Bones - Die Knochenjägerin von absinthe (Bend And Break - Geister der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 1: Almost Forgotten --------------------------- Almost Forgotten Gerade hatte sie den letzten Buchstaben des Kapitels eingetippt, als sie auch schon in der Ferne hörte, wie ihr Name gerufen wurde. Sie musste nicht aufblicken, um zu sehen, wer gleich durch die offene Glastür ihres Büros kommen würde. „Aufstehen, Bones. Wir haben einen neuen Fall“, berichtete ihr Booth enthusiastisch, während er einen Stapel Post auf ihrem Schreibtisch ablegte. „Und das hier hat Angela mir in die Hand gedrückt.“ Brennans Augen waren weiterhin auf den Monitor gerichtet, ein erhobener Zeigefinger bedeutete ihrem Kollegen, einen Augenblick zu warten. Konzentriert las sie sich noch einmal den letzten Abschnitt durch, um auch hundertprozentig zufrieden mit dem Ergebnis zu sein. Booth stellte sich vor sie und beobachtete sie mit ungeduldig hochgezogenen Augenbrauen. „Bones?“ „Einen Augenblick noch. Das hier speichere ich nur noch ab“, dokumentierte sie ihre Bewegungen mit langsamer Stimme. „Und dann können wir sofort los.“ Sie stand auf und schenkte ihrem Partner einen dieser Blicke, die ihm sagten, dass er jetzt ihre volle Aufmerksamkeit besaß. Booth dachte aber nicht im Traum daran, jetzt den Fall zu erklären. Vielmehr interessierte er sich für das, was Bones eben noch so vereinnahmt hatte. „Schreibst du etwa schon wieder an einem Manuskript? Du hast doch eben erst dein neues veröffentlicht.“ „Ja“, zuckte Bones überzeugt mit den Schultern. „Das Schreiben macht mir Spaß. Wieso sollte ich warten, etwas Neues zu schreiben?“ Ihr Partner schüttelte nur grinsend den Kopf. „Ernsthaft, Bones. Wenn du so weitermachst, bist du bald reicher als Hodgins hier.“ „Nun, wenn man die Verkaufszahlen kalkuliert, die Nachfrage über einen längeren Zeitraum beobachtet und das literarische Interesse innerhalb der nächsten zehn Jahre einer langfristigen Analyse unterzieht, dann könnte das durchaus passieren“, gab sie überzeugt zurück und zog sich ihre Jacke über. Als sie bereits das Büro verlassen wollte, drehte sie sich noch einmal zu Booth, dessen unschlüssig zuckender Mundwinkel ihr plötzlich die Erkenntnis brachte. „Oh, zu wörtlich …“ „Ganz genau, Bones“, erwiderte er versucht ruhig, nur das Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Dann legte er ihr wie so oft sachte seine Hand auf den Rücken, um sie aus dem Büro zu dirigieren, doch bereits nach ein paar Schritten wurden sie von Dr. Saroyan aufgehalten. „Dr. Brennan? Da ist Besuch für Sie.“ „Tut mir leid, Cam“, mischte sich Booth gleich ein. Er wollte endlich mit seiner Partnerin zum Tatort. „Das muss warten, wir haben einen Fall.“ So leicht ließ sich die Chefin des Jeffersonian aber nicht abwimmeln. Sie war sich sicher, dass Dr. Brennan dieser Besuch ganz bestimmt interessieren würde. Vehement schüttelte sie ihren Kopf. „Er meint, er sei Ihr Vater.“ „Max? Warum kommt er nicht einfach vorbei, wenn er mich besuchen will? Sonst meldet er sich doch auch nicht an“, meinte die Angesprochene desinteressiert und wollte bereits weitergehen. „Max Keenan kenne ich. Und dieser Mann ist es ganz sicher nicht.“ Booth und Bones blieben gleichzeitig stehen und starrten auf ihr Gegenüber. Sie hätten es sofort als Scherz abgetan, nur der ernste Gesichtsausdruck von Dr. Saroyan ließ sie beide unschlüssig in der Luft hängen. „Und warum meinst du dann, er sei Bones‘ Vater?