Engelserbe von --Tam-- ================================================================================ Prolog: -Prolog- ---------------- ENGELSERBE „Und derjenige, der die Engel und Teufel nicht gesehen hat in den Wundern und Widerwärtigkeiten des Lebens, dessen Herz bleibt ohne Erkenntnis und dessen Seele ohne Verständnis.“ Khalil Gibran -Prolog- Der Regen wollte partout nicht aufhören. Schon seit dem frühen Morgen schüttete es, wie aus Eimern. Der Asphalt war dunkel und schwarz geworden durch die Nässe des Wetters, die Pfützen standen knöcheltief. Dick und schwer schälte sich das Wolkengebälk über den Rand des Horizonts, kaum auszumachen zwischen den kantigen Umrissen der meterhohen Wolkenkratzer, welche die linear angelegten Straßen der Stadt säumten. Tonnenschwere Bürokomplexe reihten sich an diverse Hotels und edle Bars, sowie Restaurants, ehe kleinere Seitengassen abzweigten und in die ghettolastigeren Viertel der Großstadt führten. Hier waren die Gebäude nur noch spärlich verputzt, Graffiti und Schmutz klebte an den Wänden der Wohnhäuser, Nebel drang aus den stinkenden Gullis und die Laternen, welche die Straßen erleuchten sollten, waren größtenteils defekt. Nachts war hier gewiss keine gute Zeit entlang zu flanieren und gewiss hätte auch niemand freiwillig die Sicherheit der Büromeile verlassen, um hier spazieren zu gehen. Außer es gäbe einen triftigen Grund dafür. Jack hob die straffen, gebräunten Pranken zu seinen Lippen, zwischen denen eine filterlose Zigarette klebte. Die Linke schirmte das Schauspiel ab, während die Rechte den Deckel des Zippos aufschnappen ließ und die entstandene Flamme genüsslich gen Tabak brachte, der in dem kleinen Papierröllchen nur allzu willig entflammte. Rauch stieg auf und mit einem tiefen Lungenzug, sog er das Nikotin in seinen Körper und Kreislauf. Sinnend lehnte sich der dunkle Schopf gegen den Laternenmast hinter sich, während das linke Bein sich ebenso anwinkelte um die Sohle an jenem Untergrund abzustützen. Regen tropfte ihm vom markanten Kinn. Ein Hund bellte in der Nähe, die Autos, die an ihm vorbei zogen waren alt und ramponiert, aus dem ein oder anderen drang laute, aggressive Musik. Heftige Beats, oder dumpfe Bässe, die in seinen Ohren dröhnten und ihn leise knurren ließen. Abfall der Gesellschaft. Unwerte Individuen, die es nicht verdienten sich die Krönung der Schöpfung zu nennen. Doch hübsch genug um sie wenigstens zu be- und auszunutzen waren sie allemal! Denn sie waren egoistisch, gewissenlos und grausame Wesen, die es nicht anders verdient hatten, als ganz unten in der Nahrungskette zu stehen. Und das standen sie in seinem Fall. Ganz, ganz weit unten. Warum also auf Gesetzte hören, wenn die Regeln des Lebens und Überlebens so einfach, so schlicht waren? Menschen waren Nahrung. Und er hatte Hunger- denn er, er war kein Mensch. Leise juchzte das schwarze Leder, welches den stattlichen Korpus umhüllte, er löste sich vom Mast jener Laterne und schnippte den Stummel der Zigarette in den nächstbesten Gulli, während die maskulinen Hände in das weiche Innenfutter der Manteltaschen huschten. Dieser lag offen, klaffte bei jedem Schritt der straffen, muskulösen Beine erneut auf und der Saum umspielte unheilsschwanger seine Knöchel, die von festem Stiefelwerk umfangen wurden. Er bog die Nächste links ein, folgte dem geraden Verlauf, gen einer Sackgasse, die voll gestopft schien mit schmutzigen Mülltonnen und Säcken, dazwischen diverse alte Küchenschränke und das ein oder andere kaputte Küchengerät. Im