Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 93: Quallen, ein renoviertes Bad und ein blinkender Pfeil ----------------------------------------------------------------- 93) Quallen, ein renoviertes Bad und ein blinkender Pfeil Seit gefühlten zwei Wochen hockte der blonde Winchester jetzt auf einem unbequemen Stuhl in einer kleinen, fast fensterlosen Kammer, den Lüftungsschlitz unter der Decke wollte er nicht als solches bezeichnen, und las sich die Vorschriften durch, die Kruger ihm in die Hände gedrückt hatte. Und so dick wie das Buch war, würde er noch für eine Weile Lesestoff haben. Die Zeiger an der Uhr über der Tür wollten ihm allerdings einreden, dass er noch nicht mal eine Stunde hier saß. Bevor er seine Uniform, ein weißes Hemd an dessen Brusttasche ein Schild mit dem Namen Thomas H. McGregor prangte, eine dunkle Krawatte und eine genauso dunkle Hose, bekommen hatte, hatte ihn Kruger durchs ganze Haus geschleppt und ihm erklärt, wann wo der Reinigungstrupp durchging. Diesen sollte das Sicherheitsteam besonders im Auge behalten! Immerhin war hier schon einiges gestohlen worden. Außerdem hatte Kruger ihm erklärt, dass das Gebäude rund um die Uhr besetzt war, da sich in zwei Etagen ein Call-Center eines Finanz- und Versicherungsdienstleisters befand, das 24 Stunden erreichbar war. „Sie arbeiten in der Spätschicht. Martin Smith Jr. ist Ihr Partner. Das hier ist Ihre Schlüsselkarte. Damit kommen sie überall rein. In der Probezeit öffnet Ihre Karte sicherheitsrelevante Bereiche nur nach der Verifikation einer zweiten Karte. Sie müssen also mit Ihrem Partner zusammen die Rundgänge in diesen Bereichen machen“, hatte ihn Kruger wissen lassen. Dean mochte ihn nicht. Der Mann war kalt und wenn der noch ein wenig durchscheinend wäre, dann wäre es ihm eine Freude, ihm die Schrotflinte zwischen die Rippen zu halten. Endlich kam Kruger wieder. „Ich denke, das reicht für heute. Sie können jetzt eine halbe Stunde Pause machen. Die Kantine in der 14. ist wirklich gut. Danach melden Sie sich am Empfang. Dann sollte auch Mr. Smith da sein. Richten Sie sich nach dem was er sagt. Ich werde Sie im Auge behalten!“ Mit diesen Worten wurde Dean aus dem Loch entlassen. ‚Wenn der Sekundenzeiger noch langsamer ginge, würde die Zeit rückwärts laufen!’, überlegte der blonde Winchester und rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. „Warum drehst du nicht einfach eine Runde durchs Haus? Bis zur 14. kommst du doch“, schlug Martin Jr. vor. Sein neuer Partner schien ja förmlich Hummeln im Hintern zu haben. „Du sitzt nicht gerne, oder?“ Dean schüttelte den Kopf. „Meinst du wirklich, ich kann gehen?“ „Das ist unser Job. Ich bleibe hier. Reicht schon, wenn ich nachher mit dir die Runden durch die oberen Stockwerke und den Keller machen muss.“ „Okay“, nickte der Blonde lächelnd und war vom Stuhl runter und am Fahrstuhl bevor sein Partner noch ein Wort sagen konnte. „Lass dir Zeit!“, rief er ihm noch nach. Langsam lief Dean seine Runde, schaute hier und da mal in die Büros und kam so Stockwerk für Stockwerk weiter nach oben. Gerade wollte er den Fahrstuhl wieder verlassen, als ihn ein Aktenberg auf hochhackigen Schuhen fast über den Haufen rannte. Er versuchte auszuweichen, konnte ein Fallen der Ordner aber nicht verhindern. „Schuldigung“, nuschelte die junge Dame und beeilte sich, die Ordner wieder aufzusammeln und ihren Minirock dabei nicht höher als erlaubt rutschen zu lassen. Für eine Schrecksekunde betrachtete der Winchester das Schauspiel, dann bückte er sich und half ihr. „Ich hätte doch einen Wagen nehmen sollen“, stöhnte sie leise. „Wo soll’s denn hingehen?“, wollte er wissen. „Ins Archiv runter.“ „Ich helfe Ihnen!“, sagte er und behielt den größeren Stapel auf den Armen. „Danke!“, strahlte sie ihn an. „Sind Sie neu hier?“ „Ja, mein erster Tag.“ „Na dann, herzlich willkommen hier.“ „Danke.“ „Ed?“, rief sie kaum dass sich die Türen des Aufzuges im Keller geöffnet hatten. „Ich hab einen Stapel Akten. Wohin?“ „Er will lieber alles selbst wegräumen“, flüsterte sie Dean zu. „Bringen Sie sie her!