Changing Hearts von BellaBlumentopf ================================================================================ Prolog: Ciels 15. Geburtstag ---------------------------- Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=xJ28WuzfSlI ****************************************************** "Ciiiieeeel!", schallte eine helle Mädchenstimme durch den Flur, gefolgt von schnell trappelnden Schritten. Missmutig blickte Ciel von seinen Dokumenten auf, als die Tür seines Arbeitszimmers mit Schwung geöffnet wurde und seine Verlobte Elizabeth auf ihn zu gerannt kam. "Alles Gute zum fünfzehnten Geburtstag, Ciel!", rief sie und stürzte sich auf den im Sessel sitzenden Jungen. Ungeschickt fiel sie ihm um den Hals, ihre langen blonden Locken legten sich auf sein Gesicht und kitzelten ihn unangenehm. Mit leichtem Druck stemmte Ciel seine Hände gegen Elizabeths Arme und schob sie von sich. In seinem sonst ausdruckslosen Gesicht zeigte sich eine gewisse Gereiztheit, was Elizabeth gekonnt zu übersehen wusste. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht legte sie ihm ein kleines mit blauem Band umwickeltes Päckchen in den Schoß. "Hier, ich habe dir etwas mitgebracht", sagte sie. "Bitte mach es gleich auf, ich will wissen, ob es dir gefällt." Zunächst war Ciel sprachlos - was war nur in das Mädchen gefahren? Er war es von ihr gewohnt, dass sie überschwänglich war und ihn immer wieder versuchte aufzuheitern, aber wie konnte sie so etwas wichtiges einfach ignorieren? Er seufzte genervt: "Elizabeth, was soll das? Du weißt sehr wohl, dass ich gerade diesem Tag im Jahr keinerlei Beachtung schenken möchte. Ich verabscheue Geburtstage." Elizabeth lief rot an, ließ sich jedoch nicht so schnell von ihrem Vorhaben abbringen. Wieder versuchte sie es mit einem heiteren Tonfall: "Ciel, du sollst mich doch Lizzy nennen! Wenn du Elizabeth sagst, fühlt es sich an, als wären wir nur entfernte Bekannte, und nicht langjährige Freunde." Er funkelte sie aus seinem linken Auge an. "Dann solltest du als meine langjährige Freundin auch genau wissen, dass du so etwas wie das hier", er nahm das Päckchen und warf es achtlos auf seinen Schreibtisch, "heute lieber nicht hättest mitbringen sollen." Das Lächeln im Gesicht des Mädchens machte einem Flehen Platz, doch tapfer hielt sie Ciels kaltem Blick stand. "Ich wollte dich nicht so verärgern, bitte verzeih mir. Aber ich dachte... nun, es ist doch schon so lange her! Ich hatte gehofft, dass es dich vielleicht doch freuen würde, zu wissen, dass es Menschen gibt, die froh sind, dass du geboren wurdest und auch immer noch am Leben und damit in der Lage bist, deinen Geburtstag zu feiern." Wieder röteten sich ihre Wangen und sie nestelte nervös an ihrem Kleid herum. Bevor sie dazu kam weiterzusprechen, betrat ein hochgewachsener Mann das Zimmer, nachdem er leicht gegen den Türrahmen geklopft hatte. "Sebastian, wieso hast du Elizabeth nicht aufgehalten, bevor sie hier herauf kommen konnte?" Der Butler lächelte leicht und sagte mit einer angedeuteten Verbeugung: "Verzeiht, junger Herr, aber normalerweise muss Lady Elizabeth als nahestehende Freundin nicht angekündigt werden. Daher habe ich mich wieder dem Tee und Gebäck gewidmet, das nun rechtzeitig fertig geworden ist. Möchtet Ihr es hier oder im Speisezimmer einnehmen?" "Zunächst einmal begleitest du Elizabeth jetzt zur..." "Aber Ciel!", unterbrach ihn Elizabeth aufgebracht. "Das ist sehr unhöflich! Nun habe ich den weiten Weg auf mich genommen, nur um dir eine Freude zu machen, und da schickst du mich einfach wieder weg? Lass uns wenigstens gemeinsam den Tee trinken." Mit einem erneuten Seufzen hielt Ciel sich die linke Hand an seinen Kopf und nickte dann. "Sebastian, serviere den Tee im Speisezimmer." "Sehr wohl." Nach einer weiteren Verbeugung, drehte sich der Butler um und verließ gefolgt von den beiden Jüngeren den Raum. Ohne es Ciel bemerken zu lassen, nahm Elizabeth noch schnell das Päckchen vom Tisch und verbarg es hinter ihrem Rücken. Eine Weile hatte der junge Graf seinen Tee in aller Ruhe genießen können, doch war ihm nicht entgangen, dass Elizabeth immer ungeduldiger mit ihrem Fuß auf den Boden tippte. Kann sie denn keine Ruhe geben?, dachte der Graf bei sich und versuchte nicht darauf zu achten. Da sprang Elizabeth plötzlich auf. "Wie geht es eigentlich deinen anderen Angestellten? Ich will sie wenigsten begrüßen!", rief sie und bevor Ciel ihre Frage beantworten konnte, war sie auch schon zur Tür hinaus. Hinter sich hörte er seinen Butler leicht lachen. "Was ist so lustig, Sebastian?" Der Angesprochene trat vor ihn. "Ihr solltet Euren Gesichtsausdruck sehen. Freut Euch der Besuch Eurer Verlobten denn gar nicht?" "Stell nicht so dumme Fragen! Warum sollte es mich freuen?" Sebastian antwortete wie so oft mit einem Lächeln: "Ich hatte den Eindruck, dass der junge Herr sich in den letzten Monaten und Jahren an den Gedanken gewöhnt hat, Freunde zu haben." Ciel ließ es ein freudloses Lachen hören. "Freunde? Ich habe nichts gegen Elizabeth oder meine geistig verwirrten Hausangestellten, aber wenn ich mich nicht irre, hat Freundschaft doch etwas mit Gegenseitigkeit zu tun, oder nicht?" "Ich maße mir nicht an, Eure Definition anzuzweifeln." "Spricht der Dämon." Ciel sah seinen Butler finster an. "Ich will gar nicht wissen, was du wirklich denkst." "Ist das so?", fragte der Ältere amüsiert. "Dann will ich auch nicht weiter versuchen, euch aufzuheitern." Ciel zog die Augenbraue hoch, die nicht unter der Augenklappe verborgen war. Er will mich aufheitern? Was ist bloß los mit diesem Teufel von einem Butler? Als ob mich jemals so etwas wie Freunde oder Geburtstage aufheitern könnten. Tief in sich spürte Ciel, dass er nicht vollkommen ehrlich zu sich war. Doch da er dieses Gefühl schon lange verdrängte, war es auch jetzt kein Problem für ihn, die unbewegliche Maske in seinem Gesicht aufrecht zu erhalten, als Elizabeth in Begleitung von Meirin, Finny und Bard das Zimmer betrat. Und schon stöhnte Ciel erneut auf. Elizabeth hatte es mal wieder nicht unterlassen können, die drei Bediensteten mit bunten Schleifen im Haar und glitzernden Accessoires an der Kleidung zu versehen, so dass sie aussahen, als kämen sie eben vom Karneval. Selbst dem ältlichen Tanaka, der als letzter ins Zimmer kam, war ein rosa Rüschenband um den Kopf gebunden worden. Elizabeth stellte sich in die Mitte des Raumes und warf die Blütenblätter, die sie mit sich getragen hatte, in hohem Bogen in die Luft. "Jetzt wird gefeiert! Ciel, manchmal muss man einfach zu seinem Glück gezwungen werden! Bitte, versuche wenigstens, dich zu freuen!" Sie strahlte ihn an. Meirin und Finny traten zu ihr und nickten zustimmend. Auch sie hatten Luftschlangen und Blumen mitgebracht. Nachdem Sebastian das Gesicht seines Herren abschätzig gemustert hatte, sagte er leise: "Es ist wie Lady Elizabeth sagt. Vielleicht wollt Ihr es wenigstens versuchen?" Finster blickte der Graf ihn an und murmelte: "Nicht du auch noch." Zu den anderen gewandt sage er jedoch: "Wie ihr wollt. Ich kann mich wohl nicht dagegen wehren." "Juchu!" Freudig erregt lief Elizabeth auf Ciel zu und ergriff seine Hand. "Komm, lass uns tanzen." Nachdem Ciel eine Zeit lang mitgespielt hatte, ließ er sich wieder in seinem Sessel nieder, während die anderen weiterhin umher tanzten, sich mit Konfetti bewarfen und lachten. Er schloß die Augen und drückte sich leicht an die Lehne. Ohne es zu merken, schlich sich ein Ausdruck von Schmerz in sein Gesicht, den niemand außer seinem Butler bemerkte. Sebastian lehnte sich an das Ohr des Grafen und sagte leise: "Soll ich Euch in Euer Schlafzimmer bringen, mein Herr?" Ohne die Augen zu öffnen, stand Ciel auf. "Ja." Sebastian erhob seine Stimme: "Hört mir bitte einen Moment zu!" Elizabeth und die Angestellten unterbrachen ihr buntes Treiben. "Der junge Herr ist müde und fühlt sich nicht so gut. Ich werde ihn in seine Räumlichkeiten begleiten." Elizabeth wollte noch etwas sagen, aber der Butler führte ihren Verlobten bereits heraus. Oben im Schlafzimmer angekommen, setzte sich Ciel auf sein großes Bett. Sebastian entzündete den Kerzenleuchter, stellte ihn auf die Kommode und fragte mit bedeckter Stimme: "Wollt Ihr gleich zu Bett gehen?" Ciel antwortete nicht gleich. Er sah Sebastian ins Gesicht und ließ vor dessen offenem Blick seine Fassade für einen Moment fallen. Die roten Augen des Butlers weiteten sich ein wenig, als er den Schmerz im Gesicht des anderen sah. "Was fehlt euch, mein Herr?", fragte er fürsorglich und ging vor seinem Herrn in die Knie. Ciel erschrak leicht. Er war sich nicht bewusst gewesen, dass der Verlust seiner Eltern und die Narben seiner Entführung immer noch so tief saßen, dass sie ihn jedes Jahr am selben Tag - dem Vierzehnten Dezember, seinem Geburtstag - so leicht aus der Fassung bringen konnten. Ihm wurde schwindelig und sein Oberkörper fiel nach vorne. Zwei feste Hände stützten ihn ab und drückten ihn wieder nach oben. Dann fühlte Ciel ein zusätzliches Gewicht auf seinem Bett und die Wärme eines Körpers auf seiner rechten Seite. Er öffnete sein linkes Auge und sah, dass Sebastian sich neben ihm niedergelassen hatte und ihn fragend musterte. "Kann ich irgendetwas für Euch tun?" "Was soll das, Sebastian? Was...", begann Ciel, doch er fühlte sich zu schwach, um sich ernsthaft zu widersetzen. Konnte Sebastian etwas für ihn tun in solch einem Moment? Er war schließlich auch nur ein kaltblütiger Dämon, der es nicht abwarten konnte, die Seele seines Herrn zu verspeisen, sobald diese den richtigen Geschmack hatte. Aber wen hatte er sonst? Ciel hatte sich in Gedanken immer wieder gesagt, dass er allein sein wollte und niemanden brauchte, aber er musste zugeben, dass das nicht stimmte. Sebastian war immer an seiner Seite gewesen, ob nun freiwillig oder nicht. Der Butler lächelte, als er spürte, wie sich Ciels zierlicher Körper leicht gegen ihn lehnte. Einem plötzlichen Instinkt folgend, legte er dem Jungen seinen Arm um die Schultern und zog ihn etwas näher an sich. Er wartete darauf, dass Ciel wie bei jedem Anzeichen körperlicher Nähe sofort abweisend oder verärgert reagierte, aber es geschah nichts dergleichen. Er blieb einfach ruhig in seinem Arm liegen und seufzte leise. "Junger Herr. Sagt mir, was ist los? Ihr verhaltet Euch wirklich ungewöhnlich." Da klopfte es an der Tür. "Ciel? Kann ich reinkommen?" Der Junge sah auf und begegnete Sebastians unergründlichem Blick. "Soll ich sie wegschicken?" Ciel schüttelte den Kopf, wich den Augen des Butler aus und befreite sich aus dessen Umarmung. Obwohl er sich nicht besser fühlte, gewährte er Elizabeth mit normaler Stimme Einlass. Sebastian erhob sich geschwind, bevor die Lady ihn - einen Butler - in einer für ihn unangemessenen Position vorfand. Ciel blieb, wo er war, und wappnete sich gegen die übertriebene Sorge seiner Verlobten. Nachdem sich das Mädchen wiederholt von Ciel bestätigt lassen hatte, dass er nicht krank sei, hielt sie ihm das Päckchen vor die Nase. "Bitte, nimm es an, Ciel." "Nein, Elizabeth. Ich will es nicht. Wenn du das nicht verstehen kannst, dann geh." Allmählich verlor er die Geduld. Wie konnte sie denn nur so wenig Feingefühl besitzen? Elizabeth schluchzte kurz auf, drehte sich auf dem Absatz um und rauschte davon. Im Flur konnten Ciel und Sebastian noch ihre Stimme hören: "Wie kann man nur so undankbar sein. Warum sind wir überhaupt verlobt? Langsam denke ich wirklich..." Sanft schloss Sebastian die Tür und sperrte so ihr Zetern aus. "Ich bin müde. Ich möchte schlafen." "Sicher." Wie