“, wollte Booth nach kurzer Stille wissen. „Ich habe nicht gesagt, er sei ihr Vater, sondern dass er es behauptet“, korrigierte sie ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich habe ihm gesagt, dass das unmöglich ist und ihn gebeten, das Gebäude zu verlassen, aber er will nicht eher gehen, bis er Sie gesehen hat.“ Frustriert sah sie Dr. Brennan an. Bones seufzte. „Na gut, ich gehe zu ihm. Wahrscheinlich ist das nur ein Fanatiker, der sich an meinem Ruhm bereichern will.“ „Bones“, stöhnte ihr Partner. „Was? Ich bin nun mal berühmt. Es gibt die unterschiedlichsten Typformen an Fans. Die normalen, die fanatischen, die mit Wahnvorstellungen, Verrückte …“ Booth unterbrach sie mit in die Seiten gestützten Händen. „Das habe ich nicht gemeint.“ Bones machte große Augen. „Oh …“ „Er hält sich im Moment im Eingangsfoyer des Jeffersonian auf“, informierte Dr. Saroyan die beiden. Der FBI-Agent drehte sich zu seiner Partnerin. „Dann werden wir das Missverständnis wohl schnell hinter uns bringen müssen.“ Bones lachte. „Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich kann schon auf mich aufpassen, Booth. Außerdem musst du doch zum Tatort, oder nicht?“ „Ja, nur kann ich dich nicht allein zu jemandem gehen lassen, der behauptet, dein Vater zu sein, wenn er es offensichtlich nicht ist“, beharrte er. „Mich wundert sowieso, wie du bei all den Leuten, die du aufgezählt hast, überhaupt noch ein Buch veröffentlichen kannst.“ Bones verzog nachdenklich die Lippen. „Na ja … Das war nur eine Auflistung der verschiedenen Gruppierungen, die einhergehen mit solchen Öffentlichkeitsarbeiten. Würde man diese mit den dazugehörigen Prozentsätzen in ein Diagramm einfügen, wäre die Verteilung der jeweiligen Gruppen natürlich viel genauer und die Ansammlung des harmlosen Teils würde höchstwahrscheinlich überwiegen. Die wirklich Gefährlichen treten meist in der Minderheit auf.“ „Bones …“, stöhnte er abermals. Dr. Brennan öffnete kurz den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber gleich wieder und drehte sich Richtung Eingang. „Wir sollten uns beeilen.“ Hinter sich hörte sie das Schmunzeln ihres Partners und sie konnte sich bildlich vorstellen, wie er den Kopf schüttelte. Auch Dr. Saroyan grinste verschmitzt. Als die drei das Labor verlassen und nach ein paar Minuten die große Haupteingangshalle des Jeffersonian erreicht hatten, verloren sich ihre Blicke bei der Suche nach dem Mann kurz in der Masse der Menschen, die ins und aus dem Gebäude strömten. Doch schon ein paar Momente später fasste Dr. Saroyan ihre Kollegin leicht am Arm und deutete auf einen Fleck ziemlich in der Mitte des Foyers. „Dort ist er.“ Etwa zwanzig Meter von ihnen entfernt stand ein Mann Anfang Sechzig, leicht übergewichtig und mit kurzen, grau-melierten Haaren. Seiner Kleidung nach zu urteilen hatte er offenbar versucht, seriös zu wirken, nur leider war es auch nicht mehr als das gewesen: Ein Versuch. Ein helles Hemd mit rot-blau kariertem Muster, darüber ein ausgeblichenes anthrazitfarbenes Jackett, kombiniert mit einer Jeanshose und abgetretenen schwarzen Schuhen. Sein Aufzug stach hier im Jeffersonian doch sehr heraus. Langsam gingen die drei auf die Person zu, aber mit