Die Frau des Henkers von Caro-kun ================================================================================ Kapitel 7: Part 7 ----------------- Noch ließ der erste Schnee für dieses Jahr auf sich warten, aber auf den Wiesen lag morgens bereits der Raureif und schwere Wolken bedeckten nun schon seit zwei Tagen den Himmel. Es sollte also nicht mehr allzu lange dauern. Die Luft war kalt und brannte ihn in den Lungen. Auf dem Marktplatz herrschte, wie fast immer zu dieser Tageszeit, reges Gedränge, doch das war Robin in diesem Moment eigentlich ganz recht, denn so konnte er ungeniert seinen Ellenbogen dazu benutzen durch die Menschenmasse zu kommen und sich dabei wenigstens ein bisschen abreagieren. Er war verärgert. Und zwar über alle Maßen. Sein Ziel stellte ein schmales Haus in einer beinahe ebenso schmalen Gasse dar. ‚Badehaus‘ stand auf dem Holzschild über der Tür. Für Robin jedes Mal der Inbegriff an Skurrilität, befand sich im Inneren doch etwas völlig anderes, als Waschzuber und Seife. Aber noch nicht mal darüber konnte er heute lächeln. Mürrisch trat er ein. Die jungen Frauen, die vereinzelt mit einem Glas Wein vor sich an den Tischen saßen, beachtete er nicht. Und auch sie würdigten ihn keines Blickes, wussten sie doch bereits, dass er von ihnen nichts wollte. Lediglich eine Blonde, grinste ihm frech entgegen. „Wie schaffst du es nur immer, hier genau zur richtigen Zeit aufzukreuzen?“, sie nickte mit dem Kinn zu einer Tür, die, im Gegensatz zu den anderen halb versteckt hinter einem roten Vorhang lag, „Sie ist gerade frei geworden!“ Robin zuckte daraufhin nur die Schultern: „Kann mir doch ganz Recht sein, oder?“ Die Luft in dem kleinen Zimmer war stickig und roch nach Schweiß. Auf einem Stuhl am Fenster saß eine Frau. Schwarzes Haar fiel ihr in dichten Locken auf die nackten Schultern. Ihr Kleid hatte sie noch nicht wieder ganz angezogen. Ihre Wangen waren gerötet, das nebenstehende Bett zerwühlt. Unwillkürlich zog Robin seine Augenbrauen noch mehr zusammen. Anscheinend war sein Vorgänger wirklich noch nicht lange fort! „Willkommen, mein Herr!“, ihre grünen Augen funkelten, sie grinste, „Sagt, wie möchtet Ihr es haben? Ich stehe zu Eurer Verfügung!“ „Lass den Schwachsinn, Estelle!“, fauchte er. „Ach richtig, du kennst das ja alles schon!“, lasziv bewegte sie sich auf ihn zu und legte ihm dann ihre Arme um den Hals, „Was ist los? Mit so einer miesen Laune bist du hier noch nie aufgetaucht!“ Sie machte den Versuch ihn zu küssen, doch noch bevor ihre Lippen die seinen erreichten, befreite Robin sich leicht ungehalten aus ihrer Umarmung. „Es ist dieser verfluchte Henker!“, nun ließ er sich auf den Stuhl fallen, „Einen Dreck um seine Arbeit schert der sich! Schon schlimm genug, dass er zu feige ist die Folterungen durchzuführen und die dauernd an mich ab gibt. Heute hat er mich zum Straßensäubern abgestellt! Er ist der Scharfrichter! Er hat hier die Drecksarbeit zu machen, nicht ich! Glaubt der etwa nur weil er jetzt ein Weib im Haus hat, braucht er seinen Verpflichtungen nicht mehr nachzugehen, oder was?“ „Das ist fürwahr ein Grund um sauer zu sein!“, Estelle trat hinter ihn und schlang ihm die Arme um den Hals, „Ich würde sagen, als Entschädigung für den ganzen Ärger den du in letzter Zeit hattest, bekommst du mich heute mal kostenlos!