echt andere Probleme. Schon stundenlang saß er da und hörte den beiden Frauen geistesabwesend zu. Immer wieder legte er einen Arm um Miyako, tat aber weiter nichts. Irgendwann riss ihn die Stimme der Polizistin aus seinen Gedanken. „Ist irgendwas, Schatz? Du bist so still.“ „Hm? Oh, ich bin nur ein bisschen müde.“ „Es ist auch schon reichlich spät.“, mischte sich jetzt auch Maron in das Gespräch ein “, ich glaube ich werde auch gehen. Macht’s gut.“ Mit einer Umarmung verabschiedete sie sich von ihrer besten Freundin, warf Chiaki noch schnell und unbemerkt einen bösen Blick zu und verschwand dann in ihrer neuen Wohnung, wo sie sich schnell bettfertig machte und sich anschließend auf die Matratze auf dem Boden legte. In den nächsten Tagen würden ihre Möbel ankommen, so lange musste sie eben mit Notlösungen auskommen. Noch bis lange nach Mitternacht lag sie im Bett und dachte nach. Augenblicklich kam die Wut wieder in ihr hoch. Sie war viel zu aufgewühlt um jetzt schlafen zu können. Eine gefühlte Ewigkeit lag sie noch im Bett bevor sie es irgendwann doch schaffte einzuschlafen. Während Miyako noch schnell den Tisch abräumte hatte sich Chiaki schon bereits umgezogen um ins Bett zu gehen. Miyako griff gerade nach etwas auf dem Tisch als sie von zwei Armen von hinten umschlungen wurde. Sanft verteilte er ein paar Küsse in ihrem Nacken, was die junge Frau erschaudern ließ. Aber sie hatte irgendwie keine Lust darauf. „Nicht, Chiaki. Ich bin nicht in der Stimmung dafür.“ Etwas enttäuscht ließ er von ihr ab. „Du bist nie in der Stimmung dafür! Ich kann’s nicht mehr hören! ‚Nicht in der Stimmung, nicht in der Stimmung,…“ Man konnte deutlich hören wie sehr ihn das reizte. „Wenn man sich liebt geht es nicht einzig und allein um Sex.“ „Dann sag mir mal, wann wie zuletzt welchen hatten.“ Etwas überrumpelt wandte sich Miyako ab und brachte die schmutzigen Teller in die Küche um sie gleich in die Spülmaschine zu stellen. Sie spürte wie in ihr die Tränen hochkamen. Er hatte Recht. Aber seit das vor zwei Jahren passiert ist hatte sie keine Lust. Noch immer schweigend machte sie sich im Bad fertig und legte sich daraufhin in das große Bett. Kurz darauf kam auch Chiaki und legte sich zu ihr. „Es tut mir leid.“ Wisperte er. „Schon gut. Es tut nur weh, dass du… mich so wenig zu verstehen scheinst.“ „Das ist es nicht. Aber ich finde wir sollten die Vergangenheit hinter uns lassen. Wir haben lange genug deswegen getrauert. Lass es endlich ruhen und lebe dein… nein, unser Leben.“ „Ich werde es versuchen.“ „Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Chiaki.“ Während Miyako bereits im Land der Träume verweilte, lag Chiaki wach und dachte nach. Ihre Beziehung lief seit zwei Jahren weiß Gott nicht mehr so gut, wie es nach außen hin immer scheint. Miyako hatte sich total verschlossen und ließ ihn weder an sich, noch an ihren Körper ran. Immer wieder beschloss sie wichtige Angelegenheiten ohne ihn, schloss ihn aus. Schon öfter hatte der junge Mann über seine Gefühle für sie nachgedacht. Leider Gottes hatte er feststellen müssen, dass sie schon lange nicht mehr so stark sind, wie sie einmal waren. Er liebte sie, ja. Aber reichten diese Gefühle wirklich aus? Er hatte schon mehrere Affären gehabt, weil sie sich zurückgezogen hatte. Doch sein schlechtes Gewissen plagte ihn weniger als gedacht. Mittlerweile war es schon so weit gekommen, dass er viele Frauen deutlich attraktiver fand als seine Verlobte. Am Anfang ihrer Beziehung war sie für ihn noch das schönste Mädchen der Welt gewesen, doch jetzt? Es gab deutlich hübschere Frauen. Zum Beispiel Maron. Lange, schlanke Beine, die gleichmäßig zarte Haut, ihre langen, braunen Haare… Sie hatte ihm gegeben, was ihm seine Verlobte nicht gab oder besser nicht geben wollte. Wenn er mit ihr an seiner Seite durch die Straßen laufen würde, würden alle Menschen meinen, er wäre mit einem Model zusammen. Miyako würde da eher als hässliches Entlein erscheinen. Teilweise war es regelrecht peinlich mit ihr einkaufen zu gehen. Wenn sie nichts fand, dann wurde sauer. Und er meinte nicht nur sauer, nein, sie wurde zu einem Tier mit Tollwut. Sie fing an zu weinen, schrie ihn und teilweise fremde Passanten an… Mit einem Kopfschütteln versuchte er jeglichen Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben um endlich schlafen zu können. Eine Zeit lang lag er noch da bevor ihn die Müdigkeit übermannte. Am nächsten Morgen sah alles schon ganz anders aus. Maron lief fröhlich summend durch ihre Wohnung, Chiaki hatte wieder ganz andere Weltansichten und Miyako war auf der Arbeit. Sie ist mit einem wichtigen Auftrag betreut worden und verbrachte jede freie Minute damit. Chiaki musste erst am Mittag arbeiten. Als er einen Blick auf die Uhr warf, bemerkte er, dass er sich langsam fertig machen musste. Zehn Minuten später verließ er die Wohnung, schloss die Tür hinter sich ab und stieg in den Fahrstuhl. Wenn er aber gewusst hätte, wen er dort treffen würde, hätte er die Treppen genommen… Hungrig öffnete Maron ihren kleinen Notkühlschrank, der fürs Erste hinhalten musste, bis ihre Möbel kamen. Enttäuscht musste sie feststellen, dass darin gähnende Leere herrschte. Sie hatte eigentlich gestern einkaufen wollen, hatte aber über Miyako’s Einladung alles vergessen. Seufzend schnappte sie sich ihren Geldbeutel und ihren Schlüssel und verschwand durch die Wohnungstür in Richtung Aufzug. Ein paar Sekunden später stieg eine weitere Person ein. Und Maron war nicht wirklich froh darüber diese Person zu sehen. Ein paar Sekunden brauchte der junge Mann um zu registrieren, dass er sich mit Maron in einem Aufzug befand. Er wollte sich gerade umdrehen und wieder aussteigen als sich die Fahrstuhltüren bereits schlossen. Schwer seufzend lehnte er sich an eine der Metallwände um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die junge Frau zu bringen. Einen Moment lang schwiegen beide, bevor Maron das Wort ergriff. „Verlobt, hm?“ Chiaki konnte deutlich den Unterton hören. „Scheint so.“ erwiderte er gefühlskalt. „Und das hättest du mir nicht sagen könne, so nebenbei?“ „Muss mir wohl für einen Augenblick entfallen sein.“ „Okay, versuchen wir es anders. Wenn ich jemals mitbekommen sollte, dass du meine beste Freundin noch mal betrügst, bringe ich nicht nur dich um, sondern auch die kleine Schlampe, mit der du’s treibst, verstanden?“ „Tja, dann wünsche ich dir viel Spaß beim Selbstmord.“ Antwortete er grinsend mit einem bestimmten Unterton in der Stimme. Wütend stach Maron mit ihrem Zeigefinger auf seine Brust. „Jetzt werde ich dir mal eine Ansage machen, Freundchen: Die Samthandschuhe werden ab heute ausgezogen.“ Maron war wütend. Am liebsten hätte sie ihn augenblicklich in der Luft zerfetzt. Chiaki konnte die ganze Zeit über nur Grinsen. Maron so in Rage zu sehen war irgendwie… amüsant. Leicht beugte er sich vor, bis er mit seinem Mund direkt neben ihrem Ohr war. So nah, dass sie seinen heißen Atem spüren konnte. „Gleichfalls.“ Wisperte er. Empört stieß Maron ihn von sich, verpasste ihm eine schallende Ohrfeige und verließ so schnell wie möglich den Aufzug, der sich gerade geöffnet hatte. Zurück ließ sie einen schelmisch grinsenden Chiaki, der sich seine schmerzende Wange rieb. Das würde noch spannend werden… ----------------------------------------------------------------------------------------- Mit der Szene im Fahrstuhl hatte ich besonders viel Spaß xD Ich hoffe es hat euch gefallen :) wäre echt supernett, wenn ihr mir wieder reviews da lassen würdet^^ hab euch gaaaaaaaanz dolle lieb, eure ♥Snuggle♥ Kapitel 3: Kampf der Geschlechter --------------------------------- Zwei Tage waren seitdem vergangen und Maron und Chiaki sammelten schon viele Ideen, wie sie dem jeweils anderem das Leben zur Hölle machen könnten. Größtenteils war Erpressung mit im Spiel. Maron drohte Chiaki Miyako alles zu erzählen, wenn er nicht das tat, was sie wollte um ihn zu demütigen und Chiaki würde Miyako davon erzählen, dass Maron ein totales Flittchen wäre und vor Kurzem erst einen One-Night-Stand hatte. Gelogen wäre es ja nicht, sie musste nur nicht wissen, mit wem sie da geschlafen hatte. Zurzeit gingen sich die beiden aber noch aus dem Weg, bis sie genügend erniedrigende Einfälle hatten. Maron kam gerade voll bepackt vom Einkaufen als sie Chiaki im Foyer stehen sah, der gerade die Post aus seinem Briefkasten holte. Ein schmieriges Grinsen zierte ihr Gesicht, als sie eine Möglichkeit sah, einen ihrer Pläne in die Tat umzusetzen. Kurz atmete sie grinsend durch, bevor sie sich vor die gläserne Tür stellte, die sich kurz darauf automatisch öffnete. Selbst als sie eintrat, bemerkte Chiaki sie nicht, da er darin vertieft war, auf den Briefumschlägen zu lesen, ob der jeweilige Brief für ihn oder Miyako bestimmt war. In langsamen Schritten bewegte sich Maron auf den jungen Mann zuging, um ein paar Schritte hinter ihm stehen zu bleiben. Etwas zu laut begann sie mit einem deutlich provozierenden Unterton zu sprechen. „Oh, Mann. Die Einkäufe sind aber auch schwer.“ Ruckartig schoss Chiakis in die Höhe, als er von Marons Stimme aus seinen Gedanken gerissen wurde. Zähneknirschend drehte er sich zu der jungen Frau um. Er wusste genau, was sie jetzt vor hatte. „Was willst du?“ „Ich fände es nur nett, wenn mir ein netter junger Mann die Tüten abnehmen und in meine Wohnung bringen würde.“ „Und warum sollte er das tun?“ „Es wäre sicherlich nicht sehr schön, wenn seine Verlobte erfahren würde, dass ihr Verlobter untreu ist.“ Vor Wut kochend nahm Chiaki die Tüten aus den Armen der jungen Frau. Er wollte gerade auf den Knopf des Fahrstuhls drücken als sich Maron davor stellte und auf die Treppen deutete. „Ich glaube der Aufzug ist gerade außer Betrieb. Und etwas Sport kann uns doch nicht schaden, nicht wahr?“ Mehrmals begann sie damit verführerisch zu zwinkern, ihre Lippen zierte dabei ein schiefes Grinsen. Widerwillig stieg Chiaki die erste Treppe nach oben. Im Moment war sie ihm vielleicht überlegen, aber er würde ihr alles, was sie ihm antat, doppelt und dreifach zurückgegeben, das schwor er sich! Seine bisherigen Pläne waren etwas zu harmlos, musste er sich jetzt eingestehen. Entweder brauchte er mehr davon oder sie müssten demütigender werden, doch für den Moment wusste er schon ganz genau, was er ihr antun würde und das am Besten noch heute. Es würde zwar nicht ganz so heftig werden, aber für den Anfang ausreichend. Doch im Moment hatte er andere Sorgen. Nämlich wie man fünf volle Einkaufstüten per Treppen in den siebten Stock transportierte, während die Besitzerin der Einkäufe fröhlich pfeifend hinter einem herlief und die ganze Zeit nur doof vor sich hin grinste. Sie machte ihn noch wahnsinnig! Quälend langsam zogen sich die vielen Treppen hin, die er mühsam erklomm und dabei noch das Gleichgewicht halten musste, weil die Tüten einfach zu schwer waren. Bereits im vierten Stockwerk begann er, heftig zu schnaufen. Er war zwar sportlich und trainiert, doch diese Treppen verlangten ihm schon einiges ab. Vor der Haustür der –für ihn wahninnigen- Frau angekommen, wartete er schon ungeduldig darauf, dass sie endlich öffnen und er alles abstellen konnte. Seine Arme schmerzten tierisch von der schweren Last. Wie konnte eine einzige, allein lebende Frau nur so viel Essen kaufen? Was wollte sie mit dem ganzen Zeug? Sich alles für ihren Winterschlaf reinwürgen? Oder alles in ihrer Wohnung bunkern, um sich vorsichtshalber auf eine Naturkatastrophe vorzubereiten, die irgendwann in ungeraumer Zeit stattfinden würde? Noch immer stand er ungeduldig vor ihrer Tür, doch von Maron war weit und breit nichts mehr zu sehen. Im vierten Stockwerk angekommen, hatte das Pfeifen auf einmal aufgehört und er hatte besseres zu tun gehabt, als sich darum zu kümmern, wo sie blieb oder was sie machte. Auf einmal wurde er von einem Klingeln aus den Gedanken gerissen, nach dem sich gleich die Fahrstuhltüren öffneten und Maron ausstieg. Chiaki konnte es nicht glauben. Dieses kleine Miststück hatte doch tatsächlich den Aufzug genommen und ihn die Treppen nehmen lassen! Doch statt die Tür sofort zu öffnen, um ihn zu erlösen blickte sie noch gemächlich auf ihre Uhr, bevor sie in langsamen Schritten auf ihn zukam, zu langsam für Chiakis Geschmack. „Lass dir ruhig Zeit. Ist ja nicht so, dass dein verdammtes Zeug schwer ist.“ Sprach der junge Mann sarkastisch. „Werde ich, keine Sorge.“ Antwortete die junge Frau belustigt. Sie liebte es, ihn quälen zu können. Geduldig wühlte sie in ihrer Handtasche herum um ihren Schlüssel zu suchen, den sie eigentlich bereits gefunden hatte. Um alles noch ein bisschen in die Länge zu ziehen ließ sie ihre Hand noch ein wenig darum kreisen, bevor sie ihn endgültig herauszog. Absichtlich ungeschickt tat sie so, als könnte sie das Schlüsselloch einfach nicht finden, das Knurren von Chiaki einfach ignorierend. Fast eine Minute lang spielte sie dieses Spiel noch, bevor selbst sie fand, dass es genug war. Erleichtert seufzte Chiaki auf, als sie sich endlich erbarmte und die Wohnungstür öffnete. Eilig eilte er auf die offene Küche zu und stellte die Tüten ab. Die Möbel waren mittlerweile angekommen. Mit einem Ausruf der Freude schüttelte er seine muskulösen Arme aus, bevor er Maron böse anfunkelte, die gerade gemütlich in die Wohnung schlenderte. Kaum war sie in der Wohnung, ging Chiaki mit großen Schritten auf den Ausgang zu. Neben ihr blieb er noch einmal stehen, um ihr noch etwas ins Ohr zu zischen. „Das zahl ich dir heim, Miststück.“ Den restlichen Nachmittag hatte Maron auf der Couch mit einem Glas Eistee verbracht und dabei fern gesehen. Sie hatte immer noch keine Antwort auf ihre Bewerbung erhalten und somit auch nichts Besseres zu tun. Doch ihr konnte es im Moment recht sein. Dann konnte sie sich mehr auf Chiaki konzentrieren. Seufzend schaltete sie den Fernseher mithilfe der Fernbedienung aus, stand auf, streckte sich ausgiebig und ging schlurfend in den Flur. Sie hatte kurzerhand beschlossen einen kleinen Spaziergang zu machen, um mal ein wenig auszuspannen und sich von Allem ablenken zu lassen. Schnell band sie sich noch ein leichtes Jäckchen um die Hüfte bevor sie die Tür öffnete. Doch auf das, was sie vor ihrer Wohnung erwartete, war sie nicht vorbereitet gewesen. Auf dem Boden stand ein großer Karton voll mit Männerschuhen, die nur so standen vor Dreck. Die eigentlich schwarzen Schuhe waren schlammfarben, die braunen Schuhe waren noch dreckiger und von den weißen Schuhen wollte sie gar nicht erst anfangen. Die junge Frau wollte sich gerade lauthals darüber aufregen, was das hier sollte, als sich Chiakis Wohnungstür öffnete und er heraustrat. „Hallo, Maron. Die Schuhe hier, “ dabei deutete er mit dem Zeigefinger auf den Karton und grinste sie verführerisch und gleichzeitig provokativ an „müssten dringend mal gesäubert werden, wie du siehst. Es wäre sehr nett, wenn du das übernehmen würdest. Ich bin nun mal ein viel beschäftigter Mann, wie du siehst.“ Kurz zwinkerte er ihr zu und wollte gerade wieder seine Wohnung betreten, als… „Nenne mir einen Grund, warum ich das so einfach machen würde.“ „Naja, ich glaube Miyako würde nicht mehr viel mit dir zu tun haben wollen, wenn sie ein paar kleine schmutzige Details über dich erfahren würde. Wer möchte schon mit einem kleinen Flittchen befreundet sein, das mit den Männern von anderen Frauen schläft?“ „Da hast du nur eine Kleinigkeit vergessen: Wenn du ihr davon erzählst, hast du dich selbst verraten.“ „Sie muss ja nicht wissen, mit wem du geschlafen hast. Und wenn du mich damit erpressen willst, dass du ihr alles erzählst, dann denke immer dran, dass du dich selbst outest.“ Gereizt knurrte Maron, bevor sie den Karton sauer hochriss, in ihrer Wohnung verschwand und einen zufrieden grinsenden Chiaki zurückließ. Seit geschlagenen zehn Minuten versuchte die junge Frau schon, den Schmutz aus den Schuhen zu bekommen. Zuerst hatte sie sie einfach in die Badewanne geknallt, den Hahn aufgedreht und das Wasser laufen lassen. Doch dieser Schmutz schien sich in das Material eingefressen haben. Maron kochte vor Wut, als sie mit hochrotem Kopf begann die Schuhe zu schrubben. Wie konnte ihr dieser Mistkerl das nur antun? Das war doch Erpressung! Aber das Schlimmste war: Der Kerl hatte auch noch Recht! Miyako würde doch nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen, wenn sie fälschlicherweise erfahren würde, wie sie geworden war. Schon früher, als sie noch so eng befreundet gewesen waren, hatten sie oft übereinander gesprochen. Miyako hatte immer wieder gesagt, dass sie Maron dafür bewunderte, dass sie anders war als all die anderen Mädchen, die in zu kurzen Miniröcken herumliefen und sich jedem gut aussehenden Jungen an den Hals zu werfen. Und genau das könnte Chiaki jederzeit zu Nichte machen und das wollte sie nicht! Maron brauchte eine ganze Stunde um den ganzen Schmutz, Dreck und Schlamm aus den Schuhen zu schrubben. Erleichtert nahm sie den Karton, in dem sie bereits wieder die Schuhe befanden und stellte ihn auf den Flur, als sich erneut Chiakis Wohnungstür öffnete und er mit einem Getränk in der Hand auf sie zuging. Das schmierige Grinsen war Maron nicht ganz geheuer und sie sollte Recht behalten. Als er vor ihr stand und so tat, als hätte er etwas sagen wollen, verschüttete er ‚ganz aus Versehen’ etwas von seinem Getränk und die Flüssigkeit, die aussah wie Cappuccino, landete direkt wieder auf den frisch geschrubbten Schuhen. „Upps, wie ungeschickt von mir.“ Brachte Chiaki amüsiert hervor. Maron dagegen war noch wütender geworden, als sie es eh schon war. „Glaub ja nicht, dass ich dir die Schuhe noch einmal schrubben werde.“ Knurrte sie ihn an. „Och, das glaube ich schon. Denk doch nur an Miyako.“ Knurrend nahm Maron die Schuhe wieder an sich, ging in ihre Wohnung und trat einmal heftig gegen die Tür, um sie zu schließen. Diesmal brauchte sie nicht so lange, um die Schuhe sauber zu bekommen doch, dass sie sich ein zweites Mal diese Arbeit machen musste, reichte aus und ließ sie fast platzen vor Wut. Ein weiteres Mal wollte Chiaki sein Vorhaben wiederholen, doch Maron funkelte ihn nur böse an, wartete darauf, dass er grinsend in seiner Wohnung verschwand und warf kurzerhand den Karton samt den Schuhen das Geländer hinunter. Kurz wartete sie, bis sie das Geräusch des dumpfen Aufpralles auf den Fliesen des Foyers hören konnte, bevor auch sie sichtlich zufrieden lächelnd in ihr Appartement ging. Vielleicht stand es zurzeit 1:1, doch dieser Krieg hatte gerade erst angefangen und würde so schnell nicht enden… ------------------------------------------------------------------------------ Es wäre nett, wenn ihr mir kommentare dalassen würdet. bis bald Kapitel 4: Die lieben Verwandten- Teil 1 ---------------------------------------- Hallo^^ ich weiß, dass es wieder etwas länger gedauert hat und das tut mir auch echt leid, aber ich bin zurzeit ziemlich im Stress. Ich habe drei Storys am Laufen, die ich natürlich auch nicht vernachlässigen darf und außerdem bereitete ich mich gerade auf einen Wettbewerb vor, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich hoffe ihr verzeiht mir^^ Und danke, für dein nettes Kommentar, zerocool :) ----------------------------------------------------------------------------------------- Seit zwei Tagen regnete es nun und Maron saß, in eine Decke eingewickelt, an die Balkontür gelehnt und sah dem Regen zu, wie er auf den Boden und die Dächer von Momokuri niederprasselte. Es hatte etwas beruhigendes, wie Maron fand. Schon als Kind hatte sie das oft getan, wenn sich ihre Eltern mal wieder gestritten hatten. Chiaki und sie gingen sich schon seit zwei Tagen aus dem Weg. Als sie sich dann dennoch einmal begegnet sind, hatten sie sich lediglich ein paar böse Blicke zugeworfen, ab und an waren auch Beleidigungen gefallen, aber alles war besser, als ihr Kleinkrieg. Seufzend fuhr sich die Brünette durch ihre langen Haare. Eigentlich hatte sie sich heute Momokuri ansehen wollen, doch dieses miese Wetter hatte ihr natürlich wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hatte in letzter Zeit aber auch nur Pech! Erst hatte sie betrunken mit dem Verlobten ihrer besten Freundin geschlafen, danach bekommt sie von diesem Kerl das Leben zur Hölle gemacht und jetzt auch noch schlechtes Wetter, mitten im Hochsommer! Als es plötzlich an der Tür klingelte, richtete sie sich umgehend auf, ging auf die Tür zu, sah durch den Spion und musste unwillkürlich seufzen. Es war Miyako. Sie hatte nichts gegen sie, natürlich nicht, aber Maron hatte einfach kein gutes Gefühl dabei, einfach so zu tun, als hätte sie nie mit deren Verlobten geschlafen. Doch erzählen konnte sie es ihr auch nicht. Wie würde sich das anhören? „Hey Miyako, ich habe mit Chiaki geschlafen, tut mir leid.“ Natürlich. Kurz schüttelte die 24jährige, um den Gedanken zu verwerfen und öffnete anschließend die Tür. „Hey, Miyako! Wie geht’s dir?“ fragte sie fröhlich, während sich die beiden Frauen umarmten. „Danke, mir geht’s gut. Und dir?“ „Mir auch, vielen Dank. Willst du nicht reinkommen?“ „Sehr gerne, danke.“ Mit einem Lächeln betrat sie die Wohnung und sah sich kurz um. Zuerst kamen sie in den kleinen Flur, an dessen Anfang sich eine kleine Stufe befand, vor der ein paar Schuhe standen, wie es in Japan üblich war. Entweder trägt man in der Wohnung Socken, Hausschuhe oder man läuft barfuß, doch Straßenschuhe trägt man nie. Die Wände in der ganzen Wohnung waren in einem hellen, zartrosa gehalten, der Boden war mit hölzernem Parkett ausgelegt. Auf der rechten Seite des Flurs befand sich eine Holztür, die einen Spalt breit geöffnet war. Nach den Fliesen an der Wand nach zu urteilen musste es das Bad sein. Auf der linken Seite war ebenfalls eine Tür, die allerdings keinen Blick hinein erlaubte, weil sie geschlossen war. Schnell zog sich Miyako ihre Schuhe aus, stellte sie neben Maron’s und folgte dieser schließlich tiefer in die Wohnung. Gleich links um die Ecke befand sich das große Doppelbett, das beidseitig mit rosa Bettwäsche bezogen war, wobei eine Seite direkt an die Wand gestellt wurde. Daneben ein kleiner Nachtschrank, auf den Maron einen Bilderrahmen und ein paar Bücher gestellt hatte. Gegenüber dem Bett befand sich die große, gläserne Balkontür. Um im Sommer die glühend heiße Mittagssonne ein wenig abhalten zu können, hingen links und rechts davon weiße Vorhänge, die man mit einer schnellen Handbewegung ganz einfach zuziehen konnte. In der Mitte des riesigen offenen Raumes war das Wohnzimmer unterbracht, das lediglich aus ein paar Sesseln, einer großen Couch mit dazugehörigem Tisch, einem kleinen Fernseher und ein paar Bücherregalen bestand. An der äußeren Wand waren große Fenster eingebaut worden, die bis zum Boden reichten und den Raum größer und heller erschienen ließen. Rechts daneben die offene Küche, die durch das Fehlen der Wände größer wurde, als sie es sein würde. Die Arbeitsplatten zogen sich an der ganzen Wand entlang, darüber die Hängeschränke. Lediglich ein kleines Stück der Wand war nicht mit Schränken behangen, um die Sicht auf das kleine Fenster freizugeben, das einen perfekten Blick auf das Meer darbot. An sich war die Wohnung schlicht gehalten, doch durch verspielte Details und Dekorationen wurde ein femininer Touch verliehen und ließ das Apartment nicht langweilig erscheinen. Maron schien ein Händchen für so etwas zu haben. „Schön hast du’s hier.“ Staunte Miyako. Der Grundriss war zwar mit dem aller anderen Wohnungen identisch, doch die Einrichtung machte einiges her. „Danke, aber ich habe noch einige Kartons auszupacken, ich hatte nur noch keine Zeit, oder eher keine Lust die auszuräumen.“, Kam es aus der kleinen Küche als Antwort. „Willst du was trinken?“ Sprach sie weiter. „Nein, danke. Aber weshalb ich eigentlich hier bin: Ich wollte dich fragen, ob du später mit zu meinen Eltern kommen willst. Ich habe ihnen gestern davon erzählt, dass du aus Tokio zurück bist und sie würden sich sehr freuen, wenn du sie mal wieder besuchen kommst.“ Maron erinnerte sich sehr gut an Miyako’s Eltern. Als Kind war sie nach der Schule oft bei der Familie ihrer besten Freundin gewesen und hatte bei ihnen zu Mittag gegessen, weil ihr Vater zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt war, um sich darum zu kümmern, dass seine Tochter etwas Warmes auf den Tisch bekam. Sie freute sich schon darauf Sakura und Yusaku wieder zu sehen. „Sehr gerne.“ Lächelte die ehemalige Studentin ihre beste Freundin an. Für einen kurzen Moment glaubte Maron, dass nach den schlechten Ereignissen in letzter Zeit sie endlich einmal eine Auszeit bekommen würde und trank genüsslich den Eistee, den sie sich gerade eingeschenkt hatte, doch Miyako machte ihre Hoffnung schneller zu Nichte, als sie sie ihr gemacht hatte. „Chiaki kommt übrigens auch mit- oh, und auf dem Weg kannst du gleich seinen Vater kennenlernen.“ In hohem Bogen spuckte die Brünette ihren Saft aus. Chiaki würde mitkommen? Ok, das war schon mal schlecht. Und dann sollte sie seinem Vater begegnen? Sie hatte mit seinem Sohn geschlafen, verdammt noch mal! Sie würde ganz sicher nicht einfach reinspazieren und so tun, als wäre nie was gewesen. Wahrscheinlich war der alte Kauz auch noch total begeistert von Miyako und würde sie erwürgen, wenn er erfahren würde, dass sein Sohn seine Schwiegertochter in Spe mit ihr betrogen hatte! „Alles klar, Maron?“ fragte Miyako ihre beste Freundin besorgt. „Ja, ja.“, Brachte sie mit einem gequälten Lächeln heraus. °Ok, Maron… wie redest du dich da raus?° „Ähm… da fällt mir grade ein, dass ich doch nicht kann, ich… muss… ähm… eine Nachbarin hat mich zum Kaffee eingeladen… tut mir echt leid.“ Innerlich verfluchte sich die 24jährige, weil das natürlich ‚so glaubwürdig’’ gewesen war. Und natürlich war das auch Miyako nicht entgangen und sie sah ihre Freundin skeptisch an. „Ach, komm schon Maron. Es sind immerhin meine Eltern und sie haben dich doch so lange nicht mehr gesehen. Och, bitte!“ Da war er wieder! Dieser verdammte Hundeblick! Dagegen kam Maron nie an, egal ob sie wollte oder nicht. Mit einem lauten Seufzen stimmte sie aber letztendlich dann doch zu. Mit einem lauten Seufzen machte sich Maron auf den Weg in das Zimmer links am Flur, in dem sie ihre Klamotten, Schuhe etc. untergebracht hatte und suchte nach etwas, das sie heute anziehen konnte. Nach einiger Zeit entschied sie sich für ein eng anliegendes Jeanskleid mit Spaghettiträgerm, das bis zu der Mitte ihrer Oberschenkel reichte und dazu ihre teuren, schwarzen Bullboxer Schnürpumps. Bevor sie sich aber umzog, verschwand sie schnell im Bad um zu duschen und sich fertig zu machen. Im Bad ließ sie sich viel Zeit, weil sie keine Lust mehr auf den Besuch hatte, seit sie wusste, dass Chiaki und sein Vater ebenfalls kommen würden. Sie war echt in der Hölle… Maron stieg aus dem Aufzug und ging auf die Eingangstür zu. Über ihr Kleid hatte sie ein dünnes Jäckchen gezogen, in ihrer Hand hielt sie einen Regenschirm. Der Regen hatte zwar nachgelassen, allerdings nieselte es noch ein wenig. Sie hatte gerade das Gebäude verlassen, den Schirm aufgespannt und wollte gerade ein Stück die Straße entlanglaufen, als ein silberner Sportwagen direkt durch die große Pfütze fuhr, die sich durch den Regen auf der Straße gebildet hatte und Maron von den Füßen auf bis zu dem Anfang ihres Kleides nass spritzte. Empört schrie die junge Frau auf und wollte gerade anfangen zu fluchen, als das Auto am Straßenrand hielt und der Fahrer das Fenster hinunterließ. Maron hätte platzen können vor Wut, als sie den Mann sah, der im Auto saß. Es war Chiaki! „Hallo, Maron! Schöner Tag heute, nicht wahr?“ Laut fing die 24jährige an zu knurren, als er auch noch so scheinheilig ankam. Langsam brannten bei ihr die Sicherungen durch. „Du verdammter…“ presste sie zwischen zusammengepressten Lippen hervor. „Na, wir wollen doch jetzt nicht beleidigend werden, oder? Wohin des Weges?“ „Als ob ich dir das sagen würde, du gottverdammter Idiot.“ Der junge Mann konnte allerdings nur grinsen, als sie sich sauer abwandte und weiterlief. Kurz darauf kam Miyako gutgelaunt aus dem Haus und lief auf das Auto zu. Stürmisch stieg sie ein und begann ihren Verlobten stürmisch zu küssen. Er kam gerade von der Arbeit, was hieß, dass sie ihn heute noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, weil sie heute ausnahmsweise freibekommen hatte. Als sie sich wieder voneinander lösten, strich der junge Mann Miyako kurz über die Wange, drückte ihr noch einen Kuss auf die Stirn und startete den Motor um zu seinen künftigen Schwiegereltern zu fahren. Maron brauchte zehn Minuten, um das Haus von Miyako’s Eltern zu erreichen. So, wie sie es von ihrer besten Freundin erzählt bekommen hatte, waren Sakura und Yusaku bereits vor ein paar Jahren aus dem Orleans ausgezogen und haben sich eine kleine Wohnung in der Innenstadt gemietet. Yusaku war noch immer als Polizist tätig und Sakura war noch immer Hausfrau, arbeitete aber halbtags als Verkäuferin in einem Klamottenladen. Vorsichtshalber zog Maron noch einmal den kleinen Zettel aus ihrer Jackentasche, auf dem Miyako ihr die Adresse ihrer Eltern aufgeschrieben hatte. Doch so, wie es aussah, stand sie tatsächlich vor dem richtigen Gebäude. Mit langsamen Schritten ging sie auf den Eingang zu, wo sie einen Blick auf die Klingeln warf, um zu sehen, in welchem Stockwerk die Todaiji’s wohnten. Als sie den Namen dann entdeckt hatte, klingelte sie und wartete darauf, dass die Tür geöffnet wurde. „Hallo?“ kam es gedämpft aus der Lautsprechanlage. Miyako’s Mutter, wie man an der sanften Stimme erkennen konnte. „Hallo, hier ist Maron.“ „Dritter Stock.“ Sagte Sakura noch, bevor sie von innen auf den Knopf drückte, sodass Maron die Eingangstür nur noch mit einem leichten Druck ganz einfach öffnen musste. Da es keinen Aufzug gab, musste sie leider Gottes die Treppen nehmen, was ihr komischerweise nichts ausmachte. Sie freute sich zwar, Miyako’s Eltern wiederzusehen, doch Chiaki konnte ihr gestohlen bleiben. Oben angekommen wurde sie bereits sehnsüchtig von Sakura erwartet, von der Maron sofort in die Arme geschlossen wurde, als sie die Treppen hinter sich gelassen hatte. „Maron! Es ist so schön, dich wiederzusehen!,“ kurz entfernte sich Sakura einen kleinen Schritt, um Maron von oben bis unten mustern zu können. Es waren immerhin sechs Jahre vergangen, seit sie Maron das letzte Mal gesehen hatte und es hatte sich seitdem einiges an ihr geändert. „Mein Gott, Maron! Du bist so wunderschön geworden!,“ sprach sie in ihrem Freudenschwall weiter , den Maron sehr verlegen werden ließ, weshalb sie nur ein leises ‚Danke’ in die Bluse der Älteren nuscheln konnte, von der sie erneut in eine Umarmung gezogen worden war. „Willst du nicht reinkommen?“ „Doch, sehr gerne.“ Lächelnd betrat die 24jährige die fremde Wohnung und sah sich kurz um. Als erstes kamen sie in einen kleinen Flur, der nahtlos nach ein paar Metern in das Wohnzimmer überging. Die Wände waren weiß, der Fußboden mit schwarzen Fliesen ausgelegt. In den Ecken links und rechts der Eingangstür standen Pflanzen, die auch überall in der Wohnung verteilt waren. Ein Bogen führte links direkt in die Küche. Die Wände waren in einem Minzgrün gehalten, der Boden war derselbe. Auf der rechten Seite war das Schlafzimmer, das durch eine Tür von der restlichen Wohnung getrennt wurde. Kurz bevor man das Wohnzimmer betrat befand sich eine weitere Tür, die in das kleine Badezimmer führte. Alles in Allem war das kleine Apartment sehr gemütlich und durch die großen Fenster sehr hell. Ein paar Blumen, Fotos an den Wänden, Teppiche und ein paar Ölbilder rundeten das Ganze noch einmal ab. „Schön habt ihr es ihr.“ Staunte Maron, während sie den Gang entlanglief in Richtung des Wohnzimmers. Als sie den Raum aber betrat und sah, wer auf der Couch saß, war ihre gute Laune, die das Wiedersehen mit Miyako’s Mutter ausgelöst hatte, allerdings sofort wieder verpufft… Chiaki saß gerade in Wohnzimmer, einen Arm um die Hüfte seiner Verlobten gelegt, die sich an ihn kuschelte, im Wohnzimmer auf dem Sofa und unterhielt sich mit seinem Vater über das Krankenhaus, das Kaiki – Chiaki’s Vater – besaß und nach seinem Tod seinem Sohn vererben würde, als eine weitere Person das Wohnzimmer betrat. Wahrscheinlich war es dieser Überraschungsgast, von dem Miyako erzählt hatte. Doch egal, wie oft er es versucht hatte, seine Verlobte hatte ihm nicht erzählen wollen, wer es war. Als er jedoch seinen Kopf anhob, um zu sehen, wer dieser mysteriöse Gast war, wünschte er sich, dass alles nur ein Traum war, aus dem er bald aufwachen würde. Es war Maron! Ja, er war in der Hölle… ------------------------------------------------------------------------------------------ Muhahahahahahaha xD ich freue mich schon auf das nächste Kapitel *böse Lache* Wie fandet ihr's? Ich hoffe, dass ihr mir kommentare dalasst! Achja- hier ein paar Links zu Maron Kleidung in diesem Kapitel: Das Kleid: http://image01.otto.de/pool/formata/3411795.jpg Die Schuhe: *_* *auch haben will* http://de.vmstatic.com/schnuerpumps-bullboxer-g0003jewge.jpg na dann, bis zum nächsten kapitel! Kapitel 5: Die lieben Verwandten- Teil 2 ---------------------------------------- ----------------------------------- Nachdem sich Chiaki und Maron kurz flüchtige, hasserfüllte Blicke zugeworfen hatten, erhob sich Miyako von der weißen Couch und ging freudig strahlend auf Maron zu, um sie zur Begrüßung in die Arme zu schließen. „Schön, dass du doch noch gekommen bist, Maron!“, kurz löste sie sich von ihr, um die Klamotten ihrer besten Freundin zu mustern. Mit einem neidischen Blick sah sie sich das Outfit an. Warum stand dieser Frau verdammt noch mal alles? Doch als sie noch einmal genauer hinsah, fielen ihr ein paar braune Flecken auf. „Sag mal, Maron? Was ist mit dem Kleid und den Schuhen passiert?“ Etwas verwirrt schaute die Brünette an sich hinunter und wollte schon fragen, was schon sein soll, als ihr Blick auf die braunen Flecken fiel. Ein leises Knurren entkam ihrem Mund, den sie, wie ihre Hände, wütend zusammenpresste, als sie sich daran erinnerte, wie diese Flecken entstanden waren. An Liebsten hätte sie ihre Wut und ihren Zorn augenblicklich an Chiaki ausgelassen, der bei dieser Frage nur doof vor sich hin grinsen konnte. Doch wo bliebe der Spaß, wenn sie ihn auf direktem Wege verpfeifen würde? Sie wollte Genugtuung- nicht als Petze abgestempelt werden. Rache ist ja bekanntlich süß. Langsam entspannte sie sich, als sie daran dachte, dass er noch bekommen würde, was ihm zustand. Ungeschoren würde er ihr auf jeden Fall nicht entkommen. „Ach das. Irgendein Idiot ist durch ein Pfütze gefahren und das hat halt ziemlich gespritzt.“ Antwortete sie so ruhig wie möglich, ohne Chiaki eines Blickes zu würdigen. Sollte sich dieser Dreckskerl ruhig in Sicherheit wiegen. Chiaki glaubte sich verhört zu haben. Maron hatte ihn nicht verpetzt? Das hätte er jetzt gar nicht vermutet. Normalerweise hätte sie diese Gelegenheit beim Schopf gepackt um sich gnadenlos an ihm zu rächen, doch genau das hatte sie nicht getan! Irgendwas heckte dieses kleine Miststück aus und egal, was es war- er würde nicht auf ihre Masche reinfallen. Kaum hatte Maron aufgehört zu erklären, wie der Dreck auf ihr Kleid kam, kam auch sogleich Miyako’s Mutter und wollte die Brünette mit in die Küche zu ziehen, als sie ein Räuspern hörte. Ein klein wenig irritiert drehte sich die junge Frau um, um zu sehen, wer es war, da kam der Mann bereits auf sie zu und streckte ihr seine rechte Hand entgegen. „Hallo. Mein Name ist Kaiki Nagoya. Sehr erfreut.“ Lächelte er sie an. Genauso freundlich stellte sie sich dem etwas älteren Mann vor, bevor sie ihn sich einmal genauer ansah. Er hatte, genau wie Chiaki, dunkelblaues, kurzes Haar, von dem ihm ein paar Strähnen ins Gesicht hingen. Er war ungefähr genauso groß, wie sein Sohn und hatte dieselben, markanten Gesichtszüge. Maron schätzte ihn vom Alter her auf Anfang 40. Kaiki’s Kleidungsstil war eher seriös- Hemd, Krawatte, Anzug. Man konnte sofort sehen, dass er Chiaki’s Vater war, die beiden waren sich wie aus dem Gesicht geschnitten. Bevor sie aber ein Gespräch beginnen konnten, zog Sakura Maron in die kleine Küche, um ihr Kleid und die Schuhe sauber machen. „Erzähl doch mal, was hast du so in den letzten Jahren gemacht. Miyako hat mir erzählt, dass du in Tokio gewesen wärst?!“ redete Sakura auf die Brünette ein, während sie Lappen und Eimer suchte. Man konnte ihr deutlich ansehen, wie sehr sie sich freute Maron wiederzusehen. In den letzten Jahren hatte sie oft an das kleine Mädchen von früher gedacht, sie war oft bei ihnen zu essen gewesen, weil sie und Miyako einfach unzertrennlich gewesen waren. Mit 18 war Maron dann weggezogen, warum wusste Sakura nicht so genau. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass das Verhältnis zwischen Maron und ihrem Vater Takumi angespannt gewesen war, doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass es damit im Zusammenhang stand. Sakura war früher gut mit Korron, Maron’s Mutter, befreundet gewesen, die ihr immer alles erzählt hatte. Von den Eheproblemen hatte sie also ebenfalls gewusst und hatte auch in dieser Zeit Maron oft zu sich nach Hause genommen, um sie vor den Streitigkeiten ihrer Eltern zu schützen. Sie war noch so jung gewesen und hätte das alles nicht verstanden. Doch natürlich konnte sie das kleine Mädchen nie ganz davor bewahren. Natürlich hatte Maron alles mitbekommen, als sie wieder nach Hause kam. Als nach der Trennung der beiden der Streit um das Sorgerecht ausgebrochen war, hatte sich Sakura größtenteils rausgehalten, sie wusste, dass es egal war, bei wem Maron blieb, hauptsache ihre Eltern mussten sich nicht mehr tagtäglich über den Weg laufen. Die 24jährige war schon immer ein eher zurückhaltendes, unauffälliges und verschlossenes Mädchen gewesen, was größtenteils mit ihrer familiären Situation zusammenhing. Doch man merkte, dass sie nicht mehr das kleine Mädchen von damals war, sondern dass sie in den Jahren in Tokio eine offene, wunderschöne, unabhängige junge Frau geworden war. Sie war über ihre Eltern hinweg und etwas Besseres hätte ihr auch nicht passieren können, als den Kontakt abzubrechen. Beide - sowohl Korron als auch Takumi- hätten sie noch vollkommen zerstört. „Ja, das stimmt.“, begann Maron, während sie mühsam versuchte den Schmutz aus dem Kleid zu schrubben „Ich habe dort vor Kurzem mein Studium beendet und bin jetzt wieder nach Momokuri gezogen, um hier zu Arbeiten. Ich muss allerdings noch auf die Zusage warten, ob ich den Job bekommen habe oder nicht.“ „Das ist ja schön.“ Lächelte Sakura sie sanft an. Zu gerne hätte sie jetzt gewusst, warum sie damals genau weggezogen war, doch sie wollte die Stimmung nicht zerstören, sie würde sie sicher ein andermal fragen können, doch nicht heute, wo schon alles so schön angefangen hatte. Etwas verbissen presste Maron beim Schrubben die Zähne zusammen. Dieser Dreck war echt hartnäckig! Wenn sie diesen verdammten Dreckskerl in die Finger bekam, dann würde sie ihm den Dreck sonst wo hinschieben. Sie brauchte knapp fünf Minuten, um alles weitgehend sauber zu bekommen, was dazu führte, dass sich nun ein paar Wasserflecken auf dem Stoff abzeichneten. Doch auf jeden Fall war es besser als der Dreck. Echt peinlich, dass sie ausgerechnet in dem Aufzug Chiaki’s Vater kennengelernt hatte. Klar, sie war nicht die durchgedrehte Verlobte, die ihre künftigen Schwiegereltern kennenlernen sollte, doch trotzdem war es immer wieder unangenehm jemandem neu zu begegnen und das auch noch in schmutzigen Klamotten. Wie peinlich! „Wie geht es euch so?“ fragte Maron etwas abwesend, als sie ihr Kleid noch einmal auf eventuelle Flecken absuchte, die sie übersehen haben könnte. „Es ging uns nie besser. Yusaku ist noch auf der Arbeit und kann deshalb nicht hier sein. Er liebt seinen Beruf immer noch, wie damals. Ich habe mittlerweile einen Job in einem Klamottenladen angenommen, der gleich hier in der Innenstadt liegt. Ich habe es irgendwann nicht mehr ausgehalten, als einfache Hausfrau, besonders jetzt, wo die Kinder ausgezogen sind. Weißt du, Subaru ist zurzeit ein sehr erfolgreicher Wissenschaftler und seine Frau erwartet ein Baby. Und um Miyako müssen wir uns auch keine Sorgen machen. Sie hat Chiaki und ich weiß nicht, ob ich sie jemals in ihrem Leben so glücklich gesehen habe.“ Augenblicklich breiteten sich in Maron’s Körper wieder diese Schuldgefühle aus. Miyako ist glücklich und ausgerechnet sie hatte dieses Glück gefährdet. Aber war Chiaki wirklich gut für Miyako, wenn er sie so einfach betrog? Schnell schüttelte sie den Kopf. Das sollte nicht ihre Angelegenheit sein. Fakt ist, dass Miyako glücklich ist und sie würde Chiaki heiraten. Und sie würde ganz sicher nicht mit ihr über deren Verlobten sprechen und wohlmöglich noch alles kaputt machen. Circa zwanzig Minuten später saßen alle wieder fröhlich plaudernd auf der Couch, wobei sich Maron dezent im Hintergrund hielt. Für sie war die Situation noch immer sehr befremdlich, sich mit dem Vater des Mannes in einem Raum zu befinden, mit dem sie geschlafen hatte. Zudem konnte sie bei diesen Themen nicht wirklich mitsprechen. Sie hatte alles hier in Momokuri nicht mitbekommen und hatte absolut keine Ahnung von alldem, also nutzte sie die Zeit, um sich ein Meinung von Kaiki zu bilden. Das machte sie oft, wenn sie neue Leute kennenlernte, das half ihr dabei mit dieser Person ins Gespräch zu kommen, weil sie sich einreden konnte diese Person ein klein wenig zu kennen. Außerdem half ihr dieser kleine Trick dabei, ihre Schüchternheit zu überwinden, von der jetzt kaum noch etwas übrig war. Kaiki schien ein typischer Geschäftsmann zu sein. Ständig redete er über sein Krankenhaus, das er mit Chiaki zusammen leitete. Wenn es nicht um Finanzen ging, dann eben um neue Geräte oder merkwürdige Patienten, die sehr extrovertiert waren und dadurch ziemlich auffielen. Ab und an kam er auch auf das Thema Familie zu sprechen, doch komischerweise redete er nie von seiner Frau oder besser gesagt Chiaki’s Mutter. Doch das Wichtigste war, – und das löste in Maron wieder dieses schlechte Gewissen aus – dass er seine künftige Schwiegertochter sehr zu mögen schien. Ständig drückte er sie kurz an sich, lächelte sie und Chiaki andauernd an. Ja, er freute sich für seinen Sohn. Ob Chiaki ihm erzählt hatte, dass er mit ihr eine Nacht verbracht hatte? Schnell verwarf sie diesen Gedanken. Natürlich hatte er das nicht, sonst wäre er doch niemals so gut gelaunt. „Möchte noch jemand etwas Tee?“ fragte Sakura in die Runde, während sie aufstand, um die Teekanne noch einmal zu füllen. „Warte, Sakura. Lass mich das machen.“ Sprang Maron auf. Sie wollte diese Gelegenheit nutzen, um aus dieser Gesellschaft wenigstens für einen kleinen Moment herauszukommen. Höflich nahm sie Miyako’s Mutter die Kanne aus der Hand und verschwand augenblicklich in der Küche. Vertieft in das Gespräch mit seinem Vater, versuchte Chiaki die Tasse mit einer Hand zu nehmen, da er die andere noch immer um die Hüfte seiner Verlobten gelegt hatte. Er wollte gerade den Henkel ergreifen, als er mit seiner Hand abrutschte und die Porzellantasse versehentlich umstieß und den Rest seines Tee’s auf den Tisch und den Boden verteilte. Mit einem entsetzten Aufschrei sprang er auf, um wenigstens seine Klamotten vor der spritzenden Flüssigkeit zu schützen, was zum Glück auch funktionierte. Sakura wollte bereits herbeieilen, um den Boden zu säubern, als sie von Chiaki aufgehalten wurde. „Lass nur, das ist immerhin meine Schuld. Ich mach das schon.“ Schnellen Schrittes machte er sich auf den Weg in die kleine, aber feine Küche. Maron stand noch immer an der Arbeitsplatte und wartete darauf, dass das Wasser zu kochen begann. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte sie, dass noch jemand die Küche betrat. Dem Schweigen nach zu urteilen musste es wohl Chiaki sein. Aber was wollte er dann hier in der Küche, wenn er eh nicht mit ihr sprach und sie sich die ganze Zeit nur zankten, wenn sie dennoch mal aufeinander trafen? Eilig suchte Chiaki in den Hängeschränken. Wo war dieses verdammte Küchenpapier? Während er etwas herumwühlte und versuchte Maron zu ignorieren, erinnerte er sich an die Situation von vorhin. Warum hatte sie ihn eigentlich nicht verraten? Kurz atmete er noch durch, bevor er seine Suche unterbrach und sich zu ihr umdrehte, sie mit seinen Blicken zu durchbohren schien. „Du hast mich ja gar nicht verpetzt, Prinzesschen.“ Etwas irritiert drehte sich Maron um, sah ihm kurz in die Augen. Sie wusste ganz genau, worauf er anspielte, doch vielleicht sollte sie sich noch ein wenig doof stellen? Langsam wendete sie ihren Blick wieder ab, während sie den Teebeutel durch das kochende Wasser zog. „Was meinst du?“ „Du weißt ganz genau, was ich meine, Miststück.“, sprach er aufgebracht weiter „du hättest mich vorhin vor Allen bloßstellen können. Warum hast du es nicht getan?“ Jetzt ging es nicht mehr. Sie konnte sich nicht mehr unwissend stellen, doch sich den Spaß verderben, wollte sie auch nicht. „Ach, das meinst du. Weißt du, dich bloßstellen hört sich zwar richtig verlockend an, aber…“ Irritiert zog Chiaki eine Augenbraue hoch. Was plante dieses Miststück jetzt schon wieder? „Aber…?“ Während er sie so misstrauisch musterte, hatte sie schnell den Tee in die Tassen gefüllt, die auf einem kleinen Tablett standen. Mit dem Tablett in den Händen und einem verführerischen Ausdruck in den Augen ging sie auf ihn zu, streckte ihren Kopf ein wenig nach vorne, bis ihr Mund schon fast sein Ohr streifte. Ein wenig musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen, weil er doch gut einen Kopf größer als sie war. Genießerisch schloss er seine Augen, als er ihren heißen Atem an seinem Ohr spüren konnte. Verdammt noch mal! Warum machten ihn solche Frauen immer so an, wenn sie so waren? Himmel, Arsch und Zwirn, er war verlobt! Und er liebte seine Verlobte, da sollte er sich nicht von irgendeiner dahergelaufenen Frau angezogen fühlen- oder von ihrem Körper. „Wo bliebe da der Spaß?“ wisperte sie. Verwirrt öffnete er seine Augen wieder und sah die junge Frau an, die sich unterdessen einen kleinen Schritt von ihm entfernt hatte. „Welchen Spaß?“ fragte er ruhig nach. Viel konnte sie ja nicht anstellen, hier in der Küche. Sie könnte ihn natürlich erstechen oder ihm die Pfanne um die Ohren schlagen, aber so blutig war ihr Kleinkrieg nicht, beziehungsweise noch nicht. „Na, der Spaß.“ Schnell ging sie das Stück wieder auf ich zu, stolperte – schusselig wie sie nunmal war – „ganz aus Versehen“ über ihre eigenen Füße, was zur Folge hatte, dass sie den ganzen Tee über sein Hemd verteilte. „Du miese Schlampe!“ schrie der junge Mann auf, als er die heiße Flüssigkeit auf seinem trainierten Oberkörper spürte und dazu noch Maron sah, die mit einem breiten Grinsen auf den Lippen vor ihm stand. Ihr amüsierter Gesichtsausdruck verschwand aber, als die anderen in die Küche gestürmt kamen, weil sie gehört hatten, dass Chiaki Maron anschrie. „Was ist denn los?“ fragte Miyako. Etwas komisch sah sie erst zu Chiaki, dessen Hemd vollkommen durchnässt war, und dann zu Maron, die mit einem leicht panischen und unbeholfenen Blick und dem kleinen Tablett in der Hand daneben stand. „Dieses kleine Miststück hat den Tee über mein Hemd gekippt! Mit Absicht!“ Wütend deutete Chiaki auf die Brünette, die total scheinheilig daneben stand, als hätte sie nichts getan. Und…Moment mal. Waren das Tränen in ihren Augen? Kurz knurrte er auf. Dieses verdammte Miststück! „Aber…“ begann Maron zu stottern und zwang sich sogar Tränen in ihre großen, braunen Augen um sich nichts anmerken zu lassen. Sie wollte immerhin so unschuldig wie möglich auszusehen, was ihr immerhin gut zu gelingen schien, weil Kaiki sofort damit begann sie in Schutz zu nehmen. „Ich finde das echt beschissen von dir, sie einfach so zu beschuldigen! Sie hat das sicher nicht mit Absicht getan!“ Der junge Mann wollte sich sofort verteidigen, doch Maron war bereits dabei die Küche zu verlassen. „Ich glaube ich gehe jetzt besser.“ Nuschelte sie noch, – spielend niedergeschlagen- bevor sie die Wohnung verließ. Im Flur drehte sie sich noch einmal zu der Wohnungstür um und musste widerwillig grinsen. Dieser Drecksack würde jetzt noch mächtig was zu hören bekommen. Besonders von Miyako. Kurz nachdem sie das Gebäude verlassen hatte und um die nächste Ecke bog, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und begann erstmal lauthals an zu lachen. Knapp fünf Minuten waren schon vergangen, seit Maron gegangen war und Chiaki stand noch immer mit den anderen in der Küche und bestand auf seine Meinung, dass Maron den Tee absichtlich über seinem Hemd entleert hatte. Doch alles was er bekam, waren böse und verärgerte Blicke von den anderen drei Personen, die sich mit ihm in der kleinen Küche befanden. Vor Allem Miyako funkelte ihn wütend an. Sie war echt stinksauer, dass Chiaki ihre beste Freundin mit seiner blöden Aktion vergrault hatte. Gar nicht auszudenken, wie schlecht sie sich jetzt fühlt. Immer wieder warf Chiaki einen Blick zu seiner Verlobten. Wenn Blicke hätten töten können, würde er schon längst auf dem Küchenboden liegen. Etwas ängstlich vor ihrer Reaktion, die ihn zu Hause noch erwarten würde, schluckte er den Kloß in seinem Hals runter. Das würde noch mächtig Ärger geben! --------------------------- Über Kommentare würde ich mich sehr freuen ;) bis dann! Kapitel 6: Enthüllungen ----------------------- Hupps, ich dachte ich hätte das kapitel schon hochgeladen >.> sorry! danke für die Kommentare :) -------------------------------------- „Deine Aktion vorhin war echt das Letzte, Chiaki! Wie konntest du das nur machen? Hast du überhaupt eine Ahnung…“ Genervt verdrehte Chiaki die Augen. Gelangweilt saß er auf der Couch in seiner Wohnung, während seine Verlobte Miyako geschlagene zehn Minuten ununterbrochen am meckern war und dabei hin- und herlief. Das Thema war natürlich der Vorfall mit Maron am Mittag. Einige Zeit lang hatte er noch versucht allen Anwesenden zu erklären, dass er sich keiner Schuld bewusst sei und dass Maron alles hinterhältig geplant hatte. Jedoch war alles, was er dafür bekam, noch weitere Standpauken und böse Blicke. Wütend hatte es der junge Mann aufgegeben, war blitzschnell aus der Wohnung verschwunden und nach Hause gelaufen. Miyako war erst am Abend wiedergekommen und hatte dort weitergemacht, wo sie am Mittag von ihm unterbrochen worden war. Chiaki kochte vor Wut. Er war wütend auf seinen Vater, seine verlobte und deren Mutter, weil sie ihm einfach nicht glaubten. Aber die Person, die er jetzt am liebsten an die Wand klatschen würde war zweifellos Maron, dieses kleine Miststück, weil sie ihm den ganzen Ärger erst eingebrockt hatte! Aber er würde ihr das noch doppelt und dreifach zurückzahlen, darauf konnte sie wetten! Er verspürte schon den ganzen Abend lang die Lust sie im Garten zu verbuddeln. Warum, musste er ja wohl nicht erklären. Während er seinen mordlustigen Gedanken nachhing, hatte er ganz vergessen, dass seine meckernde Verlobte noch immer vor ihm herlief und sie trotz aller Standpauken nicht darum gekommen war zu bemerken, dass Chiaki mit den Gedanken ganz woanders war. „Wollen sie sich mal bequemen mir zuzuhören, Herr Nagoya?“ Etwas erschrocken sah er Miyako an. Er kannte ihr Temperament sehr wohl und wusste, dass sie schnell aus dem Häuschen geraten konnte. Kurzerhand fasste er einen Beschluss, der ihm bisher immer aus der Patsche geholfen hatte. Chiaki wusste ganz genau, wie er Frauen das geben konnte, nach dem sie verlangten. Und natürlich auch bei Miyako. Seufzend stand er vom Sofa auf und fuhr sich mit der Hand durch seine blauen Haare. Er wusste ganz genau, dass seine Verlobte darauf stand. In langsamen Schritten ging er auf sie zu und legte letztendlich seine Arme um ihre Hüfte, um sie ein wenig näher zu sich zu ziehen. „Du hast Recht, Schatz. Vielleicht habe ich wirklich überreagiert. Ich werde mich bei ihr entschuldigen, sobald ich sie das nächste Mal sehe, okay?“ Um seine sanft ausgesprochenen Worte noch zu bestärken hauchte er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Glücklich erwiderte die Polizistin diesen und gab ihm sogleich den Einlass, um den er sie stumm mit seiner Zunge bat. Am liebsten wäre Chiaki noch weitergegangen, doch er wusste, dass ihn Miyako nicht an sich ranlassen würde. Seit zwei Jahren schon tat sie das und hatte anscheinend keine Ahnung, was sie ihm damit antat. Jeder Mann hatte seine Bedürfnisse und besonders Chiaki war jemand, der schon seit seiner Jugend jede haben konnte. Und genau das war für ihn ein Grund, warum ihn nach einer seiner zahlreichen Affären kein schlechtes Gewissen plagte. Meistens waren es eh nur zwei oder drei Nächte und danach hatte er sich bei nächst bester Möglichkeit sowieso eine Neue gesucht, nach ein paar Wochen. Nie hatte er seine Seitensprünge bereut- bis auf jetzt. Am liebsten hätte er die Zeit zurückgedreht. Hätte er nicht mit Maron geschlafen, hätte er nicht diese ganzen Probleme an der Backe. Warum musste sie auch die beste Freundin seiner Verlobten sein? Warum musste ausgerechnet jetzt alles so kompliziert werden? Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen löste er sich von Miyako und drückte ihr noch einen Kuss auf die Stirn. „Okay.“ Beantwortete Miyako seine Frage flüsternd. Dieser Mann schaffte es doch ständig wieder sie mit einem kleinen Kuss zu beruhigen. Kaum legte er seine Lippen auf seine, konnte die 24jährige bereits spüren, wie ihr Widerstand bröckelte und nur noch ein Glücksgefühl blieb. „Hör zu, Chiaki. Ich treffe mich gleich noch mit ein paar Freundinnen und ich werde Maron fragen, ob sie mitkommt. Ich werde sie noch mal darauf ansprechen, aber entschuldigen musst du dich schon selbst, okay?“ „Alles klar.“ Lächelnd nahm er ihr Gesicht in beide Hände und streichelte sanft ihre Wangen, bevor er noch einmal seine Lippen kurz auf ihre legte. Glücklich ging Miyako zum Telefon und hob den Hörer ab. Sie wollte Maron gerne einladen, später mit ein paar von ihren Freundinnen etwas zu unternehmen. Direkt am Strand gab es ein kleines Cafe, wo Miyako öfter einen Cocktail trank und danach ein wenig spazieren ging. Wenn ihr Job sie nicht die ganze Zeit beschäftigen würde, würde sie das viel öfter machen. Kurz wartete sie, legte allerdings wieder auf, als sie hörte, dass die Leitung besetzt war. Anscheinend telefonierte Maron. Um sie nicht bei ihrem Telefonat zu stören, beschloss Miyako ihrer besten Freundin schnell eine SMS zu schicken, in der Ort und Zeit standen. Sie würde schon dort auftauchen, wenn sie wollte. Doch jetzt musste sich die junge Frau erstmal selbst umziehen und fertig machen. Miyako war schon immer ein sehr pünktlicher Mensch gewesen und legte darauf viel Wert. Und sie hatte nicht vor, das heute zu ändern. Maron telefonierte derzeit mit ihrer Freundin Rinako. Am Anfang hatten die beiden Mädchen über ihr neues Leben gesprochen und wie es ihnen ging. Rinako hatte eine Stelle in einem Büro in Shima bekommen und liebte ihren Job. Und auch privat schien es ganz gut zu laufen. Auf der Arbeit hatte die 24jährige einen jungen Mann kennengelernt, mit dem sie des Öfteren ausging. Die ganze Zeit schwärmte Rinako von ihm und man konnte deutlich hören, dass die junge Frau mehr als glücklich zu sein schien. Maron freute sich für ihre Freundin, wobei sie sich eigentlich auch schon lange einen Mann an ihre Seite wünschte, der sie liebte wie sie war und nicht nur auf das Eine aus war. Als sie Chiaki damals in der Bar in Tokio kennengelernt hatte, hatte sie sich wirklich Hoffnungen gemacht. Er war nett, charmant, wohlhabend, gut aussehend. Was wollte eine Frau mehr? Und als er sie am Morgen nach ihrer gemeinsamen Nacht noch so sanft geküsst hatte und er sagte, dass er sie wieder sehen wolle, hatte sie sich für einen kleinen Moment glücklich gefühlt. Warum hatte sie damals selbst nicht gewusst. Immerhin hatte sie mit einem, ihr fremden, Mann geschlafen und ihm ihre Unschuld geschenkt. Als sie jedoch erfuhr, dass er der Verlobte ihrer besten Freundin war, hatten sich diese Glücksgefühle in puren Hass verwandelt. Schon sehr lange unterhielten sich die beiden Mädchen über das, was nach dem Abend in der Bar geschehen war. Die Nacht mit Chiaki, den Abend als sie erfuhr, dass er mit Miyako verlobt war und der Kleinkrieg, der sich daraus entwickelt hatte. Total verblüfft hatte Rinako den Erzählungen ihrer Freundin gelauscht. Wie konnte ein einziger Kerl allein nur so dreist sein? Und doch hatte sie Schuldgefühle Maron gegenüber. Wenn sie damals gewusst hätte, was auf ihre Freundin zukommen würde, hätte sie sie niemals dazu gebracht diesen Kerl anzusprechen. Dabei wollte sie doch nur, dass Maron auch mal jemanden fand, dem sie vertraute. In ihrer Studienzeit hatte die Brünett zwar den ein oder anderen Freund gehabt, aber geschlafen hatte sie mit keinem von diesen. Für Rinako war es schon immer ein Rätsel gewesen, wie man so lange Jungfrau bleiben konnte wie die Brünette. Dabei war Maron hübsch, sexy, nett und sehr beliebt. Wie konnte sie also 24 Jahre in Enthaltsamkeit leben? Kurz hielt Maron in ihrer Erzählung inne, als ihr Handy klingelte. Eine SMS. Mit einem schnellen Blick sah sie auf das Handy und öffnete Miyako’s SMS. Sie wollte sie also einladen mit ein paar ihrer Freundinnen etwas trinken zu gehen. Warum eigentlich nicht? Es würde nicht schaden, ein paar neue Freunde zu finden, wenn schon ihre Freunde vom College so weit von ihr entfernt lebten. Schnell schrieb sie Miyako die Zusage und wandte sich direkt wieder Rinako und ihrem Gespräch zu. „Tut mir leid, Rinako, aber ich muss langsam auflegen. Ich bin noch verabredet. Können wir ein andermal reden?“ „Aber klar doch, Süße. Ich wünsch dir viel Spaß.“ „Danke.“ Lächelnd beendete die 24jährige den Anruf. Rinako war wirklich eine gute Freundin. Schnell sah sie auf die Uhr und erschrak ein wenig. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, bis sie sich mit Miyako und den anderen treffen würde. Flink verschwand sie im Bad um sich fertig zu machen. Die Sonne schien, die Wellen rauschten, Kinder spielten am Strand und Miyako saß mit ihren Freundinnen auf der Sonnenterrasse des Strandcafe’s und schlürfte genüsslich ihren kühlen Cocktail. Das kalte Getränk war wie eine Erlösung an diesem unglaublich heißen Sommertagen. Sie war sogar etwas neidisch auf die Leute, die sich währenddessen in knappen Bikinis in die Wellen stürzen konnten. Genüsslich schloss sie die Augen und streckte ihren Kopf in Richtung Sonne, wobei sie ihre Augen mit einer großen Sonnenbrille vor den Strahlen schützte. „Tut mir leid, dass ich so spät bin, aber ich habe nicht auf die Uhr gesehen.“ Verwirrt öffnete Miyako und blickte direkt in das schöne Gesicht von Maron. Sie trug ein leichtes, weißes Sommerkleid und einfache Flip-Flops. Auch sie trug eine Sonnenbrille, deren Gläser braun getönt waren. Lächelnd betrachtete Miyako, wie sich ihre beste Freundin in der kleinen Runde umblickte. Anscheinend war sie ein wenig unsicher, was fremde Leute anging. So war sie schon früher gewesen. „Hi, Maron! Darf ich dir vorstellen: das sind Kazumi,“ Miyako deutete auf eine junge Frau mit langen dunkelbraunen Haaren, die Maron mit einem leichten Händedruck begrüßte „Mika,“ eine weitere junge Frau mit langen, blonden Haaren, was man in Japan nur selten sah „und Tamiko.“ Tamiko sah aus, wie eine ganz normale Japanerin. Schwarze Haare, dunkle Augen. Ihre Gesichtszüge waren sanft und sie schien schon auf den ersten Blick sehr nett zu sein. Danach stand Miyako von ihren Stuhl auf und stellte sich hinter die vierte Frau, die am Tisch saß. Vertraut legte sie ihre Hände auf deren Schultern. Erst dann sprach sie weiter. „Und das hier ist Hana, Chiaki’s Mutter.“ Lächelnd stand Hana auf und schüttelte Maron’s Hand. Die Brünette nutzte die Zeit und betrachtete sich die Frau. Sie hatte schulterlange, voluminöse Haare, die in braunen Locken auf ihre Schultern fielen. Sie war erstaunlich jung geblieben. Wenn Chiaki jetzt schon 25 Jahre alt war, müsste sie eigentlich um die 45 sein. Entweder war sie schon sehr früh Mutter geworden, oder aber ihr Körper alterte nicht mit. Lächelnd stellte sich die Frau noch einmal vor, bevor sich alle an den Tisch setzten, Maron einen Cocktail bestellte und alle ein fröhliches Gespräch anfingen. Es wurde viel gelacht und erzählt. Ständig kamen Miyako und Hana auf Chiaki zu sprechen. Miyako war sehr glücklich und Hana war der Meinung, dass Miyako und er so schnell wie möglich heiraten sollten, weil sie sich so sehr für ihren Sohn freute. Maron fühlte sich sehr wohl in der Gruppe. Es war, als würde sie alle schon jahrelang kennen. Die Situation erinnerte Maron sehr an ihre Freundinnen von der Uni. Wieder stellte sie fest, wie sehr sie sie doch vermisste. Auf einmal standen Miyako und Chiaki’s Mutter auf. „Wir gehen nur schnell auf die Toilette. Lasst euch nicht stören!“ Kaum waren die beiden in dem Gebäude verschwunden, seufzten Kazumi, Mika und Tamiko schwer auf. „Stimmt was nicht?“ fragte Maron irritiert nach. Eben war doch auch noch alles in Ordnung gewesen. „Naja, nicht so wirklich. Miyako ist total begeistert von ihrem ‚achso tollen Chiaki’ und merkt gar nicht, wie gemein er sie hintergeht.“ „Oh ja.“ Murmelte Maron in ihren, nicht vorhandenen, Bart. „Wie bitte?“ „A-Ach gar nichts. Aber was meint ihr damit?“ „Um ehrlich zu sein hat er sie schon mehrmals betrogen. Das merkt echt jeder. Jeder außer Miyako, ihre Eltern und die von Chiaki.“ „Das ist schon öfter vorgekommen?“ Maron spürte, wie der Zorn in ihr hochkam. Dieser Kerl wagt es sich, Miyako öfter zu betrügen? Diesen Mistkerl würde sie noch fertigmachen! Das schwor sie sich! Am besten machte sie sich sofort auf den Weg, doch eine Frage brannte ihr noch auf der Zunge, wo sie schon mal auf Chiaki’s Eltern zu sprechen kamen. Es war schon sehr komisch für die Brünette, dass Kaiki nie über Hana gesprochen hatte. „Sind Chiaki’s Eltern eigentlich verheiratet?“ Etwas irritiert sahen sich die drei Mädchen an. Sollten sie es ihr wirklich erzählen? „Nein, nicht mehr. Aber lass es dir lieber von Hana oder Miyako erzählen.“ „Okay, Leute, ich muss dann mal los. Ich hab noch was vor.“ Dass sie Chiaki dabei in der Luft zerfetzen wollte, behielt sie besser für sich. Schnell drückte sie Mika das Geld für den Cocktail in die Hand. "Bezahlt doch bitte meinen Cocktail, ja? Oh, und sagt Miyako bescheid, dass ich leider gehen musste, okay? Danke!“ Und schon war sie von der Terrasse und dem Cafe verschwunden. Chiaki lag auf der Couch, hatte die Augen geschlossen und schlummerte ein wenig vor sich hin. Er hatte im Krankenhaus heute Nachtschicht und musste deshalb ausgeruht sein. Seine Verlobte war ausgegangen und deshalb hatte er alle Ruhe der Welt. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er allerdings nicht, dass eine wutentbrannte Maron auf dem Weg zu ihm war, um ihm den Kopf abzureisen. Auf einmal hämmerte eben genannte an die Tür, während sie mit der anderen Hand unentwegt auf die Klingel drückte, mit ihrem Fuß ab und an an das Holz trat und ihre Stimme dazu benutzte zu schreien, dass er rauskommen solle. Für einen kurzen Moment versuchte Chiaki den Lärm zu ignorieren, was ohne weiteren Erfolg blieb. Laut knurrte er auf, stand auf und riss und Haustür auf. „Was willst du?“ schrie er sie an. „Was ich hier will? Du fragst mich allen Ernstes, was ich hier will? Ich werde dir sagen, was ich hier will: Am liebsten würde ich dich auf der Stelle zerstückeln und im Garten vergraben! Gib zu, dass ich nicht die einzige Frau war, mit der du Miyako betrogen hast!“ Seufzend fuhr sie sich durch die Haare. Woher wusste dieses Biest das schon wieder? „Ich habe niem…“ „Lüg mich nicht an!“ fuhr sie ihm dazwischen. „Na gut, ich gebe es zu! Na und? Miyako lässt mich einfach nicht ran!“ „Und das ist ein Grund sie zu betrügen? Du bist echt das Letzte, Chiaki! Du bist keinen Deut besser als diese ganzen anderen Drecksäcke auch!“ „Hey, nur weil ich die ein- oder andere Liebschaft hatte, heißt das nicht, dass ich genau so bin, wie all die anderen!“ Zischend sog sie die Luft ein. Dieser Kerl brachte sie doch immer wieder auf die Palme! „Ich werde dir schon noch beweisen, dass du so bist!“ Belustigt verschränkte er seine Arme vor der Brust. Jetzt wurde es interessant! „Ach, wollen Madame mir schon drohen, ja? Gut, beweise es mir!“ „Und ob ich das werde! Und eins kann ich dir sagen: wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen mich niemals kennengelernt zu haben!“ „Als ob ich es mir nicht jetzt schon wünschte.“ Mit einem empörten Ausruf verließ sie die Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu. Zurück blieb ein aufgebrachter Chiaki. ----------------------------------------------- Wäre schön, wenn ich kommentare bekommen würde :) lg Snuggle Kapitel 7: "Du bist eben doch nur ein Mann." -------------------------------------------- Upps, ich hatte eigentlich gedacht, dass ich das kapitel schon längst hochgeladen hatte ^^° Tut mir leid! Danke für eure Kommentare! ---------------------------------------------------------------------------------- Seufzend fuhr sich Chiaki durch die Haare, nachdem er eines der Krankenzimmer verließ, um eine kurze Pause zu machen. Heute Nacht waren die Patienten des Krankenhauses extrem penibel und riefen ihn bei jeder unwichtigen Kleinigkeit. Bisher hatte es nur einen wirklich wichtigen Fall gegeben, als ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert wurde, der aufgrund von zu viel Alkohol einen Autounfall gehabt hatte. Im Moment war Chiaki sehr froh darüber heute arbeiten zu müssen, weil ihm das half sich abzulenken. Die ganze Sache mit Maron machte ihn echt fertig. Woher hatte sie denn jetzt schon wieder gewusst, dass er öfter kleine Affären hatte? Dieses Biest bekam doch echt immer alles raus! Und dann noch diese kleine Anspielung, dass sie ihm noch zeigen würde, dass er ein Dreckskerl war, wie all die anderen Männer da draußen. Irgendwas heckte sie doch sicher wieder aus… In dem Moment kam Kaiki um die Ecke, der seinen Sohn sah, der total erschöpft und gestresst an der Wand lehnte. Er hatte schon mitbekommen, dass mit seinem Sohn in letzter Zeit etwas nicht stimmte. Er war teilweise total unkonzentriert und oft komplett übermüdet und demnach leicht reizbar. In langsamen Schritten ging der Ältere auf Chiaki zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter, was diesen aus seinen Gedanken aufschrecken ließ. „Was ist denn in letzter Zeit los mit dir?“, fragte er mit ruhiger Stimme. „…“ Keine Antwort. Stattdessen fuhr sich der Jüngere durchs Gesicht und seufzte leicht. Er hatte im Moment echt überhaupt keine Lust darüber zu reden. Sein Vater würde es eh nicht verstehen. Und er konnte ihm ja schlecht auftischen, dass er mit Maron geschlafen hatte, die ihm jetzt das Leben zur Hölle machte, weil er ihr seine Verlobung verschwiegen hatte. „Ist es wegen Maron?“ hakte Kaiki weiter nach. Ihm war schon bei dem Nachmittag bei Miyako’s Eltern aufgefallen, dass sich die beiden nicht sonderlich gut verstanden, was er gar nicht nachvollziehen konnte. Er hatte Maron als hübsche, nette, hilfsbereite junge Frau kennengelernt, die keiner Fliege etwas zu Leide tat. Mit einer Mischung aus Irritation und Wut sah Chiaki seinen Vater an. Warum wollte er immer alles wissen und warum in Gottes Namen kam er immer so nah an die Wahrheit ran? Dennoch antwortete er wahrheitsgemäß. „Ja, es ist wegen diesem kleinen Biest. Zufrieden?“ Der Ältere konnte genau hören, wie gereizt sein Sohn war. Da musste es ja ziemlich gekracht haben! „Guck mal, Chiaki. Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber vielleicht solltest du dich mit ihr versöhnen. Selbst, wenn sie etwas schwierig sein is…“ „Schwierig? Der Teufel ist schwierig, aber sie ist… Argh!“ Amüsiert lachte Kaiki auf. Er wusste ganz genau, dass Chiaki in seiner Jugend auf diese Art von Frau gestanden hatte. Aber jetzt hatte er ja Miyako und er würde sie ganz sicher nicht betrügen. Aber lustig würde es mit Sicherheit noch werden. Freundschaftlich schlug er seinem Sohn kurz auf die Schulter. „Mach jetzt noch ein bisschen Pause und geh dann wieder an die Arbeit, okay? Das wird sich schon wieder einrenken.“ Und damit ging er weiter seines Weges, bis er schließlich um die Ecke verschwand. Chiaki konnte seinem Vater nur verständnislos hinterher blicken. Von wegen ‚das wird sich wieder einrenken’. Dafür müssten sie sich schon gegenseitig an die Gurgel springen. Einen Moment blieb er noch so stehen, bis er beschloss dem Rat seines Vaters zu folgen und sich eine kleine Auszeit zu gönnen. Das würde ihm sicher gut tun. Als er nach seiner Schicht endlich nach Hause kam, wurde er schon von seiner Verlobten erwartet, die im Wohnzimmer auf der Couch saß und sofort aufsprang, als sie hörte, dass ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde. Zuerst lugte Chiaki nur mit seinem Kopf in die Wohnung, um nachzusehen, ob Miyako noch schlief oder schon wach war. Sie war keine Langschläferin und immer sehr früh auf den Beinen. Der junge Mann beneidete seine Verlobte geradezu darum, dass sie fast keine Schwierigkeiten hatte, morgens vor der Arbeit aus dem Bett zu kommen. Ein Wunder, wie er fand. Mit einem freudigen Ausruf sprang Miyako von der Couch auf, als der junge Mann die Wohnung letztendlich komplett betrat und den sanften Kuss erwiderte, den sie ihm auf die Lippen drückte. „Wie war es auf der Arbeit?“ fragte sie gleich nach. Eigentlich wollte Chiaki jetzt gar nicht darüber reden. Alles was er wollte war, ins Bett zu gehen und erstmal zu schlafen. „Was hältst du davon: Ich leg mich erstmal ins Bett und später kann ich dir dann alles bis ins kleinste Detail erzählen, einverstanden?“ „Einverstanden.“ Lächelte sie, bevor sie ihm noch einen kleinen Kuss auf die Lippen hauchte. Als er ein paar Stunden später das Schlafzimmer verließ, stand Miyako in der Küche um das Mittagessen vorzubereiten. Sie war in der Zwischenzeit kurz bei Maron gewesen, hatte mit Hana, Chiaki’s Mutter, telefoniert und machte jetzt das Essen, damit ihr Verlobter etwas hatte, während sie auf der Arbeit war. Er war ehrlich gesagt ein miserabler Koch und sie wollte ihn bei diesem Thema nicht sich selbst überlassen. Liebevoll legte der junge Mann seine Arme von hinten um sie und hauchte ihr ein paar sanfte Küsse in den Nacken. Im ersten Moment musste Miyako lächeln, doch dann erinnerte sie sich an ihr Gespräch mit Maron und das, was sie von dieser erzählt bekommen hatte, hatte sie doch ein wenig verärgert. „Ich habe vorhin mit Maron gesprochen“, langsam drehte sie sich in seiner Umarmung und sah ihm in die Augen. „Warum hast du dich noch nicht bei ihr entschuldigt? Du hattest es mir versprochen!“ Wieder musste Chiaki laut seufzen. Warum musste Miyako jetzt wieder auf Maron zu Sprechen kommen? Dabei hatte der Morgen doch so gut angefangen gehabt! „Tut mir leid, Schatz. Ich werde mich entschuldigen sobald ich sie das nächste Mal sehe.“ „Das trifft sich ja gut! Ich muss langsam zur Arbeit, bring ihr doch bitte das hier vorbei.“ Schnell hatte sie ihm einen Kochtopf, gefüllt mit Suppe, in die Hand gedrückt und ihn erwartungsvoll angesehen. „Eigentlich wollte ich…“ sofort hörte Chiaki auf zu reden, als er den skeptischen Blick seiner Verlobten sah. Es brachte sowieso nichts, sich jetzt rauszureden. Miyako würde hinter alles kommen! Mit einem erneuten lauten Seufzer ergab er sich seinem Schicksal und nahm den Topf in die Hand. Nachdem er Miyako verabschiedet hatte, die auf dem Weg zur Arbeit war, verließ er seine Wohnung ebenfalls und stand nun vor Maron’s Tür. Ihr würde er noch zeigen, wo der Hammer hängt! Als ob er sich entschuldigen würde! Da konnte sie warten, bis sie schwarz wurde! Ohne zu zögern klingelte er. Maron lag gerade auf der Couch und blätterte in einer Zeitschrift herum. Sie hatte erstaunlich gute Laune, was darauf zurückzuführen war, dass sie schon bald ihren gemeinen Plan in die Tat umsetzen könnte, der Chiaki beweisen würde, dass er auch nur ein gewöhnlicher Mann war, wie alle anderen Männer auch. Als Miyako vorhin bei ihr gewesen war, hatten sie ein wenig geredet und natürlich kamen sie auch auf den Nachmittag bei den Todaiji’s zu Sprechen. Maron hatte grinsen müssen, als ihre beste Freundin ihr erzählt hatte, dass Chiaki Miyako versprochen hatte, sich dafür zu entschuldigen. Natürlich wusste sie, dass er das niemals im Leben vorhatte. Wahrscheinlich würde er nur vorbeikommen um ihr den Hals umzudrehen. Wieder zierte ein fieses Grinsen ihre Lippen. Sie wusste ganz genau, dass Miyako ihn noch heute bei ihr vorbeischicken würde, damit er sich entschuldigen konnte. Und genau das würde ihm zum Verhängnis werden. In diesem Moment klingelte es an der Haustür. Maron sprang mit großer Vorfreude vom Sofa auf, schmiss die Zeitschrift in die nächst beste Ecke und begab sich zur Tür, nachdem sie noch einmal einen Blick in den Spiegel geworfen hatte. Alles perfekt! ‚Mission Chiaki’ konnte beginnen. Lächelnd öffnete sie die Eingangstür und blickte direkt in das ausdruckslose Gesicht von Chiaki. In seinen Händen hielt er einen silbernen Topf. „Hi.“, lächelte sie, womit sie den jungen Mann sichtlich verwirrte. „Miyako hat mir schon erzählt, dass du kommen würdest. Komm doch rein.“ Skeptisch musterte Chiaki die junge Frau. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie ihn am liebsten sofort töten, ihm den Topf abnehmen und die Tür vor seiner Nase zuschlagen würde, doch stattdessen bat sie ihn sogar in ihre Wohnung, als ob nichts gewesen wäre. Irgendwas war da sicher im Busch, doch schlafende Hunde sollte man besser nicht wecken also schwieg er vorerst. Schweigend ging Maron direkt in die Küche, gefolgt von Chiaki, der sie von hinten musterte. Sie trug einen kurzen, dunkelroten, leichten Rock, der mehr preisgab als er verdeckte. Darüber eine leichte, weiße Bluse, die sich durch den eher kühlen Stoff perfekt für das schwüle Wetter, das draußen herrschte, eignete. Ein wenig sah man ihren BH- Verschluss durch. Wenn Chiaki noch immer der Teenager von damals gewesen wäre, wäre er wahrscheinlich direkt über sie hergefallen um sie zu vernaschen. Schnell verwarf er diesen Gedanken wieder. Er war verlobt, Himmel, Arsch und Zwirn! „Möchtest du was Trinken?“ fragte sie ihn. „Nein danke.“ Für einen kurzen Moment kam Maron aus dem Konzept. Eigentlich hatte sie das anders geplant. Nun gut, dann musste eben sie das ganze ins Rollen bringen. Gekonnt holte sie ein Glas aus dem Hängeregal und füllte es mit Leitungswasser. Erst nahm sie einen kurzen Schluck, doch dann rutschte ihr ‚natürlich ganz aus Versehen’ das Glas aus der Hand und der Inhalt verteilte sich auf ihrer weißen Bluse bevor das Gefäß auf den Fliesenboden und dort zerbrach. Gespielt fluchend drehte sie sich zu Chiaki um und beobachtete zufrieden, dass er genau in ihre Falle getappt war. Chiaki hatte die ganze Situation beobachtet und stand, wie schon die ganze Zeit, schweigend und unschlüssig in der Wohnung. Eigentlich wollte er der jungen Frau nur das Essen von Miyako bringen und sofort wieder verschwinden. Doch als das Glas zu Boden fiel wurde er aufmerksamer. Und diese Aufmerksamkeit steigerte sich noch mehr, als sich Maron fluchend zu ihm umdrehte. Fast augenblicklich weiteten sich seine Augen als er sie ansah. Die Bluse hatte sich mit dem Wasser voll gesogen und war dadurch so durchsichtig geworden, dass er einen wunderbaren Blick auf ihren schwarzen Spitzen-BH geschenkt bekam. Und er musste zugeben, dass ihm dieser Anblick gefiel, Streit hin oder her. Maron hatte schon mitbekommen, dass ihm wohl gefiel was er sah. Doch für die Reaktion, zu der sie ihn bringen wollte, musste sie ihn wohl noch etwas mehr reizen. Das konnte er gerne haben. Langsam drehte sie sich wieder um, griff nach einem Geschirrhandtuch, um seufzend auf die Knie zu gehen, um die Glassplitter aufzusammeln. Doch natürlich auch das nicht, ohne Hintergedanken. Als sie sich nämlich nach vorne beugte, sodass sie sich auf einer ihrer Hände abstützten konnte, rutschte ihr Rock ein Stück nach oben und gab dem jungen Mann einen weiteren Einblick preis. Chiaki konnte spüren, wie sich etwas in ihm regte und er kurz davor war scharf Luft einzuziehen, als ihm auch ihr Rock einen viel versprechenden Einblick gewährte und er genau auf ihr ebenfalls schwarzes Höschen blicken konnte. °Nur nicht schwach werden!° ermahnte er sich selbst in Gedanken, doch diese Frau machte es ihm wirklich schwer, wenn sie so war. Er spürte schon deutlich, dass seine Selbstkontrolle bröckelte und er am liebsten zu ihr gehen und sonst was mit ihr anstellen würde. Wieder versuchte er diesen Gedanken abzuschütteln, was ihm diesmal nicht so wirklich gelingen wollte. Maron musste grinsen. Sie hatte ihn schon fast da, wo sie ihn haben wollte. Jetzt musste sie nur noch ihr letztes Ass aus dem Ärmel packen und die Falle würde zuschnappen. Langsam stand sie wieder von dem kalten Boden auf, legte das Handtuch neben die Spüle und wandte Chiaki weiterhin den Rücken zu. „Könntest du dich bitte kurz umdrehen?“ fragte sie ihn leise und begann ihre Bluse aufzuknöpfen, wissend dass er ihrer Bitte nicht nachkommen würde. Der junge Mann konnte seine Augen nicht von der brünetten Schönheit abwenden. Sie trieb ihn schon fast in den Wahnsinn mit dem Blick auf ihre Unterwäsche. Als sie ihn darum bat sich umzudrehen, dachte er gar nicht daran. Wenn er aber gewusst hätte, was sie damit bezweckte, hätte er es wohl getan. Er konnte es nicht glauben, als sie begann den ersten Knopf ihrer weißen, wassergetränkten Bluse aufzuknöpfen. Und genau in diesem Moment schaltete sein kompletter Verstand aus. Vergessen waren all die Streitereien und Rachepläne. Er wollte sie. Jetzt. In schnellen Schritten war er bei ihr, schlang seine starken Arme von hinten um sie, um sie nah an sich heran zu ziehen. Seine rechte Hand befreite er schon kurz darauf aus der Umarmung, strich ihre lange, braune Mähne auf die linke Seite, legte ihren Hals frei. Fast schon zärtlich begann er ihren Hals mit seinen Lippen zu verwöhnen, biss ab und an kurz in die zarte Haut. Jedes mal entstanden kleine, rote Male, die er anschließend wieder mit seiner Zunge besänftigte. Seine Hände ließ er währenddessen auf Wanderschaft gehen, fuhr geradezu gierig ihre Konturen nach. Maron musste aufseufzen, als sie seine Lippen an ihrem Hals spürte. Sie konnte nicht behaupten, dass es ihr nicht gefiel was er tat, doch er brachte damit ihre gesamte Planung durcheinander. Schnell löste sie sich aus seiner Umarmung. Grinsend sah sie ihn an. „Na, na, na, dürfen Verlobte Männer sowas?