Normal von Ur (Momo x Kaidoh) ================================================================================ Kapitel 1: Oder auch nicht -------------------------- Es war vollkommen normal. Das alles. Ja, das war es. Es war normal, dass Momo Kaidoh immer gut im Auge behielt, deswegen waren sie schließlich Rivalen. Es war normal, dass Momo Kaidoh im Duschraum beobachtete, um zu sehen, ob Kaidohs Muskeln sich in letzter Zeit besser entwickelt hatten, als seine eigenen. Es war absolut normal, dass er jedes von Kaidohs Zischen verstand, sie kannten sich schließlich schon eine ganze Weile und verbrachten beim Training viel Zeit miteinander. Es war üblich, dass Momo es nicht leiden konnte, wenn Kaidoh deprimiert war, denn immerhin drückte das die ganze Stimmung im Team. Da war nichts Unübliches dabei, wenn Momo sich gern mit Kaidoh stritt… nur um überhaupt mal mit ihm zu reden und von Kaidoh angesehen zu werden. All diese Dinge waren vollkommen normal. Aber Momoshiro hatte keine Erklärung dafür, dass er es immer noch bei sich hatte. Das verfluchte, grüne Bandana, das Kaidoh ihm bei ihrem Doppel hingehalten hatte, damit er sich das Knie verband. Es lag auf seinem Schreibtisch und schien ihn ununterbrochen zu beobachten. Momo hasste dieses Bandana, weil er keine Erklärung dafür fand, dass er es Kaidoh noch nicht zurückgegeben hatte. Er hatte es mit der Erklärung behalten, es für ihn waschen zu wollen – immerhin klebte eine Menge Blut und Schweiß daran. Aber seit ihrem Match war nun eine Woche vergangen, Kaidoh trug unterdessen sein orangefarbenes Exemplar und das grüne Bandana… ja. Das lag auf Momoshirs Schreibtisch und klagte ihn an. Momo ertappte sich dabei, wie er es ab und an in die Hand nahm und es anstarrte. Wenn er es nicht bald loswurde, dann würde er garantiert durchdrehen, soviel stand fest. Es war seit einer Ewigkeit frisch gewaschen und es roch natürlich nur nach Weichspüler, doch Momo hatte sich eines Abends dabei ertappt, wie er es zu seinem Gesicht hochgehoben und daran geschnuppert hatte, als könnte er Kaidohs Geruch wahrnehmen. Anschließend hatte er das bescheuerte Ding fallen lassen, als hätte er sich daran verbrannt. Er und Kaidoh führten eine absolut gesunde Rivalität. Sie stritten oft, sie rauften miteinander, sie spielten gegeneinander, sie trainierten miteinander. Wenn Kaidoh ihn vor einem wichtigen Spiel morgens um sechs anrief und verlangte, dass Momo auf den Straßentennisplatz kam, dann ging Momo. Das war alles vollkommen normal. So normal wie nur möglich. Aber dieses elende Bandana…! Es war Samstag und er hatte seine Hausaufgaben für Montag machen wollen, aber er starrte die ganze Zeit das grüne Stück Stoff an. Kaidoh würde bald Schuld an seinen schlechten Noten sein. Soviel stand fest. Gerade, als er sich zwang den Blick abzuwenden und seinen Stift in die Hand zu nehmen, da klingelte es unten an der Tür und er zuckte zusammen, als wäre direkt neben ihm eine Bombe losgegangen. Wunderbar. Jetzt fühlte er sich schon ertappt, weil es klingelte, während er Kaidohs Bandana anstarrte. Er war doch nicht mehr ganz dicht. »Takeshi! Du hast Besuch!« Er schreckte von seinem Stuhl auf, griff hastig nach dem Bandana und stopfte es hastig in eine seiner Schreibtischschubladen, dann eilte er zu seiner Zimmertür, riss sie auf und prallte prompt gegen einen griesgrämig dreinblickenden Jemand, der direkt davor stand. »Autsch!« »Fshuu…« Momo rieb sich die Stirn und trat leicht taumelnd beiseite. »Mamushi? Was willst du denn hier?« »Nenn mich nicht Mamushi!«, fauchte Kaidoh sofort und stapfte an ihm vorbei ins Zimmer. Momo schloss die Tür mit flauem Gefühl im Magen und schmerzenden Stirn. Er hatte ja immer schon gewusst, dass Kaidoh ein sturer Bock war, aber dass ein Zusammenprall mit seinem Dickschädel so schmerzhaft sein konnte… »Ich will mir dein Englischbuch ausleihen. Mein Bruder hat meins mit Saft übergossen«, brummte Kaidoh und sah sich in Momos Zimmer um. Momo fiel auf, dass Kaidoh noch nie hier drin gewesen war. Sie hatten sich bisher nur in der Schule oder auf dem Tennisplatz getroffen. Um Himmels Willen, er war allein mit Kaidoh. Und Kaidoh sah komisch aus, so ganz ohne ein Bandana und mit stinknormalen Klamotten. Und noch komischer sah er aus, weil er in Momos Zimmer stand. »Wieso gießt dein Bruder Saft über dein Englischbuch?«, fragte Momo stumpf und ging hinüber zu seinem Schreibtisch, um das besagte Buch hervor zu kramen. Kaidoh schob seine Hände in die Hosentaschen und sah zu, wie Momo in seiner Schultasche wühlte. »Fshuu…« »Vielleicht solltest du das nächste Mal dein Zimmer abschließen.