jeden Abend entledigte Sebastian seinen Herrn der Kleidung mit geübten Handgriffen. Als er ihm das Nachthemd zuknöpfte, schien er aber noch behutsamer als sonst vorzugehen. Als würde er ihn streicheln, ließ der Butler seine behandschuhten Hände über den Kragen gleiten, brachte ihn in Ordnung und strich das Hemd glatt. Ciel zuckte ein wenig zurück und sog die Luft durch die Zähne ein. In Sebastians Gesicht blitzte ein Lächeln auf. Er erhob sich, während Ciel unter seine Decke kroch. Gerade wollte er den Kerzenhalter nehmen, da hörte er den Jungen flüstern: "Sebastian... Setz dich auf die Bettkante und... warte, bis ich eingeschlafen bin." Der Butler strich sich eine schwarze Haarsträhne zurück und tat wie ihm befohlen. Dann legte er vorsichtig seine linke Hand auf die Bettdecke und sagte leise: "Schlaft gut, junger Herr. Ich wache über Euch." Ciel brummte noch unwillig, als er Sebastians Hand an seiner Schulter spürte, aber schon forderte der Körper seinen Tribut und ergab sich dem Schlaf. Der Butler grinste und für einen kurzen Moment leuchteten seine Augen rot auf. In solchen Momenten, wenn der Herr sich so offen und schutzlos zeigte, regte sich der Dämon in ihm, der sich nach der Seele des Menschen streckte. Aber Sebastian wusste sehr genau, dass die Seele erst dann gut schmecken würde, wenn ihr sehnlichster Wunsch sich erfüllt hätte. Bis dies geschah, begnügte sich der Dämon mit dem Jungen, den er zuweilen sehr unterhaltsam fand. Sebastian schüttelte den Kopf und lächelte über sich selbst. Was dachte er denn da? Ein Mensch, unterhaltsam? Vielleicht sogar interessant? Er konnte nicht leugnen, dass ihm der Vertrag mit Ciel mehr Vergnügen bereitete, als viele vor ihm, aber was waren das für Gefühle, die der Junge zuweilen in ihm auslöste? War es der Beschützerinstinkt, der garantieren sollte, dass der Junge so lange am Leben blieb, bis seine Seele perfekt war? Was es auch war, in diesem Moment konnte Sebastian seinen Herrn nicht einfach allein lassen. Er blieb die ganze Nacht auf dessen Bettkante sitzen, strich immer wieder mit seinen Händen über Ciels Gesicht und Hals und wandte seinen Blick nicht einen Moment lang von ihm. Kurz bevor der Morgen graute, zog sich Sebastian zurück, um sich frisch zu machen, bevor er Ciel wie immer mit einem Tee wecken würde. Als Ciel von Sebastians Stimme und dem Geräusch der Vorhänge geweckt wurde, fühlte er sich sehr ausgeruht. Er hielt die Augen noch geschlossen und versuchte zu verstehen, wie dieses Gefühl zustande kam. Er hatte nicht wirklich geträumt, aber er meinte, sich an Wärme erinnern zu können. Er wollte noch ein wenig in dieser Erinnerung verweilen. Kapitel 1: Im Wahn ------------------ Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=ze4fh0b9_Ig ********************************************************* Mit langsamen Schritten näherte er sich dem hilflos am Boden liegenden Mann, dessen Hände hinter seinem Rücken zusammengebunden waren. Auf seinen Lippen erschien ein amüsiertes Lächeln, als er den verängstigten Gesichtsausdruck des Jüngeren bemerkte. Wie er diese kleinen Spielereien doch genoss! Spielerisch leckte er über das kalte Metall, das er in der Hand hielt und kniete sich vor den Gefesselten auf den Boden. Sein Gegenüber zuckte zusammen, als er mit seinen Fingern in dessen Hose fuhr und sie unerbittlich nach unten zog. "Nicht...", flehte er und versuchte seine Scham zu verbergen. "Da ist aber jemand gut bestückt", säuselte eine Stimme an seinem Ohr, unangenehm warmer Atem legte sich in den Nacken des Gefangenen. "Wollen doch mal sehen, ob du auch hältst, was dein kleiner Freund verspricht." Mit langen Fingern griff er zwischen die Beine seines Opfers, rieb unsanft darauf herum, bis der Jüngere ein Keuchen von sich gab. "Oho, wie ich sehe, magst du ein bisschen Gewalt." Der Ältere wurde des Spiels jedoch schnell überdrüssig und strich sacht mit dem kalten Metall über die empfindliche Stelle. "Bitte nicht...", bettelte eine zittrige Stimme, fast von Tränen erstickt. Dann stach er zu. Blut spritzte ihm entgegen, als er mit angeekeltem Gesicht sein Opfer von dessen Potenz befreite und das Fleisch wegwarf. Schreie drangen an sein Ohr, zerrten an seinen Nerven, bis er die Geduld verlor und das Messer mit einem schnellen Stoß in die Brust des am Boden Liegenden rammte. Ein letztes Gurgeln war noch zu hören, dann nahm er nur noch seinen eigenen leicht beschleunigten Atem wahr. Mit abwesendem Blick führte er seine linke Hand zum Mund und leckte ein wenig daran. Ah, das Blut... allmählich gewöhnte er sich an den Geschmack. Langsam klarte sein Geist auf und mit großer Sorgfalt wischte er sein Messer an der Kleidung seines Opfers ab, dessen Wange er noch mit einem leichten Kuss bedachte. Dann stand er auf, wandte dem Toten den Rücken zu und lief gemächlich davon, tauchte in die Schatten der Londoner Nacht. Hinter sich hörte er bereits das Summen der Fliegen, die sich jetzt über das Festmahl hermachten, das er ihnen beschert hatte. Schon zum dritten Mal hatte er nun seinem Hass nachgegeben, den er seit vielen Jahren mit sich herumtrug. Mitleid, Spott, Hohn, Verachtung, Unterhaltungsobjekt. Wie viel hatte er ertragen müssen? Er war sich sicher, dass er nur das war, was andere aus ihm gemacht hatten. Und wenn niemand ihn haben wollte, dann würde er eben dafür sorgen, dass die anderen Männer auch nicht glücklich wurden! Er kicherte. Es war auf einmal alles so leicht. Kapitel 2: Ein Morgen wie jeder andere? --------------------------------------- Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=wN-DZA-yFa8 *************************************************** "Bocchan, es ist Zeit aufzuwachen." Unwillig drehte Ciel Phantomhive seinen Kopf im Kissen herum, als sein Butler die schweren Vorhänge zur Seite schob und so dem unangenehm gleißendem Morgenlicht Einlass gewährte. "Bocchan", erklang die tiefe ruhige Stimmer erneut. "Auch heute gibt es wieder einiges zu tun, Ihr solltet wirklich nicht weiterschlafen." Sebastian beugte sich über seinen grummelnden Herrn und zog ihm ein wenig die Decke von den Schultern, woraufhin der Jüngere seine ungleichen Augen öffnete und ihn missmutig ansah. Für ein paar Sekunden blieben ihre Blicke ineinander verschränkt, dann wandte Ciel sich ab und schlug die Bettdecke eigenhändig zurück. "Möchtet Ihr gleich Euren Tee oder lieber erst ein Bad nehmen?", fragte der Butler freundlich. Ciel gähnte und streckte sich. "Wie immer, meinen Tee bitte." "Sehr wohl." Ihm wurde eine Tasse mit Earl Grey gereicht, an der er vorsichtig nippte. "Was sind die Aufgaben für heute?" Sebastian hatte sich wie immer mit einigen Briefen und Papieren neben ihm postiert und rasselte eine erschreckend langweilige Liste an Dingen herunter - Geigenunterricht, Tanzstunde, Höflichkeitsbesuche. Wie sehr ihn das alles anödete. "Bocchan", holte ihn der Butler aus seinen Gedanken und reichte ihm einen versiegelten Umschlag. Jetzt war Ciel doch interessiert. Ein Brief von Ihrer Majestät! Um welches schmutzige Geschäft es wohl diesmal ging? Mit einem Brieföffner aus Messing zerbrach er das Siegel und besah sich den Inhalt des Schreibens. Eine Mordreihe. Es waren bereits drei Männer im Alter zwischen Achtzehn und Zwanzig auf grausame Weise umgebracht worden. Noch hatte die Bevölkerung nichts davon mitbekommen und der Wunsch der Königin war es, dass dies auch so blieb. "Sebastian, mach mir die Wanne fertig und dann sorge dafür, dass die Kutsche abfahrtbereit ist." Der Butler verbeugte sich leicht: "Yes, my Lord." Ciel sah ihm nach, wie er das Schlafzimmer in Richtung Baderaum verließ. Dann seufzte er und stellte seine Tasse auf dem Nachttisch ab. Er zog die Beine an und umfasste sie mit seinen Armen. Er hatte eben, als Sebastian sich über ihn gebeugt hatte, wieder einmal so ein merkwürdiges Gefühl gehabt. Eine leichte Unregelmäßigkeit des Herzschlages konnte er immer dann spüren, wenn er seinem Butler sehr nahe war. Rührte es daher, dass dieser ein Dämon war und eine natürliche Aura besaß, die Menschen das Fürchten lehren konnte? Doch Ciel wusste, dass es das nicht sein konnte, schließlich war er an Sebastian gewöhnt, er war genau genommen sein einziger Vertrauter. Doch seit jener Nacht an seinem fünfzehnten Geburtstag, als er sich ein Mal die Schwäche erlaubt und sich der Wärme von Sebastians Schulter hingegeben hatte, ertappte er sich manchmal dabei, dass er den Dämon mit den Augen verfolgte, ihn von oben bis unten musterte. Er war sich sicher, dass dies dem Älteren nicht entgangen war, doch wie üblich stellte dieser eine gelassene Miene zur Schau. Und mit eben jener Miene kehrte Sebastian auch jetzt zu ihm zurück. "Es wäre dann alles bereit, Bocchan." Der Junge schlüpfte in seine Hausschuhe, ließ sich von Sebastian den Morgenmantel umlegen und ging ihm voraus ins Badezimmer. Dort stellte er sich vor die Wanne und wartete darauf, dass sein Butler ihn auszog. Selbst im Alter von siebzehn Jahren hatte er diese Angewohnheit noch immer nicht abgelegt, obwohl ihm in letzter Zeit der Gedanke gekommen war, dass er sich ja auch selbst entkleiden könnte. Er befürchtete nur, dass Sebastian, der jede Lüge durchschaute, sofort wissen würde, warum er das tat - da würde auch keine Ausrede helfen. Also nahm er es hin, dass der Ältere ihm das Nachthemd aufknöpfte und von den Schultern strich, sich dann etwas vorbeugte, um die baumwollene Unterhose nach unten zu ziehen. Ciel heftete seinen Blick an die gegenüberliegende Wand und versuchte, seine Atmung ruhig zu halten. Er ärgerte sich über sich selbst. Warum kann ich nicht ganz ruhig und gelassen bleiben wie sonst? Was ist denn schon dabei? Sebastian hat mich immer schon nackt gesehen und mir beim Waschen geholfen... Ach ja, das Waschen. Das musste er jetzt auch noch über sich ergehen lassen. Ohne die dargebotene Hand seines Butler zu beachten, stieg Ciel in das heiße Wasser und setze sich vorsichtig hin. Sebastian entledigte sich mit ein paar Handgriffen seines Fracks und der Handschuhe, legte beides sorgfältig auf einen Schemel und nahm dann die Seife zur Hand. Er setzte sich auf den Wannenrand hinter Ciel und begann dessen Rücken mit Seife und Schwamm abzureiben. In ihrer gewohnt sanften Art kreiste seine rechte Hand über die Schulterblätter, glitt hinauf zum Nacken, wo mit leichtem Druck das Wasser aus dem Schwamm gedrückt wurde; etliche feine Tropfen rannen über den Rücken nach unten, bevor sie in der Unendlichkeit des Wassers verschwanden. Ciel regte sich leicht, als der Schwamm an seiner Wirbelsäule entlang nach unten geführt wurde, bis er auf die Wasseroberfläche traf. "Sebastian, du sollst mich waschen, nicht streicheln", sagte er barsch. Der Dämon hielt inne und antwortete mit einem Lächeln in der Stimme: "Entschuldigt, Bocchan, aber ich wasche Euch genau so, wie ich es immer tu. Mir war nicht bewusst, dass Ihr das als ein Streicheln empfindet. Wie wünscht Ihr gewaschen zu werden?" Etwas überrumpelt schwieg Ciel. Wollte Sebastian ihn auf den Arm nehmen? Er hatte schon einige Male gedacht, dass der Butler beim Waschen länger auf seiner Haut verweilte als notwendig, aber heute war es ihm besonders aufgefallen. Fast, als würde er ihn massieren. Und das sollte sein übliches Prozedere sein? Er brummte. "Mach einfach weiter, Sebastian." "Wie Ihr wünscht." Sebastians Mundwinkel wanderten automatisch wieder nach oben. Erneut tauchte er den Schwamm ins Wasser, wusch Ciels Arme und seine Seiten und ging dann um ihn herum, um ihm seinen Oberkörper von vorne einzuseifen. Als er beim Bauch anlangte, streckte