“, hörten sie den Mann aus einer Ecke antworten und gingen auf die Stimme zu. Ein leises Pling ertönte und dann war das Öffnen einer Mikrowellentür zu hören. Sie bogen um die Ecke und vor ihnen stand ein alter Mann vor einer fast genauso alten Mikrowelle. Er trug eine graue Stoffhose, ein helles Hemd und darüber einen dunkelblauen Westover. Die Ärmel seines Hemdes steckten in dunkelgrauen Ärmelschonern. Der Mann sah wirklich so aus, als würde er in das Archiv gehören. „Legen sie sie hier auf den Tisch“, forderte der Mann leise aber bestimmt. Kaum hatte der Winchester seinen Stapel abgelegt, als er auch schon zu der Mikrowelle hinüber ging und diese interessiert musterte. „Die muss doch fast so alt sein wie ich“, stelle er staunend fest. „Sie ist aus dem Jahre 1979“, lächelte Ed. „Sie ist so alt wie ich“, grinste der Blonde. „Erstaunlich, dass sie noch funktioniert.“ „Sie funktionieren ja auch noch“, konterte der Alte. „Ja, aber in mir kriegt man Essen höchstens vernichtet, aber nicht heiß“, lachte Dean und hielt ihm die Hand hin. „Ich bin Thomas McGregor.“ „Ich kann noch lesen“, sagte Ed und zeigte auf das Namensschild. „Ich bin übrigens Eddison Garcia. Aber alle nennen mich Ed.“ „Hallo Ed!“, lächelte Dean warm. „Wollen Sie auch was? Ich …“, deutete Ed auf seine dampfende Schüssel. „Nein, ich war vorhin oben in der Kantine, danke“, wehrte er ab. „Hm. Mikrowellenfutter“, stöhnte Garcia. „Das aber auch.“ „Ja, da haben Sie Recht. Aber ich hab es gestern selbst gekocht.“ „Dann will ich nicht länger stören“, verabschiedete sich der Winchester und ging zurück zu seinem Partner. Am frühen Abend drehten sie zusammen ihre Runde. Immer wieder musste Dean auf den übergewichtigen Smith warten, den schon die langen Gänge außer Atem brachten. „Du solltest was dagegen tun“, sagte Dean, als sein Partner endlich im Fahrstuhl stand und sich den Schweiß von der Stirn wischte. „Dieses Wetter macht mich fertig“, sagte er schnaufend und musterte den Blonden. „Du kannst das wohl nicht verstehen. Ich hab schon einiges abgenommen, aber ich muss Cortisontabletten nehmen, und die Betablocker machen mir das Leben auch nicht einfacher.“ Der Winchester nickte verstehend. Auch wenn er nicht genau wusste, was die Medikamente zusammen alles bewirken konnten, so konnte er sich doch noch gut an den letzten Sommer erinnern. Auch wenn seine Voraussetzungen damals ganz andere waren und er keine solchen Medikamente bekommen hatte. „Sag mal, kannst du die Runden ab morgen nicht alleine gehen? Wenigstens solange, bis die Schwüle wieder weg ist?“, fragte Martin plötzlich. „Ich kann doch in die oberen Etagen nicht rein.“ „Und wenn ich dir meine Karte gebe?“, fragte der Dunkelhäutige. „Wenn ich dir damit helfen kann? Und Kruger mich dafür nicht sofort rausschmeißt.“ „Der ist schon lange weg. So übergenau wie der tut, so pünktlich ist der hier weg.“ „Okay, ab morgen geh ich alleine“, sagte der Blonde als sich die Aufzugtüren im Keller öffneten. „Danke!“ Martin Smith Jr. war sichtlich erleichtert, und Dean freute sich darauf, seine Nachforschungen in Ruhe weitertreiben zu können. Lange nach seinem Partner kam er zum Empfangsbereich zurück. Er hatte sich bei Ed festgequatscht. Martin lächelte nur. Solange der Jungspund ihm die Lauferei abnahm war es ihm egal, wo der seine Zeit vertrödelte. Kopfschüttelnd starrte Sam auf den blinkenden Pfeil, der Deans Handy anzeigte. „Was macht der seit Stunden dort?“, knurrte er und holte sich einen neuen Kaffee. Inzwischen brauchte er das Zeug schon genauso sehr wie sein Bruder, und irgendwann würde er ihn wohl auch noch ganz schwarz trinken, überlegte er, obwohl es ihn schon alleine bei dem Gedanken schüttelte. Der jüngere Winchester ließ sich wieder auf der altersschwachen Couch nieder und starrte weiter auf den Stadtplan von Naples und den Pfeil darin. Wieder rief er sich die Seite mit den Nachrichten der Stadt auf. Nichts. Nichts, was er nicht auch schon vor Stunden überflogen hätte. Hatte Dean ihn einfach verlassen? War er in ein neues Leben aufgebrochen? Immerhin hatte er schon im letzten Jahr ehrlich gelebt. Aber warum dann Naples? Wäre er dann im Westen nicht besser aufgehoben? Und wenn er wirklich ein neues Leben hätte beginnen wollen, hätte er dann nicht sein Handy ausgeschaltet? ‚Oh man! Ich klinge schon wie eine verlassene Ehefrau!