“ Für den jungen Mann war es, als wäre sein Kopf komplett leer gefegt. Miyako, gelöscht. Verlobung, gelöscht. Dass er Maron eigentlich hassen sollte… gelöscht. Alles was für ihn zählte war die Lust und Leidenschaft, die sich in ihm ausbreitete und alles was er wusste war, dass er so unglaublich scharf auf diese Frau war. Ehe sich die Brünette versah, befand sie sich an ein Stück Wand gepresst, Chiaki’s Lippen erneut an ihrem Hals. Sie konnte seinen heißen Atem spüren, die Hitze, die von seinem Körper ausging, seinen Duft wahrnehmen. Widerwillig musste sie laut seufzen. Warum musste dieser Mann auf sie so anziehend wirken? Immer tiefer wanderten seine Hände, bis sie sich schließlich um ihren Hintern legte und er einmal grinsend hinein kniff, was Maron lediglich mit einer gespielt empörten Mimik quittierte. Während er sich wieder genüsslich ihrem Hals widmete, kleine sanfte Bisse verteilte und immer wieder über die kleinen roten Male leckte, knöpfte er geschickt die restlichen Knöpfe ihrer Bluse auf, um diese letztendlich von ihren Schultern streifen zu können. Er musste zugeben, dass ihm gefiel, was sie ihm zu bieten hatte. Laut seufzte Maron auf, als sie spürte, wie Chiaki seine großen Hände an ihre Oberschenkel legte, diese leicht massierte und erst ihr rechtes, dann ihr linkes Bein nach oben schob. Halt suchend schlang sie ihre Beine um seine Hüfte, was dazu führte, dass sie seine Erregung noch mehr spüren konnte. Laut stöhnten beide auf als er begann sich an ihr zu reiben. Auch Maron musste zugeben, dass sie mehr als erregt war, doch sie würde es auf keinen Fall so weit kommen lassen. Sie würde ihren Plan einfach eiskalt durchziehen. Jetzt würde sie spielen! Geschickt knöpfte sie die Knöpfe seines Hemds auf, ließ es letztendlich achtlos auf den Boden fallen und musterte seinen Körper. Ein Leuchten schlich sich in ihre Augen, als sie seinen trainierten Oberkörper sah. Nur leicht fuhr sie mit ihren Fingerspitzen über seine Haut. Langsam ließ sie ihre freie Hand weiter nach unten gleiten, während ein Grinsen ihre glänzenden Lippen zierte. Sie würde ihn verrückt machen, in den Wahnsinn treiben und dort einfach versinken lassen. Er würde schon noch sehen, was er von dem hier haben würde. Genüsslich schloss er seine Augen, als er ihre zierlichen Finger spürte, wie sie sich immer weiter südlich befanden. Er freute sich sichtlich auf das Kommende. Ein enttäuschter Laut entwich seiner Kehle, als sie einfach nur begann am Bund seiner Hose zu zupfen. Immer wieder ließ sie den Stoff gegen seine Haut schnalzen, doch er wollte mehr! Viel mehr! Quälend langsam öffnete sie den Knopf seiner Hose, der Reiseverschluss folgte. Einen kurzen Moment hielt sie ihre Hände still, tat überhaupt nichts. Fast wäre ihm ein Wimmern entkommen. Sie sollte weitermachen! Einige Sekunden später jedoch kam wieder Bewegung in ihren Körper. Mit ihren Lippen verwöhnte sie seinen trainierten Oberkörper, während sich ihre Hand langsam aber sicher tiefer schlich und Stück für Stück in seiner Hose verschwand. Für Chiaki war es die pure Folter, dass sie ihr Tun so hinauszögerte. Und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, erreichte sie schließlich ihr Ziel. Stöhnend warf er seinen Kopf in den Nacken. Gott, wie sehr er diese Frau doch wollte! Einige Momente verharrte sie in dieser Position, bevor sie ihre Hand wieder zurückzog und ihn nur angrinste. Zu seiner Verwunderung löste sie auch ihre Beine, sodass er sie –zu seinem Bedauern- wieder auf dem Boden abstellen musste. Interessiert beobachtete er sie, versuchte herauszufinden, was sie nun schon wieder vorhatte. Breit grinsend ging sie rückwärts auf ihr Schlafzimmer zu. Im Vorbeigehen zog sie den Vorhang zu, der als Raumteiler diente und verwehrte ihm somit den Blick auf sie. Mit verschränkten Armen und einem Grinsen im Gesicht, achtete er auf jede ihrer Bewegungen und als er sah, dass sie auf das Bett zuging, hatte er schon eine Ahnung was sie vorhatte. Und er musste zugeben, dass ihn das zufrieden stimmte. Lächelnd ging er auf den Raumteiler zu, den sie zugezogen hatte, umfasste den Stoff und nach kurzem Zögern zog er den Stoff beiseite. Erneut riss er seine Augen auf, als er Maron sah. Sie hatte ihren Rock ebenfalls entfernt, der jetzt neben dem Bett lag, und kuschelte sich, nur in Unterwäsche, in das Laken ihres Bettes. Wild lagen ihre langen Haare auf der dunkelroten Bettwäsche. Herausfordernd blickte sie ihm in die Augen. Spätestens in diesem Moment konnte ihn nichts mehr halten. In Null komma Nichts war er bei, legte sich zwischen ihre Beine, begann sich wieder an ihr zu reiben, bewegte seine Hüfte gegen die ihre. Doch kaum war er in dieser Position, drehte Maron den Spieß um und saß nun auf ihm, ließ ihre Hüfte dabei auf seiner Erregung kreisen, was ihn schier wahnsinnig machte. Kurz befeuchtete sie ihre Lippen, beugte sich dann nach vorne, knabberte an seinem Ohrläppchen bevor sie etwas hineinwisperte. „Siehst du… du bist eben doch nur ein Mann.“ Irritiert sah er sie an. Was hatte sie gerade gesagt? Das konnte sie unmöglich ernst meinen! Allerdings bestärkte sie ihre Worte damit, dass sie aufstand, um zu ihrem Kleiderschrank zu gehen, wo sie eine Shorts und ein frisches Top herausholte, um sich wieder anzuziehen. Chiaki währenddessen lag noch immer ungläubig da und starrte an die Decke. Was war das eben gewesen? Erst machte sie ihn scharf und jetzt ließ sie ihn einfach so fallen? Er wollte nicht aufhören! Chiaki setzte sich in dem Bett auf und sah sie an. „Ist das dein Ernst?“ Gespielt unwissend blickte sie ihn an. „Ich weiß nicht was du meinst. Aber wolltest du nicht gehen?“ „Bitte was?“ Er konnte nicht glauben, was er eben gehört hatte. Das war echt zu viel! Knurrend stand er auf, verließ das Schlafzimmer. Kurzerhand schnappte er sich sein Hemd, das noch immer zwischen Küche und Wohnzimmer lag, und zog es an. Die Knöpfe schloss er nur flüchtig. Die Tür schlug er laut zu. Dass er Glück hatte, dass ihm niemand auf dem Flur begegnete, war ihm in diesem Moment nicht bewusst. Immerhin konnte man noch immer eine kleine Beule in seiner Jeans sehen. In seiner Wohnung angekommen ließ er sich direkt an der Wand hinab gleiten und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Was sollte das eben? ------------------------------------------------------------- Wäre schön, wenn ihr mir ein paar Kommentare dalassen würdet :) bis zum nächsten kap! hel eure Snuggle♥ Kapitel 8: Doppeldate --------------------- Tut mir tierisch leid! Ich habe mal wieder ewig gebraucht! Und vielen Dank für eure Kommentare :) Ich habe mich sehr darüber gefreut :D ------------------------------------------------- Reglos stand Chiaki unter der kalten Dusche und hielt seine Augen geschlossen. Seine Gedanken waren gefüllt mit Maron und dem, was sie vorhin getan hatte. Warum hatte er sich so einfach um den Finger wickeln lassen? Warum hätte er beinahe wieder mit ihr geschlafen? Warum hatte er in diesem Moment nicht den Hass verspürt, den er eigentlich verspüren sollte? Und warum schmerzte ihn der Gedanke, dass sie ihn nur ausgenutzt hatte? Zu viele Fragen auf die es keine Antwort gab. Oder vielleicht nur Fragen auf die er keine Antwort haben wollte? Sie hatte schon wieder eine solche Leidenschaft in ihm entfacht, die sich jeden Tag mehr und mehr steigerte und deren Stillung ihm von seiner Verlobten verwehrt wird. Tag für Tag. Eines stand fest: Er wollte Maron! Auch wenn er damit seine Beziehung auf die Kippe stellen würde, er wollte diese Frau um jeden Preis! Es beunruhigte Chiaki, dass er nicht die Gefühle verspürte, die er eigentlich für die Brünette empfinden müsste, die ihn so listig hintergangen hatte. Doch seine Wut war so schnell wieder verschwunden, wie sie es nur eine Stunde zuvor in Maron’s Wohnung verschwunden war. Noch gut zwanzig Minuten blieb er einfach nur in Gedanken versunken stehen und ließ das Wasser auf seinen nackten Körper prasseln. Dann stellte er das Wasser ab, stieg aus der Dusche und wickelte sich ein Handtuch um die Hüfte. Er brauchte dringend Ablenkung! Als er jedoch das Bad verließ, wusste er nicht, wo er diese finden sollte. Das einzige, das ihm auf Anhieb einfiel, war der Fernseher. Seufzend ging er auf diesen zu. Er wusste jetzt schon, dass das nichts bringen würde, aber einen Versuch war es immerhin wert. Maron lag auf ihrer Couch, richtete ihren Blick an die Decke und dachte nach. Auf der einen Seite freute sie sich, dass ihr Plan so aufgegangen war, wie sie es geplant hatte, doch auf der anderen Seite plagten sie wieder diese Schuldgefühle. Laut ihrer Planung dürfte sie diese eigentlich nicht haben. Sie hatten weder Sex gehabt, noch hatten sie sich geküsst, doch sie hatte nicht geplant, dass ihr gefallen würde, was er tat. Hatte sie Miyako damit letztendlich doch hintergangen? Das war genau das, was sie hatte vermeiden wollte. War dieses schlechte Gewissen vielleicht doch berechtigt? Warum musste dieser Dreckskerl aber auch so anziehend sein? Maron musste sich eingestehen, dass sie nach dieser kleinen „Turtelei“ einer Affäre nicht abgeneigt wäre- wenn er nicht mit ihrer besten Freundin verlobt wäre! Sie hatte in Sachen Liebe doch immer ein solches Händchen für die Falschen! Wütend schüttelte sie ihren Kopf. Wie konnte sie auch nur eine Minute an eine Affäre mit diesem aufgeblasenen Affen denken? Er ist ein Idiot und würde noch immer einer sein, wenn er Single wäre! Punkt! Seufzend stand die Brünette auf, um ziellos in ihrer Wohnung herumzulaufen. Sie wusste beim besten Willen nicht, was sie tun könnte, um diese fiesen Gedanken abzuschütteln. Chiaki würde sie fürs Erste aus dem Weg gehen. Er hatte seine Lehre bekommen und die 24-jährige wollte nicht, dass Miyako letztendlich doch noch hinter alles kam. Still ließ sie sich wieder auf der Couch nieder und begann in einer Zeitschrift zu blättern. Chiaki war vor dem Fernseher eingeschlafen und wachte erst wieder auf, als ein Schlüssel geräuschvoll in das Schloss der Haustür gesteckt wurde. Verschlafen rieb er sich die Augen und warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war bereits früher Abend. Das musste wohl Miyako sein, die ausnahmsweise pünktlich von der Arbeit kam, was für sie eher ungewöhnlich war. Sie ist eher ein Mensch, der sich so sehr in seine Arbeit reinhängt, dass sie nicht eher Feierabend machte, bevor sie nicht alles erledigt hatte, was es zu erledigen gab. Noch ein letztes Mal wurde der Schlüsse herumgedreht, bevor sich die Tür öffnete und Miyako in die Wohnung kam. Auch heute schien sie recht gut gelaunt zu sein und kam mit einem Lächeln in das Wohnzimmer, wo sie Chiaki auf der Couch vorfand. Seine Augen hatten einen noch immer sehr verschlafenen Eindruck, seine Haare waren sehr durcheinander. Miyako’s Gesichtsausdruck wandelte sich von fröhlich zu belustigt. „Du hast nicht ernsthaft geschlafen, oder?“ fragte sie ihren Verlobten. „Ach, Quatsch. Wie kommst du denn darauf?“ „Versuche es nicht zu leugnen, Chiaki Nagoya!“ Mit diesen Worten verschwand sie in der Küche und suchte in der Küche nach etwas Essbarem. Normalerweise aß sie in ihrer Mittagspause, aber heute hatte Miyako einmal pünktlich Feierabend machen wollen, um etwas Zeit mit Chiaki zu verbringen. Dieser brauchte noch einen kurzen Moment um richtig wach zu werden und folgte Miyako erst nach ein paar Minuten. Kaum hatte er die Küche betreten, wurde er schon von der jungen Frau angesprochen. „Du hast dir ja die Suppe, die ich extra für dich gekocht hatte, gar nicht warm gemacht!“ Der junge Mann schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Tut mir leid, Schatz. Ich muss das total vergessen haben.“ Schulterzuckend nahm die 24-Jährige den Topf mit der Suppe und wandte sich dem Herd zu. Stumm saßen sich die beiden gegenüber und löffelten die Suppe. Eigentlich war das Wetter überhaupt nicht geeignet dafür. Es ist unglaublich schwül, die Sonne scheit gnadenlos vom Himmel, weit und breit ist kein Wölkchen zu sehen und die Temperaturskala klettert rasant in Richtung der 30-Grad-Marke. Da Miyako das Essen aber nicht wegwerfen wollte und sie generell ein sehr sparsamer Mensch war, hätte sie sich nicht bereit erklärt etwas anderes zu kochen. Wieder einmal war Chiaki am Nachdenken, als Miyako die Stille durchbrach, die beim Essen so gut wie immer herrschte. „Hattest du dich jetzt eigentlich bei Maron entschuldigt, Chiaki?“ Verdammt! Warum musste sie schon wieder auf dieses Thema kommen? Was sollte er Miyako sagen? ‚Ja, Schatz. Und bei dieser Gelegenheit bin ich beinahe auch gleich mit ihr in die Kiste gesprungen’? Vor Allem… hatte er sich eigentlich bei ihr entschuldigt? Er konnte sich nicht mehr ganz erinnern. Alles woran er sich erinnern konnte war, als Maron… Schnell verwarf der junge Mann die Gedanken an das Geschehene. Er sollte in der Gegenwart seiner Verlobten nicht daran denken. Wer weiß, was ihm herausrutschen würde. Er brauchte dringend Ablenkung! Und da kam ihm die rettende Idee. „Ja, hab ich. Aber sag mal, jetzt haben wir schon ein wenig Zeit. Was hältst du davon, wenn wir heute Abend mal wieder irgendwo hingehen?“ versuchte er das Thema elegant zu wechseln. „Ja, wieso nicht. Woran hast du denn gedacht?“ „Ich weiß nicht. Worauf hast du denn Lust? Kino, Disco…?“ „Mmhhh…“, kurz überlegte Miyako „ Disco hört sich nicht schlecht an. Hey! Mir kommt da eine tolle Idee! Warum nehmen wir nicht Maron mit? Immerhin habt ihr euch ja jetzt versöhnt!“ Eigentlich hatte sich auf Chiaki’s Gesicht ein flüchtiges triumphierendes Lächeln geschlichen, das bei Miyako’s Worten sofort wieder verschwand. „Weißt du Liebling… ich dachte eigentlich, dass wir alleine gehen- nur wir zwei.“ Versuchte er die Situation noch einmal zu retten. Wie sollte er sich bitte ablenken, wenn dieses kleine Biest schon wieder dabei war?! „Aber Maron kennt hier doch noch so gut wie niemanden! Was hältst du davon, wenn wir noch Yamato mitnehmen. Dann können wir sowas wie ein Doppeldate daraus machen!“ „Yamato? Yamato Minazuki?“ Chiaki musste einen Würgereiz unterdrücken. Yamato war mit ihm und Miyako zusammen zur Schule gegangen. Er war eigentlich ein eher plumper, schüchterner und tollpatschiger Junge gewesen. Aber mit den Jahren hatte sich alles geändert. Er wurde immer offener, tat etwas für sein Aussehen und wurde regelrecht attraktiv. Nach seinem Studium übernahm er die Firma, die einst sein Großvater leitete und verdiente sich einen goldenen Hintern damit. Kurzum: heute war er ein superreiches, schnöseliges Arschloch. Miyako hatte das allerdings noch nicht so wahrgenommen. Yamato hatte eine Frau nach der nächsten, führte aber aus Prinzip keine ernsthaften Beziehungen. Und sowas wollte seine Verlobte auf ihre beste Freundin loslassen? Das würde er auf gar keinen Fall zulassen! Immerhin hatte er noch eine Rechnung mit Maron zu begleichen. Was soviel hieß, dass er selbst der einzige Mann war, der sich an sie ranmachen durfte! Miyako verstand nicht so ganz, warum Chiaki’s Gesichtsausdruck auf einmal so sauer war. In der Schule hatte er sich mit Yamato eigentlich ganz gut verstanden. „Was hast du denn?“ fragte sie ihren Verlobten etwas irritiert. „Ich finde die Idee mit Yamato gar nicht so gut. Er hat es noch nie ernst mit Frauen gemeint.“ „Dann wird es höchste Zeit, dass eine Frau kommt, die ihn in die Schranken weißt. Und ich glaube Maron ist da genau die Richtige!“ Vergnügt sprang sie auf und steuerte auf das Telefon zu, um Maron und Yamato Bescheid zu geben. Widerwillig ging Chiaki in das Badezimmer um sich- wohl oder übel- für das so genannte „Doppeldate“ fertig zu machen. Seufzend stand Maron vor ihrem Spiegel. Miyako hatte sie vor ungefähr einer Stunde angerufen, um ihr mitzuteilen, dass sie und Chiaki heute Abend in eine Disco gehen wollten und hatte sie gefragt, ob sie nicht auch mitgehen wolle. Eigentlich hatte die junge Frau überhaupt keine Lust, vor Allem weil Chiaki wieder einmal dabei war. Leider war ihr spontan keine gute Ausrede eingefallen. So ein Mist! Außerdem hatte Miyako noch von einem Yamato Minazuki gesprochen, der ebenfalls mitkommen würde. Zwar war Maron nicht gerade in der Stimmung Männer kennenzulernen, aber vielleicht könnte sie das auf andere Gedanken bringen, als immer nur diesen Mistkerl Chiaki Nagoya! Ein letztes Mal checkte die Brünette ihr Aussehen. Sie hatte sich ein dunkelrotes Cocktailkleid angezogen, das ihr knapp bis über die Knie reichte. Der Stoff war leicht und das Kleid trägerlos. In solchen Discos konnte es ziemlich heiß werden. Besonders auf der Tanzfläche. Dazu trug sie hohe, schwarze Schuhe. Ihre lockigen Haare hatte sie sich teilweise hochgesteckt, sodass nur vereinzelte Strähnen in ihr Gesicht hingen. Schminke hatte sie nur sehr dezent aufgetragen. Schon einen Moment später klingelte es an der Haustür. Mit gespielt guter Laune öffnete sie die Haustür und begrüßte Miyako, die tatsächlich gute Laune zu haben schien. Chiaki der neben ihr stand, würdigte Maron allerdings keines Blickes. Stattdessen sah er sich nur ziellos im Hausflur um, als wäre er noch nie in seinem Leben hier gewesen. „Yamato treffen wir erst an der Disco. Er ist sehr spät aus seiner Firma gekommen.“ Erklärte Miyako, während sie die Umarmung wieder löste. Maron holte noch schnell ihre Handtasche aus der Wohnung, schloss die Tür hinter sich und verschloss diese, indem sie den Schlüssel zweimal im Schloss drehte. „Okay, ich bin soweit! Wollen wir?“ verkündete sie lächelnd und ging in Richtung des Aufzuges. Als sie bei der Disco ankamen, fiel Maron sofort ein Mann ins Auge, der auf etwas oder jemanden zu warten schien. Das musste wohl dieser Yamato sein, von dem Miyako gesprochen hatte. Ihr Verdacht bestätigte sich, als ihre beste Freundin auf diesen zuging und zu ihr führte. „Maron? Darf ich vorstellen: Das ist Yamato Minazuki. Yamato: meine beste Freundin Maron Kusakabe!“ Verkündete die junge Frau strahlend. Yamato ergriff die Hand der Brünetten und küsste diese kurz. „Es ist mir eine Ehre sie kennenzulernen. Miyako hat mir schon viel von ihnen erzählt.“ Chiaki wandte seinen Kopf ab und streckte seine Zunge raus, als müsse er sich übergeben. Er hasste dieses schnöselige Gehabe! Dieser Kerl sollte nur seine Finger von Maron lassen! Der junge Mann konnte deutlich spüren, dass eine Mischung aus Wut und Eifersucht in ihm hochkroch. Maron unterdessen errötete leicht. Charmant schien dieser Yamato schon mal zu sein. Sie begann ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Er hatte kurze braune Haare, von denen ihm wenige Strähnen ins Gesicht hingen. Seine Gesichtszüge waren markant und unter dem engen Hemd, das er trug, zeichneten sich leichte Muskeln ab, was ihn sehr attraktiv machte. „Warum lassen wir das Förmliche nicht und duzen uns?“ versuchte sie das Ganze etwas aufzulockern. Eigentlich stand sie nicht auf Typen, die versuchten sich mit Handküssen oder Ähnlichem einzuschleimen. Da sie aber bereits bemerkt hatte, dass Chiaki Yamato nicht besonders leiden konnte, sah sie kein Problem ein wenig mit diesem zu flirten. „Sehr gerne.“ Mit einem charmanten Lächeln bot er der 24-Jährigen seinen Arm zum Einhaken an und führte sie anschließend in die Disco. Chiaki saß gelangweilt auf einem der Barhocker und schaute Maron zu, wie sie auf der Tanzfläche mit diesem reichen Schnösel tanzte. Miyako war zurzeit auf der Toilette. In seinem Blick spiegelte sich die pure Eifersucht. Er wollte sie! Und da würde ihm Yamato auf keinen Fall in die Quere kommen! Er spürte, wie sich erneut etwas in sich regte, wenn er die Brünette so tanzen sah. Am liebsten wäre er direkt über sie hergefallen, so scharf sah sie dabei aus. Yamato dagegen sah eher sehr unbeholfen aus, kam sich selbst aber sichtlich toll vor. Und auf sowas standen manche Frauen? Wahrscheinlich machte Yamato Frauen nur bei Dates klar, bei denen er nicht tanzen musste oder die Frauen von Grund auf betrunken waren. Die Musik war so laut aufgedreht, dass Chiaki nicht bemerkte, dass seine Verlobte von der Toilette zurückgekommen war und ihn fragte, ob irgendetwas sei. Erst nachdem sie ihm zum dritten Mal ihre Frage gestellt hatte, verneinte er. „Willst du tanzen?“ rief Miyako Chiaki entgegen. Dieser schüttelte allerdings nur mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf. Er war nun wirklich nicht in der Stimmung dafür. Miyako lächelte ihm noch einmal zu und verschwand dann auf der vollen Tanzfläche. Die Disco war sehr modern eingerichtet und war sehr sauber. Das meiste im Raum war in weiß gehalten und überall waren Lichter angebracht, die entweder in rosa oder grün aufleuchteten. Die Tanzfläche wurde durch Fliesen symbolisiert, die in den verschiedensten Farben blinkten oder aufleuchteten. Eine kleine Treppe mit zwei Stufen trennte diesen Bereich von den anderen Teilen der Disco. Gelangweilt seufzte der junge Mann auf und beobachtete weiterhin Maron. Es musste sich doch irgendwie eine Gelegenheit ergeben ihr näher zu kommen, ohne dass Miyako oder sonst wer etwas davon mitbekam! Chiaki wurde erst wieder aufmerksam, als die Brünette Yamato etwas ins Ohr rief, um die Musik zu übertönen und dann in Richtung der Toiletten verschwand. Schnell sprang er auf und warf noch schnell einen flüchtigen Blick zu seiner Verlobten, die sich offensichtlich blendend amüsierte und keine Anstalten machte, die Tanzfläche in näherer Zeit zu verlassen. Kurz blickte sich Chiaki auffällig unauffällig um und machte sich anschließend ebenfalls auf den Weg zu den Toiletten. Jetzt oder nie. Das war seine Chance! Der Gang, in denen sich die Toiletten befanden, war ebenfalls sehr reinlich und weiß gefliest. Für Männer und Frauen gab es jeweils mehrere Toiletten, sodass keine langen Wartezeiten entstehen konnten. Zurzeit befand sich aber kaum eine Menschenseele in diesem Flur. Er konnte gerade noch sehen, dass Maron in der hintersten Damentoilette verschwand und sah sich noch einmal um, ob ihn auch wirklich niemand beobachtete. Zufrieden stellte er fest, dass dem nicht so war und folgte ihr letztendlich mit schnellen Schritten. Als er den Raum betrat, beugte sich Maron gerade über das Waschbecken, um ihr Gesicht mit einer Hand voll Wasser zu kühlen. Sie hatte ihn anscheinend noch nicht bemerkt. Ohne ein Geräusch von sich zu geben, kontrollierte er, ob sie alleine waren. Da dies der Fall war, nahm er den Mülleimer, der eigentlich geleert werden müsste und stellte ihn an die Tür, in der Hoffnung, dass er verhindern würde, dass sie von irgendjemandem gestört würden. Als Maron sich wieder aufrichtete und in den Spiegel blickte, erschrak sie, als sie Chiaki sah. Was wollte er hier? Sie wollte ihm doch aus dem Weg gehen! „Ich glaube du hast dich verlaufen.“ Murmelte sie ohne sich umzudrehen. „Wieso?“ „Das ist die Mädchentoilette.“ „Na und?“ Seine Antworten waren nur sehr knapp und beiläufig. Mit jedem Wort kam er ihr näher. Langsam wurde Maron nervös. Er gab ihr keine richtigen Antworten und kam ihr immer näher. Was hatte er nun schon wieder vor? Schließlich hatte er sie erreicht, schlang seine Arme von hinten um ihre Taille, sodass er sie näher an sich ziehen konnte. Erschrocken keuchte sie auf. Verlangend und doch fast zärtlich begann er ihren Hals zu küssen. Eine gewisse Erleichterung machte sich in ihm breit. Widerwillig schloss die 24-Jährige ihre Augen und musste wieder einmal feststellen, dass sie genoss, was er tat. „Chiaki… nicht!“ versuchte sie sich halbherzig zu wehren. Dass sie allerdings kläglich versagte, musste sie im gleichen Moment feststellen. Als er von ihrem Hals abließ und begann an ihrem Ohrläppchen zu knabbern, war es vollkommen um sie geschehen und sie seufzte auf. „Sicher?“ flüsterte er. Von Seiten Maron’s kam keine Reaktion. Er sollte nicht aufhören! Kurz schreckte sie aus ihren Gedanken hoch, als er sie umdrehte, auf das Waschbecken setzte und sich zwischen ihren Beinen platzierte. „Das war nicht in Ordnung, was du heute Mittag mit mir gemacht hast, Prinzesschen.“ Wisperte er in ihr Ohr. „Ich weiß nicht was du meinst.“ Antwortete sie, während sie ihre Augen noch immer geschlossen hielt. „Ach nein? Vielleicht muss ich dich erst noch einmal daran erinnern.“ Mit einem Ruck zog er sie noch näher an sich heran, rieb sich an ihr, während er immer wieder leicht in ihren Hals biss und kleine rote Male entstehen ließ, die er mit seiner Zunge besänftigte. Maron stöhnte auf. Das wollte sie doch gar nicht mehr zulassen! Aber es war viel zu gut, um jetzt aufzuhören. Die Tatsache, dass Miyako jederzeit hereinplatzen könnte, hatte sie komplett vergessen. Dieser Mann benebelte ihre Sinne viel zu sehr. Fordernd massierte Chiaki ihre Oberschenkel. Dass sie ein Kleid trug und er ihren Slip spürte, erregte ihn umso mehr. Eins war sicher: Er wollte sie. Jetzt. Er verteilte noch ein paar Küsse auf ihrem Hals, knabberte an ihrem Ohrläppchen und entfernte anschließend sein Gesicht ein kleines Stück, um ihr in die Augen sehen zu sehen. Ihr Blick war noch etwas verschleiert, als befände sie sich in einer Art Trance. Und doch konnte er Verlangen in ihnen lesen. Verlangen, Sehnsucht und noch etwas anderes, das er allerdings nicht genau definieren konnte. Langsam senkte er seinen Kopf und kam ihrem Gesicht immer näher. Und dann legte er endlich nach so langer Zeit seine Lippen auf ihre. Maron genoss diesen Kuss in vollen Zügen. All die Gedanken, die sie sich vor nur wenigen Stunden gemacht hatte, waren wie weggeblasen. So, als hätte sie sie nie gehabt. Ohne auf seine Bitte um Einlass zu warten, öffnete sie ihren Mund, um ihn diesen zu gewähren. Schon eine Sekunde später konnte sie spüren, wie seine Zunge immer wieder die ihre berührte und mit ihr spielte. Und noch immer war ihr Kopf wie leergefegt. Als er jedoch seine Hände um ihren Hintern legte und in diesen kurz hinein kniff, war es als würde sie aus ihrer Trance erwachen. Geschockt riss sie ihre Augen auf und stieß ihn von sich. Verwirrt schaute Chiaki die junge Frau an. „Was ist los?“ wollte er wissen, während er schon wieder auf sie zuging. Als er schon wieder seine Lippen auf die ihren legen wollte, sah sie keinen anderen Ausweg und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Mit vor Schock weit aufgerissenen Augen stieß sie den Mülleimer von der Tür, womit sie diesen zu Fall brachte und rannte aus der Toilette. Was hatte sie nur getan?! Bevor sie wieder in den eigentlichen Bereich der Disco kam, blieb sie stehen, kontrollierte ob ihre Kleidung am rechten Platz saß und ging erst dann zu den anderen zurück. Ihr fiel sofort Yamato ins Auge, der an der Bar saß. Miyako war weit und breit nicht zu sehen und an Chiaki wollte sie im Moment überhaupt nicht denken. Wie hatte sie nur wieder so dumm sein können? Schnurstracks ging sie auf ihre ‚Begleitung’ zu, von der sie herzlich begrüßt wurde. „Ah, Maron! Da bist du ja wieder! Willst du was Trinken? Einen Cocktail oder einen Schnaps?“ Bei dem Wort ‚Schnaps’ wurde Maron hellhörig. Das war genau das, was sie im Moment gebrauchen konnte! „Ein Schnaps kann nie schaden!“ antwortete sie. Lächelnd wandte sich Yamato an den Barkeeper und bestellte vier Schnaps. Für Maron, Chiaki, Miyako und sich selbst.“ Kaum hatte der Mann hinter dem Tresen das Tablett mit den vier gefüllten Schnapsgläsern auf den Tisch gestellt, griff Maron schon gierig nach dem ersten und leerte es in einem Zug. Kurz verzerrte sich ihr Gesicht. „Sag mal, bist du eigentlich eine Freundin von Miyako oder Chiaki?“ fragte Yamato, um die Brünette in ein Gespräch zu verwickeln. „Von Miyako. Ich glaube das hat sie dir vorhin aber gesagt!“ „Ach ja, stimmt. Und was hältst du so von Chiaki? Ich freu mich ehrlich gesagt für Miyako. Er ist eigentlich ein netter Kerl.“ „Was ich von ihm halte? Ich finde er ist ein dummes, “ Maron leerte ein weiteres Schnapsglas „ignorantes“, ein weiterer Schnaps musste dran glauben „Arschloch!“ Kaum, dass sich Yamato versah, hatte sie auch das letzte der viel Schnapsgläser in einem einzigen Zug leer getrunken und bestellte bereits die nächste Ladung. ----------------------------------------------- Bekomm' ich Kommantare? ;D hab euch lieb eure Snuggle♥ Kapitel 9: Alkohol du böser Geist... ------------------------------------ Ich will nicht lange um den heißen Brei rumreden: Hier ist das nächste Kapitel^^ -------------------------------------------- Mittlerweile war Maron’s Laune ‚rasant gestiegen’. Natürlich hatte sie es nicht bei ein paar Schnapsgläsern belassen und hatte sich immer wieder neue bestellt. Dazu kam noch der Cocktail, den sich Yamato bestellt hatte, um ihn eigentlich selbst zu trinken, und eine, vielleicht zwei Flaschen Bier. Ab und zu war sie irgendwo in der Menge verschwunden und ihre heutige Begleitung ging davon aus, dass sie sich bei ihrem kleinen ‚Rundgang’ nicht verkneifen konnte, sich zu ein paar ihr fremden Menschen zu gesellen, um auf diese Weise an noch mehr Drinks zu kommen. Die Brünette saß kichernd auf dem Barhocker, Yamato zu ihrer rechten. Eigentlich hätte er schockiert sein müssen, aber er fand das Ganze doch sehr amüsant. Er hatte sie am Anfang des Abends als selbstbewusste und doch etwas schüchterne Frau kennengelernt und nun das? Schmunzelnd beobachtete er sie, wie sie mal wieder an diesem Abend über etwas lachte, das nicht mal annähernd lustig war. Zwischendurch nahm sie immer wieder einen großen Schluck aus der Flasche Bier, die vor ihr stand. Sie fühlte sich einfach zu gut. Das ganze ließ sie die Sache mit Chiaki vergessen. Allem voran das, was sie vor etwa zwei Stunden auf der Damentoilette gemacht hatten. Ein Wunder, dass sie sich in ihrem Rausch, noch nicht lautstark bei Yamato darüber beschwert hatte. Das gäbe mächtig Probleme… Wieder lachte sie lautstark, als Yamato ihr einen seiner schlechten Witze erzählte. Normalerweise hätte sie nie darüber gelacht, doch der Alkohol schien ihr auch ihren Sinn für Humor zu nehmen. Aber das war ihr im Moment total egal. Leicht torkelnd und nach ihrem Gleichgewicht ringend stieg die junge Frau urplötzlich von dem Barhocker. Ihre Sicht verschwamm für einen Moment. Kurz legte sie ihre rechte Hand an ihre Schläfe, bis sie ihre Umgebung wieder einigermaßen scharf wahrnehmen konnte. Mit einem belustigten Laut ging sie auf Yamato zu und griff nach seiner Hand. Ohne ihm in die Augen zu sehen zerrte sie sehr schwach daran. Dabei wurde sie von einem grinsenden Yamato beobachtet, der ihrer unausgesprochenen Bitte noch nicht nachkam. Mal sehen, was sie denn wollte. „Was willst du denn?“ Er gab sich keine Mühe die Belustigung in seiner Stimme zu verbergen. In ihrem betrunkenen Zustand würde sie das sowieso nicht sonderlich wahrnehmen. Und ihre Laune war durch den Alkohol einfach viel zu gut, als dass sie sich über so etwas aufregen würde. Das konnte er an diesem Abend sicher noch zu seinen Gunsten verwenden. Aber das kannte er ja schon. „Ich will tanzen!“ lachte sie, während sie erneut ungeduldig an seiner Hand zog. Mittlerweile sah sie ihm direkt in die Augen, löste ihren Blick aber, als sie einen Cocktail erblickte, der vor Yamato stand. Sofort griff sie danach und nahm ein paar große Schlucke. Der extrem bittere Nachgeschmack ließ sie kurz das Gesicht verziehen, doch dann wandte sie sich wieder dem braunhaarigen jungen Mann zu, der sie weiterhin amüsiert beobachtete. Mit einem lauten Auflachen erhob auch dieser sich von seinem Hocker und legte im Anschluss seinen Arm um ihre Schultern. Ihren linken Arm schlang sie um seine Hüfte und ließ sich ohne Widerstand zu der Tanzfläche dirigieren, auf der sich derzeit mehr als der halbe Club befand. Die Musik dröhnte aus den Boxen, die Menschen tanzten und lachten. Einige von ihnen hatten mindestens schon genau so viel getrunken, wie die mehr als gut gelaunte Maron. Ein starker Schweißgeruch schlug Maron entgegen, als sie sich zusammen mit Yamato unter die Menge mischte. Die Luft war dünn und stickig, doch nichts konnte Maron’s Laune vermiesen und ihr diesen Abend zerstören, so dachte sie. Chiaki befand sich ebenfalls auf der Tanzfläche, vor ihm seine Verlobte Miyako. Doch auch wenn er gute Laune vortäuschte, so behielt er Maron weiterhin im Auge und warf ihr und Yamato hin und wieder ernste Blicke zu. Er traute weder Yamato, noch Maron in ihrem derzeitigen Zustand. Wer weiß, was sie noch anstellen würde. Er konnte nur hoffen, dass ihr Verstand noch so weit anwesend war, dass sie keine Dummheiten machte und vor Allem nicht auf Yamato reinfiel, der sie schon mit diesem gierigen Blick musterte, was Chiaki deutlich missfiel. Er sollte bloß seine Finger von ihr lassen, wenn er diese noch behalten wollte! Miyako waren Chiaki’s Blicke bereits aufgefallen. Auch wenn sie diese nicht ganz zu deuten wusste, schob sie alles auf Chiaki’s mangelnde Sympathie zu Yamato. „Mach dir keine Sorgen! Maron weiß schon was sie tut!“ rief sie ihrem Verlobten ins Ohr. „So viel wie sie getrunken hat, wäre ich mir da nicht so sicher!“ knurrte er zurück und fixierte weiterhin das ungleiche Pärchen. Yamato tanzte mal wieder wie ein Pinguin, der unter Drogen stand, während der Alkohol Maron’s Fähigkeit sich sexy und doch anmutig zu bewegen nur einen kleinen Abbruch getan hat. Sie badete quasi in den verlangenden Blicken, die ihr die Männer aus der Menge zuwarfen. Und wider ihre eigentliche Bescheidenheit, von der zurzeit nichts zu sehen war, genoss sie die Aufmerksamkeit der vielen Menschen. Sie ging sogar so weit, dass sie im ständigen Wechsel mit den verschiedensten Männern tanzte und sich teils sehr aufreizend bewegte. Zwischendurch griff sie nach der Bierflasche, die ihr von irgendwo von irgendwem hingehalten wurde, und nahm einen großen Schluck. An das Risiko von K.-o.-Tropfen oder Drogen dachte sie in ihrem Rausch gar nicht. Sie war betrunken, hatte tierisch gute Laune und stand einmal in ihrem Leben im Mittelpunkt- Worüber sollte sie sich schon Gedanken machen? Sie wendete sich wieder Yamato zu, als dieser seine Hand auf ihre Hüfte legte und etwas an sich heran zog. Erschrocken riss Chiaki seine Augen auf, als er beobachten musste, wie Maron augenblicklich ihre Lippen auf Yamato’s presste. Wütend schnaubte er, als er sah, dass es sein ehemaliger Schulkamerad auch noch genoss. War ja sowas von klar! Auch Miyako hatte die ganze Situation beobachtet und musste ihren Verlobten daran hindern auf die beiden loszustürmen. Klar, war Maron zurzeit nicht ganz bei Sinnen, aber warum gleich einen Aufstand machen? Sie küssten sich doch nur! Was war denn schon dabei? Chiaki würde schon noch dazwischen gehen, wenn sich Yamato zu viel herausnahm. „Jetzt lass die beiden doch! Sie küssen doch nur!“ versuchte Miyako den jungen Mann aufzuhalten. Seinen Ärmel hatte sie nicht losgelassen. Sonst wäre er ja gleich weg. „Ach, und du glaubst, dass Yamato es dabei belassen will? Ich traue ihm nicht, das weißt du! Er wechselt die Betten, wie andere Männer die Hemden und du willst dabei zusehen, wie er deine beste Freundin vögelt und dann fallen lässt?“ Dass seine eigene Eifersucht eine große Rolle seiner Wut übernahm, verschwieg er selbstverständlich. Er war der einzige Mann, der sich an Maron ranmachen durfte und damit basta! „Natürlich nicht! Aber lass die beiden doch ein bisschen! Du kannst die beiden immer noch trennen, wenn Yamato wirklich zu weit geht. Immerhin ist sie Single und wer weiß. Vielleicht kommen sich die beiden ja näher.“ °Natürlich!° dachte Chiaki sarkastisch. Wenn es dieser Idiot auch nur versuchen würde, dann würde er bald niemandem mehr nahe kommen! Mit einem lauten Knurren gab er letztendlich doch nach. Vorerst. Wenn sich auch nur der kleine Finger dieses Kerls irgendwo befinden würde, wo er definitiv nicht hingehörte, dann würde er ihn erwürgen und keiner würde es ihm übel nehmen können. Den Blick noch immer konzentriert auf die beiden gerichtet, wandte er sich wieder Miyako zu. Wieder eine Stunde später saß Chiaki mit Miyako auf einer Couch, die sich an der kompletten Wand entlang zog. Sie schien schon seit einer Ewigkeit an seinen Lippen zu haften, während er sich in keinster Weise auf den Kuss oder seine Verlobte konzentrieren konnte, sondern nur in einer Tour zu Maron und Yamato stieren konnte, die direkt neben ihnen saßen. Maron hatte sich dicht an den Mann geschmiegt und lallte vor sich hin. Yamato hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt, drückte sie immer wieder an sich. In seiner freien Hand hielt er eine Flasche Bier. Auf seinem Gesicht befand sich durchgehend ein dämliches Grinsen, ab und zu gab er Maron einen Kuss. Es war nicht zu übersehen, dass ihm diese Situation gefiel, in der sie sich befanden. Immerhin wusste er schon ganz genau, was er mit dem Brünetten noch so alles anstellen könnte. Und so viel, wie sie schon getrunken hatte, sollte es auch kein Problem geben sie zu verführen. Sie war einfach hackedicht! Auf dem niedrigen, weißen Tisch, der vor ihnen stand, standen sechs kleine Gläser, daneben eine große Flasche Tequila und zwei Flaschen Bier. Zu Chiaki’s Bedauern hatte sich Yamato noch nichts zu Schulden kommen lassen, was ihm einen Ausraster erlauben würde. Und er brannte darauf seinen ehemaligen Klassenkameraden endlich auseinander nehmen zu können! Stattdessen wurde Maron aber langsam ‚aktiv’. Jetzt begann sie auch noch ihre Hände in seinen haselnussbraunen Haaren vergraben, sodass sie sein Gesicht mit nur einem Ruck näher an ihres ziehen konnte, um somit einen leidenschaftlichen Zungenkuss anzuzetteln. Chiaki fand es einfach nur widerlich! Und gleichzeitig machte sich eine Wut in seinem Körper breit. Diese Wut betraf zum einen Yamato, weil er sich an seine Maron ranmachte, und zum anderen Maron selbst, weil sie es ja anscheinend nötig hatte, sich den Kopf zuzusaufen und sich an diesen verdammten Schnösel ranzumachen! Ein wenig sauer war der junge Mann auch auf Miyako, weil sie ihn schon die ganze Zeit daran hinderte diesem Snob den Kopf abzureisen. ‚Lass sie doch!’ äffte er sie in Gedanken nach. Eigentlich sollte es ihm ja komplett egal sein, was die Brünette so trieb, aber das war es ihm verdammt noch mal nicht! Und er wusste nicht wieso! Die Augen des Blauhaarigen verengten sich, als Yamato seinen Arm von Maron’s Schultern nahm und mit seiner Hand langsam ihren Rücken runterstreichelte. Und seine Hand wanderte tiefer und tiefer und tiefer. Chiaki befand sich quasi schon in Angriffsposition, wie ein Hund, der sein Territorium verteidigen wollte. Und als Yamato der jungen Frau schließlich in ihren Hintern kniff und ihr somit ein Quieken entlockte während er seine andere Hand – er hatte sein Bier mittlerweile auf dem kleinen Tisch abgestellt – auf ihren Oberschenkel legte, reichte es dem 25-Jährigen. Schlagartig löste er den Kuss, stand auf und war mit einem großen Schritt bei seinem ‚Kumpel’. Mit einem Ruck hatte er Maron in seine Arme gezogen und anschließend leicht in Miyako’s Richtung geschubst. Die betrunkene Frau schien das alles sehr zu amüsieren, da sie sofort wieder begann zu kichern, um nur einen Augenblick später die beiden Männer zu beobachten, die sich mehr als nur feindselig anfunkelten. Doch dann wurde Yamato von seinem gegenüber am Kragen gepackt und von der cremefarbenen Couch gezerrt. „Lass Maron gefälligst in Ruhe du hinterhältige, kleine Ratte!“ zischte Chiaki dem erschrockenen Yamato ins Gesicht. Dieser Ausdruck verschwand aber schnell wieder und machte einem selbstsicheren Ausdruck Platz. „Ich glaube nicht, dass du das zu entscheiden hast. Und so wie es aussah, schien es der Kleinen nicht zu missfallen.“ Wutentbrannt löste Chiaki die Faust, die sich um den Hemdkragen geschlossen hatte und setzte ihn wieder ab. Ruhig versuchte er durchzuatmen, während er mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken zwischen den Augen massierte und dabei die Augen zusammenkniff. °Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, Chiaki° versuchte er sich einzureden. „Lass sie einfach in Ruhe!“, zischte er ihm noch einmal zu, drehte sich um und ging in die Richtung von Miyako und Maron. Letztere schnappte er am Arm, drückte sie mit einem leichten Druck, den er mit seinen Händen auf ihre Schultern ausübte, auf das Sofa und sah ihr eindringend in die Augen. „Und du, “ fuhr er fort „bleibst gefälligst hier sitzen!“ Na toll! Schmollend saß Chiaki da, die Arme vor seiner Brust verschränkt und musste Maron dabei zuhören, wie sie irgendwelchen Quatsch vor sich hin laberte, der überhaupt keinen Sinn ergab. Er wurde von Miyako beauftragt oder eher dazu gezwungen auf Maron aufzupassen und ihren ‚Babysitter’ zu spielen. Und was trieb seine ‚achso tolle’ Verlobte im Moment? Sie vergnügte sich zusammen mit Yamato auf der Tanzfläche! Als er sie fragte warum ausgerechnet er sich um die Betrunkene kümmern müsste, hatte sie ihn nur angeschnauzt: „Wer soll das denn sonst machen? Wenn ich dich mit Yamato alleine lasse, muss ich die ganze Angst haben, dass du ihm doch noch an die Gurgel springst und Yamato darf sich ihr ja nicht mehr nähern, wenn es nach dir geht!“ Der junge Mann brummte kurz auf. Und jetzt durfte er einfach nur doof hier rum sitzen, während seine Verlobte mit dieser superreichen Kartoffel rumtänzelte und Maron ihren Spaß auch so hatte! Als er einen Blick zu ihr hinüberwarf war sie wieder mal laut am Lachen. Klar hatte er sie vorhin auf der Toilette noch vernaschen wollen, aber dass sie sich deswegen so zugesoffen hatte, nervte ihn tierisch. Er konnte gerade noch ihre Hand schnappen, als sie erneut versuchte sich am Nachbartisch Alkohol zu beschaffen. Sie sank wieder in das Leder zurück, als er sie böse anfunkelte. Ihr Kichern war aber dennoch zu vernehmen. Jetzt reichte es ihm! „Bleib hier!“ befahl er der Brünetten, bevor er kurzerhand auf die Tanzfläche zusteuerte, an deren Rand ihm sofort Miyako und Yamato ins Auge fielen. Sofort packte er seine Verlobte am Arm und zog sie ein kleines Stück von der Menge weg. „Findest du nicht wir sollten Maron langsam nach Hause bringen?“ rief er ihr zu. Als sie ihn wegen der lauten Musik nicht sofort verstand und ihn verwirrt anschaute, wiederholte er seine Worte noch ein weiteres Mal. „Ach was! Wieso denn?“ Geschockt sah er sie an. War das jetzt ihr Ernst? Sie hatte anscheinend doch mehr getrunken, als er zu Anfang dachte. Um ihr den Grund noch einmal klar zu machen deutete er auf Maron. Genau in diesem Moment kippte diese auf dem Sofa zur Seite, während sie laut lachte. Anschließend stand sie auf und ging auf sehr wackligen Beinen und breit grinsend ein paar Schritte. „Checkst du’s jetzt?“ „Ja, vielleicht hast du Recht. Aber…ich würde gerne noch ein bisschen bleiben. Kannst du sie nicht schon mal nach Hause bringen und ich komme nach?“ Chiaki’s Gesichtszüge entgleisten. War er hier in einem schlechten Film? „Glaubst du ich lasse dich um diese Uhrzeit alleine in einer Disco?!“ „Ich bin doch gar nicht alleine! Yamato ist ja da! Und er wird mich sicher danach nach Hause bringen!“ Um sich noch einmal zu versichern ging sie zu eben Genannten und rief ihm etwas ins Ohr. Schon kurz danach nickte sie ihrem Verlobten zu und zeigte ihm ihren erhobenen Daumen, um ihm zu symbolisieren, dass das Ganze so laufen würde, wie sie sich das ausgemalt hatte. Ehe Chiaki auch nur einen Einspruch einlegen konnte, war Miyako schon wieder in der Menge und somit aus seinem Blickwinkel verschwunden. Seufzend drehte er sich wieder um und blickte sich nach Maron um. Dieser Abend lief ja super! Er brauchte nicht lange zu suchen, da hatte er die junge Frau auch schon gefunden. Sie stand gerade wieder an der Bar, wo sie sich höchstwahrscheinlich einen weiteren Drink bestellen wollte. Schnell ging er auf sie zu, nahm ihren linken Arm, legte ihn sich um die Schultern. Seinen rechten legte er um ihre Hüfte. „Komm, Prinzesschen. Wir gehen!“ „Was? Ich will aber nicht!“ machte sie ihm klar und riss sich etwas ungeschickt von ihm los. Als sie wieder auf die Bar zugehen wollte, stolperte sie über ihre eigenen Füße. Chiaki wollte nach ihrem Arm greifen, um sie aufzufangen, verfehlte sie aber knapp, sodass sie mit ihrer Nase auf einem der Tische aufkam und anschließend auf den Boden fiel. Die Leute, die daneben standen, drehten sich alle zu der jungen Frau um, die am Boden lag und sich ihre blutende Nase hielt. Chiaki ließ sich von dem Barkeeper eine der weißen Servietten geben, die er Maron im Anschluss in die Hand drückte, bevor er seinen Arm unter ihre Schultern und den anderen unter ihre Kniekehlen schob, um sie hochzuheben. Danach ging er mit ihr ohne Zögern in Richtung Ausgang. Ein kleines Stück weiter – in einer kleinen Seitengasse – hatte er seinen Sportwagen, einen silbernen Audi RS 3 Sportback, geparkt. Kurzerhand öffnete er mit der einen Hand, die unter ihren Schultern hervorlugte, die eine Autotür und setzte die 24-Jährige auf dem Beifahrersitz ab. Schnell schnallte er sie noch an, bevor er sich selbst auf dem Fahrersitz platzierte, den Schlüssel im Zündschloss drehte und losfuhr. Der junge Mann war gerade dabei sich auf den Verkehr zu konzentrieren, als er eine Hand spürte, die sich auf seinen linken Oberschenkel legte. Für einen kurzen Moment schielte er zu Maron hinüber, die ihn nur angrinste und noch einmal kicherte. Die Serviette, die sie sich die ganze Zeit auf die Nase gedrückt hatte und mittlerweile tiefrot gefärbt war, hatte sie kurz runtergenommen. Anscheinend schien sie ihre noch immer blutende Nase allerdings nicht zurück in die Realität geholt zu haben. Seufzend richtete er seinen Blick wieder auf die Straße. Trotz der späten Uhrzeit herrschte noch immer genug Verkehr auf den Straßen, dass er es sich nicht erlauben konnte sich ablenken zu lassen. Seine Konzentration wurde allerdings ein zweites Mal gestört, als die junge Frau auf dem Beifahrersitz begann die Innenseite seines Oberschenkels zu streicheln. Wieder ein Kichern. Normalerweise hätte er sie jetzt einfach machen lassen, aber wenn er sie wieder vernaschte, während sie betrunken war, wäre er wieder der Arsch und würde noch mehr Ärger bekommen. Kurz seufzte er auf, bevor er wieder zur Besinnung kam. „Würdest du das bitte unterlassen?“ fragte er sie. Maron lachte kokett. „Wieso?“ „Lass es einfach, okay?“ flüchtig warf er einen ermahnenden Blick zu, der sie auch augenblicklich dazu brachte aufzuhören und einfach nur aus dem Fenster zu starren. Als sie endlich an ihrem Wohnblock ‚Orléans’ ankamen, hatte der 25-Jährige erstaunlicherweise keine Probleme die betrunkene Maron in das Gebäude, den Aufzug und anschließend in seine Wohnung zu schaffen. Er musste sie zwar noch stützen, aber glücklicherweise sagte sie nichts mehr und hatte aufgehört zu kichern. Generell war ihre gute Laune auf einmal verschwunden, die sie sich in der Disco angetrunken hatte, und ihr Gesicht sehr blass. Kaum hatten sie die Wohnung betreten, gab Maron bereits Würglaute von sich. Chiaki schaffte es gerade noch sie in das Badezimmer zu führen und vor die Toilette zu setzen, bevor sie sich geräuschvoll darin übergab. Sich seufzend durch die Haare fahrend, ging er auf das Regal zu, das neben dem Waschbecken stand und holte aus einer der Schubladen eine Haarklammer heraus, die Miyako benutzt hatte, als sie noch lange Haare hatte. Fast schon zärtlich strich er der Brünette ihre langen Haare aus dem Gesicht und machte sie mithilfe der Haarklammer zu einer Art Dutt zusammen. Anschließend stellte er sich hinter sie und legte beide Hände links und rechts auf ihre Hüfte. Es dauerte fast zwanzig Minuten, bis sie sich nicht mehr übergeben musste. Letztendlich ließ sie sich nur noch keuchend auf ihren Hintern fallen und schloss ihre Augen. Glücklicherweise befand sich hinter ihr eine geflieste Wand, an der sie sich anlehnen konnte. Aus ihrer Nase lief noch immer etwas Blut. Auf ihrer Stirn glitzerten die kalten Schweißperlen. Fürsorglich strich er ihr den Pony zur Seite und musterte sie besorgt. „Kannst du aufstehen?“ fragte er sie leise. Maron war viel zu erschöpft und erledigt, um ihm eine Antwort zu geben, also schüttelte sie nur schwach den Kopf. Kurzerhand nahm er sie wieder auf seine Arme und trug sie in Richtung Wohnzimmer, wo er sie sanft auf die Couch legte. Dann verschwand er in der Küche und erschien wenig später wieder mit einem Handtuch, einem feuchten Waschlappen, einer Rolle Küchenpapier, einem Kühlakku und einem halbvollen Glas Leitungswasser. Zuerst ließ er sie von dem Wasser trinken, damit sie den ekligen Geschmack aus ihrem Mund vertreiben konnte und tupfte anschließend mit dem Waschlappen den Schweiß von ihrer Stirn. Dann wickelte er den Kühlakku locker in das Handtuch und half Maron sich aufzurichten. Schnell gab er ihr ein Blatt Küchenpapier, das sie sich auf die Nase halten sollte und bat sie, ihren Kopf nach vorne zu beugen. Erst als sie seiner Bitte nachkam, legte er ihr vorsichtig den eingewickelten Kühlakku in den Nacken. Da es mit der Zeit in der Hocke sehr unbequem werden würde, zog er mit seiner freien Hand den Fußschemel heran, der zu dem Sessel gehörte, der schräg gegenüber der Sofagarnitur gehörte, um sich darauf niederzulassen. Nach ein paar Minuten stoppte die Blutung aber auch schon, sodass er den Kühlakku entfernen und Maron liebevoll die Reste des Blutes entfernen konnte. Seufzend ließ sie sich wieder auf die Seite fallen. Erneut bekam sie nur am Rande wahr, wie Chiaki diesmal in einer anderen Tür verschwand. Wenn sie sich nicht irrte, verbarg sich hinter dieser Tür das Schlafzimmer. Kurz darauf stand er wieder vor ihr. In seinen Händen hielt er eine dünne Decke und ein weiteres Kissen, das er ihr vorsichtig unter ihren Kopf legte. Bevor er sie aber zudeckte, half er ihr noch ihre Beine auf das Sofa zu hieven, da selbst das sie in ihrem Zustand sehr anstrengte. Dann setzte er sich wieder auf den Schemel und wischte mit dem kalten Waschlappen über ihre leicht erhitzte Stirn. Irgendwann ließ er den Lappen einfach nur noch auf ihrer Stirn liegen und beobachtete sie einfach nur noch. Trotz ihres Keuchens und der Blässe hatte sie irgendetwas Friedliches. Gerade als er glaubte sie sei eingeschlafen, öffnete sie ihre Augen wieder und sah ihn an. Unter ihren Augen hatten sich von der Erschöpfung dunkle Augenringe gebildet, aber für Chiaki war sie noch immer wunderschön. „Was ist zwischen dir und Miyako passiert, dass sie nicht mehr mit dir schlafen will?“ Chiaki seufzte. Einen Moment musste er überlegen, woher sie das wusste. Doch dann fiel ihm ein, dass er es ihr gebeichtet hatte, als sie völlig wutentbrannt in seiner Wohnung stand, weil sie kurz zuvor herausgefunden hatte, dass er Miyako schon des Öfteren betrogen hatte. Ohne auf ihre Frage zu antworten stand er auf. „Du solltest jetzt besser schlafen.“ Dann verließ er das Wohnzimmer, machte noch das Licht aus und verschwand im Badezimmer. ------------------------------------------------ Ich hoffe euch gefällts und würde mich über kommentare sehr freuen :3 Kapitel 10: Das Angebot ----------------------- Ich weiß, dass es lange gedauert hat und es tut mir auch sehr leid :( Aber ich hoffe trotzdem, dass euch dieses Kapitel gefällt :) ________________________________________________________________________ Mit einem brummenden Kopf, einem stark schmerzenden Rücken und steifen Beinen wachte Maron am nächsten Morgen auf. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder bruchstückweise an den letzten Abend, beziehungsweise die letzte Nacht, erinnern konnte. Sie waren in der Disko gewesen und sie hatte getrunken. Viel zu viel. Und was war der Grund?! Wieder dieser Idiot Chiaki! Wie sollte es auch anders sein. Was sollte die Aktion auf der Toilette? Was hatte er sich dabei gedacht? Aber andererseits musste sie ihm eigentlich dankbar sein, dass er sich noch um sie gekümmert hat, nachdem sie sich so abgeschossen hatte. Er hätte sie ja auch einfach ignorieren und sich selbst überlassen können. Aber eigentlich wollte sie darüber weder sprechen, vor allem nicht mit ihm und sie wollte sich auch nicht den Kopf darüber zerbrechen, dafür tat er ihr einfach zu weh. Vorsichtig versuchte sie ihre Augen zu öffnen, schloss sie aber sofort wieder, da das Licht, das durch die Balkontür und die großen Fenster in den Raum drang, viel zu hell war und ihre Schmerzen noch zusätzlich verstärkte. Ab und zu gab die junge Frau ein leises, wehleidiges Brummen von sich. Sie beschloss ihren Rausch noch ein wenig auszuschlafen. Das wäre wohl das Beste. Bevor sie aber wieder einschlafen konnte, trat eine Person in den Raum. Maron blieb nichts anderes übrig als ihre Augen nun doch widerwillig zu öffnen. Diese Person entpuppte sich als Miyako. Sie schien bereits so früh am Morgen gute Laune zu haben und begrüßte sie mit einem herzlichen „Guten Morgen, Schlafmütze!“. In ihren Händen hielt sie ein Tablett. Darauf stand eine Tasse Kaffee, ein Messer, ein Teller, auf dem ein Brötchen lag, und ein bisschen Marmelade und Käse. Das Tablett stellte sie auf den kleinen Tisch vor dem Sofa, den sie ein kleines Stück zur Seite schob und sich auf den Schemel setzte, der noch von gestern Abend neben der Couch stand, da Chiaki auf diesem gesessen und Maron verarztet hatte. Vorsichtig strich sie ihrer besten Freundin ein paar braune Strähnen aus dem Gesicht. Die Brünette sah wirklich total fertig aus, was allerdings kein Wunder ist nach der letzten Nacht. Unter ihren Augen zeichneten sich tiefe Augenringe ab, ihr Make-up war verschmiert und ihre braunen Haare, die am gestrigen Abend so schön ausgesehen hatten, klebten an ihrer Stirn. Miyako selbst ging es ganz gut. Sie hatte in der Disko noch ein bisschen gefeiert, nicht zu viel getrunken, ziemlich viel Spaß gehabt und wurde dann ohne Zwischenfälle oder Probleme von Yamato nach Hause gebracht, der keine Anstalten machte sich an sie ranzumachen. Maron hatte er auch nicht mehr weiter erwähnt, nachdem diese von Chiaki nach Hause gebracht wurde. Sie hatte zwar bemerkt, dass er ein wenig beleidigt war, da Chiaki ihm eine heiße Nacht zerstört hatte, aber dafür hatte Yamato diesen Zorn mehr oder weniger in Alkohol ertränken können, sodass er anscheinend doch noch seinen Spaß hatte. Vorsichtig half sie der jungen Frau auf dem Sofa sich aufzusetzen. Diese hielt sich direkt die Finger an die Schläfen. Das Zimmer um sie herum drehte sich! Und zu allem Überfluss tat ihr auch noch alles weh. Eines war sicher: sie würde sich nicht noch einmal so voll laufen lassen! Auf die Unannehmlichkeiten am Morgen danach konnte sie nun wirklich gerne verzichten. Langsam griff sie nach der Tasse auf dem Tablett und nahm einen kleinen Schluck von dem heißen Kaffee. Er war noch sehr frisch, sodass sie sich fast die Zunge daran verbrannt hätte. Appetit hatte sie keinen, also blieb das Brötchen erstmal unberührt liegen. Kurz darauf kam eine weitere Person in das Wohnzimmer. Chiaki. Auch er kam auf sie zu: „Wie geht es dir?“ fragte er etwas verlegen. „Total beschissen. Ich glaub ich hab einen Kater.“ Gab Maron nur leise und mit rauer Stimme von sich. Auf diese Antwort bekam sie nur ein schiefes Lächeln geschenkt. Sie wusste nicht genau wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Aber sie würde sich noch wohl oder übel bei ihm bedanken müssen, dass er sie gestern Nacht noch versorgt hatte. Das war sie ihm einfach schuldig. Mehr sagte er aber auch nicht. Keiner erwähnte den letzten Abend oder Maron’s Trunkenheit. Das war vielleicht auch besser so, da sich die junge Frau ein wenig für ihr Verhalten schämte. Es war eigentlich nicht ihre Art sich so zulaufen zu lassen. Denn immer wenn sie betrunken war, baut sie irgendeinen Mist, was man ja auch nur zu gut an ihrem Verhalten nach der Absolventenparty in Tokio sehen konnte, als sie in betrunkenem Zustand einfach mit Chiaki geschlafen hatte, den sie ja schließlich erst an diesem Abend kennen gelernt hatte. Und sie hatte gedacht, dass sie daraus gelernt hätte… Maron wollte gerade erneut an dem Kaffee nippen, als sie ihr Handy klingeln hörte, das sich in ihrer Handtasche befand, die neben ihr auf dem Boden lag. Auf dem Display wurde eine ihr unbekannte Nummer angezeigt. Sie nahm ab. „Maron Kusakabe.“ Ihre Stimme klang ein wenig brüchig und auch noch sehr verschlafen. „Frau Kusakabe? Hier spricht Yuuka Tsukamoto. Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde, aber ich hatte in der Praxis sehr viel zu tun.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang wirklich sehr freundlich. Maron erstarrte. Jetzt wusste sie wer diese Frau Tsukamoto war. Sie hatte einen Moment gebraucht um zu realisieren, dass das die Chefin der Praxis war, in der sie sich um einen Job beworben hatte! „Das ist doch überhaupt kein Problem.“ Maron versuchte mit möglichst starker Stimme zu sprechen. Sie musste in diesem Moment einfach seriös wirken, Kater hin oder her. „Der Grund warum ich anrufe: Ihre Bewerbungsmappe war sehr ansprechend und ich würde Sie gerne zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch in meine Praxis einladen.“ Die junge Frau war für einen kleinen Augenblick ziemlich perplex und fühlte sich ein bisschen überrumpelt. „Aber natürlich! Sehr gerne! Wann soll das Gespräch denn stattfinden?“ „Ich weiß es ist noch relativ früh, aber würde es Ihnen in zwei Stunden passen? Mir wäre das ganz recht, da ich dann noch nicht so viel in der Praxis zu tun habe. Wie schon gesagt, ich bin in letzter Zeit sehr beschäftigt.“ Maron warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Es war circa 9 Uhr. Das Vorstellungsgespräch wäre dann also um 11 Uhr. Eigentlich war Maron das gar nicht recht. Aber konnte sie ihre vielleicht zukünftige Chefin einfach so versetzen, nur weil sie einen Kater hatte? Sie wollte doch einen guten Eindruck machen! Und welche Begründung sollte sie denn bitte abgeben? ‚Tut mir leid, aber ich war gestern total besoffen und liege jetzt mit einem Kater auf der Couch. Könnten wir das Gespräch nicht verschieben?’ Das konnte sie echt nicht bringen! „Aber natürlich. 11 Uhr ist perfekt!“ Kaum ausgesprochen, bereute sie ihre Worte schon. „Das freut mich, Frau Kusakabe. Dann sehen wir uns um 11 Uhr in meiner Praxis. Bis später!“ „Bis später.“ Murmelte Maron noch. Damit war das Gespräch beendet und sie legte auf. Sie würde sich am liebsten selbst hauen für die Aktion gerade eben. Ein Vorstellungsgespräch mit Kater. Das konnte ja was werden! Maron blieb nicht mehr lange in der Wohnung von Miyako und Chiaki. Circa 15 Minuten, die sie nutze, um sich erstmal zu sammeln und ihre Tasse Kaffee auszutrinken, danach machte sie sich auf den Weg in ihr eigenes Apartment, das ja immerhin direkt gegenüber lag. Ihr Kopf schmerzte nach wie vor, sowie ihr Rücken und auch ihre Nase, mit der sie gestern Abend im Rausch auf einen kleinen Tisch in der Disko geknallt war. Wieder erschienen die Bilder von Chiaki in ihrem Kopf, wie er sich liebevoll um sie gekümmert und sie verpflegt hatte, doch schnell versuchte sie diese Gedanken wieder aus ihrem Kopf zu verbannen. Ihr erster Weg führte sie direkt in das Badezimmer. Eine schöne heiße Dusche würde ihr gut tun und dann würde sie sich noch gleich für das Vorstellungsgespräch fertig machen. Sie würde sich auf jeden Fall eine Menge Make-up ins Gesicht klatschen müssen, um diese Augenringe zu verdecken. Wie gerne würde sie sich jetzt einfach in ihr Bett legen und schlafen! Zehn Minuten vor 11 Uhr stand Maron vor dem großen weißen Gebäude am Rand von Momokuri. Ein Ärztehaus, in dem viele verschiedene Arztpraxen untergebracht waren. Maron brauchte eine Zeit lang um unter den ganzen Klingelschildern das Schild der Psychologin Yuuka Tsukamoto zu finden. Sie war sehr nervös, ihr Herz schlug schnell gegen ihre Brust und ihr stechender Kopfschmerz machte das alles nicht wirklich besser. Kurz nachdem sie auf die Klingel gedrückt hatte, gab ihr ein brummendes Geräusch zu verstehen, dass sie die Tür öffnen und eintreten konnte. Die Praxis lag im fünften Stockwerk. Obwohl es einen Aufzug gab, entschied sich die junge Frau die Treppe zu nehmen. Vielleicht würde sie das ein wenig beruhigen. In der fünften Etage angekommen, musste sie sagen, dass sie doch ein wenig außer Puste war. Einen Moment blieb sie vor der Tür stehen, versuchte ihren Atem ein wenig zu beruhigen und öffnete anschließend die Tür zur Praxis von Yuuka Tsukamoto. Die Räumlichkeiten waren sehr offen und großzügig geschnitten. Der Boden war mit schwarzen Schieferfliesen bedeckt, die Wände erstrahlten in weiß. Um etwas Farbe in die Räume zu bringen, wurde die Rezeption, die sich direkt rechts des Eingangs befand, mit Milchglas verkleidet, das durch rotes Licht erleuchtet wurde. An den Wänden hingen große moderne, abstrakte Bilder, die vor allem in den Farben dunkelrot und grau gehalten sind. Die Stühle des Wartezimmers, in der hinteren rechten Ecke des großzügigen Raumes, waren ebenfalls in einem Rotton gehalten, genauso wie die Deko. Alles in allem erschien die komplette Praxis sehr freundlich und durch die große Fensterfront sehr hell. Wer auch immer dies hier eingerichtet hat, er hatte ein Auge fürs Detail. Direkt links befanden sich mehrere Behandlungszimmer. °Hier könnte ich mich tatsächlich wohlfühlen°, kam es Maron in den Sinn. Anschließend wandte sie sich der Anmeldung zu, an der eine junge Frau saß. Ihre schulterlangen, rotblonden Haare, hatte sie nach hinten zu einem strengen Zopf gebunden. Sie war schätzungsweise gerade mal 30 Jahre alt, vielleicht sogar ein bisschen jünger, aber erweckte einen durchaus freundlichen Eindruck. Auf dem Namensschild, das sie an ihrem Kittel befestigt hatte, konnte Maron den Namen ‚Amaya Sugita’ entziffern. Sie beendete ihre Arbeit am Computer und blickte freundlich lächelnd zu Maron hoch. „Hallo. Was kann ich für sie tun?“ „Mein Name ist Maron Kusakabe, ich bin heute hier wegen eines Vorstellungsgespräches.“ Die 24-jährige gab sich alle Mühe, so wie immer zu lächeln, aber die starken Kopfschmerzen erschwerten ihr dieses Vorhaben enorm. „Nehmen sie doch bitte noch ein paar Minuten im Wartezimmer Platz, Frau Tsukamoto wird gleich Zeit für sie haben.“ „Vielen Dank.“ Mit diesen Worten begab sich Maron auf den Weg in das Wartezimmer und nahm dort auf einem der Stühle platz. Die junge Frau musste feststellen, dass sie doch sehr aufgeregt war. Das Herz schlug ihr fast bis zum Halse. Das alles war einfach zu überraschend für sie gewesen. Erst der Kater, dann das spontane Vorstellungsgespräch. Sie wusste noch nicht einmal, ob sie ausreichend vorbereitet war. Natürlich hatte sie ihre Bewerbungsmappe, die schon seit dem Einzug in ihrer Wohnung in Momokuri immer bereit auf ihrem Wohnzimmertisch lag. Aber sie hatte eigentlich so gut wie keine Ahnung was sie auf bestimmte Fragen antworten sollte. °Maron Kusakabe, wie kannst du nur so leichtsinnig sein?! Seit Wochen hoffst du auf dieses Gespräch und hast dir noch nicht einmal große Gedanken darüber gemacht, was du erzählen sollst!°, tadelte sie sich in Gedanken. Viel Zeit hatte die junge Frau allerdings nicht, um ihre Gedanken zu ordnen, denn da wurde sie schon von der Empfangsdame aufgerufen und in das Büro ihrer hoffentlich baldigen Chefin geführt. Noch einmal atmete sie tief ein und aus, versuchte ihren Puls zu beruhigen und ihren Kopfschmerz gedanklich auszuschalten. Dann trat sie in das Zimmer ein. Das Vorstellungsgespräch dauerte ungefähr 30 Minuten. Erleichtert trat Maron aus dem Büro, verabschiedete sich höflich und verließ dann die Praxis. Als sie sich auf den Nachhauseweg machte, ließ sie die letzte halbe Stunde erstmals Revue passieren. Es waren die üblichen Fragen gewesen, die sie hatte beantworten müssen. Warum sie Psychologie und soziale Arbeit studiert hatte, warum sie genau in dieser Praxis arbeiten wollte, was sie an diesem Beruf faszinierte, ihre Referenzen und so weiter. Dann hatte sie noch lange von ihrem Studium in Tokio erzählt und damit war das Gespräch so gut wie beendet. Maron war sich sicher, dass sie sehr seriös gewirkt und alle Fragen zufrieden stellend beantwortet hatte. Ob sie den Job nun bekommen hatte, würde sie allerdings erst im Laufe der nächsten Woche erfahren. Es hatte noch andere Bewerberinnen um die Stelle gegeben und Frau Tsukamoto wollte auch diesen Frauen die Chance geben sich vorzustellen, aber Maron war sehr zuversichtlich gestimmt und das versetzte sie trotz Kater und den Ereignissen der letzten Wochen in gute Laune. Nachdenklich saß Chiaki Nagoya in seinem Bürosessel und stützte seinen Kopf auf beide Hände, seine braunen Augen hielt er dabei geschlossen. Er hatte heute eigentlich früher Feierabend gemacht, aber nach Hause gehen wollte er deswegen doch nicht, da dort seine Verlobte auf ihn warten würde. Was der 25-jährige allerdings im Moment brauchte war Ruhe und Zeit um über den gestrigen Abend und die letzten Wochen nachzudenken. Und vor allem wollte er sich darüber klar werden, was er für Maron empfand. Er begehrte sie, das war klar. Schon als sie sich zum ersten mal in Tokio begegneten fand er sie sehr anziehend und sexy. Sie hatte einen wunderschönen, schlanken Körper, ein hübsches Gesicht und eigentlich mochte er auch ihren Charakter. Doch dann ist das alles passiert, was alles in ein heilloses Chaos stürzte. Der Sex, die Begegnung von Maron und Miyako, der Streit, die Racheaktionen. Er war deutlich verwirrt. Natürlich waren sie sauer aufeinander und erpressten sich mehr oder weniger, aber warum wollte er die Brünette dann so sehr? Es war wirklich gemein von Maron gewesen, ihn erst hinterhältig anzumachen, nur um ihn direkt in ihre Falle laufen zu lassen, aber warum hätte er so gerne mit ihr geschlafen? Was reizte ihn so sehr an ihr, dass er sogar seine Beziehung aufs Spiel setzen würde, nur um sie zu bekommen? War es nur ihr Körper? Oder ihre selbstbewusste, kecke Art? Vielleicht sogar ihr Wesen? Als er sie gestern in der Toilette der Disko angemacht und sie geküsst hatte, hat er nur im Sinn das Spiel vom Nachmittag fortzusetzen. Aber die Vorstellung, sie an einen so widerlichen Macho wie Yamato Minazuki verlieren zu können, trieb ihn fast in den Wahnsinn. Und als er sich gestern um sie gekümmert hatte, hat er sich ernsthafte Sorgen gemacht. Es war irgendwie etwas Besonderes gewesen. Ein besonderes Gefühl, eine besondere Atmosphäre. Er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt. Es schien als hätte er eine komplett neue Seite von Maron Kusakabe kennengelernt. Sie erschien nicht mehr so selbstbewusst und frech. Nein. Sie erschien zerbrechlich und verletzbar. In diesem Moment war sie der Maron so ähnlich, die er damals in Tokio kennen gelernt hatte. Eine Maron, die ihn anzog. Eine nette, liebevolle Maron, geradezu charmant. Diese vielen Gedankengänge waren einfach zu viel für den jungen Arzt. Warum musste das alles so unglaublich kompliziert sein? Er wusste, dass er Maron wollte, doch andererseits fand er es nicht fair seine Verlobte erneut zu berügen. Vor allem nicht bei allem was sie hat erleiden müssen. Doch war es fair von Miyako Chiaki’s Bedürfnisse so egoistisch in den Hintergrund zu stellen? Er wusste ja selbst nicht wie lange er ihr noch vorgaukeln konnte, glücklich zu sein. Wie konnte er all dies nur vereinbaren? Noch immer lächelnd und gut gelaunt betrat Maron den Wohnblock Orléans und war geradewegs auf dem Weg zum Aufzug. Als sie davor stand, drückte sie auf den Knopf und wartete darauf, dass sich die Fahrstuhltüren öffneten. Anschließend stieg sie ein und lehnte sich an die Wand, den Rücken zum Ausgang gerichtet. Sie konnte gerade vernehmen, dass sich die Türen langsam schließen wollten, als sie bemerkte, dass die beiden Flügel wieder auseinander fuhren. Ein wenig verwirrt drehte sie sich um und blickte direkt in das Gesicht von Chiaki Nagoya, der anscheinend etwas außer Atem war. °Verdammt, dem wollte ich nicht gerade begegnen°, dachte sich die Brünette. „Warum bist du denn so atemlos? Hast du dich etwa beeilt den Aufzug zu bekommen? Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber das Haus ist nun auch nicht so hoch. Du hättest auch locker den nächsten nehmen können.“ Mit einem etwas schlechten Gefühl musste sie feststellen, dass ihr Tonfall doch etwas zickig klang. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können. Da bringt sie so einen dämlichen Spruch, anstatt sich dafür zu bedanken, dass er sich gestern so rührend um sie gekümmert hatte. Vielleicht sollte sie auch einfach so tun, als könne sie sich an nichts erinnern. Ja, das ist eine gute Idee… Im ersten Moment überlegte Chiaki Maron’s Aussage genau so patzig zu kommentieren, aber dann fiel ihm auf, dass das eigentlich nicht in seinem Interesse war und seinem Wunschdenken nur im Weg stehen würde. „Ja, da hast du wohl recht, aber warum nicht die erste Gelegenheit nutzen?“ Er grinste sie schief an. Schweigen entstand. Ohne etwas zu sagen standen sie nebeneinander, während sich der Lift langsam in Bewegung setzte. Der junge Mann wurde ein wenig nervös. Dieses peinliche Schweigen und ihre Nähe machten ihn wahnsinnig. Er musste irgendetwas sagen! „Und…wie geht es dir so nach dem Abend gestern?“ Maron blickte ein wenig skeptisch drein. Mit dieser Frage hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, ganz abgesehen davon, dass er überhaupt in einem so normalen Tonfall mit ihr sprach. „Naja, ich hab ziemlich schwere Kopfschmerzen, ich glaube ich komme mal wieder in den Genuss eines Katers.“ „Maron…das was gestern Abend war…“ „Was war denn?“ Sie versuchte glaubwürdig zu klingen, damit er ihr auch wirklich abnahm, dass sie einen Blackout hatte, doch das Zittern in ihrer Stimme und der rote Schimmer auf ihren Wangen verrieten sie prompt. Kurz überlegte der 25-jährige, ob er sie im Glauben lassen sollte, dass er ihr glaubte, aber dann öffneten sich bereits die Türen und die junge Frau hatte es sehr eilig wegzukommen. Weg von dieser bedrückenden Atmosphäre und vor allem weg von Chiaki Nagoya. Einen Moment lang sah er ihr nach. Dass sie sich so distanzierte versetzte seinem Herzen einen Stich. Er wollte nicht, dass sie nicht in seiner Nähe sein wollte. Und in diesem Moment entschied er, sie nicht einfach gehen zu lassen. Auf einmal wusste er, was zu tun war… Etwas durcheinander betrat Maron ihre Wohnung. Diese Situation eben hatte sie total aus dem Konzept gebracht. Mit ihm alleine, auf so engem Raum. Sie wusste einfach nicht, wie sie mit einer solchen Situation umgehen sollte. Einerseits war da dieser Streit, den sie beide auszufechten hatten, doch gleichzeitig hatte er eine so unwiderstehliche Anziehungskraft, für die sie selbst so anfällig war. Sie wollte gerade die Eingangstür hinter sich schließen, als sie einen dumpfen Schlag vernahm und in Chiaki’s Gesicht blickte, der sie an diesem Vorhaben gehindert hatte. Was wollte er denn nun? Er sah sogar etwas aufgebracht aus. Als er sich uneingeladen in ihre Wohnung zwängte und die Tür schloss, wich die Brünette zwar zurück, löste aber nicht den Blickkontakt. Seine Augen, in denen ein leicht panischer Ausdruck lag, nahmen sie einfach viel zu sehr gefangen. „Es tut mir leid..“, begann er zu stammeln „ich habe keine Ahnung was ich hier gerade tue, aber ich kann dich nicht einfach so gehen lassen.“ „Chi…Chiaki, was ist los?“ Sie verstand in diesem Moment gar nichts. „Maron, hasst du mich eigentlich?“ „Was? Nein…also…Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber…aber hassen ist so ein starkes Wort…Ich…Ich.“ Chiaki stoppte ihre Worte, indem er Maron seinen Zeigefinger vorsichtig auf die Lippen legte und diese so versiegelte. „Nein, sag bitte nichts. Hör zu…das hört sich jetzt total verrückt an, aber ich muss es dir einfach sagen. Versuch mich bitte nicht zu unterbrechen.“ Er strich sich durch seine Haare, während er noch einmal tief ein- und ausatmete. Er wusste, dass es jetzt kein zurück mehr gab, er hatte es angefangen, also musste er es jetzt auch zu Ende bringen. „Hör zu, Maron: Ich weiß, dass du verdammt sauer auf mich bist. Ich weiß, dass ich dir alles hätte vorher erzählen sollen und ich weiß auch, dass ich mich vielleicht ein bisschen unfair verhalten habe, aber ich will nicht mehr, dass das zwischen uns steht. Ich weiß auch nicht was es ist, aber da ist etwas Besonderes zwischen uns. Du hast so eine Anziehungskraft auf mich, aber ich weiß nicht wie du das machst und genau so wenig weiß ich, was meine Gefühle zu bedeuten haben. Ich könnte mich niemals von Miyako trennen, das lässt mein Gewissen zu, aber ich…ich möchte euch beide haben, verstehst du das?“ Gespannt wartete er auf Maron’s Reaktion, doch diese starrte ihn nur mit großen, geschockten Augen an. „W…Weißt du, was du da gerade gesagt hast? „Ja, das weiß ich und ich möchte dir auch zeigen, dass das geht. Ich weiß nicht, was da zwischen uns ist, aber ich möchte es herausfinden. Bitte, vertrau mir!“ „Nein! Das kann ich nicht!,“ sie schrie ihn regelrecht an „Du bietest mir eine Affäre an?! Du forderst da von mir, Miyako mit dir zu betrügen! Bist du…Du bist doch verrückt geworden! Ich will, dass du sofort meine Wohnung verlässt.“ „Maron…nein…bitte, ich…“ „Raus!“ Schrie sie. Sie schnaufte vor Wut und zeigte auf die Haustür. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft ihm in die Augen zu blicken. Noch einmal sah der junge Mann flehend zu der jungen Frau, die ihn allerdings keines Blickes würdigte. Dann verließ er niedergeschlagen ihre Wohnung, um sich in seiner eigenen zurückzuziehen. Maron blieb alleine zurück und ließ sich mit Tränen in den Augen an der Wand herunter gleiten, um nicht nur ihren Atem, sondern auch ihr Herzklopfen zu beruhigen. _____________________________________________________________________________________ Ich würde mich sehr über Kommentare freuen :) Kapitel 11: Der Brief --------------------- Eigentlich bleibt mir nur noch mich für eure Kommentare zu bedanken und euch viel Spaß für das nächste Kapitel zu wünschen :) ------------------------------------------------------------------ Ungefähr sechs Tage waren seit dieser Angelegenheit vergangen und Maron gab sich alle Mühe all das zu verdrängen und Chiaki so weit es möglich war aus dem Weg zu gehen, was sich als deutlich schwieriger erwies, als sie anfangs gedacht hatte. Die 24-jährige war eigentlich davon ausgegangen, dass ihre Reaktion auf sein Angebot so deutlich gewesen war, dass auch er sich von ihr fern halten wollte. Doch dem war nicht so: Jedes mal wenn sie sich irgendwo begegneten, sei es im Flur, im Aufzug oder beim Einkaufen, versuchte er sie darauf anzusprechen, doch das war genau das, was sie unbedingt verhindern wollte. In erster Linie, weil sie Angst hatte, dass er ihr noch einmal dieses unmoralische Angebot unterbreiten würde, und zweitens, weil sie Angst hatte seiner Bitte nachzugeben… Als sie vor sechs Tagen zusammen im Aufzug standen, hatte sie irgendeine Anziehung gefühlt, sie konnte sogar ihr Herz schlagen hören. Und als er dann einfach in ihre Wohnung gekommen war und so vor ihr stand, so aufgeregt, so schwer atmend, waren ihre Beine kurz davor ihr den Dienst zu versagen. Was war nur los mit ihr? Doch dann war da dieses Angebot. Chiaki’s Worte gingen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. °Ich weiß auch nicht was es ist, aber da ist etwas Besonderes zwischen uns.° Ja, daran hatte sie auch für einen Moment gedacht. Und irgendwie macht ihr das Angst. °Ich möchte euch beide haben, verstehst du das?° Was hatte er sich dabei nur gedacht? Und was hatte er erwartet? Dass sie sich darüber freuen, sich ihm augenblicklich an den Hals werfen und sich von ihm vernaschen lassen würde? Hatte er wirklich angenommen, dass sie einer Affäre zustimmen würde? Verdammt, sie und Miyako waren in der Schule die besten Freundinnen gewesen! So etwas konnte sie doch niemals tun…oder? Maron dachte über ihre Reaktion auf seine Worte nach. Sie hatte ihn angeschrieen, hatte ihn sogar aus ihrer Wohnung geworfen! Dann war er gegangen und sie ist zurückgeblieben…und hatte geweint! Lange hatte die junge Frau versucht es auf die Tatsache zu schieben, dass sie so unglaublich wütend auf ihn war. Doch das war sie eigentlich nicht so richtig. Kurz nachdem er die Wohnung verlassen und Maron einige Tränen vergossen hatte war ihre ursprüngliche Wut bereits verblasst. Das war doch nicht mehr normal oder? Warum konnte sie nicht wütend auf ihn sein? Miyako stand in ihrem Polizeibüro vor der Magnettafel. Seit geschlagenen zwanzig Minuten betrachtete sie eine Landkarte von Japan, auf der hin und wieder rote Stecknadeln angebracht waren, die Tatorte markieren sollten. Verzweifelt versuchte die junge Polizistin ein gängiges Muster zu erkennen. In ihrer Hand hielt sie eine schwarze Akte, die sie immer wieder öffnete, durchlas und anschließend wieder schloss, um erneut auf die Landkarte zu starren. Seit ungefähr einem Jahr suchten sie nach einem Wiederholungstäter, der Frauen ermordete. Meistens waren seine Opfer brünett und zwischen 19 und 21 Jahren alt. Todesursache waren bisher immer zahlreiche Messerstiche und dabei ging der Täter immer nach demselben Muster vor. Da bisher allerdings keines der Opfer überlebt hatte, gab es keine Zeugen, die etwas über diesen hätten aussagen können. Die Polizei tappte also sprichwörtlich im Dunkeln. Die Tatsache, dass die Morde in vielen verschiedenen Städten stattfanden, ließen die Spekulationen zu, dass er sogar unter Umständen einen Komplizen haben oder einem Komplex von mehreren Täten angehören könnte. Doch bisher konnte noch nichts nachgewiesen werden. Innerhalb eines Jahres hatte es genau fünfzehn Morde gegeben, doch niemals nur in einem Bereich Japans. Nein. Die Tatorte waren quer über das Land verstreut. So, als ob der Täter die Orte, an denen er seine grausamen Taten vollbrachte, völlig willkürlich wählte. Miyako blickte rechts neben die Landkarte, wo die Steckbriefe der ermordeten Frauen angeheftet waren. Alle waren junge, hübsche Studentinnen. Und alle wurden in ihren eigenen Wohnungen kaltblütig ermordet. Leider gab es weder Einbruchs- noch DNS-Spuren. Bis jetzt. Da die Morde in verschiedenen Städten, unter anderem auch in der Nähe von Momokuri, stattgefunden hatten, musste die Polizei von Momokuri mit mehreren verschiedenen Polizeipräsidien zusammenarbeiten. Einer der letzten Fälle wurde in Osaka verzeichnet. Opfer in diesem Fall war die 21-jährige Modedesignstudentin Namiko, die alleine in einer Studentenwohnung lebte. Obwohl sich die Wohnung in einem Studentenheim befand und es genug Nachbarn gab, die etwas hätten mitbekommen können, geschah die Tat doch unbemerkt. Wieder keine Zeugen und wieder keine Einbruchsspuren. Doch diesmal war etwas anders: Die Spurensicherung hatte bei der Untersuchung der Tatwohnung eine Spur gefunden, die eventuell Hinweise über den Täter geben könnte. Und genau diese Spur galt es auszuwerten. Miyako hoffte, dass es diesmal zu einem erfreulichen Ergebnis kommen würde, denn wenn die Spur nicht vom vermeintlichen Täter wäre, so gab es wieder nichts, was zur Aufklärung des Falles führen könnte. Sie hatte sich geschworen das alles aufzuklären, damit keine weiteren jungen Frauen zu früh aus dem Leben gerissen würden. Es war ihre Pflicht dies zu verhindern… Maron lief durch die Straßen von Momokuri. Sie befand sich erneut auf den Weg zur Praxis von Frau Tsukamoto, um ihren ersten Arbeitstag bei ihr anzutreten. Die junge Frau hatte vor drei Tagen einen Anruf von ihr erhalten, in dem sie ihr mitteilte, dass sie sich gegen die anderen Bewerberinnen hatte durchsetzen können und ab Anfang der folgenden Woche anfangen konnte bei ihr zu arbeiten. Maron war verständlicherweise völlig aus dem Häuschen gewesen und konnte es erst gar nicht fassen. Das war eine große Chance für sie! Frau Tsukamoto war in Japan eine durchaus angesehene Psychologin. Viele Menschen würden alles dafür tun, bei ihr arbeiten zu dürfen. Und darum war es für die Brünette eine besonders große Ehre. Sie hatte vor kurzem erst ihr Studium beendet und hatte, abgesehen von einigen Praktika, nicht allzu viel praktische Berufserfahrung, was Maron’s Nervosität nicht linderte. Es hieß, dass ihre Chefin sehr hohe Ansprüche habe und sie hatte Angst etwas falsch zu machen. Theoretisch wusste sie natürlich alles was zu tun war, doch in der Realität war das natürlich noch einmal ganz anders, was sie bei ihren Praktika mehr als deutlich gesehen hatte. Die junge Frau erreichte das Ärztehaus und versuchte sich noch einmal Mut zuzusprechen. °Alles wird gut, Maron. Du musst nur alles so tun, wie du es gelernt hast. Alles wird gut…° Dann öffnete sie die Tür und trat ein. Diesmal entschied sie sich allerdings den Aufzug zu benutzen. Das beim letzten Mal war ihr eine Lehre gewesen und sie wollte nicht schon wieder völlig außer Puste sein, wenn sie oben ankam. Beim Eintreten in die Praxis wurde Maron sofort von Amaya Sugita begrüßt, die wieder am Empfang saß und sie herzlich anlächelte. „Guten Morgen, ich glaube wir haben uns beim letzten mal nicht vorgestellt. Ich heiße Amaya.