jedem Schritt, den Bones machte, wurde ihr unwohler zumute. Zuerst konnte sie sich nicht erklären, warum, doch dann dämmerte es ihr allmählich. So viele Jahre waren vergangen, so viele Jahre hatte sie Zeit gehabt, alles zu vergessen. Und nun, aus heiterem Himmel und zu einem Zeitpunkt, an dem sie am wenigsten damit gerechnet hätte, tauchte alles wieder an die Oberfläche. All die Dinge, die sie mühsam begraben hatte, wurden mit nur einer einzigen Kopfbewegung ihres Gegenübers auf einmal zutage gefördert. Denn Narben verblassten nur, aber verschwanden nicht. „Temperance“, begrüßte sie der Besucher und ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht. Bones hatte über die Jahre offenbar vergessen gehabt, wie groß er doch eigentlich war – wie groß und einschüchternd. Ein ganzes Stück ragte seine Erscheinung über ihrer. Sie war nicht in der Lage, ihm in irgendeiner Weise zu antworten, nur anstarren konnte sie ihn, während Bilder aus ihrer Erinnerung wieder wach wurden. Heißes Wasser, Dunkelheit, Einsamkeit, Schreie, Schmerzen … „Bones?“ Der FBI-Agent machte sich Sorgen. In den ganzen fünf Jahren, in denen er mit Bones zusammengearbeitet hatte, hatte er sie noch nie so … durcheinander und verloren erlebt. Vielleicht ein leichtes Zittern hier, ein kleiner Gefühlsausbruch dort, aber niemals hatte sie dermaßen extrem reagiert gehabt wie heute. Er spürte, dass es ihr nicht gut ging, er konnte förmlich sehen, wie ihr zierlicher Körper vibrierte. Und dann reagierte sie noch nicht einmal auf seine Frage. Ohne ihre Augen von dem Mann abzuwenden, setzte sie ein paar Schritte zurück. Sie drehte sich zur Seite und wollte bereits Richtung Ausgang hasten, als sie fühlte, wie sich fremde Finger eisern um ihr Handgelenk schlangen. Ein kleiner Aufschrei entfuhr ihr. „Temperance!“, sprach der Mann sie noch einmal mit festerer Stimme an, dieses Mal war kein Lächeln zu erkennen. Im selben Moment jedoch hatte auch Booth reagiert und den Besucher am Arm gepackt. Kein Fünkchen Höflichkeit war nun noch zu erkennen, nur die versuchte Aufrechterhaltung seiner Selbstbeherrschung. „Loslassen. Sofort.“ Wenn es um seine Partnerin ging, kannte er keinen Spaß. Der Mann sah dem FBI-Agenten kurz in die Augen, das Blickduell dauerte nur ein paar Sekunden. Letzten Endes entschied er sich dann, nachzugeben und lockerte seinen Griff um das weibliche Handgelenk, sodass Bones sich diesem ganz leicht entwinden konnte. Sie suchte Deckung hinter dem Rücken ihres Kollegen und starrte den Mann aus ihrer Vergangenheit noch einmal an, dann verlor sie keine Sekunde mehr und steuerte mit schnellen Schritten den Ausgang an, ohne auch nur ein einziges weiteres Mal nach hinten zu schauen. Booth warf seinem Gegenüber noch einen warnenden Blick zu und flüsterte bedrohlich. „Lassen Sie sich nie wieder hier blicken.“ Dann wandte er sich zum Gehen, um so schnell wie möglich zu seiner Partnerin aufzuschließen, und ließ eine völlig verwirrte Camille Saroyan sowie einen nicht willkommenen Besucher zurück. Während dieses kurzen Aufeinandertreffens hatte er schon eine leise Ahnung bekommen, wer der Fremde sein könnte, und auch Bones‘ Reaktion passte in seine Theorie. Nur hätte er niemals damit gerechnet, wie sehr es sie jetzt noch mitnehmen würde. Sie wirkte sonst immer perfekt professionell und über fast allen Dingen