Er sieht dich. von Red-Blooded_Angel (Ein trauriges Märchen) ================================================================================ Kapitel 15: Klarheit -------------------- T-Pain hatte alles fasziniert verfolgt und ließ es sich nicht nehmen, den beiden zu ihrem Glück zu gratulieren, obgleich er sie zum ersten Mal traf. Zwar hatte er noch nie zuvor Gedanken an seine eigene Hochzeit verloren, da er deren Stattfinden in absehbarer Zeit für mehr als unwahrscheinlich hielt, aber wenn er zu gegebenem Anlass jetzt darüber nachdachte, erschien ihm die Idee in einem besseren Licht. Leicht verstohlen linste er zu Aiko hinüber und erwischte sich bei der Vorstellung von ihr in einem weißen Kleid. Doch er wusste sehr wohl, dass das bloß Hirngespinste waren, von denen er nicht genau wusste, warum sie so plötzlich in seinem Kopf aufgetaucht waren. Die schöne Rothaarige unterhielt sich mit fast allen Gästen, und auf T-Pain machte es den Anschein, als würde jeder sie mögen. Besonders fiel ihm ein androgyner junger Mann mit blonden Haaren ins Auge, der regelrecht um sie herumschlich und von ihr nur Ignoranz erfuhr. Schließlich gab er es auf und wandte sich zu dessen Überraschung an T-Pain. „Und wer bist du?“, fragte er, offensichtlich von Aikos unhöflichem Verhalten genervt. „Ähhm, meinst du mich? Ich heiße T-Pain“, erwiderte er. Der Blonde lachte affektiert. „Wenn du meinst, dass du dir einen Zacken aus der Krone brichst, wenn du mir deinen Geburtsnamen verrätst, bitte. Überhaupt, das habe ich nicht gemeint. Was machst du hier?“ „Ich begleite sie.“ T-Pain nickte in Aikos Richtung. „Ach, du BEGLEITEST sie.“ Er sah ihn an, als hätte er gerade eine Information von höchster Wichtigkeit erhalten. „Soll ich dir mal etwas über Aikos BEGLEITER erzählen, Kleiner?“, fragte er dann mit hochgezogenen Augenbrauen. Wie er mit ihm sprach, gefiel T-Pain gar nicht. „Hm?“ „Abgesehen davon, dass du nicht in ihrer Liga spielst, ist dieses Begleiterding ein Beweis dafür, dass niemals etwas aus euch werden wird. Wenn sie jemanden haben will, nimmt sie ihn als ihren Freund mit und nicht als ihren Begleiter. Gib's auf, Kleiner. Du kriegst sie nicht. Sie wird dich vermutlich nicht einmal ranlassen, so wie du aussiehst.“ „Wer glaubst du eigentlich, wer du bist? Bläst dich hier auf, als wüsstest du alles besser und glaubst, mich würde deine Meinung interessieren. Überhaupt, vielleicht bin ich ja gar nicht so scharf auf sie wie du es offensichtlich bist? Schon mal daran gedacht?“ „Wer ich bin? Hm...Mein Name ist Deidara und ich hatte immerhin die Gelegenheit, sie eineinhalb Jahre lang zu halten...und damit meine ich auch, sie jede Nacht zu nehmen, wie und wo ich wollte...“ Deidara schüttelte lachend seine lange Haarpracht und beobachtete T-Pain genau. Der verzog ein bisschen das Gesicht. Wenn dieser Kerl so über sie redete, wird er sie wohl kaum richtig geliebt haben. Sie schien wohl keinen guten Männergeschmack zu haben. Es wunderte ihn wenig, denn seine Erfahrungen hatten ergeben, dass so beliebte Frauen immer auf komische Männer standen. Nach allem, was er über Sasori gehört hatte, war der auch nicht ganz dicht. Total anhänglich und überdramatisch. „Du kannst gerne so tun“, nahm Deidara das Gespräch wieder auf, „als hättest du kein Interesse an ihr. Sie hat schon ganz andere Kaliber als dich rumgekriegt.“ Sein verächtlicher Unterton war nur schwer zu ignorieren. „Pfft. Du redest wohl von Kalibern wie dir, was? Tu nicht so, als wüsstest du alles über sie. So wie du dich anhörst, scheint es bei dir ja mit der Liebe nie allzu weit her gewesen zu sein. Außerdem mag es ja sein, dass sie einen ganz guten Eindruck auf Männer macht, aber so viele tolle Typen, die ach so viel besser sind als ich, rennen ihr auch nicht hinterher“, murmelte sein Gegenüber. Deidara, anscheinend etwas überrascht ob des Vorwurfs, der ihm gemacht wurde, zog ihn etwas zu sich heran und ging ein paar Schritte weg von der Gesellschaft. „Hier“, erklärte er dann mit einer ausladenden Handbewegung, „hast du sie alle.