Eine ganz normale Liebesgeschichte von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- 24.12.09 Weihnachten. Das Fest der Liebe. Angeblich. Mick saß auf seiner bequemen IKEA Ledercouch und schaute in seinen 15 000€ Ofen. Was war ein Weihnachtsfest ohne Familie? Ohne jemanden, von dem man geliebt werden konnte? Er hatte noch nicht einmal einen Weihnachtsbaum. Aber wozu auch? Es war sowieso keiner da, der ihn mit großen Augen, so wie es immer in den Kinderbüchern geschrieben stand, betrachten könnte. Mick war seit kurzem ein Vampir. Ja, ihr habt richtig gehört, ein Vampir! Aber nicht solche, die sich nachts das Blut der Menschen saugen, sich in eine Fledermaus verwandeln und durch Knoblauch verscheucht werden können. Sie waren eher so wie Menschen mit einigen Unannehmlichkeiten, wie den Schmerz, wenn sie der Sonne ausgesetzt werden oder den ewigen Durst, wogegen man sich aber auch spritzen kann. So wie Mick es tut. Achja, außerdem lebt man für immer. Das hört sich toll an? Im Gegenteil. Es kann zu einem Fluch werden. Für Mick war es schon nach 2 Wochen einer. Er streckte sich und stand mit einem gedehnten Seufzer auf. Er ging zum Kühlschrank, stach sich die spitze Nadel der Spritze in den Arm und schrie auf. Das Zeug gegen den unstillbaren Durst brannte wie Säure. Hochkonzentrierte Salzsäure. Jack, sein so genannter “Dealer”, von dem er eben dieses ganze Vampirzeugs bekam, sollte schleunigst etwas gegen diese Schmerzen tun. Sonst würde er noch ganz durchdrehen, er stand sowieso schon kurz davor. Warum gerade er? Mick zog sich die Nadel mit einem Keuchen aus seinem Arm. Er schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Er schmiss die Spritze mit einem wütenden Schnaufen in den Mülleimer, zog sich im Flur seinen Mantel an und ging nach draußen, besser gesagt, er trat in das weihnachtliche Los Angeles. Alles war hell erleuchtet, über den Straßen hingen Lichterketten, beinahe jedes Fenster war wenigstens etwas geschmückt. Mick war 37. Und würde es für immer bleiben. Er erinnerte sich an seine Kindheit, wo er immer dieses Kribbeln im Bauch hatte, wenn das Glöckchen klingelte und es Geschenke gab. An diese Zeit würde er sich nun immer verschwommener zurückerinnern können. In einigen hundert Jahren würde er diese Zeit wohl ganz vergessen. Und an die Zeit mit Beth auch. Beth war seine Freundin, seine große Liebe. Aber auch sie würde sterben. Und er würde weiterleben müssen. Bei dem Gedanken an Beth kamen ihm die Tränen. Er biss sich auf die Lippen und trat den matschigen Schnee zur Seite. Eigentlich hätte er sich heute mit Beth in ihrem Lieblingsrestaurant getroffen, doch er hatte Schluss gemacht. Mick konnte den Gedanken an das ewige Leben einfach nicht verkraften. Vielleicht war es von nun an sein Schicksal alleine zu leben, einsam zu sein. Es schmerzte nur halb so viel, als wenn er Beth bei sich an seiner Seite hatte. Außerdem konnte er nicht riskieren, sie durch seinen Blutdurst in Gefahr zu bringen. Weihnachten. Das Fest der Einsamkeit. Im Moment war es nicht mehr als das. Mick spürte die Kälte der Nacht auf seiner Haut. Er schaute auf. Er war zu Beth´ Lieblingsrestaurant gegangen. Was unsinnig war. Warum sollte sie da sein? Wollte er sie überhaupt sehen? Mick wusste nicht, was er wollte. Er schüttelte den Kopf und wollte sich schon wieder umdrehen. Aber er sah sie. Vor dem Restaurant. Im Wintermantel. Ihn anlächelnd. “Ich hab auf dich gewartet.” Mick traute seinen Augen nicht. Wollten sie ihn täuschen? Sie sollte doch bei ihrer Familie sein! Mir ihr feiern! Aber das tat sie nicht. Sie stand ganz klar vor ihm. “Beth? Was…. Was machst du hier?” “Hatten wir nicht eine Verabredung?,” sagte sie locker schnippisch mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Mick musste nun auch