Die Vergessenen Wächter von caramel-bonbon ((KaRe) Der Zauber einer anderen Welt) ================================================================================ Kapitel 25: Durch die Pforten des Limbus ---------------------------------------- „Rei!“ Ein lang gezogener Schrei hallte über das Schlachtfeld. „Rei!“ Alle Köpfe drehten sich in die Mitte des zerbrochenen Kreises, Entsetzen verzerrte ihre Gesichter. „Rei!“ Die Verletzten hatten sich bereits um sie geschart, rüttelten an dem leblosen Körper. „Rei!“ Die noch Kämpfenden vollendeten ihre letzten Züge, den Blick kaum von ihm abwenden könnend. „Rei!“ Alle schrien durcheinander. Brüllten. „Rei!“ Makkusu und Yuriy generierten mit gemeinsamer, letzter Kraft eine Kuppel aus dickem Eis, die sie schützen würde. „Rei!“ Kai saß reglos und schweigend auf dem Boden, Reis leblosen Oberkörper an sich gelehnt und versuchte, die Blutung zu stoppen. „Rei!“ Boris stürzte sich auf ihn, ließ seinen Hammer achtlos fallen, sank auf die Knie und packte seine Schultern, schüttelte ihn, als wolle er ihn aufwecken. Nur aufwecken. „Rei!“ Einzig dieser Name war es, der in ihren Köpfen widerhallte. „Rei!“ Makkusu eilte herbei, Tränen glitzerten in den blauen Augen, und die anderen machten ihm schweigend Platz, wussten sie, dass der Schamane der einzige war, der jetzt noch irgendetwas hätte ausrichten können. Er winkte Takao und Boris zu sich, gab den Wächtern, die um sie herumstanden, zu verstehen, dass sie ihn hochheben sollten. „Ein Luftkissen, schnell!“ Die zwei Luftwächter taten wie geheißen, Takao zu Reis Füßen, Boris über dem Kopf. Hart schluckte er, als er in das leblose, leichenblasse Gesicht seines Freundes blickte. Ganz vorsichtig ließen die anderen Wächter ihn los und Rei blieb in der Luft schweben, seine schwarzen Haare um ihn herum, als wäre er in Wasser konserviert. Der Schamane riss ihm das blutdurchtränkte Hemd vom Leib. Ihnen stockte der Atem. Sein linker Arm war zerfetzt, der rechte durchbohrt und vier große blutende Wunden durchlöcherten die rechte Bauchseite. Blut tropfte zu Boden und sammelte sich langsam zu einer Pfütze. Einige wandten den Blick ab. Es war zu viel, zu grausam. Unterdrückte Schluchzer waren zu hören, besonders den sensiblen Gemütern von Mao und Ming-Ming setzte dieser Anblick etwas mehr zu als den anderen. Emily legte die Hände über die Augen. Doch auch die anderen konnten nur tatenlos den Blick abwenden oder zusehen, wie Makkusu anfing, hastig die blutenden Wunden zu säubern. Wasser vermischte sich mit dem Blut und tropfte noch schneller zu Boden. Das ohnehin schon zerfetzte Hemd zerriss er in Streifen, knüllte einige zusammen und presste sie Rei auf die Wunden an Bauch und Rücken. Er musste sich beeilen. Er durfte nicht noch mehr Blut verlieren. Sein Herz schlug noch schwach, doch unregelmäßig, und nicht mehr viel trennte ihn von der Klippe des Todes. „Halten!“ Sofort griffen acht Hände nach den Stoffknäueln und drückten sie auf die Wunden, sodass Makkusu die Hände frei hatte, um straff einen notdürftigen Verband anzulegen. Doch mehr konnte er nicht tun. Nicht hier. „Wir müssen weg von hier. Zurück zur heiligen Lichtung, dort wird er am ehesten überleben.“ Stummes Nicken war die einzige Antwort, die er bekam. „Takao, Boris, macht weiter, die Schwerelosigkeit macht ihm die Schmerzen erträglicher. Yuriy, wir beide müssen uns sicher zum Eingang vom Labyrinth von Raum und Zeit bringen, die anderen Wasserwächter können uns helfen. Kyojou, zeig uns den Weg.