der Jüngere seinen Arm aus. "Gib her, ich mach selber weiter." Das war zumindest nichts besonderes, schon lange - genau genommen seit seinem fünfzehnten Geburtstag - wusch er seine empfindlichste Region selbst. Sebastian überließ er es dann, seine Beine vom möglichen Dreck zu befreien. Ein Weilchen blieb Ciel noch in der Wanne sitzen und beobachtete das Wasser. Sebastian stand neben ihn und wartete stumm. Zierliche Finger malten Kreise auf die Oberfläche. Das Wasser war sehr klar, denn Ciel verbrachte viel Zeit in seinen Räumlichkeiten, wo er kaum Gefahr lief, sich schmutzig zu machen. Seine Haut war so zart und rein wie eh und je. Ihm war schon aufgefallen, dass einige Mädchen und junge Frauen ihm hinterher sahen, wenn er durch Londons Straßen lief. Bisher hatte er dem keine Beachtung geschenkt, aber schon einige Male hatte er sich gefragt, was sein Butler wohl über ihn dachte. Pff, dachte Ciel verächtlich. Warum soll er über mich nachdenken? Wenn er überhaupt einen Gedanken an mich verschwendet, dann ist es sicherlich höhnisch gemeint. Für Sebastian bin ich schließlich nicht mehr als ein weiteres Opfer seines Seelenhungers. Wie um die störenden Gedanken zu verscheuchen, schüttelte Ciel seinen Kopf und erhob sich. Sogleich fühlte er Sebastians Hände an seinen Schultern, die ihm ein großes Handtuch umlegten. Er griff mit beiden Händen danach und hüllte sich leicht zitternd ein. Dann nahm er Sebastians Rechte und stieg aus dem inzwischen lauwarmen Wasser. Auf dem Badezimmerläufer stehend, ließ er sich von dem Schwarzhaarigen trocken reiben. Er verfolgte mit seinen Augen Sebastians Bewegungen, doch als sie unter seinem Bauchnabel ankamen, hielt er ihn erneut auf. Ohne darüber nachzudenken fingen seine Augen den roten Blick des Älteren auf und für einen kurzen Moment war Ciel versucht, seinen Butler in seiner Tätigkeit einfach fortfahren zu lassen. Aber sobald ihm klar wurde, was er da gedacht hatte, griff er nach dem Handtuch und wich Sebastians Lächeln aus. Nachdem er auch das Herzklopfen während des Ankleidens bekämpft hatte, verließ er mit dem treuen Butler an seiner Seite das Anwesen. Kapitel 3: Beim Undertaker -------------------------- Hörbuch: Part 1: http://www.youtube.com/watch?v=o2HMVYJ1fzI Part 2: http://www.youtube.com/watch?v=w_l9SoOxccw **************************************************** Sebastian Michaelis war durch und durch Dämon. Seit Jahrhunderten nährte er sich von den Seelen der Menschen. Manchmal vergiftete er den menschlichen Geist, um so an seine Mahlzeit zu kommen, aber manchmal war der Geist eines Menschen durch andere Umstände bereits so in Mitleidenschaft geraten, dass er einen Dämon geradezu einlud. So war es bei Ciel Phantomhive gewesen. Am tiefsten Grund seines Leids angekommen, hatte der Junge nur noch Hass und Verachtung empfunden - ein herrliches Opfer für einen Dämon, was Sebastian auch sogleich auszunutzen gewusst hatte. Und da er schon lange nicht mehr in der menschlichen Welt gewesen war, fand er an dem Spiel gefallen, bei dem er alle Wünsche des Jungen in die Tat umsetzte. Wenn sich Ciel an allen gerächt haben würde, die er hasste, würde der Dämon eine der schmackhaftesten Seelen überhaupt bekommen. Aber es war nicht nur das: Wenn die Seele ihren größten Wunsch, sofern aus einem negativen Gefühl heraus geboren, erfüllt bekäme, gäbe es nichts, was einen Dämon mehr befriedigte. So hatte er seine Aufgabe als Butler an Ciels Seite übernommen und hatte mit der Zeit diesen Jungen kennengelernt, kannte ihn durch und durch. Und doch schaffte Ciel es selbst nach sieben Jahren noch, ihn manchmal zu überraschen. Es gab Situationen, in denen Sebastian sich sicher gewesen war, dass Ciel Mitleid mit jemandem hatte - nur um sofort wieder vom Gegenteil überzeugt zu werden. Und dann zeigte der Junge doch auch ehrliche Gefühle, wo er sonst immer so verschlossen war. Je mehr Zeit er bei den Menschen verbrachte, desto mehr wurde der Dämon sich bewusst, dass er sich tatsächlich um den Jungen sorgte und sich ein ums andere Mal fragte, ob es richtig sei für einen Menschen, so kalt zu sein. Sebastian lächelte und schaute zu dem schlanken Jungen, der ihm gegenüber in der Kutsche saß und ausdruckslos aus dem Fenster starrte. War das normal, dass ein pubertierender Jugendlicher so gefühlsarm war? Wobei, so gefühlsarm nun auch wieder nicht, dachte der Butler amüsiert und rief sich die Situation im Badezimmer ins Gedächtnis. Ciel hatte eindeutig nervös auf seine Berührungen reagiert. Das war an sich nichts ungewöhnliches. In diesem Alter waren Menschen oft von ihren Trieben bestimmt, gaben sich ihren Gefühlen hin, verliebten sich. Doch Ciel hatte nie ein derartiges Interesse an Frauen gezeigt. Vielleicht kam das nicht von ungefähr, überlegte Sebastian nicht zum ersten Mal. Möglicherweise fand der Junge ja mehr Gefallen an Männern. Aber selbst wenn es so wäre - Ciel würde es niemals zugeben. Er war sehr gut darin, anderen Menschen etwas vorzuspielen, sie nicht seine wahren Gefühle sehen zu lassen. Aber Sebastian war nun mal kein Mensch und er bemerkte durchaus Gefühlsregungen bei Ciel, wenn er sie auch nicht immer zu deuten vermochte. In diesem Fall würde er einfach noch ein wenig warten müssen. Vielleicht würde er auch ein wenig mit Ciel spielen, um so an dem Panzer zu kratzen, der die Gefühle des Jungen verbarg. Ein finsteres Grinsen huschte über Sebastians Gesicht, als er daran dachte, was es alles für Möglichkeiten gab, Ciel durcheinander zu bringen. Schluss damit!, schalt er sich gleich darauf innerlich. Dämon, was ist bloß los mit dir? Es gibt einen Fall zu bearbeiten, konzentriere dich gefälligst! Er schaute ebenfalls aus dem Fenster und sah, dass sie beinahe an ihrem Zielort angekommen waren. Sein Herr und er hatten nur wenige Worte der Absprache benötigt, sie waren ein eingespieltes Team, wenn es darum ging, Mordfälle zu lösen. Nachdem die Kutsche vor einem grauen Gebäude angehalten hatte, öffnete der Butler die Wagentür, stieg vor Ciel aus und hielt ihm die Hand hin, um ihm beim Hinabsteigen der Stufen behilflich zu sein. Selbst bei dieser einfachen, schon tausendfach wiederholten Geste spürte Sebastian, wie die Finger des Jüngeren leicht zitterten. Kaum war er unten angekommen, ließ Ciel die Hand auch sofort wieder los und ging ohne zu zögern auf die Tür des Hauses zu. Auf Sebastians Klopfen hin, hörte man schwere Schritte und dann wurde die Tür von einem aufgeregt wirkenden jungen Mann geöffnet. "Earl Phantomhive! Welche eine Freude, Sie zu sehen!", rief Offizier Aberline mit rotem Gesicht und wollte die Hand des Grafen packen. Der ging jedoch mit einem kurzen Erwiderungsgruß an ihm vorbei zu Lord Randall, der über verschiedene Dokumente gebeugt an seinem Tisch stand. Er sah auf, als Ciel und sein Begleiter näher kamen. Sofort schaute der Kommissar missmutig drein. Er hatte den Jungen nie leiden können, aber jetzt wo jener langsam erwachsen wurde, musste er ihm den gebührenden Respekt erweisen. "Earl Phantomhive", sagte er mit einem Nicken und streckte die rechte Hand aus. Ciel ergriff diese nur für einen kurzen Moment. Ein reiner Höflichkeitsakt, der Sebastian schmunzeln ließ. Wie unterschiedlich sein Herr doch auf die Berührungen von fremden Menschen und auf die seines Butlers reagierte. Der Butler würde dies weiterhin im Auge behalten. Ciel hielt dem Kommissar den Brief mit dem Siegel der Königin unter die Nase. "Ihre Majestät möchte, dass dieser Fall so wenig Aufsehen wie möglich erregt, was bedeutet, dass ich den Mörder so schnell wie möglich in die Finger bekommen möchte. Werden Sie mir die dafür notwendigen Informationen geben?" Sebastian hatte bereits Papier und Stift zur Hand genommen, doch Lord Randall hatte nicht viel zu sagen: "Scottland Yard weiß nicht viel mehr, als Sie. Drei junge Männer, zwei achtzehn, der andere zwanzig Jahre alt, weitere Daten zu den Personen darf ich nicht an Zivilisten weitertragen. Sie alle waren frisch verheiratet. Todesursache war jedes Mal ein Stich ins Herz." "Was ist mit den Tatorten?" "Es gibt kein erkennbares Muster, die Orte scheinen zufällig gewählt. Auch die Opfer weisen bis auf die bereits genannten keine weiteren Gemeinsamkeiten auf." Sebastian lächelte, denn er spürte, dass Lord Randall - wie immer - nicht alles gesagt hatte. Aber er und Ciel wussten sehr genau, dass der dickköpfige Kommissar ihnen nie alles preisgab und es auch nicht viel brachte, wenn man weiter nachbohrte. "Einen guten Tag." Ciel wandte sich zum Gehen, ignorierte den freundlichen Blick von Aberline und stieg wieder in die Kutsche. Auf Sebastians Anweisungen hin, brachte der Kutscher seine Pferde zum Traben; es ging quer durch die Stadt, bis sie abermals anhielten. Ciel seufzte tief. "Dass wir aber auch jedes Mal wieder hierher müssen. Ich glaube, ich sollte mir irgendwann einmal neue Informanten zulegen." "Es ist keine große Sache. Wenn es Euch stört, kann ich auch alleine hineingehen und alles Nötige in Erfahrung bringen", erwiderte Sebastian zuvorkommend, doch Ciel war bereits aufgestanden und gemeinsam verließen sie die Kutsche und standen schließlich vor einem tristen Gebäude, dessen Fassade mit einem riesigen Schild über der Tür bestückt war, welches auf das Aufgabengebiet des Hausbesitzers schließen ließ. Die übrigen Gegenstände, die an der Hauswand lehnten, würden diesbezüglich auch die letzten Zweifel beseitigen. "Undertaker?", rief Ciel, als sie eintraten. "Bist du da, Undertaker?" Sebastian und der Junge blieben inmitten der Särge stehen und sahen sich um. Wie zu erwarten war, öffnete sich plötzlich einer von ihnen und schlanke Finger mit langen schwarzen Nägeln tasteten sich vorsichtig hervor. Dann erschien ein grinsendes Gesicht, graues Haar verdeckte die Augen und fiel in langen Strähnen über die schwarze Kutte. Das düstere Äußere des Mannes wurde durch den tief sitzenden Hut mit der lang herunterhängenden Spitze noch verstärkt. Mit einem Kichern stieg der Undertaker aus dem Sarg und kam langsam auf die Besucher zu. "Na wenn das nicht der liebe, kleine Graf Phantomhive ist. Und natürlich ist der treue Butler wie immer an seiner Seite! Nun, was kann ich heute für Euch tun?" Mit einer Urne voll Knochenkeksen setzte er sich auf den Sarg direkt vor den beiden Besuchern und grinste noch breiter. Ciel räusperte sich. "Du hast in den letzten Tagen nicht zufällig drei neue - wie nennst du sie noch gleich - Kunden bekommen? Jung, männlich, erstochen?" Der Undertaker kicherte wieder. "Wenn Ihr all das bereits wisst, was kann ich Euch dann noch sagen?" "Haben diese Männer sonst irgendwelche Auffälligkeiten aufgewiesen?" "Ihr meint, außer der Tatsache, dass sie alle sehr gut aussehend waren?" Der große Mann trat mit leicht schlurfenden Schritten direkt vor Ciel und hob seine rechte Hand. Ein dünner Finger lugte aus dem Ärmel und ein langer Nagel strich sacht über Ciels Wange, der leicht angewidert zusammenzuckte. "Diese lieben Kunden waren Euch gar nicht so unähnlich. Schlank, jung und frisch, ein hübsches Gesicht. Aber etwas fehlte ihnen, ja etwas fehlte, das Ihr hoffentlich noch besitzt." Der Undertaker fing wie irre an zu kichern und drehte sich um. "Was?", rief Ciel leicht verärgert. "Was fehlte ihnen?" Sebastian wusste ebenso wie sein Herr, was nun kommen würde. Es blieb nur noch offen, wer heute als Bezahlung herhalten durfte. "Ihr wisst, was ich haben möchte, lieber Graf. Bringt mich zum Lachen!" Mit einem lauten Knacken biss der Bestatter einen Knochenkeks entzwei. Sebastian sah, wie Ciel die Stirn runzelte. Der Jüngere