“ „Alle?“ T-Pain sah hin verständnislos an. „Was meinst du mit 'alle'?“ „Siehst du den schmalen großen Mann mit den langen schwarzen Haaren, dahinten neben dem Buffet, der große Ähnlichkeiten mit Itachi hat? Er ist irgendein entfernter Verwandter, aber sie haben viel miteinander zu tun. Und er sieht nicht nur gut aus, er hat auch einen Haufen Schotter und man munkelt, er sei sogar Leiter einer Sekte. Auf alle Fälle ist er ziemlich einflussreich. Was glaubst du wohl, wie er zu unserer lieben Aiko steht?“ „Keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Er liebt sie. Und sie weiß es. Deshalb hat sie sich auch bei ihm ausgeheult und sich von ihm ihre Schulden tilgen lassen. Immerhin mehrere tausend Euro.“ „Wieso hatte sie...?“ Deidara unterbrach seine Frage. „Oder der da, mit den grauen Haaren. Das ist Kakashi Hatake, der Polizeichef der Stadt, in der sie früher gewohnt hat. Er hat auch was für sie übrig. So weit ich weiß, waren sie sogar kurz zusammen. Natürlich, weil sie ihn liebte...oder vielleicht, weil er ihre Strafanzeigen aus dem System gelöscht hat.“ T-Pain wurde etwas ungeduldig. „Das ist ja alles schön und gut,“, sagte er, „aber sie ist nicht so hinterhältig. Das glaube ich einfach nicht. Aiko ist viel zu freundlich und gut, um so berechnend zu sein. Sicher ist sie nicht perfekt, aber sie ist süß und lieb und hat ihr Herz am rechten Fleck!“ Deidaras Lachen machte ihn bloß wütender. Der Blonde meinte, immer noch lachend: „Sagtest du nicht, du wärst nicht scharf auf sie? Du siehst doch selbst, dass sie dich schon um den Finger gewickelt hat. Vielleicht ist sie wirklich nicht so berechnend, aber wenn sie in Schwierigkeiten ist, macht sie den richtigen Personen Hoffnungen und nutzt deren Gefühle schamlos aus. Vielleicht merkt sie es einfach nicht, aber das bezweifle ich. Schließlich ist sie nicht so dumm.“ T-Pain fühlte sich ertappt. Aber sein Gesprächspartner war ja auch ihr Exfreund, da war es kein Wunder, dass er schlecht über sie sprach. Zumindest versuchte er, sich das einzureden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Aiko so sein sollte wie die meisten Frauen. „Was ist mit ihrem Freund?“, fragte er dann. Als Deidara ihn nur etwas unverständig ansah, ergänzte er: „Sasori. Ich rede von Sasori.“ Der Blonde blickte kurz auf und setzte sich dann auf eine Bank in der kleinen Kapelle, in der die Trauung stattgefunden hatte. „Du willst also etwas über Sasori hören, hm?“, sagte er dann, ganz so, als wäre es eine ungewöhnliche Frage gewesen. „Vorher will ich aber noch etwas von dir wissen. Wie gut kennst du sie?“ T-Pain überlegte kurz, weil ihm auf diese Frage nicht sofort eine gute Antwort einfiel. „Sie erzählt mir viel. Nicht viel von früher, als sie noch mit dir zusammen war, oder weiter vorher. Immer wenn ich sie danach frage, macht sie nur seltsame Andeutungen und blockt ab. Aber aus ihrem jetzigen Leben, hier, mit mir und den Anderen, und von Sasori erzählt sie oft.“ Wenn er recht darüber nachdachte, kannte er sie eigentlich kaum, obwohl er schon mehr Zeit mit ihr verbracht hatte, als mit irgendjemand anderem. Er hatte auch vorher nie jemanden gehabt, mit dem er überhaupt über Privates geredet hatte, und die Tatsache, dass er ihr von dem Blumenladen und dem Mädchen erzählt hatte, aber kaum wirklich etwas über ihre Geheimnisse wusste, schockierte ihn in diesem Moment schon ein wenig. „Was hat sie dir von Sasori erzählt?