“, sie reichte Maron die Hand. „Du kannst ruhig ‚du’ zu mir sagen, immerhin sind wir ja jetzt Kolleginnen.“ „Hi, mein Name ist Maron. Tut mir leid, ich bin etwas nervös. Das ist ja immerhin mein erster Arbeitstag.“ „Das ist völlig normal, mach dir keine Sorgen. Du wirst am Anfang nicht allzu viel mit den Patienten zu tun haben. Ich werde dir erst einmal alles erklären, dass du dich auch an der Anmeldung und im Labor auskennst. Da kannst du auch nicht viel falsch machen. Frau Tsukamoto hat gesagt, dass du dich erst einmal ein bisschen hier wohl und sicher fühlen sollst und dann traut sie dir auch die Arbeit mit den Patienten zu.“ „Hast du denn viel mit den Patienten zu tun?“ „Eigentlich bin ich größtenteils für die ganzen anderen Arbeiten zuständig. Ich bin sozusagen ‚Mädchen für alles’. Komm, häng deine Jacke auf und leg deine Tasche ab, dann kannst du dir da vorne einen Stuhl nehmen und dich zu mir setzen. Ich zeig dir dann alles was du am Computer können musst.“ Maron erwies sich als sehr lernfähig und fand sich recht schnell zurecht. Ab und zu machte sie zwar noch den ein oder anderen Fehler und musste hin und wieder nachfragen, doch teilweise konnte sie im Laufe des Tages bereits ein paar Arbeiten an der Anmeldung übernehmen. Ansonsten schaute sie Amaya ein bisschen über die Schulter und machte sich ein Bild von den Patienten. Von Frau Tsukamoto bekam die junge Frau kaum etwas mit. Ab und zu musste sie ihr einen Tee bringen oder sie liefen sich auf der Toilette über den Weg, doch ihre Chefin schien sehr beschäftigt zu sein. Frau Tsukamoto war von ihrem Typ her eher kühl. Maron schätzte sie bezüglich ihres Alters auf Mitte 50, ihre schulterlangen schwarzen Haare, zwischen denen bereits ein paar graue hervorschauten, trug sie grundsätzlich in einem strengen Dutt und eine Brille, was sie ein wenig streng aussehen ließ, und auch so war sie eher ein bisschen wortkarg. Maron musste zugeben, dass sie froh war sich mit ihrer Arbeitskollegin so gut zu verstehen. Das erleichterte ihr die Arbeit ein wenig. Sie wollte gar nicht erst wissen, wie es war, wenn sie mit ihrer Chefin alleine in der Praxis arbeiten würde. Etwas erschöpft ließ sich Chiaki in seinen Bürosessel fallen. Er hatte gerade eine anstrengende Operation hinter sich und musste sich jetzt erstmal ein bisschen ausruhen. Er schloss gerade seine Augen und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen, als es an der Tür klopfte. Na toll… „Herein.“ Die Tür öffnete sich und Chiaki’s Vater, Kaiki Nagoya, trat ein. „Hast du ein bisschen Zeit für mich? Ich würde mich gerne mit dir unterhalten.“ „Na klar, setz dich. Was gibt’s?“ Chiaki schob seinem Vater einen Stuhl entgegen, auf den sich dieser setzte. „Chiaki, ich mache mir ein bisschen Sorgen um dich.“ „Das ist ja nichts Neues.“ Chiaki grinste Kaiki an und auch dieser musste lächeln. Er hatte Recht. Kaiki war schon immer sehr um seinen Sohn besorgt gewesen. Besonders nach der Trennung von Hana war er darauf bedacht gewesen ein möglichst guter Vater zu sein, nachdem entschieden wurde, dass Chiaki nach der Scheidung bei ihm bleiben sollte. Chiaki war zwar damals noch sehr jung gewesen, und doch war es auch teils seine eigene Entscheidung gewesen bei seinem Vater bleiben zu wollen. Nicht verwunderlich nach allem, was er in Bezug auf seine Mutter hat ertragen und ansehen müssen. Kaiki seufzte auf. Er war sich sicher bewusst, dass er aus seinem Sohn nicht viel mehr rausbekommen würde, als bei ihrem letzten Gespräch, aber er wusste auch, dass etwas nicht in Ordnung war und er musste dahinter steigen was es war. Er war besorgt und er wollte sich das nicht länger ansehen. „Chiaki…ich weiß, dass du mir diesmal wahrscheinlich nicht mehr erzählen wirst als letzte Woche, aber ich werde das nicht einfach so auf mir sitzen lassen. Irgendetwas stimmt nicht mit dir, das merke ich doch!“ „Ist das so?“ „Ich bin immerhin dein Vater.“ Chiaki musste bei seinen Worten leicht lächeln. „Chiaki, willst du mir nicht erzählen was los ist? Du bist in letzter Zeit so müde und unkonzentriert. Versteh mich nicht falsch, ich weiß deine Qualitäten als Arzt zu schätzen, aber es ist einfach zu riskant in einem solchen Zustand zu operieren. Vielleicht solltest du dir mal ein paar Tage frei nehmen, einfach dass du dich wieder ein wenig erholen kannst. Ganz ehrlich, wann hast du dir zuletzt Urlaub genommen? Jedenfalls nicht in einem Zeitraum, an den ich mich erinnern kann. Und der Beziehung zu Miyako würde das sicherlich auch gut tun. Du solltest wirklich darüber nachdenken.“ „Vater, ich verstehe deine Sorgen, aber ich denke du übertreibst es ein bisschen. Ich habe dir bei unserer letzten Unterhaltung schon gesagt, dass alles in Ordnung ist. Ich glaube ich habe in letzter Zeit einfach ein bisschen zu viel Stress. Das ist schon alles. Aber wenn es dich beruhigt, wäre ich auch bereit mit mal eine Woche frei zu nehmen. Aber kommt ihr mit einem Arzt weniger im Moment klar? „Das spielt doch keine Rolle. Genieß du mal deine freien Tage, ich bekomme das hier schon geregelt. Und jetzt geh nach Hause, das hast du dir echt verdient.“ „Danke, Vater“ Kaiki erhob sich von dem Sessel, auf den er sich eben gesetzt hatte. Bevor er aber aus dem Büro verschwand, drehte er sich noch einmal zu seinem Sohn um und sah ihn an. Er war wirklich erwachsen geworden. „Chiaki.“ „Ja?“ „Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn.“ Dann war er schon zur Tür hinaus und ließ den jungen Arzt zurück, der zugeben musste, dass er sich über diese Worte freute. Kaiki hingegen befand sich schon wieder auf dem Weg zu seinem nächsten Patienten. Auch wenn er seinen Sohn endlich hatte überzeugen können ein paar Tage zu Hause zu bleiben, hatte er sich von diesem Gespräch doch eigentlich mehr erhofft. Er war fest überzeugt, dass es nicht nur der Stress war, der ihn in diese Verfassung gebracht hatte. Es musste mehr dahinter stecken. Aber für’s Erste musste er sich nunmal damit zufrieden geben. Chiaki war kaum in seiner Wohnung angekommen, als er schon seine Verlobte entdeckte, die durch die Wohnung wuselte. Sie rannte von einem Zimmer in das nächste und hatte jedes Mal, wenn sie in sein Blickfeld geriet etwas anderes in der Hand. Was auch immer sie da tat, sie war auf jeden Fall so beschäftigt, dass sie gar nicht zu bemerken schien, dass Chiaki schon von der Arbeit gekommen war. Schnurstracks stellte er sich in die Schlafzimmertür, als Miyako in diesem verschwand, mit der Absicht ihren Fluss zu stoppen. Die junge Frau erschrak förmlich, als sie sich umdrehte und direkt in die Augen ihres Verlobten sah, der in der Tür des Schlafzimmers stand und ihr so den Weg versperrte. „Chiaki, ich habe gar nicht mitbekommen, dass du schon zu Hause bist.“ Sie war etwas außer Atem. Chiaki’s Blick fiel auf einen Koffer, der auf dem Bett lag, daneben einige Kleiderstapel. „Das habe ich bemerkt. Was wird das hier? Hattest du vor all deine Sachen zu packen und dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu verschwinden?“ Er grinste. Natürlich war das nur als Witz gemeint, er wusste, dass Miyako ihn niemals von sich aus verlassen würde und in dem Punkt war er sich seiner Sache wirklich sicher. „Nein, natürlich nicht. Ich habe dir doch von diesen Frauenmorden erzählt, an denen wir schon so lange erfolglos arbeiten, weißt du noch? Der letzte Fall hat sich in Osaka ereignet und die Polizei dort hat doch tatsächlich eine Spur gefunden, die uns zum Täter führen könnte! Das Präsidium hat uns gebeten ein paar Leute vorbeizuschicken, damit wir enger zusammen arbeiten können. Die brauchen mich da, das verstehst du doch sicher, oder?“ „Ja aber natürlich. Soll ich dich an den Flughafen bringen?“ „Nein nein, das brauchst du nicht. Ich fahre mit den Kollegen, die mitkommen nach Osaka. Sie müssten in fünf Minuten vor dem Haus stehen. Ich muss mich also beeilen.“ Mit Chiaki’s Hilfe waren alle Sachen innerhalb weniger Minuten im Koffer verstaut und Miyako war bereit zur Abreise. „Weißt du schon wann du wieder zurück bist?“ „Nein, leider nicht. Vielleicht dauert es nur eine Woche, vielleicht aber auch zwei. Das hängt davon ab, wie wir mit unseren Ermittlungen weiterkommen. Entschuldige, aber ich muss jetzt wirklich los.“ Miyako drückte Chiaki noch einen kurzen Kuss auf den Mund, bevor sie mit ihrem Gepäck im Aufzug verschwand. Chiaki blieb noch einen Augenblick vor der geschlossenen Lifttür stehen und hing seinen Gedanken nach. °Na toll°, war alles was in diesem Moment durch seinen Kopf ging. Jetzt hatte er also eine Woche Urlaub und hatte keine Ahnung was er in dieser Zeit tun sollte. Seine Verlobte war weg und Maron ging ihm die ganze Zeit aus dem Weg. Mit einem lauten Seufzen verschwand er wieder in seiner Wohnung. Vielleicht war es mal wieder Zeit für einen Männerabend. Maron kam gerade von der Arbeit, als ihr im Eingangsbereich des Wohnblocks eine gestresste Miyako mit einigem Gepäck entgegenkam. Sie lächelte Maron kurz zu, sagte aber nichts und schon war sie aus dem Haus verschwunden und in ein schwarzes Fahrzeug gestiegen, das vor der Tür gewartet hatte und schon im nächsten Augenblick davonfuhr. Etwas verwirrt sah ihr die 24-jährige nach, schüttelte ihren Kopf und ging dann an ihren Briefkasten, um nach ihrer Post zu schauen. Darin lag ein einziger Brief. Sie nahm diesen in die Hand und musterte ihn. Es gab keinen Absender. Von wem der wohl war? Chiaki befand sich auf dem Weg nach Hause. Es war bereits zwei Uhr in der Nacht, überall war es dunkel und die Straßen wurden nur von den Laternen erleuchtet, die hin und wieder aufflackerten. Der 25-jährige hatte den Abend mit seinen besten Freunden verbracht. Alle hatten sich in der Wohnung seines besten Freundes Keisuke getroffen und waren von dort aus durch die verschiedenen Bars Momokuri’s gezogen und hatten sich gegen Ende noch mit ein bisschen Poker die Zeit vertrieben. Aber jetzt war es Zeit ins Bett zu gehen. Er hatte es eigentlich immer gemocht mit seinen Freunden unterwegs zu sein, aber in letzter Zeit fühlte er sich so unglaublich träge und kraftlos. Ob das wohl mit Maron in Verbindung stand? Sie ging ihm seit diesem unangenehmen Gespräch andauernd aus dem Weg, dabei wollte er einfach mit ihr noch einmal in Ruhe darüber sprechen. Was er da getan hatte war unüberlegt, das war ihm klar. Vermutlich sind da seine Hormone mit ihm durchgegangen, und doch hatte er sich eine andere Reaktion ihrerseits erhofft. Er hatte diese Spannung zwischen ihnen gespürt, das konnte sie doch nicht völlig kalt lassen, oder doch? Er konnte das nicht einfach so hinnehmen. Er verzehrte sich nach ihr, er wollte ihr endlich einmal auf eine andere Art und Weise nahe sein können als bisher. Er wollte nicht mehr mit ihr streiten, weil es sie beide immer weiter voneinander entfernte. Er wollte einfach mehr. Aber war das einfach nur Lust? Er konnte sich doch nicht in sie verliebt haben, oder? Nein, das ist völlig ausgeschlossen! Er war mit Miyako zusammen und das würde sich auch so schnell nicht ändern. Er hatte es Maron ja bereits gesagt, dass er sie nicht verlassen könnte. Es musste doch einen Weg geben, beide haben zu können! Das ist doch einfach zum Verzweifeln. Als er gerade an einer Bar vorbeilief und einen Blick in das Fenster warf, sah er an der Theke eine Person sitzen, die ihm nur allzu bekannt war. °Wenn man vom Teufel spricht.° Er zögerte, ob er hineingehen sollte oder nicht, doch andererseits wusste er, dass er diese Situation nutzen sollte. Wer wusste schon, wann sich ihm wieder eine solch passende Gelegenheit bieten würde? Also fuhr er sich durch die Haare, überprüfte, ob auch alle Kleidungsstücke richtig saßen und ging selbstbewusst in die Bar, wo er direkt auf die junge Frau zusteuerte. Er war fest entschlossen endlich alle Probleme, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hatten, aus dem Weg zu schaffen. Er ließ sich direkt neben ihr auf einen Hocker fallen und wollte gerade anfangen zu sprechen. Er stoppte als sie direkt in sein Gesicht sah. Ihre Augen waren gerötet, ihre Schminke ein wenig verlaufen und auf ihren sonst so rosigen Wangen zeichneten sich Spuren ihrer salzigen Tränen ab. Jeder hätte sofort erkennen können, dass sie geweint hatte, und nicht gerade wenig. Sofort plagte ihn ein schlechtes Gewissen. Vermutlich weil er Angst hatte, dass er der Grund für ihre Tränen sein könnte. Neben der Brünetten standen ein paar geleerte Gläser, ansonsten war kaum eine Person in der Bar. „Maron, was ist denn passiert?“ Er wollte es vorsichtig versuchen, er konnte ja nicht wissen, ob sie mit ihm überhaupt reden wollte. Dabei legte er ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Er machte sich wirklich ernsthafte Sorgen. „Als ob dich das interessieren würde.“ Ihre Stimme war brüchig und der Blick, den sie ihm zuwarf sollte wahrscheinlich so sein, dass sie ihm zeigen konnte, dass sie sauer auf ihn wäre, doch alles was er in ihren glasigen Augen lesen konnte waren Schmerz und Trauer. „Maron, ich weiß, dass du wütend auf mich bist, aber wenn du reden willst, dann bin ich da, hörst du?“ Er hatte kaum ausgesprochen, da entfuhr ihr ein lautes Schluchzen und sie begann erneut zu weinen. Chiaki konnte nur unbeholfen daneben sitzen. Sollte er sie jetzt umarmen? Würde sie das überhaupt zulassen? Er entschied sich dagegen. Vielleicht war es erst einmal das Beste sie nach Hause zu bringen, vielleicht würde sie ihm dort erzählen was los war. „Komm, ich bring dich nach Hause.“ Schluchzend schüttelte sie ihren Kopf, den sie bereits hatte hängen lassen und versuchte sich dagegen zu wehren, doch Chiaki konnte sie letztendlich überreden sich von ihm bis zu ihrer Wohnung im Wohnblock Orléans begleiten zu lassen. „Darf ich noch mit reinkommen?“ fragte er sie, als sie vor ihrer Wohnungstür angekommen waren. Maron musterte ihn verwundert. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet, aber dennoch konnte sie seine Bitte nicht ablehnen. Einerseits weil sie sich einredete, dass sie sich auf diese Weise bei ihm bedanken konnte, doch andererseits spürte sie insgeheim, dass sie an diesem Abend nicht alleine sein wollte. Ihre Stimme war nach wie vor brüchig und so nickte sie einfach nur um seine Frage zu beantworten. Schon wieder standen Tränen in ihren Augen. In der Wohnung ging Maron mit langsamen Schritten auf ihr Sofa zu, auf das sie sich niederließ und verbarg ihr Gesicht erneut in ihren Händen. Eigentlich war es ihr unangenehm, sie wollte nicht, dass Chiaki sie weinen sah, aber in dem Zustand, in dem sie sich befand war ihr alles einfach nur egal. Chiaki blieb nichts anderes übrig als Maron besorgt nachzusehen. Er war ernsthaft um sie besorgt, doch sie hatte ihm noch immer nicht erzählt was mit ihr los war. Er betete nur, dass es ihr nicht wegen ihm so ging. Das könnte er sich einfach nicht verzeihen. Er ging auf die junge Frau zu und setzte sich auf den Platz neben sie. Er wollte ihr nicht zu nahe treten, aber dennoch streichelte er ihr sanft über den Rücken in der Hoffnung, dass es sie ein wenig trösten oder zumindest beruhigen würde. „Maron, es macht mich verrückt nicht zu wissen warum du so weinst. Erzähl es mir doch bitte! Ist es wegen mir?“ Ein beruhigendes Gefühl durchzog seinen Körper, als sie leicht ihren Kopf schüttelte. Dann hob sie ihren Kopf, sah ihn an und begann leise zu sprechen. „Ich habe heute Mittag einen Brief erhalten.“ „Von wem, Maron?“ „Von meiner Mutter.“ Maron rang mit sich selbst. Sie wusste nicht, ob sie ihm etwas so wichtiges anvertrauen sollte. Konnte sie ihm trauen? „Und was ist daran so schlimm?“ Wieder brach die hübsche Brünette in Tränen aus, doch diesmal schienen die Worte nur so aus ihr rauszusprudeln. „Du kennst meine Mutter nicht, Chiaki! Sie war nie für mich da, sie hat sich nie um mich gekümmert. Sie war eine verdammt schlechte Mutter! Und mein Vater war in dieser Angelegenheit auch nicht besser. Sie sollen sich einfach beide aus meinem Leben raushalten, so wie sie es immer getan haben.“ Nachdem sie ihre Worte zu Ende gebracht hatte, konnte sie nicht anders als laut zu schluchzen und ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Das reichte für ihn! Der junge Mann rückte näher an die weinende Frau heran und nahm sie fest in seine Arme, sie wehrte sich nicht dagegen, sondern ließ es einfach geschehen. Eine ganze Weile saßen sie so da. Maron in Chiaki’s Armen, der sanft über ihren Rücken streichelte. Er konnte noch immer nicht nachvollziehen warum die 24-jährige einen solchen Hass auf ihre Eltern hatte. Er war schockiert gewesen, welche Wut aus Maron’s Worten zu hören war. Als er bemerkte, dass sie sich ein wenig beruhigt hatte, nahm er all seinen Mut zusammen, ließ sie aber nicht aus seiner Umarmung. Er wollte im Moment einfach nur für sie da sein. „Willst du mir erzählen, was damals zwischen dir und deinen Eltern passiert ist?“ Es dauerte ein wenig, bis Maron antwortete, aber dennoch begann sie zu erzählen: „Ich hatte eigentlich eine gute Beziehung zu meinen Eltern und sie haben mich sehr geliebt. Ich dachte damals ich hätte eine perfekte Familie, aber das hat sich schlagartig als eine leere Illusion herausgestellt. Meine Eltern waren immer seltener zu Hause und haben sich immer mehr auf ihre Arbeit konzentriert. Ich war oft allein. Wenn sie dann doch mal zu Hause waren, haben sie sich nur gestritten, manchmal haben sie sich sogar geschlagen. Als ich sechs Jahre alt war haben sie sich für die Scheidung entschieden. Währenddessen haben sie sich immer um mich gestritten, weil jeder der beiden wollte, dass ich bei ihm bleibe. Am Ende hat mein Vater den Streit für sich entscheiden können. Ich bin also bei meinem Vater geblieben. Meine Mutter hat sich damit einfach zufrieden gegeben und ist nach Frankreich abgehauen. Das Leben mit meinem Vater war auch nicht einfacher. Ich war genauso viel allein wie davor auch. Es hat ihn einen feuchten Dreck interessiert was mit mir ist und wir haben uns fast nur gestritten. Kurz nach meinem 16. Geburtstag ist das Ganze letztendlich komplett eskaliert. Ich weiß noch nicht einmal worum es ging, aber wir haben uns so heftig gestritten, dass er mich geschlagen hat. Ich habe sofort meine Sachen gepackt und bin abgehauen. Einen Monat lang habe ich bei einer Freundin wohnen können. Ich bin damals aber noch einmal zurückgegangen, um den Rest meiner Sachen zu holen. Der Dreckskerl hatte zu dem Zeitpunkt alles was mir gehörte in Mülltüten gesteckt und einen Brief dazugelegt. Er habe mir etwas Geld dagelassen, von dem ich mir eine Wohnung nehmen könne und dass er nicht mehr in Japan sei.“ „Wo ist er hingegangen?“ „Er hatte sich einfach nach Amerika abgesetzt. Ich habe danach weder von meiner Mutter noch von meinem Vater jemals wieder gehört. Und auf einmal liegt da dieser Brief in meinem Briefkasten, in dem meine Mutter schreibt, dass sie vorbeikommen wird, um mich zu besuchen! Was denkt sie sich nur dabei?!“ Erneute Tränen. Der Brief hatte einfach all diese schrecklichen Erinnerungen, die sie versucht hatte zu verdrängen, wieder nach oben kommen lassen. Chiaki hingegen wusste einfach nicht, was er sagen sollte. „Oh Gott, Maron. Das…das tut mir leid.“ „Ich versteh schon, dass du im Moment nicht weißt was du sagen sollst. Das ist bei den meisten Menschen so, die etwas Vergleichbares niemals erlebt haben.“ „Du vergisst, dass auch ich ein Scheidungskind bin.“ Maron blickte in sein Gesicht. Er hatte Recht, das hatte sie ganz vergessen. Als sie damals mit Miyako und deren Freundinnen in diesem Café gewesen war, hatte sie Hana kennengelernt, Chiaki’s Mutter. „Wie war das bei dir?“ Maron realisierte in diesem Moment, dass Chiaki wohlmöglich der einzige war, der verstehen konnte was in ihr vorging. Und sie wollte seine Geschichte hören. „Es war vielleicht nicht so schlimm gewesen wie bei dir, aber für mich war es verstörend genug. Ich hatte eine schöne Kindheit und meine Eltern waren echt toll in ihrer Rolle. Sie hatten es nicht immer einfach gehabt, weil sie sehr früh Eltern geworden sind. Mein Vater war zwanzig, als er meine Mutter kennen lernte. Sie war damals gerade einmal 18. Sie waren gerade mal ein paar Monate zusammen, als meine Mutter schwanger wurde. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt erst ihre Schule beendet, Vater war am Anfang seines Medizinstudiums und dann war auf einmal ich da, den sie noch zusätzlich zu versorgen hatten. Sie haben das gut hinbekommen, aber dabei scheint ihre Liebe ziemlich auf der Streck geblieben zu sein, denn meine Mutter hat angefangen meinen Vater zu betrügen. Jedes mal wenn mein Vater auf Nachtschicht war, hat sie ihre Liebschaften zu uns nach Hause mitgenommen und hat es ignoriert, dass ich alles mitbekommen habe. Irgendwann habe ich das alles meinem Vater erzählt und er hat die Scheidung eingereicht. Ich war damals sechs Jahre alt, genau wie du. Das Verhältnis zu meiner Mutter war ab da nie einfach, aber es hat sich mittlerweile ein bisschen gebessert, aber so etwas kann ich nicht vergessen.“ Maron empfand es am logischsten erstmal nichts zu sagen, aber sie fühlte sich auf eine seltsame Weise mit ihm verbunden, immerhin hatten sie beide eine ähnliche Kindheit. Chiaki sah Maron einfach nur an. Es hatte gut getan mit ihr darüber zu reden und es hatte gut getan ihr Vertrauen spüren zu können. Er betrachtete ihr Gesicht. Wie schaffte sie es nur selbst in diesem Zustand so bezaubernd zu sein? „Du bist so wunderschön.“ Das war alles was er noch flüsterte bevor er seine Lippen sanft auf ihre legte. Ohne Zögern erwiderte auch Maron diesen Kuss, denn in diesem Augenblick verschwand alles um sie herum. Dieser Kuss war anders als die, die sie bisher geteilt hatten. Er war nicht grob oder lustvoll, nein, er war sanft und brachte Maron’s Herz zum Schlagen. Auch sie konnte nun diese Spannung zwischen ihnen spüren. °Da ist etwas Besonderes zwischen uns° Als Chiaki mit seiner Zunge still um Einlass bat, gewährte sie ihm diesen prompt. Als sie den Kuss lösten, kuschelte sich Maron sofort wieder in seine Arme. Sie wollten ihn nicht gehen lassen. Nicht jetzt. „Chiaki?“ „Ja?“ „Würdest du heute Nacht bei mir bleiben?“ „Aber natürlich.“ Nichts hätte sie zu diesem Zeitpunkt glücklicher machen können als genau diese Antwort. Und sie wurde sich einer Sache bewusst: Sie hatte sich unwiderruflich in Chiaki verliebt… ---------------------------------------------------------------- Ich hoffe es hat euch gefallen, ich würde mich sehr über ein paar Kommentare freuen :) Bis zum nächsten Kapitel! Kapitel 12: Besuch ------------------ Mit einem leisen Grummeln wachte Maron am nächsten Morgen alleine in ihrem Bett auf. Im ersten Moment kam es ihr vor wie ein ganz normaler Morgen, doch dann kamen ihre Erinnerungen an den vergangenen Abend zurück. Ein seliges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen als sie an den wunderschönen Kuss denken musste. Er hatte sogar bei ihr übernachtet! Wer hätte das gedacht? Und vor allem: wer hätte wohl gedacht, dass er keinerlei Absichten zeigen würde mit ihr schlafen zu wollen? Er hatte nur bei ihr gelegen und sie gestreichelt. Das war alles. Miyako war in diesem Moment kein Begriff für Maron. Doch wo war eigentlich Chiaki? Komplett im Pyjama stieg Maron aus dem Bett, schlurfte mit nackten Füßen zur Tür, öffnete diese und betrat die Küche, wo sie Chiaki beobachten konnte, der etwas unbeholfen versuchte den Frühstückstisch zu decken. Dass dies nicht seine eigene Wohnung war und er daher nicht wusste, wo alles zu finden war erleichterte ihm dieses Vorhaben allerdings nicht. „Die Tassen sind in dem Wandschrank über der Spüle.“ Etwas verwirrt drehte sich der junge Mann zu Maron um, bevor er ein strahlendes Lächeln aufsetzte. Schnellen Schrittes kam er auf sie zu und drückte seine Lippen auf ihre. Leicht überrumpelt erwiderte Maron den Kuss. Es gab ihr ein so schönes Gefühl. Daran könnte sie sich doch glatt gewöhnen: Morgens aufstehen, mit einem sanften Kuss und einem schön gedeckten Frühstückstisch begrüßt werden und einfach die Morgen nicht mehr alleine verbringen. Es dauerte eine Weile bis Chiaki bereit war den Kuss zu lösen. Kurz nahm er sie noch in seine Arme und machte sich dann daran den Frühstückstisch noch vollständig zu decken. Wie in Trance stand Maron da und betrachtete Chiaki, in Gedanken noch immer bei ihrem Kuss. Er trug nur eine Jeans. Barfuß bewegte er sich durch die Küche, während Maron immer wieder versuchte einen möglichst guten Ausblick auf seinen gut gebauten Oberkörper zu erhaschen. Unter seiner Haut zeichneten sich seine Muskeln ab, seine blauen Haare waren ein wenig zerzaust, aber das machte ihn für Maron in diesem Moment noch viel attraktiver. Wie konnte ein Mann nur so unglaublich sexy sein? Als der 25-jährige sein Werk vollendet hatte, zog er einen der Stühle nach hinten, machte eine verbeugende Bewegung, sah Maron an und sagte mit einem charmantem Lächeln: „Madame.“ Kichernd ließ sie sich auf eben diesem Stuhl nieder und erwiderte ebenso scherzhaft: „Merci, Monsieur.“ Das Frühstück verlief weitgehend ruhig und die beiden unterhielten sich eher weniger. Chiaki versuchte allerdings den Moment den Moment einfach nur auszukosten, um die junge Frau zu betrachten, diese jedoch wusste einfach nicht was sie sagen sollte. Es war ihr fast ein wenig unangenehm. Dann ergriff er sanft ihre Hand und strich sanft über diese. „Es war gestern so schön, Maron.“ „Chiaki, ich…“ sie errötete, wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Irritiert löste er ihre Hände. „Wenn du das nicht willst, dann musst du mir das sagen.“ Er klang fast gereizt. „Nein, das ist es nicht. Aber…“ „Aber was?“ Er wurde lauter. „Es geht nur etwas schnell.“ Diesen Satz flüsterte die Brünette nur noch. Sie wollte keinen Streit auslösen, aber sie war eingeschüchtert von Chiaki’s Reaktion auf ihre Unsicherheit. Er strich sich mit den Handflächen über sein Gesicht. „Es tut mir leid, Maron. Ich hätte so nicht reagieren dürfen. Es ist nur so, ich… ich habe nur so lange nicht mehr solche Gefühle gehabt und ich will nicht, dass es so weitergeht wie bisher. Wir hatten einen schwierigen Anfang, aber ich bin bereit noch mal neu anzufangen. Du auch?“ Mit einem fragenden und doch weichen Blick, sah er ihr fest in ihre großen, braunen Augen. Währenddessen hatte seine Hand den Weg zu ihrer Wange gefunden. „J…Ja, ich denke schon.“ Das genügte für ihn. Das strahlende Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück und wieder konnte er es sich nicht nehmen lassen ihr einen Kuss zu stehlen. „Dann lass es uns langsam angehen“, war alles, was er ihr zuflüsterte, als er seine Lippen von ihren löste. Chiaki blieb noch ungefähr eine halbe Stunde, bevor er in seine eigene Wohnung zurückkehrte, um Maron etwas Zeit zu lassen über ihre Situation nachzudenken und sich vor allem für die Arbeit vorzubereiten. Bereits unter der Dusche ließ sie der Gedanke an ihren Geliebten nicht mehr los. Allein seine Küsse machten sie sprachlos und sein Körper war atemberaubend. Die Art wie er mit ihr sprach, so zart, so verständnisvoll. Was hatte er nur mit ihr gemacht? Vor ein paar Tagen noch wollten sie sich am liebsten sprichwörtlich gegenseitig die Köpfe einschlagen und jetzt? Jetzt entwickelten sie auf einmal starke Gefühle füreinander. So starke Gefühle, dass selbst die Tatsache, dass Chiaki ja eigentlich verlobt war zu einem unwichtigen Detail wurde. Wie konnte das nur passieren? Waren es ihre beiden Schicksale, die sich so ähnlich waren? Oder war diese Anziehung schon die ganze Zeit über präsent gewesen, wurde aber durch die Wut überdeckt, die beide unbedingt füreinander empfinden wollten? Maron konnte sich keinen Reim darauf machen, aber das war im Moment nicht von Bedeutung. Sie wollte die Augenblicke mit ihm genießen, die ihnen blieben. Wer konnte schon wissen wie viele es sein würden… In ein Handtuch gehüllt stieg Maron aus der Dusche. Sie trocknete sich ab und warf einen Blick in den Spiegel. Verwundert blieb ihr Blick auf der Frau hängen die sie da sehen konnte. Sie hatte sich schon so oft selbst betrachtet und doch bemerkte sie, dass sich etwas an ihr verändert hatte. In ihren Augen und ihren Zügen waren nicht mehr die Deprimierung und die Wut zu sehen, die sich in den letzten Wochen festgesetzt hatten. Nein, sie sah glücklich aus, ihr Ausdruck war lockerer, ihr Blick weicher. Unglaublich was ein einziger Mann bei einer Frau bewirken kann… Chiaki saß währenddessen auf seinem Balkon und sah in die Ferne. Es war ein schöner Tag: Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, der Himmel war blau. Er lächelte. Das Wetter verbesserte seine gute Laune nur noch mehr. Und wer hätte schon erwarten können, dass ausgerechnet Maron der Auslöser für diese gute Laune sein würde? Besonders nach dem, was in letzter Zeit zwischen ihnen passiert war. Doch das wollte er nun vergessen. Er wollte einen neuen Anfang mit ihr wagen. Er hatte zu starke Gefühle für sie entwickelt, als dass er sie nun wieder im Streit gehen lassen könnte. Und doch plagte ihn ein schlechtes Gewissen. Er hatte bei Maron übernachtet und sie sogar geküsst, obwohl er eigentlich verlobt war. Mit Miyako war er schon lange nicht mehr glücklich, aber war es das Richtige sie dann einfach zu betrügen? Was tun, wenn man sich in eine andere Person verliebte und doch eigentlich vergeben war? Er wusste nicht, was er tun sollte. Die Gefühle, die er einmal für Miyako hatte, waren schon lange verblasst, und dennoch konnte er sie nicht verlassen. Dafür hatten sie zu viel durchgemacht. Gab es nicht einen Weg beide Frauen in seinem Leben zu haben? Maron’s Arbeitstag verging wie im Flug. Mit guter Laune und Vorfreude auf den kommenden Abend, den sie hoffentlich mit Chiaki verbringen würde, erledigte sich die Arbeit doch viel leichter und auch Maron’s Kollegin und ihrer Chefin fielen auf, dass die hübsche Brünette fröhlicher war als sonst. Das waren sie so gut wie gar nicht von ihr gewöhnt. Maron war immer ein sehr zuvorkommender und netter Mensch, doch es war nicht zu übersehen, dass sie auch viele Sorgen hatte, mit denen sie innerlich kämpfte. An diesem Tag jedoch war es fast so, als hätte sie diesen Kummer mit einem Mal von Bord geworfen. Dies zeichnete sich einerseits in ihrer Laune ab und andererseits in ihrem Engagement bezüglich der Arbeit. Sie kümmerte sich besonders fürsorglich um die Patienten und konnte sogar früher in den Feierabend gehen. Vor sich her summend trat die 24-jährige den Heimweg an bis sie den Wohnblock Orléans erreichte, in dem sie wohnte. Mit dem Aufzug fuhr sie in den siebten Stock, voller Vorfreude auf einen schönen Feierabend. Doch mit einem einzigen Blick aus dem Lift heraus auf den Flur wurden diese Hoffnungen ein für alle mal zerstört: Vor ihrer Haustür stand eine große, schlanke Frau mittleren Alters. Die Haarfarbe ihrer Lockenpracht ähnelte der von Maron. Ihre Bekleidung war sehr modern und elegant. Ein eng anliegendes, zartrosa Kleid, das bis zu der Mitte ihrer Oberschenkel reichte. Darüber trug sie einen schwarzen Blazer und schwarze High-Heels. Ihr Gesicht war sehr hübsch: Große, braune Augen, die mit dezentem Make-up noch einmal hervorgehoben wurden, eine kleine Stupsnase, die sich genau richtig in das Gesamtbild fügte und volle Lippen, die mit pinkem Lippenstift perfekt betont wurden. Neben der Frau stand ein Mann. Er war ungefähr 15 bis 20 Jahre jünger als die Frau, aber nicht minder modisch. Er hatte lange, rote Haare, die er nach hinten locker zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Von seinem Gesicht konnte man nicht viel erkennen, da es zu einem großen Teil von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt wurde. Dafür konnte die junge Frau umso mehr von seinem Oberkörper erkennen: Er trug einen fast schwarzen Anzug, der eng an seinem Körper anlag. Das bordeauxrote Hemd, das er darunter trug, war nur ungefähr bis zur Mitte seines gut gebauten Oberkörpers zugeknöpft und ermöglichte so eine möglichst gute Aussicht. An seinen Füßen trug er glänzende Lackschuhe, die sicher nicht billig gewesen waren. Blass, mit ausdruckslosem Blick ging Maron langsam auf die zwei Gestalten zu, die sie erwartungsvoll anblickten. „Korron“, war alles, was sie in diesem Moment von den Lippen brachte. „Maron, mein Schätzchen! Hör doch bitte auf mich ‚Korron’ zu nennen, immerhin bin ich deine Mutter! Willst du nicht die Tür öffnen und uns hereinbitten?“ „Bevor hier irgendwer in meine Wohnung kommt, möchte ich erst einmal erfahren wer das da ist.“ Dabei zeigte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den rothaarigen Mann, ihr Ton war feindselig. Es kümmerte sie dabei nicht, dass sie sich unhöflich benahm. „Das ist Hijiri, mein Verlobter und ich möchte doch darum bitten, dass du dich nicht so unhöflich ihm gegenüber verhälst, junge Dame. So habe ich dich nicht erzogen. Das ist sicher der schlechte Einfluss deines Vaters.“ Am liebsten hätte Maron ihrer Mutter so etwas gesagt wie „was hast du denn schon zu meiner Erziehung beigetragen?“ oder „wenn du wieder anfangen willst über meine verkorkste Kindheit zu streiten, dann kannst du deinen Verlobten nehmen, der genauso gut dein Sohn sein könnte, und sofort wieder verschwinden“, doch sie hielt sich zurück. Sie hatte ihre Mutter seit ungefähr 18 Jahren nicht gesehen aber sie konnte sich nicht über dieses Wiedersehen freuen, was möglicherweise daran liegen könnte, dass sie diese Frau nicht als ihre Mutter ansehen konnte. Dafür hatte sie ihr einfach zu viel angetan. Widerwillig öffnete Maron die Haustür und ließ das ungleiche Paar eintreten, das schnurstracks in das Wohnzimmer spazierte und sich auf der Couch niederließ. Maron hatte es nicht eilig den beiden zu folgen. Sie schloss die Tür, zog ihre Schuhe aus, hängte ihr Jäckchen an den dafür vorgesehenen Haken und schlurfte dann ebenfalls in ihr Wohnzimmer. „Darf ich euch etwas zu trinken bringen?“ die Art wie sie sprach ließ nur zu einfach erkennen, dass sie einzig und allein aus reiner Höflichkeit fragte. „Ein Wasser wäre wunderbar“, antwortete diesmal Hijiri. Bei dem Klang seiner Stimme hätte sich die 24-jährige am liebsten übergeben. So seicht, so falsch, so arrogant. Nachdem sie das Wasser vor den beiden abgestellt hatte, ließ sie sich ihnen gegenüber nieder. Das Bild, das sich ihr bot ekelte sie nahezu an. Ihre Mutter und ihr viel zu junger Verlobter, die sich eng aneinanderkuschelten und immer wieder kleine Blicke und Küsschen austauschten als wären sie pubertierende Teenager. Ein kleines Räuspern von seitens Maron unterbrach sie schließlich. „Schön hast du es hier Maron,“ begann Korron. „Wie lange wohnst du denn schon hier?“ „Ein paar Wochen.“ Sie wollte ihre Antworten so knapp wie möglich halten. „Aha. Und was hast du davor gemacht?“ „Ich habe Psychologie in Tokio studiert.“ Das alles war einfach so unreal. Das war doch kein Gespräch, das Mutter und Tochter führen sollten! Eine Tochter sollte ihrer Mutter doch nicht erzählen müssen was in den letzten 18 Jahren passiert ist, in denen sich diese einfach nicht für das Leben ihres eigenen Kindes interessiert hatte. Dies war ein Gespräch, das Fremde führten, um den anderen kennen zu lernen. Aber vielleicht waren sie genau das – Fremde. „Sehr beeindruckend“, mischte sich wieder einmal Hijiri in das Gespräch ein. Wie sehr Maron diese Stimme hasste… Zum ersten Mal seit seinem Auftauchen zog der Rothaarige seine Brille von den Augen. Jetzt erschien er Maron sogar ein wenig unheimlich. Seine Augen waren wir dünne Schlitze, seine Augenfarbe war nahezu schwarz und der Ausdruck seiner Augen war genau so überheblich wie sein sonstiges Verhalten. Ein unangenehmes Schweigen brach aus. Die junge Brünette blickte ziellos in ihrer eigenen Wohnung herum, Hijiri und Korron beschäftigten sich wieder miteinander. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie empfand Maron das Gefühl diese Stille zu brechen. Mutter und Tochter sollten sich doch für einander interessieren, oder etwa nicht? Das alles hier war einfach so bizarr. „Und… wie habt ihr euch kennengelernt“, begann die junge Frau zögerlich. Sie begann auf ihrer Unterlippe zu kauen. Wie kam sie denn ausgerechnet auf eine solch dumme Frage? Warum war ihr nichts Besseres eingefallen? „Weißt du, Maron-Schatz, Hijiri ist genau so wie ich ein bekannter Modedesigner in Frankreich. Wir wurden auf einer Gala einander vorgestellt und arbeiten nun seit einiger Zeit an einer gemeinsamen Kollektion. Dabei haben wir uns ineinander verliebt und uns war von Anfang an klar, dass wir einmal den Bund fürs Leben schließen würden. Für den nächsten Sommer ist der Termin unserer Hochzeit festgelegt. Du musst unbedingt kommen, mein Schatz! Es wird ein großes Spektakel werden. Ein Schloss, ein riesiger Park, Champagner, Prominente aus aller Welt… Ich könnte dir sogar ein eigenes Kleid entwerfen, dann wärst du meine erste Brautjungfer! Wäre das nicht toll, mein Liebling?“ Maron wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Mit jedem Wort, das sie sprach, konnte sie merklich spüren, dass sich ihre Mutter immer weiter von ihr entfernte. Sie erkannte sie gar nicht wieder. Von der liebevollen, fürsorglichen Mutter, die sie vor der Scheidung von Takumi gewesen war, war nichts mehr zu erkennen. Für sie zählte nur noch Geld, Ruhm und Ansehen. Deshalb hatte sie sich also nie bei ihrer eigenen Tochter gemeldet: Sie hätte nicht in dieses Leben gepasst. Sie hätte sie von ihrer Karriere abgehalten. Und jetzt, wo Maron auf eigenen Beinen stand suchte sie wieder den Kontakt. Korron wollte sie so lange aus ihrem Leben heraushalten, bis sie alt genug war, um ihr Leben alleine zu führen. Bis sie alt genug war, um die Verantwortung für sich selbst alleine tragen zu können. Eine Verantwortung, die Korron nicht hatte übernehmen wollen. „Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll.“ „Aber Schätzchen, stell dir doch mal vor wie toll das alles sein könnte. Du könntest zu uns nach Frankreich ziehen. Hijiri und ich wollen auch noch Kinder haben und dann wären wir alle eine große, glückliche Familie!“ „Eine glückliche Familie wie ich sie hatte?“ Maron konnte ihren Zorn nun nicht mehr unterdrücken. Verdutzt schaute Korron sie an. Warum hatte sich die Stimmung auf einmal so verändert? Warum war Maron auf einmal so zornig? „Liebling, was ist denn auf einmal in dich gefahren?“ „Hör doch auf mit deinem ‚Liebling’! Du weißt ganz genau wie ich das eben gemeint habe! Du bist doch überhaupt nicht fähig eine gute Mutter zu sein und eine Familie glücklich zu machen!“ „Junges Fräulein, jetzt hörst du mir mal zu…“ „Nein! Jetzt hörst du mir zu! Du hast meine Kindheit in eine absolute Hölle verwandelt! Immer nur diese Streitereien um das Sorgerecht und dann bist du einfach abgehauen! Du hast mich einfach im Stich gelassen und dich dann nie wieder gemeldet! Und jetzt auf einmal willst du auf glückliche Familie machen, oder was? Den Zug hast du verpasst, Korron. Ich will dich nicht mehr in meinem Leben haben!“ „Maron“, mischte sich nun auch Hijiri in die Diskussion ein ,“ egal was passiert ist, deine Mutter wollte doch immer nur dein Bestes.“ Wütend funkelte Maron den Mann an. „Was weißt du denn schon? Ich glaube es wäre das Beste, wenn du einfach deine Klappe halten und verschwinden würdest!“ „Maron, ich verbiete es dir so mit meinem Verlobten zu reden!“ Erwiderte Maron’s Mutter empört. „Du kannst mir gar nichts verbieten, Korron. Ich bin erwachsen und du bist nicht meine Mutter! Ich brauche niemanden von euch! Weder Takumi noch dich und ich möchte einfach nur, dass ihr verschwindet und euch für immer aus meinem Leben raus haltet!“ Tränen rannen über ihr Gesicht, aber nicht aus Trauer, sondern aus Erleichterung. So lange hatte sie darauf gewartet, ihren Eltern klar machen zu können, was sie ihr angetan hatten. So lange hatte sich diese unendliche Wut in ihr aufgestaut und jetzt endlich konnte sie diese Last von ihrem Herzen abladen. Es kümmerte sie nicht, ob sie die Frau gegenüber verletzte. Diese hatte ebenfalls angefangen zu weinen, doch es ließ Maron kalt. Verzweifelt ging Korron vor Maron in die Knie, die Hände vor ihr tränennasses Gesicht geschlagen. „Maron, es tut mir so leid! Bitte vergib mir!“ „Das kann ich nicht.“ Die 24-jährige wunderte sich fast selbst darüber, wie ruhig und kalt ihre Stimme in diesem Moment klang. „Maron, mein Schatz, ich kann das wieder gut machen! Ich liebe dich doch!“ Das war genug für Maron. Erneut brach sie in Tränen aus, verdeckte diese mit ihren Händen. Doch diesmal waren es Tränen der Trauer, mit denen sie ihre zerstörte Kindheit betrauerte. Es hätte doch alles so schön sein können… Warum war diese Frau überhaupt wieder aufgetaucht? Sie sollte doch einfach nur verschwinden. Warum tat sie ihr das an? Warum? „Nein! Du kannst nichts wieder gut machen!“ Und damit rannte die junge Frau schluchzend aus ihrer Wohnung. Ihre Beine fühlten sich so taub und wackelig an, als würden sie ihr jederzeit den Dienst versagen. Wo sollte sie hin? Sie wusste es nicht, doch es kam ihr vor, als würde sie fast automatisch auf Chiaki’s Wohnung zusteuern. Sie brauchte ihn jetzt. Er würde für sie da sein. Das hoffte sie zumindest… Verwundert öffnete Chiaki seine Augen und stand von seinem Sofa auf, auf dem er bis eben noch gelegen und geschlafen hatte. Wer klingelte denn an seiner Tür und vor allem warum so oft und so schnell? Als er die Tür öffnete, sprang ihm augenblicklich eine verzweifelt weinende Maron in die Arme und klammerte sich an ihm fest. Er wusste nicht, weshalb sie weinte, aber er wusste, dass ihm der Anblick seiner verzweifelten Geliebten schmerzte. „Maron, was…was ist passiert?“ „…“ Als Antwort erhielt er nur ein noch lauteres Schluchzen. Er nahm sie noch fester in den Arm, schloss die Tür und zog sie sanft in das Wohnzimmer. Dort ließ er sich auf der Couch nieder, ohne die junge Frau in seinen Armen loszulassen. Er musste jetzt einfach für sie da sein, auch wenn er nicht wusste, was der Grund für ihre Verzweiflung war. Er musste sich wohl gedulden und darauf warten, dass sie sich ein wenig beruhigte und ihm hoffentlich dann erzählen würde, was geschehen war. Er konnte nur hoffen, dass nicht er selbst der Grund für ihre Tränen war. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis Maron aufhörte zu schluchzen und ihre Tränen versiegten. Ihre Augen waren geschwollen, ihre Wangen gerötet, ihre Lippen trocken. Es waren noch Spuren vom Salz ihrer Tränen zu erkennen, die über ihr Gesicht gelaufen waren. Für einen kurzen Moment wussten beide nicht wie sie aufeinander reagieren sollten. Chiaki wollte Maron nicht unter Druck setzen und Maron wollte Chiaki nicht mit ihren Problemen belasten. Sie bekam sogar ein schlechtes Gewissen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme. „Was tut dir leid?“ Chiaki glaubte seinen Ohren nicht. „Ich will dich nicht mit meinen Problemen belasten. Das ist nicht fair von mir. Du hast doch sicher auch mit deinen eigenen Problemen zu kämpfen, da brauchst du doch nicht auch noch meine.“ „Ist schon okay, Maron, du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Ich will für dich da sein und dir helfen wann immer ich kann. Willst du mir nicht erzählen, was vorhin geschehen ist? Ich will wissen, warum du so geweint hast.“ Maron zögerte kurz, doch sie bemerkte recht schnell, dass er sich anscheinend doch für ihre Probleme interessierte und dass sie ihm vertrauen konnte. „Wir haben doch gestern über den Brief gesprochen, den ich erhalten habe.“ „Ja, haben wir. Was ist damit?“ „Meine Mutter ist hier aufgetaucht…“ Chiaki war geschockt. Noch am Abend davor hatte Maron ihm von ihrer Mutter und ihrer Kindheit erzählt und dass sie diesen Besucht nicht wollte. Er wusste nicht was er sagen sollte. „Sie hatte ihren arroganten Verlobten mitgebracht, der genauso gut ihr Sohn hätte sein können. Und dann hat sie mir von ihren Hochzeitsplänen und ihrem achso tollen Leben erzählt und dass ich ja zu ihr nach Frankreich ziehen könnte und wir ja eine große, glückliche Familie werden könnten. Sie hat gesprochen, als wäre all das nie passiert, was sie mir angetan hat. Als wäre sie nie aus meinem Leben verschwunden. Das ist so unfair!“ „Was hast du zu ihr gesagt?“ Er wollte der sensiblen jungen Frau so verständnisvoll wie nur irgend möglich begegnen. „Ich bin wütend geworden. Ich habe sie angeschrieen, dass sie nicht meine Mutter sei und dass sie aus meinem Leben verschwinden solle. War das falsch von mir?“ Fragend sah sie Chiaki an, der noch immer seine Arme schützend um sie gelegt hatte. „Nein, Maron. Wenn es das ist was du willst, dann ist es nicht falsch gewesen.“ „Ich weiß doch noch nicht einmal selbst was ich eigentlich will. Ich habe mir immer eine Familie gewünscht, aber doch nicht so. Diese Frau war mir so fremd, da kann ich sie doch nicht als meine Mutter anerkennen, oder?“ „Du hast nichts Falsches getan.“ „Wie war das mit deiner Mutter?“ Sie wusste nicht weshalb, aber das Schicksal von Chiaki zu hören half ihr, ihre eigene Situation besser zu verstehen. „Naja, meine Mutter und ich hatten nach den ganzen Vorfällen ein schwieriges Verhältnis. Ich konnte ihr nicht verzeihen was sie meinem Vater und mir angetan hatte, aber je älter ich wurde umso mehr nähern wir uns wieder Stück für Stück an. Unsere Beziehung ist nach wie vor nicht die beste, aber sie ist immerhin meine Mutter und ab und an versuche ich auch nachzuvollziehen, was sie damals dazu verleitet hatte, meinen Vater zu betrügen.“ Er sah Maron’s reuevollen Blick und sprach sofort weiter: „Maron, du darfst dir keine Vorwürfe machen! Meine Situation ist mit deiner kaum zu vergleichen. Meine Mutter hat auch Fehler gemacht, aber sie hat alles dafür getan, diese wieder gut zu machen. Sie wäre immer für mich da gewesen und sie bereut was sie getan hat. Aber deine Mutter war egoistisch! Überleg doch mal, ist sie nicht einfach verschwunden und hat sich dann einfach nicht mehr gemeldet? Sie scheint ihre Fehler noch nicht einmal zu bereuen und denkt sie kann bei dir auftauchen und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen. Sie ist es nicht wert, dass du dir wegen ihr Vorwürfe machst! Du brauchst einen solchen Menschen nicht, denn du hast Menschen, die dich wirklich lieben und die sich um dich kümmern! Miyako, ihre Eltern, deine Freundinnen…und du hast mich.“ Die letzten Worte sprach er mit einer solchen Wärme und einer solchen Sanftheit aus, dass Maron sofort all die Sorgen vergaß, die sie an diesem Tag gequält hatten. Vorsichtig nahm er ihr Gesicht in seine Hände, wischte ihre Tränen weg und versiegelte seine Lippen mit den ihren. Beide versanken sofort in diesem Kuss, genossen ihn in vollen Zügen. Sie konnten ihre Herzen schlagen hören und spürten, wie sich ihre Gefühle und Emotionen in ihrem Körper ausbreiteten. Sanft strich Chiaki mit seiner Zunge über die Lippen der jungen Frau, um um Einlass zu bitten, den sie ihm ohne Zögern gewährte. Langsam ließ er also seine Zunge in ihren Mund gleiten. Chiaki begann mit Maron’s Zunge zu spielen. Bei dieser kleinen Neckerei stieg die 24-jährige aber nur zögerlich ein. Obwohl sie den Kuss in vollen Zügen genoss, war sie doch unsicher, ob die denn auch wirklich alles richtig machte. Sie hatte nicht so viel Erfahrung mit Männern. Chiaki jedoch war nun schon sehr erfahren, was sie etwas einschüchterte. Dennoch beschloss sie auf sein kleines Spiel einzugehen, wenn auch etwas vorsichtig. Chiaki, der Maron’s Reaktion sofort bemerkt hatte, unterbrach den Kuss und sah ihr tief in die Augen: „Alles okay bei dir?“ Nachdem Maron mit einem liebevollen Lächeln und einem Nicken bestätigte, dass dem so sei, legte der 25-jährige seine Lippen erneut auf ihre. Doch diesmal war der Kuss anders- leidenschaftlicher. Zuerst zurückhaltend und dann selbstbewusst ließ der junge Mann seine Hände über ihren Körper gleiten. Er löste diese von ihren erhitzten Wangen, weiter zu ihrem Hals, ihren Schultern. Fast ehrfürchtig fuhr er ihre Silhouette nach bis er schließlich an ihren wohlgeformten Brüsten hängen blieb. Auch wenn Maron etwas verunsichert war ließ sie ihn gewähren. Seine Hände an ihren Brüsten fühlten sich so gut an, dass sie nicht wollte, dass er sie wieder los ließ. Sanft fing er an zu kneten, was der jungen Frau ein Seufzen entlockte. Er freute sich, dass es ihr zu gefallen schien und doch setzte er seine Erkundungstour fort, stoppte letztendlich aber an ihrer Hüfte. Dort nahm er den Saum ihres Oberteils in die Hände und schob diesen nach oben. Dabei streifte er ihren flachen Bauch. Maron bekam eine Gänsehaut. Oben angekommen musste er den Kuss erneut stoppen, um das T-Shirt über ihren Kopf zu ziehen, setzte ihn aber danach augenblicklich wieder fort. Sein Verlangen nach ihr und ihrem Körper, ihren weichen Lippen wuchs ins Unermessliche. Auch Maron traute sich nun aktiver zu werden. Noch immer verunsichert legte sie ihre Finger an die Knöpfe seines Hemdes und begann einen nach dem anderen aufzuknöpfen. Zitternd streifte sie das Kleidungsstück von seinem Oberkörper ab und fuhr mit ihren Fingerspitzen über seinen Sixpack. Unter seiner gebräunten Haut zeichneten sich seine Muskeln stark ab und sie empfand das starke Bedürfnis den Mann zu betrachten, der mit ihr nach wie vor auf der Couch saß. Sie wollte den Kuss gerade unterbrechen, als eben dieser Mann begann ihren Hals zu verwöhnen. Seine Lippen fühlten sich so weich an. Erneut begann Maron zu seufzen und schwer zu atmen. Liebevoll begann er an ihrer Haut zu knabbern. Dabei hinterließ er kleine Male, die er mit seiner Zunge direkt wieder besänftigte. Während er damit beschäftigt war, machte er sich daran ihr ihre Hose auszuziehen. Flink öffnete er in Sekundenschnelle den Knopf, den Reisverschluss und brachte die Frau dazu sich auf dem Sofa nach hinten fallen zu lassen, um es ihm zu erleichtern die Hose von ihren Beinen zu ziehen. Dabei musste er sich selbst ein wenig von dem Möbel erheben. Nach kurzer Zeit schon landete die Hose auf dem Boden und Chiaki richtete sich vor Maron auf, die nach wie vor nur in Unterwäsche auf der Couch lag. Ohne sie aus den Augen zu lassen, öffnete er nun selbst seine Hose. In seinen Augen konnte sie etwas ganz genau erkennen: Lust und Verlangen. Als er seine Jeans herunterließ, entblößte er seine Boxershorts, in der deutlich eine große Beule zu erkennen war. Maron konnte den Blick kaum von ihm wenden. Er, sein Körper, nur in Boxershorts vor ihr – es kam ihr vor wie ein Traum. Er war so unglaublich sexy. Langsam kam er auf sie zu. Bereitwillig nahm sie ihre angewinkelten Beine auseinander, zwischen die er sich legte. Wieder begann er den leidenschaftlichen Kuss von vorne und drückte seinen Unterkörper gegen den ihren. Auch Maron konnte nun die Lust spüren, die in ihr aufstieg. Sie verlor sich komplett in ihren Gefühlen, diesem Kuss, der Lust und schaltete alles aus, was um sie herum war. Sie vergaß den Vorfall mit ihrer Mutter, sie vergaß den wochenlangen Streit, den sie mit Chiaki ausgefochten hatte und vor allem vergaß sie Miyako und die Tatsache, dass diese eigentlich mit Chiaki verlobt war. Sie könnte ewig so weitermachen, alles andere war ihr einfach nur egal. Mit einem schnellen Ruck hatte Chiaki die junge Frau nun so gedreht, dass sie auf seinem Schoß saß. Lustvoll drückte er seinen Unterleib gegen ihren, sodass Maron seine Erregung noch viel intensiver spüren konnte. Sie keuchte, stöhnte. „Maron, ich möchte mit dir schlafen.“ Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an, zu überrumpelt um überhaupt etwas zu sagen können. Durch den dünnen Stoff ihres Strings konnte sie zwar spüren, dass er erregt war und sie ahnte worauf es hinauslaufen würde, aber mit einer solch direkten Aussage hatte sie bei weitem nicht gerechnet. Nun war es Chiaki, der stark verunsichert war. Warum war sie so erschrocken? Hatte er ihr nicht deutlich genug gezeigt, nach was er verlangte? Er wollte sie zu nichts zwingen. Seine Körperspannung löste sie und er wollte von ihr ablassen, da konnte er spüren, wie sie ihre Lippen verlangend auf seine presste und ihre rechte Hand sofort in seinen Schritt wandern ließ. Vor Schrecken und Lust stöhnte er laut auf. Diese Frau machte ihn noch wahnsinnig! Ruckartig stieg er auf, sie schlang dabei ihre nackten Beine um seine Hüfte. Stürmisch presste er sie mit dem Rücken an die Wand, seine Hüfte gegen ihre reibend. Laut stöhnten beide auf. Sie konnten es nicht mehr aushalten. Sie verlangten nach dem jeweils anderen und drohten in ihrer Leidenschaft zu versinken. Dabei küssten sie sich immer wieder, ließen ihre Zungen miteinander spielen, begannen an der Unterlippe des anderen zu knabbern. Schnellen Schrittes bewegte sich der junge Mann nun mit der Frau in Richtung des Schlafzimmers, wo er sie auf das große Doppelbett fallen ließ. Schnell war er bei ihr, legte sich allerdings nur neben sie, streichelte sanft über ihren perfekten Körper. Dabei glitt seine Hand immer tiefer, in ihren Slip hinein, bis er an ihrer Scham angekommen war. Sanft und doch lustvoll bewegte er seine Hand auf und ab. Laut keuchte er auf, als er bemerkte, dass sie feucht wurde. Ein Zeichen dafür, dass sie ihn genau so wollte, wie er sie auch. Vorsichtig, um sie nicht zu verschrecken, öffnete er zuerst ihren BH und zog ihr dann noch das letzte Kleidungsstück aus, das sie noch am Körper trug. Er kniete sich vor sie, betrachtete ihren, nun vollständig unverhüllten Körper und spürte, wie seine Begierde noch weiter anstieg. Ohne Vorwarnung ließ er seinen Kopf zwischen ihre Beine sinken. Maron legte ihren Kopf in den Nacken, wusste was nun kommen würde. Als sie dann seine Zunge an ihrer Scham spürte, konnte sie sich nicht mehr vor dem Gefühlsausbruch retten, der ihren Körper erschütterte. Sie stöhnte laut, biss sich auf ihre Unterlippe, aber sie konnte einfach nicht still halten. Das Gefühl war einfach zu gut. Sie griff mit beiden Händen in seine blauen Haare, krallte sich fest, warf ihren Kopf von einer Seite zur anderen. Er hörte nicht auf. Es gefiel ihm Maron so verwöhnen zu dürfen und er wollte ihre Lust auf den Höhepunkt treiben. Also bewegte er weiterhin seine Zunge, saugte ab und an an dem Fleisch. Er wurde immer leidenschaftlicher und wilder und hörte nicht auf, bis sich Maron’s Körper verkrampfte und sie einige spitze Schreie der Lust von sich gab. Nachdem sie gekommen war, sank ihr Körper wieder in den Laken zusammen. Sie atmete schwer, fühlte sich erschöpft und schläfrig. Nach einiger Zeit setzte sie sich auf und sah in Chiaki’s Augen, aus denen sie noch immer Lust ablesen konnte. „Danke“, flüsterte sie liebevoll und legte ihre Hände auf seine Wangen. Behutsam nahm er ihre Hände und führte sie an den Bund seiner Boxershorts. Wie automatisch wusste sie was zu tun war. Außerdem wollte sie sich bei ihm revangieren. Sie zog ihm also das Kleidungsstück aus, bis auch er vollkommen nackt auf dem Bett lag. Bei seinen Lippen angefangen, bedeckte sie nun jeden Teil seines Körpers mit Küssen. Als sie bei seiner Hüfte ankam, ließ sie sich besonders viel Zeit seine besondere Stelle zu erreichen. Sie wollte ihn ein wenig ‚foltern’ und so seine Begierde und seine Lust noch weiter steigern. Chiaki hatte seine Augen fest geschlossen und jedes Mal wenn sie auch nur in die Nähe seines besten Stückes kam, zuckten seine Augenlieder. Laut stöhnte er auf, als er plötzlich ihren Mund an seinem steifen Penis spüren konnte. „Du musst das nicht machen, Maron.“ Doch sie tat es, wollte es. Wild spielte sie mit ihrer Zunge an seiner Männlichkeit, bewegte ihren Kopf dabei immer wieder nach oben und unten. Seine Reaktion gab ihr Bestätigung: Er stöhnte, keuchte, krallte seine Hände in das Bettlaken. Doch noch bevor er zu seinem Höhepunkt kommen konnte, zog er sie wieder nach oben, drehte sie auf den Rücken, küsste ihre Lippen, spielte mit ihren Brüsten. Kurz stoppte er und griff zu seinem Nachttisch, wo er eine Schublade öffnete. Dort holte er eine Kondompackung heraus. Maron war froh, dass wenigstens er daran dachte. Ihre Gedanken waren so vor Lust vernebelt, dass sie selbst es wohl vergessen hätte. Wie leichtsinnig von ihr. Gespannt beobachtete sie, wie Chiaki das Päckchen mit Bedacht öffnete, um eine eventuelle Beschädigung auszuschließen, und das Kondom über seine Männlichkeit stülpte. Anschließend legte er sich wieder zwischen Maron’s Beine. Er konnte einfach nicht mehr warten. Er wollte sie. Jetzt. Rücksichtsvoll drang er langsam in sie ein, um sicherzugehen, dass er ihr nicht weh tat. Stattdessen aber keuchte Maron lustvoll auf. Sie konnte Chiaki spüren und dieses Gefühl verbesserte sich noch, als er langsam begann sich in ihr zu bewegen. Zuerst langsam und behutsam, dann immer schneller und leidenschaftlicher. Beide stöhnten immer wieder laut auf, atmeten schwer und verloren sich ineinander. Sie kamen dem Gipfel ihrer Lust immer näher und als Chiaki spürte, dass sich Maron’s Unterleib enger zusammenzog, konnte auch er sich nicht mehr zurückhalten und erreichte zeitgleich mit Maron laut stöhnend seinen Höhepunkt. Kraftlos und schwer atmend sank er auf ihr nieder. Einige Zeit verweilte er so, bis er sich aus ihr zurückzog und im Bad verschwand. Völlig entkräftet lag Maron weiterhin in dem großen Bett und dachte über das nach, was eben zwischen ihr und Chiaki geschehen war. Natürlich, war etwas in dieser Art schon einmal passiert, aber beide konnten sich wohl nicht mehr daran erinnern. Es war sozusagen also ihr Erstes Mal gewesen und sie hatte es in vollen Zügen genießen können. Chiaki war nicht nur gut im Bett, sondern auch liebevoll. Sie bereute nichts. Nach einigen Minuten kam auch Chiaki wieder aus dem Bad zurück und legte sich zu seiner Geliebten ins Bett. Glücklich schloss er sie in seine Arme und drückte ihr Küsse auf Lippen, Wangen und Stirn. Für ihn war es ein absoluter Vertrauensbeweis, dass sie so weit gegangen ist und mit ihm geschlafen hatte. Und er wusste eins: Er war noch nie so glücklich in seinem Leben gewesen. Lange lagen sie einfach nur so da und genossen die Nähe des anderen. Maron wurde immer schläfriger und ihre Augenlider immer schwerer und bevor sie einschlief, flüsterte ihr Chiaki noch drei Worte in ihr Ohr: „Ich liebe dich.“ Kapitel 13: Besuch ------------------ Mit einem leisen Grummeln wachte Maron am nächsten Morgen alleine in ihrem Bett auf. Im ersten Moment kam es ihr vor wie ein ganz normaler Morgen, doch dann kamen ihre Erinnerungen an den vergangenen Abend zurück. Ein seliges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen als sie an den wunderschönen Kuss denken musste. Er hatte sogar bei ihr übernachtet! Wer hätte das gedacht? Und vor allem: wer hätte wohl gedacht, dass er keinerlei Absichten zeigen würde mit ihr schlafen zu wollen? Er hatte nur bei ihr gelegen und sie gestreichelt. Das war alles. Miyako war in diesem Moment kein Begriff für Maron. Doch wo war eigentlich Chiaki? Komplett im Pyjama stieg Maron aus dem Bett, schlurfte mit nackten Füßen zur Tür, öffnete diese und betrat die Küche, wo sie Chiaki beobachten konnte, der etwas unbeholfen versuchte den Frühstückstisch zu decken. Dass dies nicht seine eigene Wohnung war und er daher nicht wusste, wo alles zu finden war erleichterte ihm dieses Vorhaben allerdings nicht. „Die Tassen sind in dem Wandschrank über der Spüle.“ Etwas verwirrt drehte sich der junge Mann zu Maron um, bevor er ein strahlendes Lächeln aufsetzte. Schnellen Schrittes kam er auf sie zu und drückte seine Lippen auf ihre. Leicht überrumpelt erwiderte Maron den Kuss. Es gab ihr ein so schönes Gefühl. Daran könnte sie sich doch glatt gewöhnen: Morgens aufstehen, mit einem sanften Kuss und einem schön gedeckten Frühstückstisch begrüßt werden und einfach die Morgen nicht mehr alleine verbringen. Es dauerte eine Weile bis Chiaki bereit war den Kuss zu lösen. Kurz nahm er sie noch in seine Arme und machte sich dann daran den Frühstückstisch noch vollständig zu decken. Wie in Trance stand Maron da und betrachtete Chiaki, in Gedanken noch immer bei ihrem Kuss. Er trug nur eine Jeans. Barfuß bewegte er sich durch die Küche, während Maron immer wieder versuchte einen möglichst guten Ausblick auf seinen gut gebauten Oberkörper zu erhaschen. Unter seiner Haut zeichneten sich seine Muskeln ab, seine blauen Haare waren ein wenig zerzaust, aber das machte ihn für Maron in diesem Moment noch viel attraktiver. Wie konnte ein Mann nur so unglaublich sexy sein? Als der 25-jährige sein Werk vollendet hatte, zog er einen der Stühle nach hinten, machte eine verbeugende Bewegung, sah Maron an und sagte mit einem charmantem Lächeln: „Madame.“ Kichernd ließ sie sich auf eben diesem Stuhl nieder und erwiderte ebenso scherzhaft: „Merci, Monsieur.“ Das Frühstück verlief weitgehend ruhig und die beiden unterhielten sich eher weniger. Chiaki versuchte allerdings den Moment den Moment einfach nur auszukosten, um die junge Frau zu betrachten, diese jedoch wusste einfach nicht was sie sagen sollte. Es war ihr fast ein wenig unangenehm. Dann ergriff er sanft ihre Hand und strich sanft über diese. „Es war gestern so schön, Maron.“ „Chiaki, ich…“ sie errötete, wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Irritiert löste er ihre Hände. „Wenn du das nicht willst, dann musst du mir das sagen.“ Er klang fast gereizt. „Nein, das ist es nicht. Aber…“ „Aber was?“ Er wurde lauter. „Es geht nur etwas schnell.“ Diesen Satz flüsterte die Brünette nur noch. Sie wollte keinen Streit auslösen, aber sie war eingeschüchtert von Chiaki’s Reaktion auf ihre Unsicherheit. Er strich sich mit den Handflächen über sein Gesicht. „Es tut mir leid, Maron. Ich hätte so nicht reagieren dürfen. Es ist nur so, ich… ich habe nur so lange nicht mehr solche Gefühle gehabt und ich will nicht, dass es so weitergeht wie bisher. Wir hatten einen schwierigen Anfang, aber ich bin bereit noch mal neu anzufangen. Du auch?“ Mit einem fragenden und doch weichen Blick, sah er ihr fest in ihre großen, braunen Augen. Währenddessen hatte seine Hand den Weg zu ihrer Wange gefunden. „J…Ja, ich denke schon.“ Das genügte für ihn. Das strahlende Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück und wieder konnte er es sich nicht nehmen lassen ihr einen Kuss zu stehlen. „Dann lass es uns langsam angehen“, war alles, was er ihr zuflüsterte, als er seine Lippen von ihren löste. Chiaki blieb noch ungefähr eine halbe Stunde, bevor er in seine eigene Wohnung zurückkehrte, um Maron etwas Zeit zu lassen über ihre Situation nachzudenken und sich vor allem für die Arbeit vorzubereiten. Bereits unter der Dusche ließ sie der Gedanke an ihren Geliebten nicht mehr los. Allein seine Küsse machten sie sprachlos und sein Körper war atemberaubend. Die Art wie er mit ihr sprach, so zart, so verständnisvoll. Was hatte er nur mit ihr gemacht? Vor ein paar Tagen noch wollten sie sich am liebsten sprichwörtlich gegenseitig die Köpfe einschlagen und jetzt? Jetzt entwickelten sie auf einmal starke Gefühle füreinander. So starke Gefühle, dass selbst die Tatsache, dass Chiaki ja eigentlich verlobt war zu einem unwichtigen Detail wurde. Wie konnte das nur passieren? Waren es ihre beiden Schicksale, die sich so ähnlich waren? Oder war diese Anziehung schon die ganze Zeit über präsent gewesen, wurde aber durch die Wut überdeckt, die beide unbedingt füreinander empfinden wollten? Maron konnte sich keinen Reim darauf machen, aber das war im Moment nicht von Bedeutung. Sie wollte die Augenblicke mit ihm genießen, die ihnen blieben. Wer konnte schon wissen wie viele es sein würden… In ein Handtuch gehüllt stieg Maron aus der Dusche. Sie trocknete sich ab und warf einen Blick in den Spiegel. Verwundert blieb ihr Blick auf der Frau hängen die sie da sehen konnte. Sie hatte sich schon so oft selbst betrachtet und doch bemerkte sie, dass sich etwas an ihr verändert hatte. In ihren Augen und ihren Zügen waren nicht mehr die Deprimierung und die Wut zu sehen, die sich in den letzten Wochen festgesetzt hatten. Nein, sie sah glücklich aus, ihr Ausdruck war lockerer, ihr Blick weicher. Unglaublich was ein einziger Mann bei einer Frau bewirken kann… Chiaki saß währenddessen auf seinem Balkon und sah in die Ferne. Es war ein schöner Tag: Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, der Himmel war blau. Er lächelte. Das Wetter verbesserte seine gute Laune nur noch mehr. Und wer hätte schon erwarten können, dass ausgerechnet Maron der Auslöser für diese gute Laune sein würde? Besonders nach dem, was in letzter Zeit zwischen ihnen passiert war. Doch das wollte er nun vergessen. Er wollte einen neuen Anfang mit ihr wagen. Er hatte zu starke Gefühle für sie entwickelt, als dass er sie nun wieder im Streit gehen lassen könnte. Und doch plagte ihn ein schlechtes Gewissen. Er hatte bei Maron übernachtet und sie sogar geküsst, obwohl er eigentlich verlobt war. Mit Miyako war er schon lange nicht mehr glücklich, aber war es das Richtige sie dann einfach zu betrügen? Was tun, wenn man sich in eine andere Person verliebte und doch eigentlich vergeben war? Er wusste nicht, was er tun sollte. Die Gefühle, die er einmal für Miyako hatte, waren schon lange verblasst, und dennoch konnte er sie nicht verlassen. Dafür hatten sie zu viel durchgemacht. Gab es nicht einen Weg beide Frauen in seinem Leben zu haben? Maron’s Arbeitstag verging wie im Flug. Mit guter Laune und Vorfreude auf den kommenden Abend, den sie hoffentlich mit Chiaki verbringen würde, erledigte sich die Arbeit doch viel leichter und auch Maron’s Kollegin und ihrer Chefin fielen auf, dass die hübsche Brünette fröhlicher war als sonst. Das waren sie so gut wie gar nicht von ihr gewöhnt. Maron war immer ein sehr zuvorkommender und netter Mensch, doch es war nicht zu übersehen, dass sie auch viele Sorgen hatte, mit denen sie innerlich kämpfte. An diesem Tag jedoch war es fast so, als hätte sie diesen Kummer mit einem Mal von Bord geworfen. Dies zeichnete sich einerseits in ihrer Laune ab und andererseits in ihrem Engagement bezüglich der Arbeit. Sie kümmerte sich besonders fürsorglich um die Patienten und konnte sogar früher in den Feierabend gehen. Vor sich her summend trat die 24-jährige den Heimweg an bis sie den Wohnblock Orléans erreichte, in dem sie wohnte. Mit dem Aufzug fuhr sie in den siebten Stock, voller Vorfreude auf einen schönen Feierabend. Doch mit einem einzigen Blick aus dem Lift heraus auf den Flur wurden diese Hoffnungen ein für alle mal zerstört: Vor ihrer Haustür stand eine große, schlanke Frau mittleren Alters. Die Haarfarbe ihrer Lockenpracht ähnelte der von Maron. Ihre Bekleidung war sehr modern und elegant. Ein eng anliegendes, zartrosa Kleid, das bis zu der Mitte ihrer Oberschenkel reichte. Darüber trug sie einen schwarzen Blazer und schwarze High-Heels. Ihr Gesicht war sehr hübsch: Große, braune Augen, die mit dezentem Make-up noch einmal hervorgehoben wurden, eine kleine Stupsnase, die sich genau richtig in das Gesamtbild fügte und volle Lippen, die mit pinkem Lippenstift perfekt betont wurden. Neben der Frau stand ein Mann. Er war ungefähr 15 bis 20 Jahre jünger als die Frau, aber nicht minder modisch. Er hatte lange, rote Haare, die er nach hinten locker zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Von seinem Gesicht konnte man nicht viel erkennen, da es zu einem großen Teil von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt wurde. Dafür konnte die junge Frau umso mehr von seinem Oberkörper erkennen: Er trug einen fast schwarzen Anzug, der eng an seinem Körper anlag. Das bordeauxrote Hemd, das er darunter trug, war nur ungefähr bis zur Mitte seines gut gebauten Oberkörpers zugeknöpft und ermöglichte so eine möglichst gute Aussicht. An seinen Füßen trug er glänzende Lackschuhe, die sicher nicht billig gewesen waren. Blass, mit ausdruckslosem Blick ging Maron langsam auf die zwei Gestalten zu, die sie erwartungsvoll anblickten. „Korron“, war alles, was sie in diesem Moment von den Lippen brachte. „Maron, mein Schätzchen! Hör doch bitte auf mich ‚Korron’ zu nennen, immerhin bin ich deine Mutter! Willst du nicht die Tür öffnen und uns hereinbitten?“ „Bevor hier irgendwer in meine Wohnung kommt, möchte ich erst einmal erfahren wer das da ist.“ Dabei zeigte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den rothaarigen Mann, ihr Ton war feindselig. Es kümmerte sie dabei nicht, dass sie sich unhöflich benahm. „Das ist Hijiri, mein Verlobter und ich möchte doch darum bitten, dass du dich nicht so unhöflich ihm gegenüber verhälst, junge Dame. So habe ich dich nicht erzogen. Das ist sicher der schlechte Einfluss deines Vaters.“ Am liebsten hätte Maron ihrer Mutter so etwas gesagt wie „was hast du denn schon zu meiner Erziehung beigetragen?“ oder „wenn du wieder anfangen willst über meine verkorkste Kindheit zu streiten, dann kannst du deinen Verlobten nehmen, der genauso gut dein Sohn sein könnte, und sofort wieder verschwinden“, doch sie hielt sich zurück. Sie hatte ihre Mutter seit ungefähr 18 Jahren nicht gesehen aber sie konnte sich nicht über dieses Wiedersehen freuen, was möglicherweise daran liegen könnte, dass sie diese Frau nicht als ihre Mutter ansehen konnte. Dafür hatte sie ihr einfach zu viel angetan. Widerwillig öffnete Maron die Haustür und ließ das ungleiche Paar eintreten, das schnurstracks in das Wohnzimmer spazierte und sich auf der Couch niederließ. Maron hatte es nicht eilig den beiden zu folgen. Sie schloss die Tür, zog ihre Schuhe aus, hängte ihr Jäckchen an den dafür vorgesehenen Haken und schlurfte dann ebenfalls in ihr Wohnzimmer. „Darf ich euch etwas zu trinken bringen?“ die Art wie sie sprach ließ nur zu einfach erkennen, dass sie einzig und allein aus reiner Höflichkeit fragte. „Ein Wasser wäre wunderbar“, antwortete diesmal Hijiri. Bei dem Klang seiner Stimme hätte sich die 24-jährige am liebsten übergeben. So seicht, so falsch, so arrogant. Nachdem sie das Wasser vor den beiden abgestellt hatte, ließ sie sich ihnen gegenüber nieder. Das Bild, das sich ihr bot ekelte sie nahezu an. Ihre Mutter und ihr viel zu junger Verlobter, die sich eng aneinanderkuschelten und immer wieder kleine Blicke und Küsschen austauschten als wären sie pubertierende Teenager. Ein kleines Räuspern von seitens Maron unterbrach sie schließlich. „Schön hast du es hier Maron,“ begann Korron. „Wie lange wohnst du denn schon hier?“ „Ein paar Wochen.“ Sie wollte ihre Antworten so knapp wie möglich halten. „Aha. Und was hast du davor gemacht?“ „Ich habe Psychologie in Tokio studiert.“ Das alles war einfach so unreal. Das war doch kein Gespräch, das Mutter und Tochter führen sollten! Eine Tochter sollte ihrer Mutter doch nicht erzählen müssen was in den letzten 18 Jahren passiert ist, in denen sich diese einfach nicht für das Leben ihres eigenen Kindes interessiert hatte. Dies war ein Gespräch, das Fremde führten, um den anderen kennen zu lernen. Aber vielleicht waren sie genau das – Fremde. „Sehr beeindruckend“, mischte sich wieder einmal Hijiri in das Gespräch ein. Wie sehr Maron diese Stimme hasste… Zum ersten Mal seit seinem Auftauchen zog der Rothaarige seine Brille von den Augen. Jetzt erschien er Maron sogar ein wenig unheimlich. Seine Augen waren wir dünne Schlitze, seine Augenfarbe war nahezu schwarz und der Ausdruck seiner Augen war genau so überheblich wie sein sonstiges Verhalten. Ein unangenehmes Schweigen brach aus. Die junge Brünette blickte ziellos in ihrer eigenen Wohnung herum, Hijiri und Korron beschäftigten sich wieder miteinander. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie empfand Maron das Gefühl diese Stille zu brechen. Mutter und Tochter sollten sich doch für einander interessieren, oder etwa nicht? Das alles hier war einfach so bizarr. „Und… wie habt ihr euch kennengelernt“, begann die junge Frau zögerlich. Sie begann auf ihrer Unterlippe zu kauen. Wie kam sie denn ausgerechnet auf eine solch dumme Frage? Warum war ihr nichts Besseres eingefallen? „Weißt du, Maron-Schatz, Hijiri ist genau so wie ich ein bekannter Modedesigner in Frankreich. Wir wurden auf einer Gala einander vorgestellt und arbeiten nun seit einiger Zeit an einer gemeinsamen Kollektion. Dabei haben wir uns ineinander verliebt und uns war von Anfang an klar, dass wir einmal den Bund fürs Leben schließen würden. Für den nächsten Sommer ist der Termin unserer Hochzeit festgelegt. Du musst unbedingt kommen, mein Schatz! Es wird ein großes Spektakel werden. Ein Schloss, ein riesiger Park, Champagner, Prominente aus aller Welt… Ich könnte dir sogar ein eigenes Kleid entwerfen, dann wärst du meine erste Brautjungfer! Wäre das nicht toll, mein Liebling?“ Maron wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Mit jedem Wort, das sie sprach, konnte sie merklich spüren, dass sich ihre Mutter immer weiter von ihr entfernte. Sie erkannte sie gar nicht wieder. Von der liebevollen, fürsorglichen Mutter, die sie vor der Scheidung von Takumi gewesen war, war nichts mehr zu erkennen. Für sie zählte nur noch Geld, Ruhm und Ansehen. Deshalb hatte sie sich also nie bei ihrer eigenen Tochter gemeldet: Sie hätte nicht in dieses Leben gepasst. Sie hätte sie von ihrer Karriere abgehalten. Und jetzt, wo Maron auf eigenen Beinen stand suchte sie wieder den Kontakt. Korron wollte sie so lange aus ihrem Leben heraushalten, bis sie alt genug war, um ihr Leben alleine zu führen. Bis sie alt genug war, um die Verantwortung für sich selbst alleine tragen zu können. Eine Verantwortung, die Korron nicht hatte übernehmen wollen. „Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll.“ „Aber Schätzchen, stell dir doch mal vor wie toll das alles sein könnte. Du könntest zu uns nach Frankreich ziehen. Hijiri und ich wollen auch noch Kinder haben und dann wären wir alle eine große, glückliche Familie!“ „Eine glückliche Familie wie ich sie hatte?“ Maron konnte ihren Zorn nun nicht mehr unterdrücken. Verdutzt schaute Korron sie an. Warum hatte sich die Stimmung auf einmal so verändert? Warum war Maron auf einmal so zornig? „Liebling, was ist denn auf einmal in dich gefahren?“ „Hör doch auf mit deinem ‚Liebling’! Du weißt ganz genau wie ich das eben gemeint habe! Du bist doch überhaupt nicht fähig eine gute Mutter zu sein und eine Familie glücklich zu machen!“ „Junges Fräulein, jetzt hörst du mir mal zu…“ „Nein! Jetzt hörst du mir zu! Du hast meine Kindheit in eine absolute Hölle verwandelt! Immer nur diese Streitereien um das Sorgerecht und dann bist du einfach abgehauen! Du hast mich einfach im Stich gelassen und dich dann nie wieder gemeldet! Und jetzt auf einmal willst du auf glückliche Familie machen, oder was? Den Zug hast du verpasst, Korron. Ich will dich nicht mehr in meinem Leben haben!“ „Maron“, mischte sich nun auch Hijiri in die Diskussion ein ,“ egal was passiert ist, deine Mutter wollte doch immer nur dein Bestes.“ Wütend funkelte Maron den Mann an. „Was weißt du denn schon? Ich glaube es wäre das Beste, wenn du einfach deine Klappe halten und verschwinden würdest!“ „Maron, ich verbiete es dir so mit meinem Verlobten zu reden!“ Erwiderte Maron’s Mutter empört. „Du kannst mir gar nichts verbieten, Korron. Ich bin erwachsen und du bist nicht meine Mutter! Ich brauche niemanden von euch! Weder Takumi noch dich und ich möchte einfach nur, dass ihr verschwindet und euch für immer aus meinem Leben raus haltet!“ Tränen rannen über ihr Gesicht, aber nicht aus Trauer, sondern aus Erleichterung. So lange hatte sie darauf gewartet, ihren Eltern klar machen zu können, was sie ihr angetan hatten. So lange hatte sich diese unendliche Wut in ihr aufgestaut und jetzt endlich konnte sie diese Last von ihrem Herzen abladen. Es kümmerte sie nicht, ob sie die Frau gegenüber verletzte. Diese hatte ebenfalls angefangen zu weinen, doch es ließ Maron kalt. Verzweifelt ging Korron vor Maron in die Knie, die Hände vor ihr tränennasses Gesicht geschlagen. „Maron, es tut mir so leid! Bitte vergib mir!