drehte sich zu seinem Butler um. "Heute bist du dran." "Sehr wohl, mein Herr. Aber... geht bitte vor die Tür. Und nicht lauschen." Ohne ein Widerwort begab sich Ciel nach draußen. Dieses Spielchen kannte er schon. Langsam wandte Sebastian sich dem Undertaker zu. Was konnte er ihm diesmal erzählen, um ihn zum Lachen zu bringen? Er begegnete dem erwartungsvollen Grinsen des anderen und sagte dann ohne weiter zu überlegen: "Wusstest du, dass es Dämonen gibt, die den Menschen seiner Seele vorziehen?" Stille. "Pff... Fuh..." Die Schultern des Undertakers fingen an zu zittern, der Oberkörper wippte nach vorn. "Bwahahahahaaaaa!!", brach er in schallendes Gelächter aus. Zwei Hände trafen auf kalten Stein, um den Sturz abzufangen, als der Undertaker sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Sebastians Gesicht dagegen war starr geworden. Was hatte er da gerade gesagt? Der Mensch wichtiger als die Seele? Welcher Dämon wäre denn dieser Meinung? Er schluckte und verdrängte den Gedanken, als er Ciel, dem das laute Lachen nicht entgangen war, zurückkehren sah. Mit einem Lächeln sagte der Butler: "Ich denke, dass er jetzt jede weitere Frage beantworten wird." Der Undertaker rappelte sich immer noch leise glucksend vom Boden hoch. "Lieber Herr Butler, so etwas hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Sie haben mehr Sinn für Humor, als man Ihnen ansieht!" Als Sebastian nur säuerlich den Mund verzog, legte sein Gegenüber den Kopf schief und plötzlich grinste er so irre wie noch nie. "Oder war es letzten Endes gar kein Witz? Das kann nicht Ihr Ernst sein? So etwas hab ich wirklich noch nie gehört... unfassbar!" Erneut brach der Bestatter in lautes Lachen aus. Irritiert sah Ciel seinem Butler ins Gesicht. "Was hast du ihm bloß erzählt?" Mit unergründlichem Blick erwiderte Sebastian: "Nur ein kleines Dämonenmärchen." "Ihr habt Märchen?" Ciel stieß ein Lachen aus und schloss dann leicht genervt die Augen. "Undertaker? Beantworte mir jetzt meine Frage: Was fehlte den Männern?" "Aber das ist wirklich ein unschönes Thema für einen so unschuldigen jungen Knaben wie Euch, Earl." Sebastian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Jung mochte er sein, aber unschuldig ganz gewiss nicht. Zumindest nicht, wenn es um die Einzelheiten von Todesursachen ging. Ciel stemmte die Hände in die Seiten und kniff die Augen leicht zusammen. "Wie meinst du das? Rück endlich raus mit der Sprache!" "Es fehlte etwas, das nicht nur der Besitzer vermissen würde, sondern auch seine Ehefrau. Lasst es mich mit einem kleinen Rätsel versuchen: Es kommt dir entgegen, wenn man es lockt. Es sabbert, wenn man es streichelt. Es ist der beste Freund des Menschen..." Wieder lehnte sich der Undertaker dicht zu Ciel und strich ihm leicht mit seinen spitzen Fingernägeln übers Gesicht. Der Junge schaute verwirrt und es kam ihm vor, als hätte er irgendetwas verpasst. "Ein... ein Hund?" versuchte er und schalt sich innerlich einen Idioten - warum sollte den Männern ein Hund fehlen? Sebastian führte die Hand an seine Stirn und stöhnte mitleidig auf. Der Junge war wirklich noch zu unschuldig. Grinsend fuhr der Undertaker mit seiner Hand an Ciels Oberkörper herab, bis er kurz unter der Gürtellinie stoppte. Ciel zitterte und wollte schon den Bestatter von sich stoßen, als zwei Hände ihn von hinten an den Schultern packten und energisch ein paar Schritte rückwärts zerrten. Sebastian hatte eine unbekannte Hitze in sich aufsteigen spüren und reflexartig seinen Herrn dem Zugriff des Undertakers entzogen. Letzterer war wieder in sein ewiges Kichern verfallen und leckte sich die Finger. "Mein lieber Graf, Ihr seid zu süß. Meinen drei Kunden fehlte ihr Geschlechtsorgan." Sebastian, der seine Hände noch immer auf Ciels Schultern ruhen hatte, sah, wie dieser leicht errötete, dann aber trotzig sein Kinn hob. "Das ist schon alles? Und deswegen machst du so einen Aufstand? Ich bin schon lange kein kleines Kind mehr." "Oh, aber das war noch nicht alles... hihihihii...", gluckste der Bestatter. "Soweit ich das erkennen konnte, wurden ihr wertes Stück im Zustand der Erregung vom Körper getrennt. Stellt Euch das nur vor, junger Graf! Wie grausam..." Unruhig schüttelte Ciel die Hände seines Butlers ab und brachte mit einem schnellen Schritt einen Sicherheitsabstand zwischen sich und den großen schwarzhaarigen Mann, der ein süffisantes Lächeln aufgesetzt hatte. "War das alles, Undertaker?" "Oh, Ihr möchtet vielleicht nicht doch etwas essen?", fragte der Angesprochene höflich und hielt ihm die Urne hin. "Nein, danke. Bis zum nächsten Mal." Ciel drehte sich um. "Sebastian, wir gehen." "Ja, mein Herr." "Es war wahrscheinlich eine Frau", sagte Ciel, als sie wieder in der Kutsche saßen. Den Ellenbogen auf die Armlehne gestützt, sah er zu Sebastian, der zustimmend nickte. "Das ist anzunehmen. Es gibt nicht viele Männer, die mitleidslos einem anderen Mann solche Schmerzen bereiten können, ist ihnen ihr eigenes Stück doch viel zu wertvoll." Sebastians rote Augen bohrten sich in Ciels eines blaues, während der Butler hinzufügte: "Das müsstet auch Ihr inzwischen nur zu gut wissen, nicht wahr, junger Herr?" Ciel konnte eine erneute Rötung seiner Wangen nicht verhindern und wich dem Blick des Älteren aus. "Spar dir solche Bemerkungen, Sebastian. Sag mir lieber, warum jemand überhaupt so etwas tun sollte." Ergeben senkte der Butler den Blick und wurde wieder ernst. "Es könnte sich um eine Frau handeln, die einen Hass auf Männer im Allgemeinen hegt. Vielleicht wurde ihr Leid zugefügt, für das sie sich nun rächen möchte." "Aber warum verheiratete Männer? Und wieso in diesem Alter?" Nachdenklich legte Ciel sein Kinn in die geöffnete Hand und schwieg. Sebastian beobachtete seinen Herrn, wie das Licht der Mittagssonne durch das Fenster auf sein Gesicht schien und das blaue Auge zum Leuchten brachte. Wenn ich doch jetzt sein anderes Auge in diesem Licht sehen könnte. Das wäre wahrlich ein schöner Anblick. Und seine blasse Haut scheint fast weiß zu sein, so hell wie meine... du benimmst dich wirklich albern. Ciels Worte unterbrachen Sebastians Gedanken: "Wir wissen noch immer viel zu wenig. Beschaffe mir die allgemeinen Daten zu den Männern, Name, Stand und so weiter. Wir sehen uns dann zu Hause wieder." Sebastian stand auf und verbeugte sich. "Yes, my Lord." Er öffnete die Tür der noch fahrenden Kutsche, ignorierte den Protest des Fahrers und sprang aus dem Wagen, nachdem er Ciel ein finsteres Lächeln zugeworfen hatte. Dann rannte er. Und wie er rannte. Blitzschnell, unsichtbar für das menschliche Auge, war er wieder beim Revier der Polizei von Scottland Yard angelangt, hatte sich unbemerkt Zugang zu den Akten verschafft und die nötigen Informationen notiert. Mit wenigen Bewegungen war er wieder auf der Straße und beeilte sich schnell zurück zum Anwesen der Phantomhives zu kommen, um dort den Nachmittagstee für seinen Herrn zuzubereiten. An seine eigenen oder dessen merkwürdige Gefühle verschwendete er nun vorerst keinen Gedanken mehr. Kapitel 4: Ein Blick in die Seele der Elizabeth Middleford ---------------------------------------------------------- Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=rTPz7IPTOLk ************************** Hallo, liebe Leser - immerhin sind es 7 an der Zahl! Vielen Dank, dass ihr Changing Hearts lest! Ich bin froh, dass es überhaupt jemanden gibt, der Interesse daran hat. Vielen Dank! Hier nun ein weiteres Kapitel (etwas kürzer), diesmal über Elizabeth. Ich mag die im Manga eigentlich nicht, aber sie wird auch recht einseitig dargestellt. Ich versuche ihr etwas mehr Tiefe zu geben. Ich würde mich freuen, auch mal eure Meinung zu meiner FF zu hören, also zögert nicht, ich verkrafte Kritik. Und nun genug des allgemeinen Bla-Blas, viel spaß mit Kapitel 4! --------------------------------------------------------------------- Leise vor sich hin summend hüpfte ein hübsches Mädchen, noch keine siebzehn Jahre alt, im Sonnenlicht dahin. Goldene Locken wippten neckisch auf und ab, als Elizabeth Middleford den Rosenhügel vor ihrem Anwesen hinunter lief. In ihren Armen trug sie einen großen Strauß wunderschöner roter Rosen. Immer wieder führte sie ihn an ihre Nase, atmete hingebungsvoll den süßen Duft ein und schloss genießerisch die Augen. In diesem Moment fühlte sie sich pudelwohl - in England wurde man nicht oft mit solch einem strahlenden Wetter beschenkt. Wenn doch Ciel jetzt bei ihr wäre, in solch einer Situation könnte nicht einmal er sich eines Lachens erwehren. "Lizzy, Schätzchen, komm herein, es ist Teezeit!", weckte sie eine Stimme aus ihren Tagträumereien. "Jaaa!!", rief sie lauthals zurück und beeilte sich, ins Haus zu kommen. Drinnen wurde sie schon mit einem strengen Blick von ihrer Mutter, der Marquise Frances Middleford, erwartet. "Lizzy, schau dir nur deine Schuhe an! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du im Garten deine Stiefel tragen sollst? Und du hast ja schon wieder Blumen gepflückt - nun sieh dir nur deine Finger an, voller Kratzer." Seufzend nahm sie die Hände ihrer Tochter in Augenschein. Elizabeth wagte nichts zu erwidern, obwohl sie die Sorge ihrer Mutter vollkommen unberechtigt fand. Was war denn schon dabei, wenn ihre Schuhe ein wenig schmutzig wurden? Es waren schließlich Schuhe, mit denen lief man nun mal auf dem Boden. Doch sie blickte ihrer Mutter ergeben ins Gesicht und sagte artig: "Es tut mir Leid, Mutter. Es wird nicht wieder vorkommen." "Natürlich wird es wieder vorkommen", spottete Frances, musste dann aber lächeln. "So, und nun mach dich rasch frisch, damit dein Vater dich nicht so zu Gesicht bekommt!" Mit einer Tasse Tee in der Hand machte Elizabeth es sich auf dem großen Sofa im Salon bequem und beobachtete lächelnd, wie ihre Eltern sich gegenseitig mit Gebäck fütterten. Ach, wie gern hätte ich auch schon einen Mann an meiner Seite! Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als endlich zu heiraten, einen eigenen Haushalt zu haben, Kinder zu bekommen... Aber Ciel... Elizabeth wurde ein wenig traurig. Seit einiger Zeit schon wurde Ciel in ihren Zukunftsvisionen immer blasser. Sie war sich einfach nicht mehr sicher, was sie von ihm noch erwarten konnte. Es war schon soweit gekommen, dass sie an ihrer Liebe zu ihm zweifelte. Das hatte sie nie gewollt. Aber sie hatte auch nie damit gerechnet, dass Ciel selbst jetzt noch, sieben Jahre nach dem Tod seiner Eltern, so verschlossen sein würde. Dabei hatte sie sich immer solche Mühe gegeben, ihn glücklich zu machen. Sollte das alles umsonst gewesen sein? Ihr Vater bemerkte ihren trübsinnigen Blick und beugte sich über den Tisch. Mit einem aufmunternden Lächeln hielt er seiner Tochter einen Keks hin, den sie dankend annahm. "Was hat meine schöne Lizzy denn? Liebeskummer?" "Vater!", rief Elizabeth entrüstet aus. "Stell mir doch nicht solche Fragen!" Er kicherte und warf seiner Frau einen amüsierten Blick zu. "Immer mit der Ruhe", sagte er versöhnlich. "Was auch immer es ist, ich weiß, womit ich dich aufmuntern kann." Erwartungsvoll sah Elizabeth auf. "In drei Tagen, am Samstag Abend, findet bei meinem Cousin ein Ball statt, zu dem wir alle herzlich eingeladen sind. Also -", er lachte verschmitzt, "ich erwarte, dass du an dem Abend allen jungen Männern den Kopf verdrehst, also lass dir von der Schneiderin etwas besonders hübsches zaubern, ja?" Er hob die Hand und strich leicht über Elizabeths Haar. Diese lächelte und erwiderte: "Natürlich! Ich werde die Schönste von allen sein!" "So ist es richtig, zeig mir ein fröhliches Gesicht!" Sie mussten lachen. Was bin ich froh, so einen Vater zu haben, dachte das blonde Mädchen glücklich. Er weiß einfach immer, wie er mich aufheitern kann. Nach dem Tee saß Elizabeth in ihrem Ankleideraum und betrachtete sich im Spiegel. Bis eben war sie in Gedanken bei ihrer Kleidung für den anstehenden Ball gewesen, aber wie so oft in diesen Tagen schweifte sie ab. Sie merkte ganz deutlich, dass sie erwachsen wurde, sie erkannte sich selbst kaum mehr, wenn sie sich zum wiederholten Male dabei ertappte, wie in ihren Gedanken Bilder von Männern auftauchten. Immer wieder dachte sie darüber nach, was für eine Art Mann ihr gefallen könnte, ob dieser oder jener ihrer Bekannten vielleicht an ihr interessiert wäre. Manchmal bekam sie dann ein schlechtes Gewissen, wenn ihr Ciel einfiel. Er war doch ihr Verlobter! Sie hatte ihre Eltern auch schon darüber sprechen hören, dass sie Ciel heiraten könne, sobald sie das siebzehnte Lebensjahr erreicht hätte - was in wenigen Wochen der Fall sein würde. Aber noch hatte Ciel keinerlei Intentionen gezeigt, die früh gemachten Pläne ihrer beider Eltern irgendwann in die Tat umzusetzen. Wenn er mich doch lieben würde!, dachte Elizabeth nicht zum ersten Mal. Dann wäre alles gut! Sie sah sich im Spiegel selbst in die grünen Augen und wurde mit einem Mal todernst. Lizzy, sei mal ehrlich zu dir! Die ganzen Jahre hast du dich um ihn bemüht, warst immer freundlich zu ihm. Hat er dir jemals dafür gedankt? Hat er dich jemals von selbst zu sich gebeten? Alles, was er tat, waren Zeichen der Höflichkeit. Und du sitzt da und träumst von der Liebe... Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Lippen fingen an zu zittern... "Ich weiß, dass er mich nicht liebt!", schrie sie plötzlich ihr Spiegelbild an und sprang erregt auf. Sie keuchte und flüsterte - als ob sie es sich selbst kaum zu hören lassen traute: "Ich weiß, dass ich mit ihm niemals vollkommen glücklich sein kann." Eine Weile stand sie einfach nur da, wie erstarrt, als ob sie sich vor ihren eigenen Worten erschreckt hätte. Dann fiel sie wie ein Kartoffelsack auf ihren Hocker zurück und ließ die Schultern hängen. Solche kleinen Ausbrüche überkamen sie in der letzten Zeit häufiger, allmählich hatte sie vor sich selbst Angst. Nach einigen Minuten hatte sie sich wieder einigermaßen im Griff. Trotzig zog sie die Nase hoch, trocknete ihre Tränen und lächelte in den Spiegel. Nein, sie würde nicht am Liebeskummer verzweifeln! Sie würde am Samstag auf den Ball gehen und sich vergnügen, würde hoffentlich ein paar neue Bekanntschaften schließen und ihre Gedanken nicht mehr an den kalten Ciel Phantomhive verschwenden. Sollte er doch hingehen, wo der Pfeffer wächst! Mit den Jahren war dies Elizabeth Middlefords bewährteste Methode geworden, um ihre unerwiderte Liebe zu ihrem Verlobten zu verdrängen. Kapitel 5: Verdammter Stolz! ---------------------------- Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=ak4f9rN4Nok ******************************* "Willkommen zu Hause, junger Herr", sagte Sebastian, als er seinem Herrn mit einer Verbeugung die Tür öffnete. Ciel ließ sich von ihm Hut und Mantel abnehmen und kam schon zur Sache, als beide noch auf dem Weg in sein Arbeitszimmer waren. "Ich hoffe, du hast alle Informationen beschaffen können." Gemeinsam betraten sie den Raum, der voller Bücher war und sich an der Fensterseite mit einem großen, wertvollen Schreibtisch schmückte. "Natürlich, mein Herr. Es war keine schwierige Aufgabe, einen Blick in die Akten der Polizei zu erhalten." Mit einem Seufzen hatte Ciel sich auf seinem Sessel niedergelassen und machte eine auffordernde Geste, woraufhin sein Butler sogleich die Ergebnisse seiner Erkundigungen vortrug. "Die drei Opfer sind zum einen die beiden achtzehnjährigen Philippe Hampshire und Henry Walter und zum andern der zwanzigjährige George McDuff. Sie alle hatten einen Wohnsitz in London und waren Mitglieder der oberen Gesellschaft, allerdings aus einem anderen Bekanntenkreis als dem Eurigen, daher werdet Ihr sie vermutlich nicht kennen. Allerdings könnte es sein, dass sie Lady Elizabeth über ihren Großonkel bekannt sind." "Hm...", machte Ciel. "Diese Verbindung könnte uns vielleicht noch nutzen." "Soll ich bei der Marquise einen Besuch ankündigen?" "Nein, noch nicht. Zunächst will ich versuchen, Lizzy da raus zu halten." Ciel lehnte sich zurück und schloss sein Auge. "Ihr sorgt Euch um sie, nicht wahr, junger Herr?" Verärgert riss der Junge das Auge wieder auf und bedachte seinen Butler, der lächelnd vor ihm stand, mit einem missmutigen Blick. "So sehr, wie man sich eben um eine Bekannte sorgt. Aber du weißt sehr wohl, dass ich kein weiteres Interesse für sie hege." Er wandte den Blick ab und starrte auf seine Schreibtischplatte. Sebastian beugte sich ein wenig vor. "Könnte es sein, dass Ihr Lady Elizabeth nicht ehelichen wollt?" Aufgeschreckt sah Ciel wieder auf und wurde von den roten Augen des Dämons gefangen genommen. Sebastian hatte eben so unbekümmert ausgesprochen, was bereits eine Weile an ihm nagte. Ihm war schon lange klar, dass er nicht wirklich mit Elizabeth den Bund der Ehe schließen wollte, aber es laut auszusprechen hatte er bisher nicht gewagt. Denn wie sollte er diese Verbindung lösen, ohne sich und seiner Familie Schande zu bereiten? Es wäre nur in beiderseitigem Einverständnis möglich Verdammter Stolz!, dachte Ciel wütend. "Junger Herr?" Sebastian war vor ihm auf die Knie gegangen und schaute ihm prüfend ins Gesicht. "Ihr liebt sie nicht", stellte er dann gelassen fest. "Eine Ehe wird nicht immer aus Liebe geschlossen", erwiderte Ciel kalt, doch er konnte seinen Blick nicht von Sebastians abwenden. Wie ein erschrockenes Reh starrte er ihn an und konnte für einige Augenblicke keinen klaren Gedanken fassen. Sebastian hob seine rechte Hand und führte sie wie in Zeitlupe zu Ciels Gesicht, strich ihm dann leicht wie eine Feder über die Wange. "Es ist nicht Eure Art, sich den Wünschen anderer zu beugen." Ciel spürte Hitze in sich aufsteigen, doch er blickte weiter wie gebannt in die Augen seines Gegenübers. Abschätzend. Abwartend. Erwartend? Sebastian lächelte sanft und ließ seine Hand auf der Wange seines Herrn ruhen. "Auch wenn Ihr es gut zu verstecken wisst, seid auch Ihr ein Mensch. Fühlt Euer Herz denn gar nichts?" Als er ein Zittern in sich aufsteigen fühlte, schob Ciel die Hand des Butlers zur Seite und wandte nun endlich den Blick ab. Mein Herz?, dachte er grimmig. Lachhaft. Sebastian hat keine Ahnung von meinem Herzen! Ach, aber du?, bohrte eine fiese kleine Stimme in seinem Inneren, die er zu ignorieren versuchte. "Mach mir einen Tee, Sebastian. Und etwas Süßes will ich auch." Es half ihm seine Nervosität zu überspielen, wenn er wie üblich Befehle erteilte. Sebastian grinste finster und verbeugte sich leicht. "Wie Ihr wünscht, mein Herr." Kaum hatte die Tür sich hinter dem Butler geschlossen, ließ Ciel den Kopf auf seine Arme sinken und fing an zu grübeln. Was hatte er eben gefühlt, als Sebastian ihn berührte? Er war eindeutig nervös gewesen, so viel konnte er zugeben. Aber warum war ihm so heiß geworden? Er konnte die Hitze immer noch fühlen, ebenso das Gefühl von Sebastians Fingern auf seiner Haut. Gedankenverloren tasten sich seine eigenen Finger an sein Gesicht. Warum hatte er die Hand nicht gleich weggeschlagen? Hatte er wirklich so etwas wie eine Erwartung gespürt? Ihm kamen Sebastians Worte wieder in den Sinn. Ah, was ist nur los? Ciel kniff die Augen zusammen. Ich hasse das. Mein Herz...? Was hat mein Herz damit zu tun? Meine Gefühle sind zusammen mit meinen Eltern in den Flammen gestorben. Und die Folter hat dafür gesorgt, dass sie gut begraben wurden. Aber warum widerstrebt es mir dann so, Elizabeth zu heiraten? Seine übliche Begründung dafür war, dass seine Verlobte ihm schlicht und ergreifend oft auf die Nerven fiel. Sie hatte einfach eine ganz andere Art als er, und das würde er nicht für den Rest seines Lebens aushalten. Ein weiterer Grund war, dass sie ihm eben doch auch nicht ganz gleichgültig war. So war sie immer noch im Unwissen um seine Tätigkeiten im Dienste der Königin. Elizabeth sollte niemals in diese finstere Welt hinein gezogen werden, aber wie sollte er es vor ihr geheim halten, wenn sie erst zusammen wohnen würden? Aber das war nicht alles, irgendwo tief in seinem Innern spürte Ciel, dass es noch einen weiteren Grund gab. Und arrogant wie er war, störte es ihn über alle Maßen, dass er nicht erkennen konnte, was es war. Sebastian schloss dir Tür des Arbeitszimmers und lief den Gang hinab in Richtung der Küche. Nun mit seinen Gedanken allein, versuchte er sich über seine Handlung von eben Klarheit zu verschaffen. Er hatte einfach ohne zu überlegen, seinem Herrn die Wange gestreichelt und unerlaubte Fragen gestellt. Aber was ihn viel mehr erstaunte, war die Tatsache, dass Ciel nicht sofort protestiert hatte. Mochte der Junge es, von ihm berührt zu werden? Was bildest du dir ein? Sebastian schüttelte grinsend den Kopf. Ciel war nur zu verwirrt gewesen, deine Fragen haben ihn irritiert. Aber warum hatten sie ihn eigentlich so irritiert? Fiel es Ciel so schwer, dazu zustehen, dass er Elizabeth nicht wollte? Für den Butler war es bereits glasklar, dass die beiden niemals heiraten würden. Diese Gewissheit stimmte ihn irgendwie heiter. Dämon, du beschämst mich. Machst dir so viele Gedanken um einen Menschen. Aber noch fand Sebastian an dem Spiel Gefallen. Es würde ihm großes Vergnügen bereiten, seinen Herrn ein wenig zu reizen, an dessen Nerven zu kitzeln. Er wusste, dass er in der Lage dazu war, denn er hatte Ciel eben schon zum Erröten gebracht. Wie weit er ihn wohl bringen konnte? Aus einem für ihn unerfindlichen Grund, brannte er darauf zu wissen, was Ciel wirklich fühlte. BOOOOM! machte es plötzlich und Sebastian stöhnte auf. Er wusste ganz genau, woher das laute Krachen einer Explosion kam, befand er sich doch in der Nähe der Küche, die er dann auch nach wenigen Augenblicken betrat. Seine Befürchtungen wurden bestätigt. Der selbsternannte Chefkoch Bard hockte inmitten von Scherben und Gesteinsbrocken auf dem Fußboden. In der Hand hielt er noch immer ein besonders großes Exemplar von Feuerwaffe. "Oh liebe Güte", seufzte Sebastian. Als Bard den Butler sah, sprang er auf und fing sofort an sich mit zerknirschtem Gesichtsausdruck zu entschuldigen. Er habe doch nur seine neueste Errungenschaft testen wollen und hatte es für eine gute Idee gehalten, dies gleich für die Zubereitung des Abendessens zu nutzen. Sebastian bahnte sich einen Weg zu dem Schrank mit den Teedosen, nahm eine heraus und bereitete den Tee für seinen Herrn zu. "Bardroy, ich frage mich ernsthaft, ob du jemals begreifen wirst, dass solche Waffen nichts in dieser Küche zu suchen haben", sagte er dabei so gelassen wie möglich und legte ein paar Törtchen auf einen Teller. "Ich muss jetzt wieder zum jungen Herrn, aber wenn ich zurückkomme, hast du dieses Chaos wieder in Ordnung gebracht, verstanden?" "Ja, Sir!" Bard salutierte. Abermals schüttelte der Butler den Kopf, nahm das volle Tablett und verließ die Küche. Oben angekommen klopfte er leicht an die schwere Eichentür. "Herein." Er öffnete die Tür und trug das Tablett mit dem Tee zum Schreibtisch. Ciel sah ihn nicht an, er hatte das Kinn auf seine gefalteten Hände gestützt und schien zu grübeln. Sebastian wurde neugierig, doch bevor er etwas sagen konnte, wies der Junge mit seiner Hand zur Tür. "Lass mich allein, Sebastian." Ohne sich seine leichte Enttäuschung anmerken zu lassen, verbeugte