erhaben. Allerdings wusste er auch nicht, was genau sie alles durchgemacht hatte, nur eine vage Vorstellung hatte sich in seinem Kopf entwickelt, seit er damals dieses kleine Geständnis von ihr in Sweets‘ Büro gehört hatte. Doch was immer es auch war, eines stand fest. Seine Partnerin brauchte ihn jetzt mehr als alles andere. Kapitel 2: Scattered Things --------------------------- I'm so sorry, guys! Es hat ja doch länger gedauert, bis ich das zweite Kapitel geschrieben hab. Das war nicht meine Absicht, aber irgendwie bin ich nicht wieder reingekommen in das Feeling für diese FF. Aber nach dem Finale der 6. Staffel :'''''D Omg~ ... Ich kann's immer noch nicht glauben :'D So, jetzt aber hiermit viel Spass :') --------------------------------------------------------------------------- Scattered Things Als Booth in der Tiefgarage ankam und nach seiner Partnerin Ausschau hielt, entdeckte er sie an seinem Wagen, der etwas abseits von den meisten anderen stand. Ganz verbergen konnte er sein Kommen nicht, zu leise war es in diesem unterirdischen Parkplatz, und noch bevor er Brennan erreicht hatte, drehte diese sich zu ihm um und lächelte. „Ich dachte, du musst so schnell wie möglich zum Tatort. Und jetzt bin ich diejenige, die warten muss.“ „Bones …“, versuchte er es langsam. Sie konnte das von eben unmöglich so schnell verdrängt haben. „Schließt du auf?“, fragte sie, als hätte er nie etwas gesagt, und zog am Türgriff des schwarzen FBI-Vans. „Oder muss ich dir den Schlüssel abnehmen?“ „Was … Wirst du jetzt sarkastisch?“ Das war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um Witze zu reißen und gerade Bones war keinesfalls der Typ für so was. Seine Partnerin schüttelte den Kopf. „Nein, das war ernst gemeint. Du siehst in der Tat etwas bleich im Gesicht aus. Es könnte doch sein, dass deine Phalangen eine Dysfunktion haben, weshalb du demnach nicht in der Lage wärst, das Auto zu steuern.“ Booth runzelte die Stirn. „Meine … was auch immer haben keine Disfunktion, ich-“ „Dysfunktion.“ „Was?“ „Es heißt Dysfunktion, nicht Disfunktion. Das machen viele falsch“, erklärte sie fachmännisch. „Das ist doch jetzt völlig egal, Bones“, seufzte der FBI-Agent, die eine Hand in die Seite gestützt, mit dem Daumen der anderen hinter sich zeigend. „Worum es mir im Augenblick geht, ist das, was da drinnen eben-“ „Booth!“, sagte Brennan so laut, als würde ihr Kollege nicht direkt vor ihr stehen, sondern hundert Meter entfernt. „Vielleicht kann die Leiche nicht mehr weglaufen, aber durchaus ein paar Käfer für Hodgins, die vielleicht entscheidend für den weiteren Verlauf des Falls sind.“ Das war ein Witz gewesen. Das musste definitiv ein Witz gewesen sein. Allerdings war sich Booth bei seiner Partnerin nicht hundertprozentig sicher. Sie konnte das womöglich wirklich ernst gemeint haben. Aber gut, wenn sie meinte, nicht darüber reden zu wollen … Das Spiel konnte er mitspielen – vorerst. Irgendwann würde sie sich jemandem anvertrauen müssen. Und vorzugsweise wäre gern er derjenige. Ein stumpfes, metallenes Geräusch erklang, als er den Wagen per Fernbedienung öffnete, ihn umrundete und auf der Fahrerseite einstieg. Bones saß bereits. Während der Fahrt zum Leichenfundort klärte Booth seine Partnerin über den bisherigen Stand der Ereignisse auf. Ein Campingausflug hatte für ein junges Pärchen