“, wollte Deidara von ihm nach einer kurzen Pause wissen. „Dass sie ihn liebt und dass er sie liebt. Sie sagt oft, dass er eifersüchtig ist und sie deshalb nicht mit uns weg kann. Oder dass er so romantisch ist. Oder so nervig. Je nachdem, wie sie gerade drauf ist. Manchmal betont sie auch vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie ihm treu ist und dass sie ihn nie betrügen würde.“ Unwillkürlich musste er grinsen. Zwar fand er das von sich selbst nicht besonders nett Aiko gegenüber, aber er konnte nicht anders, während er sich selbst reden hörte. Da hatte sie wohl gelogen. Es sei denn, ihre Beziehung schloss Fremdküssen als Betrug aus. Nach allem, was er über Sasori gehört hatte, würde das aber kaum der Fall sein. Allgemein schien Aiko ihm nicht sonderlich konsequent zu sein, was ihre Vorsätze betraf. Nur zu gut erinnerte er sich noch an ihren Drogenrückfall. Aber vielleicht war es das, was sie so spannend machte. Egal was sie sagte, man wusste nie, was sie als Nächstes tun würde. „Oh, glaub mir, sie würde und sie hat“, bestätigte Deidara ihn. „Aber du wolltest ja das Märchen von Sasori und Aiko hören, nicht wahr, Kleiner? Gut, hier ist es...“ Es freute sie wirklich für Itachi. Er sah so überglücklich aus. Schließlich hatte er ja auch gerade die Frau seines Lebens geehelicht, wenn auch etwas verfrüht. Aber es musste ja alles noch passieren, bevor ihr Bauch zu dick werden würde und er vor ihren Eltern später nicht mehr von einer Frühgeburt würde reden können. Dennoch störte sie sich etwas an der Hochzeit. Diese ganzen Leute um sie herum, die um ihr Schicksal wussten und sie teils bedauernd, teils vorwurfsvoll ansahen. In diesem Moment wünschte sie sich Sasori mehr an ihrer Seite als irgendwann sonst. Er würde sie von den anderen abschirmen, mit ihr ins nahegelegene Feld flüchten und dort sagen, dass alles gut werden würde. Aber er war nicht hier. Er war fort. Fort, und das schon viel zu lange. Doch zumindest heute wollte sie nicht darüber nachdenken. Der Tag war ohnehin schon schlimm genug. Allein, weil sie in einer fremden Wohnung bei einem Kerl übernachtet hatte, von dem sie wusste, dass sie sich auf Dauer nicht von ihm würde fernhalten können. Zu lange schon hatte sie sich dem bereits entzogen, was sie doch mehr brauchte als irgendetwas sonst. Außerdem hatte sie etwas aus T-Pains Wohnung stibitzt, wofür sie sich ziemlich schämte. Sie wusste nicht, warum sie es mitgenommen hatte. Ihre Rechtfertigung vor sich selbst hatte sie bereits vergessen. Vermutlich war es so etwas wie „Wenn ich es habe, schütze ich ihn davor“. Aber in Wirklichkeit war es einfach nur gut. Nicht gut für ihren Körper, aber gut für sie. Zumindest ein paar Minuten lang. Langsam steckte sie ihre Hand in die Tasche und fühlte nach dem Plastikpäckchen. Und nur, falls du es vergessen hast: Er wartet. Wartet, und schon so lange läufst du weg. Aber du kannst nicht fliehen. Wenn du dich in die dunkelsten Winkel deines beschränkten Verstandes verkriechst, wo der schwache Versuch, mit all dem abzuschließen, was du ihm und dir selbst angetan hast, noch ein Funke der Hoffnung für eine glückliche Zukunft zu sein scheint, wird er dich dennoch finden und dich mit seinem grellen Licht blenden, sodass die Erkenntnis, nach der du zu verzweifelst greifst, erneut in unerreichbare Ferne schwindet, und nicht einmal der klägliche Rest von dem, was einst dein Leben war, an den du dich mit aller Kraft klammerst, wird dich davon abhalten, ihm zurück in das brennende, schmerzvolle, erlösende Licht zu folgen. Du bist unwiederbringlich verloren „Was tust du nur wieder?