Grunde kein Ort, den man gerne aufsuchen würde, doch er, Jack, witterte fette Beute. Er witterte den süßen Duft der Intrige und als hätte er es geahnt, fand er zwei jugendliche Gauner, picklig, die Siebzehn kaum hinter sich. Der Kleinere der beiden sah recht verdutzt auf, während der Andere die Scheine zählte, die man ihm für die gestreckten Drogen überlassen hatte. Unwille und Panik spiegelten sich in dem verkoksten, matten Grau wieder. Ein rasches Zeichen folgte, welches seinen Kumpel anwies, die Scheine, als auch die weißen Päckchen so rasch es ging verschwinden zu lassen. „Alter, hast du ein Problem?“ Die Stimme des Kleineren klang giftig und mehr als nur feindselig. Sein Kumpel baute sich unterstützend an seiner Seite auf, währen Jack mit einem dunklen Grinsen feststellen musste, dass jene Geste aber auch ebenso fluchtbereit erschien. Der würde ihm keine Probleme machen. Die Jungs wirkten zunehmend nervös, als dieser Fremde auf sie zu trat, geradewegs, ohne Furcht. Sein Gesicht lag im Schatten, Statur, als auch Kleidung erschien ihnen mehr als nur bedrohlich. Vermutlich besuchte dieser Kerl mehr als nur einmal die Woche einen Krafttrainingsraum in einem Fitnessstudio. Sein Kreuz war doppelt so breit wie das Ihre, seine Lenden zwar schmaler, so dass zwischen den Schulterblättern und dem Steiß ein sinnliches Dreieck entstand, aber dennoch: allein seien Oberarme würden ausreichen, einen von Ihnen in der Mitte durch zu brechen! Verwirrt langte der Kleinere in seine Jackentasche und zupfte eine 9mm aus dem weichen Lammfell-Futter. Zitternd deutete er mit dem Lauf direkt zwischen die Augen des Fremden. Und auch, wenn mindestens zwei Meter Spanne zwischen ihnen lagen, ein Schuss hätte ein unschönes Ende genommen! „Scheiße, Alter! Mach keinen Mist!“, warnte ihn der Andere, während Jack belustigt das kleine Schauspiel verfolgte. Lächerliches Menschenvolk- und genau deswegen waren sie nie mehr als Futter! „Schieß doch, wenn du dich traust, Herzchen...“ Er lächelte duster, der linke Mundwinkel hob sich höhnisch, ehe er auf die Beiden zu trat und die Pranke nach einem von beiden reckte. Ein Schuss durchschnitt die Stille, dieser nebligen, verregneten Seitennische, doch sahen sich die beiden Kerle einem ungerührten Antlitz gegenüber, welches nur lachen konnte über den amüsanten Versuch ihn zu erschießen. Keine gewöhnliche Kugel würde ihn je töten können. Und auch die folgenden Schüsse aus dem Magazin änderten daran nichts. Wie erwartet ergriff einer von beiden die Flucht, als sich ihm die Gelegenheit bot, Jack wollte ihn gar nicht haben. Er stürzte sich lieber auf den Idioten, der glaubte ihn erledigen zu können. Fest gruben sich die Pranken gegen die Jack und Haut des Jungen, der nur verzweifelt aufschrie, als er ihn mit seinem Leib zu Boden riss und nieder drückte. Reißend gab der Stoff des Kleidungsstückes nach, als der Dämon sich über ihn beugte. Er lachte sinister, während der Körper unter ihm schrie und sich aufbäumte. Der Jäger bekam etliche Tritte und Schläge ab, doch wurde der Junge ganz still, als die Zunge des unmenschlichen Raubtiers, seine Halsschlagader entlang nippte. Er schmeckte das Salz und die Angst von seiner Haut und die wachsende Wonne, die den Junkie dazu verleitete sich wollüstig gegen ihn zu wölben, zu keuchen und leise zu stöhnen, als der massige, dämonische Leib sich an ihm rieb. Er seufzte, als ein zuckender Orgasmus den Knilch überschwemmte und dieser bekam wohl kaum mit, wie Jack genau in diesem Moment die Fänge in