offenbar in einem Desaster geendet und ein drastisches Ende genommen, als die Frau der beiden inmitten eines Ameisenhaufens Knochen in der Form einer menschlichen Hand gefunden hatte. Anfangs davon ausgegangen, dass es sich um eine Nachbildung handeln musste, waren die zwei so tollkühn gewesen, die Knochen mehr oder weniger aus dem Ameisenhaufen zu entfernen. Nur um dann feststellen zu müssen, dass sie sich extrem echt anfühlten. „Oh mein Gott …“, entfuhr es Bones und ihr Partner wusste, dass sie weniger erschüttert über seinen Bericht war, sondern vielmehr ihre Vorfreude auf ein neues Rätsel zum Ausdruck brachte. „Wieso haben sie gedacht, dass es sich um eine Nachbildung handeln sollte?“ „Na ja, der Verwesungsprozess ist so weit fortgeschritten, dass man nur noch die Knochen sehen kann. Das arme Schwein muss da schon ziemlich lange liegen“, erklärte Booth. „Ich dachte, es handelt sich um eine Menschenhand.“ Der FBI-Agent konnte nur mit den Augen rollen. „Richtig.“ Bones antwortete nicht sofort, sondern beobachtete ihren Partner achtsam von der Seite. Ihr war nicht entgangen, dass er gereizt war, und schlussendlich konnte sie es dann auch nicht mehr aushalten. Sie grinste. „Das war ein Scherz, Booth. Natürlich weiß ich, was du gemeint hast.“ Booth blickte kurz zu ihr, während einer seiner Mundwinkel zuckte, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. Als sie dann aber vollkommen ernst „Sonst würde das FBI diesen Fall schließlich nicht untersuchen“ hinterhersetzte, musste er sich zusammenreißen, seine Kinnlade nicht nach unten fallen zu lassen. Er beschloss, diesen kleinen Kommentar geflissentlich zu übergehen. Der Tatort galt normalerweise als äußerst abgelegen und war ein Geheimtipp unter Campern. Doch als Booth und seine Partnerin nach einer endlos langen Fahrt auf einem schmalen Waldweg endlich dort ankamen, war das Gebiet übersät mit uniformierten Beamten, Polizeiwagen, gelben Absperrbändern, kleinen weißen nummerierten Schildchen und Blitzlicht. Ein stetes Piepen, Stimmengewirr und ständige Funkrufsignale durchbrachen die vermutlich sonst so stille Natur. Bones war als erste aus dem Wagen gestiegen und hatte sich auf dem Weg zum nächststehenden Polizisten bereits ihre Gummihandschuhe übergezogen. „Also, wo sind die Knochen?“, forderte sie enthusiastisch, erntete aber nur ein Stirnrunzeln und einen musternden, wachsamen Blick. Bevor jedoch einer von beiden etwas sagen konnte, hatte Booth sie schon eingeholt und zeigte dem Beamten nun seinen Dienstausweis. „Die Knochen“, meinte er nur mit Nachdruck. Der Polizist schwang seinen Arm einmal ausladend um sich. „Hier.“ Und Booth war hart an der Grenze, ihm nicht sofort eines reinzuwürgen. „Ich hab‘ keine Zeit für Scherze, also-“ „Das war kein Scherz“, unterbrach ihn sein Gegenüber. „Die Knochen sind wirklich überall. Wir haben einen Großteil dieses Gebietes abgesperrt, damit wir nach weiteren suchen können. Die Hand war nicht die einzige. Wir haben auch noch ein Paar Füße, mehrere Rippen, Wirbelstücke …“ Bones ließ den Mann gar nicht erst ausreden, sie tauchte unter dem Absperrband hindurch und machte sich schnurstracks in die Richtung auf, in der die größte Gruppe an Leuten stand, während ihr Partner ihr abermals hinterhereilen musste. Als die Officer aufsahen, überholte er die Anthropologin. „Agent Booth, FBI“, stellte er sich vor. „Und das ist Dr. Brennan vom Jeffersonian. Über das Gröbste sind wir bereits informiert. Was gibt es neues?