Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 64: Wo bin ich? ----------------------- 64) Wo bin ich? „Wie geht es ihm?“, fragte Margaret leise, als sie ihre Tochter wieder ablöste. „Wie schon die ganze Zeit. Er schläft, er wirft sich unruhig hin und her und ruft nach Sam“, erklärte Sarah. Sie versuchten ihm Linderung zu verschaffen, seinen heißen Körper und sein verbranntes Gesicht zu kühlen, doch eigentlich konnten sie kaum etwas für ihn tun. Immer wenn er auch nur halbwegs anwesend zu sein schien, gaben sie ihm den Weidenrinden-Kamillen-Tee zu trinken und versuchte auch ihn dazu zu bringen ein wenig Hühnerbrühe zu essen, doch die meiste Zeit warf er sich unruhig im Bett hin und her, wimmerte leise und bettelte nach Sam. Ihr Patient schien hilflos in seiner Fieberwelt gefangen zu sein. Am Morgen, nachdem sie ihn gefunden hatten, hatten sie die Taschen seiner Jacke geleert. Sie hatten nichts gefunden, das darauf schließen ließ, wer er war. Außer seinem Vornamen hatten sie nichts. Aber er war gut bewaffnet, auch wenn ihnen eine seiner Waffen Kopfzerbrechen bereitete. Mit dem Trommelrevolver hatten sie keine Probleme, diese Waffen gab es zu Hunderten, mal abgesehen davon, dass in seinen Griff ein Pentagramm eingeritzt war. Doch diese silberne, verzierte Waffe? Sie schien ebenfalls ein Revolver zu sein, aber sie hatte keine Trommel! Und warum hatte er einen Pflock bei sich? Messer und Schrotflinte waren für sie wieder etwas Alltägliches. Außerdem waren die Waffen gut gepflegt. Er schien sich auf sie verlassen zu können und wohl auch zu müssen. Sie hatten die Taschen seiner Kleidung ausgeräumt und diese dann zum Waschen gelegt. Vieles musste auch geflickt werden. Das abgegriffene Buch in seiner Innentasche - wie konnte man so riesige Innentaschen haben? - hatte fast einen Streit unter den Brüdern heraufbeschworen. Jacob wollte es lesen. Vielleicht gab es einen Hinweis auf den Fremden, doch William meinte, dass er ihnen immer noch erzählen könnte, wer er war und hatte das Buch zusammen mit den Waffen, den zwei komischen, in durchsichtiges Papier eingewickelten Päckchen und der schrillbunten Tüte mit den Punkten darauf, m&m’s, in einem Fach des Sekretärs verschlossen. Seine Hose barg eine weitere Überraschung. Zwei kleine flaches Dinger, die man beide aufklappen konnte. Was das wohl war? Die Familie platzte inzwischen fast vor Neugier, doch Dean war in seiner Welt gefangen, und so mussten sie ihre Fragen auf später verschieben. Auch diese Teile verschwand in dem abschließbaren Fach. Tage vergingen. Ihr Patient sah furchtbar aus. Blass mit eingefallenen Wangen und obwohl er eigentlich nur schlief hatte er dunkle Ringe unter den Augen. Die Blasen in seinem Gesicht platzen nach und nach auf. Die Haut begann sich zu schälen. Hin und wieder schien es Dean besser zu gehen. Sein Fieber war dann nicht so hoch und er schlief halbwegs ruhig. Sie konnten ihn dazu bringen etwas zu essen und zu trinken. Doch diese Augenblicke waren selten. Meistens warf er sich unruhig hin und her. Heiß Schwärze umfing ihn! Er war gefangen. Sein Körper schmerzte. Keinen Finger konnte er rühren. Und dann begann die Schwärze um ihn herum zu glühen. Es wurde immer heißer. Der Fremde schien um jeden Atemzug kämpfen zu müssen. Immer wieder schob er die Decken von seinem Körper und immer wieder legte Sarah sie wieder darüber. Jemand war da. Er konnte seine Präsenz fühlen. Dean schaute auf. Lilith! „Hallo Dean! Schön dich endlich bei uns begrüßen zu können. Wir werden dir ein vielseitiges Programm zu unserer Belustigung bieten können. Und du wirst Sam verfluchen, weil er nicht auf sich aufpassen konnte und sich von Jake hat erstechen lassen. Du wirst deine Eltern verfluchen, weil sie dich gezeugt und geboren haben, und du wirst dich für den Deal verfluchen. Doch nichts, was du sagst oder willst, wird dich vor uns retten können.“ Er schloss die Augen und stöhnte. „Oh Dean, das wird so toll werden!“, freute sich das kleine Mädchen und hopste begeistert in die Hände klatschend auf und ab. „Woll’n wir anfangen?