das Fleisch seiner Halsbeuge trieb und trank. Es vergingen Lidschläge der Stille, als aus dem wohligen Räkeln, schmerzerfülltes Krampfen wurde. Der Junge schrie bellend auf, während die Kiefer das Raubtieres seine Knochen zermalmten und sein Fleisch zerfetzten um n noch mehr Blut zu kommen. Jack musste die Halsschlagader erwischt haben, denn dunkles, süßes Blut quoll ihm freiwillig, impulsartig in den Mund. Die metallische Kraft seines Lebenssaftes ließ ihn zittern und sich all das nehmen, was er brauchte. So lange, bis das Futter unter ihm nicht mehr dazu fähig war ihn mit Blut zu versorgen. Das Herz stand still und die Beute war verendet. Er knurrte nur enttäuscht, ließ den erschlafften Leib gänzlich zu Boden sacken, während er sich selbst langsam aufrichtete und den Kopf kreisen ließ, bis die Nackenwirbel süffig über einander schabten. Er sah hinab auf den jugendlichen Leichnam und schmeckte sein Blut noch immer auf der Zunge. Mit dem Ärmel des Mantels fegte er sich die restlichen Spuren des Mahls von den Lippen, ehe er sich in der Dichte des Regenschleiers um wandte und gen Nacht davon spazierte. Ob es ihm leid tat, dass das Menschlein noch so jung gewesen war? Natürlich nicht. Er war kein Mensch, für ihn waren diese nichts anderes, als ein saftiges Steak für einen hungrigen Grillfanatiker. Und doch- er bereute in gewissem Maße, dass das Bürschlein Schmerz verspürt hatte. Knurrend fasste sich der Hüne gen eigener Schläfe. Grob wurde diese von den rauen Kuppen seiner Finger massiert. Es war nicht das erste Mal, dass er so fühlte. Ob er krank wurde? Vielleicht. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- -Kapitel 1- Cylle fand sich am Rande eines Abgrundes wieder. Der Blick ging in alles aushöhlende Leere. Tiefe, schattenartige Schwärze, die sie geifernd ummantelte, nach ihr griff und drohte sie hinab zu zerren in das gallertartige Finster. Es schien dort unten etwas zu leben. Es regte sich und pulsierte im Gleichtakt ihres Herzens. Die Schwärze kroch an den dunklen Schieferfelsen bedrohlich empor, kletterte hinauf zu ihr, während sie nur regungslos da stehen konnte und voller Entsetzen gen Bildnis starrte, welches sich vor ihr auftat. Das Geräusch von zerborstenem Gestein drang an ihr Ohr, das Kreischen Sterbender, das brachiale Geheul von sich verbiegendem Metall. Und aus der Dunkelheit, dem quellenden Übel, stieß die Spitze eines Fernsehturms, gefolgt von zahlreichen anderen Gebäuden, die in sich zusammen gesackt waren wie Papierschachteln. Autobahnen und Highways lagen zertrümmert vor ihr und schälten sich aus dem dreckigen Unheil, welches jedwedes Geräusch nicht zu ersticken, nein vielmehr zu verdreifachen schien. Sie konnte die Stimmen der Menschen hören, hörte ihr Klagen, ihr Weinen. Sie konnte vereinzelte, sich regende Punkte ausmachen, die um ihr Überleben kämpften, ehe sie von herab fallenden Gebäudeteilen erschlagen, oder von den Schatten gen Tiefe gerissen wurden. Cylle wurde schlecht bei dem Anblick, doch noch immer konnte sie sich nicht regen, das Bildnis verschwamm trotz der zahlreichen Tränen nicht vor ihren Augen. Längst hatten sich die Schatten zu ihr hinauf gekämpft und umgarnten ihre nackten Fußgelenke. Jede Berührung schmerzte und verätzte ihr die zimtfarbene Haut. Tief schnitten die Fäden ins Fleisch und zerrissen Aderwerk und Muskeln, während sie sich fast sinnlich an den Schenkeln entlang hangelten. Cylle wollte schreien, doch es war, als füllte Watte ihren Mund, als läge Blei auf der Zunge und in verzweifelter