“ Der Kommando habende Officer nickte und warf einen Blick über das Gebiet. „Nach der Hand sind wir natürlich davon ausgegangen, dass der Rest davon auch irgendwo hier liegen muss. Wir haben Suchtrupps eingesetzt, die nach den fehlenden Teilen suchen. Leider entpuppt sich die Sache als nicht einfach. Wie es aussieht, scheinen die Knochen über mehrere Kilometer verstreut zu sein. Und das ist noch nicht mal das Schlimmste. Viele der Teile sind so klein, dass wir vermutlich mehrere Tage brauchen werden, um wirklich alle zu finden. Was immer diesem Kerl passiert ist, ich hoffe, er war schon vorher tot.“ Bones sah den Mann verwirrt an. „Ist die Leiche etwa schon identifiziert?“ „Nein, wieso?“, antwortete der Beamte mit einer Gegenfrage. „Weil sie den Knochen gerade ein Geschlecht gegeben haben. Obwohl ich bezweifle, dass Sie in der Lage sind, die maskuline Anatomie von der femininen zu unterscheiden, selbst wenn Sie ein komplettes Skelett vor sich hätten. Dazu fehlt Ihnen mein Fachwissen.“ Einen Moment lang starrte sie der Officer wie vor den Kopf gestoßen an und wollte bereits etwas entgegnen, doch Booth übersprang diesen Augenblick, indem er auf ein anderes Thema lenkte und seine Partnerin dabei leicht nach vorn schob. „Und wo sind die bisher gefundenen Knochen jetzt?“ Der Polizist sah noch einmal argwöhnisch zu Dr. Brennan, dann wandte er sich dem FBI-Agenten zu. „Wir haben sie an Ort und Stelle liegen gelassen, um keine Beweise zu vernichten.“ Er deutete auf mehrere Stellen in der Nähe, überall wo die kleinen Nummernschildchen standen. Hier und dort machten Kollegen Fotos, andere wühlten weiter entfernt im Dreck. Die drei gingen auf das nächstgelegene Fundstück zu. Bones kniete sich hin und betrachtete den Knochen vor sich genauer. Zaghaft tastete sie die menschlichen Überreste ab, und je länger sie diese untersuchte, desto tiefer wurden die Furchen in ihrer Stirn. „Teil des Oberschenkelknochens. An der oberen und unteren Seite grob vom Rest abgetrennt …“ „Vielleicht ein Tierangriff?“, mutmaßte Booth, aber die Anthropologin schüttelte vorsichtig mit dem Kopf. „Genau kann ich es nicht sagen, aber ich ziehe diese Möglichkeit eher weniger in Betracht.“ „Und? Was für ein Geschlecht hat das Skelett?“, fragte der Officer vorlaut. Bones wandte ihren Kopf nur halb zur Seite und verkniff sich einen beißenden Kommentar. „Dazu benötige ich den Beckenknochen oder den Schädel. Können Sie mir so was liefern?“ Mit in die Seiten gestützten Armen seufzte der Polizist. „Leider noch nicht, aber wir versuchen so schnell wie möglich, alle Teile zu finden.“ „Das will ich hoffen. Andernfalls könnten Sie sonst schuld sein, wenn die Identifikation fehlschlägt.“ „Bones“, mahnte Booth seine Partnerin vorsichtig. Anfangs hatte er geglaubt, sie würde sich durch diesen neuen Fall ein wenig vom heutigen Morgen ablenken lassen, doch nun reagierte sie wieder gereizter als üblich. „Und denken Sie bitte daran, von jedem Fundort Bodenproben zu nehmen, sowie sämtliche Insekten, Käfer und Würmer, die sich an und in der Nähe der Knochenteile befinden, einzusammeln und umgehend ins Jeffersonian zu Dr. Hodgins zu schicken“, fuhr sie in kühlem Ton fort, ohne den Blick von den Überresten zu nehmen. Der Officer starrte sie mit weit geöffnetem Mund an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir machen das hier nicht zum ersten Mal, Miss.