“, fragte sie. „Hab ich eine Wahl?“ „Nein!“ Die Luft wurde immer heißer. Jeder Atemzug schmerzte. Seine Kleidung begann zu schwelen. Er wollte schreien. Doch seine Stimmbänder versagten ihm den Dienst. Flammen schlugen um ihn herum aus der Luft und fraßen sich in seine Lungen. Sein Gesicht brannte. „Mama!“, Sarah hatte bei dem Fremden gesessen und versucht den glühenden Körper zu kühlen, doch als er anfing sich immer schlimmer zu verkrampfen rannte sie in die Küche. Sie wusste nicht mehr weiter. Ein Blick genügte Margaret. Der Junge würde sterben, wenn sie sein Fieber nicht sofort senkten. „Hol deine Brüder!“, forderte sie und nahm die Decken von Dean. Polternd kamen die beiden ins Zimmer. „Bringt ihn sofort in die Tränke. Das Fieber muss runter!“ Schnell und ohne zu fragen reagierten die Brüder und schleppten den Winchester über den Hof zur Koppel. Platschend landete er im Wasser. „Holt noch mehr Wasser aus dem Brunnen. Das hier reicht nicht. Wir müssen ihn abkühlen!“ Instinktiv zog er die Arme an den Körper als ihn der erste Schwall Wasser traf. Doch es hörte nicht auf. Er hustete und würgte. Erst wollte die kleine Schlampe ihn verbrennen und dann ersäufen. Japsend und spuckend versuchte er Luft zu holen. Er zitterte. Wollte sie ihn einfrieren? Na toll, jetzt war er in der Hölle und dann fror die ein! Er hatte sich doch auf die Wärme gefreut! Endlich hörte es auf. Schlaff hing Dean in der Tränke. Er zitterte wie Espenlaub und seine Augen waren trübe Schlitze. Aber immerhin schien er wach zu sein. „Bringt ihn wieder ins Haus.“ Sanft strich Sarah ihm über die stoppelige Wange und zog die Decke noch ein Stückchen höher bis an sein Kinn. Mit einer fahrigen Geste strich sie sich die Haare, die sich aus ihrer strengen Frisur gelöst hatten, hinter ihr Ohr. Ihre Mutter war in die Küche gegangen um eine neue Tasse Weidenrinden-Kamillen-Tee zu holen. „Mom?“ Deans Stimme war nur ein kaum hörbares Flüstern. Doch sie hatte es vernommen. Auch Jacob, der noch an der Tür wartete, richtete sich auf. Sie heftete ihren Blick auf Deans Gesicht. Seine Augen waren noch immer trüb, doch mit dem Vertrauen eines Kindes auf sie gerichtet. Sie schnappte erschrocken nach Luft. Was sollte sie jetzt tun? „Hallo mein Liebling“, sprach sie die ersten Worte, die ihr in den Sinn kamen, leise aus. „Hast du Hunger?“ Er schien eine Weile nachzudenken, dann schüttelte er den Kopf. „Aber du solltest was essen. Du musst doch groß und stark werden.“ Wieder dachte er nach, dann nickte er und Sarah schaute bittend zu ihrem Bruder, der dieses Schauspiel gebannt verfolgt hatte. Schnell lief er in die Küche und holte einen Teller Suppe für ihn. „Bleibst du bei mir?“, wollte der Fiebernde wissen. „Ich bleibe noch eine Weile hier“, sagte Sarah und Dean streckte die Hand nach ihr aus als sie sich auf den Stuhl setzen wollte. Sie nahm seine Hand. Er richtete sich auf, was sie in Erstaunen versetzte und mit mehr Kraft als sie ihm zugetraut hatte, zog er sie an sich. Er klammerte sich regelrecht an ihr fest. Seine Tränen durchnässten ihre Bluse. „Mom“, krächzte er immer wieder und sie strich ihm beruhigend über den Rücken. „Bitte … bitte geh nicht … Ich … ich kann das … nicht alleine!“ „Ich bleibe hier.“ Langsam fing er sich wieder. Sarah schob ihn ein Stück von sich weg und schaute ihn an. Ihre Worte hatten sein schmales Gesicht zum Leuchten gebracht. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Wenn sie nicht fühlen würde, dass sie einen erwachsenen Mann vor sich hatte, er sah so kindlich aus, wie sein Blick, noch immer von Fieber getrübt, aber doch so voller Vertrauen auf sie gerichtet war. Vincent stellte den Teller auf den Nachttisch. Auch er blickte erschrocken auf den Fremden. Sah der in seiner Schwester seine Mom? Und was konnte er nicht alleine? Warum sollte seine Mutter nicht gehen? „Du musst essen“, durchbrach Sarah die Magie dieses Augenblicks. Das Leuchten auf Deans Gesicht erlosch und er nickte ergeben. Sie griff nach dem Löffel und begann ihn zu füttern. Es dauerte nicht lange, da kippte er schon halb schlafend gegen ihre Brust. „Lass es gut sein Schwesterherz“, sagte Jacob. Sie nickte und legte den Löffel zur Seite. Dann ließ sie ihren Patienten langsam in die Kissen gleiten. Noch einmal strich sie über die schmale, stoppelige Wange und deckte ihn zu. „Was hat er gemeint?