Manier bog sie den Kopf gen Nacken um ein hilfesuchendes Wehklagen gen Himmelszelt zu jammern. Sie erschrak vor dem Bildnis. Eitrig gelbe Wolkentürme manifestierten sich über der untergehenden Stadt und riesige Vögel mit schwarzen und roten Schwingen stürzten sich wie Falken zu den sterbenden Menschen herab. Näher und näher kamen sie, ehe Cylle vor Entsetzen der Atem still stand, denn diese Wesen dort waren keine Vögel! Direkt vor ihr bog eines dieser Wesen in den Abgrund, nutzte den Antrieb des Aufwindes um direkt vor ihrer Nase wieder hinauf zu gleiten. Menschlich erscheinende, kalte Augen taxierten sie, als sei sie selbst schuld an all diesem Unheil, welches sich vor ihr erstreckte. Der Körper des 'Vogels' war menschlicher Natur. Straffe Muskeln glänzen im gelb-stichigen Licht, das Haar des Wesens war weiß wie blühender Schloh. Mann oder Frau, sie konnte es nicht gleich erkennen, während das Geschöpf ein grauenvolles Kreischen ausstieß, den kräftigen Arm, wie ein olympischer Speerwerfer empor riss um ihr ohne mit der Wimper zu zucken, die gleißende, wie Licht erscheinende Waffe in das Fleisch den Unterleibes zu rammen. Sie konnte spüren, wie brennende, schwelende Hitze in sie eindrang und innerlich zerfraß, verkohlte und endlich gelang es ihr zu schreien... Schreiend fuhr Cylle in ihrem Bett auf, der Atem raste und brach hitzig über ihre Lippen. Sie konnte Blut schmecken, hatte sich im Traum wohl die Lippen blutig gebissen. Sie hechelte vor nackter Panik, die noch immer in ihr schwelte, hastig sah sie sich um, tastete nach der Lampe auf dem Nachtisch um diese zittrig an zu knipsen. Und wieder folgte ein prüfender Blick durch den Raum, denn an ihrer Psyche nagte die unwirkliche Erkenntnis nicht allein im Zimmer zu sein. Doch war sie natürlich allein. Nirgends war etwas aus zu machen, dass nicht in ihr vertrautes Umfeld gepasst hätte. Ihr Bett, ihr Nachttisch, die Lampe, das Buch über das Verhalten von Hunden im Bezug auf Wölfe, in welchem sie noch bis vor wenigen Stunden gelesen hatte. Und ihre Wecker, die mahnend in hellem Neonblau ankündigte, dass es gerade einmal vier Uhr morgens war. Sie hatte also noch Zeit, wenn sie gleich wieder einschlafen würde, wäre sie später ausgeschlafen, doch wusste Cylle, dass sie nach diesem Traum nicht mehr schlafen könnte. Es war nicht das erste Mal, dass sie dieser Traum heim suchte. Doch von mal zu mal wurde er präziser, detailverliebter und grausamer. Jede Nacht setzte sich ein Puzzelteil mehr dazu, spürte sie sich tiefer in das Geschehen integriert und vor allem erschien ihr alles von Nacht zu Nacht realer und wirklicher. Tränen brannten auf der Haut ihrer Wangen. Das schwarze, in weiche Locken fallende Haar, klebte ihr im Nacken und auf den Schultern. Kalter Schweiß bedeckte ihren Körper, denn Cylle zog es vor nur in Unterwäsche zu schlafen- sprich: in einem feinen Nichts von Höschen. Nun fror sie jedoch jämmerlich. Die Decke war ihr über die Brüste gerutscht, schlug wellige Falten über ihrem Schoß, während die schlanken Finger der Frau tastend den eigenen Unterleib absuchten. Doch da war keine Wunde, auch wenn sie immer noch glaubte, den brennenden Speer in ihrem Leib zu spüren. Kopfschütteln. Sie war so eine Närrin, ein kleines Kind. Da wollte sie unbedingt allein leben, sogar gegen den Willen ihrer Mutter und nun hatte sie den Salat. Denn seit sie nicht mehr die heimischen vier Wände mit dieser teilte, suchten sie diese barbarischen Träume heim. Sie erhob sich tattrig, umarmte sich selbst, während