lächeln. Er wusste, es war falsch jetzt bei ihr zu sein. Aber er konnte nicht anders. Es war wie Magie. Beth hatte einfach die Macht ihn zu kontrollieren. In ihrer Nähe konnte er nicht klar denken. Kurz gesagt: Es war Liebe. “Ja, das hatten wir wohl. Aber ich dachte, ich habe….” “Schluss gemacht?,” ergänzte sie ihn. Mick schluckte. Beth stand da mit ihrem wunderbaren blond gelockten Haar, ihren süßen rötlichen Wangen und ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft. Mick brachte nur ein Gestammel von Wörtern raus. Beth kam lachend auf ihn zu. “Lass nur. Ich liebe dich, das weißt du. Und ich würde dich niemals aufgeben.” Jetzt schaute Beth ihm ernst ins Gesicht. Sie legte einen Arm auf Micks Schulter und fuhr im Flüsterton fort: “Ich habe dir angemerkt, dass du es nicht wirklich wolltest. Du wolltest nicht Schluss machen. Sonst wärst du jetzt nicht hier. Sag mir, warum hast du es dann doch getan? Ich verstehe dich nicht. Du bist mir ein Rätsel.” Mick legte seine Hand auf die von Beth. Er schaute ihr tief in ihre dunkelbraunen ehrlichen Augen. “Beth, hör zu… Es ist etwas geschehen, aber ich kann es dir nicht sagen. Es ist etwas…. grauenhaftes. Ich würde dich nur verletzen, glaub mir. Es fällt mir so schwer.” Beth schüttelte traurig den Kopf. “Hast du mir denn nicht zugehört? Ich liebe dich! Ich würde dich für nichts aufgeben! Egal, was es ist! Verstehst du? Nichts kann sich uns in den Weg stellen!” Beth wurde lauter, in ihren Augen standen die Tränen. Aber er wusste, sie konnte es nicht verstehen. Er konnte es noch nicht einmal selbst. Ihr Anblick machte ihn schwach. Was sollte er tun? Er musste es ihr sagen, er konnte sie nicht noch einmal verletzen. “Beth, ich liebe dich auch. Mehr als irgendjemand sonst. Es tut mir so weh. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr schweigen. Ich werde es dir sagen. Aber jetzt noch nicht. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, okay? Ich komme selbst noch nicht klar.” Mick nahm sie in die Arme. So fest er konnte, er wollte sie nicht noch einmal loslassen müssen. Aber er musste. Ihr zur Liebe. “Wann ist der richtige Zeitpunkt?,” flüsterte Beth schluchzend. “Wenn ich mit mir selbst im Klaren bin. Du wirst den richtigen Zeitpunkt schon erkennen. Ich liebe dich….” Mick löste sich sanft aus der Umarmung und sah Beth tief in die Augen. “Diesen Zeitpunkt wird es geben, ich verspreche es dir.” “Geh nicht, Mick. Bleib bei mir,” flehte Beth. Doch das war unmöglich. Mick war kein Mensch mehr. Von nun an lebten sie in verschiedenen Welten. Er brachte keinen Ton raus, das einzige, wozu er noch Kraft besaß, war ein kleines, aber endgültiges Kopfschütteln. Zuhause angekommen brach er in Tränen aus. All die Gedanken, die sich bisher aufgestaut hatten, kamen nun in ihm hoch. Es war einfach zu viel. Er konnte es nicht mehr ertragen. All die Jahre war er glücklich gewesen, dann kam eine Nacht und schon war alles vorbei. Er verlor einfach alles, was man sich vorstellen kann. Seine Familie, Beth und sich selbst. Sein Glaube, seine Wünsche, alles…. Mick fiel auf die Knie, die ihn schon lange nicht mehr tragen konnten. Er schrie seinen Schmerz aus, seine Wut, seinen Hass und schlug mit seinen Fäusten auf. Warum nur? Warum? Das war die Frage, die er sich immer wieder stellen musste. Warum gerade er? Aber vor allem dachte er an Beth. Warum sie, sie hatte doch mit allem nichts zu tun gehabt. Sie war unschuldig, unverdorben. Mick schrie seinen Schmerz aus. Wenn er aus den letzten zwei Wochen etwas gelernt hatte, dann war es das: Mick würde den Vampir finden, der ihn infiziert hat, und würde ihn töten. Egal, was es koste. Er würde so leiden, wie Mick momentan litt. Und das wäre nicht gerade wenig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)