‘, schalt sich Sam in Gedanken. ‚Gut, dass es nur Gedanken sind. Bobby würde mich auslachen!‘ Wieder schaute er auf den Pfeil und begann noch einmal die Nachrichten der letzten Woche aus Naples durchzugehen. „Oh mein Gott!“, keuchte Sam plötzlich und starrte den älteren Jäger an, der eben ins Zimmer gekommen war und sich erschrocken aufrichtete. „In dem Bürohaus, in dem Dean die ganze Zeit ist, gab es mehrere Selbstmorde!“, platzte der Jüngere atemlos hervor. Er warf die Papiere auf das Sofa und griff nach seinem Laptop. „Sam?“, sagte Bobby ruhig. „Was?“, keifte der. „Wenn Dean sich da …“, erschrocken brach er ab. Es auszusprechen würde die Möglichkeit greifbar machen. „Meinst du nicht, dass Dean dazu nicht bis Naples hätte fahren müssen?“ „Verdammt noch mal, Bobby, Dean ist …“, unschlüssig brach er ab, fuhr sich ungeduldig durch die Haare und ließ seine Arme wieder sinken. Bobby hatte Recht. Wenn Dean sich hätte umbringen wollen, dann hätte er jede Möglichkeit genutzt, die sich ihm geboten hätte. „Ich glaube auch nicht, dass er doch noch in die Hölle will.“ „Was hat das denn mit der Hölle zu tun?“, wollte Sam aufgebracht wissen. „Selbstmörder kommen in die Hölle, heißt es landläufig“, erklärte der Ältere ruhig. „Außerdem bewegt sich dein Pfeil.“ Sofort wandte sich Sam zu seinem Bildschirm um und atmete erleichtert auf, als er sah, dass sich der Pfeil tatsächlich bewegte, bei dem kleinen Restaurant einen Zwischenstopp einlegte und dann bei dem Motel wieder anhielt. Müde blinzelte der blonde Winchester gegen das Sonnenlicht, das sich einen Weg zwischen den Vorhängen hindurch in sein Zimmer bahnte. Er wollte heute einige Hinterbliebene besuchen, also schaltete er den Fernseher ein, um nicht gleich wieder einzuschlafen. Er hatte sich die halbe Nacht mit Internetrecherchen um die Ohren geschlagen aber noch immer nichts gefunden, das vielleicht einen rächenden Geist erklären könnte. Selbst beim Bau des Gebäudes hatte es keine besonderen Vorkommnisse gegeben, niemand war gestorben oder verunglückt und es hatte sich auch niemand von der Baustelle in den Tod gestürzt. Der Nachrichtensprecher berichtete von Unmengen von Quallen, die an den Strand gespült worden waren, und er bat die Menschen die Strände in den nächsten Tagen möglichst zu meiden, bis die Stadt diese wieder freigeben würde. Die Tiere wären zwar nicht wirklich giftig, könnten bei Berührung aber zu Hautreizungen führen. Dean zuckte mit den Schultern und angelte nach seinem Laptop um zu überprüfen, ob es zwischen den Selbstmorden und den Quallen vielleicht einen Zusammenhang gab. Schnell konnte er diese Vermutung zur Seite schieben. Diese Quallenplage gab es zu ersten Mal. Sam rieb sich stöhnend den Nacken. Er legte die Blätter beiseite und stand auf um sich in der Küche einen Kaffee zu holen. Bobby kam ebenfalls gerade herein. „Schon was Neues?“ „Nein, ich weiß immer noch nicht, warum Dean in Florida ist und was er da sucht.“ „Und warum rufst du ihn nicht an?“ „Ich will das klären, wenn er wieder hier ist.“ „Du schiebst das ganz schön auf die lange Bank!“ „Nein. … Ja, irgendwie schon. Aber ich möchte das persönlich mit ihm klären, es ihm ins Gesicht sagen können. Ich möchte ihm in die Augen schauen können, wenn ich mich entschuldige“, sagte er leise. „Und was treibt Dean heute?“ „Er hat zwei Adressen besucht, von denen ich nachher noch klären will, was da ist. Ich hab mir erstmal die Nachrichten angeschaut und überlege immer noch, ob ihn die Selbstmorde nach Naples gelockt haben könnten. Es waren in den letzten Wochen mehr als normal. Ich suche gerade nach einer Gemeinsamkeit der Opfer.“ Bobby brummelte etwas Unverständliches und kümmerte sich dann um die Wäsche. Das Bad hatten sie gestern fertig eingeräumt. Es war schon erstaunlich wie dieser Raum gleich strahlte und wie verkommen die anderen Zimmer dagegen aussahen. Vielleicht sollte er doch darüber nachdenken, demnächst die anderen Zimmer so nach und nach zu renovieren. Möglicherweise würden die Jungs dann öfter hier bleiben? Oh Mann! Er wurde langsam wirklich alt, wenn er jetzt schon über solche Dinge nachdachte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)