sich der Butler. "Yes, my Lord." Kapitel 6: Des Nachts... ------------------------ Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=QOgTm7fvWJM (absolut hörenswert!!) ***************************** Oder auch: Was macht ein Butler, wenn sein Herr schläft? Guten Abend, liebe Leser (es ist 02:24) hier ist ein weiteres Kapitel, bei dem ich euch viel Vergnügen wünsche. Ich bin auch sehr gespannt, was ihr meinen neuesten Phantasien haltet. Und nun viel Spaß und herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit (und die Favoriteneinträge!!), eure Angelina ************************************************************************* Nachdem Bard es mithilfe von Sebastian doch noch geschafft hatte, ein Abendessen auf den Tisch zu bringen, verlief der Abend wie gewöhnlich. Gesättigt begab sich Ciel in sein Arbeitszimmer, um vor dem Zubettgehen noch einige Dokumente für den nächsten Tag durch zu sehen. Er las sich nochmals die Personenbeschreibungen der Opfer durch und überlegte, wie er am ehesten mit deren Familien in Kontakt kommen könnte. Er würde wohl wieder einmal für einige Zeit das Anwesen verlassen und in London wohnen müssen, bis der Fall geklärt war. Seine Hand wanderte wie von selbst zu der Kordel, die Sebastian herbeirufen würde. Es war keine Minute vergangen, da kam der Butler nach einem leisen Klopfen schon zur Tür herein. "Was kann ich für Euch tun, junger Herr?" Ohne von seinen Dokumenten aufzusehen, antwortete Ciel im Befehlston: "Wir werden für die Dauer der Aufklärung des Falls meine Villa in London beziehen. Ich erwarte, dass bis morgen früh alles zur Abfahrt bereit ist." "Sehr wohl. Sonst noch etwas?" Ciel gähnte. "Nein, für den Moment nicht. Ich werde noch ein wenig lesen." Er nahm sich wahllos irgendein Buch zur Hand, schlug es auf und begann zu lesen. Er tat dies nur aus einem einzigen Grund: Er wollte nicht nachdenken müssen. Ablenkung war die beste Verteidigung gegen unwillkommene Gefühle. Er hatte Sebastian absichtlich nicht hinaus geschickt, denn sein Stolz sagte ihm, dass er dessen Nähe ertragen müsste. Also starrte er auf die Zeilen vor sich und versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren, aber das war gar nicht so einfach. Sebastian grinste in sich hinein. Ihm war nicht befohlen worden zu gehen, also hatte er sich neben dem Fenster postiert und wartete. Er beobachtete seinen Herrn, wie dieser die Seiten umblätterte, und bemerkte schnell, dass Ciel nicht wirklich las. Er schien sich also von irgendetwas ablenken zu wollen. Dieser Gedanke amüsierte Sebastian außerordentlich. Schon nach kurzer Zeit fiel Ciels Kinn jedoch auf seine Brust und das Buch kippte zur Seite; der Junge war eingeschlafen. Mit wenigen Schritten war Sebastian bei ihm und beugte sich herunter. "Mein Herr?", fragte er leise. Es kam keine Antwort. Ein Lächeln stahl sich auf Sebastians Gesicht. Er hatte versucht ihn zu wecken, der Herr war nicht aufgewacht, also blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als Ciel ins Bett zu tragen. Er war sich sicher, dass der Junge dem nicht zugestimmt hätte, aber er befand sich nun einmal gerade in einer verlockend hilflosen Lage. Vorsichtig schob Sebastian seinen linken Arm hinter Ciels Rücken, mit der rechten Hand fasste er unter die Kniekehlen. Dann hob er ihn hoch, bedacht darauf, keine ruckartigen Bewegungen zu machen. Ciels Kopf lehnte an seiner Brust, Sebastians Blick blieb an dem leicht geöffnetem Mund hängen. Die Lippen sahen so weich aus - ob sie es auch waren? Einen Moment genoss er das Gefühl des warmen Körpers in seinen Armen und der Dämon war versucht, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die Lippen sich tatsächlich so anfühlten, wie sie aussahen, aber dann sagte er sich, dass er sich nicht so viel vorwegnehmen wollte. Er würde das Spiel langsam angehen, dann würde es auch nicht so schnell wieder vorbei sein. Ruhigen Schrittes ging er hinüber ins Schlafzimmer, schloss sorgfältig die Tür und legte Ciel sanft auf seinem großen Himmelbett ab. Der Kopf des Jüngeren kippte leicht nach hinten. Was nun? Der Herr war noch vollständig bekleidet, so konnte er unmöglich die ganze Nacht bleiben. In Sebastian regte sich der Dämon, streckte begierig seine Hände aus. Sollte er es wagen und den Herrn ohne seine Erlaubnis entkleiden? Er konnte seine Hände dabei beobachten, wie sie gemächlich das Gesicht des Jungen einrahmten, dann den Hals hinunter strichen, über die Brust, die Finger griffen nach den Knöpfen der Jacke. "Hm...", kam es von Ciel, verwirrt schlug er sein Auge auf und das erste, was er über sich erblickte, waren zwei leuchtend rote Augen, die ihn anstarrten. Er blinzelte und im nächsten Moment waren sie verschwunden. Er rappelte sich hoch und sah seinen Butler neben sich vor dem Bett stehen. "Was ist los?", fragte er schlaftrunken. "Ihr seid eingeschlafen, junger Herr. Ich habe mir die Freiheit genommen, Euch ins Bett zu tragen und überlegte gerade, Euch zu wecken, damit wir Euch umziehen können." Das war zumindest nicht gelogen. "Hm...", brummte Ciel verwirrt. Sebastian konnte deutlich die Nervosität im Gesicht des anderen sehen, überging diese jedoch geflissentlich und hockte sich hin. Schweigend begann er, dem Herrn Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Er fühlte den Blick des blauen Auges auf sich und grinste. Als er sich an der Oberbekleidung zu schaffen machte, ließ er seine Hände besonders zärtlich über den Stoff gleiten. Er wollte Ciel ein bisschen was zum Nachdenken geben. Also griff er den Saum des Hemdes nicht wie üblich von außen, sondern schob die Hände unter den Stoff - ein leichtes Zittern war am Körper des Jungen zu spüren - und streifte das Hemd die gesamte Armlänge entlang hinunter. Dabei hatte er absichtlich den Kopf nach unten gesenkt. Ciel schien etwas sagen zu wollen, aber seine Stimme versagte und es war nur ein heiseres Räuspern zu hören. Für einen Moment blickte Sebastian hoch und ließ seinen Herrn einen Hauch seines diabolischen Lächelns sehen. Soll er davon doch halten, was er möchte. Auf ähnliche Weise verfuhr der Butler mit der Hose und einen Augenblick später stand Ciel schon nackt vor ihm, der immer noch kniete und somit einen ziemlich direkten Blick auf die intimste Region seines Körpers hatte. Er hatte offensichtlich etwas zu lang inne gehalten, denn schon drehte sich Ciel etwas zur Seite und sagte barsch, obwohl er ein leichtes Zittern in der Stimme nicht verbergen konnte: "Mir wird kalt." Sebastian wagte einen weiteren Schritt: "Soll ich Euch wärmen?" Er wurde prompt mit einem bösen Blick von Ciel bedacht. Die Rötung seiner Wangen war aber unübersehbar. "Halt den Mund, Sebastian. Ich will endlich mein Nachthemd." "Natürlich, mein Herr." Die Augenklappe nahm Ciel sich selbst ab. Als Ciel etwas überhastet die Decke über sich gezogen hatte, nahm Sebastian den Kerzenhalter von der Kommode und wünschte eine gute Nacht. Er schloss dir Tür hinter sich und ging ein paar Schritte den Flur hinab. Dann blieb er stehen. Und wartete. Nach einiger Zeit vernahm er die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge seines Herrn. Die Augen des Dämons begannen zu glühen. Dunkelheit. Im Mutterleib ist es dunkel. In der Erde ist es dunkel. Schwarz ist die Farbe der Geborgenheit und des Schutzes. Aber sie ist auch das Reich der Schatten, des Unbekannten. Sie bietet Unterschlupf für diejenigen, die nicht gesehen werden wollen, und wird so zur Bedrohung derjenigen, die nicht sehen können, was sie aber doch so deutlich wahrnehmen. Ciel hat das Gefühl, schon stundenlang durch die Dunkelheit zu rennen, während er doch keinen Schritt voran kommt. Seine Füße sind schwer wie Blei. Und er fürchtet sich, er hasst es. Er kann nichts dagegen tun. Obwohl er genau weiß, dass er träumt. Diese Träume voller Schwärze kennt er gut und die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass er irgendwann wieder aufwachen wird. Er müsste nur die Augen öffnen und alles wäre vorbei. Stöhnend dreht er sich auf die andere Seite, winkelt die Beine etwas mehr an. Er spürt weiche Stoffe unter sich, aber versucht immer noch, seine Füße durch den schwarzen Treibsand zu bewegen. Er zuckt leicht zusammen, als eine weiße Feder seine Wange berührt. Plötzlich fliegen überall Federn umher, schwarze, graue und weiße. Doch die eine Feder in seinem Gesicht bleibt da, bewegt sich zart auf seiner Haut, gleitet von seinem Wangenknochen über die Stirn, die Nase hinunter, kitzelt seine Lippen, die sich mit einem Seufzer öffnen. Ist das normal für Federn? Doch bevor Ciel weiter darüber nachdenken kann, ob Federn im Allgemeinen anhänglich sind, keucht er leise auf, als das freche weiße Ding sich an seinem Hals zu schaffen macht und ihn vorwitzig am Schlüsselbein neckt. Hm, merkwürdig. Die Feder ist eigenartig fest. Jetzt schwebt sie hinter sein Ohr, streicht sanft durch sein Haar. Es fühlt sich gut an. Seine Lippen kräuseln sich zu einem zaghaften Lächeln. Mehr... "So eine glatte Haut." Was? "Zart und weich wie Seide." Wer spricht da? "Ihr seid wunderschön." Ciels Augenlider flackern unruhig, doch er wacht nicht auf. Seine Füße stecken immerhin nicht mehr im Matsch, aber er versucht auch nicht mehr davon zu laufen. Noch mit einem leichten Schaudern lässt er sich Herzschlag für Herzschlag immer mehr in die schützende Umarmung der Dunkelheit fallen. Es ist nicht mehr gänzlich schwarz, sondern irgendwie wärmer... röter. Es erinnert ihn an etwas. Rot. Aber nicht grell, nicht unangenehm, einfach nur warm. Ein rotes Schwarz. Die Federn sind nun auch verschwunden, aber der sanfte Druck um seinen Oberkörper nicht. Noch immer streicht etwas zärtlich über seine Haut. Sogar... Moment mal! Ciel wird unruhig, windet sich unter der Hand - es ist eine Hand! -, die sich wagemutig auf Entdeckungstour begibt und seinen Bauch streichelt, ein Finger kreist um seinen Nabel, gleitet etwas tiefer. Ihm wird heiß. Aber es ist gut. Es kribbelt. Es ist gut. Er mag es. Sein Herzschlag geht schneller, er will wieder weiterlaufen, aber nun wird er von etwas weichem, aber starken um seinen Oberkörper herum festgehalten. Er kann nicht weg. Und die Hitze wird stärker, das Kribbeln auch. Er stöhnt. Dabei hat sich die Hand nicht mehr bewegt, sie ruht immer noch nur wenige Zentimeter unter seinem Bauchnabel. Aber er spürt sie so deutlich. Und es ist heiß. Dann verschwindet die Hand. Er fühlt sie wieder auf seinem Gesicht, sie streicht Strähnchen von der Stirn, wischt ihm den Schweiß ab. Es tut gut. Auch die Hitze lässt langsam nach. Es ist nur noch warm. Erschöpft atmet er tief ein, lässt sich wieder in schwarze Dunkelheit sinken, nun aber völlig ohne Angst. "Schwarz ist die Farbe der Geborgenheit." Ja. Ich weiß... Mit einem lauten Keuchen saß Ciel kerzengerade in seinem großen Himmelbett. Fast panisch ließ er seine Augen schnell durchs Zimmer schweifen, er war sich sicher gewesen, dass etwas dagewesen war, aber er konnte niemanden sehen, noch verdächtige Geräusche vernehmen. Er war vollkommen allein. Ein wenig erleichtert schloss er die Augen. Sein Herz pochte laut. Bewusst atmete er tiefer, wollte es beruhigen. Dann spürte er noch ein anderes Pochen und riss entsetzt die Augen auf. Sein Blick blieb in der Mitte der Bettdecke hängen, wo sich unübersehbar eine Beule gebildet hatte. Das Blut wäre ihm in die Wangen geschossen, hätte es sich nicht schon an anderer Stelle gesammelt. Ein Erektion war für Ciel nichts ungewöhnliches, immerhin war er siebzehn. Er hatte sich auch schon selbst Erleichterung verschafft. Ihn verwirrten