“ „Doktor“, korrigierte ihn Brennan. Der Polizist wollte bereits etwas erwidern, doch Booth bedeutete ihm mit einer raschen Handbewegung, zu gehen. Der Mann drehte sich kopfschüttelnd um, murmelte etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart und marschierte davon. Booth derweil hatte sich mit gezücktem Block und Stift neben seine Partnerin gehockt. „Vielleicht solltest du mal mit seinem Vorgesetzten reden“, schlug Brennan vor und betrachtete den Knochen vor sich genauer. „Du solltest seine Kompetenz nicht infrage stellen, nur weil du gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt bist, Bones.“ Der FBI-Agent versuchte so wenige Emotionen wie möglich in seine Worte zu legen, obwohl er sich innerlich ernste Sorgen um die Frau neben sich machte. Bones sah ihn an. „Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Frauen sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren können, Booth. Ich kann meine Aufmerksamkeit auf den Knochen und auf das Gespräch mit ihm legen.“ „Das habe ich nicht gemeint, das weißt du.“ „Ich kann nicht ganz folgen“, meinte sie irritiert. Der FBI-Agent sah ihr fest in die Augen. „Ich denke, das kannst du sehr wohl. Der Kerl heute morgen im Jeffersonian?“ Bones rollte mit den Augen. „Oh, bitte. Fang jetzt nicht wieder damit an. Das war ein Missverständnis, nichts weiter.“ „Er kannte deinen Namen“, warf ihr Partner ein. „Den kennen viele Leute.“ „Hör zu, ich will wirklich keine alten Wunden aufreißen. Ich will nur sagen, dass wenn du reden willst …“ „Könnten wir uns bitte wieder auf diesen Fall konzentieren?“, unterbrach Bones ihren Kollegen scharf und begutachtete nun zum hundertsten Male den Knochen vor sich, ohne diesen wirklich wahrzunehmen. Booth hatte Recht. Dieses Zusammentreffen heute hatte sie mehr mitgenommen, als sie selbst erwartet hätte oder gar zugeben wollte. Aber das durfte es eigentlich nicht. So viele Jahre waren vergangen, in denen sie ihre Erinnerungen in einer tiefen Ecke ihres Bewusstseins begraben und nie wieder hervorgeholt hatte. Sie war stark geworden, konnte sich überlegenden Gegnern widersetzen. Um nichts in der Welt würde sie jetzt einknicken, nur weil dieser Mann ihr sein Gesicht wieder präsentiert hatte. Sie war nicht mehr das kleine, verängstigte Mädchen von damals. Sie war eine selbstbewusste Frau, die sich von niemandem einschüchtern ließ … „Merkwürdig“, murmelte sie plötzlich, als ihr eine Absonderlichkeit am Knochen auffiel. Booth wurde hellhörig und beugte sich ein wenig herüber. Die Anthropologin deutete längs am Knochen entlang. „Siehst du das? Das gesamte Gewebe ist durchsetzt von kleinen Löchern. Im Labor kann ich es zwar später erst genau bestimmen, aber es sieht ganz danach aus, als würden sie einem bestimmten Muster folgen.“ „Und was bedeutet das?“ Bones schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, aber vielleicht kann uns Angela helfen, sobald wir alle Knochen gereinigt und untersucht haben.“ --------------------------------------------------------------- Ich hoffe, es hat euch gefallen. Langsam kommt jetzt also auch der Fall ins Geschehen ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)