“ „Das kann ich nicht.“ Die 24-jährige wunderte sich fast selbst darüber, wie ruhig und kalt ihre Stimme in diesem Moment klang. „Maron, mein Schatz, ich kann das wieder gut machen! Ich liebe dich doch!“ Das war genug für Maron. Erneut brach sie in Tränen aus, verdeckte diese mit ihren Händen. Doch diesmal waren es Tränen der Trauer, mit denen sie ihre zerstörte Kindheit betrauerte. Es hätte doch alles so schön sein können… Warum war diese Frau überhaupt wieder aufgetaucht? Sie sollte doch einfach nur verschwinden. Warum tat sie ihr das an? Warum? „Nein! Du kannst nichts wieder gut machen!“ Und damit rannte die junge Frau schluchzend aus ihrer Wohnung. Ihre Beine fühlten sich so taub und wackelig an, als würden sie ihr jederzeit den Dienst versagen. Wo sollte sie hin? Sie wusste es nicht, doch es kam ihr vor, als würde sie fast automatisch auf Chiaki’s Wohnung zusteuern. Sie brauchte ihn jetzt. Er würde für sie da sein. Das hoffte sie zumindest… Verwundert öffnete Chiaki seine Augen und stand von seinem Sofa auf, auf dem er bis eben noch gelegen und geschlafen hatte. Wer klingelte denn an seiner Tür und vor allem warum so oft und so schnell? Als er die Tür öffnete, sprang ihm augenblicklich eine verzweifelt weinende Maron in die Arme und klammerte sich an ihm fest. Er wusste nicht, weshalb sie weinte, aber er wusste, dass ihm der Anblick seiner verzweifelten Geliebten schmerzte. „Maron, was…was ist passiert?“ „…“ Als Antwort erhielt er nur ein noch lauteres Schluchzen. Er nahm sie noch fester in den Arm, schloss die Tür und zog sie sanft in das Wohnzimmer. Dort ließ er sich auf der Couch nieder, ohne die junge Frau in seinen Armen loszulassen. Er musste jetzt einfach für sie da sein, auch wenn er nicht wusste, was der Grund für ihre Verzweiflung war. Er musste sich wohl gedulden und darauf warten, dass sie sich ein wenig beruhigte und ihm hoffentlich dann erzählen würde, was geschehen war. Er konnte nur hoffen, dass nicht er selbst der Grund für ihre Tränen war. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis Maron aufhörte zu schluchzen und ihre Tränen versiegten. Ihre Augen waren geschwollen, ihre Wangen gerötet, ihre Lippen trocken. Es waren noch Spuren vom Salz ihrer Tränen zu erkennen, die über ihr Gesicht gelaufen waren. Für einen kurzen Moment wussten beide nicht wie sie aufeinander reagieren sollten. Chiaki wollte Maron nicht unter Druck setzen und Maron wollte Chiaki nicht mit ihren Problemen belasten. Sie bekam sogar ein schlechtes Gewissen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme. „Was tut dir leid?“ Chiaki glaubte seinen Ohren nicht. „Ich will dich nicht mit meinen Problemen belasten. Das ist nicht fair von mir. Du hast doch sicher auch mit deinen eigenen Problemen zu kämpfen, da brauchst du doch nicht auch noch meine.“ „Ist schon okay, Maron, du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Ich will für dich da sein und dir helfen wann immer ich kann. Willst du mir nicht erzählen, was vorhin geschehen ist? Ich will wissen, warum du so geweint hast.“ Maron zögerte kurz, doch sie bemerkte recht schnell, dass er sich anscheinend doch für ihre Probleme interessierte und dass sie ihm vertrauen konnte. „Wir haben doch gestern über den Brief gesprochen, den ich erhalten habe.“ „Ja, haben wir. Was ist damit?“ „Meine Mutter ist hier aufgetaucht…“ Chiaki war geschockt. Noch am Abend davor hatte Maron ihm von ihrer Mutter und ihrer Kindheit erzählt und dass sie diesen Besucht nicht wollte. Er wusste nicht was er sagen sollte. „Sie hatte ihren arroganten Verlobten mitgebracht, der genauso gut ihr Sohn hätte sein können. Und dann hat sie mir von ihren Hochzeitsplänen und ihrem achso tollen Leben erzählt und dass ich ja zu ihr nach Frankreich ziehen könnte und wir ja eine große, glückliche Familie werden könnten. Sie hat gesprochen, als wäre all das nie passiert, was sie mir angetan hat. Als wäre sie nie aus meinem Leben verschwunden. Das ist so unfair!“ „Was hast du zu ihr gesagt?“ Er wollte der sensiblen jungen Frau so verständnisvoll wie nur irgend möglich begegnen. „Ich bin wütend geworden. Ich habe sie angeschrieen, dass sie nicht meine Mutter sei und dass sie aus meinem Leben verschwinden solle. War das falsch von mir?“ Fragend sah sie Chiaki an, der noch immer seine Arme schützend um sie gelegt hatte. „Nein, Maron. Wenn es das ist was du willst, dann ist es nicht falsch gewesen.“ „Ich weiß doch noch nicht einmal selbst was ich eigentlich will. Ich habe mir immer eine Familie gewünscht, aber doch nicht so. Diese Frau war mir so fremd, da kann ich sie doch nicht als meine Mutter anerkennen, oder?“ „Du hast nichts Falsches getan.“ „Wie war das mit deiner Mutter?“ Sie wusste nicht weshalb, aber das Schicksal von Chiaki zu hören half ihr, ihre eigene Situation besser zu verstehen. „Naja, meine Mutter und ich hatten nach den ganzen Vorfällen ein schwieriges Verhältnis. Ich konnte ihr nicht verzeihen was sie meinem Vater und mir angetan hatte, aber je älter ich wurde umso mehr nähern wir uns wieder Stück für Stück an. Unsere Beziehung ist nach wie vor nicht die beste, aber sie ist immerhin meine Mutter und ab und an versuche ich auch nachzuvollziehen, was sie damals dazu verleitet hatte, meinen Vater zu betrügen.“ Er sah Maron’s reuevollen Blick und sprach sofort weiter: „Maron, du darfst dir keine Vorwürfe machen! Meine Situation ist mit deiner kaum zu vergleichen. Meine Mutter hat auch Fehler gemacht, aber sie hat alles dafür getan, diese wieder gut zu machen. Sie wäre immer für mich da gewesen und sie bereut was sie getan hat. Aber deine Mutter war egoistisch! Überleg doch mal, ist sie nicht einfach verschwunden und hat sich dann einfach nicht mehr gemeldet? Sie scheint ihre Fehler noch nicht einmal zu bereuen und denkt sie kann bei dir auftauchen und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen. Sie ist es nicht wert, dass du dir wegen ihr Vorwürfe machst! Du brauchst einen solchen Menschen nicht, denn du hast Menschen, die dich wirklich lieben und die sich um dich kümmern! Miyako, ihre Eltern, deine Freundinnen…und du hast mich.“ Die letzten Worte sprach er mit einer solchen Wärme und einer solchen Sanftheit aus, dass Maron sofort all die Sorgen vergaß, die sie an diesem Tag gequält hatten. Vorsichtig nahm er ihr Gesicht in seine Hände, wischte ihre Tränen weg und versiegelte seine Lippen mit den ihren. Beide versanken sofort in diesem Kuss, genossen ihn in vollen Zügen. Sie konnten ihre Herzen schlagen hören und spürten, wie sich ihre Gefühle und Emotionen in ihrem Körper ausbreiteten. Sanft strich Chiaki mit seiner Zunge über die Lippen der jungen Frau, um um Einlass zu bitten, den sie ihm ohne Zögern gewährte. Langsam ließ er also seine Zunge in ihren Mund gleiten. Chiaki begann mit Maron’s Zunge zu spielen. Bei dieser kleinen Neckerei stieg die 24-jährige aber nur zögerlich ein. Obwohl sie den Kuss in vollen Zügen genoss, war sie doch unsicher, ob die denn auch wirklich alles richtig machte. Sie hatte nicht so viel Erfahrung mit Männern. Chiaki jedoch war nun schon sehr erfahren, was sie etwas einschüchterte. Dennoch beschloss sie auf sein kleines Spiel einzugehen, wenn auch etwas vorsichtig. Chiaki, der Maron’s Reaktion sofort bemerkt hatte, unterbrach den Kuss und sah ihr tief in die Augen: „Alles okay bei dir?“ Nachdem Maron mit einem liebevollen Lächeln und einem Nicken bestätigte, dass dem so sei, legte der 25-jährige seine Lippen erneut auf ihre. Doch diesmal war der Kuss anders- leidenschaftlicher. Zuerst zurückhaltend und dann selbstbewusst ließ der junge Mann seine Hände über ihren Körper gleiten. Er löste diese von ihren erhitzten Wangen, weiter zu ihrem Hals, ihren Schultern. Fast ehrfürchtig fuhr er ihre Silhouette nach bis er schließlich an ihren wohlgeformten Brüsten hängen blieb. Auch wenn Maron etwas verunsichert war ließ sie ihn gewähren. Seine Hände an ihren Brüsten fühlten sich so gut an, dass sie nicht wollte, dass er sie wieder los ließ. Sanft fing er an zu kneten, was der jungen Frau ein Seufzen entlockte. Er freute sich, dass es ihr zu gefallen schien und doch setzte er seine Erkundungstour fort, stoppte letztendlich aber an ihrer Hüfte. Dort nahm er den Saum ihres Oberteils in die Hände und schob diesen nach oben. Dabei streifte er ihren flachen Bauch. Maron bekam eine Gänsehaut. Oben angekommen musste er den Kuss erneut stoppen, um das T-Shirt über ihren Kopf zu ziehen, setzte ihn aber danach augenblicklich wieder fort. Sein Verlangen nach ihr und ihrem Körper, ihren weichen Lippen wuchs ins Unermessliche. „Maron, ich möchte mit dir schlafen.“ Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an, zu überrumpelt um überhaupt etwas zu sagen können. Nun war es Chiaki, der stark verunsichert war. Warum war sie so erschrocken? Hatte er ihr nicht deutlich genug gezeigt, nach was er verlangte? Er wollte sie zu nichts zwingen. Seine Körperspannung löste sie und er wollte von ihr ablassen, da konnte er spüren, wie sie ihre Lippen verlangend auf seine presste. Sofort stand er auf, die junge Frau auf seinen Hüften tragend und brachte sie ins Schlafzimmer, wo er sie auf das Bett fallen ließ. Sie trieben ihr kleines Spiel noch weiter bis sie sich völlig ineinader verloren. Völlig entkräftet lag Maron in dem großen Bett und dachte über das nach, was eben zwischen ihr und Chiaki geschehen war. Natürlich, war etwas in dieser Art schon einmal passiert, aber beide konnten sich wohl nicht mehr daran erinnern. Es war sozusagen also ihr Erstes Mal gewesen und sie hatte es in vollen Zügen genießen können. Chiaki war nicht nur gut im Bett, sondern auch liebevoll. Sie bereute nichts. Auch Chiaki war völlig erschöpft. Glücklich schloss er seine Geliebte in seine Arme und drückte ihr Küsse auf Lippen, Wangen und Stirn. Für ihn war es ein absoluter Vertrauensbeweis, dass sie so weit gegangen war und mit ihm geschlafen hatte. Und er wusste eins: Er war noch nie so glücklich in seinem Leben gewesen. Lange lagen sie einfach nur so da und genossen die Nähe des anderen. Maron wurde immer schläfriger und ihre Augenlider immer schwerer und bevor sie einschlief, flüsterte ihr Chiaki noch drei Worte in ihr Ohr: „Ich liebe dich.“ Kapitel 14: Entscheidungen -------------------------- Völlig aufgewühlt saß Miyako in der Kantine des Polizeipräsidiums in Osaka. Neben ihr auf dem Tisch standen ein Pappbecher mit schwarzem Kaffee, ein kleiner Teller mit einem extragroßen Schokomuffin und wie in den letzten Tagen üblich die Akten bezüglich des Falls, der sie nun schon seit einiger Zeit auf Trab hielt und ihre Laune deutlich beeinflusste. Das war doch zum verrückt werden! Da reiste sie doch tatsächlich wegen dieser kleinen Spur nach Osaka, in der Hoffnung den Fall endlich lösen zu können und dann verlief sich doch eh wieder alles im Sand. Wie machte dieser Kerl das nur? So viele Morde, so viele Tatorte, so viele junge, tote Frauen und er schaffte es jedes mal keinerlei Spuren oder Indizien zu hinterlassen. Aber eines schwor sie sich: Sie würde nicht eher nach Momokuri zurückfliegen, bis sie hier Ergebnisse erhielt, die die Ermittlungen antrieben. Sie würde nicht zulassen, dass noch mehr junge Frauen ihr Leben lassen müssen, weil sie einem perversen Drecksschwein zum Opfer fielen, der daran vermutlich noch Spaß gefunden hatte. Sie, Miyako Todaiji, würde ihn zur Strecke bringen und wenn sie dafür durch ganz Japan reisen müsste. Chiaki würde die eine Woche mehr oder weniger schon auch ohne sie aushalten. Und Miyako hatte keine Ahnung wie richtig sie mit dieser Annahme lag… Sanft schien die Sonne durch die Vorhänge des Schlafzimmers und blendete den Blauhaarigen, der mit einem Grummeln seine verschlafenen Augen öffnete. Er zog die Decke ein wenig über seinen Kopf und drückte die junge Frau in seinen Armen noch näher an sich. Das war so ein herrliches Gefühl für ihn, besonders weil sie beide nackt waren und er so ihre zarte Haut auf seiner spüren konnte. Er wollte noch nicht aufstehen, er wollte einfach noch ein wenig mit dieser Frau in seinen Armen im Bett liegen bleiben. Wenn es nach ihm ginge sogar den ganzen Tag. Doch langsam wurde auch die Brünette aus ihrem Schlaf gerissen, öffnete ihre großen, braunen Augen, drehte ihren Kopf, sodass sie in Chiaki’s Gesicht sehen konnte und lächelte verschlafen. „Guten Morgen“, flüsterte sie. „Guten Morgen, mein Engel.“ Damit platzierte er ein paar Küsse auf ihrem Gesicht und ihrem Kopf, was ihr ein amüsiertes Kichern entlockte. Für den Blauhaarigen ein wunderschöner Klang an diesem wunderschönen Morgen. „Hast du gut geschlafen?“ Ihre Stimme klang noch etwas kratzig, aber das ließ sie für den jungen Mann noch verführerischer klingen. „Natürlich, nach so einem Abend.“ Sie wusste sofort worauf er hinauswollte und auf ihren Wangen bildete sich unweigerlich ein rötlicher Schimmer. Sie hatten Sex gehabt… Und wie es sich anhörte, würde es ihm nichts ausmachen diese Nacht noch einmal zu wiederholen. Doch so einfach wollte sie ihm die Sache nicht machen, also entschied sie die Unwissende zu spielen: „Ich weiß nicht was du meinst.“ Erst war Chiaki etwas perplex, doch dann verstand er ihr kleines Spielchen und hatte auch kein Problem darauf einzusteigen: „Dann denk doch mal scharf nach. Ich denke nämlich, dass du ganz genau weißt was ich meine.“ Sie tat so, als müsste sie wirklich darüber nachdenken: „Tut mir leid, da klingelts nicht bei mir.“ „Dann sollte ich dich vielleicht daran erinnern“, raunte er mit erotischer Stimme in ihr Ohr, was bei Maron sofort eine Gänsehaut verursachte. Und schon hatte er sich wieder auf sie gerollt und seine Lippen auf ihre gepresst. Ihre nackte Haut unter seiner fühlte sich einfach nur wunderbar an. Sanft und doch bestimmend übte er Druck auf die Lippen seiner Geliebten aus. Doch schon kurz darauf löste er den Kuss, blieb aber nah an ihrem Gesicht. „Lust auf eine Dusche?“, flüsterte er, während er sie schelmisch angrinste. Ohne auf eine Antwort zu warten war er aus dem Bett aufgestanden und hatte Maron über seine Schultern geworfen. Während er auf das Bad zusteuerte, gab sie immer wieder vergnügte, quietschende Laute von sich. Seit einiger Zeit saß sie nun schon vor den Akten und hoffte darauf, dass sie irgendein Detail übersehen hatte, das sie doch noch weiter bringen könnte. Doch noch immer war sie noch zu keinem Ergebnis gekommen. Es musste doch irgendetwas geben, das diesen widerlichen Mörder überführen konnte oder wenigstens Hinweise über seine Persönlichkeit oder seinen Standort geben konnte, doch noch immer hatte sie nichts finden können. Egal wie oft sie auch nach Kleinigkeiten suchte. Dieser Fall würde sie irgendwann noch in den Wahnsinn treiben! Erschrocken fuhr sie von den Akten hoch als sie von einem Kollegen gerufen wurde, der auf einmal hinter ihr stand. Haruta, so der Name des Polizisten bat sie in das Büro des Polizeipräsidenten zu kommen. ‚Es gäbe wichtige Neuigkeiten’. Sie trank noch den letzten Schluck ihres Kaffees in einem Zug und kam dann umgehend der Bitte nach und machte sich auf den Weg in das zweite Obergeschoss. Noch immer mit etwas feuchter Haut, nassen Haaren und nur mit weißen Handtüchern bekleidet kamen Maron und Chiaki aus dem Badezimmer. Die Dusche hatte richtig gut getan, auch wenn es für Maron noch sehr ungewohnt war nicht alleine unter der Dusche zu stehen. Verträumt dachte sie an die letzten Minuten zurück. Dachte sie am Anfang noch, dass sie nur duschen und das Bad dann verlassen würden, so musste sie doch kurz danach feststellen, dass Chiaki bei der Sache auch noch Hintergedanken gehabt hatte. War ja klar, damit hatte sie bei ihm eigentlich rechnen müssen. Natürlich wollte er das kleine Spiel vom Morgen weitertreiben. Wenn sie allerdings behaupten würde, dass sie keinen Spaß daran gefunden hätte und es nicht auch gewollt hätte, so wäre das haushoch gelogen. Aber ob das alles so richtig war? Chiaki sah Maron’s grübelnden und gleichzeitig unsicheren Gesichtsausdruck. Einerseits konnte er sich schon denken worüber sie so angestrengt nachdachte, aber andererseits wollte er, dass sie ihre gemeinsamen Momente genießen konnten, ohne dabei an andere denken zu müssen. Er hatte ihr doch gesagt, dass er sie liebt, doch er wusste noch immer nicht was sie dazu sagte, was sie fühlte. „So, jetzt wird aber erstmal gefrühstückt!“, rief er seinen Geliebten zu, um die Stimmung wieder zu lockern und warf einen Blick in den Kühlschrank. Mit Erschrecken musste er feststellen, dass er gestern doch tatsächlich vergessen hatte einzukaufen! In seinem Kühlschrank war so gut wie nichts vorzufinden! Ein kühles Bier, eine einzelne Scheibe Käse, die nicht mehr ganz so frisch aussah und ein abgelaufener Joghurt. Ansonsten herrschte gähnende Leere. Wie dämlich von ihm! Das wollte er vorherigen Abend eigentlich noch erledigen und den Kühlschrank wieder auffüllen, aber dann stand plötzlich Maron komplett aufgelöst vor seiner Tür. Und über die ganzen Dinge, die dann noch passiert sind, hatte er alles vergessen. Etwas schuldbewusst drehte er sich zu Maron um, die auf seinen Blick hin an ihm vorbei, in den Kühlschrank schaute und etwas grinsen musste. „Das wird ja ein ausgiebiges Frühstück“, scherzte sie. „Ich habe total vergessen einzukaufen, tut mir leid.“ „Ist schon okay, dann gehst du halt jetzt einkaufen und ich frühstücke bei mir.“ „Das kommt gar nicht in Frage!“ „Achja, und wie stellst du dir das sonst vor?“ „Ganz einfach, wir gehen jetzt in die Stadt, ich lad dich zum Frühstück ein und dann kann ich immer noch einkaufen gehen.“ „Ok, Einverstanden.“ Ihr Lächeln brachte ihn einfach immer wieder zum Dahinschmelzen. Er hätte nie gedacht, dass er im Leben noch einmal eine Frau treffen würde, die solche Gefühle in ihm erwecken konnte. „Na dann, los!“ „Warte mal, Chiaki! Soll ich denn so aus dem Haus gehen?“ grinsend blickte sie an sich herab und auch der junge Mann lachte einmal laut auf als sie ansah: Weil sie natürlich keine frischen Sachen dabei hatte, war sie für einen Moment in Chiaki’s Schlafzimmer verschwunden, hatte sich kurzerhand ein hellblaues Hemd von Chiaki geschnappt und dies übergezogen. Da er doch ein gutes Stück größer war als sie, reichte ihr dieses fast bis an die Knie. Und auch wenn das Oberteil natürlich viel zu groß war, fand er ihren Anblick doch unglaublich süß und gleichzeitig verführerisch. Am liebsten wäre er erneut über sie hergefallen. Letztendlich unterließ er es aber, da er sich sicher war, dass Maron nach dem kleinen Badespaß erstmal eine kleine Pause benötigte. Also zog er sie nur kurzerhand in seinen Arm, drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf den Scheitel und flüsterte ein amüsiertes, zärtliches ‚natürlich nicht‘. Kichernd löste sie sich aus der Umarmung und steuerte auf die Eingangstür der Wohnung. „Ich bin gleich wieder da!“, war das einzige was er noch von ihr hörte, bevor sie sich vorsichtig und so leise wir nur irgend möglich auf den Weg in ihre eigene Wohnung machte. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn die Nachbarn sie, in einem Männerhemd und sonst unbekleidet, am Morgen aus dem Apartment ihres Nachbarn schleichen sehen würden! Das würde sich höchstwahrscheinlich rumsprechen wie ein Lauffeuer und ehe sie sich versahen würde ganz Momokuri darüber tratschen! Doch glücklicherweise blieb Maron dies erspart und sie erreichte die Wohnungstür, ohne beobachtet worden zu sein. Also schloss sie auf und suchte sich schnell etwas zum Anziehen zusammen. Als sie sich jedoch im Spiegel beobachtete, änderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig: Sie kam sich vor wie eine frisch verliebte, junge Frau, die sich irrsinnig auf ein romantisches Date mit ihrem Freund freute. Doch genau da lag der Punkt: Er war nicht ihr Freund! Sie konnte noch nicht einmal wissen, ob er es jemals sein würde! Eine Tatsache, die einen stechenden, bedrückenden Schmerz in Maron’s Brust auslöste. Kurz lehnte sie gegen das kühle Holz der Eingangstür, bevor sie sich an dieser herabgleiten ließ. Eine paar vereinzelte Tränen lösten sich aus ihren feuchten Augen, als sie sich ihrer Situation bewusst wurde: Sie war die Affäre mit einem verlobten Mann eingegangen und sie war sich bewusst, dass es sich ausgerechnet um den Verlobten ihrer Freundin handelte. Eine Zwickmühle. Einerseits geplagt von ihrem schlechten Gewissen, andererseits glücklich ihn an ihrer Seite zu wissen. Er gab ihr Halt, schenkte ihr Zärtlichkeit. Ihm konnte sie vertrauen, bei ihm fühlte sie sich geborgen. Warum musste nur alles so kompliziert sein? Warum waren sie sich nicht unter normalen Umständen begegnet? Warum nur? Entschlossen wischte sich Maron die wenigen Tränen weg und stand wieder auf. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um in Selbstmitleid zu versinken! Sie hatte sich das hier selbst eingebrockt und dann musste sie auch selbst damit klar kommen und sehen wohin das Schicksal sie bringen würde. Sie war ganz alleine für ihre Taten verantwortlich und niemand sonst. Doch tief in ihrem Inneren begann sie, an den Entscheidungen zu zweifeln, die sie selbst getroffen hatte – sie war nur nicht bereit sich das einzugestehen… Nachdem sie sich ein leichtes, rotes Sommerkleid übergeworfen, noch einmal nachgeschminkt und kontrolliert hatte, dass man ja nichts von ihren wenigen Tränen sehen konnte, schnappte sie sich ihre Handtasche und öffnete die Haustür. Zu ihrer Überraschung wartete davor bereits Chiaki mit einem charmantem Lächeln: „Können wir?“ Bis zum Zerbersten gespannt trat Miyako in das Büro, wo bereits der Polizeipräsident auf sie wartete, ebenfalls einige Akten in der Hand. Um den Schreibtisch herum verteilt standen bereits ihre Kollegen von der Sonderkommission, die wahrscheinlich genauso gespannt auf Ergebnisse warteten. Der Präsident stand aus seinem schwarzen Bürostuhl auf und räusperte sich noch einmal bevor er das Wort an die versammelten Polizisten richtete: „Meine Damen und Herren, da wir nun alle zusammengefunden haben, habe ich nun eine gute und eine schlechte Nachricht für sie: Die schlechte Nachricht ist, dass unser Täter wieder zugeschlagen hat, diesmal in Kyoto, also nicht weit von hier. Es handelt sich wieder um eine junge Studentin, 20 Jahre alt. Der Mord geschah vermutlich heute Nacht um circa halb 1 in ihrer Studentenwohnung. Keine Einbruchsspuren, keine Zeugen. Ihre Mitbewohnerin, die die Nacht bei ihrem Freund ein paar Straßen weiter verbracht hatte, fand sie in den frühen Morgenstunden. Da war sie allerdings schon an den zahlreichen Messerstichen verstorben. Die Spurensicherung und die Polizei sind bereits vor Ort und wir werden die Ergebnisse so bald wie möglich erhalten.“ „Das ist merkwürdig“, murmelte Miyako. „Haben Sie uns etwas mitzuteilen, Miss Todaiji?, “ fragte der Polizeipräsident nach. „Naja, ich finde es nur merkwürdig, dass der Mord in Kyoto stattgefunden hat. Das wäre schon die zweite Tat, die er dort verübt hat. Das hat er noch nie getan! Der Tatort war sonst immer ein anderer.“ „Da haben Sie durchaus recht, dem sollten wir vielleicht nachgehen.“ „Was ist die gute Nachricht?, “ unterbrach allerdings ein anderer Polizeibeamter den Gedankengang. Wieder räusperte sich der Polizeipräsident: „Die gute Nachricht ist, dass der Täter diesmal eventuell Spuren an der Leiche hinterlassen hat. Einerseits Fingerabdrücke, andererseits Haare, die an dem Pullover des Opfers hängen geblieben waren. Das Labor muss nun testen, ob die Spuren wirklich vom Mörder stammen.“ „Wie lange wird es dauern, bis wir Genaueres wissen?“ Diese Frage stammte wiederum von Miyako. Der Polizeipräsident räusperte sich: „Das kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Im schlimmsten Fall ein paar Wochen.“ Stillschweigend liefen Chiaki und Maron nebeneinander an der Promenade entlang und genossen das Wetter. Die Sonne schien auf die Stadt, ihre Strahlen wurden von den Wellen des rauschenden Meeres reflektiert und der Himmel zeigte kein einziges Wölkchen. Ein wirklich wunderschöner Tag! Mit einem genießerischen Seufzen schloss Maron die Augen und richtete ihr Gesicht Richtung Sonne, ihre Lippen zierte ein fröhliches Lächeln. Für Chiaki war dieses wohlige Geräusch Musik in seinen Ohren. Lächelnd betrachtete er seine schöne Geliebte. Wie konnte sie nur solche Gefühle in ihm hervorrufen? Es war für ihn einfach so unglaublich. Nicht einmal Miyako war dazu in der Lage gewesen. Miyako… Ein bedrückendes Gefühl in seiner Brust. Einerseits sein schlechtes Gewissen, andererseits die schmerzende Erkenntnis, dass er schon bald eine wichtige Entscheidung würde treffen müssen: Miyako oder Maron? Er wollte Miyako nicht verlassen, konnte es nicht, doch er hatte sich in Maron verliebt. Was sollte er nur tun? Vielleicht wäre es das Beste erstmal mit seinem besten Freund zu reden. Doch diese Entscheidung würde ihm am Ende niemand abnehmen können. Eine Entscheidung, die nicht nur seine Zukunft entscheiden, sondern auch unweigerlich mindestens eine wichtige Frau in seinem Leben verletzen würde. Wieder ein Blick zu Maron, die nach wie vor ihr Gesicht von den Sonnenstrahlen bescheinen ließ. Er wollte sie nicht verlieren. Er wollte keine von beiden verlieren, doch mittlerweile hatte er realisieren müssen, dass nicht genug Platz für beide war. Eine würde er verlieren müssen. Noch konnte er entscheiden, welche es sein würde. Er wollte diese Entscheidung nicht treffen, aber er musste. Genau wie er eine der beiden Frauen verlieren musste. Wann war alles nur so aus dem Ruder gelaufen? Bisher hatten weder Chiaki noch Maron ein Wort über Miyako verloren. Noch konnten sie es verdrängen, doch früher oder später würden sie über ihre gemeinsame Zukunft sprechen müssen, das wusste er. Miyako würde nicht ewig in Osaka bleiben und Maron würde nicht ewig die ‚kleine Affäre‘ bleiben wollen. Sie hatte etwas Besseres verdient. Er hatte sie nicht verdient, dessen war er sich bewusst. Doch wie konnte er beide Frauen in seinem Leben vereinen? „Hallo, jemand zu Hause?“ Chiaki wurde von Maron's belustigten Stimme und ihrer Hand, die vor seinem Gesicht wedelte, aus seinen Gedanken gerissen. Er hatte sie wohl die ganze Zeit angestarrt. „Oh…äh…ja, tut mir leid. Ich war mit den Gedanken gerade wo anders.“ „Ja, das habe ich auch schon festgestellt“, kicherte sie. Dieses Lachen, diese strahlenden Augen. Warum musste ausgerechnet er in eine solche Situation geraten? Nach ein paar weiteren Minuten erreichten die beiden ein kleines Cafe mit Blick auf das Meer. Da sie jedoch ein wenig ungestört sein wollten, entschieden sie sich, trotz des schönen Wetters und der bereits jetzt warmen Temperatur, einen Tisch in einer Ecke innerhalb des Cafés zu suchen. Die meisten Leute saßen draußen, um die Sonne zu genießen, doch auch im Inneren war viel los. Einerseits saßen hier die Leute, die draußen keinen Tisch mehr ergattern konnten und andererseits strömten die Menschen in das Café, um sich einen Coffee to go für die Arbeit zu besorgen. Kaum hatten sich Maron und Chiaki auf ihren Stühlen niedergelassen, kam auch bereits eine gestresste, aber eher lustlose Kellnerin, um hektisch die Bestellung aufzunehmen. Ihr Stress zeichnete sich auch besonders in ihrer Laune ab, weshalb sie sogar sehr unfreundlich wurde. Genervt knallte sie die beiden Karten auf den Tisch und verschränkte die Arme um ungeduldig auf die Bestellung zu warten, ohne den beiden eine Möglichkeit zu geben einen Blick in das Angebot zu werfen. Diese Kellnerin war nun wirklich extrem unsympathisch und unfreundlich. Also beschloss Chiaki sie ein wenig zu ärgern und nahm erstmal in Zeitlupe die Karte in die Hand, um sie genau so langsam zu öffnen und durchzulesen. Währenddessen wippte die Kellnerin ungeduldig mit ihrem Fuß und blickte mit einem genervten Gesichtsausdruck durch das Café. Doch Chiaki war die Ruhe in Person. Maron beobachtete die Situation äußerst belustigt und musste breit grinsen. Auch sie hatte sich eine Karte geschnappt und las sich das Angebot durch. Nach ein paar Blicken wusste sie bereits was sie gerne hätte und sie war sich auch sicher, dass Chiaki es auch schon wusste, doch er ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Maron hatte sogar das Gefühl, dass das genervte Schnauben der Kellnerin ihn noch langsamer werden ließ, wenn das überhaupt noch möglich war. Chiaki musste sich alle Mühe geben, um nicht laut loszulachen, doch nach ein paar Sekunden begann er endlich zu sprechen und die Bestellung aufzugeben, wenn auch sehr, sehr, sehr langsam: „Ich denke wir nehmen das große Frühstück. Für mich bitte noch einen Kaffee mit etwas Zucker und was möchtest du, Maron?“ „Für mich bitte auch einen Kaffee. Mit Milch und Zucker.“ Schnell notierte die Kellnerin beides, riss den beiden die Karten förmlich aus der Hand und verschwand wieder. Ihre Wut war nicht zu übersehen. Zufrieden lehnte sich Chiaki in seinem Stuhl zurück und begann erstmal lauthals zu lachen und auch Maron musste unweigerlich einstimmen. Es war einfach zu komisch wie viel Spaß der 25-jährige daran gefunden hat, die unfreundliche Bedienung zu ärgern. „Das war echt gemein von dir, Chiaki“, brachte Maron heraus als sich die beiden langsam wieder beruhigten, doch es klang nicht in irgendeiner Weise vorwurfsvoll, sondern eher zutiefst belustigt. „Also ich finde, sie hat es echt verdient. Und da heißt es immer ‚Der Kunde ist König’.“ Noch immer grinste der Blauhaarige. Die beiden hatten so lange gelacht, dass bereits in diesem Augenblick das Frühstück und der Kaffee aufgetischt wurden. Doch diesmal von einer anderen, wesentlich netteren Kellnerin. Vermutlich war die andere noch immer total genervt und hatte keine Lust mehr diesen Tisch zu bedienen, was auch nicht verwunderlich war. Nachdem die Kellnerin ihnen noch einen guten Appetit wünschte, konnten die beiden endlich anfangen zu frühstücken, nachdem Maron's Magen nun schon ein paar Mal geknurrt hatte. „Sag mal Chiaki…“, begann die Brünette zwischen ein paar Bissen in ihr Brötchen. „Mh?“ „Musst du denn heute nicht zur Arbeit?“ „Nein. Mein Vater hat mir die Woche freigegeben. Ich war in letzter Zeit einfach ein bisschen durch den Wind.“ „Hat das vielleicht auch etwas mit mir zu tun?“ Etwas schuldbewusst schaute sie ihn mit ihren großen, braunen Augen an. „Naja, gewissermaßen schon. Du hast mich in den letzten Wochen ziemlich auf Trab gehalten.“ „Ich würde mal sagen, wir haben es uns gegenseitig nicht ganz einfach gemacht. Das tut mir leid.“ Ihr Blick wirkte nun entschuldigend. „Mir doch auch, Maron.“ Er wollte zärtlich nach ihrer Hand greifen, doch Maron zog sie leicht weg. Zuerst war er verwirrt. Warum wehrte sie sich auf einmal gegen seine Berührungen? Doch als sie ihn dann entschuldigend anlächelte, ging ihm ein Licht auf: Sie befanden sich in einem Café in Momokuri und ständig strömten irgendwelche Menschen herein. Wenn auch nur eine Person hereinkommen würde, die einen der beiden erkannte und sie beim Händchenhalten ertappte, würde ihre Affäre wohl schneller auffliegen, als den beiden recht wäre. Es überraschte Chiaki, dass ausgerechnet Maron diejenige gewesen war, die daran gedacht hatte. Wollte sie etwa auch, dass ihre Affäre noch länger anhielt? „Was ist mit dir?“, fragte er nach ein paar Momenten des Schweigens, um die Stimmung wieder etwas zu lockern. „Was soll mit mir sein?“ „Naja, musst du heute auch nicht auf die Arbeit?“ „Ich habe heute meinen freien Tag und ich denke nach gestern Abend sollte ich mir vielleicht auch ein paar Tage frei nehmen. Ich bin echt noch nicht bei mir.“ Chiaki wusste nicht was genau vom gestrigen Abend sie noch verarbeiten musste. Der Besuch ihrer komischen Mutter mit deren noch komischeren Freund oder ihren gemeinsamen Sex. Er hoffte jedoch inständig auf ersteres. „Das trifft sich doch echt gut, oder findest du nicht?“ „Was meinst du?“ „Naja, wenn wir beide ein paar Tage frei haben, dann können wir die doch gemeinsam verbringen.“ „Und an was denkst du da genau?“ Kaum hatte sie diesen Satz ausgesprochen, zeichnete sich ein rosa Schimmer auf ihren Wangen ab. Am liebsten hätte sich Maron für diese naive Frage geohrfeigt. Wenn es nach Chiaki ging würden die nächsten Tage wohl alle wie die letzte Nacht ablaufen. „Och, da würde mir schon das ein oder andere einfallen“, antwortete Chiaki schlagfertig mit einem breiten Grinsen. Mit viel Amusement beobachtete wie sich der zarte Rosaton in Maron’s Gesicht in ein knalliges Rot verwandelte. Dann begann er aber dennoch zu lachen. Die Brünette war im Moment einfach zu niedlich. „Keine Sorge, Maron, das war nur ein Witz. Es würde mir zwar nichts ausmachen, aber wenn du möchtest können wir uns noch ein bisschen besser kennenlernen. Wir könnten zum Beispiel gemeinsam mal was unternehmen.“ „Und hast du auch eine Idee was?“ „Hallo, ihr Beiden. Was macht ihr denn hier?“ Etwas überrascht sahen beide zu der Person, die ihr Gespräch unterbrochen hat: Es war Chiaki’s Vater Kaiki! Freundlich lächelnd stand er vor dem Tisch der beiden und schaute abwechselnd von Chiaki zu Maron. „Maron und ich sind uns zufällig in der Stadt begegnet und dachten, dass wir doch einmal zusammen frühstücken gehen könnten. Und was verschafft uns die Ehre deiner Anwesenheit?“ Maron war überrascht wie schnell Chiaki eine plausible Ausrede eingefallen war. Und noch überraschter war sie darüber, dass er seine kleine Lüge über die Lippen gebracht hatte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, etwas rot zu oder wenigstens etwas verlegen zu werden. Nichts davon hat Maron auch nur sehen können. Gerade so, als ob er schon des Öfteren spontan hat Ausreden suchen müssen… „Ich habe gerade Pause gemacht und dachte mir, dass mir ein guter Kaffee und ein leckerer Muffin ganz gut tun würden. Und beides schmeckt hier einfach am Besten, wie ich finde. Sag mal, wo habt ihr denn Miyako gelassen?“ Ein kleiner Stich in Maron’s Brust. An Chiaki’s Verlobte hatte sie wenigstens für die Stunden, die sie mit Chiaki verbringen konnte, nicht gedacht. Aber da war sie wieder: die Realität. Etwas nervös blickte die junge Frau zu dem jungen Mann ihr gegenüber. Doch wieder zeigte dieser wieder kein kleines bisschen Unsicherheit: „Sie ist zurzeit in Osaka und ermittelt in einem wichtigen Fall. Ich dachte ich hätte dir das erzählt.“ „Anscheinend nicht, das wäre mir neu. Wie lange wird sie denn weg sein?“ „Keine Ahnung. Ein paar Wochen vielleicht.“ „Heißt das, dass sie nicht mit dir bei dem Dinner morgen Abend erscheinen wird?“ Erschrocken schlug sich Chiaki mit der flachen Hand auf seine Stirn. Das Dinner! Wie hatte er nur das Dinner vergessen können? Wie hatte er etwas so Wichtiges nur vergessen können? Alle wichtigen Ärzte Japans und sogar einige aus Europa würden anwesend sein! Dieser Abend könnte essentiell für seine Zukunft sein. Was sollte er jetzt tun? Ohne Begleitung auftauchen? „Das habe ich total vergessen und Miyako wahrscheinlich auch. Dann werde ich wohl alleine dort auftauchen müssen, Vater.“ „Das kommt gar nicht in die Tüte! Du wärst der einzige ohne Begleitung. Warum frägst du nicht einfach Maron, wo sie doch gerade vor dir sitzt?“ Maron hätte sich beinahe an ihrem Kaffee verschluckt, als sie auf einmal dermaßen überrumpelt wurde. „Entschuldigen Sie, Kaiki, aber ich verstehe nicht ganz. Was soll ich machen?“, brachte Maron etwas atemlos heraus, nachdem sie zu Ende gehustet hatte. „Ich glaube die Erklärung sollte besser mein Sohn übernehmen.“ Dieser räusperte sich kurz bevor er zu sprechen begann: „Morgen Abend findet im Narisawa ein wichtiges Dinner mit wichtigen nationalen und internationalen Ärzten statt. Für junge aufstrebende Ärzte wie mich, aber natürlich auch für erfahrene Ärzte wie meinen Vater sind derartige Abende von hoher Bedeutung, und…“, kurz stockte er. Sollte er sie wirklich fragen? „…und es wäre mir eine große Ehre wenn du mich zu diesem Abend begleiten würdest, Maron.“ Zuerst war Maron geschockt. Das Narisawa war eines der besten und teuersten Restaurants in ganz Japan! Die Tatsache, dass all diese wichtigen Ärzte anwesend sein würden und Chiaki an diesem Abend absolut glänzen musste, machte ihre Verunsicherung nicht besser. Aber konnte sie diese Einladung einfach ablehnen? Nervös begann sie zu stottern: „Chiaki…ich…naja…“ Sie hatte noch nicht einmal einen grammatikalisch korrekten Satz zustande bringen können, da war Kaiki bereits aufgesprungen und hatte begeistert in seine Hände geklatscht: „Maron, das freut mich wirklich! Wir sehen uns morgen Abend, und zieh’ dir was Hübsches an!“ Damit war er lächelnd und winkend aus dem Café verschwunden. Zurück blieb eine verdutzte Maron, die am liebsten schreiend aufgestanden wäre: „Chiaki! Das geht nicht!“ „Warum denn nicht?“, fragte der 25-jährige verwundert. „Weil ich in einem so teuren Restaurant nichts zu suchen habe. Das ist viel zu teuer für mich, wie soll ich mir das leisten können?“ „Darüber musst du dir nun wirklich keine Gedanken machen. Die Rechnung geht auf mich. „Aber ich habe außerdem nichts zum Anziehen!“ Der junge Arzt konnte darüber nur den Kopf schütteln: „Frauen… Dann werden wir halt noch shoppen gehen müssen.“ Jede Frau hätte sich über diesen Satz wohl gefreut, doch Maron vergrub nur verzweifelt ihren Kopf hinter ihren zierlichen Händen und schüttelte den Kopf. „Dann wissen wir ja anscheinend, was wir unternehmen könnten…“ Kapitel 15: Zweifel ------------------- Ein leises Klingeln kündigte Maron und Chiaki an, die gerade eine kleine Boutique betraten, die Abendkleider verkaufte. Die Brünette sah sich etwas unsicher um. Die Kleider sahen wirklich schick und elegant aus. Das Sortiment schien riesig zu sein. Das sah man dem scheinbar kleinen Geschäft von draußen gar nicht an. Es war wohl alles vorhanden, was das Herz begehrte. Lange Kleider, kurze Kleider, Schuhe, Schmuck, aber auch Smokings und eine große Auswahl an allen möglichen Krawatten und Fliegen. Wollte Chiaki wirklich, dass sie sich hier ein Kleid kaufte? Dann fiel ihr Blick auf eines der Preisschilder und sie hatte das Gefühl als würde ihr Herz stehen bleiben, ihr Atem aussetzen und sich dann unendlich schnell beschleunigen. Total geschockt sah sie zu Chiaki. "Chiaki, hast du dir mal die Preise angeguckt? Das kann ich mir doch nie im Leben leisten! Wenn ich mir auch nur eins dieser Kleider kaufe, werde ich Schulden abbezahlen müssen bis ich 40 bin!" "Jetzt übertreib doch nicht gleich. Außerdem... wer hat denn gesagt, dass du bezahlst?" Erst musste sie kurz überlegen, doch als sie erkannte, was er damit meinte und sie sein Grinsen sah, weiteten sich ihre Augen. "Oh nein, Freundchen, das kommt überhaupt nicht in Frage! Das ist viel zu teuer! Bitte, lass uns in ein anderes Geschäft gehen. Dann such ich mir was hübsches raus und bezahl selber, okay?" "Maron, das kommt überhaupt nicht in Frage! Ich habe dich mit diesem Bankett überrumpelt und dann bezahle ich auch. Es wird quasi alles da sein, was in der Medizin Rang und Namen hat, dann kann ich auch mal ein bisschen mehr ausgeben. Also hab dich nicht so und such dir was Schönes aus, Liebes. Der Preis spielt absolut keine Rolle." Maron wollte schon wieder protestieren, doch dann kam eine kleine, ältere Dame aus einem Hinterzimmer in den Verkaufsraum getreten. Sie musste wohl die Ladenbesitzerin sein. Sie hatte kurzes, blondes Haar, das schon fast grau aussah. Sie hatte eine zierliche Statur und war um einiges kleiner als Maron. Sie trug ein Damenkostüm in schwarz und weiß mit ebenso schwarzen Schuhen mit einem kleinen Absatz. Das Outfit war ihrem Alter entsprechend und doch wirkte es nicht altmodisch. Alles in allem machte sie einen sympathischen, warmherzigen Eindruck. Als sie Chiaki erblickte, hellte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig auf und sie stürmte mit einem erfreuten Quieken auf ihn zu und umarmte den deutlich Größeren. Er musste sogar etwas in die Knie gehen um sie begrüßen zu können. "Chiaki! Ich freue mich ja so, dich zu sehen. Lass dich ansehen! Du hast dich ja kaum verändert! Immer noch der gutaussehende, charmante Mann. Was verschlägt dich in meinen kleinen Laden?" Chiaki lachte auf. So kannte er sie. Immer freundlich und wenn sie ihn sah, freute sie sich immer wie ein Kind an Weihnachten. Dann wandte er sich aber Maron zu. "Yuna, darf ich dir Maron Kusakabe vorstellen? Sie ist eine gute Freundin der Familie und wird mich heute Abend zu einem äußerst wichtigen Bankett begleiten. Maron, das ist Yuna Tanimura. Sie ist seit langer Zeit sehr gut mit meiner Mutter befreundet und wird dir helfen das perfekte Kleid für heute Abend zu finden." "Es freut mich, Sie kennenzulernen", begrüßte Maron die Dame. Chiakis Bemerkung über sie selbst versuchte sie auszublenden. Eine gute Freundin der Familie... "Es freut mich ebenso. Da hat sich Chiaki ja eine hübsche Begleitung ausgesucht. Ich bin mir sicher, dass wir das Passende finden werden." "Ach, und Yuna", stoppte Chiaki die Verkäuferin noch einmal "lass Maron auf gar keinen Fall die Preisschilder lesen." Die Angesprochen konnte dies nur mit einem Zwinkern quittieren. Yuna rief noch eine weitere Verkäuferin herbei und zu zweit zogen sie Maron in Richtung der Umkleiden, wo sie sie ein Kleid nach dem anderen anprobieren ließen. Chiaki konnte dem Treiben nur belustigt zusehen. Er hatte sich auf einen Sessel gesetzt und wartete geduldig bis sich seine Geliebte präsentieren würde. Es dauerte zwar etwas länger, doch als Maron mit dem ersten Kleid herauskam, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf. Sie trug ein eng anliegendes, rotes Kleid, das bis zum Boden reichte. "Wow...Maron du...du siehst toll aus!" "Findest du?" Die Brünette schien etwas verunsichert und drehte sich ein paar mal vor dem Spiegel. Sie war es nicht gewohnt in solch schicken Kleidern herumzulaufen und vor allem war sie es nicht gewohnt in so vornehmen Kreisen zu verkehren. Ob rot da die richtige Farbe war? Sie wollte nicht unbedingt auffallen. Also entschied sie sich, noch mehr Kleider anzuprobieren. Immer wieder kam sie mit einem anderen Kleid aus der Umkleide. Und Chiaki konnte sich an dieser Frau einfach nicht satt sehen. Egal was sie anzog, sie sah in allem einfach nur wunderschön aus. Lange und kurze Kleider in allen möglichen Farben. Er selbst konnte sich nicht entscheiden, welches der Kleider nun das schönste gewesen ist. Umso verwunderter war er, als Maron wieder in ihrem Alltagsoutfit zu ihm kam. Hinter ihr erschien Yuna mit zwei Kartons. Lächelnd ging sie auf Chiaki zu und bat ihn zur Kasse. Kurz warfen sich Maron und Chiaki einen Blick und ein Lächeln zu, bevor er Yuna folgte und Maron sich ein bisschen bei dem Schmuck umsah. Es war wohl das Beste, wenn sie nie erfahren würde, was dieses Kleid kostete. "Für welches Kleid hat sie sich entschieden?", fragte Chiaki die Verkäuferin beiläufig während er ihr seine Kreditkarte reichte. "Keines, das sie dir präsentiert hat." Yuna zwinkerte ihm kurz zu und rechnete ab. Chiaki musste schmunzeln. Maron würde ihn heute Abend wohl überraschen wollen, und er bezweifelte nicht eine Sekunde, dass sie wundervoll aussehen würde. Er konnte nicht leugnen, dass er stolz sein würde, diese Frau heute Abend an seiner Seite haben zu dürfen. Und doch würde er seine Zuneigung zu ihr nicht zu offen preisgeben dürfen, sonst würden alle sehen können, dass Miyako schon lange nicht mehr die wichtigste Frau in seinem Leben war, auch wenn sie offiziell noch immer verlobt waren. Und wenn das hier aufflog, dann würde er nicht nur Miyako, sondern auch Maron verlieren. Und er wollte garnicht erst wissen, wie seine und Miyakos Eltern reagieren würden. Das konnte er nicht riskieren. Allein schon um Marons Willen. Alle würden sich von ihr abwenden. Auch das wollte er ihr nicht antun wollen. Er erwischte sich dabei, wie er seine Geliebte die ganze Zeit anstarrte, während sich Yuna um die Abrechnung kümmerte. Erst ein lautes Räuspern von Yuna riss ihn aus seinen Gedanken. Er nahm seine Kreditkarte, verstaute sie wieder in seinem Portemonnaie und nahm die zwei großen Tüten entgegen. Anschließend verabschiedete er sich herzlich von Yuna und verließ zusammen mit Maron das Geschäft. Etwas nervös stand Chiaki vor dem Spiegel im Schlafzimmer und richtete gekonnt seine Krawatte. Seine Nervosität wurde allerdings nicht nur ausgelöst durch den wichtigen Anlass dieses Abends, sondern auch durch eine bestimmte Frau, die sich in diesem Moment in ihrer eigenen Wohnung auf den Abend vorbereitete. Er war sich absolut sicher, dass sie ihn umhauen würde. Was ihm allerdings Sorgen bereitete, waren die Fragen, wie er sich vor so vielen Menschen gegenüber Maron verhalten sollte. Er wollte nicht distanziert oder abweisend wirken, doch gleichzeitig wollte er nicht, dass die anderen merkten, dass da mehr zwischen ihnen war, als nur bloße 'Freundschaft'. Vor allem seine Mutter, die an diesem Abend seinen Vater begleiten würde, würde ihren Sohn sofort durchschauen. Was sollte er nur tun? Ein letztes mal überprüfte er Krawatte und Jackett und machte sich anschließend auf den Weg zu der Wohnung seiner Geliebten, die nur wenige Meter neben seiner eigenen lag. Angespannt drückte er auf die Klingel und wartete, dass Maron die Tür öffnen würde. Es dauerte nicht lange und er konnte Schritte vernehmen, die sich auf die Eingangstür zubewegten, bevor diese geöffnet wurde und Maron zum Vorschein kam. Chiaki blieb der Mund offen stehen und er bemerkte, dass sich ein großer Kloß in seinem Hals bildete. Seine Geliebte hatte alle seine Erwartungen übertroffen und er konnte sich nur wieder und wieder wundern, warum er diese wunderschöne Frau verdient hatte. Das bodenlange, schulterfreie Kleid, das sie sich in der Boutique ausgesucht hatte war schulterfrei und in einem zarten Rosa gehalten. Der Ausschnitt war mit glitzernden Applikationen versehen, die ihre wunderschönen Rundungen noch hervorhoben. Der zarte Chiffonstoff umspielte ihre schlanke Figur. Eine kleine silberne Kette und dezente Ohrringe ergänzten das Gesamtbild. Ihre gewellten Haare hatte Maron locker nach oben gesteckt. Ein paar der Locken hatten sich gelöst und umspielten ihr zartes Gesicht, das nur dezent geschminkt war. Etwas Lidschatten zur Betonung ihrer Augen. Rouge, der ihren Wangen eine leichte Röte verlieh und schließlich der Lipgloss, der ihre Lippen in der selben Farbe des Kleides schimmern ließ. Sie war einfach nur perfekt! Sie sah so zart und leicht aus. Chiaki verglich sie in Gedanken mit einem Engel. Anstatt etwas zu sagen, schloss er die Tür hinter sich und legte seine Lippen auf ihre. Ein Arm schlang sich um ihre Taille, die andere Hand legte sich in ihren Nacken, als würde er ausdrücken wollen, dass er sie nie wieder gehen lassen wollte. Mit Freuden erwiderte Maron den zarten Kuss und diesmal war sie es, die mit ihrer Zunge um Einlass bat. Chiaki war einfach zu hingerissen und so gewährte er ihr diesen. Als er jedoch seine Hand fast automatisch an den Reißverschluss des Kleides legte, unterbrach Maron den Kuss mit einem Kichern. "Chiaki!", ermahnte sie ihn spielerisch. "Wir sollten lieber los, sonst kommen wir noch zu spät." Vor dem Haus wartete bereits eine Limousine, in der sich bereits Kaiki und Hana, Chiakis Eltern, befanden. Auch wenn sie seit einigen Jahren geschieden waren, pflegten sie nach wie vor eine Freundschaft. Dazu gehörte auch die gelegentliche Begleitung bei öffentlichen Anlässen. Chiaki öffnete Maron die Tür und ließ sie einsteigen. Mit einem schüchternen Lächeln reichte sie den beiden die Hand und wartete, dass Chiaki ebenfalls einstieg und sich neben sie setzte. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Sie konnte einfach überhaupt nicht einschätzen, was sie erwartete. Chiaki hingegen zeigte sich wesentlich selbstbewusster. Ein Küsschen auf die Wange seiner Mutter, einer fester Händedruck bei seinem Vater. "Hey, Kagura, lange nicht mehr gesehen!", begrüßte er sogar den Chauffeur, bevor er sich wieder seinem Vater zuwandte und fast automatisch ein Gespräch über den folgenden Abend begann, das die ganze Fahrt über andauern sollte. Maron fiel fast die Kinnlade herunter, als sie an ihrem Ziel ankamen: Eine riesige, hell erleuchtete Villa, vor der sogar ein roter Teppich ausgerollt war. Fast im Minutentakt fuhr eine Limousine nach der anderen durch das schwere Eisentor und ließ Personen aussteigen: Herren im Anzug mit Krawatte, meistens in Begleitung einer Dame im schicken Abendkleid. Maron schluckte, wurde jedoch im selben Moment von Chiaki aus der Limousine gezogen. Etwas unbeholfen hakte sie sich an seinem Arm ein und ließ sich mitziehen, wobei sie fast keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ausgeschlossen aus dem Gelände konnte sie einige Reporter und Fotografen entdecken, die versuchten, den perfekten Schnappschuss zu erhaschen und das Ereignis so gut es geht zu verfolgen. Maron hatte nie damit gerechnet, dass es sich um einen solch wichtigen Anlass handeln würde. In ihrer Vorstellung hatte es sich um ein feines Abendessen gehandelt, bei dem einige Ärzte anwesend sein würden, die sich über Medizinisches unterhielten. Aber DAS! Unweigerlich fühlte sie sich fehl am Platz... Dieses Gefühl ließ auch nicht nach, als sie von Chiaki von einem Gast zum anderen gezogen wurde. Immer dasselbe Prozedere: Erst wird sich freundlich begrüßt, ein paar freundliche Worte gewechselt, anschließend wird die Begleitung vorgestellt und dann begrüßt. Dann geht es zu den nächsten Gästen. Die Brünette kam sich fast vor wie ein Hund, der brav und artig "bei Fuß" blieb und seinem Herrchen folgte. Das lag vielleicht auch daran, dass Chiaki auf einmal sehr kühl wirkte. War er in ihrer Wohnung noch so liebevoll und zärtlich gewesen, wirkte er nahezu distanziert und ablehnend. Sie versuchte, sein Verhalten nicht zu ernst zu nehmen und folgte ihm weiter zu den Gästen. Auch wenn Maron nicht die Möglichkeit hatte, sich mit den jeweiligen Personen zu unterhalten, konnte sie jedoch sofort feststellen, dass nicht alle aus Japan kamen, sondern aus allen möglichen Ländern der Welt. Für Maron fühlte es sich an als würde es Stunden dauern, bis sich alle schließlich in den festlich geschmückten Speisesaal begaben und ihre Plätze einnahmen. Am Anfang verlief noch alles einigermaßen normal. Smalltalk hier, Smalltalk da, zwanglose Gespräche und das ein oder andere Kompliment. Doch dann standen immer wieder einzelne Personen auf, gingen nach vorne und hielten ihre Reden. Wie nicht anders zu erwarten, ging es die ganze Zeit um Medizin. Neueste Entwicklungen, Medikamente, Projekte, Spendenaktionen und vieles mehr. Sie musste zugeben, dass sie nicht viel von dem verstand, was da vorgetragen wurde. Zu viele Fachbegriffe. Zwischendrin lachte der ganze Saal, während sie noch den Witz in dem Satz suchte. Also lächelte sie einfach nur, wenn die Leute lachten. Sie kam sich so dämlich vor... Als die Reden alle gehalten waren, gingen die Gespräche an den Tischen los. Während sich die Männer über Medizin unterhielten, tratschten die Frauen über die Neuigkeiten in der High Society. Einer Gesellschaft, zu der sie definitiv nicht gehörte, wie sich die 24-Jährige immer wieder eingestehen musste. Auch Chiaki war in Gespräche mit einigen Männern und seinem Vater verwickelt. Sie dagegen saß nur stumm da und starrte Löcher in die Luft. In diesem Moment hätte sie sich gewünscht, dass wenigstens Chiaki ihr etwas Aufmerksamkeit schenken würde, aber darauf würde sie wohl vergeblich warten müssen. Dann wurde das Essen serviert und die Gespräche am Tisch wurden leiser. Maron dagegen war aber umso verzweifelter. Zu viel Besteck und sie wusste nicht, welche Gabel oder welcher Löffel für welchen Gang gedacht war. Fast schon hilflos warf sie einen Blick zu Chiaki, der sich über ihre Hilflosigkeit sogar zu amüsieren schien, aber ihr dann doch aufmunternd zulächelte. "Mach einfach das, was ich auch mache, ich habe das früher auch nie kapiert." Er zwinkerte sie kurz an, dann wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. Maron war bereits aufgefallen, dass Chiaki ihr gegenüber sehr wortkarg war, während er sich den Mund im Gespräch mit den anwesenden Ärzten franzlig redete. Sie spürte einen heftigen Stich in ihrer Brust. Da war sie wieder: die Realität. Er war nunmal verlobt und sie nur eine kleine Affäre... Nur mit großer Mühe konnte sie die Tränen unterdrücken, die sich in ihre Augen schleichen wollten. Noch völlig in Gedanken versunken wurde die junge Frau auf einmal direkt angesprochen: "Und was ist mit Ihnen, Miss Kusakabe?" Bei dem Mann, der sie angesprochen hatte, handelte es sich um einen älteren Japaner mit bereits grauen Haaren und Vollbart. Kaum erhob er seine Stimme, richtete sich die Aufmerksamkeit des ganzen Tisches auf dieses Gespräch und damit auf sie selbst. Maron war es total unangenehm, vor allem weil sie, völlig in Gedanken versunken, die vorangegangenen Gespräche nicht mitbekommen hatte. "Was soll mit mir sein?" sofort schämte sie sich für diese Frage. Sie wollte nicht so plump und unhöflich klingen. Die anderen Gäste dagegen fanden es wohl eher amüsant und fingen an zu lachen, was die Situation für sie noch unangenehmer machte. "Naja, was Sie beruflich machen? Erzählen Sie doch ein bisschen von sich", fuhr der Mann höflich fort, als das Kichern verstummte. Maron räusperte sich. "Naja, so viel gibt es nicht über mich zu erzählen. Ich bin erst kürzlich nach Momokuri zurückgezogen und habe kürzlich mein Studium in Psychologie in Tokio abgeschlossen. Seit ein paar Wochen bin ich in der Praxis von Frau Tsukamoto beschäftigt." Anerkennendes Nicken von den Gästen um sie herum. "Ich kenn Frau Tsukamoto sehr gut, sie ist eine ausgezeichnete Psychologin," mischte sich ein weiterer Herr ein. "Ja, das stimmt. Es ist eine Ehre für mich, bei ihr arbeiten zu dürfen." Damit war dieses Gespräch auch schon wieder beendet und derselbe Herr sprach nun wieder Chiaki an: "Chiaki, wie geht es denn Ihrer Verlobten? Miyako, richtig?" Marons Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Chiaki ließ sich jedoch nichts anmerken. "Sehr gut, vielen Dank der Nachfrage. Sie befindet sich im Moment in Osaka, um in einem äußerst wichtigen Fall zu ermitteln. Aus diesem Grund musste sie leider absagen, Maron hat sich dann bereit erklärt, mich zu begleiten." Man hätte meinen können, dass etwas Stolz aus seiner Stimme klang, doch vermutlich war es bloße Einbildung. "Und wie stehen Sie zur Familie Nagoya, Miss Kusakabe?", fragte der Herr. Doch die Antwort nahm Chiaki ihr sofort ab: "Sie ist eine Freundin der Familie." Seit einiger Zeit ging es wieder nur um Medizin. Besondere Krankheitsfälle und vieles mehr, von dem Maron nichts verstand. Doch das spielte in diesem Moment auch keine Rolle. Immer wieder hallten Chiakis Worte in ihrem Kopf. °Sie ist eine Freundin der Familie°. Wahrscheinlich wusste er noch nicht einmal, wie sehr er sie mit diesen Worten verletzt hatte. Wie sehr sein Verhalten sie verletzte. Diese Worte kamen so schnell aus seinem Mund, als hätte er sich diese vorher zurechtgelegt, falls eine solche Frage kommen würde. Ihr war bewusst, dass sie ihre Liebschaft verbergen mussten, doch langsam fragte sich die brünette Schönheit, ob sie damit klar kam und ob sie ihre Gefühle so lange zügeln konnte. Mit jedem Tag, den sie mit Chiaki verbrachte, wurde ihr mehr und mehr bewusst, dass sie sich mehr wünschte, als nur die geheimen Treffen und die Nächte, in denen sie sich liebten. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als die Frau an seiner Seite zu sein, aber diese Möglichkeit schien für ihn im Moment nicht relevant. Wie lange würde sie das noch verbergen können? Und wie lange konnte sie die Schmerzen in ihrer Brust noch aushalten? "Entschuldigen Sie mich, bitte", murmelte Maron vielleicht etwas undeutlich, bevor sie aufstand und in Richtung Toilette verschwand. Vorsichtig befeuchtete sie ein Handtuch mit etwas Wasser und tupfte sich über das Gesicht, ohne ihr Make-Up zu zerstören. Sie hatte es in dem Festsaal nicht mehr ausgehalten. Die warme, stickige Luft, das übertrieben formale Verhalten der Gäste und dann noch Chiakis Nähe. Wobei Letzteres von allem wohl im Moment am Schlimmsten war. °Sie ist eine Freundin der Familie°. Ein Satz, mit dem er ihr nicht nur einen Dolch in das Herz gejagt hat, sondern ihr auch ihre wohl letzte Hoffnung auf eine normale Beziehung nahm. Ohne Geheimnistuerei, ohne Versteckspiel... ohne Enttäuschungen. So sehr in ihre Gedanken vertieft, bemerkte Maron noch nicht einmal, dass eine weitere Person die Damentoilette betrat. Sie wurde erst aus ihren Gedanken gerissen, als diese Person das Wort direkt an sie richtete: "Maron, ist alles okay bei Ihnen?" Maron drehte sich etwas erschrocken um und blickte in das Gesicht von Hana, Chiakis Mutter. Fast war sie etwas enttäuscht. Denn auch wenn sie es nicht zugeben wollte, sie hatte gehofft, dass Chiaki ihr folgen würde... "Ja...ja, alles okay. Es ist nur etwas schwül im Saal." "Da haben Sie Recht. Als Kaiki und ich noch verheiratet waren, war ich regelrecht genervt von diesen Anlässen mit den ganzen Wichtigtuern, aber mittlerweile begleite ich ihn sehr gerne", lachte Hana. Sie hatte ein schönes Lachen, wie Maron feststellen musste. "Es ist schön, dass sie sich selbst nach der Scheidung so gut verstehen...ich beneide sie...", bemerkte Maron, wobei ihre letzten Worte nur noch genuschelt waren und etwas untergingen. Sie musste an ihre eigenen Eltern denken, die sich noch nicht einmal ihrer gemeinsamen Tochter wegen zusammenraufen konnten. "Ja, das finde ich auch. Unsere Ehe lief weiß Gott nicht mehr so gut, aber Kaiki und mir war es sehr wichtig einen guten Kontakt zu pflegen. Allein schon wegen Chiaki." Bei diesen Worten senkte sich Marons Blick ein wenig. Nicht nur wegen ihrer eigenen schmerzhaften Erinnerungen an die Scheidung ihrer Eltern, sondern auch wegen Chiaki und den Zweifeln an ihren Gefühlen zu ihm. "Sie mögen ihn wirklich sehr, nicht wahr?", fragte Hana vorsichtig. Die Stimmung war auf einmal etwas bedrückt und Maron wusste erst einmal nicht, was sie antworten sollte. "Woher..." "Ich habe heute Nachmittag mit Yuna telefoniert, erinnern Sie sich an sie? Sie hat Ihnen dieses Kleid verkauft ... beziehungsweise Chiaki. Und sie hat mir auch erzählt, dass Sie und Chiaki sehr vertraut gewirkt haben." "Chiaki und ich sind gute Freunde geworden", versuchte sich die 24-jährige aus der Affäre zu ziehen, aber um ehrlich zu sein würde sie sich als Außenstehende noch nicht einmal selbst glauben, sowie es auch bei Hana der Fall zu sein schien. Zumindest glaubte Maron zu merken, dass es in dem Kopf von Chiakis Mutter arbeiten würde und sie überlegte, wie sie ihre Worte besser ausdrücken könnte, um ihnen noch mehr Ausdruck zu verleihen. Sie trat einen Schritt näher an Maron heran. "Maron...ich glaube wir wissen beide, dass ich nicht von einfacher Freundschaft gesprochen habe. Ich merke doch wie sie ihn ansehen! Sie sind ein nettes Mädchen, Maron, und deswegen sollten Sie Ihre Gefühle nicht zu tief werden lassen, bevor..." "Hana, bitte..." Es war eher ein kläglicher Versuch sie zu unterbrechen. Sie wollte das nicht hören, sonst würde sie bald ihre Tränen nicht mehr zurückhalten können. Hana hatte inzwischen eine Hand auf die Schulter der Brünetten gelegt. "Nein, bitte. Ich mag Sie wirklich und deswegen möchte ich nicht, dass Sie verletzt werden. Aber ich befürchte, dass Ihnen genau das bevorsteht, wenn sie sich in Chiaki verlieben sollten. Ich liebe meinen Sohn, verstehen Sie mich nicht falsch, und ich will das nur das Beste für ihn. Und das ist nunmal Miyako." Das hatte gesessen. Allmählich merkte Maron, wie ihr die Tränen in die Augen schießen wollten und versuchte diese hinunterzuschlucken, was ihr mehr schlecht als recht gelingen wollte. Sie hatte darüber in den letzten Tagen viel nachgedacht und doch schmerzte es sie, diese Tatsache nun so direkt hören zu müssen...akzeptieren zu müssen. Und dennoch setzte sie ein Lächeln auf, das erzwungener nicht hätte sein könnte und nickte: "Sie haben Recht, Hana, und Sie brauchen sich auch keine Sorgen diesbezüglich zu machen. Wie gesagt, ich schätze ihn als Freund wirklich sehr, aber Miyako ebenso." In Hanas Gesicht zeichneten sich deutliche Zweifel ab. Sie ahnte insgeheim, dass es bereits zu spät war. Dass Maron ihr Herz bereits an Chiaki verloren hatte, aber sie beließ es erst einmal dabei. Sah sie doch die Tränen in den Augen der Jüngeren. Noch einmal nickte Maron Chiakis Mutter zu, bevor sie sich umdrehte und den Raum verließ. Auf dem Flur lehnte sie sich an die Wand und versuchte sich zu beruhigen. Ihr ganzer Körper zitterte, das Herz schlug ihr bis zum Hals und die aufsteigenden Tränen brannten in ihren Augen. So sehr sie sich auch bemühte sie zurückzuhalten, kullerten ihr doch ein paar einzelne Tränen über die Wangen. Wie gerne würde sie sie jetzt einfach laufen lassen, doch das durfte sie nicht. Nicht jetzt, nicht hier. Sie trocknete die Tränen und wartete noch einen kurzen Moment, bis sich ihre Beine nicht mehr anfühlten wie Wackelpudding, dann machte sie sich wieder auf den Weg zur Gesellschaft. Sie hatte eine Entscheidung getroffen... Die Männer erhoben sich, als Maron an den Tisch zurückkehrte. Chiaki flüsterte ihr etwas zu wie "Wo warst du denn so lange, ich wollte schon nach dir suchen", aber das nahm die hübsche Brünette kaum noch wahr. Sie räusperte sich, bevor sie anfing zu sprechen: "Danke, aber bitte setzen Sie sich wieder. Ich wollte mich nur verabschieden. Mir geht es nicht besonders gut und deswegen sollte ich nach Hause gehen. Ich danke Ihnen vielmals für den schönen Abend." Fast war sie etwas stolz auf sich, da sie trotz allem so stark und hoffentlich auch glaubwürdig wirkte. Chiaki würdigte sie allerdings keinen Blickes, sonst wäre sie vermutlich auf der Stelle in Tränen ausgebrochen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte sie allerdings seine Verwirrung wahrnehmen. "Soll Chiaki Sie nach Hause bringen?", fragte Kaiki. "Nein danke, aber das ist nicht nötig. Die frische Luft wird mir sicher gut tun. Auf Wiedersehen!" Kurz sah sie in Chiakis wunderschöne, aber fassungslose Augen, bevor sie auf den Ausgang zusteuerte und das Gebäude schlussendlich verließ. Draußen schlug ihr der frische Wind ins Gesicht und spielte mit ihren Haaren. Es hatte etwas Befreiendes, trotz des stechenden Schmerzes, den sie in ihrer Brust fühlte. Sie hielt es einfach nicht mehr aus, das war ihr nun klar geworden. Sie hatte sich stärker geglaubt, als sie eigentlich war und nun musste sie die Konsequenzen ertragen. "Maron, warte!" Sie blieb stehen und glaubte ihren eigenen Ohren nicht. Als sie sich umdrehte, erblickte sie tatsächlich einen aufgelösten Chiaki, der nur wenige Meter von ihr entfernt stand. Fast so, als würde er sich nicht trauen, sich ihr zu nähern. "Warum bist du gegangen?" "..." Sie schwieg und ließ ihren Tränen freien Lauf. Es tat ihm weh, seine Geliebte so zu sehen. "Maron, bitte, sag doch irgendwas! Wenn ich dich verletzt habe, dann sag es mir. Schrei mich an, wie auch immer. Aber sag doch etwas!" Seine Stimme klang verzweifelt, während Maron nur da stand und ihm tief in die Augen blickte. "Chiaki...ich weiß nicht was ich sagen soll, aber...", sie atmete tief durch, schloss ihre Augen, suchte nach den richtigen Worten. "Aber?" "Aber ich kann das einfach nicht mehr!" "Was kannst du nicht mehr?" Insgeheim wusste er, was sie meinte, doch er wollte es aus ihrem Mund hören. "Das mit uns, Chiaki. Wir haben so sehr versucht, alles zu verdrängen, aber jetzt hat uns die Realität eingeholt... Sehen wir es doch ein: Du bist mit Miyako verlobt, ihr werdet irgendwann heiraten und für mich ist da kein Platz mehr. Ich gehöre nicht in deine Welt! Hast du nicht gesehen, wie fehl ich am Platz bin? Chiaki...wir sollten es beenden, bevor es zu spät ist." Gegen Ende war sie immer leiser geworden, schluchzte fast. Chiaki sagte nichts. Er schien geschockt, hatte seinen Blick auf den Boden gerichtet und versuchte Marons Worte zu verstehen. Auch Maron war verstummt. Sie hatte ihren Blick abgewandt, wollte ihn nicht ansehen. "Und das soll es jetzt gewesen sein?", presste er nur noch hervor. "Ich befürchte...leb wohl, Chiaki." Mit diesen Worten drehte sie sich um und lief alleine und weinend die Straßen entlang, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen. Sie stand auf ihrem Balkon, lehnte sich gegen die Brüstung und betrachtete die Sterne. Ihre Tränen wollten nach wie vor nicht versiegen und sie trug noch immer das lange Abendkleid, das durch den Wind um ihre Beine spielte. Langsam überkamen sie doch Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, doch tat diese immer wieder ab. Sie hatte die Zeit mit Chiaki sehr genossen, das wusste sie, aber er war einfach nicht der richtige Mann für sie. Sie wollte etwas festes, eine Beziehung, die ihr Halt geben konnte. Sie wollte unbedingt einmal Familie haben und dann alles besser machen als ihre Eltern. Und irgendwann würde sie den richtigen Partner dafür finden, ganz sicher. Sie fuhr leicht zusammen als es plötzlich an der Tür ihres Appartments klingelte. Wie in Trance verließ sie den Balkon durchquerte ihre Wohnung und öffnete die Tür. Ihre Augen weiteten sich als sie Chiaki vor sich stehen sah, dem sie einfach nur stumm in die Augen sah. Sie konnte so schnell nicht reagieren, da hatte er sie schon in seine Arme gezogen und streichelte ihr über das Haar. Maron ließ es einfach geschehen. Stumm liefen ihr die Tränen die Wangen hinab, während sie seinen wunderbaren Duft einatmete und seine Wärme spürte. "Ich werde sie verlassen." Maron nahm seine Worte erst kaum war, doch als sie den Sinn begriff, erschrak sie und löste sich aus seiner Umarmung. Fassungslos sah sie ihn an. "Was hast du da gesagt?", flüsterte sie. "Maron, weißt du noch, als du nach dem Besuch deiner Mutter weinend vor meiner Tür standest und wir miteinander geschlafen haben? Ich habe dir vor dem Einschlafen ins Ohr geflüstert, dass ich dich liebe...das habe ich so schnell noch niemanden gesagt. Und ich hätte es auch nicht gesagt, wenn ich mir nicht absolut sicher gewesen wäre. Meine Gefühle zu Miyako waren schon seit einigen Monaten nicht mehr so stark und als sich das mit uns dann entwickelt hat, habe ich mich so lebendig gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Ich weiß, dass ich dich mit meinen Worten vorhin verletzt habe, aber ich will dieses Versteckspiel nicht mehr. Ich will mit dir zusammen sein. Ich will, dass jeder weiß, wie sehr ich dich liebe. Ich will morgens neben dir aufwachen und mein Leben mit dir verbringen...bitte gib mir diese Chance..." Maron stand der Mund offen und sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. Wie gerne hätte sie ihm seine Worte geglaubt, aber sie zögerte noch. Chiaki wartete währenddessen auf ihre Antwort, die nun alles entscheiden würde. "Chiaki, weißt du überhaupt was du da sagst?" Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. "Ja, Maron, das weiß ich! Ich liebe dich!" Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Er trat näher auf sie zu und näherte sich ihrem Gesicht. Sanft legte er seine Hände an ihre Wangen und lächelte, als sie sich an diese schmiegte und ihre Augen mit einem wohligen Seufzen schloss. Er meinte sogar ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen erkennen zu können. Kurz zögerte er noch, dann küsste er sie zärtlich und vorsichtig. Als sie seinen Kuss erwiderte, fühlte es sich für ihn an, als würde sein Herz Purzelbäume schlagen. Als sie den Kuss lösten, lehnte er seine Stirn an ihre und hielt weiterhin seine Augen geschlossen. "Ich...ich liebe dich auch, Chiaki Nagoya." Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, begann Chiaki über das Gesicht zu strahlen und küsste sie leidenschaftlich und hingebungsvoll. Sie hatte ihn damit wohl zum glücklichsten Mann der Welt gemacht. Der Kuss wurde immer inniger und diesmal ergriff Maron die Initiative, mit ihrer Zunge um Einlass zu bitten, den sie auf der Stelle gewährt bekam. Sanft und doch bestimmt legte sie ihre Hände in seinen Nacken und zwang ihn so, ihr zu folgen, während sie rückwärts in ihre Wohnung hinein lief. Der 25-jährige wusste nicht, was sie vorhatte, aber er würde sie tun lassen, was immer sie wollte. Mit seinen Händen fuhr er ehrfurchtsvoll ihre Silhouette nach. Als sie ihre Schritte schließlich stoppte, standen sie bereits vor ihrem Bett und der Blauhaarige öffnete mit einer Hand den Reißverschluss ihres Kleides ohne den Kuss zu unterbrechen. Als dieses zu Boden fiel, stand sie nur noch in ihrem Slip vor Chiaki und begann bereits ungeduldig die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen... Kapitel 16: Lügner ------------------ Erschöpft ließ sich Miyako auf das Bett ihres Hotelzimmers fallen. Dieser Tag war wieder einmal extrem anstrengend gewesen. Immerhin standen sie vor dem großen Durchbruch, das spürte sie und dann könnten sie diesem Drecksschwein endlich ein für alle mal das Handwerk legen. Und wenn es erst einmal so weit war, würden keine jungen, unschuldigen Frauen mehr auf so grausame Weise sterben müssen. Und dafür würde Miyako alles geben, das schwor sie sich. Die Auswertung der gefundenen Spuren dauerte allerdings länger als erwartet. Eines stand jedoch fest: Sie stammten eindeutig vom Täter, alles andere konnte ausgeschlossen werden. Mit jedem Tag kamen sie der Lösung des Falls ein Stückchen näher, doch die Uhr tickte. Sie mussten ihn schnappen, bevor er es schaffen konnte zu fliehen oder gar seinen nächsten Mord zu verüben. Wie lange arbeitete sie denn schon an diesem Fall? Und wie lange befand sie sich schon in Osaka? Mittlerweile fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Die junge Frau konnte nicht sagen, woran es lag, aber bereits seit einigen Tagen dachte sie immer wieder verstärkt über Chiaki und sich nach. Sie war sich bewusst, dass sie ihn in den letzten Monaten sehr vernachlässigt hatte. Der Beruf kostete sie viel Zeit und Aufmerksamkeit und da war ja auch noch... Sie kniff die Augen zusammen. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen an das, was zwischen ihnen vorgefallen war. Der dunkle Schleier, der sich seitdem über ihre Beziehung gelegt und dafür gesorgt hatte, dass sie einen großen Teil des gegenseitigen Vertrauens eingebüßt hatten. Mittlerweile war das schon gut zwei Jahre her und sie war sich noch immer nicht bewusst, ob sie ihm das vergeben sollte. Andererseits wusste sie aber auch, dass ihre Beziehung, sollte sie es nicht tun, unter keinem guten Stern stehen würde. Aber hatte er denn nicht ihr Vertrauen wieder verdient? Sollte sie ihm denn nicht wieder ein Stück entgegenkommen? Sie wollte ihn nicht verlieren, das würde sie nicht verkraften... Sie würde sich also etwas einfallen lassen müssen, dass dazu beitragen konnte, dass sie sich wieder aneinander annähern konnten. Seufzend drehte sich die 24-jährige auf die Seite und schloss die Augen. Es wäre wohl besser, wenn sie morgen wieder darüber nachdenken würde. Erst einmal brauchte sie viel Schlaf. Wohlig seufzend öffnete Maron ihre Augen und rollte sich in den weichen Kissen zur Seite. Dabei fiel ihr Blick auf den schlafenden Mann neben ihr...Chiaki. Ihr Chiaki. Bei diesem Gedanken blieb ihr nichts anderes übrig als zu lächeln. Auch wenn der Abend des Banketts bereits einige Tage her war, konnte sie noch immer nicht fassen, was Chiaki ihr gesagt hatte. Welche Entscheidung er getroffen hatte. Seit diesem Abend verbrachten sie jede einzelne Nacht gemeinsam und versuchten natürlich auch, tagsüber gemeinsam möglichst viel Zeit zu verbringen, um sich noch besser kennenzulernen. Insofern es eben auch möglich war. Denn ein Problem gab es noch: Sie durften ihre Liebe noch immer nicht offen zeigen. Da Miyako noch immer nicht aus Osaka zurückgekehrt ist, wollte Chiaki den endgültigen Schlussstrich noch nicht ziehen. Nach einer solch langen Beziehung wollte er das lieber persönlich mit ihr klären. Einerseits hatte Maron dafür vollstes Verständnis, doch andererseits zerrte die Situation an ihren Nerven. Sie hatte Miyako nie schaden wollen und auch wenn sie versuchte, diese Gefühle zu unterdrücken, so plagte sie dennoch das schlechte Gewissen. Das einzige, was sie in diesem Fall beruhigen konnte, war die Tatsache, dass Chiaki selbst beschlossen hatte, die Beziehung zu Miyako zu beenden und somit die Verlobung zu lösen. Und doch beschäftigte sie es ungemein, wie es danach wohl weiter gehen würde. Vorsichtig strich sie dem Schlafenden eine Strähne seines blauen Haares aus dem Gesicht. "Schon so nachdenklich am frühen Morgen, mein Engel?" Damit würde die Brünette aus ihren Gedanken gerissen und musste sogar ein bisschen lächeln. Ohne zu antworten, kuschelte sie sich an ihn und genoss einfach nur die Wärme seines muskulösen Körpers. Chiaki schloss daraufhin seine Arme um sie und drückte ihr einen liebevollen Kuss in ihr weiches Haar. Es fühlte sich einfach wunderschön an, jeden Morgen mit dieser Frau in seinen Armen aufwachen zu können. Ein Gefühl, das er so noch nie verspürt hatte. Noch nicht einmal bei... er versuchte seine eigenen Gedanken zu unterbrechen. Auch wenn er Maron sein Wort gegeben hatte und dieses auch niemals zurücknehmen konnte, plagte ihn auf einmal ein schlechtes Gewissen, wie er es noch nie wahrgenommen hatte. Doch warum war es auf einmal so präsent? War es denn nicht das, was er wollte? Einen Schlussstrich setzen und endlich mit der Frau glücklich werden, die er wirklich innig liebte? Warum musste nur alles so kompliziert sein? Er wurde erst aus seinen Gedanken gerissen, als sich Maron aus seinen Armen wandte und aus dem Bett stieg. "Ich könnte dich aber dasselbe fragen." Mit einem süßen Lächeln auf den Lippen begann sie ihre Klamotten zusammenzusammeln. Chiaki konnte ihr dabei nur fasziniert zuschauen. Dabei musterte er ihren nackten Körper. Ihre schlanke Figur, die leicht zersausten Haare, das perfekte Gesicht, ihre knackiger Po. Allein schon ihr Wesen löste in ihm eine unglaubliche Zuneigung und eine große Sehnsucht aus, die er bisher in dieser Intensität noch für keinen Menschen empfunden hat. Als Maron all ihre Klamotten wieder gefunden hatte, legte sie diese sorgfältig zusammen und schlurfte noch etwas verschlafen auf die Badezimmertür zu. Sie brauchte jetzt erst einmal eine heiße Dusche, die Nächte waren jedesmal zwar wunderschön, aber, da Chiaki so unersättlich ist, auch sehr kräftezehrend. Noch bevor sie überhaupt nach der Türklinke greifen konnte, spürte sie zwei starke Hände an ihrer Hüfte und Chiakis nackten Körper an ihrem Rücken. "Nanana, du willst doch wohl nicht ohne mich duschen gehen, meine Liebe?" Schon wieder bildete sich eine Gänsehaut auf Marons Armen, als er ihr diese Worte ins Ohr wisperte. Ob seine Wirkung auf sie wohl jemals nachlassen würde? "Das würde ich mich doch niemals trauen." Ein wenig musste er bei dieser Aussage schmunzeln. Dann begann er bereits ihren Hals mit Küssen zu verwöhnen und seine Hand über ihre Brüste und ihren Bauch nach unten gleiten zu lassen. Erschrocken keuchte die junge Frau als diese schließlich ihr Ziel erreichte. "Du bekommst wohl nie genug, was?", presste die Brünette etwas heiser hervor. "Niemals, mein Engel." Schelmisch grinsend drehte sich die 24-jährige in seinen Armen um und führte ihren Geliebten mit einem liebevollen und gleichzeitig anzüglichen Blick in das Badezimmer. Leise vor sich hin summend, zog sich Maron um. Sie hatte gerade Mittagspause gemacht und freute sich nun auf ein bisschen Freizeit. Sie hatte es ein wenig eilig, da sie auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für Chiaki war und davor noch einen Arzttermin wahrnehmen musste. Sie fühlte sich im Moment teilweise etwas unwohl und wollte das lieber überprüfen lassen. Sie arbeitete noch nicht allzu lange bei Frau Tsukamoto, da wollte sie sich noch nicht unbedingt krankschreiben lassen. Zudem wäre es schade, wenn sie ausgerechnet an Chiakis Geburtstag im Bett liegen müsste. Sie wollte ihn nämlich überraschen. Sie hatte schon mehrmals versucht, ihn darauf anzusprechen, was er an diesem besonderen Tag denn machen wolle. Doch hatte er einfach jedesmal abgeblockt und geantwortet, dass er sich aus diesem Tag nicht besonders viel machte. Er sein einfach "ein Tag wie jeder andere auch". Diese Aussage stimmte sie etwas nachdenklich. Gerade der Geburtstag ist doch ein Tag, der gefeiert werden sollte. Für sie selbst hatte der Geburtstag eine besondere Bedeutung: Es war schon immer der Tag im Jahr gewesen, an dem sie das Gefühl hatte, nicht ganz alleine zu sein und immerhin ein wenig geliebt zu werden. Zwar erhielt sie nur selten eine Karte von ihrer Mutter, doch an diesen Tagen gab sich immerhin ihr Vater ein bisschen Mühe, ihr einen einigermaßen schönen Tag zu bescheren, auch wenn sonst ihr Verhältnis nicht das beste war. Und auch in Kindergarten oder Schule bekam ein Geburtstagskind besondere Aufmerksamkeit. Vor allem als Kind war dies immer aufregend und spannend gewesen. Warum also dachte Chiaki so über seinen eigenen Geburtstag? Was hatte ihn dazu gebracht, diesen Tag so wenig Interesse entgegen zu bringen? Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Maron wartete im Empfangszimmer darauf, aufgerufen zu werden. Dabei schweifte ihr Blick immer wieder zur Uhr. Wenn sie noch in die Innenstadt wollte, um sich nach einem Geschenk umzusehen, ging ihr langsam aber sicher die Zeit aus. Doch schon kurz darauf kam eine Krankenschwester ins Zimmer und fragte nach Maron Kusakabe. Lächelnd sprang sie auf, kam jedoch plötzlich ins Schwanken, was dazu führte, dass die Krankenschwester zu ihr eilte und sie erst einmal stützen musste. "Ist alles okay, Miss Kusakabe?" Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit. Tief atmete die Brünette ein und aus, dann war der kurze Anfall auch schon verflogen. "Ja, nur ein kleiner Schwächeanfall..." "Haben sie das in letzter Zeit des Öfteren? Die Frau Doktor wird sich das sofort ansehen." Nach ungefähr dreißig Minuten konnte Maron das Untersuchungszimmer wieder verlassen. Nachdem die Ärztin von ihrem Schwächanfall im Wartezimmer erfahren hatte, wollte sie die junge Frau auf Herz und Nieren testen. Bis jetzt konnte die Ärztin nichts Auffälliges bemerken und bat Maron darum, eine Blutprobe entnehmen und ins Labor schicken zu dürfen. In circa einer Woche würde Maron dann die Ergebnisse erhalten. Auch wenn die Brünette nicht daran glaubte, dass sie etwas ergeben würden. Sie fühlte sich zwar in letzter Zeit nicht sonderlich gut, oft ausgelaugt mit hin und wieder auftretender Übelkeit, von den gelegentlichen Schwächeanfällen ganz zu schweigen. Aber so schlimm würde es schon nicht sein. Kaum hatte Maron die Praxis verlassen, konnte sie einen großen Mann mit blauen Haaren auf sie zukommen sehen. Es war Kaiki, Chiakis Vater. "Hallo, Maron, wie geht es dir? Wir haben uns seit dem Bankett nicht mehr gesehen. Und Chiaki kam ja danach auch nicht mehr zurück. Wir haben angenommen, dass er dich doch noch nach Hause gebracht hatte." "Hallo, Herr Nagoya. Ja, er hat mich nach Hause gebracht. Er hat mir dann nur noch gesagt, dass er sich sehr müde fühle und danach muss er wohl in seine Wohnung gegangen sein." Wie sehr sie diese Lügerei doch satt war... "Lassen wir doch diese Förmlichkeiten, du weißt doch, dass du mich duzen kannst." Bei diesen Worten lächelte der Ältere. Ein Lächeln, das die junge Frau gerne erwiderte. Chiakis Vater war einfach ein sehr netter Mann. Schon des Öfteren hatte Maron darüber nachgedacht, wie er und Chiakis Mutter wohl reagieren würden, wenn sie herausfänden, was sich zwischen ihrem Sohn und der Brünetten entwickelt hatte. Würde sie Verständnis zeigen und sich vielleicht für ihren Sohn freuen? Oder würden sie sie dafür hassen, dass sie Miyako quasi hintergangen hatte? Daran wollte Maron erst garnicht denken. "Entschuldige mich bitte, Kaiki, aber ich muss jetzt wirklich los. Bis bald!" "Das hoffe ich, Maron." Maron war auf dem Rückweg zu ihrer Arbeitsstelle. Leider hatte der Termin doch länger gedauert als erwartet und so hatte sie leider keine Zeit mehr gehabt in die Stadt zu gehen, um einige Läden zu durchstöbern. Sie lief gerade an einer kleinen Bar vorbei, als sie in Gedanken versunken direkt in eine Person hineinlief. Bevor sie auf dem harten Boden aufkommen konnte, wurde sie allerdings in die Arme des vermeintlich Fremden gezogen. Ein schüchterner Blick nach oben genügte, um Chiaki in diesem zu erkennen. Erleichtert atmete sie aus, rappelte sich auf und löste sich von ihrem Geliebten, auch wenn sie es wohl genossen hätte, noch ein wenig in seinen Armen liegen zu können. Als sie sich aber wieder aufrecht hinstellen wollte, sackte sie kurz wieder etwas zusammen, woraufhin Chiaki sie bestimmt am Arm packte, um sie aufzufangen. "Ist alles okay mit dir, Maron?" Die Besorgnis in seiner Stimme war nicht zu überhören. "Was? Oh...ja alles okay. Der Kreislauf macht mir heute nur etwas zu schaffen. Nichts, um das du dir Sorgen machen müsstest." Ein kleines Lächeln sollte ihre Worte noch bekräftigen. Chiaki musste nicht unbedingt wissen, dass sie sich schon des Längeren mit diesem Problem herumplagte. Er würde sich nur unnötig Sorgen machen. Immerhin hatte doch jeder mal Probleme mit dem Kreislauf, nicht wahr? "Bist du dir da wirklich sicher?" "Ja." Da war es wieder. Dieses Lächeln, das ihn so sehr in seinen Bann nahm, dass er einfach nichts mehr sagen konnte. "Aber ich will dich auch nicht länger aufhalten. Ich muss wieder auf die Arbeit zurück." "Ich bin eigentlich gleich mit einem guten Freund verabredet...und du bist dir sicher, dass du das alleine schaffst?" "Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd. Ich bin ein großes Mädchen, ich pack das schon." Am liebsten hätte sie ihm zur Besänftigung einen Kuss auf die Lippen gedrückt, aber sie befanden sich auf einer öffentlichen Straße und das war, leider, noch immer zu riskant. Also streichelte sie ihm nur über den Arm, bevor sie ihm noch einmal zuzwinkerte und sich dann wieder auf den Weg in Richtung Praxis machte. Seufzend sah er ihr nach, dann öffnete er die Tür der Bar und trat ein. "Chiaki, altes Haus, da bist du ja endlich!" Freudig wurde er mit einem Handschlag von einem jungen Mann begrüßt. Er hatte lange, lilafarbene Haare und fast goldfarbene Augen. Chiaki nahm schon seit Längerem an, dass es sich um Kontaktlinsen handelte und, dass er sich die Haare färbte. Aber das war auch nicht gerade ein Thema, über das sich zwei Männer unterhielten. Gekleidet war sein Gegenüber komplett in schwarz. "Access, Kumpel, schön dich mal wieder zu sehen!" Access und Chiaki waren bereits seit der Schulzeit gute Freunde. Während des Studiums des Blauhaarigen hatten sie sich aber leider etwas aus den Augen verloren. Während Chiaki für sein Medizinstudium nach Tokio gezogen war, war Access nie der Typ für sowas gewesen. Bereits während der Schulzeit war er eher mehr der Rebell. Nach dem Schulabschluss hatte er zwar eine Ausbildung angefangen, diese aber wieder abgebrochen, um eine Bar in Momokuri zu eröffnen, die er zusammen mit seiner Freundin Fin betrieb. Und die Bar lief wirklich gut, war vor allem bei der jüngeren Generation äußerst beliebt. "Chiaki, ich hatte garnicht gewusst, dass du heute vorbeikommen wolltest", wurde er von der Seite angesprochen. "Dann hat dir Access wohl mal wieder was verschwiegen. Aber ich freue mich auch, dich zu sehen, Fin." Fin hatte einen kurzen, grünen Bob. Genau wie Access zierten ihre Arme große Tattoos. Sie war schlank und auch wenn sie vielleicht nicht jedermanns Typ war, so war sie doch ausgesprochen hübsch. Ihre Klamotten waren zwar auch komplett schwarz, mit ihren Reizen geizte sie allerdings nicht. Nachdem Fin den beiden Männern jeweils ein Bier gezapft hatte, setzten sich diese an einen Tisch in einer Ecke, in der sie sich ungestört unterhalten konnten. Immerhin hatten sie sich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen. Nachdem die zwei Freunde über alle möglichen Themen gequatscht hatten, kam der Lilahaarige auf etwas zu sprechen, das ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. "Sag mal, wie läuft es zwischen dir und Miyako denn so?" Bei dieser Frage fuhr sich Chiaki mit beiden Händen über sein Gesicht. "Frag bloß nicht. Im Moment ist einfach alles so schrecklich kompliziert!" "Und ich wette, das hat bestimmt was mit der Kleinen eben vor der Tür zu tun." Geschockt schaute der Blauhaarige seinen Kumpel an. "Woher...?" "Ach komm, tu doch nicht so. Ich hab euch beide beobachtet und alleine die Art, wie du sie ansiehst spricht ja schon Bände! Und ganz nebenbei...ich hab dir schon die ganze Zeit gesagt , dass du Miyako abschießen solltest. Das mit euch beiden war ja schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt, wenn du mich fragst. Und komm mir jetzt nicht wieder mit diesem 'Aber-du-weißt-doch-was-zwischen-uns-vorgefallen-ist-Quark', okay?!" Chiaki seufzte wieder auf. Access und Miyako konnten sich noch nie ausstehen. Miyako fand Access zu rebellisch und egoistisch und Access fand sie dementsprechend prüde, bieder und konservativ. Vermutlich war es besser, dieses Thema wie immer einfach unkommentiert zu lassen. Also ergriff Access wieder das Wort: "Also, zurück zum Thema: treibst du es mit der Kleinen?" "Access, du..." "Ja oder nein?" Chiaki bemerkte, dass er Access nichts vormachen konnte, doch er wusste auch, dass er ihm wirklich vertrauen konnte, also kam er wohl nicht drum herum, die Wahrheit wortwörtlich auf den Tisch zu legen. "...Ja! Ja...aber so einfach ist das nicht. Da ist noch so viel mehr im Spiel und ich...ich...diese Frau ist einfach nur der pure Wahnsinn!" "Herrje Chiaki, du musst ja echt verschossen sein in diese...wie war gleich ihr Name?" "Maron. Da gibt es nur ein Problem....als sie nicht mehr mit der Situation klar kam, wollte sie mich verlassen, also habe ich...habe ich ihr gesagt, dass ich mich von Miyako trennen werde, um mit ihr zusammen zu sein." Access stieß laut Luft aus. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. "Und lass mich raten: du beginnst zu zweifeln, ob du Miyako wirklich verlassen kannst nach allem, was zwischen euch vorgefallen ist?" "..." "Herrgott, das ist doch schon zwei Jahre her! Mein Rat als Freund: tu einmal das, was dich wirklich glücklich macht!" Verständnisvoll fügte er noch hinzu: "Und ich habe das Gefühl, dass diese Frau dein persönlicher Schlüssel zum Glück ist..." "Und das hat er wirklich gesagt, Maron?" "Ja wirklich!" Maron telefonierte schon seit geschlagenen zwei Stunden mit Rinako, einer Freundin, die sie bereits aus dem Studium kannte und mit der sie seitdem in engem Kontakt stand. Und jetzt, da sich Chiaki für sie, Maron, entschieden hatte, war es wohl an der Zeit, die ganze Geschichte zu beichten. Immerhin war Rinako an dem Abend mit in der Bar gewesen, als Maron Chiaki traf. "Mein Gott, dich hat es ja richtig erwischt! Ich freue mich für dich, aber lass mich dir noch einen Rat geben: Sei bitte vorsichtig! Du weißt doch, wie Männer sind und ich will nicht, dass du verletzt wirst..." "Ich weiß Rinako, aber...aber ich habe das Gefühl, dass ich ihm wirklich vertrauen kann." "Das hoffe ich für ihn! Du kannst ihm ausrichten, dass ich persönlich vorbei kommen werde, um ihm den Hintern zu versohlen, wenn er dir wehtun sollte!" Maron musste bei dieser Bemerkung herzhaft auflachen. Rinako war schon immer sehr direkt gewesen, doch die Brünette konnte sich jederzeit auf ihre Freundin verlassen. "Und was machen die Vorbereitungen für seinen Geburtstag? In deiner SMS klangst du ja ziemlich verzweifelt." "Frag bloß nicht! Morgen ist es soweit und ich habe noch immer keinen genauen Plan. Ich dachte, dass ich uns etwas koche und wir uns dann einen schönen Abend machen könnten, aber ich hatte gehofft, ihm noch etwas Besonderes schenken zu können." "Zum Beispiel?" "Ach, keine Ahnung. Das ist doch echt zum Verücktwerden!" "Tut mir leid, Maron, aber da kann ich dir nun wirklich nicht weiterhelfen. Dann musst du ihn halt verführen." "Aber das mach ich doch ständig." Geschockt schlug sich Maron die Hand vor den Mund und lief prompt rot an. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Vermutlich schon, denn sie konnte Rinako am anderen Ende der Leitung laut auflachen hören. "Maron, Maron, Maron, du hast es ja faustdick hinter den Ohren! Lässt jahrelang keinen Kerl an dein Heiligstes und jetzt kannst du anscheinend nicht genug bekommen. Dein Auserwählter muss ja echt eine Granate im Bett sein." "Rinako!", rief Maron empört aus, was aber nur dazu führte, dass diese noch lauter auflachte. "Schon gut, schon gut. Ich wollte nur mal nachhaken." In diesem Moment begann Marons Telefon in kurzen Abständen zu piepsen, was der 24-jährigen symbolisieren sollte, dass noch eine andere Person versuchte, sie zu erreichen. "Du, Rinako, ich unterbreche dich wirklich ungern, aber ich glaube, ich habe da noch einen anderen Anruf in der Leitung. Ich ruf dich wieder an, ciao!" Dann beendete sie die Unterhaltung und nahm den anderen Anruf an. "Hallo, Maron Kusakabe hier." "Guten Tag, Frau Kusakabe, hier spricht Fumiko Aino von der Praxis von Frau Akima, ich wollte sie darüber informieren, dass ihre Blutergebnisse bei uns eingetroffen sind." "Oh okay, gab es etwas Auffälliges?" "Ich müsste Sie bitten, nochmal ins Krankenhaus zu kommen." Chiaki lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Wie gut diese Stille doch tat! Den ganzen Tag schon kamen alle möglichen Kollegen zu ihm, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Das war sicher auf dem Mist seines Vaters gewachsen, dabei müsste dieser doch am besten wissen, warum er diesen Tag nicht feiern möchte. Verband er mit diesem seit zwei Jahren einfach zu schlechte Erinnerungen. Auf einmal hörte er, wie sein Handy anfing zu klingeln. Ein kurzer Blick auf den Display ließ ihn erstarren. Nur zögerlich drückte er auf den grünen Hörer. "He-Hey, Miyako...was gibt es denn?" Mit zitternden Händen besah sich Maron noch einmal Chiakis Geburtstagsgeschenk und legte dieses dann behutsam in eine kleine hölzerne Schachtel. Das war doch wirklich nicht zu fassen. Gestern mittag war sie noch total verzweifelt gewesen, weil sie nicht wusste, wie sie ihn überraschen konnte und jetzt? Jetzt saß sie hier und zitterte, weil sie nicht wusste, wie er reagieren würde. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es dabei um so viel mehr ging, als nur ein simples Geschenk. Dann stand sie von dem Stuhl auf und sah sich um. Sie befand sich in Chiakis Wohnung. Das Licht war gedämmt, überall brannten Kerzen und in der Mitte des Zimmers stand ein Tisch, auf dem Maron das selbstgekochte Abendessen bereits liebevoll angerichtet hatte. Anschließend warf sie noch einmal einen Blick in den Spiegel. Sie hatte sich extra schick gemacht. Ein eng anliegendes, schwarzes Etuikleid, dazu schlichte, ebenfalls schwarze Pumps und ein paar dezente Perlohrringe. Die braunen Locken fielen ihr leicht um die Schultern. Was sie darunter trug, würde Chiaki noch früh genug erfahren. Bei diesem Gedanken umspielte ein kokettes Lächeln ihre dezent geschminkten Lippen. Dann hörte sie auch schon, wie ein Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde. Als Chiaki die Tür seines Appartments öffnete, weiteten sich prompt seine Augen: Die ganze Wohnung war in warmes Licht gehüllt, überall standen Kerzen und auf dem Tisch ein köstlich duftendes Abendessen. Er wusste sofort, wer sich diese Mühe gemacht hatte. Und das ausgerechnet für ihn. Im nächsten Moment trat bereits Maron in den Raum. Sie sah einfach atemberaubend aus. Elegant und doch so sexy. In ihren Händen hielt sie eine geheimnisvolle Schachtel. Der Blauhaarige konnte nicht genau sagen, woher dieses Gefühl kam, doch irgendwie wirkte seine Geliebte sehr nervös auf ihn. Dennoch kam sie lächelnd auf ihn zu, legte ihre Hände um seinen Nacken und legte ihre Lippen sanft auf die seinen. Mit leichtem Zögern erwiderte der nun 26-jährige den Kuss und versuchte, sich einfach fallen zu lassen. Er legte so viel Wärme und Leidenschaft in diesen Kuss, als wäre es ihr letzter. Erkundete ihren Mund als wäre es das letzte Mal, dass er dieses Gefühl genießen durfte. Doch schon im nächsten Moment überkam ihn das schlechte Gefühl, das ihn schon den ganzen Tag verfolgte. Er löste den Kuss, wagte es jedoch nicht, Maron in die Augen zu sehen. Dadurch verunsichert legte Maron ihre Hände auf seine Wangen und versuchte, seinen Blick einzufangen, doch er wich ihr immer wieder aus. Was war nur los? "Es gefällt dir nicht." Es war keine Frage, es war mehr eine traurige Feststellung. "Doch Maron, das...das ist es nicht!" "Und was ist es dann?" Sie hatte Mühe, ruhig zu bleiben, doch sie hatte die Hoffnung, dass sie den plötzlichen Stimmungsumschwung ihres Geliebten auf diese Weise aufklären konnte. "Das kann ich dir nicht sagen, Maron." Langsam wurde die Brünette ungeduldig. Warum konnte er nicht einfach mit der Sprache rausrücken? "Warum nicht, Chiaki? Rede mit mir!" Sie wurde lauter. "Weil du mich hassen würdest!" Damit herrschte erst einmal eine unangenehme Stille. So verletzt hatte die 24-jährige Chiaki noch nie erlebt. Er war unendlich aufgebracht und sie traute sich nicht, etwas zu sagen. Hatte vielleicht sogar Angst, die Wahrheit zu erfahren. Zu ihrer Überraschung war es aber Chiaki, der das Wort ergriff. Er hatte sich an die Balkontür gestellt und schaute hinaus in die Nacht. "Miyako hat mich angerufen." "Und hast du..." "Ich...ich konnte nicht, Maron." Marons Herz setzte bei diesen Worten kurz aus. Immer deutlicher konnte sie spüren, wie sich die Angst in ihrem Inneren ausbreitete. "Und warum nicht?" Ihre Stimme zitterte, Tränen versuchten sich einen Weg nach oben zu bahnen. Auch wenn sie noch nicht wusste, was los war, so hatte sie dennoch ein schlechtes Gefühl. Es fühlte sich für sie wie eine Ewigkeit an, in der sie darauf wartete, dass Chiaki eine Antwort gab. "Maron...kannst du dich noch an den Abend im Club erinnern? Du hattest zu viel getrunken und als ich dich dann hierher gebracht habe, hast du mich gefragt, was zwischen Miyako und mir vorgefallen ist. Ich glaube du hast verdient, die Wahrheit zu erfahren." "..." "Weißt du...das ganze ist genau heute vor 2 Jahren passiert... Miyako hatte früher Feierabend gemacht, um mich an meinem Geburtstag zu überraschen. Ich hatte erst in ein paar Stunden mit ihr gerechnet, also...also habe ich mich mit einer anderen Frau verabredet. Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt bereits seit ein paar Wochen immer wieder regelmäßig heimlich getroffen, aber ich hatte keinerlei Gefühle für sie und an diesem Abend...habe ich wieder mit ihr geschlafen...", während Chiaki erzählte, machte er immer wieder kleine Pausen, um tief durchzuatmen. Es war eindeutig, dass es ihm schwerfiel, Maron alles zu erzählen. Doch nun gab es kein Zurück mehr, er hatte eine Entscheidung getroffen. "Als Miyako nach Hause kam, hat sie uns natürlich erwischt. Du...du hättest ihr Gesicht sehen sollen. Als würde die Welt für sie zusammenbrechen! Ich habe versucht, ihr zu erklären, wie leid mir alles tut, dass ich sie lieben würde und, dass mir an dieser Frau nichts liege. Sie hat einfach nur geweint, geschrieen und dann...dann hat sie auch noch gedroht, sich etwas anzutun. Und dann ist sie einfach weggerannt und draußen auf der Straße...ist sie vor ein Auto gelaufen." Ohne es bemerkt zu haben, liefen Maron einzelne stumme Tränen über das Gesicht. Auch wenn Chiaki vermutlich so viele Details ausließ, konnte sie doch genau mitempfinden, wie er sich gefühlt haben musste...wie er sich auch in diesem Moment fühlte. Auf einmal fühlte auch sie sich so unendlich schuldig. "Ich habe im Krankenhaus jeden Tag an ihrem Bett gesessen und als sie dann wieder aufgewacht ist, haben wir lange gesprochen und dann...dann hat sie mir gestanden, dass sie das Auto hat kommen sehen und dennoch...dennoch ist sie weiter gerannt... Weißt du, ich musste ihr versprechen, dass ich für immer bei ihr bleiben würde. Ich konnte ihr einfach nicht beichten, dass ich eigentlich vorhatte, sie zu verlassen..." Seine letzten Worte waren fast nur ein Flüstern, dann sah er Maron direkt an. Doch diesmal war sie es, die den Blick abwendete. "Ich...Ich bin ein schrecklicher Mensch." "Nein, Maron, das darfst du nicht denken! Dich trifft keine Schuld! Verstehst du denn nicht, warum ich so sehr bei mir haben wollte? Miyako kann mich niemals so glücklich machen wie du es kannst, aber ich habe das Gefühl, ihr etwas schuldig zu sein. Angst, dass sie ihre Drohung von damals wahr macht. Ich schaffe es einfach nicht, sie zu verlassen." Er ließ seiner Verzweiflung einfach freien Lauf, hatte seine letzten Worte fast hinausgeschrieen. "Du...du hast gesagt, dass du mich lieben würdest." "Das tue ich, Maron und daran...wird sich auch nie etwas ändern." Er trat auf sie zu, nahm ihr Gesicht in seine Hände und flüsterte mit tränenerstickter Stimme: "Ich werde dich immer lieben." Maron entfuhr ein lautes Schluchzen. Sie fühlte sich traurig, verraten und doch im nächsten Moment so wütend, dass sie seine Hände einfach wegschlug. "Fass mich nicht an!" Chiaki schwieg, richtete seinen Blick nach unten. Er verstand Maron, hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Stumm lief ihm eine einzelne Träne über die Wange. Nur weil er so feige war, würde er die wichtigste Person in seinem Leben verlieren. Die Frau, die er als einzige jemals innig und aufrichtig geliebt hatte. Maron hatte einfach etwas besseres als ihn verdient... "Ist es nun also vorbei?" Maron gab sich alle Mühe, stark zu sein, doch am Liebsten wäre sie sofort auf den Boden gesunken und hätte ihren Tränen freien Lauf gelassen. "Das...das ist noch nicht alles...", Was sollte denn noch alles kommen? Genügte es ihm denn nicht, dass er ihr gerade das Herz aus der Brust gerissen hatte? Wollte er, dass sie noch mehr leiden musste? ,"Miyako...sie wollte mich überraschen und hat...sie hat unsere Hochzeit nach vorne verschoben...Sie hat heute bereits die Einladungen verschickt." Eine weitere Träne. Das gab der verzweifelten Brünette den Rest. Laut schluchzend drehte sie sich um und rannte aus der Wohnung. Weg von dem Mann, der ihr das Herz zerrissen hatte. Die Schachtel hielt sie dabei fest umklammert. Alleine zurück blieb Chiaki, der nun auch seine eigenen Tränen nicht mehr vollends zurückhalten konnte. In ihrer Wohnung ließ sich Maron verzweifelt an einer der Wände hinabgleiten. Die Hände fest auf ihr Gesicht gepresst. In ihrer Brust machte sich ein stechender Schmerz breit, der sich anfühlte, als würde ein Dolch in dieser stecken. In der Dunkelheit fühlte sie sich so furchtbar einsam. Noch immer zitternd griff die 24-jährige nach dem Telefon und wählte eine Nummer. Nach kurzem Klingeln wurde auch schon abgehoben. "Hallo, Rinako hier." "Rinako...hier ist Maron." In diesem Moment konnte und wollte sie einfach nicht verbergen, wie sie sich fühlte. "Oh mein Gott, Maron, was ist passiert?" "Er...er hat mich verlassen." Die Tränen wollten nicht stoppen, also entkam ihr bei diesen Worten erneut lautes Schluchzen. "Maron...das tut mir ja so leid. Ich hatte dich doch noch gewarnt! Aber weißt du was? Wenn er nicht zu schätzen weiß, was er an dir hat, dann hat er dich auch nicht verdient." "Aber..." "Aber was, Maron?" Die Brünette griff nach der Schachtel, die neben ihr auf dem Boden lag. Sie öffnete diese und nahm behutsam das Ultraschallbild aus dieser heraus. Und dann brachte sie die Worte heraus, die ab nun alles verändern würden: "Ich bin schwanger." Kapitel 17: Verzweiflung ------------------------ Ungeduldig stand Maron am Flughafen und wartete darauf, dass die Maschine endlich landete und die Passagiere mit ihrem Gepäck das Gate verließen. Es war nun gut zwei, fast drei Tage her, dass Chiaki sich von ihr getrennt hatte und sie hatte seitdem keinerlei Kontakt mehr zu ihm gehabt. Noch ein Zeichen dafür, dass er es wirklich ernst meinte und nicht wieder zu ihr zurückkehren würde. Noch ein Zeichen, dass seine Entscheidung endgültig war... Bei dem Gedanken an den Blauhaarigen stiegen Maron erneut die Tränen in die Augen. Tagsüber konnte sie den Schmerz wenigstens einigermaßen verdrängen. Sie arbeitete viel und hart, machte Überstunden und kam erst spät nach Hause. In der Nacht kam jedoch alles wieder hoch und sie weinte bitterlich bis sie in den frühen Morgenstunden wenigstens ein paar wenige Stunden Schlaf finden konnte. Warum musste alles immer nur so schrecklich kompliziert sein? Er ist der Vater ihres ungeborenen Kindes, verdammt! Sie hätten eine eigene Familie gründen und zusammen glücklich werden können, und jetzt? Er hatte alle diese Illusionen mit einem mal unwiderruflich vernichtet... Maron kehrte mit ihren traurigen Gedanken erst wieder in das Hier und Jetzt zurück, als sich die Schiebetüren öffneten und die ersten Reisenden mit ihren Koffern erschienen. Maron versuchte, sich etwas Überblick über die Menschenmenge zu verschaffen und dann erblickte sie sie: Rinako! Sie hatte längere, rote Haare, die sie die meiste Zeit zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Ihre Stirn wurde von einem Pony verdeckt. Ihr Gesicht war von Natur aus sehr hübsch. Für den Flug hatte sie sich in eher gemütliche Klamotten geschmissen: eine schwarze Jogginghose, dazu ein grünes T-Shirt und ebenfalls grüne Sneaker. Nachdem Maron sie an dem Abend angerufen hatte, hatte sie sofort alles stehen und liegen gelassen und umgehend einen Flug nach Momokuri gebucht, um der verzweifelten Brünette beizustehen. Sie war eben eine richtige Freundin, auf die sich Maron in allen Lebenslagen verlassen konnte. Kaum hatten sich ihre Blick getroffen, lagen sich die beiden Frauen bereits in den Armen und ließen ihren Tränen einfach freien Lauf. Möglichst leise und unauffällig versammelten sich bewaffnete Polizisten um eine kleine, erleuchtete Holzhütte, die mitten im Wald stand. Auch Miyako wartete gespannt auf das Kommando, das kleine Haus zu stürmen. Die geladene Waffe hielt sie noch in Richtung des Bodens, einen der Finger am Abzug. Jetzt war es endlich soweit! Sie hatten das Versteck dieses Übeltäters endlich gefunden. Die junge Polizistin konnte es kaum erwarten, ihn endlich hinter Gittern zu sehen, wo er am besten den Rest seines Lebens bleiben und für seine Taten büßen würde. Dann ging es schon ganz schnell. Einer der Polizisten trat die Tür ein, dann stürmte die schwer bewaffnete Spezialeinheit die Hütte. "Hände hoch!" Miyako trat ebenfalls ein und richtete die Waffe auf den Mann. Er hatte längere, dunkle, strähnige Haare, einen ungepflegten Bart, schmutzige, zerschlissene Klamotten und bei seinem schmierigen Grinsen hätte sie sich am liebsten übergeben. "Oho, alle Achtung meine Herren. Sie haben mein Versteck gefunden. Für einige hübsche Damen aber leider zu spät." Seine Worte strotzten nur so vor Überheblichkeit und sein triumphierendes Lachen ließ allen Angehörigen das Blut in den Adern gefrieren. Miyako wurde immer wütender und trat mit der Waffe näher an ihn heran. "Ich verhafte Sie wegen Vergewaltigung und Mordes in mehreren Fällen! Jetzt haben Ihre kranken Spielchen ein Ende!" "Ich würde an deiner Stelle die Klappe nicht so weit aufreißen, du Göre!" In dem Bruchteil einer Sekunde hatte er plötzlich in seine verdreckte Jacke gegriffen und eine Pistole herausgeholt, die er umgehend auf Miyako richtete. Dann fiel ein Schuss, dann ein zweiter. Im nächsten Moment sank der Täter bereits auf den Boden und hielt sich die Schulter, in die Miyakos Schüsse eingedrungen waren. Die junge Polizistin stand schwer atmend vor ihm und versuchte, sich zu beruhigen. Wäre sie nur eine Millisekunde langsamer gewesen, würde sie jetzt blutend da am Boden liegen. Dann stürzten sich einige Polizisten auf den Mann und legten ihm Handschellen an, um ihn in einen der Polizeiwagen zu verfrachten. Als er an Miyako vorbeigeführt wurde rief er ihr noch wutentbrannt entgegen: "Wenn ich da wieder rauskomme, wirst du die nächste sein, das verspreche ich dir, du kleine Schlampe!" "Falls du da jemals rauskommen solltest, du Schwein!" Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt. Dann wurde er auch schon weggefahren. In der 24-jährigen machte sich plötzlich eine Erleichterung breit, als hätte man ihr einen Felsbrocken genommen. Es war vorbei! Chiaki lag auf der Couch und starrte an die Decke. In der einen Hand hielt er ein Glas mit Scotch. Ihm war durchaus bewusst, dass er in den letzten Tagen zu viel davon getrunken hatte, aber ohne konnte er sich selbst einfach nicht ertragen. Er fühlte sich einfach nur schrecklich! Seit jenem Abend hatte er Maron nicht mehr gesehen, doch ihr trauriges Gesicht verfolgte ihn sogar in seinen Träumen. Er hatte ihr Herz gebrochen, zerfetzt und das konnte er nie wieder gut machen. Niemals würde sie ihm das vergeben! Obwohl es eher untypisch für ihn war, hatte er sich ein paar Tage Urlaub genommen, um die ganzen Geschehnisse erst einmal zu verarbeiten. Die anstehende Hochzeit, die Trennung von Maron. Es war einfach alles so kompliziert! Zudem plagte ihn auch noch das schlechte Gewissen. Einmal gegenüber Maron, die er unvorstellbar verletzt hatte und dann auch noch gegenüber Miyako. Konnte er sie einfach heiraten, obwohl er eine andere Frau liebte? Er seufzte. Vermutlich würden ihn diese Gedanken noch sehr lange verfolgen. Er bekam ja schon jetzt Kopfschmerzen! Plötzlich klingelte es an der Haustür. Wer das wohl war? Gut gelaunt stießen die Polizisten miteinander an. Es war ein freudiger Anlass, dass sie endlich einen solch großen Fall abschließen konnten. Alle zusammen hatten viel Zeit und Arbeit investiert, die schlussendlich belohnt wurde. Miyako trank ebenfalls aus ihrer Bierflasche, als sich einer ihrer Kollegen neben sie setzte. Sein Name war Heiji und die beiden hatten sich in der ganzen Zeit in Osaka wirklich gut verstanden. Er hatte kurze, blonde Haare und blaue Augen. Wenn sich die junge Frau ihn genauer besah, war er eigentlich wirklich attraktiv. So weit sie wusste, war er zwar verheiratet, wurde aber von seiner Frau wegen eines anderen Mannes verlassen worden. Der Arme. "Hallo, Heiji, wie geht's dir?" "Wirklich gut. Endlich konnten wir diesen Bastard schnappen! Ich wollte dir übrigens noch gratulieren. Du warst wirklich toll heute Abend bei dem Übergriff." Die 24-jährige merkte, wie sie ein wenig errötete. Es gefiel ihr wenn ihre Arbeit so gewürdigt wurde, wusste aber nicht recht, wie sie damit umgehen sollte. "Oh...danke. Aber ich denke, wir haben alle unser bestes gegeben." Heiji kicherte. "Sei doch nicht so bescheiden. Das war wirklich grandios! Sag mal, einige Kollegen bleiben noch einen Tag länger, um morgen Abend noch zusammen zu essen. Sozusagen als 'krönender Abschluss' unserer gemeinsamen Arbeit. Wie sieht es mit dir aus?" "Ach...ich weiß nicht." "Ach, komm schon. Gib dir einen Ruck." "Nimm es mir nicht übel, aber ich würde lieber gerne nach Hause zu meinem Verlobten. Ich habe ihn in letzter Zeit leider etwas vernachlässigt und ich werde wohl alle Hände voll zu tun haben mit den Hochzeitsvorbereitungen." Miyako hatte sich schon alles ausgemalt. Es würde einfach die perfekte Hochzeit werden! Sie würde sich an diesem Tag fühlen wie eine Prinzessin, die endlich ihren Traumprinzen zum Mann nehmen würde. "Stimmt ja, ich hatte ganz vergessen, dass du verlobt bist. Wann ist denn soweit?" "In sechs Wochen schon. Es war sozusagen Chiakis Geburtstagsgeschenk, dass ich die Hochzeite plane und vorverlege. Er war vor Freude ganz sprachlos." Sie kicherte als sie sich an das Telefonat erinnerte. Sie hatte ihn wohl wirklich überrumpelt und überrascht. "Dann darf ich ja wohl herzlich gratulieren!" "Vielen Dank, Heiji, das ist wirklich lieb. Hey, was hältst du davon, wenn ich dir auch noch eine Einladung schicke? Es würde mich wirklich freuen, wenn du kommen würdest." "Hm...ja, warum eigentlich nicht?" Freudig quiekend umarmte sie ihren Kollegen. Sie hatte in ihm wirklich einen guten Freund gefunden. "Und das hier ist das Gästezimmer, ich hoffe, es ist ausreichend." "Ja, auf jeden Fall. Du kennst mich doch, ich habe nicht so hohe Ansprüche." Die beiden Freundinnen kicherten. Doch Rinako konnte sofort erkennen, dass Marons Lächeln nicht glaubwürdig war. Sie versuchte einfach stark zu sein, das hatte die Brünette schon immer getan: Sie setzte eine Maske auf, um andere nicht an sich heran zu lassen und hoffte, auf diese Weise keine Angriffsfläche zu geben. Doch ihr konnte sie so einfach nichts vormachen. Maron war traurig, verzweifelt und verletzt, was nur zu verständlich war und sie würde sie unterstützen, was auch immer passieren würde. "Also, wenn du etwas brauchst, dann..." Sie brach mitten im Satz ab und wurde auf einmal kreidebleich. "Maron...ist alles okay?" Rinako hatte ihren Satz noch nicht vollständig ausgesprochen, da drehte sich die Brünette bereits um und stürmte auf das Badezimmer zu. Seufzend ging Rinako ihr nach und fand sie schließlich über der Toilette gebeugt. Sie übergab sich mehrmals, also strich ihre Freundin ihr die Haare nach hinten und hielt diese geduldig fest, bis die Schwangere sich auf die Seite fallen ließ und begann, bitterlich zu weinen. "Maron, wir sollten reden." "Ja...vielleicht sollten wir das." Also setzten sich die beiden Frauen, nachdem sich Maron etwas beruhigt hatte, an den Esszimmertisch. Am Anfang sträubte sich die 24-jährige noch, wollte ihre Freundin nicht mit ihren Problemen belasten, doch irgendwann konnte auch sie ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten und unter unzähligen Tränen erzählte sie, was an besagtem Abend vorgefallen war und Rinako hörte ihr einfach nur zu. Ihre Freundin tat ihr so schrecklich leid, wie sie da saß wie ein Häufchen Elend. "Moment mal...das heißt, er weiß garnichts von dem Baby?" "Nein, weiß er nicht. Ich...ich wollte es ihm sagen. Ich wollte ihm das Ultraschallbild schenken, aber...so weit ist es nicht mehr gekommen..." "Du hättest es ihm sagen sollen! Wer weiß, wenn er von deiner Schwangerschaft wüsste, wäre seine Entscheidung vielleicht ganz anders ausgefallen." Maron traute ihren Ohren kaum. Meinte sie das wirklich ernst? "Nein...Ich will, dass er bei mir bleibt, weil er mich liebt und nicht, weil ich eben mal von ihm schwanger geworden bin!" "Aber hat er denn nicht gesagt, dass er dich liebt?" "Er hat aber auch gesagt, dass er sich von Miyako trennen würde, um ein neues Leben mit mir anzufangen! Und du kannst ja sehen, was daraus geworden ist." Rinako verstummte. Maron mag ja ein Sturkopf sein, doch in diesem Punkt musste sie ihr leider recht geben. Er hatte Maron belogen und verletzt. Man konnte ihr ihre Wut nicht übel nehmen. "Dann haben wir aber auch schon das nächste Problem: Wie will er das alles Miyako erklären? Er kann ja schlecht irgendwann um die Ecke tanzen und sagen: 'Hey, ich habe übrigens mit einer anderen Frau ein Kind gezeugt'!" "Naja, da ist auch der Punkt: Er wird nichts von der Schwangerschaft erfahren..." Gegen Ende des Satzes wurde sie immer leiser. Rinako hingegen traute ihren Ohren kaum war kurz vorm Explodieren. "Bist du jetzt völlig irre geworden?! Was soll das heißen 'er wird nichts von der Schwangerschaft erfahren'?!" "Ganz einfach: Er hat uns sitzen lassen und sich für eine andere entschieden. Ich werde es ihm nicht sagen, ich will nicht, dass er es weiß..." Maron hatte wirklich lange über diese Entscheidung nachgedacht. Auch mit dem Gedanken gespielt, dass alles wieder gut werden würde, wenn er es erfahren würde. Doch leider gab es kein Zurück mehr. Seine Entscheidung war endgültig...genauso wie die ihre. Er hatte sich gegen die Liebe zu Maron und für die Heirat mit Miyako entschieden. Und auch wenn sie das unendlich verletzte, wollte sie seinem Glück nicht im Wege stehen. Denn sie liebte ihn noch immer und daran würde sich vermutlich auch nie etwas ändern. Sobald aber herauskommen würde, dass sie ein Kind von ihm erwartete, würde sie all das mit einem mal zerstören und das könnte sie sich selbst wohl nie vergeben. "Aber wie stellst du dir das vor? Am Anfang kannst du es vielleicht noch verheimlichen, aber wie willst du in ein paar Monaten den dicken Bauch erklären? Und selbst wenn du es für dich behalten könntest, wie willst du ein Kind alleine großziehen? Es ist eine große Verantwortung und du wirst zumindest am Anfang nicht arbeiten können, wenn du keine Unterstützung hast." "Ach...ich weiß es noch nicht. Aber ich bekomme das schon irgendwie hin." Dann schlug die Stimmung um. Rinako rückte näher an Maron heran und tätschelte vorsichtig ihren Arm. "Ich...ich weiß, dass das jetzt ein empfindliches Thema ist, aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, das Baby...naja...nicht zu bekommen?" Im ersten Moment wirkte die 24-jährige nachdenklich, doch sie brauchte nicht lange über diese Frage nachzudenken. "Nein... Das kommt für mich nicht in Frage. Ich bin hierfür verantwortlich und dazu stehe ich. Ich bin mittlerweile alt genug. Ich werde dieses Kind zur Welt bringen und ich werde es großziehen. Und zwar ganz alleine! Aber...du musst mir versprechen, es niemandem zu sagen. Bitte, Rinako." Die Angesprochene haderte mit sich selbst. Sie hatte versprochen, Maron zu unterstützen. Sie wirkte so unerwartet entschlossen, doch andererseits machte sie sich auch Sorgen, ob die Brünette wirklich alleine klarkam. Sie selbst war noch immer der Ansicht, dass sich alles klären würde, wenn die beiden einfach offen und ehrlich miteinander sprechen würden, doch Maron sah das offensichtlich ganz anders. Und immerhin war es ihre eigene Entscheidung, ob sie Kind bekam oder nicht oder ob sie es Chiaki erzählte. Die großen Augen Marons sahen sie direkt an. Diese Augen, die so viel Trauer und Verzweiflung in sich trugen und gleichzeitig so viel Wärme und Stärke. "Na gut...ich werde dein Geheimnis hüten." "Rinako, du bist die Beste!" Dann lagen sie sich auch schon wieder in den Armen. Maron war froh, dass sie so von der Rothaarigen unterstützt wurde, doch am liebsten hätte sie einfach wieder angefangen zu weinen. Chiaki öffnete die Tür und wurde fast von Access umgerannt, der sich an ihm vorbei in die Wohnung drückte. Außerdem schien er nicht sonderlich gut gelaunt zu sein. Warum auch immer... "Hey, Access! Du..." "Was ist das?!" Dabei zeigte er auf einen weißen Umschlag, den er in der Hand hielt. Chiaki zuckte mit den Schultern. "Sieht für mich aus wie ein Briefumschlag", antwortete der 26-jährige ruhig. Er verstand die schlechte Stimmung seines Kumpels keineswegs. "Aha, sehr gut Mister Holmes. Und was ist da wohl drin?" Seine Stimme strotzte nur so vor Sarkasmus. "Access, ich hab wirklich keine Ahnung was du von mir willst! Könntest du bitte zum Punkt kommen?" "Weißt du wie geschockt ich war, als ich auf einmal diese Einladung im Briefkasten hatte? Zur Hochzeit von Chiaki Nagoya und Miyako Todaiji!" Chiaki verstummte. Miyako hatte ihm zwar gesagt, dass sie die Einladungen bereits verschickt hatte, doch auf einmal wurde damit alles so präsent. Er nahm Access den Umschlag aus der Hand und setzte sich langsam auf das Sofa. Dann holte er die Einladung heraus. Eine elfenbeinfarbene Klappkarte, auf der sich zwei Ringe ineinander verkeilten, daneben ihre beiden Namen mit dem Vermerk 'Wir heiraten!'. Dann klappte er die Karte auf und fand einen kurzen Text mit allen wichtigen Informationen, daneben ein Foto von Chiaki und Miyako aus glücklichen Zeiten. Der Blauhaarige starrte darauf, als müsste er das erst einmal verdauen. "Willst du mir das jetzt erklären?", kam es von Access, der sich etwas beruhigt und die Arme ineinander verschränkt hatte. Jedoch ließ er sich deutlich anmerken, dass er ganz und garnicht begeistert war. "Naja...es war sozusagen Miyakos Geburtstagsgeschenk für mich. Sie hat die Hochzeit vorverlegt und sich anscheinend um einiges gekümmert." Er sprach ruhig und gleichzeitig niedergeschlagen. "Was ist mit Maron?" Dabei senkte der Blauhaarige den Kopf. Er hatte gehofft, dass Access dieses Thema nicht auch noch ansprechen würde. "Wir haben uns getrennt." "Ihr habt euch getrennt?! Nimm mir das nicht übel, aber ich glaube wohl eher, dass du sie verlassen hast! Oder etwa nicht?" "..." "Sag mal, hast du sie noch alle? Erst vor kurzem sitzt du bei mir in der Bar und erzählst mir wie toll diese Frau ist und dann schmeißt du das alles einfach weg und rennst in dein eigenes Unglück!" Chiaki sprang auf. "Ich hatte keine Wahl!" "Man hat immer eine Wahl!" "Du kennst doch die Wahrheit! Wenn ich mich wirklich von Miyako getrennt hätte, wäre für sie eine Welt zusammengebrochen..." "Und wie geht es Maron damit? Sie liebt dich! Und ich weiß, dass auch du sie liebst! Du hast ihr versprochen, Miyako zu verlassen, um mit ihr glücklich zu werden. Du hast dein Versprechen gebrochen und dieses Mädchen mit ihrem Kummer alleine gelassen!" Wieder konnte der 26-jährige dazu nur schweigen. Er wusste, dass sein Freund Recht hatte. Er hatte die Frau, die er wirklich liebte belogen und ihr das Herz gebrochen und war seitdem in Selbstmitleid versunken. Er war nicht nur ein Feigling, sondern auch ein Egoist. "Und was soll ich deiner Meinung nach machen, Access?" "Geh zu ihr! Noch ist es nicht zu spät, dich bei ihr zu entschuldigen. Ich merk doch, dass du mit der Situation unglücklich bist. Ich bitte dich!" Chiaki dachte nach. Vielleicht hatte Access ja Recht. Seine Reaktion auf die Hochzeit war vielleicht nicht die, die man von einem glücklichen Bräutigam erwarten würde. Und er war sich sicher, dass es mit seinen Gefühlen zu Maron zu tun hatte. Und doch war leider zu viel geschehen... "Nein." "Ähm...wie bitte?" "Nein. Ich kann das nicht tun." "Was soll das heißen, Chiaki? Du..." "Ja, ich liebe sie und deswegen kann ich nicht zu ihr gehen. Ich habe sie belogen, ich habe sie verletzt und ich habe sie alleine gelassen. Ich habe eine Entscheidung getroffen, die einfach unwiderruflich ist und das kann ich nie wieder gut machen. Ich hatte eine so tolle Frau wie sie niemals verdient. Sie wird ohne mich glücklicher werden. Ich liebe sie...und deshalb muss ich sie gehen lassen." Access schaute ihn erstaunt an. Sein Freund hatte sich verändert, war in dieser kurzen Zeit erwachsener geworden. Noch nie hatte er erlebt, dass er so über eine Frau redete. Noch nicht einmal über seine eigene Verlobte. Alles was er sich jetzt noch wünschen konnte war, dass Chiaki seine Meinung noch änderte und mit Maron sprach. Er selbst kannte sie zwar nicht persönlich, doch er war sich sicher, dass sie etwas Besonderes für seinen Freund und diejenige war, die Chiaki wirklich glücklich machen konnte... Leicht nervös stand Miyako vor der Tür des Appartments, das sie zusammen mit Chiaki bewohnte. Sie hatte sich extra in Schale geschmissen, um ihn zu überraschen. Ein enges schwarzes, wenn auch knappes Kleid, über dem sie noch einen schwarzen Mantel trug, schwarze Pumps, die Augen dunkel geschminkt. Ein farbloser Lipgloss sollten ihren Lippen ein verführerisches Aussehen verleihen. Die Haare trug sie wie immer offen. Sie war schon gespannt, wie er auf sie reagieren würde. Sie hatte sich schon seit Langem nicht mehr so rausgeputzt. Nicht für ihn. Dieser Abend sollte alles verändern und Chiakis und ihre Liebe wieder neu aufflammen lassen. Lange, viel zu lange hatte sie an dem Vergangenen festgehalten. Es war nun Zeit, die bösen Geister der Vergangenheit zu vertreiben und einen neuen Anfang zu wagen. Er hatte es verdient, dass sie ihm vergab. Lange hatte sie sich ihm verwehrt und das sollte sich nun ändern! Sie drückte auf die Klingel und wartete ab, bis sie Schritte im Inneren der Wohnung hören konnte. Dann öffnete sich die Tür und vor ihr stand er...ihr zukünftiger Ehemann! Er kam ihr nun noch attraktiver vor, wenn das überhaupt möglich sein konnte. Seine Haare waren leicht zersaust, sein Drei-Tage-Bart etwas länger als sonst, die zwei oberen Knöpfe seines weißen Hemdes geöffnet. Doch all das machte ihn für sie einfach nur unwiderstehlich. Wie konnte ein Mann so unglaublich sexy sein? Seine großen, braunen Augen hingegen wirkten etwas müde und erschöpft, waren leicht gerötet. Was dahinter steckte, konnte sie später noch herausfinden. Vermutlich hatte sie ihn eben aus dem Schlaf gerissen, es war immerhin schon reichlich spät. Dass das eigentlich einen anderen Grund hatte, konnte sie zu diesem Zeitpunkt ja nicht wissen... Kaum hatte sie die Wohnung betreten, schmiss sie also ihren kleinen Rollkoffer in die nächste Ecke und begann, den Blauhaarigen stürmisch zu küssen. Chiaki hatte noch nicht richtig realisiert, was hier gerade mit ihm geschah. Im einen Moment war er noch in Gedanken bei der Frau, die ihn ohnehin beschäftigte und im nächsten Moment stand seine eigentliche Verlobte vor der Tür und fiel ohne Vorwarnung über ihn her. So kannte er Miyako garnicht. Also löste er den Kuss, um seine Gedanken erst einmal zu ordnen und tief durchzuatmen. "He-hey, Miyako, nicht so stürmisch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du heute noch nach Hause kommen würdest." "Naja, was soll ich sagen? Die anderen Kollegen sind auch noch länger geblieben, um die Lösung des Falls zu feiern, aber ich hatte so Sehnsucht nach dir! Weißt du...ich habe in der Zeit viel über uns nachgedacht. Es ist so viel schief gelaufen und ich möchte einen Neuanfang für uns! Einen Neuanfang, den wir schon bald mit unserer Hochzeit krönen werden." Ohne eine Antwort abzuwarten, legte die junge Frau ihre Lippen erneut auf die seinen, um ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zu verwickeln. Dem 26-jährigen hingegen gingen noch immer Miyakos Worte durch den Kopf. Sie wirkte verändert, zeigte erstmals nach dieser langen Zeit wieder ernsthaftes Interesse an ihrer Beziehung. Hieß er, dass er nach allem wieder glücklich werden konnte? Einerseits fühlte es sich so falsch an, wünschte er sich doch innerlich, dass eine andere Frau in seinen Armen liegen und ihn küssen würde. Andererseits hatte er sich doch hierfür entschieden, nicht wahr? Für dieses Leben, für dieses Gefühl...für diese Frau. Sollte er sich denn nicht darauf einlassen und versuchen, eine ganz normale Beziehung zu führen; ohne ein schlechtes Gewissen zu haben? Das mit Maron und ihm wird nie wieder in Ordnung kommen, das wurde ihm mit jeder Stunde, die verging immer klarer, also musste er bereits die nächste Entscheidung treffen... Also schloss er die Augen und gehorchte ohne Widerstand dem stummen Befehl Miyakos, die ihn ohne weitere Worte in das gemeinsame Schlafzimmer dirigierte. Sieben Tage...sieben endlos scheinende Tage hatte sie ihn weder gesehen, noch mit ihm gesprochen und doch spukte er in ihren Gedanken und ließ sie nicht los. Der Schmerz und die Leere, die er zudem hinterlassen hatte plagte sie noch zusätzlich und bescherte ihr schlaflose Nächte. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Wie lange noch sollte sie nachts von ihm träumen und doch wissen, dass er ihr niemals ganz gehören würde? Tagsüber war sie oft unkonzentriert und konnte sich kaum auf die Arbeit fixieren. Und auch Rinako konnte sie nicht ablenken, wenn sie abends nach Hause kam. Die Rothaarige hatte ihr schon des Öfteren geraten, ja schon fast befohlen, sich mit dem Blauhaarigen auszusprechen. Doch Maron wusste einfach nicht, was es jetzt noch zu besprechen gäbe. Dass sie ihm die Schwangerschaft beichten würde, war ausgeschlossen. Alles was sie wissen wollte war einfach nur das 'Warum'. Warum hatte er sie so hintergangen? Warum musste sie das alles nun durchmachen? Und warum konnte sie ihn nicht einfach vergessen? Seufzend wandte sie sich wieder dem Papierkram zu, der noch vor ihr auf dem Schreibtisch lag und darauf wartete, erledigt zu werden. Dann betrat Amaya, Marons Arbeitskollegin das kleine Büro, in ihren Händen trug sie einen kleinen Stapel Papiere. Entschuldigend lächelte sie die Brünette an. "Tut mir wirklich leid, aber dieser Papierkram wird auch nicht weniger, stimmts?" "Ja, da hast du leider Recht. Leg die Sachen einfach hin, ich kümmere mich dann spä-..." Urplötzlich wurde sie blass und konnte schon spüren, wie ihr Übelkeit nach oben kroch. Amaya sah sie besorgt an. "Maron, gehts dir nicht gut?" Da war die Schwangere bereits aufgesprungen und in Richtung der Toiletten gerannt. Sie schaffte es gerade noch in einer der Kabinen, dann musste sie sich wieder mehrfach übergeben. Ihre Kollegin war ihr gefolgt und ihr blieb nichts anderes übrig, als einfach zu warten, bis Maron die Kabine wieder verlassen konnte. Es dauerte wenige Minuten, bis es dann soweit war. Maron hatte eine Hand auf ihrem noch flachen Bauch liegen, ihre Stirn zierten ein paar Schweißtropfen, auf ihren Wangen zeichneten sich ein paar Tränen ab. Ihr Gesicht war zwar noch immer blass, bekam aber nach und nach wieder etwas Farbe. Insgesamt wirkte sie noch etwas zittrig auf den Beinen, musste sich am Waschbecken festklammern, damit sie sich Hände und Gesicht säubern konnte. Amaya blieb währenddessen geduldig bei ihr stehen. "Hey Maron, was ist denn in letzter Zeit mit dir los?" "Nicht so wichtig, nur eine Magen-Darm-Infektion, denke ich." "Bist du dir da sicher?" Maron versuchte so glaubwürdig zu wirken, wie es ging, fühlte sich nun aber leicht verunsichert. "Wie meinst du das?" Die Rotblonde dachte über ihre Worte nach. Sie wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. "Naja, ich beobachte dich schon etwas länger. Du verhältst dich in letzter Zeit irgendwie komisch und verschließt dich total, als hättest du etwas zu verbergen. Außerdem war das eben nicht das erste mal, dass du dich übergeben musstest. Das passiert dir in letzter sehr oft. Und dann auch noch deine gelegentlichen Schwächeanfälle. Ich weiß, dass du denkst, es würde keinem auffallen, aber so ist es nicht. Maron, kann es sein, dass du...schwanger bist?" Maron hatte den Worten ruhig gelauscht, ohne etwas zu sagen. Gegen Ende hatten sich einige Tränen in ihren Augen gebildet und Amaya schließlich ihren letzten Satz aussprach, brach einfach alles aus ihr heraus. All die Tränen, der ganze Schmerz, den sie die ganze Zeit hatte verbergen wollen, aber auch ein wenig Erleichterung. Ihre Kollegin hielt die zitternde 24-jährige einfach nur in den Armen und strich ihr beruhigend über das Haar. Ihre Vermutung war also richtig gewesen. Und Maron schien verzweifelt darüber zu sein, warum auch immer. Was war nur vorgefallen? Wieder dauerte es einige Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. "Bitte...bitte versprich mir, dass du niemandem davon erzählst! Bitte!" "Aber natürlich, Maron. Glaub mir, alles wird gut, du wirst schon sehen." Die zwei Frauen fuhren auseinander, als sich plötzlich eine andere Kabinentür öffnete und Frau Tsukamoto, ihre Chefin heraustrat. Zuerst ging sie scheinbar gleichgültig an ihnen vorbei, um sich die Hände zu waschen. Dann aber wandte sie sich der ängstlichen Maron zu und musterte sie mit strengem Blick. "Ich erwarte Sie in fünf Minuten in meinem Büro!" Maron rannte und rannte. Sie wusste nicht wohin, sie wollte einfach nur weg von allem. Ihre großen braunen Augen brannten und Tränen liefen pausenlos ihre Wangen hinab. Warum musste sie das alles durchmachen? Hatte sie es denn nicht verdient, endlich glücklich zu sein? Musste sie denn nicht schon genug durchmachen? Alles war so unfair! Mit lautem Schluchzen dachte sie an diese schrecklichen Minuten im Büro von Frau Tsukamoto zurück: Die Brünette schloss die Tür des Büros hinter sich. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie glaubte, dass man es noch einige Meter hören müsste. Ihre Chefin saß hinter ihrem Schreibtisch und würdigte ihre Angestellte keines Blickes bis sie vor dem großen Eichenholztisch stand. "Sie wissen sicher, warum ich Sie zu mir gerufen habe?" Ihre Stimme klang weiterhin streng, wenn auch etwas ausdruckslos. "Ich...ich vermute es", antwortete Maron etwas kleinlaut. Sie war unglaublich nervös, wusste nicht wie ihr geschah. "Miss Kusakabe...ich habe ihnen diese Stelle gegeben, da ich von ihren Fähigkeiten überzeugt war und ich dringend eine weitere Stelle in meiner Praxis besetzen musste. Bisher war ich immer mit Ihnen zufrieden gewesen, aber nun geht Ihre Probezeit zu Ende und Ihnen wird sicher bewusst sein, dass ich Sie unter diesen Umständen unmöglich übernehmen kann." Die Brünette konnte erst nicht glauben, was sie da hörte. Doch dann beschleunigten sich ihr Atem, ihr Puls und ihr Herzschlag. Tränen sammelten sich in ihren Augen. "W-wie...wie meinen Sie das?" "Ich brauche verlässliche Mitarbeiter, Miss Kusakabe. Ich wüsste nicht, dass Sie verheiratet wären oder einen Lebensgefährten hätten. Als alleinerziehende Mutter sind Sie nicht gerade so verlässlich, wie es erwarte. Das heißt, ich möchte, dass sie Ihre Sachen holen und die Praxis verlassen. Es tut mir leid, aber ich muss Sie leider entlassen." Bereits als Chiaki die Bar betrat, konnte Access erkennen, dass es ihm sonderlich gut ging. Das war zwar in letzter Zeit eine Art Dauerzstand, doch der Barbesitzer wusste mittlerweile gut genug, dass der Blauhaarige immer mehr Probleme scheinbar magnetisch anzuziehen schien. "Hallo, Chiaki. Soll ich dir erst ein bisschen Alkohol geben oder erzählst du von dir aus, was dich mal wieder bedrückt?" Ohne zu antworten, ließ sich der 26-jährige aber auf den Barhocker fallen, die Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus: "Ich fühle mich furchtbar!" "Sollte mich das in irgendeiner Weise überraschen?" "Miyako ist wieder zu Hause! Und anstatt große Reden zu schwingen, schläft sie wieder mit mir! Aber ich fühle mich schuldig gegenüber Maron, das ist doch echt nicht mehr normal!" Access, der nebenbei Gläser polierte, legte seine Arbeit nieder und konnte seinen Gegenüber nur verständnislos angucken. "Jetzt nochmal langsam: Miyako ist wieder da und ihr habt Sex. Wo ist da das Problem? Die ganzen Jahre hast du dich bei mir beschwert, dass sie dich nicht an ihr Heiligstes lässt und jetzt, wo das Gegenteil der Fall ist, beschwerst du dich immer noch." "Du weißt doch ganz genau, wo das Problem liegt!" Der Lilahaarige knallte das Handtuch auf die Theke. "Ja, das weiß ich verdammt genau! Und wenn du nicht bald mit Maron redest, wird mir bald nichts anderes übrig bleiben, als dich zu ihr hin zu prügeln! Das ist echt nicht zum Aushalten, wie du immer da sitzt wie ein Häufchen Elend!" Chiaki ließ seinen Kopf auf die Theke sinken. Er wusste nur zu gut, dass sein Kumpel recht hatte. So konnte es nicht weiter gehen. Der Abend wurde immer später und Chiaki war noch immer in Access' Bar. Es war unter der Woche und deshalb nicht allzu viel los. Die beiden Männer redeten noch eine ganze Weile und tranken gemeinsam ein paar Bier. Dann warf der Blauhaarige einen Blick auf die Uhr. Es war bereits kurz nach halb zwölf und draußen war es stockfinster. Die Straßen Momokuris wurden lediglich von ein paar Straßenlaternen erleuchtet. Er sollte langsam nach Hause gehen. Er musste morgen wieder arbeiten und Miyako wartete sicher auch schon auf ihn. Er wollte sich gerade verabschieden, als die Tür aufgerissen wurde und eine aufgebrachte junge Frau mit roten Haaren hereinstürmte. Die beiden Männer hatten sie hier noch nie gesehen, doch sie schien wirklich aufgeregt und außer Atem zu sein. Umgehend ging sie an die Theke. "Entschuldigen Sie bitte, war hier eine junge Frau? Ungefähr so groß wie ich, schlank, lange braune Haare, braune Augen, sehr hübsch?" Chiaki stutzte. Er wusste zwar nicht wer diese junge Frau vor ihm war, aber die Beschreibung, die sie gab, ließen ihn sofort an Maron denken. "Was ist mit dieser Frau?" "Sie ist heute nicht von der Arbeit nach Hause gekommen! Sie hat sich weder gemeldet, noch ist sie erreichbar. Ihr Handy ist abgeschaltet. Ich mache mir wirklich Sorgen. Das passt absolut nicht zu ihr und eine hübsche Frau wie Maron sollte nicht so spät alleine unterwegs sein. Ich habe schon überall nach ihr gesucht und außerdem ist sie..." Völlig in Rage blickte sie die beiden Männer vor ihr abwechselnd an. Dann stoppte sie urplötzlich in ihren Worten, als ihr Blick letztendlich an Chiaki haften blieb, was diesen merklich verwirrte. Rinako überlegte. Sie war so aufgeregt, dass sie fast nicht mitbekommen hätte, neben wem sie stand. Konnte das wirklich sein? Konnte das wirklich Chiaki sein? Sie hatte ihn bisher nur ein einziges mal gesehen. Damals in der Bar, als sich Maron und er das erste mal kennengelernt hatten. Aber kein Zweifel daran, dass er es war. Diese blauen Haare waren wirklich selten. Fast war sie etwas erleichtert. Hätte sie ihn nur ein paar Sekunden später erkannt, hätte sie fast Maron Geheimnis verraten. Dann kam sie ins Grübeln. Auch wenn sich Maron strikt weigerte, Chiaki die Wahrheit zu sagen, war Rinako der festen Überzeugung, dass die beiden eine Chance hatten, wenn er doch nur von der Schwangerschaft wüsste. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte sich verplappert, doch sie konnte und wollte Maron nicht verraten. Sie war ihre beste Freundin! "Sie ist was?" Chiaki wurde immer angespannter. Diese junge Frau hatte ganz eindeutig von Maron gesprochen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass sie etwas hatte sagen wollen, das von Bedeutung sein würde. "Nicht...nicht so wichtig. Trotzdem danke für die Hilfe, ich mach mich dann wieder auf die Suche!" Mit diesen Worten drehte sich die Rothaarige schon wieder um, und trat auf die Straße heraus. Der Wind wurde bereits frischer und sie wusste nicht, wo sie noch suchen sollte. Sie kannte sich in Momokuri kaum aus und konnte sich nicht vorstellen, wo Maron noch sein könnte. Sie hörte, wie sich die Tür der Bar hinter ihr öffnete und schloss, dann stand Chiaki neben ihr. "Sind Sie eine Freundin von Maron?" Rinako blickte den Blauhaarigen an und nickte. "Dann wissen Sie sicher auch wer ich bin, nicht wahr?" Wieder ein niedergeschlagenes Nicken. Auch der Blauhaarige senkte den Blick. "Maron...wie geht es ihr?" Seine Stimme war leise, brüchig. Er wurde diese Schuldgefühle einfach nicht los. Trotz allem konnte er einfach nicht mit der ganzen Geschichte abschließen. Konnte Maron nicht einfach alleine lassen. "Naja...wie soll es ihr gehen? Sie versucht stark zu sein, aber Sie wissen sicher genau so gut wie ich, wie sie sich innerlich fühlt." Das stimmt. Immer wieder hatte er gemerkt, dass Maron nicht der Typ war, der andere gerne mit ihren eigenen Problemen belastete. Stattdessen setzte sie eine Maske auf, um ihren eigenen Schmerz nicht zu zeigen. Diese Frau war wirklich erstaunlich... "Sie sollten sich vielleicht etwas ausruhen und ich...ich werde sie suchen gehen." "Chiaki, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber ich weiß nicht, ob das..." "Bitte." Dieses eine Wort reichte aus, um Rinako verstummen zu lassen. Seine brüchige Stimme, die Tränen in seinen traurigen Augen, seine niedergeschlagene Haltung...ihm schien wirklich viel an ihr zu liegen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als nachzugeben. Sie hoffte nur, dass sie damit das Richtige tat. Sie trat einen Schritt nach vorne, blickte ihm tief in die Augen - flehend, verzweifelt. "Bitte, finden Sie sie!" "Das werde ich, ich verspreche es!" Dann lief er bereits los und verschwand in der Dunkelheit. Kapitel 18: Wie das Schicksal spielt ------------------------------------ Lustlos schaute Miyako auf den Fernseher. Wieder einmal musste sie einen Abend alleine auf der Couch verbringen, während Chiaki sich vermutlich wie so oft bei seinem komischen Kumpel herumtrieb. Dieser Access war doch nur ein schlechter Einfluss für ihn. Eigenartiges Aussehen, kein ordentlicher Beruf und dass er immer wieder versuchte, einen Keil zwischen sie und Chiaki zu treiben war schon längst kein Geheimnis mehr. Aber sie würde das auf gar keinen Fall zulassen, da könnte dieser Idiot warten, bis er schwarz wurde. Bald schon würden sie verheiratet sein und dann würde es kein Zurück mehr geben. Da mal wieder nichts Interessantes lief, schaltete sie den Fernseher aus und ließ sich seufzend auf das Sofa zurückfallen. Sie konnte nicht genau sagen, woher dieses Gefühl kam, aber sie hatte schon seit einer ganzen Zeit die Vermutung, dass Chiaki ihr aus dem Weg ging. Er war in Gedanken ständig irgendwo anders, hängte sich noch mehr in die Arbeit als er es eh schon tat und verbrachte die Abende ständig in dieser siffigen Bar. Eines aber war sicher: Sie würde ihm dieses Verhalten noch austreiben. Wenn sie erst einmal Mann und Frau wären, würde sie ihm das nicht so einfach durchgehen lassen. Dann klingelte es auf einmal an ihrer Tür. Sie stand auf und öffnete diese in der Erwartung, dass der Blauhaarige endlich vor der Tür stehen würde. Diese Erwartung wurde aber enttäuscht: Im Flur stand eine Person, mit der sie an diesem Abend nicht gerechnet hätte und von der sie dennoch hätte erwarten können, dass sie irgendwann wieder auftauchen würde. "Yamato, was tust du hier?" Elegant schob er sich an ihr vorbei in die Wohnung. Miyako schloss die Tür wieder hinter ihm. "Na, ist dein toller Chiaki garnicht hier?" "Nein, aber er könnte jede Minute hier auftauchen." "Gut so, dann sieht er vielleicht endlich ein, dass er nicht der Richtige für dich ist." Zärtlich umschloss er ihre Hüfte und zog sie an sich. Bevor er seine Lippen auf ihre drücken konnte, drehte sie ihren Kopf etwas schüchtern zur Seite, sodass er nur ihren Mundwinkel erwischte. Miyako überlegte fieberhaft, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Einerseits fühlte sie das Kribbeln in ihrem Bauch, doch andererseits war das einfach nicht richtig...nicht mehr. "Bitte Yamato, ich werde ihn heiraten. Das habe ich dir doch schon gesagt. Ich kann das einfach nicht mehr!" "Jajaja, Chiaki hier, Chiaki da... Hast du denn schon vergessen, was für eine schöne Zeit wir in Osaka hatten?" "Nein, natürlich nicht, aber..." "Dann sollte ich dir vielleicht auf die Sprünge helfen." Dann fing er bereits an, ihren Hals mit Küssen zu liebkosen, an ihrem Ohr zu knabbern und sogar kurze Küsse auf ihren Mund zu drücken. Auch wenn die junge Frau wusste, dass das was hier geschah, nicht richtig war, genoss sie dieses Gefühl von Zuneigung und Wertschätzung. Ein Gefühl, das ihr eigener Verlobter ihr in den letzten Wochen, ja sogar Jahren nicht gegeben hatte. Während sie in Osaka ermittelte, war es purer Zufall, dass Yamato zur gleichen Zeit aufgrund einer Geschäftsreise dort gewesen war. Anfangs hatten sie sich als gute Freunde hin und wieder zum Essen getroffen. Dann begannen sie auch die Abende und letztendlich die Nächte miteinander zu verbringen. Es war so nicht geplant, da sie ja immerhin Chiaki liebte, doch sie hatte sich einfach so einsam gefühlt. Wurde geplagt von unendlich vielen Zweifeln. Yamato hatte ihr gezeigt, dass auch sie attraktiv und liebenswert war. Sie wusste nicht einzuschätzen, was das zwischen ihnen beiden war, ob es Liebe oder nur Zuneigung war, doch sie wusste, dass es ihr gut tat. Doch schon kurz darauf plagte sie ihr schlechtes Gewissen, da sie Chiaki mit einem anderen Mann betrogen hatte. Sie versuchte diese Empfindungen immer wieder beiseite zu schieben, da auch er nicht immer treu gewesen war, doch so einfach war das nicht. Und schließlich hatte sie beschlossen, ihn doch zu heiraten und die Affäre mit Yamato zu beenden. Das wollte dieser natürlich nicht akzeptieren und nun stand er wieder vor ihr. "Komm schon, Süße. Du willst es doch genau so wie ich es will." Langsam drehte sich die 24-jährige zu dem Braunhaarigen um und schaute sehnsüchtig auf seine Lippen. Noch bevor sie sich darüber Gedanken machen konnte, was sie überhaupt tat, küsste sie ihn mit aller Leidenschaft. Schwer atmend rannte Chiaki durch Momokuri. Die dunkle Nacht wurde immer kälter und mittlerweile hatte es angefangen, leicht zu regnen. Wo konnte sie nur sein? Er hatte bereits sämtliche Orte abgesucht, an denen sie sich aufhalten könnte. Die ganze Innenstadt, die mittlerweile völlig menschenleer war, in allen Gassen und auch am Strand hatte er sie nicht finden können. Langsam aber sicher machte er sich unheimlich Sorgen um seine einstmals Geliebte. Er fühlt sich so unglaublich schuldig und könnte sich wohl nie vergeben, sollte ihr etwas zugestoßen sein. Bei diesem Gedanken zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Jetzt gab es nur noch einen einzigen Ort, an dem er fündig werden könnte: Der Momokuri Park. Insgeheim hoffte er, dass sie sich nicht alleine im Dunkeln dort aufhielt, das war für eine solche Schönheit, wie sie eine war, einfach viel zu gefährlich. Und doch war das seine letzte Hoffnung. Nervös machte er sich auf den Weg und versuchte, erst einmal seinen Atem zu beruhigen. Dabei sah er immer wieder nach links oder rechts, drehte sich immer wieder um und hielt mit suchendem Blick Ausschau nach der verschwundenen Brünette. Als er schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, erreichte er eine kleine Lichtung, auf der schon seit vielen Jahren ein altes, abgestelltes Karussell stand. Und tatsächlich: direkt davor entdeckte er Maron. Sie sah so ruhig aus, fast engelsgleich. Stumm starrte sie unentwegt auf das Karussell, als würde die Welt um sie herum nicht existieren. Der Regen schien sie nicht zu stören, sie schien ihn garnicht wahrzunehmen. Wie lange sie wohl schon so dastand? Ihr langes Haar war schon bereits etwas nass, ihr heller Mantel durchnässt. Trotz aller Problem war das Bild, das sich ihm bot so nostalgisch, fast poetisch. Die schöne Frau, der Regen, der leichte Nebel, der schon langsam vom Boden aufstieg. Langsamen Schrittes ging der 26-jährige auf die junge Frau zu. Was wollte er ihr eigentlich sagen? Vor lauter Sorge hatte er sich über diese Frage keine Gedanken gemacht. Am liebsten hätte er sie jetzt einfach von hinten in den Arm genommen und Gesten für sich sprechen lassen, doch das durfte er nicht. Brachte einfach nicht den Mut dafür auf. "Du wirst dich noch erkälten, wenn du so lange hier draußen im Regen stehst." Die 24-jährige zuckte kurz zusammen und drehte sich ruckartig um. Sie hätte das nicht tun müssen, um zu wissen, wer da hinter ihr stand. Sie war zu sehr in Gedanken versunken, um ihn vorher zu bemerken, doch hatte sie diese warme Stimme sofort zuordnen können. "Ich weiß schon auf mich aufzupassen." Der Ton in ihrer Stimme schmerzte ihn. Einerseits so verletzt und warm und gleichzeitig so schneidend kalt. Er musste sie wirklich sehr verletzt haben. Dann drehte sie sich wieder um. Den Rücken zu dem 26-jährigen gerichtet, den Blick zum Karussell. "Sag, Chiaki, warum bist du hier?" "Ich habe dich gesucht, Maron. Wir haben uns unheimlich Sorgen um dich gemacht und..." "Du auch?" Er verstummte schlagartig, als er den Vorwurf in ihrer Stimme hörte. Glaubte sie wirklich, dass er sich nicht um sie sorgte? Dass er all diese Gefühle wegwischen konnte, die ihn nach wie vor so stark an sie banden? Nein... "..." "Hör zu, es gibt absolut keinen Grund, sich irgendwelche Sorgen zu machen. Mir geht es gut, okay?!" Natürlich log sie. Der Blauhaarige hatte sofort ihre stark geröteten Augen und ihre Augenringe gesehen. Ihr ging es alles andere als gut...und Schuld daran war er. "Das glaube ich dir aber nicht." Langsam aber sicher wurde sie wütend. Was glaubte er denn, wer er war, dass er sie erst abservierte und dann einen auf Beschützer machen wollte. Ruckartig drehte sie sich um und marschierte auf ihn zu. Kurz vor ihm kam sie zum Stehen und versuchte ihm so selbstbewusst, wie es ihr Zustand zur Zeit zuließ, in die Augen zu schauen. Er versuchte, ihrem Blick so ruhig wie möglich standzuhalten. "Dann nenn mir einen Grund, warum du mir keinen Glauben schenken solltest!" "Weil ich dir unendlich wehgetan habe." Seine Antwort war ruhig und doch bestimmt. Und für einen ewig erscheinenden Moment fand auch die junge Frau keine Worte mehr. Sie konnte ihn nur mit großen Augen anstarren und gegen ihre Tränen ankämpfen. "Maron, glaub ja nicht, ich wüsste nicht, was ich dir angetan habe! Ich habe dich angelogen und mein Versprechen gebrochen. Aber denk garnicht daran, dass ich keine Gefühle mehr für dich haben würde. Ich liebe dich und am liebsten würde ich dich einfach in die Arme nehmen und die Zeit zurückdrehen. Aber das geht nicht und ich hätte es auch nicht verdient. Ich kann das einfach nie wieder gut machen..." Während seiner Worte war er immer aufgewühlter und lauter geworden. Doch sein letzter Satz war viel leiser, zeigte so viel von seinem eigenen Schmerz. Maron wollte stark bleiben, doch sie schaffte es einfach nicht. Die Tränen verließen ihre großen, braunen Augen und auch ein lautes Schluchzen konnte sie schon bald nicht mehr zurückhalten. Instinktiv ging der junge Mann auf sie zu und schloss sie in seine Arme, um ihr Trost zu spenden. Kurz überlegte diese, ob sie sich darauf einlassen sollte, doch dann stieß sie ihn entschlossen von sich. "Lass mich los!" "Bitte, Maron, lass uns doch wenigstens miteinander reden!" "Worüber sollten wir denn noch reden? Ich liebe dich, du hast mir das Herz gebrochen und wirst eine andere heiraten. Das ist alles, was ich wissen muss!" "Ich kann dich so nicht gehen lassen. Es ist noch so viel ungesagt. Bitte!" Es gab so vieles, das sie ihm sagen wollen würde. Dass sie ihn über alles liebte. Dass sie ein Kind von ihm erwartete, das sie mit ihm gemeinsam aufziehen wollte, dem sie einen Vater geben wollte, den sie selbst nie hatte. Sie war so glücklich, als sie das Ultraschallbild in ihren Händen hielt und in Gedanken schon in eine glückliche Zukunft blickte. Erstaunlich, wie ein paar Worte, ein paar Minuten alle Träume mit einem mal zerstören konnten. Seufzend versuchte sich die Schwangere zu beruhigen. Sie musste jetzt einen klaren Kopf bewahren, sie durfte ihm nicht wieder verfallen. Nie wieder. "[...] Reicht es denn nicht, was du getan hast? Willst du mich denn noch mehr verletzen? Es reicht mir völlig! Du hast dich gegen mich entschieden, also lass mich endlich in Ruhe mit meinen Sorgen!" "Willst du, dass ich gehe? Ist es das?" Marons Augen füllten sich weiter mit Tränen. Nein, das wollte sie nicht. Sie wollte, dass er ihr sagte, dass er sie liebt und für immer bei ihr bleiben wolle. Dass er für ihr gemeinsames Kind sorgen wolle. Bereit war, eine Familie mit ihr zu gründen. "Ja." Ihre Stimme zitterte. Das waren die wohl schwersten Worte, die sie in ihrem Leben jeweils über die Lippen bringen musste. Doch sie waren unvermeidbar. Auch in Chiakis Augen bildete sich nun ein Schleier. Damit hatte er nicht gerechnet und es schmerzte ihn. Doch das war der endgültige Beweis: Er war nie dafür bestimmt, eine Frau wie Maron an seiner Seite zu haben. Sein Herz fühlte sich an als würde es jede Sekunde in tausend Teile zerspringen. Doch Maron war nicht die einzige, die jetzt stark sein musste. Also sah er zu Boden und nickte betrübt. "Da-darf ich dich wenigstens noch nach Hause bringen?" Kurz überlegte sie. Doch tief im Innern wusste sie, dass sie ihm diesen letzten Wunsch nicht ausschlagen konnte. Stumm nickte sie betrübt, bevor sie sich schweigend auf den Weg machten. Der Regen untermalte ihre Gefühle. Ihre Schritte waren langsam. Weder Maron noch Chiaki hatten das Bedürfnis, schnell an dem Wohnblock anzukommen. Jeder hätte sich zwar am liebsten in seiner Trauer ertränkt und doch machte es den Anschein, dass sie diese wohl letzten Momente, die sie zu zweit verbringen würden, genießen wollten. Als sie letztendlich völlig durchnässt ankamen, drehten sie sich zueinander und blickten sich lange intensiv einander an. Das war es nun also. Jeder kleine Hoffnungsfunke, dass sie vielleicht doch noch zueinander finden würde, war erloschen. Jede Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft zerstört. Die Entscheidung war gefallen. Und doch fühlte es sich einfach nur falsch an. "Wir sollten vielleicht nicht zusammen reingehen." Er nickte. Sie wollte gerade in das große Gebäude gehen, da drehte sie sich noch einmal zu ihm um, kam auf ihn zu und...legte sanft ihre Hand an seine Wange. Nicht mehr. "Leb wohl, Chiaki." Dann eilte sie durch die Eingangshalle, um so schnell wie möglich in den Aufzug zu gelangen, einfach nur weg von ihm. Kaum hatte Maron die Tür zu ihrer Wohnung aufgeschlossen und das Appartement betreten, fiel ihr Rinako stürmisch um den Hals. "Mach das nie wieder! Hörst du? Nie wieder!" "Es tut mir leid!" Weinend und schluchzend lagen sich die beiden Freundinnen in den Armen. Beide waren einfach nur unheimlich erleichtert. Rinako, weil sie Maron in Sicherheit wusste und endlich Gewissheit hatte, dass ihr nichts passiert war. Und Maron, weil sie nun endlich eine Schulter hatte, an der sie sich ausweinen und alle ihre Gefühle abfallen lassen konnte, die sich während der Begegnung mit Chiaki angestaut hatten. Es war einfach zu schmerzhaft. "Was ist passiert, Maron? Warum bist du einfach weggelaufen?" Die Brünette musste sich erst wieder besinnen. Die Situation im Park hatte sie so aufgewühlt, dass sie fast ihre eigentlichen Beweggründe vergessen hatte. "Meine Chefin...sie...sie weiß es, Rinako. Sie weiß, dass ich schwanger bin und sie...hat mich entlassen." Wieder lautes Schluchzen. Die Rothaarige hatte so Mitleid mit ihrer Freundin. Blieb ihr denn nichts erspart? Die Schwangerschaft, dann wird sie von dem Vater des Kindes verlassen und jetzt verlor sie auch noch ihren Job. Das Leben war so unfair! Das hatte Maron einfach nicht verdient. Fest hielt sie die 24-jährige in ihren Armen und strich ihr behutsam über den Rücken. "Maron, es tut mir so leid. Was hast du denn jetzt vor?" Die junge Frau musste nicht lange überlegen. Und auf einmal hörte ihre Stimme sich so stark und selbstbewusst an, dass sie selbst nicht glauben konnte, dass diese Worte nun von ihr kamen. "Ich kann nicht länger hier bleiben." "Wie meinst du das?" "Ganz einfach: Ich werde von hier weggehen und mir irgendwo ein neues Leben aufbauen." Wieder einmal erschrak Rinako vor Marons Worten. "Weißt du überhaupt, was du da sagst? Überleg dir das bitte noch einmal, bevor du dein Leben noch mehr zerstörst." Doch Marons Entscheidung war gefallen. Ihr Entschluss stand fest und nichts und niemand konnte sie noch davon abhalten. Im tiefsten Inneren hatte sie verzweifelt gehofft, dass dieser Schritt niemals notwendig werden würde, doch sie hatte keine andere Wahl. "Wieso sollte ich mir darüber noch Gedanken machen? Ich stehe hier...schwanger, alleine und arbeitslos. Was sollte mich denn hier noch halten? Absolut nichts!" "Wenn du schon nicht für dich selbst hier bleibst, dann tu es bitte wenigstens für dein Kind!" "Eins kannst du mir glauben: Wir sind besser ohne ihn dran! Mein Kind braucht keinen Vater, der lügt und betrügt. Wenn er schon nach allem nicht bei mir bleibt, dann würde er uns früher oder später auch verlassen." Sie war lauter geworden, fühlte sich einfach nur alleine und unverstanden. Rinako seufzte. Sie wollte sich nicht mit der werdenden Mutter streiten, hatte sie doch schon so genug Probleme, doch sie wusste ganz genau, dass Maron sich all dies nur einredete. Vermutlich um sich in ihrem eigenen Tun zu bestärken und all diese schmerzhaften Gefühle, die durch die Trennung von Chiaki hervorgerufen wurden, zu verdrängen. Und genauso gut wusste die Rothaarige, dass ihre Freundin im Innern genau wusste, dass sie ihn eigentlich liebte und sich nichts sehnlichster wünschte, als mit ihm eine Familie zu gründen. Als ihrem Baby einen Vater zu geben. "Du weißt, wie ich zu diesem Thema stehe, aber ich werde dich unterstützen, das habe ich dir versprochen." "Ich weiß..." Langsam beruhigte sich die junge Frau wieder. Rinako hatte es wirklich nicht verdient, dass sie sie so anging. "Willst du nicht kurz hinsetzen? So viel Aufregung tut dir in deinem Zustand überhaupt gut." Stumm nickte Maron und ging auf den Esszimmertisch zu, um sich dort auf einen der Stühle zu setzen. Kurz bevor Maron sich niederlassen konnte, fiel Rinakos Blick auf einen weißen Umschlag, der in der Mitte des Tisches lag. Möglichst unauffällig versuchte sie diesen hinter ihrem Rücken verschwinden zu lassen. Sie wusste leider nur zu gut, was darin war. Er war an diesem Mittag bereits im Postkasten gelandet. Als sie den Absender gesehen hatte, konnte sie ihre Neugierde einfach nicht mehr zurückhalten. Sie hatte gehofft, dass Maron nicht mitbekommen würde, dass Rinako versuchte den Umschlag verschwinden zu lassen, doch auch wenn die Brünette aufgewühlt war, war ihr das natürlich nicht entgangen. Und sofort sah sich die Rothaarige mit den skeptischen Blicken ihrer Freundin konfrontiert. "Was hast du da?" "A-Ach nichts...das ist nur eine alte Rechnung, damit solltest du dich jetzt absolut nicht herumplagen." Sie hatte gebetet, dass das irgendwie plausibel klang, doch die 24-jährige ließ sich nicht beirren. "Was ist das für ein Brief, Rinako?" "Ich hab dir doch eben gesagt, dass das eine alte Rechnung ist, die..." "Das glaube ich dir aber nicht! Was verheimlichst du mir?" Die Atmosphäre in dem Raum war nun absolut gekippt. Man hätte fast schon sagen, dass Maron gereizt, nahezu wütend war. "Okay, es ist keine Rechnung. Aber bitte, Maron, mach ihn nicht auf. Ich bitte dich." Den Rat ihrer Freundin missachtend, riss die Brünette ihr den Brief einfach aus der Hand und öffnete diesen stürmisch. Ihr Herz stoppte als sie auf einmal eine Klappkarte in der Hand hielt, auf der zwei ineinander verkeilte Ringe prangten. Es war eine Einladung! Die Einladung zu der Hochzeit von Miyako Todaji und Chiaki Nagoya, dem Vater ihres ungeborenen Kindes. Tränen bildeten sich in ihren Augen, ihr Herzschlag beschleunigte sich und ihr Atem ging stoßweise. Unweigerlich legte sie die Hand an ihren, noch flachen Bauch. "Maron, geht es dir nicht gut?" Besorgt betrachtete Rinako die Situation. Schwer atmend sah die werdende Mutter ihre beste Freundin an. Dann wurde auf einmal alles schwarz. Miyako war gerade aus der Dusche gestiegen, hatte ihren Bademantel übergezogen und betrachtete sich im Spiegel. Yamato war schon vor einer ganzen Zeiten gegangen, bevor Chiaki von alldem Wind bekam. Es war eine komische Situation. Zwar wurde sie Tag und Nacht von ihrem schlechten Gewissen geplagt und doch empfand sie eine Art Genugtuung, da es sich für sie so anfühlte, als könnte sie dem Blauhaarigen heimzahlen, was damals geschehen war. Und nicht nur das. Sie konnte nicht sagen, ob sie mit dieser Vermutung richtig lag, doch konnte sie sich nicht vorstellen, dass Chiaki in den letzten beiden Jahren wirklich treu gewesen war. Er war immerhin ein Mann, der nach seiner Befriedigung verlangte. Und dennoch wollte sie ihn nicht so einfach gehen lassen. Sie wusste nicht wieso, aber sie empfand das Bedürfnis, diesen Mann für den Rest ihres Lebens an sich zu binden. Aber wenn er sie wirklich betrügen sollte, warum sollte sie das nicht auch können? Es dauerte nicht lange, da konnte sie schon hören, wie ein Schlüssel in das Türschloss gesteckt und umgedreht wurde. Chiaki kam nach Hause. Sie hörte ihn durch die Wohnung laufen. Dann öffnete sich auch schon die Tür und er betrat das Badezimmer. Kurz musterte er die junge Frau und schloss sie von hinten in seine Arme. Miyako seufzte wohlig. Er roch einfach zu gut. "Entschuldige, hast du lange auf mich gewartet?" "Schon in Ordnung." "Miyako...ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich habe dich in der letzten Zeit sehr viel alleine gelassen, auch mit der Hochzeitsplanung. Ich habe mir viele Gedanken macht und in Zukunft werde ich mehr für dich da sein und dich unterstützen." Miyako blieb nichts anderes übrig als zu lächeln. Glücklich drehte sie sich um und umarmte ihn zärtlich. Chiaki war mit dem Gesicht zum Spiegel gewandt. Natürlich war auch ihm selbst nicht entgangen, dass er sich in letzter Zeit sehr verändert hatte. Augenringe, müde Augen und auch Rasieren würde ihm nicht schaden. Das alles nahm ihn sehr mit und er litt noch immer. Doch wurden seine schlimmsten Ängste bestätigt: Er hatte Maron für immer verloren. Sie wollte ihn nicht mehr. Doch es half ihm auch nichts, ewig in Selbstmitleid zu versinken, hatte er sich all das doch selbst zu verdanken. Er musste also sein Leben wieder in die Hand nehmen und sich seinem Schicksal fügen. Und dieses Schicksal führte ihn direkt zu der Hochzeit mit Miyako. Nur zögerlich öffnete Maron ihre Augen. Es war einfach so hell und sie fühlte sich unglaublich schlapp und schwach. Ohne Vorwarnung erschien Rinako in ihrem Blickfeld. Sie schien aufgeregt zu sein, völlig panisch. "Oh Gott, Maron, du bist wach!" Dann waren da noch andere Gesichter. Wer waren diese Leute und was machten sie in ihrer Wohnung? Möglichst langsam versuchte sich die 24-jährige aufzurichten. Dabei wurde sie von den Unbekannten gestützt. "Miss Kusakabe, wie fühlen Sie sich?", wurde sie auch schon von einem dieser Männer angesprochen. Schmerzhaft verzog sie das hübsche Gesicht. Ihr Kopf hämmerte wie bekloppt und am liebsten wollte sie einfach wieder schlafen. "Was ist passiert?", hakte sie mit schwacher Stimme nach. Rinako war die erste, die noch immer völlig aufgelöst auf ihre Frage reagierte: "Du bist einfach umgekippt! Ich habe dich kaum noch auffangen können." Angestrengt überlegte die Brünette. Sie war umgekippt? Langsam aber sicher kamen die Erinnerungen zurück. Der verlorene Job, das Gespräch mit Chiaki, die Einladung. Schlagartig fing ihr Kopf an, noch mehr zu schmerzen, als er es sowieso schon tat. "Miss Kusakabe, es ist wohl das Beste, wenn wir sie erst einmal mit ins Krankenhaus nehmen." Krankenhaus?! Das kam auf keinen Fall infrage! "Nein!" "Bitte, Maron, sei nicht so unvernünftig! Du bist einfach ohnmächtig geworden. Du musst dich untersuchen lassen. Du bist schwanger, verdammt!" Angestrengt versuchte sie, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Tatsächlich war ihr erster Gedanke, als sie das Wort 'Krankenhaus' gehört hatte, dass Chiaki dort arbeitete. Diesem wollte sie weder begegnen, noch wollte sie, dass er mitbekam, dass sie ein Kind erwartete. Sie konnte nur hoffen, dass diese beiden Sanitäter ihre Schweigepflichten einhielten. Doch Rinako hatte Recht. Sie musste aufhören, nur an sich selbst zu denken und alles tun, dass es dem kleinen Wesen, das nun unter ihrem Herz wuchs, gut ging. Und der ganze Stress und die Aufregung bewirkten genau das Gegenteil. "Na gut." Mithilfe der Sanitäter und Rinako stand sie langsam und etwas wackelig auf. Sie wollte sich nicht nach draußen transportieren lassen, war aber froh, dass sie für den Notfall eine Stütze hatte. Fühlten sich ihre Beine doch noch immer wie Wackelpudding an. Ungeduldig lag Maron auf einer Liege im einem der Behandlungszimmer des Krankenhauses, in dem sie sich nun schon seit ein paar Stunden aufhielt. Die ganze Zeit schon wurden verschiedene Untersuchungen und Test durchgeführt und Maron hatte sich dem gebeugt. Langsam aber wurde sie doch etwas nervös. Um sich selbst machte sie weniger Sorgen, sie hoffte nur inständig, dass es dem Baby gut ging. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Ungefähr zehn Minuten später kam ihre Ärztin, Frau Akima in das Zimmer. Mit großen Augen wartete die Schwangere darauf, dass sie etwas sagte. Ihre Nervosität legte sich letztendlich etwas, als sie die entspannte Miene der Ärztin erkennen konnte. "Also, Miss Kusakabe, ihre Werte sind zwar nicht ganz optimal, aber okay. Dem Baby geht es soweit gut, dennoch würde ich gerne noch einen Ultraschall machen. Wenn sie also bitte ihr Oberteil nach oben schieben könnten." Die Brünette tat, wie ihr befohlen und zuckte leicht zusammen, als sie das Gel auf ihrem, noch flachen, Bauch spürte und die Ärztin begann, mit der Sonde über diesen zu fahren, bis sich die Bewegungen verkleinerten. Gespannt starrte Maron auf den Monitor neben ihr. Seit dem Tag, an dem sie von der Schwangerschaft erfahren hatte, war sie bei keiner weiteren Ultraschalluntersuchung gewesen und fragte sich, ob sich vielleicht schon etwas verändert hatte. Dann stoppten die unruhigen Bewegungen auf dem Monitor und die Ärztin zeigte auf einen verhältnismäßig kleinen Fleck. "Hier können wir ganz genau den Embryo erkennen. Sie befinden sich ungefähr in der siebten Schwangerschaftswoche. Die Entwicklung des Babys ist völlig normal." Völlig fasziniert konnte Maron einfach nur auf das Ultraschallbild blicken. Das ist ihr Baby! Und auf einmal wurde ihr die Situation erneut bewusst. Die Schwangerschaft wurde so präsent. Trotz allem, was sie im Moment durchmachen musste, wurde nur noch eins wichtig für sie: Dieses kleine Wesen zu beschützen, koste es was es wolle. Ihr Herz klopfte wie verrückt, ihr Blick war voller Liebe und in ihren Augen bildeten sich sogar kleine Tränen. "Mein Baby", flüsterte sie. Freudig betrachtete Frau Akima die Situation. Derartige Momente waren genau das, was sie so an ihrem Beruf liebte. Sie kannte die junge Brünette vor sich zwar noch nicht lange und doch war sie etwas besorgt. Auch wenn sie sich so über das Baby freute, wirkten ihre Augen dennoch unglaublich traurig und sie konnte sich nicht entsinnen, dass die 24-jährige jemals den Vater des Kindes erwähnt hatte. "Miss Kusakabe...es liegt mir dennoch etwas auf dem Herzen, dass ich gerne ansprechen würde." Nur schwer konnte sich Maron von dem Anblick lösen und doch schaute sie die Frau vor sich an, ahnte sie doch schon, was diese zur Sprache bringen wollte. Während sie sich mit ein paar Tüchern, den Bauch säuberte, hörte sie aufmerksam den Worten zu. "Ihre Freundin hat mir berichtet, dass sie im Moment eine schwere Zeit durchmachen und aufgrund dessen großem Druck und viel Stress ausgesetzt sind. Das wird vermutlich nicht Neues für Sie sein, aber ich möchte Sie dennoch auffordern, dem soweit möglich aus dem Weg zu gehen. Zu viel Stress ist Gift für eine Schwangerschaft und sie stehen immerhin erst am Anfang. Schonen Sie sich, übernehmen Sie sich jetzt bloß nicht." "Das ist mir bewusst." "Vielleicht können Sie auch Ihren Mann oder Freund darum bitten, Ihnen zum Beispiel im Haushalt ein bisschen unter die Arme zu greifen. Er wird sicher auch besorgt sein." Die Frau mittleren Alters wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, also wollte sie über ein paar Ecken an Informationen über ihre Patientin kommen, wollte sie ihr doch nur helfen. Doch schon wenige Momente später fühlte sie sich schlecht, als sie sah, dass die hübsche Brünette ihren traurigen Blick senkte. Sie befand sich zur Zeit wohl wirklich in keiner guten Verfassung. "I-Ich habe es ihm noch nicht gesagt." "Dann wird es aber höchste Zeit, finden Sie nicht?" Aufmunternd lächelte sie sie an. Als Antwort erhielt sie nur ein bedrücktes Lächeln. "Könnten Sie mir das bitte noch ausdrucken?" Etwas verhalten zeigte die Schwangere auf das Ultraschallbild auf dem Monitor. Sie wollte einfach so schnell wie möglich von hier weg, brauchte sie doch nicht noch eine Person, die sie überreden wollte, Chiaki alles zu beichten. "Aber natürlich." Bei der Verabschiedung wünschte sie Maron noch alles Gute, bevor diese auf dem Flur sofort auf Rinako zusteuerte, die stundenlang voller Geduld darauf wartete, dass die Untersuchungen ihrer besten Freundin endlich abgeschlossen waren. Sofort fiel sie ihr um den Hals. "Maron! Ist alles okay bei dir?" "Ja, mir geht es gut und dem Baby auch." Voller Stolz präsentierte sie der Rothaarigen das Ultraschallbild, die dieses ebenso fasziniert betrachtete. "Komm, lass uns nach Hause gehen. Ich glaube, etwas Ruhe würde mir ganz gut tun." Zustimmend nickte Rinako und Arm in Arm verließen die beiden Freundinnen das Krankenhaus. Kapitel 19: Herzschmerz ----------------------- "So, jetzt nochmal kurz zum Mitschreiben: Du willst Miyako jetzt doch heiraten?" Verständnislos konnte Access nur mit dem Kopf schütteln, nachdem Chiaki ihm mal wieder sein Herz ausgeschüttet und alles erzählt hatte, was in den letzten Tagen passiert war. Bei diesem ganzen Hin und Her bekam sogar der Lilahaarige schwerste Kopfschmerzen. Auch wenn er gehofft hatte, dass es darauf hinaus lief, dass sein bester Kumpel sich für Maron und gegen Miyako entschied, musste er die Situation wohl doch so akzeptieren wie sie war. Er konnte ihn ja leider nicht zu seinem Glück zwingen - auch wenn er Meinung war, dass dem Arzt eine ordentliche Tracht Prügel gut bekommen würde. Auch der Betroffene war nicht sonderlich glücklich, aber ihm blieb ja auch nichts anderes übrig als die Hochzeit durchzuziehen. Noch nie war ihm eine Entscheidung so schwer gefallen. Die Begegnung mit Maron war schon wieder fast eine ganze Woche lang her und seitdem drehte Miyako komplett am Rad. Wie eine Verrückte stürzte sie sich in die Hochzeitsplanungen, sodass selbst er kaum noch zur Ruhe kam. Ständig kam seine Verlobte zu ihm und wollte alles mögliche von ihm wissen: Weiße oder Rote Rosen? Klassische Deko oder lieber modern? Und das Brautkleid? Weiß oder elfenbeinfarben? Ballkleid oder A-Linie? Bei dem Gedanken an diese vielen organisatorischen Dinge musst er laut seufzen. Und jetzt wollte sie auch noch ein privates Dinner organisieren, um mit einigen Leuten noch einmal die Verlobung und den endgültigen Beschluss zur Hochzeit zu feiern. Als ob sie beide nicht schon genug Stress hätten. Nach ein paar Diskussionen durfte er auch endlich Access und Fin einladen - wenigstens ein kleiner Lichtblick für ihn. Am liebsten wäre ihm gewesen, wenn Miyako alles im kleinen Rahmen vorbereiten würde und er das alles nur noch still über sich ergehen lassen musste. Aber so einfach machte sie es ihm natürlich nicht. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht auf die Idee kam, Maron einzuladen. Bisher hatte er noch keine Einladung für die brünette Schönheit entdecken können und das war auch gut so. Denn sollte sie bei dem Essen anwesend sein, konnte er nicht garantieren, dass er sich noch unter Kontrolle haben würde. Schlimm genug, dass sie schon zur Hochzeit kommen würde. Unvorstellbar, wie sie auf die Einladung reagiert haben mag. Was sie zurzeit wohl durchmachen musste... Selbst nachdem er wusste, dass sie ihn nicht mehr zurücknehmen würde, spukte dieser wunderschöne Engel Tag und Nacht in seinem Kopf und nahm ihn völlig für sich ein. Es machte ihn verrückt nicht vorhersehen zu können, wie es nun mit ihnen weitergehen würde. Immerhin würden sie nach wie vor im selben Wohnblock wohnen und sie würden sich auch jeden Tag begegnen. Sollte er tatsächlich dazu verdammt sein, sich Tag für Tag nach ihr zu sehnen, nur zu gut wissend, dass er dieses Bedürfnis niemals stillen könnte? Vielleicht irgendwann zusehen müssen, dass sie einen anderen Mann an ihrer Seite leben ließ? Wohin sollte das ganze noch führen? Auf der anderen Seite war der Gedanke, sie nicht in der Nähe, nicht in seinem Leben zu haben, noch unerträglicher. Er brauchte sie doch. "Chiaki, ich muss schon sagen, ich hätte niemals erwartet, dass du wie ein Häufchen Elend vor mir sitzen würdest. Und das wegen einer Frau." Beiläufig polierte der Barbesitzer ein paar Gläser. "Dann sag mir was ich jetzt noch machen soll, Access!" "Das kann ich nicht. Ich habe aufgegeben, dir Ratschläge geben zu wollen und jetzt geht es nur noch um deine eigenen Entscheidungen. Du hättest mit Maron reden sollen, als ihr beide noch eine Chance gehabt hättet. Aber hast du mal darüber nachgedacht, dass du Miyako nicht heiraten musst? Nur weil du niemals mit Maron zusammenkommen wirst, heißt das ja nicht, dass du dein Leben komplett ruinieren musst." "Du weißt doch, dass das nicht geht. Es ist einfach für alles zu spät." Verzweifelt ließ er seinen Kopf auf seine Arme fallen, die er schon die ganze Zeit über auf der Bar liegen hatte. Aufmunternd klopfte Access dem jungen Arzt auf die Schulter. "Kopf hoch, Kumpel, du solltest vielleicht ein paar Bier trinken." "Was sagt ihr zu diesem?" Lächelt erschien Miyako in einem weiteren Brautkleid. Es war ein weißes Ballkleid mit viel Tüll und vor allem viel Glitzer und Pailletten. Ihre Freundinnen Kazumi, Mika und Tamiko, die auch ihre Brautjungfern werden würden, quietschten begeistert bei dem Anblick ihrer langjährigen Freundin auf. Ihre Mutter Sakura und Hanna, Chiakis Mutter lächelten zwar, waren aber nicht wirklich überzeugt. Schließlich war es Hanna, die das Wort ergriff. "Schätzchen, du siehst wirklich hübsch aus, aber irgendwie passt dieses ganze Bling-Bling nicht zu dir und auch der Tüll ist ein bisschen too much. Ich würde es an deiner Stelle noch einmal mit etwas Schlichterem versuchen." Dieser Aussage konnte Sakura nur nickend zustimmen und auch Miyako gab zu, dass sie sich nicht wirklich wohlfühlte. Bevor sie allerdings die Möglichkeit hatte, wieder in der Umkleide zu verschwinden, sprang Mika auf: "Wie wäre es denn mit einer kleinen Pipi-Pause, bevor wir weitermachen?" Auch die anderen befanden diese Idee für gut und folgten der jungen Frau. Schließlich blieben nur noch Hanna und Miyako zurück. Die werdende Braut seufzte laut und fuhr sich durch die relativ kurzen Haare, während sie sich noch einmal skeptisch im Spiegel betrachtete. "Oh man, glaubst du, ich werde noch rechtzeitig das richtige Kleid finden? Die Hochzeit ist schon in ein paar Wochen und ich habe noch so viel anderes zu organisieren!" "Mach dir da mal keine Gedanken, Liebes. Du wirst es spüren, wenn du das richtige Kleid gefunden hast. Und mach dich nicht verrückt, wenn es nicht hier und heute ist." "Danke, Hanna." Ein kurzes Schweigen entstand, dann versuchte die Ältere das Gespräch auf eine Angelegenheit zu lenken, die ihr bereits seit längerem auf der Seele brannte. "Sag mal, hattest du Maron nicht auch einladen wollen, mit uns ein Brautkleid für dich auszusuchen?" "Ja, das stimmt. Aber in den letzten Tagen ist sie einfach kaum zu erreichen. Sie scheint wirklich sehr gestresst zu sein und ich frage mich auch, ob sie auch gesundheitlich nicht auf der Spitze ist. Außerdem hat sie Besuch von einer Studienfreundin, da wollte ich ihr nicht noch mehr Termine aufdrücken." Kurz überlegte die 55-jährige, wie sie das Gespräch in die richtige Richtung lenken konnte. Immerhin schien Miyako von all dem nichts mitbekommen zu haben. "Du hast Recht, bei diesem Bankett vor kurzem ging es ihr auch plötzlich nicht mehr so gut, Chiaki musste sie sogar vorzeitig nach Hause bringen." Nun war anscheinend auch für Miyako der Zeitpunkt gekommen, zu stutzen. Wovon sprach Hanna da? "Welches Bankett denn?" "Naja, vor kurzem war doch dieses wichtige Ärztebankett. Da du ja zu diesem Zeitpunkt in Osaka warst, hat Chiaki kurzerhand Maron gebeten, ihn dorthin zu begleiten. Hat er dir das nicht erzählt?" Die 25-jährige schüttelte nur den Kopf, doch in ihrem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Als sie nach Osaka gefahren war, waren sich Maron und Chiaki alles andere als bunt gewesen und dann begleitete sie ihn plötzlich zu einem so großen Event? Könnte es vielleicht möglich sein, dass...? Nein, Maron würde so etwas nicht tun...oder? In diesem Moment aber spielten sich vor ihrem inneren Auge die unterschiedlichsten Vorstellungen ab. Es musste einfach so sein. Und dann auf einmal durchfuhr es sie wie ein Blitz, der ihr einleuchtete, was zu tun war. Chiaki war ihr Verlobter und niemand würde ihn ihr streitig machen! Niemals! Hoch konzentriert durchforstete Maron das Internet an ihrem alten Laptop, der sie schon zu Studienzeiten treu begleitet hatte. Sie war sich zwar noch unschlüssig, wo die Reise ohne Rückkehr hingehen sollte, aber klar war, dass sie von hier verschwinden musste. Und zwar so schnell wie möglich. Und auch am besten so weit weg wie irgend möglich. Dabei beschränkte sie ihre Suche fast ausschließlich auf Europa. Frankreich hatte sie von Anfang an ausgeschlossen, zu groß war die Möglichkeit, ihrer Mutter noch einmal begegnen zu müssen. In den letzten Stunden hatte sie sich vor allem über England und Deutschland informiert, wobei sie Deutschland nach derzeitigen Erkenntnissen etwas vorzog. Rinako, die derzeit auf dem Sofa gelegen und lustlos in einer Modezeitung geblättert hatte, legte das Heft beiseite und kam auf Maron zu. Sie stellte sich hinter die Schwangere, um ihr ein bisschen über die Schulter sehen zu können. "Deutschland, also?!" "Es wäre auf jeden Fall interessant. Ich habe nur Angst, dass ich mit der ganzen Bürokratie nicht zurecht komme, damit ich auch dauerhaft dort bleiben kann. Ich habe keine Lust mit einem Baby ständig umziehen zu müssen." "Also...meine Cousine lebt mit ihrem Freund zufällig in Berlin. Sie haben sich während des Studiums kennengelernt und sind auch danach dort geblieben. Vielleicht kann ich dir ihre Kontaktdaten geben, damit sie dich ein bisschen in deinem Vorhaben unterstützen kann." Freudestrahlend umarmte Maron ihre beste Freundin. Sie rechnete es ihr hoch an, dass sie sie unterstützte, obwohl sie von ihren Plänen für die Zukunft überhaupt nicht begeistert war. Die beiden mussten sich voneinander trennen, als es an der Tür klingelte. Die Brünette sprang auf und machte sich auf den Weg, diese zu öffnen ohne durch den kleinen Spion zu schauen. Es überraschte sie ein wenig, dass eine scheinbar gut gelaunte Miyako vor ihr stand und sie freudestrahlend in den Arm nahm. "Maron! Endlich erwische ich dich, ich habe dich garnicht mehr gesehen, seit ich aus Osaka zurück bin." "Ich hätte mich bei dir melden sollen, tut mir leid, Miyako." "Ach, das ist doch nicht der Rede wert! Freundinnen haben doch Verständnis füreinander." Die Schwangere zog die Augenbrauen zusammen. Es verunsicherte sie, dass ihre Gegenüber das Wort "Freundinnen" etwas zu stark betont hatte. Sie ließen voneinander ab und die 24-jährige bat ihren unerwarteten Gast in ihre Wohnung. Dabei fühlte sie sich mehr als nur merkwürdig. Sie war sich nur noch nicht sicher, ob es ihr schlechtes Gewissen war, das sich beim Anblick von Chiakis Verlobten einschlich oder der unendliche Schmerz, weil sie akzeptieren musste, dass diese Frau den Vater ihres ungeborenen Kindes heiraten würde. Rinako lag wieder auf der Couch, die ein wenig um die Ecke stand, sodass sie zwar jedes Wort verstehen, von Miyako aber nicht gesehen werden konnte. "Darf ich dir etwas zu Trinken anbieten?" "Nein danke, aber ich bin wegen etwas ganz Anderem hier. Wie du weißt rückt die Hochzeit immer näher und Chiaki und ich wollten noch einmal ein paar unserer Freunde einladen, um unseren Entschluss zu feiern. Ich wollte dich auch zu dieser Feierlichkeit einladen. Immerhin scheinen Chiaki und du ja wirklich gute Freunde geworden zu sein." Was sollte sie denn jetzt nur tun? Schon der Gedanke, bei der Vermählung anwesend sein zu müssen, brachte sie fast um. Und jetzt sollte sie sich noch weiter erniedrigen und diese komische Feier über sich ergehen lassen? Neben all diesen verworrenen Gedanken, grübelte sie auch über Miyakos Gründe, ausgerechnet sie einzuladen. Scheinbar sollte es ein eher kleinerer Kreis an Verwandten und Freunden sein. Dennoch schien sie ihre Gründe zu haben, sie verhielt sich nämlich äußerst komisch. "Naja, wir sind nicht wirklich Freunde...wir haben nur unseren kleinen Streit beigelegt." Maron war etwas verlegen, hoffte sie doch, dass ihre Worte wenigstens ein wenig plausibel klangen. "Maron, du musst nicht versuchen, dich da heraus zu reden. Hanna hat mir bereits alles erzählt." "W-was soll sie denn erzählt haben?" "Dass du Chiaki zu diesem Dinner begleitet hast. Und da wirktet ihr wohl doch sehr freundschaftlich. Mehr noch...sie sagte, ihr wirktet geradezu vertraut." Was sagte sie da? Der Herzschlag der Schwangeren ging schneller und langsam bekam sie auch Probleme, ihren Atem unter Kontrolle zu halten. Sollte sie sich an jenem Abend verraten haben? "Miyako, du hast da etwas völlig falsch verstanden, ich..." "Lass mich ausreden!" Maron verstummte, sie hatte noch nie gesehen, dass Miyako derart aus der Haut geriet. Drohend richtete die Lilahaarige ihren Zeigefinger auf ihre ehemalige Freundin. "Jetzt hörst du mir mal zu, Maron: Denk ja nicht, dass du mich für dumm verkaufen könntest! Ich kann mir schon denken, was du für Chiaki empfindest. Aber soll ich dir etwas sagen? Er gehört mir! Er wird mich heiraten! Er wird deine Gefühle niemals erwidern. Und ich würde dir raten, dass du zu diesem Dinner kommst, um allen zu beweisen, dass du dich so sehr für uns freust. Sonst wirst du mich kennenlernen, haben wir uns verstanden? Ich werde deinen Ruf in ganz Momokuri schneller zerstört haben, als du "Chiaki" sagen kannst. Ich habe dich gefragt, ob wir uns verstanden haben?!" Maron zitterte am ganzen Leib und konnte ihre Gegenüber nur entsetzt anstarren. Sie verstand einfach die Welt nicht mehr. Und jetzt sollte sie sich auch noch derart demütigen lassen und so tun, als würde sie sich über die anstehende Hochzeit freuen? Dennoch nickte sie fast unbewusst. Miyako funkelte sie noch einmal an und verließ dann wutentbrannt die Wohnung. Die Tür schlug sie dabei laut zu. Einen kurzen Moment konnte sich die Brünette noch auf den Beinen halten, bevor diese ihr den Dienst versagten. Hemmungslos weinend und laut schluchzend schlug sie sich die Hände vor ihr hübsches Gesicht. Auch Rinako, die die ganze Zeit über von Miyako unentdeckt geblieben war, kam nun aus ihrem Versteck und ließ sich zu ihrer Freundin auf den Boden fallen. Fest nahm sie sie in ihre Arme und versuchte sie zu beruhigen, indem sie ihr in langsamen Bewegungen über den Rücken strich. Gerne hätte sie ihr Sätze zugeflüstert wie "Alles wird gut werden", aber mittlerweile hatte sie selbst ihre Zweifel daran. Es tat ihr unglaublich weh, die junge Frau so leiden zu sehen, immer wieder ihre Tränen sehen zu müssen. Sie fühlte sich so hilflos, doch wie konnte sie ihr noch helfen? "Was willst du jetzt tun, Maron?", fragte sie nach einiger Zeit, in der sich die Weinende etwas beruhigt hatte. Schniefend richtete sich die Angesprochene auf. "Ich werde dort erscheinen." "Bist du verrückt? Du willst dich doch nicht im Ernst erpressen lassen?!" "Du hast sie doch gehört, Rinako. Und um ehrlich zu sein...ich mache das nicht für Miyako, ich mache das für mich..." Verblüfft starrte die Rothaarige ihre Freundin an. "Aber warum..." "Mit jedem Tag wird meine Entscheidung, weggehen zu müssen, mehr und mehr bestärkt, deswegen...deswegen wird es Zeit, abzuschließen. Ich muss einfach sehen, dass er sich seiner Entscheidungen genauso bewusst ist, wie ich und dann...dann werde ich vielleicht endlich loslassen können..." Rinako war schon so lange mit Maron befreundet und doch hatte sie sie noch nie so reif und erwachsen erlebt. Auch wenn sie diese naive Entscheidung, ihm die Schwangerschaft zu verheimlichen, noch immer nicht nachvollziehen konnte, verblüffte sie es, wie die junge Frau mit dieser Situation umging. Nun konnte auch sie ihre eigenen Tränen nicht zurückhalten und nahm die 24-jährige wieder fest in ihre Arme. Als Chiaki die Haustür hinter sich schloss, konnte er bereits laute Stimmen aus dem Esszimmer hören. Etwas verwundert trat er ein und entdeckte Miyako, die zusammen mit seinen und ihren Eltern an dem großen Holztisch saß. Erfreut sahen alle zu ihm auf. Miyako sprang auf und begrüßte ihn mit einem liebevollen Kuss. "Schatz, da bist du ja endlich! Komm, setz dich doch zu uns!" In langsamen Bewegungen kam er dieser Bitte nach und setzte sich auf den freien Platz zwischen seiner Verlobten und seiner Mutter, die ihm ebenfalls einen leichten Kuss auf die Wange drückte. Wenn er ehrlich war, hatte er jetzt gar keine Lust auf Besuch und noch weniger auf die Hochzeitsplanungen, die anscheinend schon wieder Thema dieser Runde waren. Dann war es erneut Miyako, die das Wort ergriff und die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Nur der Bräutigam war mit seinen Gedanken ganz woanders. "Wenn wir jetzt alle da sind, können wir ja endlich anfangen. Ich habe alles einmal komplett durchgeplant und wollte euch meine Planungen zeigen, damit wir alles weitere besprechen können. Es soll einfach alles perfekt werden. Ich habe ein wenig außerhalb von Momokuri ein kleines, romantisches Schloss mit einem zauberhaften Park gefunden. Dort sollen die Trauung und die anschließende Feier stattfinden." Sie griff neben sich und entfaltete einen Plan auf dem Tisch, sodass jeder einen guten Blick darauf erhaschen konnte. Während sie sprach, zeigte sie mit ihrem Zeigefinger immer wieder auf verschiedene Punkte. "Das hier ist der alte Brunnen, von dem man behauptet, dass sein Wasser Glück bringen soll. Genau hier wird die eigentliche Trauung stattfinden. Ich möchte alles mit roten und weißen Rosen dekorieren. Direkt hier soll auch ein großer Rosenbogen stehen, unter dem wir uns das Ja-Wort geben werden. Im Halbkreis drum herum sollen überall Stühle mit weißen Hussen stehen, für die Gäste. In der Nähe des Schlosses werden weiße Pavillons aufgestellt sein. Einige für die Gäste, die sich mit Sekt und kleinen Snacks auf die Hochzeit einstimmen sollen und natürlich noch Pavillons für die Brautjungfern, einen für den Bräutigam und einen für mich. Dort wird mich Papa auch abholen, um mich zum Altar zu führen, wo er mich Chiaki übergeben wird. Ich bin bereits in Kontakt mit einem Streichquartett, das die Hochzeit den ganzen Tag über musikalisch begleiten wird. Nach der Zeremonie wird eine Kutsche bereitstehen, mit der wir als Traupaar eine Tour durch Momokuri fahren werden, um alle an unserem Glück teilhaben zu lassen. Unsere Gäste werden in Autos hinterherfahren. Das ganze endet dann wieder am Schloss, wo die eigentliche Feier stattfinden wird. Der Festsaal, von dem aus man direkten Zugang zu Terrasse und Park hat, wird prunkvoll geschmückt sein. Wir müssten demnächst noch einen Termin mit dem Caterer ausmachen, um das Essen auszusuchen. Ich denke an ein Menü mit fünf Gängen, danach kommt noch die Präsentation der Hochzeitstorte. Hanna, Mama und ich haben uns erlaubt, diese bereits in Auftrag zu geben." "Wie viel Gäste sind denn eingeladen?", meldete sich Sakura zu Wort. "Ich habe circa 300 Einladungen verschickt." Chiaki dachte, sich verhört zu haben. 300 Gäste?! Während der Rest der Anwesenden anerkennend nickten, fühlte er sich völlig übergangen. Die Rosen, die Kutsche, das Schloss. War das alles überhaupt notwendig? Niemals hatte er sich seine Hochzeit so vorgestellt. Er brauchte keinen Prunk und keinen Kitsch. Ihm würde eine intime Trauung auf einer Wiese reichen. Umgeben von seiner Familie und seinen engsten Freunden. Mehr brauchte es nicht. Doch anscheinend stand er mit seiner Vorstellung hier völlig alleine da. Ihm fiel nur eine Person ein, die sich eine Hochzeit genauso vorstellte, wie er selbst. Schnell presste er seine Augen zu, um diesen Gedanken wieder zu verdrängen. Er wollte nicht an Maron denken. Nicht jetzt. Es gab Zeiten, da träumte auch Miyako von einer kleinen, intimen Trauung, doch das war schon lange her. Sie hatte sich in den letzten Jahren einfach viel zu stark verändert. Hatte er sie damals als bodenständige Frau kennengelernt, hatte er mittlerweile das Gefühl, dass die den Luxus mehr und mehr genoss. Oft hatte er sich sogar gefragt, was sie denn nun wirklich liebte: Ihn oder sein Geld? Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Kaiki das Wort ergriff. "Als nächstes sollten wir uns auf alle Fälle über das Dinner unterhalten. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass es am kommenden Samstagabend bei mir stattfinden soll. Ich habe bereits alles mit dem Caterer abgeklärt. Erst ein kleiner Sektempfang. Danach ein Menü, das direkt am Tisch serviert werden wird. Ab 18.00 Uhr sind die Gäste eingeladen." Es benötigte noch ungefähr zwei Stunden, bis sie alles besprochen hatten, was für den Moment von Bedeutung war. Danach hatten sie sich noch ein wenig über Gott und die Welt unterhalten, bevor ein Blick auf die Uhr verriet, dass es doch langsam Zeit wurde, nach Hause ins Bett zu gehen. Nach der Verabschiedung machten sich Miyako und Chiaki daran, den Tisch abzuräumen. Still schweigend machte sich der 25-jährige an die Arbeit, die Spülmaschine einzuräumen, als auch Miyako mit ein paar benutzten Gläsern die Küche betrat. Als sie neben ihn trat, um diese auf der Spüle abzustellen, bemerkte er etwas, dass ihm entweder den ganzen Abend entfallen war oder, was sich eben erst eingestellt hatte: Sie wirkte verärgert. "Stimmt etwas nicht?", fragte er deshalb nach. "Naja, du hast dich ja nicht unbedingt an den Hochzeitsplanungen beteiligt bis jetzt. Hattest du mir nicht hoch und heilig versprochen, mich mehr zu unterstützen?!" "Wie soll ich dich denn bitte unterstützen, wenn du mir überhaupt nicht die Chance dazu gibst?" Empört stemmte die junge Frau die Hände in die Hüften. "Ich gebe dir also nicht die Chance?!" "Genau richtig! Bevor ich überhaupt irgendetwas mitbekomme, hast du ja schon alles geplant und festgemacht! Ich werde doch überhaupt nicht gefragt!" Die Stimmung wurde immer gereizter und die beiden Streitenden immer lauter. "Das liegt doch nur daran, dass du nie zu Hause bist!" "Ja, weil ich so viel arbeite, um deine Hochzeit überhaupt bezahlen zu können!" Das brachte das Fass zum Überlaufen. "Meine Hochzeit?! MEINE Hochzeit?! Soweit ich weiß, gehören da immer noch zwei dazu!" "Achja? Den Eindruck habe ich zurzeit aber weniger..." "Nagut, wenn du so willst..." Wütend stapfte sie in Richtung Tür und schnappte sich ihre Jacke von der Garderobe. "Wo willst du hin?" "Das geht dich einen Scheißdreck an!" "Na dann." Der Blauhaarige unternahm nichts weiter und ließ sie gehen. Er war einfach zu wütend. Wortlos widmete er sich wieder der Spülmaschine. Miyako allerdings wusste ganz genau, wo sie jetzt hin wollte. Mit schnellen Schritten stampfte sie durch Momokuri, bis sie den von ihr angesteuerten Wohnkomplex erreichte. Sie verzichtete auf den Aufzug und stieg die Treppen bis hoch in den 5. Stock. Gespannt klingelte sie an der Tür und wartete, bis diese geöffnet wurde. Als es endlich soweit war, blickte sie einem lächelnden Yamato ins Gesicht, der sie sofort in die Wohnung bat. Seinen zerzausten Haaren nach zu urteilen, hatte er bereits im Bett gelegen, freute sich aber dennoch sehr über den unerwarteten Besuch. Direkt nachdem sie eingetreten war, schloss sie leise die Tür hinter sich. Dann wandte sie sich wieder ihrem Liebhaber zu. Verführerisch lächelte sie diesen an, zog ihren Mantel aus, öffnete den Reisverschluss ihres Kleides und ließ dieses einfach achtlos zu Boden fallen. Lüstern beobachtete der Braunhaarige das Szenario. Zweifellos gefiel ihm, was er da sah. Zu guter letzt ließ er sich bereitwillig von der Halbnackten zurück in sein Schlafzimmer führen. "Und du willst wirklich mitkommen?" Maron stand im Badezimmer vor dem großen Spiegel und versuchte ihre Locken ein wenig zu bändigen, indem sie sie ganz locker nach oben steckte. Sie hatte keine große Lust, sich für diesen Abend schick zu machen, also hatte sie sich nur ganz dezent geschminkt. Dazu trug sie schwarze Pumps und ein schwarzes Etuikleid, dass nicht zu eng anlag. Sie konnte sich auch irren, dennoch hatte sie das Gefühl, dass sich ihr eigentlich so flacher Bauch bereits stark wölbte. Immerhin befand sie sich nun schon fast am Anfang des dritten Schwangerschaftsmonats. Rinako rannte nahezu durch die Wohnung und suchte verzweifelt nach ihren Schuhen. Sie hatte sich für einen ganz einfachen Hosenanzug mit einer grünen Bluse entschieden, die perfekt zu ihren roten Haaren passte, die sie zu einem einfachen Zopf gebunden hatte. "Natürlich komme ich mit! Glaubst du, ich lasse dich ganz alleine in die Höhle des Löwen? Miyako hat dich ja auch nicht auf die feine englische Art eingeladen, da wird es sie ja wohl kaum stören, wenn du in Begleitung erscheinst." Ein Aufruf des Triumphes war zu vernehmen, als sie endlich ihre schwarze Pumps gefunden hatte. Insgeheim war Maron froh, dass Rinako sie nicht alleine losziehen ließ und ihr beistehen wollte. Bei dem Gedanken an den Abend, der ihr bevorstand, betete sie zu Gott, dass sie das durchstehen möge, ohne den nächsten Nervenzusammenbruch zu erleiden. Sie durfte auf keinen Fall Schwäche zeigen, vor allem nicht vor Chiaki. Am Ende würde er noch hinter ihr Geheimnis kommen. "Rinako, bist du soweit? Wir sollten langsam los." Mit prüfendem Blick betrachtete Miyako Kaikis Esszimmer. Hana hatte eine wirklich schöne Tischdeko gezaubert, der Cateringservice hatte sein Übrigstes getan. Jetzt konnten ihre Gäste kommen. Und sie war schon gespannt darauf, ob ihr "Überraschungsgast" ebenso aufkreuzen würde. In diesem Moment kam Chiaki die Treppe herunter und richtete dabei noch einmal seine Krawatte. Er trug einfach nur ganz klassisch eine dunkle Hose mit dunklen Schuhen, einer weißen Bluse und einer ganz einfachen Krawatte. Auch er betrachtete sich für ein paar Sekunden den Raum, warf dann Miyako einen kurzen Blick zu und verschwand direkt zu seinen Eltern in die Küche. Seit dem Abend vor einigen Tagen war das Verhältnis zwischen den beiden mehr als gestört. Miyako war tief in der Nacht zurückgekehrt und hatte sich wortlos zu ihm ins Bett gelegt, als wäre der Streit für sie nicht länger relevant. Doch für Chiaki war er das nach wie vor. Am nächsten Morgen erzählte sie, sie sei bei ihrer Freundin Kazumi gewesen, um sich ein wenig den Kummer von der Seele zu reden. Sie beteuerte noch, dass sie sich nicht mit ihm streiten wolle, bevor sie sich für die Arbeit fertig machte. Von Einsicht war nichts zu spüren. Es würde sich also nichts ändern, vor allem nicht an den Planungen für die Hochzeit. Sie würde weiterhin ihren eigenen Vorstellungen nachgehen und er würde weiterhin alles still hinnehmen. Was sollte es ihm jetzt auch bringen, sich dagegen zu wehren? Egal wie er es drehte und wendete, alle Wege führten ihn weg von Maron und direkt zur Hochzeit mit Miyako. Es dauerte nicht mehr lange, da klingelte es bereits an der Haustür und die Gäste trafen nach und nach ein. Miyako und Chiaki standen dabei brav nebeneinander und begrüßten einen nach dem anderen. Insgesamt sollte es sich an diesem Abend um eine Gesellschaft mit ungefähr fünfzig Leuten handeln. So hatte es ihm seine Verlobte zumindest berichtet. Das Esszimmer der großen Villa füllte sich immer mehr und auch der Lärmpegel hatte sich um einiges gesteigert. Nach der Begrüßung durch das künftigen Brautpaar, wurde ein jeder mit einem Gläschen Champagner empfangen, um im Anschluss das Gespräch mit den anderen Anwesenden zu suchen. Der junge Arzt musste sich eingestehen, dass er tatsächlich einige der Geladenen nicht einmal wirklich kannte. Sogar ein paar alte Kollegen seines Vaters waren dabei, die er nur flüchtig vom Sehen kannte. Dann endlich konnte er seinen persönlichen Lichtblick erkennen, als er sah, dass auch Access und Fynn das Haus betraten. Breit grinsend kam der Lilahaarige auf seinen besten Freund zu. "Access, wie schön, dass du da bist!" "Was? Hast du geglaubt, ich würde auf deiner Party fehlen?! Wenn du schon in dein Verderben rennst, muss ich ja zumindest aus der ersten Reihe zusehen." Den letzten Teil des Satzes hatte er ihm etwas leiser ins Ohr geflüstert, wofür er einen halbernsten Blick erntete. Die Begrüßung mit Miyako fiel dafür umso kühler aus. Am liebsten hätte sie ihn garnicht erst eingeladen, aber leider Gottes war er nunmal der beste Kumpel ihres Verlobten. Auch Fynn wurde herzlich begrüßt, bevor sich die beiden zum Rest der Gesellschaft begaben und direkt mit Kaiki ins Gespräch kamen. Die Stimmung war bereits sehr ausgelassen, dann aber warf Access einen kurzen Blick zur Tür. "Ach du scheiße!", rutschte es halblaut aus ihm heraus. Auch Chiakis braune Augen weiteten sich und sein Herzschlag wurde unregelmäßig. Das war doch tatsächlich Maron, die da gerade durch die Tür hereinkam! Lächelnd kam sie den beiden entgegen und begrüßte zuerst Miyako, die sie übertrieben herzlich in die Arme schloss. "Maron, es freut mich sehr, dass du meiner Einladung gefolgt bist!" Chiaki kam es so vor, als würde erst wieder Leben in ihn kommen, als sie direkt vor ihm stand. Sie sah einfach bezaubernd aus. Ein einfaches schwarzes Kleid, schwarze Pumps, dezentes Make-up und ebenso dezenten Schmuck. Mehr brauchte sie nicht, um ihn immer wieder aufs Neue in ihren Bann zu ziehen. Doch eines störte dieses nahezu perfekte Bild: Ihre traurigen Augen. Sie waren ihm sofort aufgefallen, als die hübsche Brünette das Haus betreten und ihn angesehen hatte. Zwar hatte sie ein Lächeln auf den Lippen, aber dieses erreichte ihre Augen in keinster Weise. Abwesend reichte sie ihm die Hand. Ein Küsschen links, ein Küsschen rechts. Eine kurze Begrüßung mit soviel Kälte, dass ihm der Schmerz, den er dabei verspürte, wie ein Schauer eiskalt über den Rücken lief. Erst jetzt fiel ihm die rothaarige Frau aus der Bar auf. Maron wandte sich um und stellte sie vor. "Das ist Rinako, meine beste Freundin. Sie ist bei mir zu Besuch. Ich hoffe, es ist okay für euch, dass ich sie einfach mitgebracht habe." Lächelnd reichte Rinako dem Paar die Hand, wobei sie Chiaki zusätzlich einen wissenden Blick zuwarf. Vermutlich wusste Miyako nichts davon, dass sich die beiden bereits kannten. Auch für den 25-jährigen war die Situation mehr als nur unangenehm, weshalb er rasch seinen Blick abwendete und seine Hand wegzog. Maron schlug das Herz bis zum Hals. Als sie durch die Tür gekommen war und den Vater ihres Kindes mit Miyako dastehen sah, fühlte es sich an, als hätte ihr jemand einen Dolch in die Brust gerammt. Sie liebte ihn zu sehr, als dass sie jemals akzeptieren könnte, dass er nicht an ihrer Seite sein würde. Niemals würde er ihr egal sein können. Nachdem sie Rinako vorgestellt hatte, hatte es die Brünette deshalb sehr eilig, aus dieser schmerzhaften Situation herauszukommen. Also ging sie möglichst schnell an Miyako und Chiaki vorbei und mischte sich mit ihrer Freundin unter die Menge. Schnell traf sie dort auf Kaiki, der sie herzlich begrüßte. Nach einem kurzen Gespräch wurden sämtliche Unterhaltungen von Miyako unterbrochen, die sich zusammen mit ihrem Verlobten auf die große Treppe gestellt hatte, damit auch alle Gäste sie sehen konnten. "Dürfte ich kurz um eure Aufmerksamkeit bitten? Chiaki und ich möchten euch herzlich begrüßen. Es freut uns sehr, dass so viele erschienen sind, um unseren Entschluss, endlich zu heiraten, mit uns gemeinsam zu feiern! In etwas mehr als zwei Wochen ist es endlich soweit, also wollen wir den ganzen Stress rund um die Hochzeitsvorbereitungen ruhen lassen und einen schönen Abend mit euch verbringen. Lasst uns darauf anstoßen!" In diesem Moment bekamen auch Maron und Rinako ein Glas mit Champagner von einem der Servicekräfte in die Hand gedrückt. Fast panisch starrte die Brünette auf das Getränk. Sie war schwanger! Es war völlig ausgeschlossen, dass sie in dieser Zeit Alkohol trank. Verunsichert schaute sie zur der Rothaarigen, die sofort zu verstehen schien. Maron hatte Angst, dass Chiaki etwas ahnen könnte. Vor allem er müsste wissen, dass seine Geliebte Alkohol bisher alles andere als abgeneigt war. Wenn sie das Getränk einfach stehen lassen würde, könnte er als Arzt sofort vermuten, dass sich Maron in anderen Umständen befand. In diesem Moment kippte Rinako einen Großteil des Inhalts ihres eigenen Glases hinunter und tauschte unbemerkt ihres mit Marons. In Momenten, in denen sie keiner beobachtete, würde sie versuchen, Maron ein leeres unterzujubeln. Es würde aussehen, als hätte sie den Alkohol selbst getrunken. Dann wurden bereits alle Gäste an den großen Tisch gebeten. Das Brautpaar hatte sich am Tischende platziert. Maron und Rinako saßen leider nicht so weit von den beiden weg, wie sich die Schwangere erhofft hatte. Direkt gegenüber von ihnen saßen Access und Fynn, neben diesen Kaiki und Hana. Dann wurde der erste Gang serviert. Das Essen war wirklich köstlich, Maron bekam vor lauter Nervosität aber kaum einen Happen hinunter. Sie war völlig in Gedanken versunken, als sie von einem etwas älteren Herren angesprochen wurde, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. "Miss Kusakabe, Kaiki hat mir erzählt, dass sie für Frau Tsukamoto arbeiten. Ich kenne sie noch aus Zeiten, in denen ich noch selbst als Psychologe tätig war. Sie ist eine wirklich tolle Person." Maron nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas und überlegte fieberhaft, was sie darauf antworten sollte. Tief in sich wusste sie jedoch, was zu tun war. Gespannt hatten nun alle Anwesenden ihre Aufmerksamkeit auf dieses Gespräch gelenkt, was ihre Nervosität leider nicht abnehmen ließ. "Da mögen Sie sicher Recht haben, allerdings arbeite ich nicht mehr für Frau Tsukamoto." Sofort fiel ihr der erstaunte Blick von Kaiki auf und konnte auch den fragenden Blick von Chiaki auf sich spüren. "Darf ich fragen, welche Gründe das hat?" "Ich möchte mein Glück woanders suchen. Ich hatte mich hier noch nicht wirklich wohlfühlen können." "Heißt das, dass sie von Momokuri wegziehen?" "Ja." "Und an welchen 'Ort' dachten sie da? Vielleicht Tokio? Oder Osaka?" "Nein", demonstrativ blickte sie zu ihrem Ex-Geliebten und ohne, dass sie es bewusst wahrnahm, legte sich ihre Hand an ihren Bauch ,"ich werde Japan verlassen." Ihr Herz schlug noch schneller, als sie Chiakis geschockten Blick sah. Wie gerne hätte sie gewusst, was jetzt in ihm vorging... Kapitel 20: Let her go ---------------------- „You see her when you close your eyes Maybe one day you'll understand why Everything you touch surely dies But you only need the light when its burning low Only miss the sun when it starts to snow Only know you love her when you let her go And you let her go.“ Passenger – Let her go Nachdem Maron die Bombe hatte platzen lassen, saß der Schock zunächst noch tief. Kaiki kannte die Brünette zwar noch nicht lange, doch warum sie sich zu einem solch großen Schritt entschied, erschloss sich ihm einfach nicht. Auch Access musste bei ihren Worten im ersten Moment schwer schlucken. Sein Blick war sofort zu seinem besten Freund gewandert, der auf einmal kreidebleich wurde, als sei jegliches Leben aus ihm gewichen. Der Lilahaarige konnte nur hoffen, das die Brünette ihm damit die Augen öffnen konnte. Denn wenn er seinem Bauchgefühl vertrauen konnte, war der Blauhaarige der Einzige, der sie noch davon abhalten konnte, ihre Koffer zu packen und aus dem Land zu verschwinden. Niemand auf dieser Welt konnte ihm weismachen, dass Maron nichts mehr für ihn empfand. Der Blick, den sie ihm bei ihrem Geständnis zugeworfen hatte, war Beweis genug um zu wissen, dass sie sich nichts sehnlichster wünschte, als ihn an ihrer Seite. Und Chiaki, dieser Schweinehund, hatte ihm erzählt, dass sie ihm keine Chance mehr geben wollte, egal was geschehen würde. Bei Gelegenheit musste er seinen besten Freund auf jeden Fall zur Rede stellen. Es konnte einfach noch nicht zu spät sein! Chiaki hatten ihre Worte mit Abstand am schwersten getroffen. Sein Herz fühlte sich an, als wäre es im Bruchteil einer Sekunde in zwei Hälften gerissen worden. Durch die Trennung war es sowieso angebrochen gewesen, nun aber zu wissen, dass er sie bald für immer verlieren würde, brachte ihn innerlich fast um. Es schien fast so, als sei der einzige Gedanke, der ihn noch am Leben gehalten hatte, dabei, sich in Luft aufzulösen. Und zwar nicht wie eine Seifenblase, die von einem Moment zum anderen zerplatzte. Nein, eher wie ein brennendes Haus, das quälend langsam von den Flammen zerfressen wurde, bis es schließlich ganz in sich zusammenfiel. Die Vorstellung, sie nicht sehen zu können, sie nicht spüren zu können, nicht zu wissen, wie es ihr ging... Alles hätte er geduldet, wenn er sie nur in seiner Nähe wüsste. Ihre verletzten Blicke, die sie im zuwarf, ihren Schmerz, an den er immerzu denken musste, ja sogar einen anderen Mann, der sie irgendwann sein Eigen nennen durfte. Alles wäre besser, als dass sie fortging. Am liebsten wäre er sofort auf die Knie gefallen und hätte sie angefleht, ihre Worte zurückzunehmen. Doch wie hätte er das tun können, wenn er noch nicht einmal den Blick hatte deuten können, den sie ihm zugeworfen hatte? War er schmerzvoll? Sehnsüchtig? Hasserfüllt? Während der Rest der Anwesenden noch über die Situation nachdachte, lächelte Miyako unbemerkt in sich hinein. Ihr Plan war aufgefangen. Sie hätte zwar niemals gedacht, dass Maron geplant hatte, das Land zu verlassen, und doch zeigte ihr die Wendung der Dinge, dass die Brünette verstanden hatte, dass sie Chiaki niemals haben konnte. Er gehörte ihr selbst und niemandem sonst! Er würde niemals Marons Gefühle erwidern. Entgegen Miyakos Erwartungen hatte sie ohne Widerstand kapituliert, was ihr nur zu gut in die Karten spielte. Die Hochzeit verursachte ihr schon genug Stress, sie konnte also von Glück sagen, dass sie sich nicht noch mit einem kleinen Flittchen rumschlagen musste, das ein Auge auf ihren zukünftigen Mann geworfen hatte. Sie würde aus reiner Sicherheit schon natürlich nicht darauf verzichten, ihr ihre Niederlage immer und immer wieder klar zu machen, im Großen und Ganzen konnte sie aber auch schon sehr zufrieden mit sich sein. Jetzt konnte sie auch diesen Abend genießen. Maron zitterte hingegen noch am ganzen Leib. Es fühlte sich an, als würde in ihr ein Vulkan ausbrechen. Und doch hatte sie mit ihrem Geständnis, einen großen Felsbrocken von ihrem Herzen verbannt. Ab jetzt gab es ein Geheimnis weniger, das sie immerzu mit sich herumschleppen musste, immer darauf bedacht, dass niemand von ihm erfährt. So schnell sie sich selbst gut zuredete, das Richtige getan zu haben, so kamen ihr doch genauso schnell die Fragen auf, warum sie damit herausgerückt war. Sie hätte die Frage abtun können, indem sie gesagt hätte, dass sie noch nicht wüsste, wohin sie ihr Weg bringen würde. Wollte sie einfach die Situation nutzen, um Chiaki noch einmal zu zeigen, wie sehr er sie verletzt hatte? Oder war es vielleicht doch ein Hilfeschrei, in der Hoffnung, ihr Ex-Geliebter würde sich noch anders entscheiden und sie anflehen, bei ihm zu bleiben? Sie konnte es nicht sagen. Doch was gesagt war, war gesagt. Wieder einmal gab es kein Zurück mehr. Das alles machte den ganzen Abend für sie noch unerträglicher. Wie gerne wäre sie jetzt alleine gewesen, einsam in ihrer Wohnung und hätte sich die Augen aus dem Kopf geheult... Nach Marons Aussage, hatte die komplette Stimmung einen Knacks bekommen. Sogar die Gäste, die Maron vorher noch nie gesehen hatten, spürten die Anspannung, die den ganzen Raum auszufüllen schien. Erst nach und nach kamen wieder andere Gespräche auf und auch die Atmosphäre wurde im Laufe des Abends wieder besser. Circa zwei Stunden später konnte man die Laune der Anwesenden wieder als geradezu ausgelassen bezeichnen. Der Champagner floss quasi in Strömen, eine größere Gruppe hatte sich bereits zusammengefunden, um gemeinsam zu der Musik zu tanzen, die aus den großen Boxen erklang. Maron und Rinako standen etwas abseits und betrachteten das Spektakel. Die Brünette war noch immer sehr geknickt und die Rothaarige wollte sie auf keinen Fall alleine lassen. Am Ende würde ihr das alles noch so zu Kopf steigen, dass sie ihr noch an Ort und Stelle umkippte. Und tatsächlich musste sich die Schwangere kurz an der kühlen Wand abstützen. "Maron, ist mit dir alles in Ordnung?", fragte Rinako deshalb besorgt. Als Antwort erhielt sie nur ein kurzes Nicken. "Ja, mir ist nur ein bisschen schwindelig. Vielleicht sollte ich kurz an die frische Luft." "Soll ich mit dir mitgehen?" "Nein, schon gut. Ich muss mal kurz alleine sein." Mit diesen Worten verschwand sie in Richtung der Terrasse, die direkt an den großen Garten angrenzte. Rinako war nicht begeistert, dass sie sie nicht im Auge behalten konnte, wollte ihren Wunsch aber dennoch akzeptieren. Sie warf einen letzten Blick zu der großen Glastür, bevor sie versuchte, sich unter die restlichen Gäste zu mischen. Fast schon genüsslich atmete die brünette Schönheit die angenehme Nachtluft ein. Ihr war garnicht aufgefallen, wie heiß es in dem großen Saal im Haus auf einmal geworden war. Der kalte Wind hinterließ eine Gänsehaut auf ihren Armen, aber das machte ihr nichts aus. Nach allem was an diesem Abend schon passiert war, gab es wohl nichts, das sich noch unangenehm anfühlen könnte. Außerdem war das Bild, das sich ihr ergab einfach unheimlich beruhigend: Alles war dunkel, der Garten war jedoch im warmen Mondschein erleuchtet. Ganz leicht konnte sie das Plätschern des Brunnens vernehmen, der sich ebenfalls auf diesem riesigen Gelände befinden musste. Das Geräusch hatte etwas Beruhigendes, fast Tröstliches. Entspannt schloss sie ihre braunen Augen und seufzte. Erst als sie Schritte neben sich hören konnte, bemerkte sie, dass sie nicht alleine war. Sie öffnete ihre Lider wieder und erkannte einen Mann mit lila Haar. Sie hatte ihn heute schon an ihrem Tisch gesehen. Sein Name war Access, wie sie glaubte, aus diversen Unterhaltungen herausgehört zu haben. Wenn sie richtig verstanden hatte, musste er so etwas wie der beste Freund von Chiaki sein. Mehr wusste sie allerdings nicht über ihn. "Tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören", entschuldigte er sich höflich. Langsam nahm er seine Zigarette aus dem Mund und drückte sie in dem dafür vorgesehenen Aschenbecher aus. "Das tun sie wirklich nicht. Ich musste nur mal raus aus dem ganzen Tumult. Das ist auf die Dauer echt anstrengend." "Wem sagen sie das. Es sind zwar ein paar nette Leute dabei, aber auf diese aufgeblasenen Medizinerheinis kann ich auch gut verzichten. Sind sowieso nur hinter dem Gratis-Champagner her." Maron musste ein bisschen kichern. Es tat gut, sich mit einem Menschen zu unterhalten, der nicht vorgeben musste, etwas Besseres zu sein. "Schön, dass sie wieder lachen können." Verwirrt musterte die Brünette ihren Gegenüber. "Wie meinen Sie das?" "Sie haben schon den ganzen Abend etwas traurig gewirkt und nach der Bombe, die sie vorhin haben platzen lassen, wurde das ja nicht gerade besser. Liegt das vielleicht an Chiaki?" Etwas belustigt beobachtete er, wie ihr Gesicht auf einmal käseweiß wurde und sie den Blick abwandte. Der Ausdruck in ihren Augen wurde fast panisch. "Ich weiß nicht, was das mit Chiaki zu tun haben sollte." "Ach tun sie doch nicht so. Sie lieben ihn!" Er hätte es nicht für möglich gehalten, doch Marons Gesichtsfarbe konnte noch blasser werden, als sie es davor schon war. Er sah ihr an, dass sie mit der ganzen Situation einfach völlig überfordert war und sie am liebsten geflüchtet wäre, wenn sie nur gewusst hätte, wohin. "Er hat also mit Ihnen gesprochen", murmelte sie leise. Access nickte. "Maron, ich weiß, dass ich mich in Angelegenheiten einmische, die mich vielleicht nichts angehen, aber es geht immerhin um meinen besten Freund, also hören Sie mir bitte zu: Zwischen Chiaki und Miyako gibt es schon lange Probleme. Chiaki hat mir gesagt, dass er Ihnen schon erzählt hat, was damals vorgefallen ist. Aber glauben sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass er Sie liebt! Ich habe ihn noch nie so glücklich erlebt wie mit Ihnen! Und jetzt sehen Sie ihn sich doch bitte an. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Er schläft kaum noch, trinkt mehr als früher und beteuert immer wieder, dass er Sie so verletzt hat. Ich weiß nicht, wie sie zu alldem stehen, aber wenn es eine Frau auf diesem Planeten gibt, die ihn glücklich machen kann, dann sind Sie das Maron!" Mit einem flehenden Ausdruck wartete er auf eine Antwort. Doch die junge Frau schwieg. Stattdessen rollte ihr eine Träne die Wange hinunter. Minutenlang sagt niemand etwas. "Access, vielleicht mag all das stimmen, was Sie sagen, aber ich bin auch noch nach all diesen Rückschlägen eine Frau mit Stolz. Wie Sie schon sagten, hat er mich verlassen und nicht umgekehrt. Aber verlangen Sie nicht, dass ich auf Knien angekrochen komme und ihn wieder zur Vernunft bringe. Dafür ist es zu spät." Der Lilahaarige war trotz der harten Worte ein wenig beeindruckt, wie viel Würde sie besaß. Hätte er ein Wort für die brünette Schönheit finden müssen, dann hätte er wohl "anmutig" gewählt. Nach allem, was sie durchmachen musste, war sie noch immer so stark, sich ihr Gefühlschaos nicht anmerken zu lassen. "Ich sollte wieder reingehen", sprach die junge Frau noch, bevor sie wieder auf das Haus zusteuerte. "Bitte lassen Sie sich meine Worte durch den Kopf gehen." Anstatt einem Nicken oder einem Kopfschütteln, bekam er nur einen unergründlichen Blick zugeworfen, dann war sie auch in dem großen Gebäude verschwunden. Mit beschleunigtem Atem musste sich die 24-jährige an einer der Wände abstützen. Das Gespräch mit Access vor wenigen Minuten ließ alle ihre Gefühle durcheinander wirbeln. Seine Worte erschallten immer wieder in ihrem Kopf und ließen ihr keine Ruhe. °Wenn es eine Frau auf diesem Planeten gibt, die ihn glücklich machen kann, dann sind Sie das Maron!° °Er liebt Sie!° Das alles wollte sie doch überhaupt nicht hören! Warum verstand denn niemand, wie sehr sie diese Worte schmerzten? Wie ein dumpfer Bass konnte sie ihren eigenen Herzschlag vernehmen, der schneller war, als er sollte. Natürlich liebte sie Chiaki und daran würde sich auch nichts ändern, aber es war einfach alles zu spät! Sowohl er als auch sie hatten Entscheidungen getroffen, die eine gemeinsame Zukunft einfach nicht mehr möglich machten. Angefangen bei der Trennung, über die heimliche Schwangerschaft, bis hin zu ihren Plänen, Japan hinter sich zu lassen. Abgesehen davon hatte sie Access nicht angelogen, als sie davon sprach, dass auch ihr Stolz ihnen im Weg standen. Maron war keine Frau, die gerne der Ersatz für eine Andere war. Menschen treffen tagtäglich Entscheidungen und genau so hatten es auch sie selbst und Chiaki getan. Sie versuchte, sich einzureden, dass alles besser werden würde, wenn sie endlich von hier weg käme. Es würde ein kompletter Neuanfang werden. Niemand würde von ihrer Vergangenheit mit Chiaki erfahren, niemand würde mehr versuchen, sie umzustimmen und vor allem würde sie nicht mehr den stechenden Schmerz empfinden, der sie so plagte, wenn sie in seiner Nähe war. Es würde nur noch sie und ihr Kind geben. Sie würde schon alles auf die Reihe bekommen, redete sie sich ein. Alles würde sie auf sich nehmen, wenn sie das alles einfach vergessen konnte. Wenn sie ihn einfach vergessen könnte. Etwas hilflos sah sie sich in dem großen Raum nach ihrer Freundin Rinako um. Einige Minuten konnte sie sie nicht ausfindig machen, bis ihr Kopf plötzlich in der Menge auftauchte. Sie schien sich in einem erregten Gespräch mit einer jungen hübschen Frau mit kurzen, grünen Haaren zu befinden. Wenn sie das richtig aufgeschnappt hatte, war das wohl Fynn, Access' Freundin. Ihr war noch immer etwas schwindlig, obwohl sich ihr Puls langsam aber sicher wieder beruhigte. Plötzlich stand eine große Person mit blauen Haaren vor ihr. Sie glaubte schon, dass es Chiaki wäre, da erkannte sie aber Kaiki. Mit einem warmen Lächeln reichte er ihr ein Glas Wasser, dass die Schwangere dankend annahm. „Du siehst ein bisschen blass aus, geht es dir vielleicht nicht gut?, fragte er besorgt. Natürlich hatte er den Nagel voll auf den Kopf getroffen, dennoch schüttelte sie den Kopf. „Alles okay, es ist nur sehr warm hier drin. Dürfte ich vielleicht kurz das Bad benutzen?“ Der Ältere musste kurz auflachen, als Maron ihre Frage stellte. Als würde er ihr diesen Wunsch abschlagen. „Aber natürlich! Du musst nur die Treppe nach oben gehen. Das Bad befindet sich hinter der letzten Tür auf der linken Seite.“ Die junge Frau lächelte ihn noch kurz an und machte sich dann auf den Weg nach oben. Chiakis Vater blickte ihr noch besorgt nach, bevor er sich wieder den Gästen zuwandte. Maron war mehr als nur erleichtert, als sie endlich alleine war. Eilig drehte sie den Schlüssel im Schloss um und lehnte sich an die Tür. Dieser ganze Abend war einfach zu viel für sie. Seine Nähe, ihr Geständnis, das Gespräch mit Access. Ruhig versuchte sie durchzuatmen, doch sie konnte nicht verhindern, dass die Übelkeit die Oberhand hatte. Möglichst leise übergab sie sich in die Toilette. Mit einer Hand versuchte sie, die wenigen Locken zu bändigen, die sich gelöst hatten, die zweite Hand lag an ihrem Bauch. Immer öfter musste sie nun daran denken, was ihr ihre Frauenärztin gesagt hatte: Sie solle Stress vermeiden und sich viel Ruhe können. Das war allerdings nicht so einfach. Sie hätte auch gerne mehr Ruhe, alleine schon um des Kindes Willen. Immerhin war diese ständige Aufregung nicht ganz ungefährlich. Sie musste einfach weg. Weg von diesem Grundstück, weg von Chiaki, weg von Momokuri, weg von Japan... Nachdem sie sich übergeben hatte, fühlte sie sich schon etwas besser. Ihr Magen beruhigte sich etwas, der Geschmack in ihrem Mund löste jedoch einen unbeschreiblichen Ekel in ihr aus. Intensiv wusch sie sich Hände und Gesicht. Zum Glück trug sie in den letzten Wochen immer eine kleine Reisezahnbürste mit etwas Zahnpasta bei sich. Sie war es ja mittlerweile gewöhnt, dass sie sich häufig übergeben musste, oft auch unterwegs. Es dauerte einige Minuten bis sie sich das unbehagliche Gefühl verflüchtigt hatte und sie sich wieder einigermaßen gut fühlen konnte. Am besten wäre wohl, wenn sie sich Rinako schnellstmöglich schnappen und mit ihr verschwinden würde. Sie war schon jetzt einige Stunden da und hatte Miyako zweifellos bewiesen, dass sie ihr ihren Verlobten nicht streitig machen würde, mehr konnte sie nicht von ihr verlangen. Zu Hause würde sie zwar noch eine ganze Zeit weinen, aber etwas Schlaf würde ihr auch gut tun. Morgen würde die Welt schon wieder ganz anders aussehen, hoffte sie zumindest. Leise schloss sie die Tür hinter sich und wollte schon wieder auf die Treppe zusteuern, da blieb ihr Blick an einer halbgeöffneten Tür gegenüber des Badezimmers hängen. Eigentlich war sie kein neugieriger Mensch, aber es kam ihr so vor, als würde sie der Raum magnetisch anziehen. Lautlos öffnete sie die Tür ein weiteres Stück und sah sich mit großen Augen in dem Zimmer um. Auf den ersten Blick war es nichts Besonderes. Blaue Wände, ein großes Bett, ein großer Schreibtisch, eine große Fensterfront mit dünnen Vorhängen. Leichtfüßig ging sie ein paar Schritte tiefer hinein und drehte sich langsam um die eigene Achse. Dabei blieb ihr Blick an einer Wand hängen, die sie von der Tür aus nicht direkt hatte sehen können. Sie war voller Fotos, die fast den kompletten Platz für sich einnahmen. Sie kam näher und besah sich die Photographien näher. Schnell erkannte sie, wo sie sich befand: Chiakis altes Zimmer! Auf fast jedem der Bilder war der Blauhaarige zu sehen. Egal ob als Kleinkind, als Schüler oder als Teenager. Man hätte fast meinen können, dass jemand sein ganzes bisheriges Leben dokumentieren wollte. Alle wichtigen Momente seines Lebens waren abgebildet. Er als Baby nach der Geburt, bei seiner Einschulung, bei sportlichen Erfolgen, als Student, mit seiner Familie und mit seinen Freunden... Fast liebevoll strich sie mit ihren Fingern über ein Foto, das nur ihn in Nahaufnahme zeigte. Lachend, mit diesem unverkennbaren Leuchten in seinen Augen, das sie immer so verzauberte. Allerdings musste sie zugeben, dass sie es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Nicht mehr seit jenem Abend, an dem er sie verlassen hatte. Energisch schüttelte sie ihren Kopf, um jegliche Gedanken an diesen Tag loszuwerden. Vielleicht war es am Besten, sich nicht auch noch die ganzen Fotos von ihm anzusehen. Wie sollte sie ihn nur jemals vergessen können? Ein letzter Blick und sie konnte sich endlich loslösen. Anstatt aber nach draußen zu gehen, schlang sie ihre Arme um ihren Körper und ging auf das große Fenster zu, um einen verträumten Blick in den Garten zu werfen. Sie genoss die Ruhe, die sich in ihr breitmachte. Erneut verspürte sie das Gefühl, das sie durchströmte, als sie alleine auf der Terrasse gestanden hatte und dem tröstenden Rauschen des Brunnens gelauscht hatte. Am liebsten wäre sie hier ewig stehen geblieben und hätte die Stille ausgekostet. Sie war so sehr in ihren eigenen Gedanken versunken, dass sie nicht einmal mitbekam, wie jemand das Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. All das wurde ihr erst bewusst, als sie zwei starke Arme spüren konnte, die sich um ihren zierlichen Körper schlangen. Sie wusste natürlich sofort, wer es war. Schon dieser unverwechselbare Geruch verriet es ihr, den sie tief einsog. Kurz überlegte sie, was sie nun tun sollte. Ob sie ihn nicht von sich stoßen sollte, doch sie entschied sich dagegen. Das würde natürlich nichts an ihrer Situation ändern, doch warum sollte sie ihm nicht noch einmal nah sein dürfen? Chiaki verwunderte es ein wenig, dass sie sich in seinen Armen entspannte. Er hatte mit einer weiteren Abweisungen gerechnet, aber er war unheimlich dankbar für die Nähe, die er zu ihr haben durfte. Voller Genuss sog er ihren betörenden Duft in sich ein, den er niemals mehr missen wollte, spürte die nackte Haut ihrer Arme auf den seinen, ließ ihre Wärme auf sich wirken, die er doch so lange nicht mehr hatte spüren können. Er wusste, dass er das nicht tun sollte, aber als er sie da so verloren am Fenster stehen sah, so zart, so anmutig, da war es nicht länger eine Entscheidung seines Kopfes gewesen, sondern seines Herzens. So wunderschön und kostbar dieser Moment auch war, so schmerzhaft brachte er aber auch die Gedanken zurück, die ihn schon den gesamten Abend plagten und verhinderten, dass er sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren konnte. Er durfte das nicht zulassen. Er wusste nur zu gut, dass er kein Recht dazu hatte, aber er würde es sein Leben lang bereuen, nicht wenigstens darum gekämpft zu haben, dass sie hier blieb. Dass er für immer dazu verdammt sein würde, sich zu fragen, wie es ihr ging, wo sie gerade war und was wohl passiert wäre, wenn er den Mut gehabt hätte, sich von Miyako zu trennen und mit Maron das Leben zu führen, das er ihr versprochen hatte, dessen war er sich nur zu bewusst. Besser als es gut für ihn war. Sie würde ihn niemals loslassen, egal ob sie bei ihm war oder nicht. Auch seine Träume würden weiterhin von einer einzigen Person beherrscht werden. Und ironischerweise war es nicht die Person, mit der er schon bald vor dem Traualtar stehen würde. Minutenlang standen beide nur da und genossen die Wärme des jeweils anderen, bis Chiaki fähig war, die bedrückende Stille zu durchbrechen. „Geh nicht.“ Die Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, aber Maron hatte sie nur allzu gut hören können. Wie schaffte er es nur immer wieder, sie so sehr aus der Fassung zu bringen? Die Schwangere hatte große Probleme, ihre Tränen zurückhalten, die am liebsten in Strömen aus ihren Augen fließen wollten. Doch sie musste stark bleiben. Und überhaupt: was wollte er von ihr hören? Dass sie sich all das nochmal durch den Kopf gehen lassen würde und hier in Japan blieb? Vielleicht sogar in Momokuri? „Chiaki...wir sollten uns nichts vormachen. Wir wissen doch beide, dass es so besser ist.“ Ihre Stimme war rau, leise. Chiaki aber konnte seinen Ohren nicht trauen. „Besser für wen, Maron? Du verlangst von mir, dass ich ehrlich zu mir bin, dabei bist du doch diejenige, die sich selbst belügt. Du willst garnicht von hier weg gehen, das kann ich nicht glauben.“ Er blieb weiterhin ruhig, obwohl er innerlich brodelte wie ein Vulkan. Alles, was ihn noch darin hinderte, nicht seine wahre Gefühlswelt zu offenbaren, war die Angst, diesen intimen Moment und vor allem die Bindung zwischen ihnen zu zerstören, die so bald nicht mehr zustande kommen würde. Auf diese Aussage hin drückte ihn die Brünette aber dennoch ein Stück von sich, um ihm in die Augen sehen zu können. „Hier geht es aber nicht darum, was ich will, sondern was ich tun muss. Ich wollte ein gemeinsames Leben mit dir beginnen, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Und du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass die aktuelle Situation alles andere als einfach für mich ist! Aber das Schicksal hat mich nicht gefragt, deswegen musste ich dafür sorgen, dass ich damit bestmöglich klarkomme. Vielleicht hast du Recht und ich will eigentlich garnicht von hier weg, aber ich habe nunmal keine andere Wahl. Ich werde versuchen, einen Neuanfang zu starten und du kannst vergessen, was gewesen ist und dich endlich auf die Hochzeit konzentrieren.“ „Was ist, wenn ich es garnicht vergessen will?“ Er sah ihr ebenfalls tief in die Augen, hoffte inständig, sie doch noch zur Vernunft bringen zu können. „Das solltest du aber, und ich ebenso. Ich kann nicht weiter untätig daneben stehen, während mein Leben nach und nach zerfällt. Ich ertrage das einfach nicht mehr, Chiaki! Deine Nähe, Miyako, diese ständige Konfrontation damit, dass ich dich nicht bei mir haben kann. Ich muss hier weg. Mach es mir bitte nicht noch schwerer, als es sowieso schon für mich ist.“ Dem Blauhaarigen verschlug es die Sprache. Er konnte die Verzweiflung in ihrer Stimme hören und in ihrem flehenden Blick erkennen. Es war der Moment, in dem er ernsthaft überlegte, sie einfach gehen zu lassen. Auch er wollte nicht länger dabei zusehen, wie es ihr schlechter und schlechter ging. Auf einmal kam es ihm egoistisch vor, sie zu bitten zu bleiben. Doch war das etwas Schlechtes, wenn es um eine Person geht, die man über alles liebt? War es unfair ihr gegenüber, sie nicht kampflos ziehen zu lassen? „Es tut mir alles so leid, Maron.“ Schluchzend ließ sie sich wieder zurück in Chiakis Arme fallen, der ihr liebevoll einen Kuss auf den Kopf drückte und sie fest in die Arme nahm. Sie besaß einfach nicht mehr die Kraft, sich von ihm fernzuhalten. In diesem Moment gingen ihr so viele Dinge durch den Kopf. Doch der wichtigste Gedanke war das gemeinsame Kind, das sie unter ihrem Herzen trug. Wie oft hatte sie überlegt, ob sie alle Bedenken in den Wind schlagen und ihm doch die Wahrheit sagen sollte. Hatte er es nicht verdient, wenigstens zu wissen, dass er Vater werden würde wenn sie von immer von ihr fort ging? Vielleicht würde sich ihr eigenes Gewissen etwas beruhigen. Trotz allem Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, konnte sie nicht mehr schlafen, bei dem Gedanken, ihn völlig im Dunkeln tappen zu lassen. Rinako hatte sie davon natürlich nie etwas erzählt, sie würde sich nur in dem bestätigt sehen, was sie Maron schon die ganze Zeit gesagt hatte: Dass sie mit Chiaki über das Baby sprechen und herausfinden sollte, ob es für sie beide nicht doch noch eine Chance gibt. Für Chiaki konnte der Moment einerseits nicht schöner, andererseits aber auch nicht schmerzhafter sein. Er war noch immer hin- und her gerissen, was er nun tun sollte. Doch eines war im völlig klar: Egal wie sehr er um sie kämpfte, die Entscheidung, zu bleiben oder zu gehen, lag ausschließlich bei Maron. Und er wusste auch, dass er kurz davor war, den Kampf unwiderruflich zu verlieren. Keiner von beiden wusste, wie lange sie da standen. Eng umschlungen in diesem engen Raum ohne jegliches Zeitgefühl. Irgendwann lösten sie sich ein kleines Stück voneinander, um sich intensiv in die Augen sehen zu können. Dabei kamen sie sich immer näher bis sie die eigene Stirn an die des anderen legen konnten. Ihre Lippen waren nur wenige Zentimenter voneinander entfernt. Nur wenige Bewegungen und sie hätten sich nach so langen Wochen wieder küssen können. Doch das durften sie nicht tun. Nicht jetzt. Nicht hier. Vielleicht sogar nie wieder. Trotz aller Bedenken tat Chiaki aber den entscheidenden Schritt und kam ihrem verführischen Mund immer näher. Maron hatte bereits ihre Augen geschlossen und erwartete die Gefühlsexplosion, die sie immer erlebte, wenn sie ihn so nah spüren konnte, da hörten sie auf einmal, dass jemand die Tür öffnete. Beschämt fuhren beide auseinander. Der Blauhaarige starrte nur unbeholfen im Zimmer umher, während die Brünette ihre Haare richtete. Wie sollten die beiden eine solche Situation nur erklären? Innerlich verfluchte der 26-jährige die Person, die die Dreistigkeit besaß, einfach in das Zimmer zu kommen und den gemeinsamen Moment zu zerstören. Als er sich in Richtung der Tür drehte, erkannte er, dass es seine Mutter war. Was suchte sie nur hier? Der Schwangeren war die Situation noch peinlicher, angesichts der Tatsache, dass diese wohl um ihre Gefühle für den Blauhaarigen wusste. Deshalb verlor sie auch keine Zeit, Chiaki noch einmal kurz zuzunicken und sich dann möglichst schnell an Hanna vorbeizudrücken und wieder nach unten zu verschwinden. Der junge Arzt sah noch für einige Sekunden zur Tür, wo noch immer seine Mutter stand, dann wandte er seinen Blick wieder zum Fenster, aus dem er gedankenverloren blickte. Auch für Hanna war die Situation mehr als unangenehm. Eigentlich war sie nur nach oben gekommen, um Chiaki zu suchen, nachdem er schon länger nicht mehr bei den Gästen gewesen war. Als sie aber Maron bei ihm fand wurde ihr so einiges klar. Sie hatte bei dem Bankett geglaubt, dass es allein Maron war, die einseitige Gefühle für Chiaki hegte. Nun aber wurde ihr bewusst, dass auch ihr Sohn sein Herz an die brünette Schönheit verloren hatte. Doch warum blieb er dann immer noch bei Miyako? Hana wusste ganz genau, dass er schon immer ein leidenschaftlicher Mensch gewesen war, der mehr seinen Bauch als seinen Kopf entscheiden ließ. War es möglich, dass er sich so sehr verändert hatte? Trug sie selbst vielleicht sogar eine Mitschuld, weil sie Miyako von ihrem Verdacht erzählt hatte? Oder weil sie Maron darum gebeten hatte, sich von Chiaki fernzuhalten? Es zerbrach ihr fast das Herz, Chiaki so zu sehen. Auch wenn sie beide es nie einfach hatten, so liebte sie ihn doch wie sonst nichts auf dieser Welt. Sie war der festen Überzeugung, dass er nur bei Miyako glücklich werden konnte, doch da hatte sie sich wohl geirrt. In diesem Moment wünschte sie sich, einmal den Mund gehalten zu haben, um von ihm zu hören, was er sich vom Glück erhoffte. Doch stattdessen handelte er danach, was andere von ihm erwarteten. Sie konnte nur hoffen, dass es noch nicht zu spät war, um Chiaki darum zu bitten, selbst zu entscheiden, welche Frau er an seiner Seite haben wollte. Durch das dunkle Zimmer hindurch ging sie auf ihren Sohn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Chiaki...,“ weiter kam sie nicht, da er sich langsam zu ihr umdrehte und sie mit trüben Augen ansah. „Schon gut, Mutter, ich gehe sofort wieder nach unten.“ Ohne einen weiteren Blick schritt er an ihr vorbei und verließ das Zimmer. Nun war es Hanna, die alleine zurückblieb und ihren trüben Gedanken nachhing. Fast panisch machte sich Maron auf die Suche nach Rinako. Letztendlich wurde sie an der Bar fündig, wo sich ihre rothaarige Freundin nach wie vor angeregt mit Fynn unterhielt. Das Gespräch wurde jedoch abrupt beendet, als Maron dazutrat. Rinako fiel sofort auf, dass etwas vorgefallen sein musste. Die Brünette sah völlig aufgelöst aus, ihr Atem ging unregelmäßig und ihre Augen sahen aus, als würde sie augenblicklich anfangen zu weinen. „Kö-Können wir gehen?“ Die junge Frau nickte und verabschiedete sich umgehend von Fynn. Dann hakte sie sich bei der Schwangeren unter und steuerte mit ihr direkt auf die Tür zu. Doch auf einmal wurden sie aufgehalten. Miyako hatte sich ihnen in den Weg gestellt. „Ihr wollt schon gehen?“ Das Lächeln auf ihren Lippen konnte falscher nicht sein. Sie wusste, dass Maron unter der Situation litt – genau wie die Lilahaarige es wollte. „Ja, es ist schon spät und wir sollten langsam gehen“, antwortete Rinako für Maron. Die Brünette würde wohl keinen Ton mehr herausbringen, ohne in Tränen auszubrechen. „Dann kommt mal gut nach Hause.“ Sie waren schon fast aus der Tür heraus, da rief Miyako noch einmal nach der Brünetten: „Ach Maron, es freut mich, dass du gekommen bist. Glaub mir, es war richtig so.“ Damit verschwand sie wieder zwischen den Gästen. Für Maron gab es damit nur noch eines, das sie wollte: Sie wollte nach Hause und weinen. Sie wollte all das, was sich die ganze Zeit in ihr angestaut hatte nach draußen lassen. Sie hatte alles verloren: Ihren Job, ihr Zuhause, den Vater ihres Kindes. Sie hatte nicht mehr die Kraft, stark zu sein. Sie fühlte sich schwach und es ist okay, schwach zu sein. Es ist okay, zu trauern. Und das würde sie auch tun. Kapitel 21: "It's okay" ----------------------- „So lately, been wondering Who will be there to take my place When I'm gone, you'll need love To light the shadows on your face ... I know now, just quite how My life and love might still go on In your heart, in your mind I'll stay with you for all of time“ (Wherever you will go – The Call) Mit einem lauten Klirren ging die Kaffeetasse zu Bruch, die Maron soeben aus dem Wandschrank heben wollte. Leise fluchend wollte sie sich gerade daran machen, die Scherben vom Boden aufzusammeln, als Rinako in die Küche eilte und sie vehement davon abhielt. „Oh nein, Madame, das lässt du schön bleiben!“ Die Braunhaarige wollte schon protestieren, da wurde sie von ihrer Freundin auf einen Stuhl gedrückt. An ihrer Stelle war es nun die Rothaarige, die die Scherben feinsäuberlich zusammenkehrte und in einer Mülltüte verschwinden ließ. „Rinako, ich kann das auch selbst machen!“ „Nein kannst du nicht, du hast dir in den vergangenen Wochen schon genug zugemutet. Also komm mir jetzt nicht mit deiner ich-bin-schwanger-und-nicht-krank-Ausrede und gönn' dir und deinem Baby verdammt nochmal ein bisschen Ruhe...“ Dagegen hatte Maron kein Argument mehr parat. Ihr war ja selbst bewusst, dass sie die Ruhe dringend nötig hätte, aber das war nunmal leichter gesagt als getan. Immerhin stand sie kurz davor, in ein ihr völlig fremdes Land auszuwandern und alles, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen war, hinter sich zu lassen. Die Zeit war vergangen wie im Flug und alle Zeichen standen auf Aufbruch. Morgen würde die Hochzeit von Chiaki und Miyako stattfinden und auch ihr Flieger würde morgen mit ihr an Bord abheben und sie in eine neue Zukunft bringen. Zu ihrem großen Bedauern konnte sie die Zeremonie nicht einfach schwänzen, doch sie würde versuchen, während der Feier sang- und klanglos zu verschwinden. Sie wollte sich nicht von jedem verabschieden müssen - und schon garnicht von Chiaki. Sie wusste, dass dieser Abschied ihr Herz in weitere tausend Stücke zerreißen würde. Und auf der anderen Seite hatte sie zu sehr Angst, dass sie es sich doch noch anderes überlegen könnte oder ihm in ihrer Melancholie doch noch von ihrer Schwangerschaft erzählen würde. Von ihrem gemeinsamen Kind. Etwas erschöpft sah sie sich in der Wohnung um, die sie in den letzten Monaten ihr Zuhause genannt hatte. Überall standen beschriftete Kartons herum, in denen sie all ihr Hab und Gut verstaut hatte. Derzeit war sie dabei, noch die letzten Gegenstände wie zum Beispiel ihr Geschirr in Pappkartons unterzubringen. Während sie sich bereits auf dem Weg nach Berlin befinden würde, würde Rinako noch einige Tage in Momokuri verbringen und dafür sorgen, dass der Umzugsservice alle Sachen abholte und ja nichts vergaß. Für die Rothaarige war es keine Frage gewesen, dass sie ihrer besten Freundin diesen Gefallen tun würde. Sie hatte vollstes Verständnis dafür, dass die Schwangere alles so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, um sich endlich voll und ganz auf die Schwangerschaft konzentrieren zu können. Das war bisher leider viel zu kurz gekommen. Sobald alle Möbel und Kartons abgeholt waren, würde sie der 25-jährigen nach Deutschland folgen und ihr dabei helfen, die Wohnung einzurichten, in der sie hoffentlich ein neues Leben beginnen konnte. Als alleinerziehende Mutter gemeinsam mit ihrem Kind. Jeden Abend betete Rinako dafür, dass das Baby, wenn es endlich geboren sein würde, Maron den Trost geben würde, den diese brauchte, um alles Geschehene zu vergessen. Um Japan zu vergessen. Um Chiaki zu vergessen. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, als Freundin gescheitert zu sein. Dass sie Maron nicht hatte helfen können, ihr wahres Glück zu finden. Dass sie nicht das erfüllen konnte, was sie sich zur Aufgabe gemacht hatte, als sie sich nach dem verhängnisvollen Anruf auf den Weg nach Momokuri gemacht hatte. Sie hatte wirklich alles versucht, um die brünette Schönheit zur Vernunft zu bringen, doch all ihre Versuche waren fehlgeschlagen. Und langsam aber sicher musste auch sie sich eingestehen, dass es keine Hoffnung mehr gab, alles in Ordnung zu bringen. Nun war es zu spät. Unwiderruflich... Kritisch betrachtete sich Chiaki im Spiegel und drehte sich von einer Seite zur anderen. Miyako hatte ihn gezwungen, am Tag vor der Hochzeit noch einmal mit dem Anzug zum Schneider zu gehen, damit dieser im Notfall noch ein paar letzte Änderungen vornehmen konnte. Völlig überflüssig, wie er selbst fand, aber Miyako wollte, dass es die perfekteste Hochzeit werden würde, die jemals auf Erden stattgefunden hatte. Diese Planungen in den letzten Wochen hatten ihn fast um den Verstand gebracht. Oft hatte er sogar freiwillig Überstunden im Krankenhaus geschoben oder hatte die Abende in Access`Bar verbracht, um sich dieses Gerede um die Trauung nicht länger anhören zu müssen. Er war mittlerweile einfach nur noch froh, wenn er das alles hinter sich hatte. Die ganzen Planungen, die völlig übertriebene Hochzeitsfeier und natürlich der Abschied von Maron. Miyako hatte ihm mehrfach erzählt, dass diese auf alle Fälle zur Hochzeit kommen würde. Der junge Arzt hatte lange gehofft, dass es nicht so sein würde. Weniger weil es für ihn selbst unangenehm werden würde, sondern mehr weil er sich vorstellen konnte wie schlimm es für seine ehemalige Geliebte sein musste. Wie stand sie das nur durch? Alleine der Gedanke daran, dass er zusehen müsste, wie Maron vor seinen Augen einen anderen Mann heiratete, machte ihn schon rasend. Auch wenn er sich immer und immer wieder einredete, dass es an der Zeit war, sie gehen zu lassen, hing er doch nach wie vor an dieser wunderschönen Frau. Ob sich das jemals ändern würde, bezweifelte er stark, aber wichtiger war, dass sie nicht mehr unter ihm und der ganzen Situation leiden musste. Mehr wollte er nicht. Und wenn das bedeutete, dass er sie wohl nie wieder sehen würde, dann musste er es akzeptieren und ihrem Weg zurück zum Glück nicht im Weg stehen. Er hatte schon zu viel zerstört... „Ich glaube, es sitzt noch alles“, stellte er nüchtern fest. Diese Bemerkung ging an seine Mutter Hana, die sich von dem roten Sofa erhob und auf ihn zukam. Auch sie betrachtete ihn einige Momente im Spiegel, strich über die Schulterpartien und nickte anerkennend. „Ich hatte auch nichts anderes erwartet.“ Dann herrschte Stille zwischen den beiden. Auch wenn es nun schon einige Zeit her war, so beschäftigte die Frau noch immer das, was sie auf der Verlobungsfeier beobachtet hatte. Lange hatte sie darüber nachgedacht, wie sie dieses Thema bei ihrem Sohn ansprechen sollte. Einerseits blockte er bei solchen Themen immer ab und auf der anderen Seite hatte sich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt ergeben, um mit ihm darüber zu sprechen. Das lag unter anderem auch daran, dass er mittlerweile kaum einen Schritt machen konnte, ohne dass Miyako an ihm klebte. Fast so, als hätte sie Angst, dass eine andere Frau, ihn ihr noch wegnehmen könnte. Und so, wie Hana das beurteilen konnte, war diese Angst vielleicht nicht ganz unbegründet. Kurz grübelte sie, ob vielleicht genau jetzt der Moment gekommen war, ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen. „Chiaki, könnten wir uns vielleicht kurz unterhalten?