« »Fshuu…« »Bist ja wieder mal sehr gesprächig, Mamushi«, sagte Momo grinsend und sah aus dem Augenwinkel, wie Kaidoh wütend seine Hände zu Fäusten ballte. Er fand sein Englischbuch nicht im Rucksack, also zog er die oberste Schreibtischschublade auf, um dort zu suchen. Einen Augenblick lang starrten sie beide auf das grüne Bandana, das ganz oben in der Schublade lag. Momo geriet ins Schwitzen. Dann brachte er ein künstliches Lachen zustande und riss den grünen Stofffetzen aus der Schublade. »Ah, Kaidoh. Das hatte ich ja noch von dir«, sagte er gespielt gut gelaunt und klopfte Kaidoh auf die Schulter, »hatte ich ganz vergessen!« Kaidoh hob eine seiner Augenbrauen und nahm das Bandana aus Momos Hand, betrachtete es einen Augenblick und schob es dann in seine Hosentasche. »Kein Wunder, dass du es vergessen hast. Was macht das Ding auch in deinem Schreibtisch«, brummte Kaidoh und stopfte seine Hände dem Bandana hinterher in die Hosentaschen. »Tja, ich hab wohl schnell aufgeräumt…«, sagte Momo, immer noch krampfhaft grinsend. Er kam sich dämlich vor. »Das Englischbuch?«, fragte Kaidoh. »Wie? Oh, achja…« Er benahm sich wie der vorletzte Idiot. Sein Herz bollerte wie eine Dampflok. Das war mit Abstand die peinlichste Aktion seit langem. Er zog das Buch aus der verfluchten Schublade, knallte sie zu und drückte Kaidoh das Ding in die Hand. »Kipp da keinen Saft drüber, Mamushi.« Es war total normal, dass er Kaidohs wütendes Gesicht irgendwie gern betrachtete. Das war sicherlich reine Genugtuung. Es war normal, dass er nicht wollte, dass Kaidoh schon wieder ging. Seltsamerweise sah es aus, als würde Kaidoh auch nicht unbedingt sofort wieder gehen wollen. Er stand unschlüssig da und starrte Momo finster an. Momos Gedanken rasten unterdessen. »Ähm… Willst du was trinken?«, fragte er unsicher. Kaidoh blinzelte. Er sah ziemlich verwirrt aus und dann bildete sich ein kaum merklicher Rotschimmer auf seinen Wangen. Ja, es war absolut normal, dass Momo sich darüber freute. Was sollte er sonst tun? Es war ja nicht so, als würde er das niedlich finden… Scheiße. Er fand es doch niedlich. Das war alles zum Kotzen. »Saft?«, half Momo scheinheilig nach. »Fshuuu!« »Ok, ok. Kein Saft«, gab Momo grinsend zurück und ging mit federnden Schritten aus dem Zimmer, um Kaidoh etwas zu trinken zu holen. Als er wiederkam, hatte sich Kaidoh auf seiner Bettkante niedergelassen und musterte die CDs, die auf seinem Nachtschrank lagen. Er reichte Kaidoh das Glas mit Zitronenlimonade und setzte sich neben ihn. Er fühlte sich ein wenig verloren mit Kaidoh allein in seinem Zimmer. Kaidoh nahm einen Schluck Limo, dann stellte er das Glas behutsam auf dem Nachtschrank ab. »Deine Mutter hat gefragt, ob du mir das Bandana schon wieder gegeben hast, weil sie es schon vor ’ner Woche gewaschen hat…« Momo blieb seine eigene Spucke im Hals stecken und er begann zu husten. Seine Mutter, die elende Verräterin! »Ja, ich hatte es in der Schublade vergessen«, röchelte er. Einen Moment lang geschah nichts, dann spürte er, wie Kaidoh ihm auf den Rücken klopfte, während Momo immer noch hustete. Momo versuchte sich einzureden, dass es normal war, dass ihm heiß wurde. Aber obwohl er sicherlich ein riesiger Idiot war und lange nicht so schlau wie Inui- senpai… konnte er sich nicht ewig einreden, dass all seine blöden Verhaltensweisen Kaidoh gegenüber normal waren. Je nachdem, wie man normal definierte. Jedenfalls nicht normal, wenn man nur befreundet war, oder wenn der andere der größte Rivale war. Er hob den Kopf und starrte Kaidoh an. Kaidoh starrte zurück. Merkwürdigerweise wurde Kaidoh schon wieder rot und seine Hand lag immer noch auf Momos Rücken, obwohl er längst nicht mehr hustete. Vielleicht war Kaidoh genauso wenig normal wie er? »Hat dein Bruder wirklich Saft über dein Englischbuch geschüttet?«, fragte er. Seine Stimme klang eindeutig ein wenig heiser. Der Rotton auf Kaidohs Wange machte Eiji- senpais Haaren Konkurrenz. »Fshuu!« Momo musste grinsen. Kaidoh war ein verklemmter, griesgrämiger Trottel. Also musste er – als der sozial kompetentere – die Dinge selbst in die Hand nehmen. Sein Herz schlug ihm irgendwo in der Kehle, als er sich vorbeugte. Kaidoh schmeckte nach Zitronenlimo und noch ein bisschen besser. Und er roch viel mehr nach Kaidoh als das frisch gewaschene Bandana. Kaidohs Hand auf seinem Rücken löste ein Kribbeln in seinem Magen aus und er hätte schwören können, dass Kaidohs Finger sich ein klein wenig bewegten. Dann löste er sich von Kaidoh und sah ihn gespannt und nervös an. Kaidoh starrte aus seinen dunklen Augen zurück, so als wollte er ihn röntgen. »Fshuu…«, kam es schwächlich. Momos Lippen teilten sich zu einem breiten Grinsen. Kaidoh und er waren nicht mehr so normale Rivalen, wie noch vor ein paar Wochen. Aber normal war sowieso langweilig, dachte Momo sich, während er Kaidoh noch einmal küsste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)