“ Abermals ein Nicken. Sie waren froh, dass wenigstens einer in dieser Situation wusste, was zu tun war. Doch viele wunderten sich, wie ausgerechnet dieser unscheinbar wirkende, blondhaarige Junge die Nerven behalten konnte, ihnen Anweisungen zu geben. „Nehmt Byakko mit“, richtete er sich noch an die restlichen Luftwächter und zeigte auf den ebenfalls reglos am Boden liegenden weißen Tiger, dann stellte er sich neben Yuriy, um einen Tunnel aus der Kuppel hinaus zu formen, an dem die Schattenwesen bereits versuchten hoch zu krabbeln, gierig lechzend nach mehr Blut. Kyojou stand hinter ihnen, das Gesicht tränenüberströmt. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte Yuriy zu Makkusu, mit dem Gedanken, ihn wohl doch ziemlich falsch eingeschätzt haben zu müssen, sah dann aber die Tränen, die ihm nun, da ihn keiner mehr sah, ungehindert über die blassen Wangen kullerten und ein kleines Lächeln stahl sich in seine Mundwinkel. Dieser Junge war wirklich sehr tapfer. Kai unterdessen ging stumm neben Boris, immer wieder einen Blick auf Reis Kopf werfend, der zwischen ihnen schwebte, als müsse er sich vergewissern, dass er noch nicht tot war, und auch noch nicht wieder aufgewacht. „Ich habe versprochen, ihn zu beschützen“, hörte er plötzlich Boris flüstern, seine Stimme klang heiser und gurgelnd, eine Träne stahl sich aus dem rechten Auge, „ich habe versagt. Versagt.“ Kai seufzte schwer. Auch er hatte sich geschworen, Rei zu schützen, insgeheim hatte er sich dieses Versprechen abgenommen, denn er wusste, dass der Chinese damit nicht einverstanden gewesen wäre. Auch er hatte dieses Versprechen nicht einhalten können. Auch er hatte versagt. „Es war nicht deine Schuld, Boris“, flüsterte er, auch seine Stimme schien ihm nicht wirklich gehorchen zu wollen, „du hättest es nicht verhindern können.“ Boris versuchte einen Schluckauf zu unterdrücken, ein Mundwinkel hob sich etwas in die Höhe, doch sofort verkrampften sich seine Züge. „Ein Dickkopf, unser Rei. Bloß niemanden in Gefahr bringen. Doch seine Rechnung ist nicht aufgegangen. Er hätte lediglich einmal nur an sich selbst denken müssen, nur einmal!“ Seine Schultern zuckten. Kai legte ihm eine Hand an den Arm, versuchte, ihn etwas zu beruhigen, doch er dachte genauso. Hätte Rei nur dieses eine Mal nicht an jemand anderes gedacht, wäre all das nicht passiert. Er presste die Zähne zusammen und ballte die andere Hand zur Faust. „Du kennst Rei länger als ich. Und ich bezweifle, dass er jemals nur an sich gedacht hat.“ Sein Kumpel schüttelte den Kopf. „Nein, niemals.“ Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie auf der Lichtung ankamen und ihn endlich ablegen konnten. Die Stoffknäuel und der Verband waren durchgeblutet, Rei noch blasser geworden. Schnell und doch vorsichtig, tauschten sie den Notfallverband gegen frische Stofffetzen aus und warteten, bis Makkusu mit Medizin und anständigem Material zurückkam. Wer nicht half, stand im Kreis um sie herum und blickten mit bedrückten Gesichtern zu ihm herunter oder saßen abseits und versuchten, das Geschehene irgendwie zu verstehen. Der Schock saß tief in ihren Knochen. „Wie kann es eigentlich sein, dass er immer noch lebt?“, fragte Michael, worauf ihn jeder entgeistert anstarrte. „Ich mein, bei diesen Wunden wäre doch jeder andere schon längst“, er zögerte, „naja, tot.“ „Das hat verschiedene Gründe“, flüsterte Kyojou, der neben Rei am Boden saß, und sofort rückten alle ein Stück näher, um auch kein Wort zu verpassen. „Wächter sterben generell nicht so schnell wie Menschen, wie Normalsterbliche.