sie schlotternd in die Küche wanderte. Schon am Abend hatte sie den Kaffee vorbereitet, so dass sie nur noch die Maschine anstellen musste, damit das heiße Wasser ihr Überlebenselixier brauen würde. Sie selbst huschte in dieser Zeit ins Bad, schlüpfte aus ihrem Slip und stellte sich unter die Dusche. Heißes, wohltuendes Wasser benetzte die gebräunte Haut der jungen Frau und nach fünf Minuten hörte das Zittern endlich auf, während sie sich schlaftrunken gegen die kühlen Fliesen des Duschinnenraumes lehnte. Wie sie solche Tage und Nächte hasste. Morgen bei der Arbeit wäre sie gewiss todmüde und würde sich gar nicht wirklich auf ihre kleinen Patienten konzentrieren können. Dabei war es in ihrem Fall so wichtig, dass sie selbst ausgeglichen war! Cylle arbeitete schon fast zwei Jahre als Tierheilpraktikerin in einer kleinen Praxis unter den Argusaugen ihres Chefs, der keine Minute verstreichen ließ, sich an die junge Mittzwanzigerin heran zu machen. Manchmal glaubte Cylle, er duldete sie nur deswegen in seinem kleinen Reich, weil er sich erhoffte sie eines Tages auf seinem Schreibtisch stoßen zu können. Allein die Idee war ekelhaft! Ihr Chef war nämlich alles andere als gut aussehend. Im Gegenteil. Er ging in großen Schritten auf die fünfzig zu, war bierbäuchig und ungepflegt, besaß schütteres Haar und einen dafür beachtlichen Nasenhaarwuchs, der förmlich danach schrie, dass man ihn anstarrte. Doch kündigen konnte sie nicht, Geld war Geld und sie brauchte es dringen für die Miete- zudem liebte sie die Tiere. Und ihre kleinen Patienten waren ihr ans Herz gewachsen, auch wenn diese zunehmend unruhig wurden in ihrer Gegenwart. Was nicht ungewöhnlich war, denn Hund und Katze spürten eben deutlicher, was in einem vorging, als man es selbst manchmal tat. „Vielleicht sollte ich mir einfach frei nehmen?“, murmelte die Schwarzhaarige hitzetrunken, während die Finger den Hahn zudrehten und der stete Wasserzufluss abbrach. Wirklich besser ging es ihr zwar nicht, aber zumindest klebte sie nicht mehr, als sie aus der Dusche schritt und sich ein Handtuch um den Körper wickelte. Nur ein kurzer prüfender Blick in den Spiegel folgte. Auch sie war den Lastern der Frauen nicht ganz abgeneigt. Eitelkeit gehört da wohl ebenso dazu, wie gelegentliche Schokoladenanfälle, die sie eine ganze Tafel vor dem Fernseher verputzen ließ. Cylle war durch ihre Arbeit viel unterwegs, was ihr eine recht gute Figur erlaubte. Der Po war etwas groß, was wohl an den Genen ihres spanischen Vaters lag. Die Taille hingehen war aber äußerst schmal geartet und die Brüste angemessen geformt. Sicher keine Frau, die man von der Bettkante stoßen würde, wenngleich Cylle durchaus hier und da etwas aus zu setzen hatte. Seufzend raffte sie ihr feucht-schweres Haar, welches sich durch die Nässe nur noch stärker kräuselte und versuchte die wirre Mähne mit einem Haargummi zu bändigen. Langsam und vorsichtig tastete sie sich aus dem Badezimmer, während der markante Kaffeegeruch ihre Sinne berührte und Ruhe über ihre geschundene Seele zauberte. Fast sinnlich schnurrte die junge Frau auf, kaum, dass sie sich das dunkle Gebräu in eine Tasse gegossen hatte, welche sie schützend mit beiden Händen ummantelte um sich daran zu wärmen. Sie zog es vor das Getränk schwarz zu sich zu nehmen, während sie ins Wohnzimmer schlenderte und sich auf dem Fenstersims des gepolsterten kleinen Erkerchens gemütlich machte. Ein Kissen in ihrem Rücken erlaubte ihr eine angenehme Position, während sie den Dampf über der Tasse