Frances von elfogadunk ================================================================================ Kapitel 3: Vom Regen in die Traufe ---------------------------------- Mit vor Aufregung und Angst hämmerndem Herzen kauerte Frances hinter den Trümmern des Beibootes, das einer Kanonenkugel des Piratenschiffes zum Opfer gefallen war. Vor ihr tobte ein Kampf zwischen der Besatzung des Schiffes und den Piraten, die, kurz nachdem Kingsley sie bemerkt hatte, bereits das Feuer eröffnet hatten und anschließend innerhalb von wenigen Minuten an Bord gelangt waren. Der Lärm, der von den über 100 kämpfenden Männern verursacht wurde, war ohrenbetäubend und trug alles andere als dazu bei, dass Frances sich beruhigen oder auch nur einen vernünftigen Gedanken fassen konnte. Ihre momentane Situation war ganz offensichtlich aussichtslos, denn entweder wurde sie hier im Kampf getötet, fiel Captain Kingsleys Lust zum Opfer oder wurde von den Piraten verschleppt. Der einzige Weg, diesen alles andere als ansprechenden Schicksalen zu entkommen, war in ihren Augen, von Bord in die nachtkalte See zu springen und zu hoffen, dass sie Land erreichte, bevor sie vor Erschöpfung ertrank. Zwar erschien ihr diese Alternative auch nicht als die idealste, doch sie hatte offensichtlich keine andere Wahl, wenn ihr ihre Freiheit lieb war. Kurz entschlossen lugte sie also aus ihrem Versteck hervor und wollte sich in einem unbeobachteten Moment zur Reling schleichen, als kurz bevor sie ihr Ziel erreichte ein älterer, untersetzter Pirat sie erblickte und sich sogleich ihrer annahm. „Sieh an, wen haben wir denn da?“, kommentierte er mit einem höhnischen Lachen seinen Fang und packte Frances unsanft am Arm. „Ein Weib hätte ich an Bord dieses Kahns als Letztes erwartet. Der Captain wird erfreut sein.“ Mit diesen Worten warf der nicht besonders gepflegt aussehende Mann sie sich über die Schulter und brachte sie über eine Planke hinüber auf das Piratenschiff. Dass Frances dabei verzweifelt um sich schlug und mit aller Kraft versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, schien er nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen. Somit fand sie sich denn auch wenige Augenblicke später im Quartier des Piratenschiffkapitäns wieder. Sie wurde auf dem Boden abgestellt, jedoch weiterhin grob am Arm festgehalten. „Captain? Ich habe hier etwas für Euch.“, verkündete der Pirat mit einem süffisanten Grinsen. Frances nutzte die Zeit bis zur Reaktion des Captains, um sich kurz umzusehen. Der dunkle Raum war lediglich vom flackernden Licht ein paar weniger Kerzen erhellt. In der Mitte befand sich ein großer runder Schreibtisch, auf dem unzählige Seekarten und Messutensilien verstreut lagen. An den Wänden standen ohne erkennbares Muster verschiedengroße palisanderfarbene Schränke und Kisten. Zwischen ihnen lugten zusammengerollte Karten hervor. Außerdem waren vereinzelt Bilder aufgehängt, die jedoch nur ihrem Selbstzweck zu dienen schienen. „Ich habe doch gesagt keine Gefangenen, Sully.“, antwortete eine strenge und etwas gelangweilt wirkende Stimme aus dem rechten Teil der Kajüte. Erst jetzt bemerkte Frances, dass sich dort, fast verborgen hinter einem Vorhang, im Halbdunkeln eine Koje befand, auf der ein Mann es sich bequem gemacht hatte. Mühevoll erhob er sich und streckte sich ausgiebig, bevor er schließlich aufstand und auf sie zukam. Das warme Kerzenlicht umspielte sofort seine großgewachsene und schlanke Gestalt, als er aus dem Schatten des Behangs heraustrat. Er war lediglich in ein dunkelgrünes Hemd, dessen geöffnete Knöpfe seine bloße Brust offenbarten, und eine einfache wadenlange braune Leinenhose gekleidet. Um den Hals trug er eine lange Kette, an deren Ende ein glänzendes Medaillon baumelte. Das volle, dunkelbraune Haar fiel ihm knapp über die Augen und umspielte zerzaust seinen Kopf. Frances war überrascht, wie jung er war, als sie in sein scharf geschnittenes Gesicht blickte. Er war sicher höchstens Ende 20. Aus seinen tiefbraunen Augen heraus musterte er sie. Sie entdeckte dabei eine tiefe Narbe, die sich von seiner linken Schläfe aus um sein Auge herum bis auf seine Wange zog. „Wer ist das? Was soll ich mit ihr?“, wollte der Captain wissen, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Ich fand sie drüben auf Kingsleys Schiff, als sie gerade fliehen wollte, und dachte mir, dass Ihr sicher Euren Spaß mit ihr haben könntet.“, antwortete der Pirat, dessen Namen offensichtlich Sully war. „Spaß?“, wiederholte der Captain und ließ argwöhnisch seinen Blick über Frances’ Körper wandern. Nach einigen Momenten der Stille meinte er schließlich: „In der Tat. Lass sie hier und verschwinde.“ „Aye, Captain!