eher die Umstände, denn bisher hatte er nie solch einen Traum gehabt. Er hatte auch noch nie andere erotische Träume gehabt, er interessierte sich nicht sehr für Sexualität im Allgemeinen und auch nicht für sonstige Gefühlsduseleien. Wenn er sich selbst befriedigte, dann eher aus der Notwenigkeit heraus, dass man eben mal den Druck mindern musste. Natürlich genoss er auch das Gefühl dabei, aber es war eben etwas gewesen, dass man ab und zu machen musste. So wie auf die Toilette zu gehen, nur nicht ganz so oft und weitaus befriedigender. Aber das hier... so erregt war er noch nie gewesen, es war geradezu schmerzhaft, und das alles nur wegen dieses dummen Traums. Widerwillig seufzend fuhr er mit der Hand unter die Bettdecke und machte sich daran, den Schaden zu beheben. Seine Hand glitt in schnellen Bewegungen auf und ab. Oh mein Gott. Er fühlte das Kribbeln viel stärker als sonst. Seine Atmung beschleunigte sich wieder, sein Herz schlug schnell und hart gegen die Brust. Sein ganzer Körper spannte sich an, die Hitze sammelte sich und er erreichte stöhnend den Höhepunkt. Im selben Moment tauchten in seinem Kopf zwei rot glühende Augen auf. Erschrocken hielt seine nasse Hand inne. Was war das gewesen? Er kannte diese Augen, sie waren ihm so vertraut. Sie jagten ihm wohlige Schauer über den Rücken. Und zugleich ängstigte es ihn, dass sie im selben Moment aufgetaucht waren, als er seinen Orgasmus bekam. Seine linke Hand angelte nach seinem Stofftaschentuch, dass auf dem Nachttisch lag. Erschöpft und zittrig wischte er sich die Spuren seiner Lust von der Haut und war das Tuch dann zusammengeknüllt von sich. Verwirrt und unruhig warf er sich zurück in die Kissen und versuchte wieder einzuschlafen und dabei die Fragen zu ignorieren, die mit aller Macht auf ihn einstürmten. Seine Lider schlossen sich erst, als durch die Ritzen der schweren Vorhänge ein schwacher Lichtschimmer zu sehen war. ************************************************************************ Nein, die Hand im Traum hat Ciel nicht DORT berührt. Sonst hätte er es hinterher ja nicht selbst machen müssen *evilgrin* Ich hoffe, es hat euch gefallen!^^ Kapitel 7: Auf in die Stadt! Und in die Vergangenheit... -------------------------------------------------------- Liebe Leser, vielen Dank für bereits 18 Favoriteneinträge! Und danke an diejenigen, die so lieb waren, einen Kommentar zu hinterlassen! Ich hoffe, ihr habt weiterhin Spaß am Lesen! Hörbuch Kapitel 7: http://www.youtube.com/watch?v=wdoVGwUVfOU *********************************************************************** "Auf Wiedersehen, junger Herr!!", krähten Meirin, Finny und Bard aus vollem Halse, als Ciel aus der Tür des Anwesens trat. Die drei standen hinter ihm in der Eingangshalle und verbeugten sich höflich zum Abschied. Er nickte leicht und ging hinüber zur Kutsche, wo ihm Sebastian die Stufen hinauf half. Ernst wandte sich der Butler an die drei Angestellten. "Bitte beschützt das Anwesen, wie ihr es immer getan habt. Und bitte -", er machte eine theatralische Pause, schloss die Augen für einen Moment und öffnete sie wieder mit einem flehenden Ausdruck. "Bitte, stellt nichts an, werft nichts um, lasst den Garten, wie er ist, keine Waffen in der Küche! Wenn wir in ein paar Tagen wieder kommen, soll alles noch genau so aussehen wie jetzt! Verstanden?" Die drei duckten sich unter Sebastians drohendem Blick und salutierten dann. "Ja, Sir!" Ciel mochte die Stadt nicht. Es war voll, laut, stickig und man kam in den Straßen nur im Schneckentempo voran. Er gehörte nicht zu den Leuten, die sich täglich mit ihren Freunden trafen, um über den Grafen von Soundso und die Lady Siewissenschon zu tratschen. Auch ging er nicht gerne zum Einkaufen (das tat er auch nie) und wenn er einmal das Theater oder die Oper besuchte, dann nur aus einer gesellschaftlichen Verpflichtung heraus, beispielsweise aufgrund einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Dann war er eben ein Einsiedler, aber er fand nichts an großer Gesellschaft. Er brauchte keine 'Freunde', die ihm hinten drein krochen, ihm erzählten, wie intelligent er wäre und wie gut aussehend. Er wollte sich nicht anpassen, wenn es nicht unbedingt erforderlich war. Sicher, er war sehr gut darin, eine freundliche Maske aufzusetzen und das Spiel der Gesellschaft mitzuspielen, aber seinen Alltag verbrachte er doch am liebsten auf seinem Anwesen zusammen mit seinem Butler. Hmmmm, zusammen mit seinem Butler? Was dachte er denn da? Ciel versuchte unauffällig aus den Augenwinkeln einen Blick auf Sebastian zu werfen, der ihm gegenüber in der Kutsche saß und ruhig aus dem Fenster schaute. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen - und das schon den ganzen Morgen. Seit Sebastian seinen Herrn mit diesem merkwürdig belustigtem Ausdruck im Gesicht geweckt hatte, grübelte Ciel, ob der Dämon etwas von seinen nächtlichen Aktivitäten wusste. Den Gedanken, dass Sebastian sogar direkt etwas damit zu tun haben könnte, erlaubte er sich nicht. Ciels Augen tasteten sich über das Gesicht des Älteren, wanderten den Hals hinab und blieben an den Händen hängen, die im Schoß des Butlers ruhten. Selbst durch die weißen Handschuhe hindurch war leicht zu erkennen, wie schlank und feingliederig die Finger waren. Das Äußere ließ einen nicht ahnen, welche Stärke diese Hände besaßen. Aber gleichzeitig konnten sie auch so unendlich sanft über die Haut gleiten, wenn sie mit einem Schwamm den Rücken hinab strichen. Völlig in seinen Fantasien versunken, wanderte sein Blick wieder höher, die Arme hinauf bis zu dem schönen Gesicht des Dämons. Wie sich wohl die Haut dort anfühlte? Er hatte Sebastian zwar schon des Öfteren geohrfeigt, aber dabei lässt sich die Haut schlecht spüren. Ob sie glatt war? Oder leicht rau? Von Bartstoppeln war nie etwas zusehen, vielleicht wuchsen einem Dämon keine Haare am Kinn. Die Lippen sind so glatt, man sieht keine Rillen - ob man wohl welche ertasten könnte? Und ob die Nasenspitze wohl eher weich oder doch fest ist? Und diese langen Wimpern... sie sehen so weich aus... und diese roten Augen, wenn sie einen direkt ansehen. Wie heute Nacht, als ich mich... Die roten Augen sahen Ciel direkt ins Gesicht. Das Herz setzte aus. Der Atem stand still. Ciel wurde heiß und kalt zugleich, die Röte stieg ihm ins Gesicht und der Schreck fuhr ihm in die Glieder, als er sich des Blickes seiner Butlers bewusst wurde. Mit starrer Miene und weit geöffneten Augen wandte er sein Gesicht schnell ab in Richtung Fenster. Sebastian hatte ihn dabei ertappt, wie er ihn gründlich gemustert hatte. Und wie gründlich! Was ist nur in mich gefahren?, dachte Ciel zornig und verwirrt. Er war wütend auf sich selbst, weil er sich so vor Sebastian bloß gestellt hatte. Was musste der Dämon jetzt nur von ihm denken? Wahrscheinlich lachte er sich innerlich tot! Der süße, kleine Menschenjunge, nicht mal er kann den Anziehungskräften eines Dämons widerstehen, auch wenn dieser ein Mann ist! Ciel schämte sich seiner eigenen Gedanken und war im nächsten Moment schon wieder sauer, weil er sich schämte. Er schluckte einmal, schloss kurz die Augen und atmete tief ein. "Geht es Euch nicht gut, mein Herr?", fragte der Butler mit besorgter Stimme, doch auf seinem Gesicht hatte sich ein süffisantes Grinsen breit gemacht. "Grins nicht wie ein Irrer, Sebastian. Sag mir lieber, wann wir endlich da sind. Ich halte es nicht mehr lange in dieser schrecklichen Kutsche aus." "Ich hoffe doch sehr, dass das nichts mit meiner Anwesenheit zu tun hat." Ciel machte das scheinheilige Lächeln seines Butlers beinahe rasend. Was bildete sich der Kerl ein? Erst schleicht er sich in meine Träume, dann hat er die Frechheit das auch noch zu bemerken und jetzt reizt er mich mit unnötigen Bemerkungen! Ich hasse ihn! Er bedachte seinen Butler mit vor unterdrückter Wut funkelnden Augen. "Nein, es hat überhaupt nichts mit dir zu tun. Zumindest war es so bis eben. Du könntest auch einfach mal deinen Mund halten und mich in Ruhe lassen." Sebastian beugte sich etwas vor und schaute seinen Herrn von unten herauf an. "Ist das ein Befehl, junger Herr?" "J-Ja, sei einfach still." Verdammter Butler! Schon wieder hatte er die Hitze in seinen Wangen gespürt. Und wann sie nun endlich ankommen würden, hatte er auch nicht erfahren. Sebastian lehnte sich lächelnd zurück und schlug die Beine übereinander. Seit der letzten Nacht hatte er ein paar interessante Entdeckungen machen dürfen. Ciel reagierte sehr empfindlich, wann immer Sebastian ihm körperlich oder auf verbaler Ebene zu nahe trat. Berührten seine Hände den Körper des Jungen, beschleunigte sich dessen Herzschlag, seine Atmung wurde flacher und seine Wangen nahmen eine unmissverständliche rote Färbung an. Der Körper seines Herrn war dieser Nähe definitiv nicht abgeneigt. Ganz anders stand es mit Ciels Einstellung. Er war sehr stolz und verbarg seine Schwächen, so gut er konnte, selbst vor seinem einzigen wirklichen Vertrauten. Und wann immer Sebastians Bemerkungen diesen Schutzwall zu durchbrechen drohten, war Ciel erst peinlich berührt, dann wütend, er befahl ihm, den Mund zu halten und setzte dann wieder eine kalte, abweisende Miene auf. Das war schon immer so gewesen, aber heute war sein Herr besonders sensibel. Und dank seines kleinen Experiments in der Nacht wusste Sebastian nun auch ganz genau, weshalb: Selbst der kalte, zuweilen grausame und gefühllose Ciel Phantomhive konnte sich den dämonischen Reizen seines Butler nicht erwehren. Dessen war sich Sebastian nun sicher. Wie es allerdings um Ciels tatsächliche Gefühlswelt stand, wusste er noch nicht. Aber seine bisherigen Erkenntnisse würde er dazu verwenden, nach und nach zu Ciel vorzudringen. Nach außen würde er natürlich weiterhin den unterwürfigen Butler präsentieren. Was im Übrigen auch wieder notwendig wurde; die Kutsche hatte ihr Ziel erreicht. Sogleich ging Sebastian seinem Herrn voran, um ihm die Stufen hinunter zu helfen. Ciel hatte sich wieder vollständig unter Kontrolle und so griff er mit eisiger Miene und ohne das geringste Zittern nach der angebotenen Hand. Während Sebastian sich zusammen mit dem Kutscher um das Gepäck kümmerte, konnte der Butler sehen, wie sich Ciel angewidert in der Straße umsah. Der Junge hasste die Stadt und ihren Dreck, aber das ließ sich nun mal nicht ändern. Wenn Ciel überhaupt jemandem treu war, dann der Königin, und für seinen Auftrag würde er auch die lärmenden Kinder, die vielen Menschen, den Hundekot und die Obdachlosen ertragen. Zumindest befand sich die Villa in einem der besseren Viertel der Stadt, also würde der Junge weiterhin gut schlafen können. Und wie er gut schlafen wird. Obwohl er es sich selbst kaum erklären konnte, freute sich Sebastian auf die kommende Nacht und die Möglichkeiten, die sie mit sich brachte. Außerdem würden sein Herr und er allein in diesem Haus sein, lästige Angestellte gab es hier nicht. Nachdem Sebastian ihm den Tee zubereitet hatte, schickte Ciel seinen Butler aus, um Erkundigungen einzuziehen. Sie mussten wissen, welchen Familien die drei Mordopfer angehörten, in welchen Kreisen sie sich bewegten und ob es dadurch eine Verbindung zwischen ihnen gab. Nun allein gelassen, konnte Ciel sich endlich entspannen und in Ruhe nachdenken. Ihm war das merkwürdige Verhalten des Dämons nicht entgangen. Er schien jede Gelegenheit zu nutzen, um Ciel zu verärgern, indem er ihn reizte und verwirrte. Was zum Teufel bezweckte er damit? Ob er all das mit voller Absicht tat? Einfach, weil er genau wusste, wie sehr es Ciel irritierte? Sein