“ Aufmerksam hörte Kai zu. Das erklärte einiges. All die schweren Verletzungen, die er sich zugezogen hatte, all die vielen Male, die er beinahe ums Leben gekommen wäre und doch immer weiterkämpfen konnte. Einfach, weil er ein Wächter war. „Aber es stimmt schon, nicht mal ein Wächter könnte solche Verletzungen überleben“, seufzte Kyojou, „es mag daran liegen, dass er Heiler ist, gewiss nicht ohne Grund ist er das. In ihm schlummert wahrscheinlich noch eine andere Kraft, die Heilkraft, die er zwar noch nicht entdeckt hat, doch sie scheint groß genug zu sein um ihn gerade noch am Leben zu halten. Und da wäre vielleicht noch etwas anderes“, sprach er leise weiter und seine Augen trafen Kais, das leuchtende Grün blickte ihn durchdringend an, „jemand anderes, wegen dem er nicht gehen will.“ Kai riss den Blickkontakt ab. Er konnte ihm nicht weiter in die entblößenden Augen schauen, das Gefühl, etwas tun zu müssen, irgendetwas tun zu müssen, erdrückte ihn beinahe. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass der Schamane zurückgekommen war und neben Rei Platz nahm. Er bat Takao, zu dem kleinen Weiher zu gehen, um etwas des heiligen Wassers in eine Schale zu füllen, mit dem er die Medizin anrühren konnte. Es würde die Wunden schneller heilen, teilte er den anderen mit. Vorsichtig strich er die Salbe auf die Wunden und verband sie dann sofort, angefangen beim Bauch. Dann warteten sie. Erwarteten, dass irgendetwas passierte, dass er vielleicht aufwachte, doch nichts geschah. „Es war zu spät“, flüsterte Makkusu plötzlich und heiße Tränen liefen über seine Wangen, seine Schultern begannen zu zucken und er schlug die Fäuste auf den Boden, wütend auf sich selbst, dass er so lange gebraucht hatte, dass er Zeit verschwendet hatte, dass er ihm nicht früher helfen konnte. Völlig verzweifelt kauerte er am Boden, seine Schultern bebten und gequälte Laute drangen an ihre Ohren. Er machte sich für Reis Tod verantwortlich. Boris jedoch ließ Jony nicht mehr aus den Augen. Mit geballten Fäusten, sodass die Knöchel weiß unter der gespannten Haut hervortraten, warf er ihm tödlich funkelnde Blicke zu. Sein Gesicht war wutverzerrt. Für ihn war klar, wer Schuld war. Wütend biss er die Zähne zusammen, die Kiefermuskeln traten deutlich hervor. Sein ganzer Körper war angespannt vor Zorn und deutlich traten die Venen hervor an seinen nackten Armen. Er war zum zerreißen gespannt und während Jony teilnahmslos dastand und zuschaute, stürmten die Gedanken in seinem Kopf wild durcheinander. „Es ist doch alles Jonys Schuld“, presste er zwischen den aufeinandergepressten Zähnen hervor. Kai blickte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an und auch andere, die nahe genug standen, um es gehört zu haben, warfen ihm fragende Blicke zu. „Nein“, sagte Kai schlicht und schüttelte den Kopf. „Natürlich!“, knurrte Boris jedoch plötzlich etwas lauter und die ersten wichen bereits von ihm. „Hätte er sich nicht von Rei die Schulter einkugeln lassen, wäre er nicht da gewesen!“ Die Sicherung war durchgebrannt. Außer sich vor Zorn zeigte er mit dem Finger auf Jony. „Oder noch besser, er hätte das Ding doch sehen müssen, hätte er nur einmal seinen Blick von seinem Arm genommen!“, brüllte er anklagend. „Lass gut sein.“ Kai legte ihm eine Hand auf den Oberarm, doch Boris schüttelte sie ab. „Nein! Dieser weinerliche Mistsack hätte das Ding gesehen, er hätte Rei warnen müssen!“ „Rei wollte ihm helfen und es wäre bestimmt nicht in seinem Sinn gewesen, dass wir einen einzelnen verantwortlich machen.“ Er machte sich nicht gerne für Jony stark. Auch er hatte mit dem Gedanken gespielt, Jony die Schuld anzuhängen, doch wäre dies nicht gerecht gewesen. Und wie er sagte, bestimmt gegen Reis Willen. Die Blicke der anderen waren gebannt auf sie beide gerichtet, zuckten hin und her, angespannt. Einige schauten kurz zu Jony, wollten sicher gehen, dass das stimmte, was Boris sagte. Jony jedoch zog sich etwas zurück. Natürlich, er hatte sich doch auch Vorwürfe gemacht. Aber er war so abgelenkt gewesen, so auf den Kampf konzentriert und darauf bedacht, sich sofort wieder ins Getümmel zu stürzen, dass er wie durch einen Tunnel hindurch nichts anderes mehr wahrgenommen hatte. „E- es tut mir leid“, flüsterte er und sofort war es still. „Ich habe es nicht gesehen. Ich war so fixiert darauf, dass ich schnellstmöglich weiterkämpfen konnte, dass ich es nicht bemerkt habe.