“, fragte er. „Ich weiß es nicht. Da werden wir wohl warten müssen, bis er wieder ansprechbar ist und reden will.“ Dean kämpfte noch fast eine Woche gegen das Fieber. Es stieg nicht wieder so hoch, doch es fraß ihn fast auf. Immer wieder wanderte er durch ein Labyrinth aus Hecken und steinernen Wänden, die plötzlich aus dem Boden wuchsen oder sich verschoben. Immer wieder musste er gegen Geister und Dämonen kämpfen. Immer wieder stand er sich selbst gegenüber. Es schien als hätten sich seine Ängste alle in diesem einen fortwährenden Albtraum vereinigt. Und mehr als einmal war Dean versucht aufzugeben. Doch dann tauchte Sam auf, eine Lichtgestalt in seiner Dunkelheit. Und dann war es plötzlich vorbei. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt verschwanden die quälenden Monster. Müde rieb er sich über die Augen und blinzelte in den Raum. Er war allein. Dabei hatte er eigentlich immer das Gefühl gehabt beobachtet zu werden. Wo war er und wie war er hierher gekommen? Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war eine rotbraune, staubige Ebene und eine brennende Sonne. Er setzte sich auf und ließ die Beine aus dem Bett baumeln. Sein Kreislauf spielte verrückt. Das Zimmer drehte sich und sein Mageninhalt wollte an die Sonne. Schnell ließ er sich wieder zur Seite fallen und drehte sich auf den Rücken. Langsam beruhigten sich die Wände und sein Magen und er schaute sich um. Das Zimmer war … alt. Nein, alt war der falsche Ausdruck, aber es sah aus wie in einem dieser Museen, in die diverse Lehrer ihn in seiner Schulzeit geschleppt hatten. Es gab zwei Wandleuchten, aber er konnte keinen Schalter neben der Tür sehen. Sein Bett war aus einfachen Brettern zusammen gezimmert. Es gab einen Sekretär mit Stuhl, eine Kommode und einen Nachttisch. Alles war einfach aber ordentlich. Wieder drängte sich ihm die Frage auf: Wo war er? Plötzlich ging die Tür auf. „Oh, Ihr seid wach“, sagte die junge Frau, die gerade eintreten wollte und verschwand wieder. Dean runzelte die Stirn. ‚Was läuft hier?’ Er grübelte noch immer, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, als sie wieder ins Zimmer kam. „Hallo?“, fragte sie leise, doch es dauerte noch eine Weile bis sich Deans Augen auf sie fokussierten. „Ich bin Sarah Carson“, stellte sie sich vor, als sie sah, dass sich seine Stirn nicht glättete und er sie fragend ansah. Sie war niedlich. Zwei dicke, hellblonde Zöpfe lagen links und rechts auf ihrer Brust. Sie hatte ein Stubsnäschen, Sommersprossen und … grüne Augen, stellte er verwundert fest, als sie das Tablett auf dem Nachttisch abstellte und ihn warm anlächelte. „Dean“, antwortete er leise. „Ich weiß. Sagt Ihr mir auch Euren Nachnamen?“ „… Winchester?“ „Ihr habt bestimmt Hunger, Mr. Winchester?“, fragte sie. Dean nickte verwirrt. Sofort half sie ihm sich aufzusetzen und stopfte das Kissen in seinen Rücken. Seine Hand wanderte zu seiner Brust. Etwas fehlte. „Oh“, lächelte sie, „Eure Sachen sind hier im Nachttisch.“ Sie zog die Schublade auf und nahm seinen Schmuck heraus. Sofort legte er sich seinen Talisman um. Ring, Armband und Uhr folgten. Jetzt fühlte er sich wenigstens halbwegs wieder wie ein Mensch. „Ihr solltet essen“, erklärte sie sanft und hielt ihm den Teller mit Hühnerbrühe und ein Stück Maisbrot hin. Mechanisch begann Dean den Teller zu leeren. ‚Irgendetwas ist hier falsch! Irgendetwas stimmt nicht, aber was?’ Abwesend ließ er sich Teller und Löffel aus den Händen nehmen. Sarah schüttelte das Kissen auf und drückte ihren Patienten in die Waagerechte. ‚Was ist nur mit ihm?’ Er wirkte wieder vollkommen in sich gekehrt. Sie brachte das Geschirr zurück in die Küche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)