davon blies und den Blick hinaus wagte. Dunkle Regenschlieren wanderten das kühle Glas hinab, brachen das Licht der Straßenlaternen tausendfach und erlaubten keine klare Sicht hinaus. Dann und wann zog ein Auto an ihrem Haus vorbei, der Gehsteig lag jedoch brach und leer. Wohl kaum einer war um diese Uhrzeit noch in einer abgelegenen Gegend wie dieser unterwegs. Wieder war es ein Seufzen, das von ihren Lippen floh, kaum dass sie einen kräftigen Schluck des Kaffees genossen hatte. Sie musste nachdenken. Dieser Traum beschäftigte sie zutiefst. Er war zu real um als Hirngespinst abgetan zu werden. Und er kam zu häufig um darin nicht irgendetwas mysteriöses, prophetisches zu erkennen. Sie war dem ganzen Hokus Pokus wie Tarot und Pendeln ja nicht ganz abgeneigt, also warum nicht auch visionäre Träume? Sie betete wohl, dass sie sich irrte, denn diese Dinge, die sie gesehen hatte müssten nicht in Erfüllung gehen. Wenngleich sie wohl kaum an die Existenz von geflügelten Menschen glaubte- es mussten Engel gewesen sein. Unwillkürlich sah sie zum Laptop, der auf dem kleinen Schreibtisch des Wohnzimmers ruhte. Zugemüllt mit Papieren, Büchern und diversen Krimskrams. Sie nippte nochmals am Kaffee, ehe sie sich erhob, noch immer nur mit dem Handtuch bekleidet, als sie sich in den weichen, ledernen Drehstuhl setzte und den Laptop aufklappte, ihn startete und den Browser öffnete. Flink tippten die Finger das Wort 'Engel' auf der Tastatur und in das Eingabefeld ihrer Suchmaschine ein. Was sie zu sehen bekam überraschte sie nicht. Das meiste waren wohl esoterische Seiten, über Engelskarten, bis hin zu Engelsorakeln. Diverse Lexika-Einträge, welche die Hierarchien der Engel beschrieben und hier und da kleinere Homepages mit Gedichten über Engel. Meist waren die Vorstellungen dieser Kreaturen zuckersüß, beeinträchtigt von der Puttenära der Renaissance. Hier und da fand sie auch biblische Texte, die ihr durchaus mehr Stoff gaben als die Seiten zuvor. Das Wort Engel leitete sich scheinbar aus dem hebräischen und griechischen ab, bedeutete wohl so etwas wie 'Bote'. Wenn ihr Traum also eine Botschaft in sich trug? Der Gedanke wollte ihr nicht gefallen. Was sollte sie denn tun? Ihren Müll besser trennen? Drei mal täglich beten? Es konnte wohl kaum eine Botschaft solcher Natur sein. Ebenso interessant schien ihr der kurze Abschnitt über die Höllen-Engel. Engel wie Luzifer, der Morgenstern. Ein Engel, der sich abwand von Gott und der Urvater der Dämonen wurde. Cylle schauderte und klappte den Laptop wieder zu. Dämonen, Engel. Sie sollte sich nicht in diese Sache hinein steigern und lieber wieder zu Bett gehen. Doch gerade als sie sich erhob, schien es ihr als hätte sich ein Schatten am Fenster bewegt. Erschrocken wirbelte sie herum, riss die halb-leere Tasse vom Tisch, die klirrend auf dem Boden zerbarst und die Reste des heißen Kaffees über ihre Waden spritzte. Sie fluchte laut, sprang hastig zur Seite und als sie wieder aufblickte, war da kein Schatten mehr. „Cylle, du wirst langsam verrückt...“, wisperte sie kaum vernehmlich zu sich selbst, ehe sie sich bückte und die Scherben aufsammelte. Sie würde den verschütteten Kaffee noch aufwischen, sich die Beine säubern und dann wieder ins Bett kriechen. Ihren Chef würde sie so gegen sieben anrufen und sich krank melden. Sie brauchte Ruhe, in der Hoffnung ein wenig Schlaf am Tag würde die grausamen Alpträume von ihr fern halten- zumindest hoffte sie das und betete dafür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)