“ „Rei ist tot“, knurrte Boris und seine sturmgrauen Augen flackerten auf. Jony nickte stumm und ließ den Kopf hängen. Er hatte es doch verdient. Sein Übermut hatte ihm noch nie Glück gebracht. „Ein Krieg, in dem jeder nur auf sich schaut, ist noch vor dessen Beginn verloren. Merk dir das, Jony“, bemerkte Kai und legte Boris abermals eine Hand auf den Oberarm, doch diesmal wurde sie nicht abgeschüttelt. Er spürte, wie sich Boris langsam abzuregen begann. Jony nickte. Er hatte seine Lektion gelernt und so schnell würde er die Konsequenzen nicht vergessen können. Die Luft war dick auf der Lichtung. Unsichere Blicke wurden ausgetauscht, hie und da hörte man ein ersticktes Flüstern, doch im Grunde war es still, in Gedanken irgendwo, weit, weit weg von dem, was sie alle nicht wahrhaben wollten. Doch dann, plötzlich ein Schrei. „Schaut doch, sein Gesicht!“ Sofort drängten sich alle um den am Boden liegenden und starrten auf Reis Gesicht. Alle sahen sie, wie seine Wangen wieder einen gesünderen Ton annahmen, sich seine Lippen wieder leicht rosa färbten, wie Leben zurückkam in das zuvor noch so tote Antlitz. „Nein, nein, es ist zu spät!“, schrie Makkusu jedoch atemlos auf, „ihr versteht das nicht!“ Doch sie wollten nicht hören, sie redeten durcheinander, und wollten nicht zuhören, dass es nicht so war, wie es schien, so sehr waren sie erleichtert. „Hört mir zu, verflucht!“, brüllte er plötzlich. Das Gerede verstummte. Seufzend strich er sich die Haare aus der Stirn. „Sein Körper lebt. Aber seine Seele konnte ich nicht zurückholen.“ „Was ist mit seiner Seele?“, fragte Kiki. „Sie ist verloren.“ Heiser war seine Stimme. „Willst du damit sagen, dass zwar sein Körper noch lebt, er aber eigentlich tot ist?“, flüsterte Oribie, Entsetzen in seiner Stimme. „Nein, sie ist gefangen-“ „Im Limbus“, unterbrach ihn Kai und der Schamane nickte. Erneut wurde das Gerede lauter, doch wo zuvor noch Freude war, prägte nun Furcht und Ratlosigkeit die Stimmen. „Weiß hier irgendjemand etwas über diesen Limbus?“, knurrte Kai in die Runde. „Ich“, meldete sich Kyojou, etwas eingeschüchtert. „Dann sprich!“ „Der Limbus wird auch gerne als Vorhölle bezeichnet, es ist ein Ort, wo diejenigen Seelen stranden, die weder in den Himmel, noch in die Hölle kommen können und wo sie für den Rest der Zeit verloren sind. Niemand wurde jemals daraus gerettet. Obwohl ich auch noch nie von einem Versuch gehört hätte.“ „Gibt es einen Weg hinein?“, fragte Kai und seine Stimme wurde harscher. Entsetzt starrte Kyojou ihn durch die runden Brillengläser an. „Es gibt nur einen, der dies mit Sicherheit sagen kann. Der Hüter der Tore.“ „Brooklyn“, knurrte Kai. Kyojou nickte und schluckte. Er wollte noch irgendetwas sagen, doch Kai war bereits herumgewirbelt und schritt zielstrebig auf die kleine Baumgruppe zu. „Brooklyn!“, brüllte er mit bebender Stimme. Nichts geschah. „Brooklyn, komm raus!“ Gebannt schauten die anderen Wächter ihm zu, wie er mit geballten Fäusten zwischen den Gold geblätterten Bäumen stand, als wolle er einen Faustkampf ausüben. Sein Gesicht war wutverzerrt. „Brooklyn, du vermaledeiter Sohn einer Hündin, komm raus, oder ich komm rein und dann wirst du sehen, wie alt du aussiehst!