“ Sie fuhr erschrocken herum und sah direkt in Sasoris traurige Augen. Ihre Hand, welche das kleine Tütchen fest umklammert hielt, schob sie wieder in ihre Tasche, auch wenn sie wusste, dass er es längst bemerkt hatte. „Nichts. Ich … denke nach“, erwiderte sie und drehte sich wieder von ihm weg in der Hoffnung, sie könne damit seinem durchdringenden Blick ausweichen. Doch auch ohne ihn direkt anzusehen spürte sie genau, was für ein Gesicht er gerade machte. „Ich hasse es, wenn du mich anlügst“, sagte er und zog ihre Hand aus der Tasche. Sie gab widerwillig nach. Langsam hob sie den Kopf an und wandte sich zurück in seine Richtung. „Was machst du hier? Ich dachte, du wärst zu Hause...“, fragte sie leise. Er beendete ihren Satz: „...und warte darauf, dass du irgendwann zurück kommst, wankend und mit Pupillen so groß wie Autoreifen? Nein, bestimmt nicht.“ Sie schluckte hörbar. Es war einer dieser Momente, in denen sie fürchtete, er hätte genug. Zwar wusste sie, dass er sie nie wirklich verlassen würde, denn dazu brauchten sie einander zu sehr. Aber die Möglichkeit würde zumindest in der Theorie trotzdem bestehen. Vorsichtig legte sie ihre Arme um seinen schlanken Torso und drückte sich leicht an ihn. „Lass mich niemals allein, Sasori. Niemals, wie du es damals versprochen hast.“ „Du weißt, dass ich dich immer lieben werde, Aiko“, erwiderte er und strich ihr über den Kopf. Sie hob diesen ein Stück an und sah ihn mit traurigem Blick an. „Das ist nicht, was ich meinte.“ „Das ist alles, was ich dir versprechen kann. Der Rest liegt nicht in meiner Hand.“ „Was soll ich damit?“ Aikos Stimme wurde lauter und höher. Ihr Gegenüber wich ein wenig zurück, überrascht von ihrem plötzlich wiederkehrenden Temperament. „Wovon... sprichst du?“, fragte er vorsichtig. „Was nützt mir deine Liebe, wenn du nicht da bist? Warum bleibst du nicht bei mir?! Warum gehst du jedes Mal, wenn ich dich brauche? Nennst du das Liebe?“, schrie sie wütend. Sie hielt es nicht länger aus, sich ewig einsam fühlen zu müssen, ungeachtet dessen, wie viele Menschen sich in ihrer Nähe befanden. Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt wie jetzt, auf einer Hochzeit, die all den Dingen entsprach, welche Sasori und sie hätten haben können, wenn alles nach Plan gelaufen wäre. Aber das war es nicht. Sie hatte es zerstört, mit jedem Typen, den Sasori sie durch sein Schlafzimmerfenster hatte küssen sehen, jedem fremden Aftershave-Geruch, den er von ihrer Haut gesogen hatte und jeder Tablette, die er sie hatte schlucken sehen. „Ich wollte dich von deinem Kummer befreien. Ich wusste nicht, dass das passieren würde! Wenn du nicht... Warum kannst du deine Finger nicht von diesem Zeug lassen?“, fragte Sasori mit ruhiger Stimme. „Das könntest du ohnehin nicht verstehen!“ „Was war denn so schlimm an deinem Leben, dass du es nicht ausgehalten hast? Was habe ich falsch gemacht?“ „Es war nichts wegen dir!“ Aiko begann zu weinen. Ihr war nur allzu klar, dass sie so nicht für immer weitermachen konnte, aber sie hatte keine andere Wahl, als sich selbst ständig zu belügen in der Hoffnung, sie könnte dadurch die Zeiten zurückbringen, die ihr so glückselig in Erinnerung geblieben waren. Sie hatte wieder gelogen. Alles, was sie tat, und jeder Gedanke, der sie in den Wahnsinn und darüber hinaus trieb, war wegen ihm. „Bitte, lass mich einfach in Ruhe!“, bat sie ihn beinahe flehend, während sie ihn daran hinderte, sie zu berühren. Ein lautes Räuspern ließ sie herumfahren. T-Pain stand wenige Meter vor ihr, den Blick gen Boden. „Dann ist es also wahr“, murmelte er in sich hinein. Aiko sah ihn fragend an. „Was hast du gesagt?“, wollte sie wissen, doch er schüttelte nur den Kopf, ohne aufzusehen. „Ist egal“, fügte er hinzu, obwohl es das ganz und gar nicht war. „Wie lange stehst du schon da?“, fragte sie dann. „Vielleicht fünf Minuten.“ Ihre Augen weiteten sich. Wie automatisch drehte sich ihr Kopf dorthin, wo Sasori zuvor gestanden hatte. Doch eigentlich wusste sie, noch bevor sie hinsah, dass er nicht da sein würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)