“ Dem 26-jährigen war sofort der veränderte Tonfall in der Stimme seiner Mutter aufgefallen. Es musste ihr wirklich wichtig sein, normalerweise ließ sie keine Gefühlsregungen erkennen. „Von mir aus.“ „Bist...bist du glücklich?“ Zögerlich drehte sich der werdende Bräutigam um und sah seine Mutter irritiert an. Auch wenn es sich ein bisschen hart anhörte, aber noch nie hatte sich Hana bei ihm erkundigt, ob er glücklich sei. „Mutter, ich werde Miyako morgen heiraten!“ „Ich weiß, aber das beantwortet nicht meine Frage!“ „...“ Der Blauhaarige fand es besser, erst einmal zu schweigen. Seit Maron in sein Leben getreten war, sträubte sich etwas in ihm zu sagen, dass er Miyako aufrichtig liebte. Seit Maron wusste er seine Gefühle nicht mehr einzuordnen. Und er würde einen Teufel tun, etwas zu sagen, nur weil andere es von ihm erwarteten. Er hatte schon oft darüber nachgedacht, warum er Miyako nicht einfach verließ. Er kam jedes Mal zu dem selben Entschluss: Er hatte ihr damals im Krankenhaus ein Versprechen gegeben, das ihn auf irgendeine Weise an sie band. Er glaubte, ihr etwas schuldig zu sein, hätte sie bei dem Unfall genau so gut auch sterben können. Und es wäre seine Schuld gewesen. „Vielleicht geht mich das auch gar nichts an, aber ich muss es jetzt einfach wissen: Was ist zwischen dir und Maron passiert?“ Chiaki wusste sofort, dass sie auf den Abend anspielen wollte, an dem sie die beiden mehr oder weniger umschlungen in seinem alten Zimmer vorgefunden hatte. „Was spielt das denn noch für eine Rolle, Mutter?“ „Eine große Rolle! Ich...ich glaube, einen fatalen Fehler gemacht zu haben, Chiaki!“ „Nicht du hast den Fehler gemacht...“ „Doch, das habe ich. Kannst du dich noch an dieses Bankett erinnern? Maron war an diesem Abend so wunderschön und es war nicht zu übersehen, welche bewundernden und liebevollen Blicke sie dir zugeworfen hat. Ich habe es mit der Angst zutun bekommen. Ich hatte Angst, dass sie versuchen würde, dich zu verführen und somit die Hochzeit zu gefährden. Dabei habe ich garnicht darauf geachtet, wie glücklich du gewirkt hast! Ich glaubte, dass ihre Gefühle einseitig seien und habe sie zur Rede gestellt. Ich wollte ihr bewusst machen, dass du an Miyakos Seite gehörst und sie sich nichts auf ihre Gefühle einbilden sollte.“ Erst jetzt begann Chiaki zu verstehen, was damals an diesem Abend geschehen war. Warum seine Geliebte auf einmal so aufgelöst war und sich von ihm trennen wollte. Er hatte damals sofort im Gefühl gehabt, dass etwas geschehen sein musste, das sie derart aus der Fassung gebracht hatte. Maron hatte ihm nie etwas von diesem Gespräch erzählt. Aber auch das war jetzt völlig bedeutungslos. „Und warum erzählst du mir das jetzt? Ich werde morgen heiraten, mein Entschluss steht.“ „Weil ich gemerkt habe, dass ich falsch gehandelt habe. Da gibt es noch etwas...“ Noch immer zeigt sich der Blauhaarige völlig unbeeindruckt und konzentrierte sich scheinbar auf die Passform seines Anzuges. Was sollte ihn denn auch jetzt noch schockieren können? „Und das wäre?“ „Ich habe es Miyako verraten.“ Interessiert konnte er sich doch noch dazu durchringen, seine Mutter gespannt anzusehen. „Was hast du ihr verraten?“ „Dass Maron Interesse an dir zu haben scheint. Ich dachte, es wäre das Richtige, doch ich habe mich geirrt. Es war kein Zufall, dass Maron auf die Verlobungsfeier eingeladen war. Sie war zuerst nicht eingeplant, doch Miyako wollte ihr zeigen, dass du ihr Verlobter bist und sie keinerlei Chancen mehr auf dich hätte. Ich war nicht dabei, aber aus Miyakos Erzählungen konnte ich heraushören, dass sie bei ihr zu Hause gewesen sein muss. Dort scheint es ein unangenehmes Gespräch gegeben zu haben.“ Gespannt sah sie in die wunderschönen Augen ihres Sohnes, deren Ausdruck auf einmal wieder trüb und leer geworden war. Ungeduldig wartete sie darauf, dass er ihr eine Antwort geben würde – doch diese blieb aus. Das war wohl der Moment, in dem sie feststellte, wie wichtig ihm diese Frau sein musste. Und sie, seine eigene Mutter, hatte es nicht bemerkt. Vielleicht sogar nicht wahrhaben wollen. Und hatte selbstsüchtig das Glück zerstört, auf das er so lange gewartet hatte. Es schmerzte sie, ihren einzigen Sohn so unglücklich zu sehen. „Chiaki...du musst das morgen nicht durchziehen. Noch kannst du alles absagen.“ Nie hatte Hana geglaubt, dass ihr diese Worte einmal über die Lippen kommen würden. „Und dann?“ Chiakis Worte waren nüchtern. Keinerlei Gefühlsregungen waren an ihm zu erkennen. Er war alles andere als der glückliche Bräutigam, den man sich am Tag vor der Hochzeit vorstellen würde. „Und dann kannst das tun, was dich wirklich glücklich macht.“ „Glaub mir, dafür ist es zu spät. Auch ich habe Fehler gemacht, von denen ich mir wünschen würde, ich hätte sie niemals begangen.“ „Und weißt du, was ich mir wünsche? Dass ich dich selbst einmal gefragt hätte, was du dir unter Glück vorstellst.“ Kurz sah er ihr in ihre feuchten Augen. So emotional hatte er Hana noch nie erlebt. Aus ihm jedoch waren alle Emotionen gewichen. Er fühlte nichts mehr. „Lass es gut sein, Mutter.“ Damit machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Umkleidekabine. Zurück blieb Hana, deren Schuldgefühle von Sekunde zu Sekunde wuchsen. Noch sehr verschlafen öffnete Maron ihre braunen Augen und musste sich erst einmal an das helle Licht gewöhnen. Sie musste doch tatsächlich eingeschlafen sein! Ein Blick auf ihr Handy verriet ihr, dass es bereits später Nachmittag war. Nach der kleinen Diskussion mit Rinako hatte diese sie gezwungen, sich wenigstens für eine halbe Stunde auf die Couch zu legen und mal ein bisschen durchzuatmen. Je näher der Abschied und der Umzug rückten, umso fürsorglicher wurde die Rothaarige. Das lag vielleicht auch an dem letzten Termin bei der Frauenärztin. Der Ultraschall zeigte zwar, dass es dem Baby soweit gut ging und es sich völlig normal entwickelte, doch selbst Frau Akima, die Ärztin, hatte sofort bemerkt, dass die junge Mutter sich mehr Stress aussetzte, als gut für sie und die Schwangerschaft war. Seitdem hatte Rinako ein noch schärferes Auge auf sie. Ständig versuchte sie zu kontrollieren, dass Maron sich zwischendurch immer mal wieder ausruhte und nicht zu schwere Dinge hob, was bei einem anstehenden Umzig wirklich nicht einfach war. Die Brünette hatte schon des Öfteren darüber nachgedacht, ob das Verhalten ihrer besten Freundin ein bisschen übertrieben war. Doch auf der anderen Seite tat es ihr gut zu wissen, dass es jemanden gab, der sich Sorgen um sie und das Baby machte. Wenn es schon der eigentliche Kindsvater nicht tat... Nichts desto trotz hatte sie wertvolle Zeit verloren, in der sie noch ein paar letzte Sachen hätte einpacken können. Der Koffer, den sie für den Flug benötigte, lag geöffnet auf dem Fußboden. Morgen würde sie darin noch den Föhn und ihren Kulturbeutel verstauen. Umziehen konnte sie sich nach der Trauung auch noch am Flughafen. „Na, Schlafmütze? Bist du auch mal wieder wach?“ Verschmitzt lächelnd betrat Rinako das Wohnzimmer. „Warum hast du mich nicht geweckt?“ „Ich dachte, dass dir ein bisschen Schlaf mal richtig guttun könnte.“ Die junge Frau wusste, dass die Schwangere nachts nur sehr wenig schlief, da sie keine Ruhe fand. Jede Nacht konnte sie ihr Schluchzen hören, das sie versuchte, mit Kissen zu dämpfen und doch blieb es nicht unbemerkt. „Was willst du eigentlich heute Abend machen, Maron? Wir könnten Fynn anrufen und uns einen lustigen Film im Kino ansehen.“ Rinako war sich voll und ganz bewusst, dass Maron auf sowas sicher keine Lust hatte und doch hoffte sie, sie dazu bewegen zu können, einmal das Haus zu verlassen und sich von ihren Sorgen abzulenken. „Weißt du, ich hatte eigentlich geplant, den Abend mal ganz alleine zu verbringen. Ich geh ein bisschen spazieren und setze mich dann an einen ruhigen Ort, um einfach mal den Kopf freizubekommen. Aber du kannst gerne etwas mit Fynn unternehmen. Sie würde sich sicher freuen.“ „Du weißt, was ich davon halte, Maron!“ Liebevoll lächelte die Brünette. Einerseits machte sich ihre Freundin Sorgen darüber, dass sie ganz alleine unterwegs sein würde und auf der anderen Seite, dass sie zu sehr in ihrer Trauer versinken würde. Sie hatte Angst, dass sie noch Depressionen bekam. „Mach dir mal keine Sorge. Ich schick dir auch zwischendrin ein paar SMS, wo ich bin und dass es mir gut geht, okay? Ich bin doch ein großes Mädchen.“ „Ein unvernünftiges, großes Mädchen!“ Die Rothaarige versuchte, streng auszusehen, doch bei dieser Frau schaffte sie es einfach nicht. Maron wusste das und musste tatsächlich ein bisschen lachen. „Dann sei bitte so lieb und nimm wenigstens das Pfefferspray mit, okay?“ „Mach ich und du versuchst bitte, nicht die ganze Zeit an mich zu denken und dir einen schönen Abend mit Fynn im Kino zu machen, okay?“ Auch Rinako konnte sich bei dieser Bemerkung ein Lächeln abringen und hatte auf einmal das Bedürfnis, ihre beste Freundin zu umarmen. Maron war im ersten Moment etwas verwundert, erwiderte die Umarmung dann aber sehr gerne. Was wäre nur aus ihr geworden, wenn Rinako ihr nicht zur Seite gestanden hätte? Eilig rannte Miyako durch die Wohnung und packte immer wieder einige Dinge in einen kleinen Koffer. Sie schien bei bester Laune zu sein, zierte ihr Gesicht doch ein herzliches Lächeln. Chiaki saß währenddessen nur unbeeindruckt auf dem Sofa und sah dem Treiben seiner Verlobten zu. Sie wollte sich an die Tradition halten, die besagte, dass Braut und Bräutigam die letzte Nacht vor der Vermählung getrennt verbringen mussten. Sie würde sich also einen schönen Abend mit ihren Freundinnen in einem der teuersten Hotels in der Stadt machen und er? Vermutlich würde er eine Zeit lang alleine in seiner Wohnung bleiben und wieder und wieder über alles nachdenken. Nachdem er wieder in seinem schlechten Gewissen versunken war, würde er sich auf den Weg zu Access' Bar machen und ein Bier nach dem anderen trinken. Das hörte sich wirklich nach einem realistischen Plan an. Nicht unbedingt positiv, aber realistisch. Mit einem Ausruf des Triumphes verkündete die junge Frau, dass sie nun alle Sachen beisammen hatte und für die Abreise bereit war. „Dann...wünsche ich dir einen schönen Abend!“, log Chiaki mit einem übertriebenen Lächeln. Er fragte sich jedes Mal aufs Neue, wie ihm Miyako glauben konnte, dass es sich tatsächlich um ehrliche Freude handelte. „Den werde ich auf alle Fälle haben, mein Lieber! Ich würde vorschlagen, dass du heute mal ein bisschen früher ins Bett gehst, findest du nicht? Du siehst in letzter Zeit doch sehr erschöpft aus und das macht sich auf den Hochzeitsfotos sicher nicht gut.“ „Vielleicht hast du Recht.“ „Natürlich habe ich Recht! Schlaf gut, wir sehen uns dann morgen am Altar. Ich bin die im weißen Kleid.“ Freudestrahlend drückte sie ihm einen langen Kuss auf die Lippen, schnappte sich ihren kleinen Rollkoffer und verschwand aus der Wohnung.“ Chiaki blieb alleine zurück. Seufzend fuhr er sich durch die Haare und ließ sich wieder auf das Sofa fallen. Innerhalb von Sekunden drifteten seine Gedanken ab – zu der Frau, die ihm seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Hätte der Blauhaarige es sich nicht direkt wieder auf dem Sofa bequem gemacht, sondern hätte seiner Bald-Ehefrau am Fenster nachgesehen, wäre er wohl etwas stutzig geworden. Das Hotel, in dem Miyako angeblich ihre letzte Nacht vor der Hochzeit mit ihren Mädels verbringen wollte, lag fast am Stadtrand von Momokuri. Sie hätte von dem Häuserblock nur rechts abbiegen müssen und der langen Straße folgen. Stattdessen lief sie nach links, wo sie schnell in eine Seitengasse verschwand und durch einige Straßen der Stadt lief. Sie hatte ein klares Ziel, zu einem Hotel würde ihr Weg sie aber nicht führen. Und auch ihre Freundinnen würden dort nicht auf sie warten, wie sie es Chiaki hatte weismachen können. Kurz dachte sie noch über ihren Verlobten nach, der schon morgen ihr Ehemann sein würde. Wann war er nur so einfältig geworden? Sie hätte ihm alles erzählen können, er würde nichts hinterfragen. Deswegen würde er auch nie hinter ihr Geheimnis kommen, das sie schon seit einiger Zeit geheim halten konnte, ohne Misstrauen zu erwecken. Nie hätte sie geglaubt, dass sie so ein einfaches Spiel haben würde. Da sie Chiaki selbst dafür verantwortlich machte, hielt sich ihr schlechtes Gewissen dementsprechend in Grenzen. Vielleicht hätte sie sich ja nie zu diesem Schritt entschlossen, wenn ihr Verlobter mehr Interesse an ihr gezeigt hätte. Doch noch nicht einmal die Hochzeitsvorbereitungen hatten seine Einstellung ändern können. Doch daran konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern, vielleicht wird ihn das Eheleben ja zur Vernunft bringen. Etwa zwanzig Minuten lief Miyako durch die Straßen und Gassen ihres Heimatortes bevor sie vor einem großen Gebäudekomplex zum Stehen kann. Ein verschmitztes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, bevor sie in die Eingangshalle trat. Mit dem Aufzug fuhr sie voller Vorfreude hinauf in den zehnten Stock. Nachdem sie ausgestiegen war, folgte sie dem Flur, bis sie vor der letzten Tür im hinteren Teil stand. Grinsend drückte sie auf den Klingelknopf, bevor sie sich verführerisch an den Türrahmen lehnte und darauf wartete, dass ihr geöffnet wurde. Schon nach wenigen Sekunden konnte sie eilige Schritte hören, die sich näherten. Im nächsten Moment wurde die Eingangstür aufgerissen. Vor der 25-jährigen stand – wie nicht anders zu erwarten – ein grinsender Yamato. Er hatte sich schon den ganzen Abend auf diesen Besuch gefreut. Deshalb wollte er auch keine Zeit verlieren. Stürmisch zog er seine Geliebte in die Wohnung, schloss die Tür hinter sich und drückte ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. „Guten Abend, schöne Frau“, flüsterte er in ihr Ohr. Miyako musste kichern. Ihr gefielen diese kitschigen Komplimente. Von ihrem eigenen Verlobten bekam sie ja schon lange keine mehr. „Du hast dich ja anscheinend sehr auf mich gefreut.“ „Das habe ich in der Tat. Wie bist du Chiaki losgeworden?“ „Was heißt hier 'loswerden'? So desinteressiert wie er im Moment ist, würde er noch nicht einmal bemerken, wenn ich eine ganze Woche verschwinden würde.“ „Ich kann nicht verstehen, was du an ihm findest.“ Der Unterton in Yamatos Stimme ließ erahnen, welche Meinung er von dem Blauhaarigen hatte. In seinen Augen war er nur ein aufgeblasener, einfältiger Idiot, der nicht zu schätzen wusste, was er hatte. Mal sehen, ob er jemals etwas von der Affäre mitbekommen würde und wenn ja, wie er wohl reagieren würde. Insgeheim hoffte der Braunhaarige, dass er es herausfand, dann müsste er Miyako nicht länger mit diesem Arschloch teilen... „Bitte, Yamato, das Thema hatten wir doch schon.“ Das war leider wahr. Da er sich den Abend aber nicht mit derart düsteren Gedanken zerstören wollte, zögerte er nicht mehr lange, sich leidenschaftlich dem Hals seiner Liebschaft zu widmen. „Und du bist dir wirklich sicher, dass du nicht mitkommen möchtest? Wir würden uns sehr freuen.“ Rinako war dabei, ihre Jacke anzuziehen, da sie sich schon in zehn Minuten mit Fynn am Kino treffen würde. „Ja, ganz sicher. Macht ihr euch einen schönen Abend, ich will euch wirklich nicht die Stimmung verderben.“ Der besten Freundin der Brünetten war in der Tat die schlechte Stimmung von Maron aufgefallen, die sich nicht zu bessern schien, je näher die Abreise rückte. Auch wenn ihr ein bisschen Ablenkung guttun würde, konnte sie nur zu gut nachvollziehen, dass sie keine Lust hatte, ins Kino zu gehen und gute Laune vortäuschen zu müssen. „Dann pass bitte auf dich auf, was auch immer du heute vorhast.“ „Natürlich und jetzt beeil dich, sonst kommst du noch zu spät.“ Eine schnell Umarmung und damit war die Rothaarige aus der Wohnung verschwunden. Maron blieb noch einige Augenblicke unschlüssig in dem Flur stehen. Sie war wirklich dankbar um die Ruhe, die jetzt eingekehrt war. Sie war unglaublich froh, dass Rinako nach Momokuri gekommen war, um ihr zu helfen und darauf zu achten, dass sie nicht in Depressionen verfiel, doch auch sie wünschte sich ab und an Ruhe und Einsamkeit. Sie fühlte sich schon die ganze Zeit sehr träge und erschöpft. Dennoch hatte sie sich schon den ganzen Tag über, ihren letzten Abend in Japan gedanklich zurechtgelegt. Dafür streifte sie sich in ihrem Schlafzimmer einen warmen Pullover über, der die Wölbung an ihrem Bauch optisch komplett verschwinden ließ und gleichzeitig warm hielt. Warme Socken mit Stiefeln und vorsichtshalber noch einen Mantel sollten die Kälte abhalten. Anschließend verstaute sie noch zwei Decken sowie eine Thermoskanne mit Tee in einem Korb. Ihr Handy trug sie in einer kleinen Umhängetasche mit sich, um Rinako immer mal wieder eine SMS zu schreiben, dass es ihr gut ginge und sie sich keine Sorgen machen müsse. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie alle Lichter ausgemacht hatte, machte sie sich auf den Weg in den Aufzug, der sie quälend langsam in das Erdgeschoss transportierte. Vor dem Gebäude, schlug ihr die kühle Abendluft wohltuend entgegen. Mit einem mal fühlte sie sich, als würde sie gerade ein Gefängnis verlassen, in das sie sich viel zu lange zurückgezogen hatte. Die Straßen des Örtchens waren um diese Uhrzeit bereits wie leergefegt. Vereinzelt saßen noch ein paar Personen in den romantischen Cafés in der Nähe der Promenade. Mit langsamen Schritten ging Maron an diesen vorbei. Sie hatte sich für ihre komplette Umgebung verschlossen. Wollte nichts wahrnehmen, was um sie herum geschah. Keine verliebten Pärchen, keine vergnügten Jugendlichen, die froh waren, endlich Wochenende zu haben – sie hörte nichts, sah nichts, nahm nichts wahr. Stur verfolgte sie den Weg, bis sie den Ort erreichte, an dem sie nur alleine sein wollte, um ihren Gedanken nachzuhängen. Der Strand von Momokuri war zwar nicht groß, doch für Maron hatte er eine enorme Anziehungskraft. Vor allem jetzt, da sich niemand mehr dort befand, der sie in ihrer eigenen kleinen Welt hätte stören können. Bereits als junges Mädchen und als Jugendliche hatte sie viel Zeit hier verbracht. Am Anfang gemeinsam mit ihren Eltern, als ihre Familie noch intakt und glücklich war. Später war sie hier her gekommen um Ruhe vor den Streitigkeiten mit ihrem Vater zu finden. Oft hatte sie stundenlang nur dagesessen und gar nicht den Drang verspürt, wieder nach Hause zurückzukehren. Takumi, ihr Vater, hatte sich dafür ohnehin nicht interessiert. Es hatte nicht lange gedauert und die Wege von Vater und Tochter hatten sich getrennt. Er war in die USA verschwunden, sie blieb alleine zurück und versuchte, ihre verkorkste Kindheit und Jugend zu verarbeiten. Kurz danach war sie auch schon nach Tokio gezogen. Seit die Brünette wieder in Momokuri war, hatte sie nicht einmal die Kraft aufgebracht, den Strand zu besuchen. Die Wellen rauschen zu hören, den Sand wieder unter ihren Füßen zu spüren. Vielleicht weil sie Angst hatte, dass alle alten Gefühle wieder in ihr hochkamen. Jetzt, da sie wieder an diesem noch immer sehr vertrauten Ort stand, erkannte sie, dass all ihre Sorgen unbegründet gewesen waren: Er vermittelte ihr auch nach all den Jahren ein Gefühl des Trostes und der Ruhe. Langsam kam sie dem rauschenden Meer Schritt für Schritt näher. Obwohl es den Tag über sehr warm gewesen war, war der Sand bereits wieder kühl, was Maron aber nur sehr wenig ausmachte. Circa 5 Meter vor dem kühlen Nass breitete sie ihre Picknickdecke aus, setzte sich auf diese und starrte hinaus in die Ferne. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte Chiaki auch diesen Abend in Access' Bar verbracht. Auch wenn es ihn wunderte, war es das erste Mal gewesen, dass das Thema nicht auf Maron gefallen war. Wenn er ehrlich sein sollte, war er sehr froh darüber. Wie sollte er sie vergessen können, wenn er immer wieder auf sie angesprochen werden würde? Sie beherrschte ohnehin Tag und Nacht seine Gedanken und daran würde sich auch so schnell nichts ändern. Ehrlich gesagt konnte er sich noch nicht einmal vorstellen, dass es jemals so sein würde. Mit einem einzigen Zug trank er den Rest seines Bieres aus und erhob sich dann von dem Barhocker, auf dem er den ganzen Abend gesessen hatte. „Willst du wirklich schon gehen?“, fragte Access, der gerade ein Bier für einen anderen Kunden zapfte. „Ja, das wird morgen ein harter Tag. Vielleicht solltest du das Arbeiten heute auch deinen Angestellten überlassen. Immerhin bist du mein Trauzeuge, für dich wird das Ganze nicht weniger anstrengend.“ „Wem sagst du das“, nuschelte dieser noch. Grinsend nahm der Blauhaarige seine Jacke von der Garderobe und zog sie sich an. Fast hätte er bei der Aussage seines besten Freundes laut aufgelacht. Zwar hatte Access schon damit gerechnet, dass er als Trauzeuge ausgesucht werden würde, aber alleine der Gedanke, einen Anzug tragen zu müssen machte ihn wahnsinnig. Mal ganz davon abgesehen, dass er absolut nicht mit der Braut einverstanden war. Mit einem letzten Gruß verabschiedete sich der 26-jährige und verließ die Bar. Draußen schlug ihm der kühle Wind entgegen. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schwül und stickig es drinnen gewesen war. Einige Momente stand er einfach so da und atmete tief ein und aus, dann setzte er sich langsam in Bewegung. Er hatte noch gar nicht vor, schon nach Hause zu gehen. Er würde sowieso nur auf dem Sofa sitzen, irgendwelche blöden Fernsehsendungen schauen und Trübsal blasen. Dann konnte er genauso gut auch einfach noch ziellos durch die Stadt laufen und sich ein bisschen ablenken. Nach einer ganzen Zeit, er hatte schon sämtliches Zeitgefühl verloren, erreichte er die Promenade. In Gedanken versunken lehnte er sich an das Geländer und starrte auf das Meer. In diesem Moment fiel ihm auf, dass er schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr hier gewesen war. Wie denn auch? Er hatte einen harten Job, in dem er lange arbeitete und viel Freizeit blieb ihm da auch nicht. Er wusste, dass Miyako den Strand häufig mit ihren Freundinnen besuchte. Das war nicht gerade die Gesellschaft, die er sich erhoffen würde. Diese gackernden Hennen waren doch wirklich sehr anstrengend. Als er seinen Blick durch die Nacht schweifen ließ, blieb sein Blick an einer Person hängen, die alleine am Strand saß und ihren Gedanken nachzuhängen schien. Warum war er eigentlich nicht auf eine solche Idee gekommen? Er wandte seinen Blick wieder ab und blickte auf das Meer. Doch schon wenige Sekunden später zog es ihn wieder zu der einsamen Person. Warum das so war, konnte er nicht sagen. Vielleicht, weil der Anblick eine Ruhe ausstrahlte, die sofort auf ihn überzugehen schien. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Person, die er in der Dunkelheit nur schwer erkennen konnte, ihn irgendwie an Maron erinnerte. Zierliche Gestalt, wellige lange Haare. Konnte es wirklich sie sein? Maron konnte nicht sagen, wie lange sie schon da saß, aber das spielte auch überhaupt keine Rolle. Sie genoss die Stille und fühlte sich zum ersten Mal seit Monaten wieder frei von Sorgen und Problemen. Mittlerweile hatte sie sich in die zweite Decke eingewickelt, die sich in ihrem Korb befunden hatte. Der kühle Wind streichelte ihr Gesicht und verursachte trotz des Pullovers eine Gänsehaut auf ihren Armen. Der Sommer neigte sich dem Ende zu und der Herbst kündigte sich an. Eine wunderschöne Jahreszeit, wie sie fand. Sie bekam fast nicht mit, dass auf einmal eine große Person neben ihr stand. „Darf ich?“ Sie erschrak zwar einen kurzen Moment, musste ihren Kopf aber noch nicht einmal anheben, um zu wissen, wer es war. Stattdessen musste sie ein bisschen Schmunzeln, als sich Chiaki neben sie setzte, ohne auf eine Antwort zu warten. „Ich hätte eigentlich damit rechnen müssen, dass du mich wieder finden würdest.“ Ihre Worte klangen keineswegs wütend oder genervt, vielmehr war sie belustigt und ruhig. Eine Tatsache, die nicht nur Chiaki, sondern auch Maron selbst verwunderte. Sie konnte nicht genau sagen, woran das lag, aber sie war im Moment in keinster Weise in Stimmung, zu streiten oder die Probleme wieder aufkommen zu lassen, wollte die Ruhe nicht zerstören. „Ich muss zugeben, dass es sich diesmal tatsächlich um einen Zufall handelt.“ „Und wie kommt es, dass du dich um diese Uhrzeit hier herumtreibst?“ Während sie sprach, blieb ihr Blick immer noch an dem Meer hängen. „Dasselbe könnte ich dich auch fragen, aber ich war mal wieder bei Access, ihr dürftet euch schon kennengelernt haben.“ „Ja, den kenne ich. Er scheint ein echt netter Kerl zu sein.“ „Nett ja, aber völlig durchgeknallt, wenn du mich fragst.“ Die Brünette musste bei dieser Aussage lachen. Genau so hatte sie sich den Lilahaarigen auch vorgestellt, besonders konventionell sah er jedenfalls nicht aus. „So schlimm wird es schon nicht sein.“ „Das sagst du so leicht. Seit er mit Fynn zusammen ist, hat er sich ein bisschen gebessert, aber du hättest ihn in der Schulzeit erleben müssen. Ich kann heute garnicht mehr sagen, wie oft wir zusammen nachsitzen mussten, weil er mich in irgendwas hereingezogen hat. Mein Vater war natürlich alles andere als begeistert, dass er ständig zum Direktor eingeladen wurde.“ Und dann begann er, die ganzen Geschichten über sich und Access zu erzählen, die ihm noch in Erinnerung geblieben waren. Maron amüsierte sich köstlich dabei, sie hätte seiner Stimme ewig lauschen können und er genoss es in vollen Zügen, ihr wunderschönes Lachen hören zu dürfen. Es war schon viel zu lange her, dass er sie so gut gelaunt gesehen hatte und er wusste, dass es ehrlich war. Es tat gut, dass sie beide wieder normal miteinander sprechen konnten. Jedenfalls für den Moment. Als er fertig war, herrschte wieder Stille. Keine unangenehme Stille. Beide genossen die gemeinsamen Momente. Es fühlte sich fast so an, als würden sie sich noch immer so nahe stehen, wie vor einigen Wochen. In Wirklichkeit waren sie sich jedoch unglaublich fern. „Wirst du wirklich gehen?“ Der 26-jährige wusste, dass er den Augenblick damit vielleicht zerstören könnte, aber er musste diese Frage loswerden, bevor es zu spät war. „Ja, das werde ich. Das hört sich fast so an, als würdest du mir nicht glauben.“ „Du weißt, dass ich dir alles glauben würde. Aber ich hatte gehofft, dass du dieses eine Mal lügen würdest... Sagst du mir wenigstens, wohin du gehst?“ Maron lächelte leicht, schüttelte dann aber ihren hübschen Kopf. „Es ist besser, wenn du das nicht weißt. Am Ende kommst du noch auf die blöde Idee, mich suchen zu wollen.“ Diesmal war es Chiaki, der ein verbittertes Lachen zustande brachte. „Da hast du wohl Recht“, wisperte er. Wieder vergingen einige Minuten, in dem sie sich einfach noch einmal nahe sein wollten. „Kann ich dich etwas fragen, Maron?“ „Natürlich.“ Der junge Mann musste erst einige Sekunden darüber nachdenken, wie er seine Worte am besten formulierte. „Immer wenn wir uns in den letzten Wochen begegnet sind, hast du mir immer wieder mehr als deutlich klar gemacht, dass dir meine Nähe nicht gefällt. Warum duldest du mich jetzt?“ Maron wusste ganz genau, was er meinte und doch brachte sie seine Frage ein bisschen aus der Fassung. Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen, hatte sie sich diese Frage doch schon selbst gestellt und keine Antwort finden können. „Das hört sich vielleicht ein bisschen komisch an, aber ich weiß es nicht so genau. Es war nie so, dass mir deine Nähe nicht gefiel, sie tat mir einfach nicht gut. Und da wir nun beide einen Neustart wagen werden, ist es vielleicht keine schlechte Idee, damit anzufangen, alte Probleme abzuwerfen. Immerhin werden wir uns wohl so schnell nicht mehr begegnen. Wir sollten uns einfach nicht mehr gegenseitig im Weg stehen.“ Wie immer traf sie diese Tatsache schwer, aber es konnte auch keiner von beiden leugnen, dass sie Recht hatte. Wieder bildete sich auf Chiakis Gesicht ein bitteres Lächeln. Wie hatte es nur so weit kommen können? Dann konnte er auf einmal fühlen, wie Maron ihm näher kam. Fast reflexartig legte er seine Arme um sie, die sofort die Gelegenheit nutzte, sich anzuschmiegen. Ab diesem Moment schien die Zeit still zu stehen. Keiner von beiden hatte erwartet, dass sie sich noch einmal so nahe kommen würden, aber sie waren dankbar für diesen Augenblick. Eine halbe Ewigkeit sagte keiner ein Wort, dann griff die junge Frau auf einmal nach seiner Hand. „Es wird langsam ziemlich kalt, lass uns nach Hause gehen.“ Stumm nickte er und stand nur widerwillig auf. Nachdem sie gemeinsam Marons Sachen eingepackt hatten, machten sie sich auf den Weg durch Momokuri zurück zu dem Wohnkomplex „Orléans“, in dem sie beide im Moment noch wohnten. Dabei liefen sie stets eng beieinander. Manchmal berührten sich ihre Hände, hin und wieder legte er seinen Arm um sie. Sie ließ es geschehen. Kurz bevor sie das Gebäude erreichten, blieben sie einige Meter entfernt in der Dunkelheit stehen und blickten aneinander an. Nervös griff er nach ihren Händen, schloss seine Augen und legte seine Stirn gegen die ihre. Jeder hatte das Gefühl, etwas sagen zu wollen, jedoch fehlten ihnen im Moment die Worte. Deshalb löste sich die Schwangere kurz, ging dann wieder näher auf ihn zu und legte wie in Zeitlupe ihre Lippen auf seine. Er erwiderte den Kuss sofort mit aller Leidenschaft, die er aufbringen konnte. Der Kuss war genau so schön wie jeder, den sie sich in ihrer gemeinsamen Zeit gegeben hatten und doch war er anders. Denn diesmal würde es der letzte sein. Als sie sich voneinander lösten, sahen sie sich tief in die Augen, während Maron mit ihrer Hand zärtlich über seine Wange strich. „Ich hoffe, dass du dein Glück findest. Es ist okay“, flüsterte sie. Es war keine Höflichkeitsfloskel, sie wünschte sich wirklich, dass er seinen Frieden mit allem schließen konnte. Außerdem würde es ihr eigenes Gewissen erleichtern, nicht im absoluten Streit mit ihm auseinandergegangen zu sein. „Das wünsche ich dir auch.“ „Schlaf gut.“ Ein letzter Kuss auf die Wange, dann verschwand sie im Gebäude. Er blieb noch eine ganze Zeit lang in der Dunkelheit stehen und blickte ihrer wunderschönen Gestalt nach. Kapitel 22: Hochzeitsglocken ---------------------------- Remember all the things we wanted Now all our memories, they're haunted We were always meant to say goodbye ... I want you to know That it doesn't matter Where we take this road Someone's gotta go And I want you to know You couldn't have loved me better But I want you to move on So I'm already gone Already gone – Kelly Clarkson Laut grummelnd zog sich Chiaki sein großes Kissen über den Kopf, in der Hoffnung, das nervtötende Klingeln der Haustür ausblenden zu können. Sein Vorhaben funktionierte leider überhaupt nicht: der Störenfried, wer auch immer es war, blieb hartnäckig. Mit einem genervten Seufzen schlug er die Decke nach hinten, schlenderte, nur in Boxershorts bekleidet, zur Tür und öffnete diese einen Spalt breit. Nur wenige Sekunden später drückte sich auch schon Access an ihm vorbei in die Wohnung. Im Moment war er noch gekleidet wie immer. Zerrissene Jeans, ein schwarzes T-Shirt, auf dem der Slogan irgendeiner Rockband prangte und seine ausgelatschten Chucks, die er dringend mal entsorgen sollte. Über seinem Arm jedoch hing ein großer Kleidersack, in dem er vermutlich seinen Anzug verstaut hatte. In der Tüte, die er ebenfalls mitgebracht hatte, befanden sich vermutlich die schwarzen Lackschuhe. „Access, was machst du schon hier? Hast du mal auf die Uhr geguckt?!“ „Was soll ich schon hier machen? Ich als dein Trauzeuge führe dich heute höchstpersönlich zur Schlachtbank.“ Die Formulierung des Barbesitzers war vielleicht ein bisschen unpassend, dennoch musste der junge Arzt ein wenig schmunzeln. „Ich weiß, dass du dich mit Miyako nicht verstehst, aber sie wird immerhin meine Frau werden.“ „Leider“, brachte der Lilahaarige zwischen knirschenden Zähnen hervor, während er den Kleidersack einfach über die Lehne des Sofas hängte. Chiaki entschied sich, diese Bemerkung einfach zu ignorieren. „Ich habe übrigens versucht, dich gestern Abend noch zu erreichen. Du hast deinen Geldbeutel in meiner Bar liegen lassen. Du bist aber weder an dein Handy noch an das Festnetztelefon gegangen.“ Wie auf Kommando zog er das Portemonnaie aus seiner hinteren Hosentasche und reichte es seinem besten Freund. „Danke, aber ich war gestern noch...ein bisschen unterwegs.“ Bei diesem Satz wurde Access hellhörig. Normalerweise druckste Chiaki nicht so herum, da musste doch etwas Interessantes dahinterstecken. In seinem Kopf bildete sich fast automatisch eine Idee, ob diese aber der Wahrheit entsprach, wusste wohl nur der Blauhaarige. „Unterwegs...soso. Und mit wem wenn ich fragen darf?“ „Ka-kann ich denn nicht auch mal a-alleine unterwegs sein?“ Damit hatte er sich endgültig verraten! Dieses Gestottere war nun wirklich mehr als nur verräterisch gewesen. „Ich fass es nicht! Sag mir bitte nicht, dass du dich mit Maron getroffen hast!“ „Naja...“ Mit beiden Händen fuhr sich Access durch sein Gesicht. Natürlich war er gegen die Hochzeit von Chiaki und Miyako und natürlich hatte er die ganze Zeit über gehofft, dass sein bester Freund und Maron sich noch zusammenraufen würden, aber dieses ganze Hin und Her war einfach nicht mehr auszuhalten! Vor allem tat dieses ganze Chaos niemandem gut. Chiaki machte sich wahnsinnig, Maron ging es wohl auch immer schlechter, er selbst konnte dieses ganze Gejammer nicht mehr ertragen und – Streit hin und her – gegenüber Miyako war es auch nicht fair. „Jetzt mal ganz langsam: du hast dich am Abend vor deiner Hochzeit mit deiner Ex-Liebschaft getroffen und du stehst trotzdem hier und willst Miyako heiraten?!“ „Weißt du...Maron und ich haben noch einmal miteinander gesprochen. Wir sind uns beide einig, dass wir endgültig getrennte Wege gehen sollten.“ Access blieb nichts anderes übrig, als einfach seinen Kopf zu schütteln. Das war doch einfach nicht zu fassen! Dass Chiaki einen an der Waffel hatte, war ihm ja schon mehrfach aufgefallen, vor allem als dieser sich gegen Maron und für Miyako entschieden hatte. Aber wie hätte er denn wissen können, dass Maron mittlerweile genauso verstrahlt war?! „Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass ihr beide das wirklich ernst meint, aber das muss ich jetzt wohl so hinnehmen. Aber da das Thema hiermit scheinbar endgültig abgeschlossen ist, würde ich vorschlagen, du gehst jetzt erstmal duschen. Miyako wird mir den Kopf abhacken, solltest du zu spät kommen!“ Anders als Chiaki war Maron schon seit einiger Zeit auf den Beinen. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum Schlaf finden können – es gab einfach zu viele Gedanken in ihrem Kopf, die ihr einfach keine Ruhe ließen. Außerdem musste sie jetzt noch zusätzlich mit der Gewissheit leben, dass dies wirklich ihr letzter Tag in Japan sein würde. Trotz wochenlanger Vorbereitungen, hatte sie noch immer Zweifel an ihrem Vorhaben gehabt und sicher hatte auch ein kleiner Teil in ihr gehofft, dass Chiaki sich noch gegen die Hochzeit mit Miyako entschied und sie auf Knien anflehte, bei ihm zu bleiben. Doch jetzt stand dieser Abschied unmittelbar bevor, den sie so sehr gefürchtet hatte. Andererseits war sie froh, noch einmal die Gelegenheit gehabt zu haben, mit ihm zu sprechen. Einfach zu reden und nicht zu streiten. Immerhin hatten beide noch Gefühle zueinander, das war ihr bewusst. Der vergangene Abend hatte ihre Schmerzen wenigstens ein wenig lindern können und gab ihr gleichzeitig die Hoffnung, dass sie beide endlich einander loslassen würden. Jeder wollte immerhin nur das Beste für den Anderen – auch wenn das eine Trennung auf ewig bedeutete. Da Rinako noch immer schlief, entschied sich die Schwangere, erst einmal zu duschen, das würde ihr sicher guttun. Ungefähr 45 Minuten später steckte Rinako ihren Kopf aus dem Gästezimmer. Maron saß bereits mit einer Tasse Tee am Tisch und hatte die letzten verbliebenen Essensreste aus dem Kühlschrank geholt, damit sie beide wenigstens etwas frühstücken konnten. Die Brünette war froh, dass sie überhaupt in der Lage war, so früh am Morgen etwas zu essen. Die Morgenübelkeit hatte ihr in den vergangenen Wochen wirklich sehr zu schaffen gemacht. Das hatte sich mittlerweile gebessert. Meistens konnte sie schon eine Scheibe Brot mit etwas Käse essen und übergeben musste sie sich auch immer seltener. Vor dem Heißhunger nach komischen Essenskombinationen war sie bisher weitestgehend verschont geblieben, obwohl sie sich hin und wieder dabei ertappte, mitten in der Nacht ein paar saure Gurken zu verschlingen. „Guten Morgen“, krächzte Rinako, als sie ihren Kopf aus dem Gästezimmer streckte. „Guten Morgen. Ist gestern wohl ein bisschen später bei dir geworden. Ich habe garnicht mitbekommen, wann du nach Hause gekommen bist.“ „Ja, nach dem Film sind Fynn und ich noch in einen Club gegangen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht so genau, wie spät es geworden ist.“ Maron musste unweigerlich lächeln. Sie freute sich, dass sich Rinako so gut mit Fynn verstand und offenbar einen schönen Abend hatte. Das Lächeln verschwand, als die Rothaarige das Wort an die junge Frau wandte. „Und wie war es bei dir gestern Abend?“ Kurz dachte die Brünette darüber nach, ob sie ihr die Wahrheit einfach verschweigen sollte. Sie wusste selbst, dass die Situation auch für Rinako mittlerweile sehr belastend geworden war. Doch andererseits kannte sie keiner so gut wie ihre beste Freundin und deshalb sollte sie auch ein Recht auf die Wahrheit haben. Also erzählte Maron - von der Begegnung mit Chiaki, von den Gesprächen, dem Kuss... Manchmal sammelten sich Tränen in ihren Augen, doch diesemal wollte sie diesen nicht die Chance geben, herauszukommen. Rinako hörte einfach nur zu. Ab und zu nickte sie, doch es kam keinerlei Reaktion von ihrer Seite. Nachdem die Schwangere fertig war, wartete sie einige Minuten vergeblich auf eine Antwort. Ihr war bewusst, dass sie diese Entscheidung ganz alleine getroffen hatte, und doch erhoffte sie sich eine Bestätigung von ihrer Freundin, dass sie richtig gehandelt hatte. „Glaubst du, dass es richtig war?“, hakte Maron zögerlich nach. Rinako sah die brünette Schönheit mit Tränen in den Augen an und griff nach ihrer Hand. „Maron...ich glaube, dass du dem vertrauen solltest, was du fühlst. Wenn es dir in dem Moment richtig erschien, dann solltest du aufhören, daran zu zweifeln. Ich wünschte nur, dass du diese Entscheidung...nie hättest treffen müssen.“ Jetzt hielt die beiden Freundinnen nichts mehr. Fast gleichzeitig sprangen sie von ihren Stühlen auf, fingen laut an zu schluchzen und fielen sich in die Arme. Als Chiaki zusammen mit Access an der Hochzeitslocation ankam, waren bereits einige Gäste anwesend, die Champagner tranken und sich mit allen möglichen Leuten unterhielten. Als Chiaki seine Runde drehte, um diese zu begrüßen, musste er leider feststellen, dass er viele der Anwesenden nicht kannte. Miyako musste wirklich Einladungen verschickt haben, wie eine Verrückte. Viele angesehene Ärzte, Akademiker, Polizeichefs. Es fühlte sich eher an wie ein großes Bankett, anstatt einer Hochzeit. In Wirklichkeit hatte er sich seine eigene Hochzeit immer anders vorgestellt. Kleiner, nur mit den Leuten, die ihm im Leben am wichtigsten waren. Das hatte er Miyako natürlich nie sagen können, also hatte er sich ihrem Willen gebeugt. Eines aber musste er seiner zukünftigen Frau lassen: Sie hatte diesen Park in einen tollen Platz für eine Hochzeitsfeier verwandelt. Auf dem gepflegten Rasen standen überall weiße Pavillons, sowie Stehtische. An jedem erdenklichen Platz standen wunderschöne Blumen, Männer in schneeweißen Anzügen gingen mit silbernen Tabletts durch die Gruppen und brachten den Champagner unter die Leute. Wenn man von der kleinen Anhöhe hinab sah, hatte man einen romantischen Blick auf einen großen Teich mit blühenden Seerosen und klarem Wasser. Ein wenig außerhalb der Gäste standen zwei große weiße Zelte, in die allerdings keiner der Anwesendne hineinsehen konnte. Der erste war nämlich für die Braut und ihre Brautjungfern gedacht. In dem zweiten sollte Chiaki die Gelegenheit haben, vor der Trauung noch einmal Haare und Anzug zu überprüfen. Miyako würde er selbstverständlich vorher nicht sehen. Sie war der Meinung, dass es Unglück bringen würde, wenn der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit sah. Auf der anderen Seite des Parks stand eine wunderschöne Kapelle. Bei diesem Anblick musste der Blauhaarige schwer schlucken. Dort würde er in weniger als zwei Stunden heiraten. Ein Gedanke, der ihm noch immer ein mulmiges Gefühl bereitete. An diesem Tag noch mehr als zuvor. Doch darüber konnte er sich jetzt keine Gedanken mehr machen. Immer mehr geladene Gäste trafen ein und kamen mit gefüllten Gläsern, um mit ihm anzustoßen und ihm dämliche Ratschläge für die Trauung und sein Eheleben zu geben. Auch jetzt noch gab es viele Personen, die er zuvor noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Er war fast erleichtert, als er seinen Vater und seine Mutter erblickte. Kaiki hatte scheinbar sehr gute Laune und kam sofort an, um seinen Sohn zu umarmen. Er redete wie ein Wasserfall und war in seiner Euphorie kaum zu bremsen. Hana war da ganz anders. Bereits als sie auf ihren Sohn zukam, wirkte sie verunsichert und ein wenig niedergeschlagen. Wagte es kaum, ihm in die Augen zu blicken. Letztendlich konnte sie sich doch ein leichtes Lächeln abringen, das nicht ganz überzeugend war, als sie Chiaki ebenfalls umarmte. Dieser konnte ihr nur in die Augen blicken und zunicken, um ihr zu symbolisieren, dass alles okay sei und sie nicht mehr daran denken sollte, was gewesen war. Tatsächlich entspannte sich Hanas Haltung ein wenig, doch noch immer trug sie das Gewicht ihres schlechten Gewissens auf den Schultern. Sie wurde einfach die Angst nicht los, ihren eigenen Sohn um sein Glück gebracht zu haben. Das könnte sie sich niemals verzeihen. Der Park füllte sich bereits, da trafen auch Rinako und Maron ein. Durch die vielen Leute wurde es bereits ein wenig unübersichtlich, also entschieden sich die beiden, einfach der Masse zu folgen. Maron trug ein schulterfreies, dunkelblaues Cocktailkleid. Schräg über die Brust verlief ein einzelner glitzernder Träger, unterhalb der Brust wurde das Kleid weiter. So hoffte sie, ihr kleines Babybäuchlein am Besten verbergen zu können. Ihre welligen Haare hatte sie locker nach oben gesteckt, ein paar einzelne Strähnen hatten sich bereits wieder gelöst. Wie immer trug sie ein dezentes Make-Up. Ihre vollen Lippen erstrahlten jedoch in einem knalligen Rot. Ihre Rothaarige Begleitung hatte sich für einen Jumpsuit in ihrer Lieblingsfarbe dunkelgrün entschieden. Dazu passende Schuhe und ein auffälliges Make-Up. Letztendlich kamen sie an der kleinen Anhöhe an. Das Bild der vielen Gäste und den weißen Pavillons war wirklich beeindruckend, das mussten sie zugeben. Es verging keine Minute, da wurden ihnen bereits mit Champagner gefüllte Gläser gereicht. Hilflos schaute die Brünette zu Rinako. Das ging ja schon super los, der Kellner hatte sie noch nicht einmal gefragt, ob sie etwas trinken wollte. Irgendwie musste sie die alkoholische Flüssigkeit wieder loswerden, Alkohol in der Schwangerschaft kam nicht infrage! Nervös schaute sie in die Menge, um zu sehen, ob sie beobachtet wurde. Dann ließ sie Schluck für Schluck in dem grünen Rasen versickern. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie allerdings nicht, dass ein Augenpaar sie genauestens beobachtete. Vergnügt quietschten die Brautjungfern auf, als sich Miyako endlich in ihrem Brautkleid präsentierte. Sie hatte sich für ein strahlend weißes Brautkleid im Meerjungfrauenstil entschieden, mit Spitze, Tüll und Herzausschnitt. Tatsächich schmeichelte das enganliegende Kleid ihrer großen, schlanken Figur. Die Stylistin hatte in ihre Haare ein paar Locken eingearbeitet, ein dezentes Make-Up und ein langer Schleier machten das Gesamtbild komplett. „Miyako, du siehst so wunderschön aus!“ Ihre Mutter Sakura hatte Tränen in den Augen, als sie ihre Tochter als Braut erblickte. Das Kleid stand ihr wirklich ausgezeichnet. In diesem Moment verspürte sie einfach nur das Bedürfnis, ihr Mädchen in den Arm zu nehmen. Kurz später musste sie sich auch schon verabschieden, da sie sich noch um eine paar Dinge bezüglich des Caterings und der Deko kümmern musste. Das gab den Brautjungfern wieder die Gelegenheit, die Lilahaarige zu umschwärmen und das traumhafte Kleid zu bewundern. Der Geräuschpegel verstummte als ein junger Mann das Zelt betrat. Yamato. Und Miyako wusste ganz genau, warum er hier war. „Mädels, würdet ihr uns bitte einen Moment alleine lassen?“ Mittlerweile hatte sich eine kleine Gruppe zu Maron und Rinako gesellt, bestehend aus Access mit Fynn sowie Kaiki und Hana. Trotz all der Anspannung versuchte Maron gute Laune vorzutäuschen. Ihrer Einschätzung nach funktionierte dies auch relativ gut, keiner machte den Eindruck, Zweifel an ihrer Ehrlichkeit zu haben. Die Stimmung schlug jedoch schlagartig um, als sich eine weitere Person mit in den Kreis stellte und Kaiki in ein Gespräch verstrickte. Chiaki. Ohne Kontrolle darüber zu haben, beschleunigte sich Marons Herzschlag, sodass sie ein heftiges Stechen in ihrer Brust spürte. Ihr Atem ging stoßartig, ihr wurde schlecht und schwindelig. Ohne sich über ihr Handeln Gedanken zu machen, machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte davon. Rinako folgte ihr in eiligen Schritten. Ihr Ziel war die kleine Jugendstilvilla, die sich ebenso auf dem Grundstück befand. Natürlich war Marons merkwürdiges Verhalten nicht unbemerkt geblieben. Chiaki und Kaiki sahen zwar kurz in die Richtung, in die sie verschwunden war, doch im nächsten Moment führte der Jüngere das Gespräch mit seinem Vater fort. Es tat ihm zwar in der Seele weh, Maron so aufgebracht zu sehen, doch er musste sie jetzt endlich loslassen. Er würde heute heiraten, er musste die Gedanken an Maron und die Gefühle, die er für sie hegte, endlich loswerden. Es gab keinen Platz mehr für sie in seinem Leben, auch wenn ihn diese Vorstellung fast zerriss. Hana jedoch konnte ihren Blick kaum von der jungen Frau lösen. Diese hübsche Dame musste ihren Sohn wirklich sehr lieben, sonst wäre sie wohl kaum davongelaufen. Das Gefühl, einen schwerwiegenden Fehler begangen zu haben, quälte sie immer mehr. Doch was sollte sie jetzt noch bewirken können? Chiaki hatte ihre Gesprächsversuche eiskalt abgeblockt und wenn er nicht bereit war, seine Meinung zu ändern, dann konnte sie ihn doch nicht dazu zwingen, oder? Rinako entschuldigte sich höflich bei der Runde und entfernte sich, um Maron suchen zu gehen. Auch Access war die Situation keineswegs entgangen. Er hatte sich geschworen, Maron heute ganz genau im Blick zu behalten und er musste sagen, dass ihr Verhalten immer merkwürdiger wurde. Erst die Heimlichtuerei mit dem Sekt und dann das eben. Seiner Meinung nach war das mehr als nur das aufgebrachte Verhalten einer Ex-Geliebten bei der Begegnung mit dem Mann, mit dem sie eine Affäre geführt hatte. Für ihn hatte es ausgesehen wie eine Art Schwächeanfall. Langsam aber sicher beschlich ihn das Gefühl, dass mehr hinter dem Ganzen steckte, als er bisher vermutet hatte. Schnell flüsterte er Fynn noch etwas ins Ohr, bevor er den beiden Frauen möglichst unauffällig folgte. Schwer atmend musste sich Maron an der Wand abstützen, als sie das Badezimmer betrat. Noch immer drehte sich die ganze Welt um sie herum, reflexartig legte sie die Hand auf ihren Bauch und versuchte, sich zu beruhigen. Sie hatte sich wirklich zusammenreißen wollen, doch sein Anblick war einfach zu viel für sie gewesen. Warum konnte sie die Gefühle zu ihm nicht einfach vergessen? Es dauerte nur wenige Sekunden, da stürmte auch Rinako in den Raum und legte sofort ihre Arme um Maron. „Maron, was ist los?“ „E-Es ist nichts, wir gehen sofort wieder zurück, ich habe nur-“ „Nein!“ Der forsche Ton der Rothaarigen brachte die Schwangere umgehend zum Schweigen. Die Brünette sah ihrer Freundin erstaunt in die Augen, im nächsten Moment schon brach sie in Tränen aus. „Ich kann das nicht! Ich dachte, ich schaffe das, aber ich schaffe es einfach nicht! Ihn zu sehen und...“, sie musste so heftig schluchzen, dass sie kaum einen Ton mehr heraus brachte. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. Verzweifelt klammerte sie sich an Rinako. Plötzlich konnte sie spüren, wie die Übelkeit in ihr hochstieg. Eilig rannte sie in einer der Kabinen, wo sie sich lautstark übergab. Nahm das denn nie ein Ende? Rinako wartete geduldig, bis Maron wieder an den Waschbecken erschien, um sich Hände und Gesicht zu waschen. Der brünetten Schönheit ging es wirklich sehr schlecht, das würde jeder Blinde erkennen. Der einzige Lichtblick war, dass sie schon bald ihre Vergangenheit hinter sich lassen konnte. Dann würde sie endlich an die wirklich wichtigen Dinge denken können. „Maron, bist du dir sicher, dass du das hier durchziehen willst?“ „Ich habe keine andere Wahl.“ „Du hast immer eine Wahl, vor allem in deinem Zustand! Du solltest dir Ruhe gönnen, stattdessen wirst du immer mehr Stress ausgesetzt! Du solltest nicht danach entscheiden, was andere von dir erwarten sondern danach, was dir und deinem Baby gut tut. Du bist schwanger, verdammt, vergiss das nicht!“ Maron konnte nachvollziehen, was ihre beste Freundin meinte. Und schon bald würde sie sich endlich auf sich und ihr Kind konzentrieren, doch dafür musste sie erst diesen Tag hinter sich bringen. Sie musste den Beweis bekommen, dass es kein Zurück mehr gab, dass sie nicht mehr hier hin gehörte. Nicht mehr zu ihm gehörte. Sie musste die Bestätigung dafür bekommen, dass es richtig war, das Land zu verlassen und dass sie damit keine Chancen verpasste, die sie zu dem Mann hätten bringen können, den sie von ganzem Herzen liebte. Stumm betrachtete sie sich im Spiegel, richtete ihre Haare und entfernte die letzten salzigen Spuren, die die Tränen auf ihren blassen Wangen hinterlassen hatten. Entschlossen griff sie nach Rinakos Hand und blickte ihr tief in die Augen. „Bald wird alles vorbei sein. Lass uns zurück gehen...“ Ungeduldig wartete Hana in der Nähe der kleinen Villa. Nervös wechselte sie von einem Bein zum anderen und wartete darauf, dass Maron wieder zurückkehrte. Sie musste dringend mit ihr sprechen, sonst würde ihr schlechtes Gewissen sie vollends auffressen. Ungefähr zehn Minuten später war es endlich soweit. Die Brünette verließ zusammen mit ihrer rothaarigen Begleitung das Gebäude und wollte sich auf den Weg zurück zu der Gesellschaft machen. Eilig kam die Ältere auf sie zu und blickte sie mit einem drängenden Blick an. Maron musste nicht fragen, was sie von ihr wollte, sie konnte es sich denken. „Rinako, geh doch schon mal zurück und warte bei Fynn auf mich, ja?“ Etwas skeptisch blickte die junge Frau ihre beste Freundin an, tat dann aber wie ihr geheißen und ging alleine zu den Gästen zurück. Sie musste Maron einfach vertrauen. Sie wusste schon, was sie tat. Das hoffte sie zumindest... Derzeit wandte sich die Schwangere Hana zu und wartete gespannt darauf, dass diese etwas sagen würde. Warum sie allerdings genau jetzt das Gespräch suchte, blieb ihr schleierhaft. Seit dem Bankett war immerhin einige Zeit vergangen. „Maron, ich muss noch einmal mit Ihnen sprechen.“ „Und worüber?“ Zwar wusste sie die Antwort schon, aber dennoch fragte sie. „Es geht mir um diesen Abend, als sie Chiaki auf dieses Bankett begleitet haben...Ich glaube, dass ich einen furchtbaren Fehler gemacht habe.“ „Hana, das brauchen Sie wirklich nicht...“ „Nein, bitte! Hören Sie sich an, was ich Ihnen zu sagen habe.“ Die 24-jährige hatte überhaupt keine Lust auf dieses Gespräch, doch der flehende Blick der Älteren brachte sie zum Schweigen. „Ich habe Ihnen damals weismachen wollen, dass sie sich keine Hoffnungen auf Chiaki machen sollten, da die einzige Frau für ihn Miyako sei. Aber ich glaube, ich habe mich geirrt. Er wirkt so unglücklich in letzter Zeit und ich glaube...nein, ich bin überzeugt, dass es mit Ihnen zu tun hat. Es tut mir weh, ihn so zu sehen. Ich habe schon versucht, mit ihm zu sprechen, aber er blockt jedes Mal ab.“ Schweigend starrte Maron auf den Boden und ließ sich Hanas Worte durch den Kopf gehen. Sie wollte das alles nicht mehr hören! Sie hatte es satt, auf ihn angesprochen zu werden. Sie hatte es satt, immer die zu sein, die die Fehler anderer ausbügeln sollte. Er hatte sie verlassen und nicht anders herum. „Und was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt tun?“ Marons Stimme zeigte keinerlei Gefühlsregungen, sie war einfach nur schneidend kalt. „Ich weiß es nicht, ich weiß noch nichtmal was zwischen Ihnen und meinem Sohn vorgefallen ist. Aber wenn Sie ihn lieben, dann bitte ich Sie inständig, sprechen Sie noch einmal mit Ihm! Vielleicht ist es noch nicht zu spät.“ Wenn diese Frau nur wüsste... „Hana, Sie stellen sich das so einfach vor, aber das ist es keineswegs. Was auch immer das ist, es ist nicht einfach! Sie wollen wirklich wissen, was zwischen Chiaki und mir geschehen ist?! Ja, ich habe ihn geliebt und er liebte mich, das hat er zumindest so gesagt, aber das Schicksal nimmt keine Rücksicht und deswegen bin ich nun hier: Auf der Hochzeit des Mannes, mit dem ich eine gemeinsame Zukunft wollte. Aber es ist zu spät! Er hat mich für Miyako verlassen und ich habe lange gebraucht, um damit klar zu kommen. Das tue ich noch immer nicht, aber ich kann nicht immer nur warten, bis andere sich richtig entscheiden. Ich kann nicht immer darauf warten, dass andere ihre Fehler begreifen zurückrudern. Ich habe ein eigenes Leben zu leben und das habe ich nun verstanden. Also sagen Sie mir bitte nicht, was ich zu tun und zu lassen habe! Ich habe keine Zeit mehr, verlorenen Chancen hinterherzurennen...“ Mit großen Augen konnte die Ältere nur dastehen und ihr Gegenüber erstaunt anblicken. Sie kannte die hübsche Brünette zwar noch nicht lange, aber einen solchen Gefühlsausbruch hatte sie ihr niemals zugetraut. Auch Maron war überrascht, dass sie zu so etwas fähig war, doch es hatte gut getan, ihr die Wahrheit knallhart ins Gesicht zu werfen. Hana hatte es doch sowieso schon vermutet, was sollte da noch die Geheimnistuerei?! Die Hochzeit war ohnehin nicht mehr aufzuhalten und die ganze Sache zwischen Chiaki und ihr war ein abgeschlossenes Kapitel in ihrer Lebensgeschichte. Sie fühlte sich also kein bisschen schuldig. Sie musste endlich an sich selbst denken, anstatt ihrer verflossenen Liebe hilflos nachzutrauern. Er hatte genug Scherben in ihrem Leben hinterlassen, sie würde sich nur immer und immer wieder daran schneiden, wenn sie über sie hinweg lief, anstatt ihnen aus dem Weg zu gehen. „Maron, ich wollte nicht...“ „Natürlich nicht. Nehmen Sie es einfach, wie es jetzt ist. Sie helfen niemandem, wenn sie versuchen, zu retten, was schon lange nicht mehr zu retten ist. Einen schönen Tag noch.“ Dabei ging Maron davon, ohne ihr noch einen letzten Blick zu schenken. Sie würde sich jetzt erst einmal einen ruhigen Platz suchen, an dem sie wieder ihren Kopf frei bekommen konnte. Wie sollte sie diesen Tag nur überstehen? Abseits der Hochzeitsgesellschaft hatte sich Maron an den großen Teich im unteren Bereich des Parkes zurückgezogen und hatte all den Geschehnissen den Rücken zugewandt. Dieser Ort strahlte trotz des großen Chaos, das sie von Innen zerfraß, eine angenehme Ruhe aus, die sie das aufregende Gespräch mit Chiakis Mutter für einen kurzen Moment vergessen ließ. Sie wusste, wenn sie sich erneut so sehr aufregte, würde sie sofort den nächsten Nervenzusammenbruch erleiden. Dafür würde sie sich die nächste Standpauke von Rinako einholen, die sie immer wieder ermahnte, so viel Stress zu vermeiden wie nur möglich. Damit hatte sie auch nicht Unrecht. Das Baby bekam die ganze Aufregung mit, das wollte sie ihrem Kind auf gar keinen Fall zumuten, doch sie konnte es leider Gottes nicht immer verhindern. Lieblich lächelnd legte sie beide Hände auf ihren Bauch und lauschte dem leisen Plätschern des Wassers, während sie die Kois und die wunderschön blühenden Wasserrosen beobachtete, die sich einfach von dem kühlen Nass treiben ließen. „Ist das wahr?“ Erschrocken drehte sich Maron um und erblickte einen aufgeregten Chiaki, der schwer außer Atem zu sein schien. Seit aufgebrachter Tonfall ließ nichts Gutes vermuten. „Chiaki! Ich verstehe nicht...“ Er kam noch ein paar Schritte auf sie zu, blieb aber in sicherer Entfernung von ihr stehen und blickte sie erwartungsvoll an. Sein Blick war nicht so liebevoll, wie sonst, er war eher...verärgert? Vielleicht sogar wütend? „Beantworte meine Frage, Maron! Ist das wahr?“ „Chiaki, ich verstehe nicht, wovon zu sprichst!“ „Oh bitte, du kannst aufhören, die Ahnungslose zu spielen! Access hat dich und deine Freundin belauscht! Er hat mir alles erzählt, und jetzt möchte ich es aus deinem Mund hören: Bist du wirklich schwanger?“ Geschockt zog Maron scharf die Luft ein. Das musste ein Albtraum sein! Wie hatte er es nur herausfinden können? Hatte sie nicht alles dafür getan, ihr Geheimnis zu wahren? Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können? Doch was sollte sie jetzt tun? Ihn anlügen und ihm einreden, dass Access etwas missverstanden haben musste? War das nicht unfair ihm gegenüber? Gespannt wartete der junge Mann auf eine Antwort der jungen Frau, während er versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Einige Zeit lang schien Maron fieberhaft zu überlegen, sie befand sich in einer Art Schockstarre. Als sie ihm jedoch kurz in die Augen sah und ihren Blick dann schuldbewusst abwendete, da musste er auf keine Antwort mehr warten. Access hatte Recht gehabt. Im ersten Moment hatte er geglaubt, dass sein bester Freund sich das ausgedacht hatte, um die Hochzeit mit Miyako im letzten Moment zu verhindern, doch nun hatten sich diese Worte als knallharte Wahrheit entpuppt, das konnte er nun nicht mehr leugnen. Sie wahr definitiv schwanger. Mit seinem Kind! Der 26-jährige konnte spüren wie sich sein Atem noch weiter beschleunigte und ihm sein Herz bis zum Halse schlug. Urplötzlich kroch Übelkeit in ihm hoch und er hatte das Gefühl, als würde die ganze Welt um ihn herum aus den Fugen geraten. „S-Seit wann... weißt du es schon?“ Diesmal blickte auch er zu Boden. Seine Stimme war fordernd. Stumm betete er zu Gott, das sie es selbst erst vor Kurzem erfahren hatte und noch keine Gelegenheit gefunden hatte, es ihm zu sagen. „Ich...Ich bin ziemlich genau in der 12. Schwangerschaftswoche, aber ich habe es erst einen... einen Tag vor... naja... vor deinem Geburtstag erfahren.“ Bei ihren Worten wurde sie etwas kleinlaut. Ihr war dieses Geständnis sehr unangenehm. Immerhin musste sie jetzt genau das Gespräch führen, das sie niemals führen wollte. Diesmal war es Chiaki, der nach Luft schnappen musste. Hatte sie ihm gerade wirklich gebeichtet, dass sie die Schwangerschaft die ganze Zeit über vor ihm geheim gehalten hatte? Wieder schäumte die Wut in ihm auf. Hatte er nicht ein Recht darauf, zu erfahren, dass er Vater werden würde?! Wie hatte sie ihn nur so hintergehen können? „Warum hast du es mir nicht gesagt?“ Der Schwangeren war natürlich nicht entgangen, dass Chiaki sich immer mehr verkrampfte und beinahe platzte vor Wut. Es war der erste Moment, in dem sie sich fragte, ob sie die ganze Zeit über im Unrecht gewesen war. „Das wollte ich, das musst du mir glauben! Es sollte die große Überraschung zu deinem Geburtstag werden, doch dann...“ „Wenn ich von dem Kind gewusst hätte, wäre das alles vielleicht gar nicht passiert!“ „Ich wollte aber nicht, dass du des Kindes wegen bei mir bleibst! Ich dachte, dass du mich lieben würdest!“ „Ich habe dich immer geliebt, das weißt du ganz genau!“ Urplötzlich verstummten beide. Wie oft hatte sich die 24-jährige ausgemalt, wie es wäre, wenn sie Chiaki doch von dem Baby erzählte und jetzt das? Entgegen aller Vorstellungen wirkte er alles andere als erfreut und jetzt standen sie beide sich gegenüber und stritten lauthals miteinander. Verzweifelt fuhr sich Chiaki mit beiden Händen durch das Gesicht. Was sollte er jetzt tun? Er fühlte sich wie in eine Ecke gedrängt, ohne Ausweg, dieser Situation zu entkommen. „Und wann hattest du bitte vor, mir die Wahrheit zu erzählen? Sieh dich doch um, Maron! Hunderte von Gästen warten darauf, dass ich in zwanzig Minuten Miyako gegenübertrete und ihr das Jawort gebe! Und du erzählst mir ausgerechnet jetzt, dass du von mir schwanger bist?!“ Nüchtern sah ihm die Schwangere tief in die Augen. „Du solltest es niemals erfahren.“ Als Maron diese Worte über ihre Lippen brachte, fiel der Blauhaarige aus allen Wolken. Inständig hoffte er, sich das nur eingebildet zu haben, doch er wusste ganz genau, dass Maron es ernst meinte. „Hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht, wie ich mich fühle?“ „Chiaki, ich hatte keine Wahl!“ „Du hattest die Wahl, es mir zu sagen und stattdessen entscheidest du dich, mich im Dunkeln zu lassen! Ins Ausland abzuhauen und mir zu verheimlichen, dass du mit meinem Kind schwanger bist! Es gab so viele Momente, in denen du mir die Wahrheit hättest sagen können, aber du hast nur an dich gedacht!“ Mit Tränen in den Augen lauschte sie seinen Worten. Sie konnte seine Wut verstehen, vielleicht hatte sie es auch verdient. „Chiaki, bitte...“ „Nein! Ich...Ich kann das nicht!“ Immer mehr Panik machte sich in ihm breit, was sollte er denn tun? Ein letzter hilfloser Blick zu Maron, dann rannte er davon. Für wenige Sekunden harrte die Brünette noch in ihrer Schockstarre aus, um zu realisieren, was gerade geschehen war. Dann ließ sie sich auf ihre Knie fallen und die heißen Tränen stumm über ihr Gesicht laufen. Die ganze Zeit über hatte sie geglaubt, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, doch jetzt fühlte sie sich furchtbar. Sie hätte auf Rinako hören und ihrem Geliebten von dem gemeinsamen Baby erzählen sollen. Mit ihrem Entschluss, ein großes Geheimnis daraus zu machen, hatte sie alles zerstört. Die letzten Wochen hatte sie immer ihm die Schuld gegeben, dabei war sie es gewesen. Die Minuten verstrichen und alles schien nur an ihr vorbeizuziehen. Dann konnte sie auf einmal Schritte neben sich hören. War er vielleicht zu ihr zurückgekommen? Als sie sich plötzlich in zwei zierlichen Armen wiederfand, wusste sie, dass es Rinako war, die ihr zusätzlich beruhigend über den Rücken strich. Sie sagte nichts, auch wenn sie nur zu gerne wissen wollte, warum ihre beste Freundin erneut so aufgebracht war. Als sich die Schwangere sicher sein konnte, dass ihre Beine ihr nicht den Dienst versagen würden, stand sie mit Hilfe der Rothaarigen auf und sah sie mit einem vielsagenden Blick an. „Lass uns gehen, Rinako. Ich muss einen Flug bekommen.“ Atemlos lief er hin und her und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Immer und immer wieder spielte er die Situation in seinem Kopf ab, die seine Welt vor wenigen Minuten komplett aus der Laufbahn geworfen hatte. Das konnte doch alles nicht sein! Nur wenige Meter von ihm entfernt bereitete sich seine Verlobte auf die Hochzeit vor und nur wenige Minuten vor der Trauung musste er erfahren, dass eine andere Frau von ihm schwanger war! Ein Blick auf seine Armbanduhr ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Er hatte nur noch weniger als zehn Minuten Zeit. Doch wofür eigentlich? Wie sollte es jetzt weitergehen? Während er so kopflos von einem Platz zum anderen gelaufen war, hatte er überhaupt nicht wahrgenommen, dass er sich unmittelbar vor dem großen Zelt befand, in dem Miyako sich derzeit befand. Vielleicht war das die Lösung. Er musste sie jetzt sie sehen! Ohne groß darüber nachzudenken, öffnete er einfach ruckartig den Zugang... Sometimes you wonder if this fight is worthwhile The precious moments are all lost in the tide They're swept away, nothing is what it seems The feeling of belonging to your dreams... ... Listen to your heart, when he's calling for you Listen to your heart, there's nothing else you can do I don't know where you're going, and I don't know why But listen to your heart, before you tell him goodbye... Listen to your heart - Roxette Kapitel 23: Zu spät? -------------------- In my head, I keep on looking back Right back to the start Wondering what it was that made you change Well, I tried, but I had to draw the line And still this question keeps on spinning in my mind What if I had never let you go? Would you be the man I used to know? If I'd stayed, if you'd tried If we could only turn back time But I guess we'll never know What if – Kate Winslet Still schweigend sah Maron aus dem Fenster des Taxis. Die Landschaft flog einfach an ihr vorbei, sie nahm sie jedoch nicht wahr. Stattdessen sah sie Bilder einer Zukunft an sich vorbeifliegen, die es niemals geben würde. Sie als strahlende Braut mit Chiaki vor dem Traualtar. Sie beide im Krankenhaus, wie sie gemeinsam ihr wunderschönes Baby betrachteten. Ein gemeinsamer Urlaub am Strand, Kinderlachen, Glück. Wie hatte es nur so weit kommen können? Insgeheim hatte sie noch immer gehofft, dass sich das Blatt wenden würde und diese Bilder zur Wirklichkeit werden würden. Und jetzt befand sie sich tatsächlich auf dem Weg zum Flughafen. In weniger als zwei Stunden würde sie sie sich auf dem Weg nach Deutschland befinden und dann gab es kein Zurück mehr. Die Brünette war so sehr in Gedanken versunken, dass sie kaum bemerkte, dass Rinako eine Hand auf ihre legte. Mit reumütigem Blick sah die Rothaarige ihrer besten Freundin in die Augen. „Es tut mir leid.“ „Was sollte dir denn leid tun? Du hast keinen Fehler gemacht, das war ich ganz alleine. Ich habe alles versaut. Hätte ich auf dich gehört und ihm alles erzählt, dann hätten wir vielleicht eine gemeinsame Lösung finden können.“ „Maron, das kannst du doch nicht wissen!“ „Doch, ich weiß es! Er hat völlig recht! Ich habe nur an mich gedacht, anstatt mit ihm über alles zu sprechen. Selbst wenn wir nicht mehr zusammengekommen wären, hätte er trotz allem ein Recht darauf gehabt, zu erfahren, dass er Vater wird. Ich habe ihm etwas Furchtbares angetan. Das wird er mir nie verzeihen können.“ Wieder stauten sich Tränen in ihren Augen, doch sie wollte nicht mehr weinen. Sie musste lernen, mit der Situation zu leben wie sie eben war. Selbstmitleid würde auch nichts ändern. Ganz in Gedanken versunken bekam sie fast garnicht mit, dass das Fahrzeug bereits sein Tempo verringerte und vor dem Flugzeuggebäude zum Stehen kam. Wie angewurzelt blieb die Brünette dennoch sitzen und bewegte sich nicht. Dann jedoch konnte sie erneut Rinakos Hand auf ihrer spüren. „Bist du bereit?, fragte sie ihre beste Freundin mit einem halbwegs aufmunterndem Lächeln. Die Schwangere atmete tief ein, hielt die Luft kurz an und ließ sie mit einem lauten Seufzen wieder aus ihren Lungen entweichen. Dann nickte sie und öffnete die Tür. Mit zittrigen Beinen stieg sie aus und tat ihre ersten wackeligen Schritte. Etwas hektisch drückte ihr der Taxifahrer den großen Koffer in die Hand, bevor er sich wieder hinter das Steuer setzte und davonfuhr. Vermutlich hatte er noch ein paar weitere Termine, die er einhalten musste. Fast ehrfürchtig blickte die 25-jährige nach oben und besah sich die großen Fensterfronten des Flughafengebäudes. Die strahlende Sonne spiegelte sich darin und nahm ihr für einen kurzen Moment die Sicht. Keine noch so kleine Wolke trübte den blauen Himmel und gab in keinster Weise Marons derzeitige Gefühlswelt wider. Dann konnte sie spüren, dass Rinako ihre Hand aufmunternd auf ihre Schulter legte. Mit einem unsicheren Lächeln nickte ihr die Rothaarige zu. Ebenso zögerlich nickte die Brünette bevor sich die beiden Freundinnen in das Innere des Gebäudes begaben. Die vergangenen Wochen hatten sich angefühlt, als wären Jahre vergangen und so kurz vor dem Abflug schien die Zeit nur so zu rennen. Mit jedem Schritt, den die Schwangere tat, wurden ihre Füße schwerer und ihre Bewegungen langsamer. Fast so, als würde irgendwer sie noch immer versuchen zurückzuhalten. Doch sie wusste nur zu gut, dass da niemand war. Dass niemand kommen würde... Unaufhaltsam lief der Zeiger der großen Uhr, die die riesige Eingangshalle zierte und dann war auch schon der Moment gekommen, in dem Maron sich von ihrer besten Freundin, die in der vergangenen Zeit ihr einziger Halt war, vorerst verabschieden musste. Als ihr das letztendlich bewusst wurde, machte sich eine große Panik in ihr breit. Ihr Atem beschleunigte sich und sie hatte das Gefühl, als könnte ihr jede Sekunde schwarz vor Augen werden. Rinako nahm sie fest in ihre Arme, streichelte ihr sanft über den Rücken und flüsterte ihr beruhigende Wort ins Ohr. Alles würde gut werden. Sie soll an ihr Kind denken. Es ist Zeit für einen Neuanfang. Minutenlang hielten sich die beiden jungen Frauen mit Tränen in den Augen in den Armen, bevor sie sich schweren Herzens voneinander lösten. Zitternd nahm Maron ihren Koffer, sah der Rothaarigen noch einmal tief in die Augen bevor sie sich mit wackeligen Beinen aufmachte, um ihr Gepäck aufzugeben. Wie in Trance durchlief sie die verschiedenen Stationen bis sie letztendlich auf ihrem Platz im Flugzeug saß und ausdruckslos aus dem Fenster sah. Nur wenig später wurde der Motor gestartet und der Flieger setzte sich in Bewegung – in Richtung einer komplett neuen und unbekannten Zukunft... Völlig starr und in Gedanken versunken, starrte Chiaki auf das halb geleerte Glas, das vor ihm auf der Theke stand. Access hatte vollkommen Recht, er trank zu viel Alkohol in letzter Zeit, doch das kümmerte ihn im Moment herzlich wenig. Seiner eigenen Meinung nach, hatte er genug Grund dafür. Er fühlte sich einfach nur noch furchtbar. Sein Kopf brummte, er wusste seine Gefühle und Gedanken einfach nicht mehr einzuordnen und zweifelte nahezu alles an, was er in den vergangenen Monaten getan, gefühlt und entschieden hatte. Seine Gedanken kreisten fast unentwegt um den gestrigen Tag, der einfach alles verändert hatte. - Rückblick - Fast panisch lief Chiaki auf der Stelle im Kreis, fuhr sich immer wieder durch die blauen Haare und versuchte einfach, einen klaren Kopf zu bewahren. Sein Atem ging stoßweise und seine Sicht verschwamm leicht. Was zur Hölle war da gerade passiert? Würde er bald aufwachen und es würde sich herausstellen, dass das alles nur ein schlechter Traum gewesen war? Oder war das alles die Realität und er hatte tatsächlich ein Kind mit einer Frau gezeugt, die er er schon kurz danach einfach verlassen hatte, in dem Glauben, das Richtige getan zu haben? Am liebsten hätte er sich jetzt einfach in seiner Wohnung eingeschlossen um erst einmal Herr seiner Gedanken und Gefühle zu werden. Doch nur wenige Meter von ihm entfernt warteten Hunderte von Gästen, die auf eine Vermählung warteten. Was sollte er jetzt tun? Versuchen, den Streit mit Maron zu vergessen und einfach 'Ja' sagen? Einfach wegrennen und die komplette Hochzeitsgesellschaft samt seiner Braut einfach sitzen lassen? Er konnte doch nicht einfach eine Frau heiraten, während er jede Sekunde an eine andere Frau dachte, die ganz nebenbei sein Kind erwartete. Während er hektisch nach einer einigermaßen logischen Lösung suchte, hatte er nicht mitbekommen, dass er schon fast vor dem großen weißen Zelt angekommen war, in dem sich Miyako in genau diesem Moment für die bevorstehende Hochzeit bereit machte. Vielleicht war genau das die Lösung, nach der er gesucht hatte? Vielleicht sollte er ein einziges Mal in seinem Leben auf sein Gefühl vertrauen. Er würde einfach das Zelt betreten, Miyako in ihrem Hochzeitskleid sehen und dann würde sein Gefühl ihm verraten, ob sie wirklich die Eine war oder ob es eine Andere war, die wirklich sein Herz gefangen hielt. Noch einmal atmete er tief durch bevor er den weißen Vorhang packte und mit einem kräftigen Ruck zur Seite zog. Was er da sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren: Miyako und Yamato, die eng umschlungen dastanden. Die Münder fest aufeinander gespresst. Als sie das Geräusch des Vorhangs vernahmen, der geöffnet wurde, fuhren sie erschrocken auseinander. Während Yamato die Situation eher schadenfroh und gelassen nahm, starrte Miyako ihren Verlobten mit weit geöffneten Augen an. „Chiaki, das...das ist überhaupt nicht das, wonach es aussieht!“ „Ach ja? Was soll es denn dann sein?! Ein Kuss zwischen einfachen Freunden, ja?! Komm mir ja nicht mehr unter die Augen!“ Mit hasserfülltem Blick starrte der 25-jährige die beiden an, bevor er sich einfach umdrehte und davonlief. - Rückblick Ende - Danach wurden seine Erinnerungen verschwommen. Das einzige, an das er sich erinnerte war, dass er endlos lange einfach nur durch die Gegend gelaufen war, ohne klares Ziel. Wo hätte er auch hingehen sollen? In seine Wohnung, um darauf zu warten, dass ihm die Decke auf den Kopf fiel? Maron suchen, obwohl er noch nicht einmal wusste, was er ihr sagen sollte oder was er fühlte? Die Stunden danach hatten sich wie Jahre angefühlt, in denen er einfach nur auf einer Parkbank saß und versuchte, seine Gefühle zu ordnen. Und jetzt war er natürlich wieder in Access' Bar gelandet und würde am liebsten so lange trinken, bis er alles vergaß, was geschehen war, aber das würde auch nichts bessern. Der Lilahaarige Besitzer kam gerade von einem anderen Tisch zurück, ging hinter die Theke und lehnte sich zu Chiaki vor. „Du siehst mir nicht aus, als hättest du schon deine erhoffte Erleuchtung gehabt.“ „Was du nicht sagst“, kam es nur ausdruckslos zurück. Access musste ein wenig schmunzeln. Die Situation war echt alles andere als optimal, aber er selbst glaubte noch fest daran, dass der Blauhaarige zur Besinnung kommen und sich alles zum Guten wenden würde. „Was genau gedenkst du jetzt zu tun? Ich hab dich echt gerne hier und habe auch immer ein offenes Ohr für dich, aber du kannst dich nicht für immer hier verkriechen und den Kopf in den Sand stecken.“ „Wenn ich das nur wüsste. Ich habe mich die ganze Zeit daran festgehalten, dass es zwei Frauen gab, von denen ich dachte, dass sie mich lieben würden, nur um dann herauszufinden, dass mich beide belogen und hintergangen haben. Und ich weiß noch nicht einmal, bei welcher von beiden es mich mehr verletzt.“ „Okay... wir wollen garnicht darüber diskutieren, dass Miyako dich mit diesem schmierigen Lackaffen betrogen hat. Sie hat dich betrogen und du wirst darüber hinwegkommen. Punkt. Aber hast du vielleicht einmal versucht, die ganze Sache mit Maron aus ihrem Blickwinkel zu sehen? Immerhin hast auch du sie belogen.“ „Das weiß ich, Access, aber ich weiß einfach nicht, wie ich darüber denken soll. Soll ich wütend auf sie sein, weil sie mir das Baby verschwiegen hat? Oder soll ich Verständnis zeigen und alles daran setzen, dass das mit uns wieder in Ordnung kommt?“ Aufmunternd klopfte der Lilahaarige dem jungen Mann auf die Schulter. Er wollte echt nicht in seiner Haut stecken. „Ich glaube, das kannst du nur herausfinden, wenn du zu ihr gehst. Ich glaube daran, dass du sie nur ansehen und auf dein Herz hören musst.“ Schwer seufzte der junge Mann auf. „Ich glaube, ich muss das alles erst einmal sacken lassen. Außerdem muss ich los. Ich werde meine Sachen aus der Wohnung holen und erst mal bei meinem Vater einziehen bis ich etwas Neues gefunden habe.“ „Wird Miyako auch da sein?“ „Ich weiß nicht. Mir wäre es aber lieb, wenn mir wenigstens das erspart bleiben würde.“ Nur schweren Herzens stand der Blauhaarige von seinem Hocker auf und zog seine Lederjacke an. Man merkte ihm deutlich an, dass er es nicht sonderlich eilig hatte, von hier wegzukommen, aber es war wohl besser, wenn er jetzt den Schlussstrich zog und ihn nicht ewig lange vor sich hin schob. Access versuchte, seinem besten Kumpel wenigstens ein bisschen aufmunternd zuzulächeln, aber auch ihm fiel es heute sehr schwer, der Situation etwas Positives abzugewinnen. „Melde dich, wenn ich dir den Rücken stärken soll!“ „Das mach ich, bis dann!“ Und damit war Chiaki auch schon zur Tür hinaus und machte sich auf den Weg zu dem Wohnblock, in dem er jahrelang mit Miyako zusammengelebt hatte. Der Weg bis zur Wohnung erschien Chiaki wie eine halbe Ewigkeit. Auf der Straße hatte er bereits zwei Menschen angerempelt und wäre fast von einem Auto angefahren worden, als er ohne nur nach links oder rechts zu schauen auf die Straße gelaufen war. Doch es hatte ihn nicht wirklich interessiert. Sein Kopf war wie leergefegt, er hatte genug davon, sich jeden Tag mit seinen Problemen rumzuschlagen müssen. Wenn er glaubte, eine Lösung gefunden zu haben, passierte wieder etwas Unerwartetes und es hatte sich nichts an seiner Situation geändert. Doch jetzt war es Zeit, wenigstens eine Last von sich abzuwerfen. Im Eingangsbereich des Wohnkomplexes wurde er von einigen Nachbarn begrüßt, die gerade ihre Post aus den Briefkästen abholten oder auf dem Weg zur Arbeit waren, er grüßte allerdings nicht zurück und stieg stattdessen nur wortlos in den Aufzug, um in den siebten Stock zu gelangen. Wie in Zeitlupe steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Wohnungstür. Wie nicht anderes zu erwarten gewesen war, wurde er auch schon von Miyako im Flur erwartet. Vermutlich hatte sie auf der Couch gelauert, bis er zurück kam. „Chiaki! Ich bin so froh, dass du wieder da bist.“ Der Angesprochene jedoch blickte nur stur an ihr vorbei und lief einfach in das Schlafzimmer. Dort öffnete er die Türen des Kleiderschranks und zog einen großen Koffer heraus. Miyako trat ihm in den Weg und versuchte, ihn daran zu hindern, seine Klamotten zu packen. „Chiaki, ich glaube, wir sollten noch einmal miteinander reden!“ „Da gibt es nicht zu reden, Miyako und jetzt geh mir aus dem Weg.“ „Du hast das alles einfach völlig falsch verstanden. Es war wirklich nicht das, wonach es ausgesehen hat!