“, antwortete Sully mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen und verließ anschließend die Kajüte. Nachdem Frances nun mit dem Captain allein war, stieg ihre Angst erneut. Reflexartig zog sie ihre Schultern an und schlang sich ihre Arme um den Oberkörper, um so ihren durch ihr zerrissenes Hemd halbentblößten Busen zu bedecken. Währenddessen schritt der Captain langsam und beinahe wie ein ausgehungerter Tiger um sie herum und begutachtete seine Beute von oben bis unten. Mit jedem Augenblick, der so verstrich, schnürte es Frances mehr die Kehle zu. Sie fühlte sich so unwohl wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Der Gedanke daran, wie ein Stück Vieh gemustert zu werden, war unerträglich – ganz zu schweigen von den Dingen, die mit großer Wahrscheinlichkeit noch auf sie zukommen würden. Unwillkürlich drückte sie ihre Fingernägel vor Anspannung so tief in ihre Oberarme, dass es bald schmerzte. Sie wünschte sich fort von hier; weit weg an einen sicheren Ort. Für einen Moment flackerte das Bild ihres Zuhauses vor ihrem inneren Auge auf, doch diese Erinnerung wollte sie nicht zulassen. Sie hatte sich dafür entschieden, sich allein ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen und den Weg zu diesem Ziel würde sie mit all seinen Hindernissen und Widrigkeiten auch annehmen. „Wie ist dein Name?“, wurden ihre Gedankengänge von der angenehm tiefen, etwas nasalen Stimme des Captains unterbrochen. Überrascht blickte sie auf und schaute ihn fragend an. „Dein Name!“, wiederholte er und sah sie mit erwartungsvoll hochgezogenen Augenbrauen an. „Ah... Ich... Mein Name ist... ist Frances...“, brachte sie mit brüchiger Stimme hervor und hatte dabei plötzlich das Gefühl, schon seit Jahren nicht mehr gesprochen zu haben. „Frances...“, wiederholte er leise. Die Art, wie er ihren Namen aussprach, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Warst du ein blinder Passagier auf Kingsleys Schiff?“, wollte er unvermittelt wissen und musterte sie weiterhin sehr interessiert. „Der gute alte Anthony hat etwas gegen Frauen an Bord seines Schiffes, doch an Land ist er nicht gerade ein Kostverächter. Deine Kleidung lässt vermuten, dass du dich als Mann in seine Crew geschlichen hast, er dein kleines Geheimnis jedoch herausgefunden hat und hungrig geworden ist.“ Um seine Behauptung zu untermauern, fuhr er kurz mit der Spitze seines Zeigefingers über den oberen Rand ihrer Brustbandagen und berührte den zerrissenen Kragen ihres Hemdes. „Dein relativ gefasstes Auftreten lässt mich allerdings annehmen, dass wir sozusagen gerade noch rechtzeitig gekommen sind und das Schlimmste verhindert haben. Liege ich richtig mit meinen Annahmen?“ Er sah sie erwartungsvoll an, doch ihr stand die Verblüffung ins Gesicht geschrieben und sie war zu keiner sinnvollen Antwort fähig. „Das dachte ich mir.“, schlussfolgerte er aus ihrer Nicht-Antwort die Richtigkeit seiner Aussagen. „Du kannst froh sein, dass ich mit Kingsley noch eine Rechnung offen hatte. Er ist nicht gerade der Zuverlässigste und hat mich bei unserem letzten Treffen um ein paar wichtige Wertgegenstände gebracht, die ich bei aller Liebe nicht in seinem Besitz belassen konnte.“ Frances lauschte gespannt den Ausführungen des jungen Piratenkapitäns vor ihr und fühlte sich plötzlich hin- und hergerissen. Einerseits war sie froh, dass sie anscheinend einen intelligenten Menschen vor sich hatte, mit dem man offenbar auch reden konnte. Doch andererseits war dieser Mensch noch immer ein Pirat und somit moralisch höchstwahrscheinlich nicht minder verdorben als Kingsley es zu sein schien. „Doch was soll ich jetzt mit dir anfangen?“, wollte er wissen und setzte einen gespielt fragenden Gesichtsausdruck auf. Frances alarmierten diese Worte und sie fand endlich ihre Sprache wieder: „Ich bitte Euch, schickt mich nicht zu diesem Scheusal Kingsley zurück!“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Bitte nehmt mich bis zur nächsten Insel mit. Ich werde Euch sicher nicht zur Last fallen und mich auch an Deck nützlich machen.“ Sie klammerte sich an ihre winzige Hoffnung, dass ihr Gegenüber so menschlich sein würde, ihr ihre Bitte zu erfüllen. Er schien auf den ersten Blick schließlich kein so übler Kerl und ziemlich vernünftig zu sein. Mit vor Überraschung erhobenen Augenbrauen schaute er sie einige Augenblicke nur schweigend an, bevor er schließlich ganz langsam auf sie zukam. Sein Gesichtsausdruck war plötzlich verschlossen und ließ keine Deutung zu. Ob dieser unerwarteten Reaktion wich Frances mit jedem Schritt, den er auf sie zu machte, weiter zurück bis sie schließlich mit dem Rücken gegen die hölzerne Kajütenwand stieß. Der Captain blieb jedoch erst stehen als ihre Körper sich bereits berührten und er sich vor ihr stehend zu ihr herunterbeugen konnte. Seine rechte Hand stützte er in Höhe ihres Kopfes an der Wand ab und seine linke in Höhe ihrer Taille. Seine Augen fixierten ihre, als sein Mund sich zu einem anzüglichen Lächeln formte und er meinte: „Und was wäre die Gegenleistung, die ich für eine solch großzügige Geste von einer so wunderschönen, jungen Frau erwarten dürfte?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)