“ Einige schluckten hart, andere kicherten hinter vorgehaltener Hand, doch das leise spöttische Lachen, das plötzlich die ganze Lichtung zu erfüllen schien und vom kristallinen Dach zurückgeworfen wurde, überhörte niemand. Kalt lief es ihnen den Rücken runter, als das Lachen lauter wurde. Und dann sahen sie die nur zu gut wiedererkennbare Gestalt Brooklyns durch eines der verschwommenen Tore schreiten. „Aber, aber, wer wird denn da so verärgert sein?“, spöttelte er vor sich her und blieb knapp vor Kai stehen, den stechenden Blick seiner türkisenen Augen nicht von Kais abwendend, der ihn anfunkelte, als würde er ihm am liebsten an die Gurgel springen. In Rage packte er den Kragen von Brooklyns weißer Kleidung und schrie ihm direkt ins Gesicht. „Wie komm ich zu ihm?“ „Gar nicht“, antwortete der Hüter der Tore und lächelte ihn unschuldig an. „Ich weiß genau, dass du mir sagen kannst, wie ich in den Limbus komme“, zischte Kai, er musste sich arg zurückhalten, ihm nicht einfach einen Faustschlag zu verpassen. „Was nützt dir das Hineinkommen, wenn du nicht mehr hinaus kommst? Wenn ihr nicht mehr hinaus kommt?“, präzisierte er und fummelte an Kais festem Griff. „Sag mir wie!“, beharrte Kai und kam Brooklyn so nah, dass er dessen Atem spüren konnte. „Na schön, wenn du darauf beharrst, ich werde es dir zeigen“, seufzte Brooklyn theatralisch. Kai lockerte den Griff um seinen Kragen und ließ die Hände sinken, bedachte ihn jedoch weiterhin mit einem scharfen Blick, er traute ihm nicht. „Unter einer Bedingung“, fuhr er plötzlich fort und hob den Finger, als wolle er ihn belehren. „Spuck schon aus!“, knurrte Kai. „Im Tausch dafür, dass ich dir den Weg zeige, gibst du mir deine Kräfte.“ Kai stockte und biss sich hart auf die Zähne. Er warf einen Blick auf die anderen Wächter, auf Rei, der am Boden lag, lebend und doch tot. Und dann nickte er. Er streckte die Hand aus, doch kaum wollte Brooklyn einschlagen, zog er sie hoch und fixierte ihn. „Für wie lange?“, bohrte er nach. „Ach, nur für dieses Leben“, antwortete er sichtlich erfreut. „Einverstanden, aber ich bleibe der Wächter des Feuers und meine Seele wird wiedergeboren werden, mit den Kräften. Ansonsten schwöre ich dir, dass ich mich an dies hier erinnern kann und dich suchen und finden werde“, versprach Kai und schlug ein. Er spürte, wie die angenehme Hitze, die ihn seit erst so kurzer Zeit erfüllte, aus ihm heraus floss, sie ihm entzogen wurde. Er bemerkte den großen runden, goldenen Ring an Brooklyns Mittelfinger und der weiße Stein, der Stein der tausend Lichter, der darin eingelassen war, funkelte in allen Farben, doch das Rot glühte nahezu auf. Und dann war alles vorbei. Er fühlte sich kalt und leer. „Schön“, flötete Brooklyn entzückt, „nun folge mir auf den Pfad deines Untergangs.“ Ohne den anderen Wächtern noch einen einzigen Blick zu schenken, folgte er dem Wächter der Dimensionen, der ihn zu einem Tor führte, das ganz anders aussah als diejenigen, durch die er bis jetzt gegangen war. Die Pforten waren schwarz und merkwürdige Zeichen waren eingeritzt, die er nicht lesen konnte. Tief sog er die Luft in die Lungen und richtete sich noch ein Stück gerader auf, stolz und selbstbewusst blickte er auf Brooklyn. „Wie kommt man aus dem Limbus hinaus?“, fragte er fordernd. „Gefangen im Alptraum, gibt es nur einen Weg hinaus.“ „Und der wäre?“ „Der Tod.“ Brooklyn lachte laut auf, sichtlich amüsiert über die Situation, und machte dann einige Schritte nach hinten. Kai blickte nach vorne, ein feiner Luftzug streichelte über seine Wange und schien ihn hineinlocken zu wollen, wie eine Hand, die nach ihm griff. Kurz schloss er die Augen, dann machte er den ersten Schritt in den dunklen Tunnel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)