“ Wie sehr er diese Ausreden doch hasste... Jetzt konnte er spüren, wie die Wut in ihm hochkochte und er begann fast automatisch, lauter zu werden. „Was soll es denn gewesen sein?! Willst du mir allen Ernstes weis machen, dass du mich nicht mit Yamato betrogen hättest? Dass du ihn nicht geküsst hättest, als ich in das Zelt kam? Spar dir deine blöden Ausreden, ich hab echt keinen Bock auf so eine Scheiße!“ Die junge Frau wurde sofort etwas kleinlaut, aber so schnell würde sie sich nicht geschlagen geben. „Du hast recht, er hat mich geküsst. Aber ich habe das garnicht gewollt. Er versucht schon seit einiger Zeit, mich rumzukriegen, aber ich habe ihm immer wieder gesagt, dass ich nur dich liebe! Das musst du mir glauben!“ Seufzend stoppte der junge Mann und blieb einen Moment wie erstarrt stehen. Er musste sich jetzt erstmal beruhigen, bevor er hier alles kurz und klein hackte. „Und weißt du, was du mir glauben kannst? Dass ich es bereue, so lange zu dir gehalten zu haben. Ich wollte dich schon vor einiger Zeit verlassen und hatte immer Angst davor, dich zu verletzen. Und selbst jetzt, wo du so eine Scheiße gebaut hast, willst du mich auch noch für dumm verkaufen. Das ist wirklich armseelig!“ „Und jetzt willst du das mit uns einfach wegwerfen?“ Miyako erschien nicht geschockt oder traurig, viel mehr wirkte sie wütend. „Ja das will ich!“ Mit einem lauten Knall schloss der 26-jährige seinen Koffer und lief damit aus dem Schlafzimmer. Seine Ex-Verlobte folgte ihm auf Schritt und Tritt. „Das hat etwas mit Maron zu tun, nicht wahr?“ Sprachlos hielt er in seiner Bewegung inne, drehte sich aber nicht um. Was sollte er nur darauf antworten? Er entschied sich, einfach zu schweigen. „Du denkst, ich hätte nicht mitbekommen, dass da etwas zwischen euch ist, oder? Ich habe es die ganze Zeit geahnt, wollte es aber nicht wahr haben. Und als mir deine Mutter dann erzählt hat, dass sie dich zu diesem Dinner begleitet hat, da war mir alles klar. Ihr habt die ganze Zeit über geglaubt, ich würde euch eure kleine Story der plötzlichen Versöhnung abkaufen, oder? Wenn du es schon die ganze Zeit über nicht geschafft hast, dann sei wenigstens jetzt einmal ehrlich zu mir: Läuft etwas zwischen dir und ihr?“ Gespannt wartete sie auf eine Antwort. Chiaki hatte ihr noch immer den Rücken zugewandt und bewegte sich nicht. Er schaffte es lediglich, seinen Kopf in ihre Richtung drehen, seiner Ex-Verlobten direkt in die Augen schauen konnte und wollte er nicht. Es war einfach zu viel passiert. „Ja...ja, da war etwas.“ Sein Gesicht verriet, wie bedrückt er war, das kleine Wort 'war' verwenden zu müssen. Miyako konnte nur ein bitteres Schnauben zustande bringen. Sie hatte es zwar geahnt, aber es aus seinem Mund zu hören, machte alles nur noch schlimmer. „Gib es zu, du hattest niemals vor, mich zu heiraten!“ „Doch, das hatte ich!“ Völlig in Rage drehte er sich um und blickte ihr nun direkt in die Augen. „Das kann ich dir nach allem, was passiert ist nicht mehr glauben, aber sag mir, Chiaki: Warum? Warum musste es soweit kommen?“ Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Wie würde seine Antwort ausfallen? Miyako hielt es kaum aus, ihr kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, in der sie auf den alles entscheidenden Satz wartete. Ihre Blicke hatten sich nicht voneinander gelöst und doch war in diesen nichts mehr von der Liebe zu sehen, die sie vor langer Zeit einmal erfüllt hatte. Was nun aus seinem Munde kommen würde, würde alles nur noch mehr aus der Bahn werfen. „Sie ist schwanger.“ Nun war es die junge Frau, die in eine Schockstarre verfiel. Ihr Mund stand offen, in ihren geweiteten Augen sammelten sich Tränen und sie war kaum noch in der Lage, zu stehen. Zitternd ließ sie sich auf einem Hocker nieder und versuchte, ihre Gedanken zu beruhigen, die ihr unentwegt durch den Kopf gingen. Wie hatte er sie nur so verraten können? Wie oft hatten sie darüber gesprochen, eigene Kinder haben zu wollen? Eine Familie miteinander zu gründen. Und nun war es eine andere Frau, die sein Kind unter ihrem Herzen trug. Das war alles ganz falsch! Nach einigen Minuten des Schweigens und Grübelns wandelte sich die Trauer in unsägliche Wut. Ruckartig erhob sie sich, schritt auf ihren Ex-Verlobten zu und bohrte ihm mit einem angsteinflößenden Gesicht den Zeigefinger in die Brust. Er schwieg weiter und ließ es geschehen. Vielleicht hatte sie auch das Recht dazu, sauer auf ihn zu sein. „Und jetzt sage ich dir etwas: Ja! Ja, ich habe eine Affäre mit Yamato! Und soll ich dir auch noch sagen, warum? Weil er mich noch beachtet und wie eine attraktive Frau behandelt. Während du damit beschäftigt warst, meine ehemals beste Freundin zu vögeln, habe ich mich mit ihm getroffen und wir haben miteinander geschlafen. Nicht nur einmal. Und ich bereue keine Sekunde davon. Ich habe es genossen. Die ganze Zeit über hast du gedacht, du könntest mich an der Nase herum führen und im Endeffekt bist du nun derjenige, der die Augen vor der Wahrheit verschlossen hat.“ Auch wenn er selbst es nicht geglaubt hätte, trafen ihn ihre Worte. War er wirklich zu blind gewesen, zu erkennen, dass eine gemeinsame Zukunft von Anfang an zum Scheitern verurteilt war? Hätte er dieses ganze Chaos, das seit Wochen sein Leben beherrschte, verhindern können? Im Moment wusste er einfach nicht, was er denken oder fühlen sollte. Das einzige, das ihm im einfiel war, seinen Koffer zu nehmen und die Wohnungstür zu öffnen. „Leb wohl“, hörte er noch von Miyako, die sich nicht vom Fleck gerührt hatte. Sie war verletzt, das konnte er an ihrer Stimme hören. Ohne sich noch einmal umzudrehen, schloss er die Tür hinter sich. Miyako ließ sich langsam an der Wand hinuntergleiten und begann, bitterlich zu weinen. Völlig verwirrt lehnte er sich im Treppenhaus an die Wand, legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er konnte nicht fassen, wie sich die ganze Situation entwickelt hatte. Er hatte Miyako sehr wehgetan, das wusste er. Aber der Gedanke daran, sich für eine Frau entschieden zu haben, die ihn bereits seit einiger Zeit hinterging, ihm fälschlicherweise die große Liebe vorgespielt hatte... Und ausgerechnet für diese Frau hatte er die Mutter seines ungeborenen Kindes verlassen. Schon seit einigen Jahren wusste er, dass er auf alle Fälle eine Familie gründen wollte. Diese hatte er womöglich schon zerstört bevor sie überhaupt entstehen konnte. Er hatte geglaubt, dass es falsch gewesen wäre, Miyako zu verlassen. Nur, um später festzustellen, dass es die ganze Zeit über Maron gewesen war, mit der er sich sein künftiges Leben ausmalte. Er drehte sich um, legte seine Stirn an die kühle Wand. Dann übermannte ihn die Wut über sich selbst und er schlug mit seiner Faust gegen diese. Eine Welle des Schmerzes durchzog seine Hand, doch es kümmerte ihn nicht. Einige Zeit blieb er in dieser Position stehen, dann dreht er seinen Kopf und sein Blick fiel auf die Wohnungstür, hinter der sich Marons Wohnung befand. Erst zögerte er, doch dann fragte er sich still, worauf er noch warten sollte. Er liebte die wunderschöne Brünette, sie war diejenige, die ihm das Glück geben konnte, nach dem er schon so lange suchte. Also ging er auf die Tür zu und drückte auf die Klingel. Was er ihr sagen wollte, wenn sie endlich wieder vor ihm stand, darüber machte er sich keine Gedanken. Er versuchte, seinem Gefühl zu vertrauen und instinktiv das Richtige zu tun. Als die Tür sich öffnete, hob er seinen Kopf und er wollte schon anfangen, einfach loszureden. Doch alles kam anders. Vor ihm stand nicht seine Maron, sondern ein Mann in einem Anzug, der ein gutes Stück kleiner war als er und seine dunklen Haare streng zurückgegelt hatte. Er schätzte, dass er ungefähr in seinem Alter sein dürfte. Doch was tat er hier? Konnte es sein, dass... nein, Maron würde sich nicht so schnell auf einen anderen Mann einlassen... oder? „Entschuldigung, kann ich Ihnen weiterhelfen?“ „Ich... möchte zu Miss Kusakabe.“ „Tut mir leid, aber diesen Namen habe ich noch nie gehört. Vielleicht haben Sie sich an der Tür geirrt. Entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch ein paar Termine, aber wenn Sie selbst an einer Besichtigung interessiert sind, dann können wir gerne noch einmal telefonieren. Ich gebe Ihnen gerne meine Karte, dann...“ „Moment mal! Besichtigung?!“ „Naja, ich bin immerhin Immobilienmakler.“ Freundlich streckte er Chiaki seine Hand entgegen, um sich vorzustellen, doch der Blauhaarige war zu geschockt, um sich auf den jungen Mann zu konzentrieren. Er konnte nicht glauben, dass das wahr sein sollte! In aufkommender Verzweiflung drückte er seinen Gegenüber zur Seite und stürmte einfach an ihm vorbei. Hektisch lief er von einem Raum zum anderen und rief laut nach Maron. Doch er bekam keine Antwort. Als er sie nirgendwo sehen konnte, begann er wieder beim ersten Raum. Da die wenigen Möbel, die sich noch in der Wohnung befanden, in Folie eingepackt waren, hätte er sich denken können, dass seine Suche keinen Erfolg versprechen würde... doch er wollte es einfach nicht wahrhaben, dass sie fort sein könnte. Gegangen war, ohne ihm Lebewohl zu sagen. Er sie womöglich nie wieder sehen würde und damit auch sein Kind. Sein eigen Fleisch und Blut, das er vielleicht niemals aufwachsen sehen würde. Das konnte nicht sein! Das Durfte nicht sein! Hatte er es vielleicht als zu selbstverständlich angesehen, dass er sie jederzeit um Vergebung hätte bitten können? Er hatte doch nie gewollt, dass es so endete. Dass sie im Streit auseinandergingen und er nie die Gelegenheit haben würde, das alles aufzuklären. Er hatte sie in ihren letzten gemeinsamen Augenblicken in dem Glauben gelassen, er wolle sie mit dem Kind alleine lassen. Doch jetzt, da sie nicht mehr da war, war alles so glasklar und alle Zweifel schienen einfach verschwunden zu sein: Er liebte sie mehr als alles andere. Sie war die einzige Frau, die er je an seiner Seite haben möchte. Nichts wollte er mehr als sie und ihre kleine gemeinsame Familie. Er wollte für dieses Baby da sein. Wollte es aufwachsen sehen. Sehen, wie es seine Schritte machte, die ersten Wörter sprach. Seine Familie durch gute und schlechte Zeiten begleiten und alles dafür tun, dass nichts mehr sie voneinander trennte. Doch so gerne er in dieser Vorstellung schwelgte, so schnell musste er feststellen, dass sie wohl Illusionen bleiben würde. Wie in Schockstarre verfallen ging sein Blick ins Nirgendwo und verharrte dort. Da stürmte auch schon der Immobilienmakler ins Zimmer. „Hören Sie! Ich habe gleich einige Termine mit Interessenten. Ich möchte Sie höflichst bitten, die Wohnung zu verlassen!“ Unschlüssig versuchte der Blauhaarige seine Gedanken zu ordnen, ging dann aber doch an dem Mann vorbei und kam der Aufforderung nach. Draußen schnappte er sich noch seinen Koffer und hatte es sehr eilig, aus dem Gebäude herauszukommen. Sein Kopf war wie leergefegt, er nahm nichts mehr wahr. Kaum, dass Chiaki an dem Haus seines Vaters ankam, öffnete Kaiki auch schon die Tür. Den ganzen Mittag hatte er gewartet. Er hatte sich sogar den ganzen Tag frei genommen, damit Chiaki nicht alleine war, wenn er ankam. Sogar Hana war gekommen und stand nervös von der Couch auf, als sie sah, dass Chiaki mit einem Koffer und getrübten Blick in das Foyer eintrat. Aufmunternd klopfte der Ältere dem jungen Mann auf die Schulter. Das war das einzige, das ihm im Moment einfiel. Er fand einfach keine Worte, die seinen Sohn irgendwie hätten aufmuntern können. Wie auch in seiner solchen Situation? Immerhin war seine Hochzeit geplatzt, weil seine Verlobte ihn hintergangen und betrogen hatte. Da wusste Kaiki auch noch nicht, dass das eigentliche Problem die verzwickte Situation mit Maron war. Ganz im Gegenteil zu Hanna. Sie hatte schon lange erkannt, dass nicht Miyako die Frau war, die Chiaki liebte. Etwas schüchtern ging sie ebenfalls auf ihren Jungen zu und schloss in ihre Arme. Die Urarmung wurde von diesem aber nur halbherzig erwidert. Sie würde wohl einiges tun müssen, damit sie wieder ein freundschaftliches Verhältnis zueinander haben könnten. „Möchtest du vielleicht etwas essen? Ich könnte ein Kartoffelgratin machen, das hast du doch schon immer gerne gegessen und zum Nachtisch könnte ich einen Pudding kochen.“ „Danke, Mutter, aber ich denke, ich möchte einfach nur meine Ruhe haben.“ Er wusste, dass er sie mit seinen Worten traf, aber das kümmerte ihn im Moment wenig. Ohne einen weiteren Blick machte er kehrt und stieg die Treppen hinauf zu seinem alten Zimmer. Dort angekommen stellte er seinen Koffer neben der Tür ab, schloss diese und ließ seinen Blick durch den Raum streifen. Bei dem großen Fenster an der gegenüberliebenden Wand stoppte er. Dort hatte sie gestanden. Sie hatte einfach nur dagestanden und hinausgeblickt in den großen prachtvollen Garten. Ihr Blick war voller Trauer und doch hatte er noch nie zuvor eine Frau getroffen, die so wunderschön war und soviel Würde und Stolz ausstrahlte. Mit leisen Schritten war er auf sie zugegangen und hatte sie in seinen Armen gehalten. Ob er alles noch hätte retten können, wenn er damals schon erkannt hätte, dass nur sie ihn glücklich machen konnte? Verzweifelt hielt er seinen Kopf mit beiden Händen und kniff die Augen zusammen, als ihm bewusst wurde, dass ihn selbst hier alles an Maron erinnerte. Chiaki ging ein paar Schritte in den Raum, dann ließ er sich auf das Bett fallen und schloss seine Augen. Hier würde er wohl oft von Maron träumen und vermutlich auch von seinem Kind. Was es wohl werden würde? Ein Junge? Ein Mädchen? Das Geschlecht war ihm völlig egal, solange es gesund war. Doch der Gedanke daran, dass er nichts von alledem erfahren würde, zerriss sein Herz erneut in tausend Stücke. Wenige Minuten später klopfte es an der Tür. Der Blauhaarige wollte niemanden sehen und blieb deshalb stumm, dennoch öffnete Hana die Tür, trat ein und verschloss sie wieder. Unaufgefordert trat sie an das große Bett heran, wurde von ihrem Sohn aber ignoriert, der einfach nur sturr an die Decke starrte. Hana wusste, dass Vieles falsch gelaufen war in den letzten Monaten, aber vielleicht würde es dem jungen Mann helfen, die Samthandschuhe auszuziehen und Klartext zu reden. Es war ja nicht mehr zum Aushalten, wie er nur vor sich hin vegetierte! „Chiaki, ich glaube wir müssen miteinander reden.“ „Das wäre ja nichts Neues.“ Seinen Blick ließ er nach oben gerichtet. Seine Stimme klang monoton. „Chiaki, bitte! Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und wie du sagst, hast auch du nicht immer das Richtige getan, aber Probleme lösen sich nicht, indem man sich nur noch hängen lässt. Ich kann dir nicht tatenlos dabei zusehen, wie du immer mehr in dir versinkst. Es ist viel passiert, aber das Leben geht doch weiter! Ich weiß jetzt, dass du etwas mit Maron am Laufen hattest, aber jetzt, wo du dich von Miyako getrennt hast, gibt es doch nichts mehr, was zwischen euch stehen könnte! Ich verstehe nicht, warum du hier herumliegst und dir den Kopf zerbrichst, anstatt zu Maron zu gehen und ihr zu sagen, was du für sie empfindest. Du kannst doch noch immer alles in Ordung bringen!“ Der 26-jährige hatte sich alles angehört, ohne ein Wort zu sagen oder eine Emotion erkennen zu lassen. Doch innerlich machte es ihn wütend, dass anscheinend jeder andere es immer besser wissen wollte. „So einfach ist es aber nicht.“ „Dann erklär mir doch, was daran so schwer ist!“ Wutentbrannt sprang er auf und sah seiner Mutter tief in die Augen. „Ich kann dir erklären, was so schwer daran ist! Sie ist weg! Hörst du? Weg! Und sie kommt auch nicht mehr zurück. Und willst du wissen, was das Ganze noch schwerer macht? Sie ist schwanger! Sie trägt mein Kind unter ihrem Herzen und ist einfach verschwunden, ohne mir zu sagen, wo sie ist. Ich habe alles vermasselt. Ich hatte geschätzte tausend Gelegenheiten, mich bei ihr zu entschuldigen und alles in Ordnung zu bringen, aber stattdessen habe ich zu einer Frau gehalten, die mich nur hintergangen hat. Als hör auf, mir erzählen zu wollen, dass alles ganz einfach wäre!“ Weinend und mit geweiteten Augen stand Hanna wie in Schockstarre da und wusste nicht mehr, was sie dazu sagen sollte. Bevor sie die Gelegenheit dazu bekam, rannte Chiaki schon an ihr vorbei, aus dem Zimmer heraus und die Treppe hinunter. Im Vorbeigehen schnappte er sich noch seinen Autoschlüssel von dem kleinen Tisch im Eingangsbereich. Hanna eilte ihrem Sohn noch hinterher, doch als sie an der Haustür ankam, konnte sie nur noch beobachten, wie er in sein Auto einstieg und davonraste. Now you ain't around baby I can't think I should've put it down, should've got the ring 'Cause I can still feel it in the air See her pretty face, run my fingers through her hair My lover, my life, my shawty, my wife She left me, I'm tied 'Cause I knew that it just ain't right She was so easy to love But wait, I guess that love wasn't enough I'm going through it every time that I'm alone And now I'm missing, wishing she'd pick up the phone But she made the decision that she wanted to move on' Cause I was wrong I was thinking 'bout her, thinking 'bout me Thinking 'bout us, what we gonna be? Open my eyes, it was only just a dream So I travelled back, down that road Will she come back? No one knows I realize, it was only just a dream Just A Dream - Nelly Kapitel 24: Von Hoffnungslosigkeit und Suchaktionen --------------------------------------------------- She's out of my life She's out of my life And I don't know whether to laugh or cry I don't know whether to live or die And it cuts like a knife She's out of my life So I've learned that love's not possession And I've learned that love won't wait Now I've learned that love needs expression But I learned too late... She's out of my life – Michael Jackson Mit starrem Blick schaute er auf das Meer hinaus in die Ferne. Sämtliches Zeitgefühl war verschwunden, die Sonne ging bereits unter, war kurz davor zu versinken und tauchte den Himmel in zarte Orange- und Rosatöne. Jeder andere hätte dieses Bild als wunderschön und beruhigend empfunden. In Chiaki jedoch regte sich nur Melancholie und Trauer gemischt mit unglaublicher Wut. Obwohl er schon so lange in dieser kleinen Bucht am Strand weit weg von Momokuri saß, gab es absolut nichts, das ihn im Moment trösten könnte. Trotz langem Nachdenken fiel ihm nichts ein, das er noch als schön empfunden hätte. Nichts konnte die Leere in seinem Inneren füllen, nichts das Schwarz in seiner Seele ersetzen. Der Himmel malte, die Sonne zeigte ihre letzten warmen Strahlen an diesem Tag, doch nichts davon kam bei ihm an. Er konnte sich nicht erinnern, dass er sich jemals innerlich so tot gefühlt hatte wie in genau diesem Moment. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde ihm klarer, dass er nur hier sitzen und nichts mehr tun konnte. Er hatte versagt. Er hatte sie gehen lassen. Wie sollte er je mit dem Gedanken auskommen können, ohne die Liebe seines Lebens und ihr gemeinsames Kind zu leben? Wie könnte er je wieder ein normales Leben führen, eine andere Frau lieben, eine neue Famile gründen? Nie wieder würden ihn die Gedanken in Ruhe lassen. Daran, was sie wohl tat, wie es seinem Kind ging. Er würde die Schwangerschaft verpassen, die Geburt, die ersten Worte und Schritte, alle Geburtstage, Schulveranstaltungen, er würde noch nicht einmal wissen, ob er einen Sohn oder eine Tochter hatte. Er würde nichts von all dem mitbekommen, was ihn zu einem Vater machen würde. Vermutlich würde sein Kind noch nicht einmal wissen, dass er existierte. Je mehr er darüber nachdachte, wie seine Zukunft wohl aussehen würde, umso wütender wurde er, dass er es nicht verhindert hatte. In seinem aufkommenden Zorn sprang er auf und begann aus voller Seele zu schreien. Alle Gefühle, die sich in ihm aufgestaut hatten, mussten einfach heraus. Er schrie und schrie bis er sich heiser und völlig erschöpft zurück in den Sand fallen ließ und nur noch einzelne Tränen aus seinen Augen traten und im Boden versanken. Auch diese versiegten irgendwann, zurück blieben salzige Spuren auf seinen Wangen und das dumpfe Gefühl der Leere in seinem Inneren... Seit geraumer Zeit versuchte Hana nun schon, beim Einwohnermeldeamt voranzukommen, bisher aber ohne Erfolg. Nach ungefähr 45 Minuten, in denen sie von einem Büro zum nächsten geschickt wurde, war sie nun endlich an ein junges Fräulein geraten, das ihr versprach, sie zu jemandem zu bringen, der ihr möglicherweise wirklich weiterhelfen konnte. Kurz musste sie noch auf dem Flur Platz nehmen, dann wurde sie endlich in das Zimmer gebeten. Hinter dem wuchtigen Schreibtisch saß eine Dame, die ungefähr in Hanas Alter sein dürfte. Ihre Haare waren schwarz gelockt und auf ihrer etwas zu großen Nase saß eine nahezu überdimensionale Hornbrille. Insgesamt war ihre Statur sehr kräftig, der Kleidungsstil altmodisch. Von Herzlichkeit fehlte jede Spur. Als sie Hana erblickte, erhob sie sich von ihrem Schreibtischstuhl und reichte ihr die Hand. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Beamtin und deutete Hana an, auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Chiakis Mutter kam dieser Aufforderung umgehend nach. „Guten Tag, Hana Nagoya mein Name, ich danke Ihnen vielmals, dass Sie mir helfen wollen. Ich bin auf der Suche nach einer jungen Frau, die sich einige Monate hier in Momokuri aufgehalten hat und erst kürzlich wieder verzogen ist. Ihr Name ist Maron Kusakabe.“ Gespannt wartete sie, während die Frau ihr gegenüber etwas in den Computer eingab und auf den Bildschirm starrte. „Sie haben Recht, Misses Nagoya. Maron Kusakabe war einige Monate hier gemeldet. Wohnblock Orléans, Apartment 704. Sie liegen aber auch richtig in der Annahme, dass sie verzogen sei.“ „Hat sie vielleicht eine neue Adresse hinterlassen?“ „Nein, tut mir leid.“ „Das kann nicht sein, schauen Sie bitte noch einmal genau nach. Sie muss irgendetwas hinterlassen haben. Eine Adresse, eine Nummer, irgendwas!“ In Hana fing es an zu brodeln. Sie wurde nervös, sehr sogar. Maron konnte doch nicht einfach spurlos verschwunden sein. Was auch gewesen war, sie musste ihrem Sohn unebdingt helfen, seine einzige Liebe und sein Kind zu finden. Das war sie ihm schuldig und sie würde nicht mit leeren Händen zu ihm kommen, das schwor sie sich. „Tut mir leid, ich habe nichts für Sie. Und auch wenn ich etwas hätte, dürfte ich Ihnen die Informationen aus Gründen des Datenschutzes nicht aushändigen.“ „Bitte warten Sie kurz. Ihnen ist nicht bewusst, wie ernst die Lage ist! Maron Kusakabe begeht im Moment den größten Fehler ihres Lebens. Sie ist schwanger mit dem Kind meines Sohnes, verstehen Sie? Mit meinem Enkelkind! Und will sich jetzt ins Ausland absetzen. Wenn Sie mir jetzt helfen, können Sie eine ganze Familie retten!“ Entgegen ihrer Erwartung ließ die Beamtin diese Aussage kalt. Weder ihr Gesichtsausdruck, noch ihre Motivation hatten sich geändert. „Misses Nagoya, Ihre Geschichte ist wirklich rührend, aber ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen schönen Tag.“ Kurz überlegte Hana, ob sie noch einen Versuch wagen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. Niedergeschlagen verabschiedete sie sich von der Dame und verließ das Einwohnermeldeamt. Auch wenn sie die Hoffnung aufgegeben hatte, hier Hilfe bekommen zu können, so glaubte sie fest daran , dass sie Maron noch immer finden konnte. So schnell ließ sie sich nicht entmutigen. Niemals! Kaum drei Stunden später irrte sie durch die große Flughafenhalle von Tokio. Sie hoffte, hier jemanden finden zu können, der ihr weiterhelfen konnte und wollte. Vielleicht jemand, der Zugriff auf alle Informationen bezüglich der Flüge und Passagierlisten hätte. Das wäre natürlich der Optimalfall, doch dafür musste sie sich erst einmal in diesem großen Chaos orientieren und einen kühlen Kopf bewahren. Entschieden schritt sie auf einen der Infoschalter zu, an dem eine junge Frau saß und in aller Ruhe an ihrem Computer arbeitete. Sie war wohl keine Japanerin, sah sie doch eher aus wie eine Europäerin. Große Augen, blonde Haare, schlanke Statur, sehr hübsch. Das geschätzte Alter lag bei Anfang bis Mitte 20. Als sie Hana erblickte, die nun vor ihrem Arbeitsplatz stand, lächelte sie sie freundlich an. „Guten Tag, kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ Die Blondine sprach zwar kein japanisch, doch ihr Englisch war wirklich sehr gut und fast akzentfrei. „Das hoffe ich sehr. Ich bin auf der Suche nach einer jungen Frau, die gestern einen Flug von hier genommen haben müsste. Ich weiß, dass sie wegen des Datenschutzes nicht alles preisgeben dürfen, aber ich bitte Sie inständig: Wenn Sie auch nur eine kleine Möglichkeit haben, mir weiterzuhelfen...“ Die junge Frau am Schalter zögerte kurz, doch als sie den flehenden Ausdruck in den Augen der Frau ihr gegenüber erblickte, war ihr sofort klar, dass sie ehrliche und wichtige Absichten haben müsste. „Ich vielleicht nicht, aber ich wüsste da eventuell jemanden.“ Sie griff nach dem Telefon, drückte einige Tasten und begann mit jemandem zu sprechen. Lächelnd legte sie nach einigen Minuten wieder auf. „Es wird sich gleich jemand um Ihren Notfall kümmern.“ Dankbar nickte Chiakis Mutter und erneut keimte Hoffnung in ihr auf, dass sie Maron schon bald finden würde. Nach kurzem Warten wurde sie von einem Mann begrüßt, der ungefähr in ihrem Alter sein dürfte. Er war relativ groß, hatte volles, wenn auch ergrautes Haar und trug eine große Brille. Sanft lächelnd schüttelte er ihre Hand und bat sie, ihn in sein Büro zu begleiten. Nachdem er ihr einen Stuhl angeboten hatte, ließ er sich selbst hinter seinem großen Schreibtisch nieder. „So, Misses Nagoya, Sie sind also auf der Suche nach einer jungen Frau. Haben sie irgendwelche Informationen, nach wem oder was ich suchen muss?“ „Ihr Name ist Maron Kusakabe, sie muss in den letzten beiden Tagen einen Flug von diesem Flughafen hier genommen haben.“ „Maron Kusakabe...“, murmelte er, während er etwas in den Computer tippte. „Sie sagen, sie sei in den vergangenen beiden Tagen geflogen. Können sie das irgendwie eingrenzen? Tag? Uhrzeit? Airline?“ „Nein, das kann ich leider nicht.“ „Zielflughafen?“ „Ähm...nein tut mir leid.“ Nachdenklich rieb sich der Manager das Kinn. „Das ist leider nicht gerade viel, Misses Nagoya.“ Hana konnte spüren, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Würde sie schon wieder in eine Sackgasse laufen? Wenn sie hier nichts herausfinden konnte, wo dann? Sie konnte unmöglich ihrem Sohn unter die Augen treten und ihm sagen, dass sie die Suche nach der Liebe seines Lebens aufgeben musste. Gedrückt ließ sie schon den Kopf hängen, als der Mann sich räusperte und doch noch weitersprach. „Aber ich bin dennoch gewillt, Ihnen zu helfen. Ich hätte eventuell die Möglichkeit, eine Suche im System zu starten. Da wir weder Fluggesellschaft, noch Zielflughafen kennen, könnte das etwas dauern, aber mit etwas Glück könnten wir herausfinden, wo die besagte Dame hinwollte. Sie können mir Ihre Nummer hinterlassen, ich würde Sie anrufen, sollte sich etwas ergeben.“ Mit Tränen in den Augen und einem strahlenden Lächeln auf den Lippen, schüttelte Hana dem Mann überschwänglich die Hand und bedankte sich gefühlte tausend Mal. Zwar hatte sie die Brünette noch nicht ausfindig machen können, doch überhaupt die Hoffnung haben zu können, dass die Suche bald enden würde, war mehr als sie zu träumen gewagt hätte. Während Hana die Suche nach Maron voran trieb, befand sich Access auf dem Weg zu Kaikis Haus. An der Haustür wurde er von eben diesem freundlich begrüßt, dann stieg der Lilahaarige die große Treppe nach oben. Kurz blieb er vor der weißen Tür stehen, klopfte zaghaft und trat dann, ohne auf Antwort zu warten, ein. Der Anblick, der sich ihm bot, konnte nicht trauriger sein. Die schweren Vorhänge waren zugezogen und ließen keinen einzigen Lichtstrahl in den sonst so hellen Raum. Die Luft war stickig, auf dem Nachttisch neben dem Bett stand ein Tablett mit einem Glas Wasser und etwas zu essen. Beides war unberührt. Und Chiaki? Der lag auf seinem Bett und starrte ausdruckslos an die Decke. Noch nicht mal als Access die Tür öffnete und eintrat, hatte er sich bewegt oder wenigstens einen Blick zu ihm geworfen. Sein bester Freund erkannte ihn kaum wieder. Seine Augen sahen verweint aus, unter ihnen zeichneten sich dunkle Augenringe ab, sein Gesicht war komplett ausdruckslos. Der Barbesitzer wusste nicht, ob er sauer werden oder Mitleid haben sollte, aber so wie jetzt konnte die Gesamtsituation definitv nicht bleiben. Das war ja nicht zum Aushalten! Mit großen Schritten marschierte er Richtung Fenster, zog die Vorhänge mit einem kräftigen Ruck zur Seite und riss die Fenster auf, um endlich frische Luft herein zu lassen. Und tatsächlich zeigte sein bester Freund das erste Lebenszeichen, seit Access hereingekommen war. Durch den plötzlichen Lichteinfall musste er die Augen zusammenkneifen, dabei entkam ihm ungewollt ein Grummeln, er verlor aber dennoch kein Wort. Stattdessen drehte er sich auf die andere Seite und wollte einfach nur seine Ruhe haben. Doch Access ließ nicht locker und setzte sich neben ihn auf das Bett. „Dein Vater hat mich angerufen, dass ich doch mal nach dir sehen soll. Du hast es ihm nicht gesagt, oder?“ Statt zu antworten, schüttelte der Blauhaarige nur den Kopf. „Okay, du bist mein bester Freund und deswegen werde ich mir nicht länger ansehen, wie du vor dich hinvegetierst. Du wirst jetzt deinen Arsch aus dem Bett bewegen und wirst zu Maron fahren. Weiß sie überhaupt, dass du Miyako nicht geheiratet hast? Immerhin werdet ihr in ein paar Monaten eine kleine Familie sein, da wäre das schon ein wichtiges Detail, findest du nicht?“ Er versuchte überschwänglich, fast scherzhaft zu klingen, doch er konnte seinem besten Freund einfach kein Lächeln entlocken. Stattdessen wirkte er noch benommener als er es eh schon war. „Sie ist weg...“, murmelte der Blauhaarige, kaum hörbar. Mit viel Mühe hatte Access dennoch verstanden, glaubte aber, dass Chiaki wieder dramatisierte. „Ach komm schon, du hast dich von Miyako getrennt, jetzt steht dir und Maron doch nichts mehr im Wege. Du musst dich jetzt nur aufrappeln und alles mit ihr klären.“ Jetzt wurde der Blauhaarige wütend. Gab es denn keinen Menschen, der verdammt noch mal verstehen wollte, wie seine Situation war?! Mit einem gereizten Knurren richtete er sich in dem Bett auf und blickte Access tief in die Augen. „Sag mal, checkt ihr es alle nicht?! Sie ist weg! Weg! Und sie wird auch nicht mehr zurück kommen, verstanden? Wir werden keine 'kleine Familie' werden, weil sie einfach mit meinem Kind abgehauen ist und ich keinen blassen Schimmer habe, wo sie steckt. Kann sich einer von euch auch nur im Entferntesten vorstellen, was in mir vorgeht, wie ich mich fühle? Zu wissen, dass es da draußen ein Kind geben wird, das ich gezeugt habe und das ohne seinen Vater aufwachsen wird, weil ich zu dumm war, meine Fehler einzugestehen? Weil ich einfach nur ein feiger Idiot war? Spart euch einfach eure Versuche, mich aufmuntern zu wollen, weil es nichts gibt, das meine Lage irgendwie verbessern könnte!“ Außer Atem ließ er sich einfach zurück in die Kissen fallen und starrte weiterhin ausdruckslos an die Decke. Darauf wusste selbst Access nichts mehr zu sagen. Noch nie hatte er Chiaki dermaßen aus der Haut fahren sehen. Und auch wenn es ein paar Sekunden gedauert hatte, verstand auch der Barbesitzer, was ihm sein bester Freund gerade offenbart hatte. Glauben konnte und wollte er es aber nicht. War es wirklich möglich, dass sie einfach in einen Flieger gestiegen war und sich jetzt in irgendeinem anderen Land der Erde befand? Eigentlich hatte Access geglaubt, dass wenigstens die Tatsache, dass Chiaki mittlerweile von der Schwangerschaft wusste, sie von ihrem Vorhaben abhalten würde, doch er hatte wohl weit gefehlt. „Chiaki, es tut mir leid. Wenn ich das gewusste hätte...“ „Hast du aber nicht.“ Betrübt ließ Access den Kopf hängen. Von seiner sonst so selbstbewussten Art, war für den Moment nicht mehr viel zu merken. Er war einfach ratlos, was er tun könnte, um Chiaki zu helfen. Er hatte nie damit gerechnet, dass sie einmal in diese Situation kommen würden. Hatte er doch den Glauben nie verloren, dass der 26-jährige und die brünette Schönheit wieder zusammenfinden würden. „Fynn hat noch einen wichtigen Termin, ich muss sie leider in der Bar ablösen. Wenn du noch etwas brauchst, dann ruf mich gerne an oder komm vorbei...“ Gerne hätte er noch mehr gesagt, doch er fühlte sich einfach sprachlos. Was sagte man auch jemandem, der sich fühlen musste, als würde er nie wieder im Leben glücklich sein können? Wie es zu erwarten war, zeigte Chiaki keinerlei Reaktion, also nickte der Lilahaarige noch einmal, verließ das Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Im Hausflur traf er auf Kaiki. Im Gegensatz zu seiner Exfrau hatte er nichts von allem mitbekommen. Maron, die Affäre, das Baby. Dementsprechend hilflos fühlte er sich. Zuerst hatte er alles auf die geplatzte Hochzeit schieben wollen, doch er hatte schon lange das Gefühl, dass mehr dahintersteckte. Er hatte immernoch im Gefühl, dass es etwas mit Maron zu tun haben könnte, doch was vorgefallen sein musste, dass sein Sohn so trostlos war, das konnte er sich im Kopf einfach nicht zusammenreimen. „Hat er auch mit dir nicht gesprochen?“ Access schüttelte den Kopf betrübt. „Ich glaube es ist am Besten, wenn wir ihn ein bisschen in Ruhe lassen.“ Niedergeschlagen nickte der Ältere. Vermutlich hatte er Recht. Chiaki war noch nie der Typ gewesen, der sonderlich mitteilungsbedürftig war, wenn es um seine Probleme ging. Lieber machte er alles mit sich selbst aus, auch um andere nicht zu belasten. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass er sich freiwillig öffnete und vielleicht sogar nach einem väterlichen Rat verlangte. Er bedankte sich bei Access für dessen Mühe und verabschiedete ihn höflich. Dann begab er sich ins Wohnzimmer, um ein wenig zu lesen. Er hatte sich die Tage nach der geplanten Hochzeit frei genommen. Dass die Hochzeit im letzten Moment platzen würde, hatte ja keiner ahnen können. Es würde ihm auch nichts bringen, sich die ganze Zeit den Kopf zu zerbrechen. Es war wohl das Beste, wenn er einfach versuchte, sich abzulenken. Hana befand sich mittlerweile zurück auf dem Weg zu Kaikis Villa. Sie und ihr Exmann hatten beschlossen, dass sie vorerst in eines der Gästezimmer einziehen sollte, solange Chiaki auch dort wohnte und noch keine neue Wohnung gefunden hatte. Auch wenn ihre Ehe nicht funktioniert hatte, so hielten sie doch auch nach der Scheidung zusammen, wenn es um ihren gemeinsamen Sohn ging. Zudem schätzten sie sich gegenseitig noch immer sehr, wofür beide sehr dankbar waren. Seit dem Gespräch am Flughafen waren schon ein paar Stunden vergangen, doch sie konnte nicht einfach herumsitzen und Daumen drehen. Sie war ein paar Taxistellen und den Bahnhof abgefahren und hatte ein verschiedene Taxifahrer angesprochen in der Hoffnung, dass einer von diesen Maron an den Flughafen gefahren hatte und sich möglicherweise noch an sie erinnern konnte. Im Optimalfall hatte sie dem besagten Fahrer vielleicht schon erzählt, wohin sie ihre Reise bringen würde, doch sie hatte leider keinen Erfolg gehabt. Ihr ganze Hoffnung ruhte nun auf diesem einen Anruf, den sie mit größter Nervosität erwartete und der sie hoffentlich einen großen Schritt weiterbrachte. Wenig später fuhr sie mit dem Auto an einer kleinen Bar vorbei. Sie wusste ganz genau, wer der Besitzer war und überlegte kurz und fieberhaft, dann parkte sie ihren Wagen am Straßenrand und stieg eilig aus. Access war gerade dabei, die Theke und die Tische der Bar abzuwischen. Es war Sonntagabend, das bedeutete, dass er nicht wirklich viel zu tun gehabt hatte. Er hatte ein paar Stammgäste bedient, die sich aber auch zeitig auf den Heimweg gemacht hatten, da sie am nächsten Morgen wieder früh aufstehen mussten, um arbeiten zu gehen. Fynn hatte er gesagt, dass sie ruhig nach ihrem Termin zu Hause bleiben könne, mit den paar Gästen würde er auch alleine fertig werden und vielleicht würde er auch etwas früher schließen, wenn kein Betrieb mehr war. Er hatte schon lange keinen freien Abend mehr gehabt, an dem er sich etwas entspannen oder sich der Beziehung zu Fynn widmen konnte. Doch dann vernahm er die Glocke, die im Eingangsbereich hing und von der Tür angestoßen wurde, sobald sich die Tür öffnete. Neugierig blickte er in Richtung Eingang, wer ihn wohl um diese Uhrzeit noch beehrte. Er musste zugeben, dass er doch ziemlich überrascht war, als er Chiakis Mutter erblickte. Sie hatte ihn ehrlich gesagt nie sonderlich leiden können, hatte immer behauptet, er wäre ein schlechter Einfluss für ihren Sohn. Dementsprechend verwundert war er, dass sie tatsächlich freiwillig in seine Bar kam. Auf der anderen Seite konnte er sich aber auch ganz genau vorstellen, worüber sie mit ihm sprechen wollte. „Guten Abend, Access“, grüßte sie ihren Gegenüber zaghaft. „Guten Abend, Misses Nagoya. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht damit gerechnet habe, Sie jemals in meiner Bar begrüßen zu dürfen.“ Tatsächlich konnte sich die Angesprochene zu einem kleinen Lächeln durchringen. Sie hatte zwar nie allzu viel von Access gehalten, aber eigentlich war er ja doch kein schlechter Kerl, musste sie zugeben. Es war schließlich nicht selbstverständlich, dass er Chiaki ein wirklich guter Freund war und ihm immer zur Seite stand, wenn er Probleme hatte oder einfach nur einen Ratschlag brauchte. „Access, wir müssen reden.“ Langsam setzte sie sich an einen der Tische, Access legte den Lappen, mit dem er eben noch abgewischt hatte in die Spüle hinter der Theke und setzte sich dann ihr gegenüber auf einen Stuhl. „Ich denke mal, dass es um Chiaki geht?“ „Hast du schon mit ihm sprechen können?“ „Ich war vor ein paar Stunden kurz bei ihm, aber er macht absolut dicht, da bin selbst ich überfragt, tut mir leid.“ Hana seufzte laut auf. Es tat ihr sichtlich weh, ihren Sohn in diesem Zustand zu sehen. „Hör zu, ich weiß mittlerweile ein wenig was passiert ist und... ich habe auch ehrlich gesagt meinen Teil dazu beigetragen. Das tut mir sehr leid und ich kann es leider nicht mehr rückängig machen...“ Irritiert zog der junge Mann eine Augenbraue nach oben. Er konnte in seinem Kopf einfach keine Verbindung zwischen den ganzen Geschehnissen und Chiakis Mutter herstellen. Was sollte sie auf einmal damit zu tun haben? Die Ältere bemerkte seine Verwirrung und beichtete ihm kleinaut, warum sie sich so schuldig fühlte. Erzählte von dem Abend, als sie Maron davon überzeugen wollte, dass Chiaki keinerlei Gefühle für sie hegen würde. Davon, dass sie Miyako erst darauf aufmerksam machte, dass Maron großes Interesse an ihm zeigte und so wahrscheinlich erst dafür gesorgt hatte, dass junge Polizistin die Hochzeit so schnell wie möglich durchziehen wollte. Und schließlich davon, wie elend sie sich fühlte, dass sie ihrem einzigen Sohn das wahre Glück verbaut hatte. Aufmerksam hatte der Barbesitzer zugehört, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. „Hören Sie, ich kann absolut nachvollziehen, dass Sie Schuldgefühle haben, aber dafür gibt es keinen Grund. Ihre Taten waren keine Auslöser dafür, was geschehen ist, das sollten Sie sich immer wieder ins Gedächtnis rufen.“ „Danke, Access, es ist nett, dass du das sagst, aber ich kann das alles nicht so auf sich beruhen lassen. Ich habe beschlossen, das alles in Ordnung zu bringen.“ Bevor Access nachfragen konnte, sprach sie eilig weiter: „Ich werde Maron finden und wieder zurückbringen. Hier her, zu Chiaki, wo sie nun einmal hingehört.“ Möglichst kurzgefasst berichtete sie von ihrer bisherigen Suchaktion. Access hatte versucht, dem ganzen zu folgen. Allerdings musste er zugeben, dass ihn das alles nicht sonderlich zuversichtlich stimmte. „Hana, es ist wirklich bemerkenswert, dass Sie sich für die ganze Sache einsetzen, wirklich. Aber ich befürchte, dass es nicht so einfach werden wird, wie Sie sich das vorstellen. Wenn ich das richtig verstanden habe, beruht unsere ganze Hoffnung auf einem einzigen Anruf. Was ist, wenn dieser Mann keine Informationen für uns haben wird? Dann haben wir nichts, keinen neuen Anhaltspunkt. Und selbst wenn wir in Erfahrung bringen können, wo sie sich in diesem Moment aufhält, haben wir keine Garantie dafür, dass Maron zurückkommen wird und die beiden mir nichts dir nichts wieder zueinander finden werden. Zwischen ihnen ist viel vorgefallen, von dem Sie nichts wissen. Es braucht viel Zeit, um ein solches Verhältnis wieder zu reparieren.“ Ein unangenehmes Schweigen entstand, doch dann ergriff die 43-jährige wieder das Wort. Ihre Stimme klang dabei selbstbewusster als zuvor. „Ich weiß, dass es im Moment nicht viel Grund zur Zuversicht gibt und doch werde ich an jedem kleinen Hoffnungsschimmer festhalten, der sich zeigt. Vielleicht kannst du es in deinen jungen Jahren noch nicht nachvollziehen, aber wenn du ein Kind hast, steht deine ganze Welt Kopf. Ab dem Moment, in dem du dieses kleine Wesen in deinen Armen hälst, würdest du einfach alles dafür tun, um es glücklich zu machen. Dieses Gefühl wirst du nie wieder los und deswegen werde ich auch alles dafür tun, dass mein Sohn das Glück bekommt, das er nach all diesen Problemen mehr als nur verdient hat und nichts und niemand wird mich davon abbringen können.“ Access hatte aufmerksam zugehört. Fast wäre er gerührt gewesen, wie sehr sich Hana für Chiaki einsetzte. Nach allem, was damals passiert war, empfand er dies nicht als Selbstverständlichkeit. Ein schlechtes Gewissen erfasste ihn, weil er auf einmal das Gefühl hatte, nicht alles für seinen besten Freund getan zu haben. „Sie haben Recht, Hana, er verdient es und...ich werde Sie mit allen Kräften unterstützen, darauf können Sie sich verlassen. Chiaki ist mein bester Freund und er würde dasselbe für mich tun.“ Erfreut lächelte die Dame und reichte Access die Hand, als würden sie eine Vereinbarung schließen. Dann verabschiedete sie sich, zog ihren Mantel an und machte sich auf den Heimweg. In Kaikis Villa angekommen entledigte sie sich ihres Mantels und ihrer Schuhe und stieg so leise, wie es ihr möglich war die große Treppe nach oben. Aus dem Badezimmer konnte sie das Rauschen der Dusche vernehmen. Da Kaiki sie beim Betreten des Hauses nicht wie sonst begrüßt hatte, ging sie davon aus, dass ihr Ex-Mann sich wohl im Bad befinden müsste. Dann blieb sie vor der Tür stehen, hinter der sich Chiakis Zimmer befand. Wie ein Blitz schoss ihr die Erinnerung an den Abend der Verlobungsfeier in den Kopf. Der Abend, an dem Maron vor allen Gästen verkündet hatte, dass sie nicht mehr in Momokuri arbeitete und den Plan verfolgte, Japan den Rücken zu kehren. Nachdem diese Bombe geplatzt war, hatte Hana sowohl Chiaki als auch Maron eine ganze Zeit lang nicht mehr zu Gesicht bekommen und hatte entschieden, die beiden suchen zu gehen. Tatsächlich hatte sie sie in genau diesem Zimmer vorgefunden. Arm in Arm, eng umschlungen, kurz davor, sich zu küssen. Heute kann sie sich noch nicht einmal daran erinnern, warum sie sich überhaupt auf die Suche gemacht hatte. Hatte sie Angst gehabt? Angst davor, dass Maron Chiaki verführen könnte? Oder vielleicht Angst, dass die beiden doch mehr Gefühle füreinander hegten, als sie selbst erkennen wollte? Wenn sie doch nur damals schon gewusst hätte, was sie heute wusste... Vielleicht hätte sie all diese Probleme verhindern können, hätte Chiaki von dieser Hochzeit mit Miyako abhalten können, hätte Maron angefleht, in Japan zu bleiben und um Chiaki zu kämpfen. Doch hätte sie überhaupt etwas bezwecken können? Wovon hatte Access gesprochen, als er sagte, dass zwischen Maron und Chiaki Dinge vorgefallen waren, von denen sie nichts wusste? Sie konnte nicht akzeptieren, dass diese Liebe schon damals zum Scheitern verurteilt gewesen sein soll, das konnte sie einfach nicht hinnehmen! Angestrengt kniff sie kurz die Augen zusammen, um ihre Gedanken wieder ins Hier und Jetzt zu befördern. Ganz vorsichtig und möglichst leise drückte sie die Türklinke nach unten und trat in das Zimmer ein. Ihr Herz schmerzte, als sie ihren Sohn auf dem Bett liegen sah. Er schlief tief und fest, sein Atem ging ruhig und trotzdem sah man ihm die Strapazen der letzten Wochen deutlich an. Die Augenringe, der unrasierte Drei-Tage-Bart, das fehlende Lächeln. Langsam ging sie auf das Bett zu und strich ihrem Sohn eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Vorsichtig beugte sie sich nach vorne, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich werde sie nach Hause bringen“, flüsterte sie. Plötzlich konnte sie die Vibration ihres Handys in der Tasche vernehmen. Ihre Augen weiteten sich schlagartig. Ein Anruf! Sie beeilte sich, das Zimmer zu verlassen, zog das Handy heraus, nahm den Anruf an und presste das Gerät an ihr Ohr. In aller Hektik und Nervosität wäre es ihr fast noch aus der Hand gerutscht. „Hana Nagoya am Apparat, mit wem spreche ich?“ Ihre Stimme zitterte, innerlich schickte sie Stoßgebete gen Himmel. „Guten Abend Misses Nagoya! Taro Akira vom Flughafen Tokio am Apparat...“ Goodbye, there's just no sadder word to say And it's sad to walk away With just the memories Who's to know what might have been We'll leave behind a life and time We'll never know again Please remember, please remember I was there for you And you were there for me Please remember, our time together The time was yours and mine And we were wild and free And remember, please remember me... Please Remember – LeAnn Rimes Kapitel 25: Hoffnungsschimmer? ------------------------------ The worst is over now and we can breathe again I want to hold you high, and steal your pain away There's so much left to learn, and no one left to fight I want to hold you high and steal your pain 'Cause I'm broken when I'm open And I don't feel like I am strong enough 'Cause I'm broken when I'm lonesome And I don't feel right when you're gone away „Broken“ - Seether Nur schwerfällig schlug Chiaki seine Augen auf. Er musste wohl eingeschlafen sein. Leider musste er zugeben, dass das in letzter Zeit nicht allzu oft vorkam. Schon in den vergangenen Wochen hatte er in den Nächten kaum ein Auge zubekommen. Seine Gedanken hatten die ganze Zeit um Maron geschweift und darum, ob er nicht doch noch einmal mit ihr reden sollte. Heute wäre er froh, wenn er diese Wahl noch hätte... Die brünette Schönheit war sein erster Gedanke, wenn er aufwachte und der letzte bevor er einschlief. Sie geisterte ihm jeden Tag pausenlos durch den Kopf und er hatte das starke Gefühl, dass sich das auch so bald nicht ändern würde. Verdammt, er wollte sie sehen! Ihr nahe sein, um sie kämpfen. Doch diese Szenen passierten leider nur in seinen Träumen. Diese Erkenntnis fühlte sich an wie ein Messer, das ihm unbarmherzig in die Brust gerammt wird. Sie war einfach gegangen, ohne Lebewohl zu sagen. Ihr gemeinsames Kind, sein eigen Fleisch und Blut, ihrer beider Hoffnung war mit ihr fortgegangen. In Momenten wie diesen wünschte er sich nichts mehr als ihre kleine Familie. Er wollte einfach ein fürsorglicher Vater und liebender Ehemann sein, in guten wie in schlechten Zeiten. Am liebsten wäre er in Tränen ausgebrochen, doch in seinem Inneren spürte er nur diese endlose Leere, die sich durch nichts füllen ließ oder füllen lassen würde. Seufzend setzte er sich in dem großen Bett auf und stellte seine Füße auf dem kühlen Parkettboden ab. Mit leichtem Druck seiner Hände auf der Matratze stemmte er sich nach oben und ging auf die Tür zu. Er brauchte dringend eine Dusche, das war immer noch besser, als 24 Stunden am Tag im Bett zu liegen und seinen traurigen Gedanken nachzuhängen. Er hatte die Tür gerade einen Spalt breit geöffnet, da konnte er auch schon hören, dass seine Mutter telefonierte. Sie musste sich wohl am unteren Ende der Treppe befinden, sie wirkte sehr aufgeregt und unruhig. Der 26-Jährige ging ein Paar Schritte aus dem Zimmer und lauschte an der Treppe. Auch wenn er nicht jedes Wort verstand, so konnte er doch immerhin einen Bruchteil des Gesprächs mitbekommen. Doch worum ging es eigentlich? Er war es von seiner Mutter nicht gewohnt, dass sie so die Fassung verlor. Was war da los? „Was meinen Sie mit... (…) Und da sind Sie sich wirklich sicher? Können Sie das nicht etwas konkretisieren, das... (…) Wie kann ich das denn herausfinden?“ Möglichst leise stieg er die Treppe hinunter, die unter manchen seiner Schritte aber dennoch knarrende Geräusche von sich gab. Hana saß an dem großen Holztisch, hatte das Telefonat mittlerweile beendet und stützte ihr Gesicht in die Hände. Sie wirkte etwas traurig, das merkte er sofort. „Mom, stimmt was nicht?“ Die Ältere schreckte hoch und erblickte ihren Sohn, der mit einer Hand leicht verkrampft über ihren Rücken strich, um sich letztendlich neben sie zu setzen. Erwartungsvoll blickte er sie an. „Chiaki, ich glaube wir müssen reden.“ „Na gut.“ Der junge Mann hatte keinen blassen Schimmer, worüber sie sprechen wollte, doch ihrem Ausdruck nach zu folgen, musste es etwas Ernstes sein. „Ich habe mich auf die Suche nach Maron gemacht.“ „Du hast was?“ Damit hatte der Blauhaarige nun wirklich nicht gerechnet. Seit wann setzte sich seine Mutter so sehr für ihn und seine Probleme ein? In seinem Inneren keimte ein wenig Hoffnung auf. Könnte es für ihn doch noch eine zweite Chance geben? Würde er doch noch die Möglichkeit bekommen, mit der Frau, die er über alles liebte, glücklich zu werden? Dieser Hoffnungsschimmer schwand ein wenig, als Hana ihm möglichst kurzgefasst erzählte, wie ihre Suche bisher verlaufen war, vom Einwohnermeldeamt über den Flughafen bis hin zu dem Anruf, den sie eben erst erhalten hatte. „Hatte dieser Mann irgendwelche Informationen, wo sie sein könnte?“ Chiakis Herz schlug ihm bis zum Hals, mit plötzlich wachen Augen sah er seine Mutter erwartungsvoll an. Hanas Blick jedoch war alles andere als hoffnungsvoll, eher niedergeschlagen und voller Schuldgefühle. „Darüber bin ich mir noch nicht ganz im Klaren... Chiaki, es könnte sein, dass Maron sich noch immer in Japan aufhält, es könnte aber auch sein, dass sie bereits in Deutschland ist.“ In Chiakis Kopf arbeite es auf Hochtouren. Deutschland? Hätte sich Maron überhaupt ein Land aussuchen könnte, das sie noch weiter von ihm trennte? Er hatte sie unendlich verletzt, das wusste er, aber nun trennten sie vielleicht fast schon 9.000 km... „Was soll das heißen, Mom? Rede mit mir!“ Der junge Mann wurde energischer, ungeduldiger. Warum spannte sie ihn so auf die Folter? Er musste doch wissen, was seine Mutter in Erfahrung hatte bringen können! „Mister Akira konnte Marons Namen auf der Passagierliste eines Flugs finden, der Berlin als Zielflughafen ansteuerte. Er meinte, der Flieger sei bereits kurz davor gewesen, zu starten, als ein technisches Problem auftauchte und der Start abgebrochen werden musste. Aufgrund der Urlaubssaison war es der Airline nicht möglich, sofort für jeden Passagier einen Ersatzflug anzubieten, also mussten sie die Menschen aufteilen. Manche von ihnen hatten Glück und konnten noch am selben Tag fliegen, andere wurden für erste in Hotels untergebracht und werden nach und nach auf andere Flüge umgebucht. Maron könnte überall sein! Vielleicht ist sie bereits weg, vielleicht steigt sie in diesem Moment in ein Flugzeug ein, vielleicht sitzt sie aber auch in einem Hotel in Tokio und wartet darauf, das Land verlassen zu können. Wir haben nichts! Scheiße!“ Hana war aufgesprungen und lief unruhig in dem großen Esszimmer hin und her, sie war den Tränen nahe. Sie durfte nicht scheitern, das könnte sie sich niemals verzeihen! Chiaki senkte nur den Blick, sein viel zu schneller Herzschlag ließ seinen Kopf pulsieren, seine Gefühle fuhren Achterbahn. Hoffnung und Trauer kämpften gegeneinander an und er wusste nicht, welches Gefühl diesen Kampf gewinnen würde. Auch wenn er es bis vor wenigen Minuten nicht geglaubt hätte, doch seine Sehnsucht zu Maron konnte noch größer werden. Was, wenn sie tatsächlich noch in Japan war? Wie konnte er sie finden? Wenn es nötig sein würde, würde er auch die Reise nach Deutschland in Kauf nehmen und wenn er jeden Fleck absuchen müsste. Für diese Frau würde er die ganze Welt auf den Kopf stellen. Für sie... und das Kind, das in ihr heranwuchs. Sein Kind. Er hatte eindeutig genug Trübsal geblasen. Lange genug hatte er sein Glück aus den Augen verloren und nun war die Zeit gekommen, darum zu kämpfen. Die Frage war nur, wie er das anstellen sollte. Hana schreckte aus ihren Gedanken hoch und sah ihren Sohn überrascht an, als dieser sich auf einmal von seinem Stuhl erhob und die Treppe wieder nach oben eilte. „Chiaki, was hast du vor?“, rief sie ihm noch hinterher. „Ich kann hier nicht so untätig herumsitzen, ich fahre noch heute nach Tokio!“ Ungefähr zwanzig Minuten später eilte er die Treppe wieder nach unten. Frisch geduscht, einen vollen Koffer tragend. Plötzlich war er wie ausgewechselt. Von dem jungen Mann, der auf seinem Bett lag und der wirkte, als wäre jegliches Leben aus ihm gewichen, war kaum noch etwas übrig. Er wirkte stark und entschlossen, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Als würde nichts und niemand ihn aufhalten können. Auf der einen Seite war die 43-jährige erfreut, ihn so zu sehen, auf der anderen Seite handelte er dennoch etwas unüberlegt. „Chiaki, jetzt warte doch bitte einmal! Du kannst doch nicht Hals über Kopf nach Tokio fahren – und dann auch noch alleine! Sowas muss sorgfältig geplant werden. Du weißt doch garnicht, wo du anfangen sollst, zu suchen.“ „Mom, ich habe mein Leben lang abgewartet und versucht, alles bis ins kleinste Detail zu planen. Sieh mich an, wohin mich das gebracht hat. Es ist an der Zeit wenigstens einmal spontan zu sein und zu tun, wonach mir gerade der Sinn steht. Und der sagt mir, ich solle losziehen und Maron suchen. Ganz einfach.“ „Aber dann frage doch bitte Access, ob er dich begleitet!“ Der 26-jährige nickte ihr noch zu, dann hatte er die Villa bereits verlassen. Zurück blieb Hana, die nur hoffen konnte, dass alles gut werden würde. Access war gerade damit beschäftigt, den Boden zu wischen. Heute war einer dieser Tage, an dem die Bar tagsüber geschlossen blieb und erst abends öffnete. Fynn war ebenfalls da und half ihrem Freund, alles zu säubern und aufzuräumen. Sie hatten den Vormittag genutzt, um mal wieder gemeinam zu frühstücken und am Strand in der Sonne spazieren zu gehen. Eine Bar zu führen, war letztendlich doch zeitaufwändiger, als zunächst angenommen. Die Beziehung der beiden musste leider oft zurückstecken. Dafür wussten sie aber die Stunden umso mehr zu schätzen, die sie für sich selbst nutzen konnten. Als aber auch noch Chiaki dauernd mit seinen Problemen kam, weil er mal wieder einen Rat von seinem besten Freund brauchte, waren auch diese Stunden weniger geworden. Und obwohl Fynn sich auch in diesen Situationen zurückzog, war sie stolz auf ihren Liebsten. Er war wirklich ein guter Freund, was ja nicht als selbstverständlich angesehen werden konnte. Trotz seiner harten Schale hatte er einen weichen Kern. Freundlich, hilfsbereit, loyal. Dafür liebte und schätzte sie ihn. Die kleine Glocke über der Tür ertönte, als diese geöffnet wurde und eine große Person hereinstürmte. „Tut mir leid, wir haben noch geschlossen. Kommen sie doch bitte heute Abend wie-... Chiaki?“ Fynn war etwas erstaunt, ihn wieder in der Bar zu sehen. Seit der geplatzten Hochzeit vor ein paar Tagen hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. „Hallo Fynn, ist Access da?“ Es war nicht einmal notwendig, dass die junge Frau antwortete, denn genau in diesem Moment kam der Gesuchte aus dem Nebenraum geeilt. „Chiaki, wie ich sehe weilst du wieder unter den Lebenden. Kann ich dir irgendwie helfen?“ „Das kann man so sagen. Fahr mit mir nach Tokio!“ Der Lilahaarige konnte seinen Ohren erst nicht recht trauen. Er sollte was? „Was willst du bitte in Tokio?“ Ungeduldig erzählte der Blauhaarige die Kurzfassung der 'Ermittlungsergebnisse' seiner Mutter. So schnell wie er dabei sprach, hatte der Barbesitzer ein wenig Probleme, alles zu verstehen, doch eins war ihm bewusst: Chiaki hatte wohl endgültig den Verstand verloren! „Du kannst doch nicht einfach ohne einen Plan nach Tokio aufbrechen und jedes Hotel einzeln durchforsten. Das ist der pure Wahnsinn! Was ist, wenn sie gar nicht mehr in Japan ist? Das ist als würde man eine Nadel im Heuhaufen suchen. Nimm dir bitte ein paar Tage Zeit, um alles zu strukturieren. Du weißt, ich würde echt alles für dich machen, aber ich kann auch nicht einfach alles stehen und liegen lassen.“ „Ich habe aber vielleicht keine 'paar Tage Zeit' mehr! Wenn ich eine Chance haben möchte, Maron noch in Japan abzufangen, dann muss ich jetzt alle Hebel in Bewegung setzen. Ich werde sie nicht aufgeben und wenn es notwendig sein sollte, dann würde ich ihr überall hin folgen. Egal in welches Land dieses Planeten. Ich brauche sie! Ich liebe sie! Wir gehören zusammen und ich werde nicht zulassen, dass wir getrennt sind. Ich werde nicht zulassen, dass mein Kind ohne Vater aufwachsen muss! Wenn ich sie erst einmal gefunden habe, werde ich ihr nie mehr von der Seite weichen. Weder ihr noch unserem Kind. Noch nie hatte etwas mehr Bedeutung in meinem Leben als unsere kleine Familie und ich werde darum kämpfen, koste es was es wolle!“ Fynn stand etwas versteckt um die Ecke und hatte gelauscht. Vor Rührung standen ihr Tränen in Augen, noch nie hatte sie Chiaki so etwas Schönes sagen hören. Auch wenn sie zunächst etwas verwirrt war. Maron war also schwanger - und dann auch noch von Chiaki! Access hatte ihr nie davon erzählt. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass die Sache wohl doch tiefer reichte als sie sich zu vorstellen gewagt hatte. Warum hatte Chiaki aber die Hochzeit nicht früher abgesagt? Es war offensichtlich, dass er Maron verzweifelt liebte und dennoch hatte er sie verlassen? Hatte sogar vor, eine andere Frau zu heiraten, die ihn nicht einmal annähernd so glücklich machte, wie es die Brünette vermochte? Wie sie es in ihrem Kopf auch drehte und wendete, sie konnte sich nicht erklären, was in dem jungen Arzt vor sich gegangen sein musste, als er diese Entscheidungen getroffen hatte. Als die Grünhaarige wieder in den großen Hauptraum trat, waren Access und Chiaki noch immer wild am Diskutieren. Der Blauhaarige wollte sich nicht von seinem Plan abbringen lassen, auf der Stelle nach Tokio zu fahren, um die Liebe seines Lebens zu suchen, während der Gleichaltrige ihn davon überzeugen wollte, dass er nicht vorschnell handeln sollte. „Okay, wenn du nicht mitkommen willst, dann werde ich halt alleine fahren. Melde dich, wenn du dich umentschieden hast. Ich hätte jetzt wirklich einen Freund gebrauchen können.“ Er hatte bereits die Hand an die Türklinke gelegt, als... „Chiaki, warte!“ Die beiden Männer blickten Fynn überrascht an. „Ich habe eventuell etwas, das dir weiterhelfen könnte...“ Sorgfältig legte Rinako ein Kleidungsstück nach dem anderen in ihren großen Koffer. Sie war froh, dass sie endlich von hier wegkommen würde. Bereits als Maron den Entschluss gefasst hatte, Japan für immer den Rücken zu kehren, hatte sie begonnen, alles bis ins kleinste Detail zu planen. Während sich die Schwangere schon lange nicht mehr in Momokuri befand, war die Rothaarige für wenige Tage in einem abgelegenen Hotel außerhalb der kleinen Stadt untergebracht. Auf diese Weise wollten sie sicher gehen, dass vor Ort alle Angelegenheiten geklärt werden konnten. Wenn die Brünette schon ein neues Leben begann, dann wollte sie auch die Vergangenheit vollständig hinter sich lassen. Nichts mehr sollte sie an ihr altes Leben erinnern. Auch für Rinako war es nicht einfach gewesen alles zu verarbeiten, was in den letzten Wochen geschehen war. Als Maron sie damals angerufen und ihr von der Schwangerschaft und der Trennung erzählt hatte, hatte sie keine Minute gezögert und hatte sofort den Flug gebucht, um ihrer besten Freundin beistehen zu können. Wenn sie ehrlich war, hatte sie eigentlich damit gerechnet, dass die Problematik ziemlich schnell gelöst werden würde und sie wieder nach Hause kam. Wie hätte sie auch ahnen können, dass die Lage so verzwickt war? Auch wenn sie immer an die Liebe von Maron und Chiaki geglaubt hatte, so musste auch sie letztendlich erkennen, dass sie gescheitert war. Chiaki war jetzt ein verheirateter Mann, der wahrscheinlich gerade mit seiner Frau Miyako die Flitterwochen in der Karibik verbrachte. Und Maron? Auch sie hatte jegliche Hoffnung aufgegeben, dass alles wieder in Ordnung kommen könnte. Auch wenn sie es noch in einem langwierigen Prozess verarbeiten musste – sie hatte akzeptiert, dass sie Chiaki am Tag seiner Hochzeit zum letzten Mal gesehen hatte. Dennoch hatte sie sich den Abschied wohl anders vorgestellt. Letztendlich hatte er nun doch von der Schwangerschaft erfahren und war alles andere als erfreut. Die Brünette hatte ihr nicht alles bis ins kleinste Detail erzählt, laut ihrem Bericht war der 26-jährige aber nicht bereit, das Kind als seines anzuerkennen und für es zu sorgen. Die Trauung hatten die beiden Frauen gar nicht mehr abgewartet, wozu auch? Chiaki hatte seine Entscheidung getroffen und Maron musste es ihm gleichtun. Sie hatte entschieden, aufzugeben. Die Rothaarige hätte es sich bis vor ein paar Tagen nicht eingestanden, aber sie verstand diesen Entschluss. Warum versuchen, etwas zu retten, was schon lange nicht mehr zu retten war? Warum sich weiter diesen unsäglichen Schmerzen aussetzen? Warum nicht einen Neuanfang wagen, wenn die Vergangenheit zu sehr schmerzte? Wie gerne hätte sie die beiden glücklich miteinander gesehen, doch dafür war es nunmal zu spät. Manchmal spielte das Schicksal einfach seine grausamen Spielchen, ohne Rücksicht zu nehmen. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass Maron es schaffte, diese Vergangenheit hinter sich zu lassen und voller Mut in ihre Zukunft blickte. Eine Zukunft als alleinerziehende Mutter in einem ihr zum jetzigen Zeitpunkt absolut fremden Land. Die Rothaarige zweifelte nicht eine Minute daran, dass die Schwangere dies schaffen konnte. Immer wieder hatte sie unter Beweis gestellt, wie stark und unerschütterlich sie war. Dennoch machte sie sich Sorgen um die 24-jährige. Ein Kind alleine zu erziehen war immerhin eine große Verantwortung. Sie würde nur wenig Zeit haben sich an das neue Land zu gewöhnen und dann sollte sie in wenigen Monaten bereits nicht nur für sich selbst sorgen sondern auch für ein so kleines Wesen? Unvorstellbar und doch würde sie damit zurechtkommen, das wusste sie einfach. Auf einmal klopfte es überraschenderweise an der Tür. Wer konnte das wohl sein? Schulterzuckend ging die Rothaarige auf die Tür zu. Vermutlich eines der Zimmermädchen, das fragen wollte, ob sie noch etwas brauchte. Vorsichtig öffnete sie den Eingang ein bisschen. Als sie jedoch erkannte, wer davor stand, schlug sie das massive Holz direkt wieder zu. Das konnte nicht wahr sein! Was tat Chiaki hier? Wie hatte er sie überhaupt finden können? Der 26-jährige gab allerdings nicht auf und klopfte weiter. „Rinako, mach die verdammte Tür auf! Bitte!“ Die junge Frau war restlos überfordert. Was sollte sie jetzt tun? Ignorieren konnte sie ihn schlecht, aber ihn hereinlassen wollte sie eigentlich auch nicht. Sie wurde sogar etwas wütend. Dieses Platzhirschverhalten nervte, dabei war er es gewesen, der Maron verlassen und sie selbst dann hatte abblitzen lassen, als er von dem Baby erfahren hatte. Dass er trotz allem auch noch eine andere Frau heiratete, setzte dem ganzen ja noch die goldene Krone auf. Sie verstand diesen Mann einfach nicht. Wutentbrannt öffnete sie und wollte ihm gerade klar machen, dass er zur Hölle fahren solle, da hatte sich Chiaki schon an ihr vorbeigedrückt und war in das Hotelzimmer gestürmt. Nervös sah er sich überall um. Rinako war mit verschränkten Armen und verärgertem Blick stehen geblieben. „Sie ist nicht hier“, beantwortete sie seine ungestellte Frage mit schneidend kalter Stimme. „Wo ist sie?“ Rinako wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Diese Situation war wirklich an Absurdität nicht zu übertreffen. „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dir eine Antwort darauf geben werde?!“ Verzweifelt senkte er den Blick, der gezeichnet war von Trauer und Reue. „Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe...“, murmelte er niedergeschlagen. „Fehler? Fehler?! Du hast sie belogen und ausgenutzt. Hast ihr eine Zukunft versprochen, die du ihr niemals geben wolltest.“ „Ich weiß.“ „Du hast ihr gesagt, dass du sie lieben würdest und dennoch hast du sie verlassen. Für eine andere Frau!“ „Ich weiß!“ „Du hattest unzählige Gelegenheiten, alles in Ordnung zu bringen und dennoch hast du Maron unsäglichem Leid ausgesetzt. Und als du letztendlich erfahren hast, dass sie ein Kind von dir erwartet, hast du sie von dir gestoßen und eine andere geheiratet!“ „Rinako, ich weiß das alles! Ich habe alles falsch gemacht, was ein Mensch nur falsch machen kann, aber ich will alles wieder in Ordnung bringen!“ „Aha und was sagt deine Ehefrau dazu?“ „Ich habe sie nicht geheiratet.“ Darauf wusste die 24-jährige nichts mehr zu erwidern. Für einige Momente stand sie nur sprachlos da und wusste nicht mit der Aussage umzugehen. Das musste sie auch garnicht, denn es war Chiaki, der direkt wieder das Wort ergriff. „Ich konnte Miyako einfach nicht heiraten! Selbst als ich sie dabei erwischte, wie sich mich betrog, hatte ich nur einen Gedanken: Das Unrecht, das ich Maron angetan hatte. Wenn ich nur ein einziges Mal auf mein Herz statt auf meinen Verstand gehört hätte, hätte ich gespürt, dass ich in den letzten Monaten und Jahren zu der falschen Frau gehalten habe. Ich habe Miyako schon lange nicht mehr wirklich geliebt, aber ich liebe Maron! Mehr als ich es auch nur annähernd in Worte fassen könnte. Der Gedanke, sie nicht bei mir zu haben, zerreißt mir das Herz. Ich weiß, dass ich sie nicht verdient habe, aber ich brauche Maron. Ich brauche sie und dieses Kind. Ich kann mir ein Leben ohne die beiden einfach nicht vorstellen. Als ich gemerkt habe, dass Maron einfach gegangen war, das war... als hätte mir jemand den Lebenswillen genommen! Meine ganze Welt ist von einer Sekunde auf die andere einfach zusammengebrochen und nur Maron kann sie wieder zusammensetzen. Sie ist die Liebe meines Lebens, ich war einfach nur zu dumm, um es zu erkennen. Deswegen bitte ich dich inständig: Wenn du weißt, wo Maron in diesem Moment ist, dann sag es mir bitte. Und wenn ich einmal über den halben Planeten fliegen muss, dann ist mir das auch egal. Ich muss sie einfach nur sehen, sie in den Arm nehmen. Anders...weiß ich einfach nicht, wie ich weitermachen soll... Ich will doch nur, dass sie glücklich wird. Dass...dass wir gemeinsam glücklich werden.“ Die letzten Worte waren kaum noch zu hören, so brüchig war seine Stimme geworden, sein Gesicht war gen Boden gerichtet. Alles, was ihm durch den Kopf ging hatte er einfach ausgesprochen und doch konnten seine Worte nicht im Entferntesten beschreiben, was wirklich in ihm vorging. Alle seine Hoffnungen beruhten nun auf Rinako. Sie war die einzige Person, die ihm noch helfen konnte. Doch was wäre, wenn sie sich weigerte? Daran wollte er erst garnicht denken, sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit wagte er, seinen Blick zu heben, um Rinako erwartungsvoll anzuschauen. Diese stand einfach schweigend da, Tränen liefen stumm über ihr hübsches Gesicht und hinterließen salzige Spuren auf ihren Wangen. Sie wusste noch nicht einmal weshalb genau sie weinte. Bei dieser Liebeserklärung, die Chiaki Maron gemacht hatte, konnte sie einfach nicht anders. Doch auf der anderen Seite überschlugen sich die Gedanken in ihrem Kopf. Wie viel Glauben konnte sie seinen Worten schenken? Hatte er ihrer besten Freundin nicht schon Wochen zuvor seine innige Liebe gestanden, ihr eine glückliche Zukunft versprochen und sie dennoch einfach fallen lassen? Wie ehrlich meinte er es diesmal? Sie konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen, was sollte sie jetzt tun? Sie würde ihre beste Freundin niemals verraten und Chiaki ihren Aufenthaltsort verraten. Während sie nachdachte, wurde der Blick des Blauhaarigen immer flehender. Sehnsüchtig wartete er darauf, dass die Rothaarige auch nur ein einziges Wort über ihre Lippen brachte. Minutenlanges Schweigen. Doch irgendwann hielt es Chiaki nicht mehr aus. „Rinako, bitte sag doch etwas!“ Die Augen der jungen Frau waren getrübt als sie ihn ansah. Und irgendwie hatte er in diesem Moment im Gefühl, wie ihre Entscheidung ausfallen würde. „Chiaki, es tut mir leid. I-ich... ich kann nicht...“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, war es, als hätte man ihm erneut das Herz aus der Brust gerissen. Ein Schleier legte sich über seine Augen, er war nicht fähig, irgendetwas zu sagen. Wie in Schockstarre setzte er sich langsam auf das Bett und verdeckte sein Gesicht mit den Händen. Seine Augen brannten und am liebsten hätte er den Tränen freien Lauf gelassen, die an die Oberfläche kommen wollten. Sollte es das jetzt wirklich gewesen sein? Seine letzte Chance vertan? Das durfte nicht sein! Mit feuchten Augen sah er Marons beste Freudin und versuchte mit tränenerstickter Stimme zu sprechen. „Ich weiß, dass du Maron nicht verraten willst. Aber ich werde das so nicht akzeptieren! Ich habe mich lange genug verkrochen, aber diesmal werde ich nicht aufgeben. Du magst mich für einen Lügner halten, aber ich meinte jedes Wort ernst. Ich liebe sie und wenn es sein muss, werde ich jeden Ort absuchen, an dem sie sein könnte.“ Stärker als zuvor stand er wieder auf. Mit einem sowohl wehmütigen als auch vielsagenden Blick zu Rinako öffnete er die Hoteltür. Mit einem Lächeln auf den Lippen lief Maron durch die Straßen bis der Wohnblock in Sichtweite kam, den sie seit Kurzem wieder ihr Zuhause nannte. Sie kannte das Gebäude noch aus Kindertagen und doch fühlte es sich ungewohnt an, wieder hier zu sein. An dem Ort, an dem sie sowohl glückliche als auch schlechte Zeiten verbracht hatte. Der Ort, der sie noch immer an ihre Eltern erinnerte. Für sie unerklärlich fühlte sie sich trotz dieser Erinnerungen nicht traurig. Nein, ganz im Gegenteil. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten ihre Lieder und alles fühlte sich einfach richtig an. Verträumt legte sie ihre Hand an ihren deutlich gerundeten Bauch. Ganz deutlich konnte sie die Tritte des Babys spüren, das unter ihrem Herzen heranwuchs. Lange würde es nicht mehr dauern, dann konnte sie dieses kleine Wunder endlich in ihren Armen wiegen, es halten und beschützen. Sie würde einfach eine Mutter sein. Wie beflügelt setzte sie ihren Weg fort. Sie betrat das Foyer und steuerte auf den Aufzug zu. Voller Vorfreude wartete sie darauf, dass der Lift im siebten Stock ankam. Doch auf was freute sie sich so sehr? Oben angekommen trennten sie nur wenige Schritte vor ihrer Haustür. Zu ihrer Verwunderung war diese nicht verschlossen. Kaum hatte sie die Klinke berührt, öffnete sich die Tür bereits und ließ sie in die Wohnung eintreten. Intuitiv ging sie einige Schritte hinein. Es war alles wie gewohnt. Alle ihre Möbel standen an Ort und Stelle, an der Wand hingen ihre Fotos und Bilder – es war einfach ein Zuhause. Dann wurde sie von der Sonne geblendet, die durch die Fensterscheiben schien. Die Balkontür war weit geöffnet, eine Person kam durch diese hinein. Im ersten Moment hatte sie Probleme zu erkennen, wer es war. Je näher sich ihr die Silhouette näherte, umso deutlicher wurde ihr Blick. Es war Chiaki! Mit seinem charmanten Lächeln näherte er sich ihr, bis er direkt von ihr stand. Zärtlich hauchte er ihr einen Kuss auf die Lippen, den sie nur zu gerne erwiderte. Seine Hand legte er dabei auf ihren runden Bauch und streichelte diesen liebevoll. Wieder konnte sie die Bewegungen des Ungeborenen spüren. Als sich der junge Mann aber von ihr löste, war auf einmal alles anders. Die Wohnung um sie verschwamm, alles wurde dunkel. Die Möbel verschwanden, die Bilder, ihr gewohntes Umfeld war von einer Sekunde auf die andere einfach nicht mehr existent. Stattdessen war alles schwarz und unheimlich. Auch Chiaki hatte sich schlagartig verändert. Sein Blick, der zuvor noch so voller Liebe für sie war, wurde kalt und ausdruckslos. Vielleicht auch hasserfüllt? Er ging ein paar Schritte zurück, löste aber dennoch seinen Blick nicht. Die Brünette wahr mehr als nur verwirrt. Was war auf einmal los? Was war geschehen? „Ich werde Miyako heiraten. Du hast mich belogen, Maron. Verschwinde! Ich kann dein Gesicht nicht mehr ertragen!“ Nein! Die Schwangere konnte spüren, wie ihr auf einmal die Tränen über die sonst so rosigen Wangen liefen. Das konnte nicht wahr sein! „Nein! Bitte, bleib bei mir! Ich brauche dich! Wir brauchen dich!“ Sie wollte auf ihn zurennen, doch mit jedem Schritt, den sie weiter auf ihn zuging, entfernte sich Chiaki weiter von ihr. Verzweifelt streckte sie ihre Hand nach ihm aus, doch er war unerreichbar für sie. Dann war er in der Dunkelheit verschwunden, in der sie nun alleine stand. Wie gelähmt ließ sie sich auf ihre Knie sinken und weinte hemmungslos. Es fühlte sich an, als sei sie innerlich wie tot. Eine große Leere machte sich in ihr breit. Schmerzvoll schrie sie auf. Ihre Schreie hallten in der Dunkelheit wider, doch es war niemand da, der sie hätte hören können. Sie war alleine. Einsam. Mit einem lauten Schrei wachte die Brünette auf, schweratmend saß sie in dem großen Bett. Ihre Wangen waren feucht von Tränen, ihre Haare klebten an ihrer leicht verschwitzten Stirn. Die Zimmertemperatur kam ihr auf einmal unheimlich heiß vor. Das war ein fieser Traum. Alles hatte sich so real angefühlt, als hätte sie die vergangenen Wochen noch ein weiteres Mal durchleiden müssen. Sie versuchte ihren Atem und ihr Gemüt zu beruhigen, indem sie ruhig ein- und ausatmete. Vermutlich würde sie noch des Öfteren von ihm träumen. Das war wohl ihr Schicksal, nicht wahr? Sie hatte sich zwar von ihm gelöst, doch so lange sie lebte, würde es immer etwas geben, das sie an ihn erinnerte. Den besten Beweis dafür trug sie in sich. Sie konnte nur hoffen, dass dieser Schmerz irgendwann leichter zu ertragen sein würde. Dass sie irgendwann lernen würde, ihr Herz erneut für einen Mann zu öffnen. Dass sie wieder lachen, hoffen, vertrauen und lieben könnte. Vielleicht würde sie trotz allem einmal dankbar sein können, dass sie und Chiaki sich geliebt hatten. Dass er ihr dieses wundervolle Geschenk, ihr gemeinsames Kind, hinterlassen hatte. Doch all diese Wünsche erschienen für sie im Moment noch in weiter Ferne. Zuerst einmal musste sie ihr Leben in den Griff bekommen, das in der letzten Zeit komplett aus den Fugen geraten war. Doch wie lange musste sie noch darauf warten? Schwermütig schwang sie ihre Beine aus dem Bett und setzte sich einigermaßen aufrecht an die Kante. In ruhigen Bewegungen strich sie über ihren Bauch. Das tat sie in letzter Zeit des Öfteren, es half ihr irgendwie, sich zu beruhigen. Tatsächlich konnte man die Rundung schon etwas deutlicher erkennen. Auch wenn es eigentlich wenig verwunderlich war, befand sie sich doch schon am Anfang des vierten Monats, staunte sie doch jedes Mal erneut über dieses Wunder, dass in ihr ein neues Leben heranwuchs. Hin und wieder hatte sie sogar das Gefühl, ein leichtes Flattern spüren zu können, aber vielleicht bildete sie sich das ja auch nur ein. Fakt aber war, dass sie sich trotz aller Schwierigkeiten sehr auf ihr Baby freute. Dabei spielte auch das Geschlecht für sie absolut keine Rolle. Egal ob es nun ein Junge oder ein Mädchen werden würde – sie wollte ihrem Kind einfach nur all ihre Liebe schenken. Sie wollte diesem kleinen Wesen alles geben, was ihre eigenen Eltern ihr immer verwehrt hatten. Noch immer etwas verschlafen trottete sie in das Badezimmer. Sie brauchte jetzt erst einmal eine heiße Dusche, das würde ihr sicher gut tun. Die Schwangere verließ gerade, in einen Bademantel gekleidet und ihre Haare mit einem weißen Handtuch abtrocknend, das Badezimmer als es an ihrer Tür klopfte. „Einen Moment bitte, ich komme!“ Kaum hatte sie geöffnet, schlich sich ein breites Grinsen auf ihr Gesicht. „Rinako! Du bist hier!“ Fast so als hätten sich die beiden Freundinnen eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen, fielen sie sich sofort in die Arme. „Ja, in Momokuri gab es für mich nichts mehr zu tun und deswege dachte ich, dass ich mich lieber auf den Weg nach Tokio machen sollte um nachzusehen, ob bei dir alles okay ist.“ „Du bist wirklich die beste Freundin auf der ganzen Welt! Ist noch etwas Nennenswertes passiert?“ „Nein“, log die Rothaarige. Sie konnte von Glück sagen, dass die Brünette ihre Antwort einfach akzeptierte und nicht weiter nachhakte. Was hätte sie ihr auch sagen sollen? „Gut, ich hatte schon Angst, dass...“ Genau in diesem Moment klingelte Marons Handy, das auf einer kleinen Komode direkt neben ihnen lag. Mit einem entschuldigenden Blick sah die 24-jährige ihre Freundin an, bevor sie abnahm und sich das Gerät ans Ohr hielt. „Maron Kusakabe, mit wem spreche ich?“ Rinako konnte das Telefonat nur bedingt verfolgen, indem sie einzelne Satzfetzen auffing. „Wirklich?...Das sind gute Neuigkeiten...Haben Sie auch schon eine genaue Uhrzeit?...Ja...Ich bin quasi startbereit...Gut...Ich danke Ihnen vielmals für den Anruf!...Auf Wiederhören.“ Obwohl sie sich am Telefon sehr enthusiastisch angehört hatte, verflog dieser Eindruck direkt wieder als sie auf den roten Hörer drückte und das Handy wieder zur Seite legte. „Der Flughafen?“ Maron nickte. Es machte den Eindruck, als wüsste sie nicht genau, was sie in diesem Moment fühlen sollte. Alles in allem wirkte sie eher betrübt. Auch in ihrer zarten Stimme lag keinerlei Freude. „Sie konnten einen neuen Flug für mich buchen. Morgen früh um 9.00 Uhr geht es los.“ Maybe one day I'll come back here Maybe one day I'll be able to love you like I should I know it looks like I'm running I never said that what we had here wasn't good So let me go Give me dashes on the road Maybe I'm walking to a place I don't know I gotta see how things they turn out Cause dreams in this town get cold You'll miss your chances if you’re marching in time Even if I go alone, the least you can give me Are dashes on the road "Dashes" - Tyler Ward Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)