“ Irritiert blickte Robin sie an. Auch wenn er ihr mehr bedeutete als ihre gewöhnlichen Kunden, so hatte sie doch noch niemals auf ihre Bezahlung verzichtet. „Tatsächlich?“, fragte er daher misstrauisch nach. Die Frau lachte: „Ja! Der Kurfürst kommt doch übermorgen für einen kurzen Besuch in unsere Stadt. Und mit ihm eine ganze Reihe von einsamen Soldaten. Da werden meine Mädchen und ich, mehr als genug Geld einnehmen!“ „Na dann!“, zum ersten Mal an diesem Tag erschien ein Lächeln auf Robins Gesicht. Er stand auf und zog Estelle in seine Arme. Endlich ließ er sich von ihr küssen und ebenso bereitwillig auf das schmale Bett drücken. * Vor ein paar Wochen hatte der erst kürzlich gewählte Fürst beschlossen, alle Städte in seinem Herrschaftsgebiet zu besuchen, damit sein Volk einen guten Eindruck von ihm bekam. Und nun war es eben soweit, dass er für zwei Tage in unserer verweilen würde. Schon lange hatten sich die Bürger darauf vorbereitet. Die beste Unterkunft war für seine Durchlaucht hergerichtet worden. Gaukler und Zirkusleute hatten sich auf den Weg in die Stadt gemacht. Der Marktplatz war herrlich geschmückt und jetzt im Moment voller Menschen, die aufgeregt durcheinanderredeten. Robin hatte es tatsächlich geschafft sich ganz nach vorne zu drängen. Dass Estelle neben ihm gerade damit beschäftigt war, den umstehenden Männern mehr als nur anzügliche Blicke zuzuwerfen, passte ihm zwar gar nicht, aber er sollte froh sein, dass sie überhaupt eingewilligt hatte, mit ihm herzukommen. Das bewies nun wirklich, dass er mehr für sie war, als nur ein Bettgenosse, auch wenn sie es niemals aussprach. Mit einem Mal wurde das Stimmengewirr um sie herum leiser. Robin verstand auch sofort warum: Zwei Soldaten kamen auf den Platz geritten. In der Hand hielt jeder von ihnen eine große Flagge, die das Wappen des Kurfürsten trug. Und ihnen folgte eine edle Kutsche. Dahinter kamen wieder Soldaten. Der Zug hielt in der Mitte des Marktplatzes. Die Tür der Kutsche öffnete sich und heraus trat ein älterer Herr in kostbaren Gewändern. Die Menge jubelte. Ungewollt ließ sich Robin von der Begeisterung der Leute mitreißen. Daher nahm er etwas verspätet wahr, wie Estelle ihn an der Schulter rüttelte. „Da!“, sagte sie und deutete nach vorne. Er runzelte die Stirn. Sein Blick folgte ihrem ausgestreckten Finger, bevor der junge Mann nach Luft schnappte. Fast gänzlich verborgen im Schatten, von niemandem wahrgenommen, kauerte dort unter der Kutsche eine abgemagerte Gestalt, die gerade ihre Hand in Richtung des Fürsten ausstreckte. „Hey!“, schrie Robin. Der Dieb zuckte zusammen, doch er kam nicht mehr dazu zu fliehen. Schon waren Soldaten zur Stelle, die ihn aus seinem Versteck herauszerrten und mit eisernem Griff festhielten. Da konnte er sich wehren so viel er wollte. Es war ein Bauer, wie Robin erkannte, als er hinzutrat. Seine Kleidung war stellenweise schmutzig, rotes Haar hing ihm leicht verfilzt in die Augen. Sein Gesicht war bleich. Der Kurfürst, der im ersten Moment doch ziemlich erschrocken sein musste, atmete nun erleichtert aus. „Ich danke Euch, junger Mann!“, sagte er lächelnd zu Robin gewandt. Dieser neigte respektvoll den Kopf, dann ruhte sein Blick wieder auf den Soldaten. „Bring ihn in den Justizpalast!“, ordnete er an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)