Herzschlag beschleunigte sich, als ihm die vielen Gesten Sebastians durch den Kopf gingen. Ständig berührte er ihn unnötigerweise oder sagte Dinge, die ihm die Röte in die Wangen trieb. Dass es aber auch jedes verdammte Mal funktionierte! Wieso fällt es mir bloß so schwer, Ruhe zu bewahren? Früher war es mir doch auch gleichgültig, wenn Sebastian mich nackt sah. Aber nun... Ich fühle mich wie ein junges Mädchen, das kurz vor seiner Hochzeitsnacht steht! Der Puls des jungen Grafen ging rasend, als ihm klar wurde, was er gerade gedacht hatte. Ohne es verhindern zu können, gingen seine Überlegungen immer wieder in die eine Richtung. Es lief immer darauf hinaus, dass die Nähe seines Butlers ihn nervös machte und die verrücktesten Körperreaktionen in ihm hervor rief. Nachdem er noch eine Weile Löcher in die Luft gestarrt hatte, erhob Ciel sich ruckartig aus seinem Sessel und begann fieberhaft nach Ablenkung zu suchen. Er war nicht oft in dieser Villa, also musste es doch irgendetwas geben, das ihm Abwechslung verschaffen konnte. Eine Weile tapste er durch lange leere Flure, schlich durch dunkle Zimmer und blieb ab und zu vor dem einen oder anderen Wandgemälde stehen. Dieses Haus enthielt lange nicht so viele persönliche Erinnerungen wie das Anwesen außerhalb Londons. Und trotzdem bekam er immer dieses komische Gefühl von Wehmut und Nostalgie, wenn er in den alten, verlassenen Räumen umherlief. Irgendwann gelangte der Junge in das Schlafgemach, das seine Eltern früher bei ihren Aufenthalten in London bewohnt hatten. Es hatte sich nicht viel verändert. An der einen Wand stand das große Himmelbett mit Nachttischen an beiden Seiten. Fenster an drei Wänden, es war ein Eckzimmer. Links von der Tür stand ein großer dunkler Eichenschrank mit vielen Türen und Schubladen. Langsam ging Ciel auf diesen Schrank zu und öffnete hier und da eine Tür. Hinter der einen verbargen sich Papierstapel, hinter der nächsten türmten sich Stoffe in unordentlichen Haufen, die nächste Tür offenbarte Bücher und Alben. Bei einer Schublade blieben seine Augen schließlich hängen. Vorsichtig zog er sie bis zum Anschlag heraus. Zum Vorschein kamen ein paar dicht beschriebene Blätter, zwei Fotografien und ein großes goldenes Medaillon. Ciel hatte das Gefühl, als wäre er soeben durch eine Tür geschritten, an der ein großes Schild mit der Aufschrift "Privat" hing. Seine Hände zitterten leicht, als er seine Beute zum alten Frisiertisch seiner Mutter trug und sich dort auf dem Schemel nieder ließ. Zunächst besah er sich die Fotografien. Auf der ersten waren seine Eltern zu sehen, wie sie Arm in Arm vor irgendeiner Sehenswürdigkeit standen. Sie lächelten und ihre Augen funkelten. Ciel fühlte ein leichtes Ziehen in seiner Brust. Als er das Bild zur Seite legen wollte, sah er, dass auf der Rückseite etwas geschrieben stand: 'Vielen Dank für die schöne Zeit in London, mein Schatz.' Ciel schluckte. Er versuchte sich vorzustellen, wie diese Worte aus dem Mund seiner Mutter geklungen hätten, aber alles, was er hörte, waren verzerrte Klänge. Er konnte sich nicht mehr richtig an ihre Stimme erinnern. Schnell legte er das Bild weg und besah sich das andere. Auch hier standen seine Eltern vor irgendeinem geschichtsträchtigen Gebäude, aber diesmal war ein kleiner Junge bei ihnen, vielleicht fünf Jahre alt. Er saß auf dem linken Arm seines Vaters, der seinen Kopf an den des Jungen lehnte. Seine Mutter hatte ihre Hand auf die ihres Mannes gelegt. Alle drei strahlten glücklich. Ciel schluckte hart. Zögernd drehte er auch dieses Foto herum. 'Du und Ciel, ihr seid alles für mich.' Ciels Blick wurde starr. Ohne es zu merken, schloss er seine Hand krampfhaft, zerdrückte dabei das Papier. Plötzlich sah er es wieder. Die Flammen. Die Gestalt seines Vaters an diesem Tisch. Es war so heiß. Ciel schnappte nach Luft und warf das Bild von sich. Er atmete stoßweise und verdrängte die Erinnerungen aus seinem Kopf. Schnell griff er wahllos nach einem Papier und überflog den Text. '... habe Angelina gebeten, bei ihrem nächsten Besuch in Paris... in diesem Restaurant, in dem wir damals waren... es war so schön, du hattest diese Blumen mitgebracht... ich vermisse dich, kommst du bald nach Hause? Ciel ist schon ein ganzes Stück gewachsen, du würdest ihn kaum wiedererkennen! Er scheint Lizzy aber nicht besonders zu mögen...' Ciel griff nach dem nächsten Bogen - dieser offensichtlich von seinem Vater geschrieben. 'Ich vermisse dich auch, Liebling. Wie geht es Tanaka? Sag ihm, er soll sich nicht überarbeiten... ich habe ein schönes neues Spielzeug für Ciel, das wird ihm bestimmt gefallen! Mag er Lizzy wirklich nicht? Das wird schon... Denkst du es ist richtig, der Familie Middleford jetzt schon dieses Versprechen zu geben? Vielleicht sollten wir die Entscheidung Ciel überlassen... er soll glücklich sein...' Plopp. Die Buchstaben verschwammen, die Konturen lösten sich auf. Mit einem Ruck versteifte Ciel sich, zerknüllte das Papier, wischte sich hektisch über sein linkes Auge und versuchte, seinen Herzschlag zu beruhigen. Er war heillos verwirrt. Was war bloß passiert? Eben noch war er einfach nur durch die Zimmer gelaufen und jetzt saß er hier und heulte! Er versuchte den Kloß in seinem Hals hinunter zu würgen. Dann tastete er wie betäubt nach dem Medaillon und nach ein paar unbeholfenen Versuchen klappte es schließlich auf. Ein kleines Bild war darin, nicht einmal so groß wie eine Haselnuss. Seine Mutter und sein Vater, festgehalten in dem intimen Moment eines Kusses. Irgendwo in Ciels Herzen zerbrach etwas. Kapitel 8: Erkenntnisse und neuer Mut ------------------------------------- Hallo, da ist schon das nächste Kapitel! Ich habe die ganze Nacht durchgeschrieben, es ist halb 6 Uhr morgens *gäääähhhn* Hörbuch-Kapitel 8: http://www.youtube.com/watch?v=QLKacY1MNzc&feature=feedu Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank für 19 Favos! Gute Nacht... ********************************************************************************* Das Medaillon fiel mit einem leichten Klirren zu Boden, als die zitternden Hände des Jungen es nicht mehr zu halten vermochten. Sein ganzer Körper bebte, drohte zusammenzubrechen unter der Last der Gefühle, die alle zugleich auf ihn einstürmten. Ciel wusste nicht mehr, wo oben und unten war, seine Ohren rauschten und die Augen waren verklärt. Von der äußerem Umgebung bekamen sie nichts mehr mit, denn alle Sinne waren vollkommen ins Innere gerichtet. Es war unmöglich, alle Gefühle in Worte zu fassen, sie schwammen in ihm umher, mal verhöhnten sie ihn, dann umschmeichelten sie seinen Geist wie einen lang vermissten Freund. Doch es war einfach zu viel, um es zu fassen, im Gegenteil, Ciel meinte fast ohnmächtig zu werden. Langsam rutschte er von dem niedrigen Schemel hinab, stützte seine Hände auf den alten Teppich und versuchte sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, ruhig zu atmen. Anfangs war es sehr schwer, er keuchte und schluchzte. Aber er musste das aushalten! Und er erkannte, dass er selbst jetzt noch immer einen unüberwindbaren Stolz in sich hatte, an den er sich wie an ein Rettungsring klammerte. Und so schließlich die Oberfläche durchbrach. Die Verwirrung, das emotionale Tief hatte ihn immer noch, aber nun konnte Ciel von oben drauf blicken, wieder klar denken. Er begann, seine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Er war schon immer ein exzellenter Stratege gewesen, ein Meister des Schachs. Und das half ihm dabei, die Situation zu analysieren. Einiges dessen, was er soeben verspürt hatte, kannte er. Da war zunächst einmal der Hass, der in ihm hoch gekocht war. Dem Jungen wurde klar, dass dieser in den letzten Jahren nach und nach eingeschlafen war, aber er war wieder da in alter Frische, brannte von neuem. Das ist gut, dachte Ciel. Wie hab ich meinen Hass nur so vergessen können? Alles, woran ich dachte, waren die Aufträge der Königin. Aber jetzt weiß ich wieder, warum ich das alles mache, warum ich jeden Verbrecher, und sei er noch so armselig, am Boden kriechen sehen will. Sie alle sollen so leiden, wie ich und wie ihre Opfer gelitten haben! Sich diese Entscheidung, die er damals getroffen hatte, in Erinnerung zu rufen, beruhigte ihn und holte ihn ein wenig auf den Boden zurück. Fast ebenso stark wie den Hass hatte er die Verzweiflung und den Schmerz gespürt. Diese Gefühle kannte er sehr gut, jedes Jahr zur selben Zeit kamen sie aufs Neue in sein Bewusstsein. Er hatte sehr an seinen Eltern gehangen, sie waren die wichtigsten Menschen in seinem jungen Leben gewesen. Sie sind mir genommen worden... Als wäre es gestern gewesen, sah Ciel die Szene in aller Deutlichkeit vor sich. Ich renne durch die langen Flure des Anwesens. Alles brennt, es ist so schrecklich heiß. Ich versuche, die Hitze zu ignorieren, kämpfe gegen die Schwäche an. Ich muss sie finden! Vater! Mutter!! Wo seid ihr?... Noch mehr Flure, ich haste an Türen vorbei. Und dann renne ich in den Salon... Vater! Da bist du ja! Da bist du... Er sitzt unbeweglich am Tisch. Vater, warum fliehst du nicht? ... Lasst mich nicht allein!... Ciels Augen brannten, aber er schluckte die Tränen hinunter. Er hatte diesen Schmerz schon vor langer Zeit akzeptiert. Und auch den, der danach folgte. Er wusste nicht mehr, wer ihn aus den Flammen geholt hatte. Aber plötzlich war er unter Fremden. Unbekannte Gesichter, kalte und schwitzige Hände, die nach ihm griffen, ihm wehtaten. Er hatte jegliche Art von Demütigung über sich ergehen lassen müssen. Aber er war gerettet worden. Als beinahe jeder Lebensfunke in ihm verloschen war, hatte ihn eine tiefe Stimme zurück geholt. Er hatte seine Peiniger sterben sehen, aber nicht einmal mehr so etwas wie Genugtuung verspürt, die kam erst später. Zu jenem Zeitpunkt war er wie ein Beobachter gewesen, der ohne wirkliches Interesse ein Theaterstück verfolgt. Seine Augen schlossen sich nicht für einen Moment. Sie alle kamen um durch die Hand des Dämons. Seines Dämons. Sebastian! An diesem Punkt gerieten Ciels Gedanken ins Stottern. Während sich sein Puls und die Atmung fast vollständig beruhigt hatten, war es ihm noch nicht gelungen, die anderen Gefühle zu benennen. Aber da war noch mehr. Etwas, das er sehr lange nicht mehr gespürt hatte. Aber irgendwoher kannte er es noch. Er wagte es, erneut einen Blick auf das noch geöffnete Medaillon zu werfen. Seine Eltern, wie sie sich küssten. Wärme... ihm war warm. Nicht am Körper - er zitterte noch immer ein wenig, zum Teil aus Schwäche, aber es war auch recht kalt im Zimmer. Nein.. die Wärme kam von innen. Nicht stärker als ein Nebeldunst, aber dennoch vorhanden. Es war ein angenehmes Gefühl, wenn auch nicht ganz sorgenfrei. Es wurde begleitet von einem leichten Ziehen in seiner Brust, das jetzt, wo er es entdeckt hatte, immer stärker wurde. Da ist es wieder! Immer, wenn ich an Sebastian denke! Ich hasse das! Ich hasse es... Er klammerte sich an diesem Gedanken fest, weil er deutlich merkte, dass er die Kontrolle über sich verlieren würde, wenn er diese andere Ahnung zulassen würde, die in ihm schwelte wie ein Wundbrand. Ciel schniefte ein Mal kräftig, dann streckte er den Rücken durch und setzte sich auf. Seine Wangen zogen von den getrockneten Tränen. Seufzend nahm er seine Augenklappe ab, in der sich das Wasser ebenfalls gesammelt hatte. Er wischte sich ein paar Male über die Augen. "Junger Herr?!" Zu Tode erschrocken zuckte Ciel zusammen. Er war so in sich selbst versunken gewesen, dass er tatsächlich überhaupt nichts von seiner Umgebung wahrgenommen hatte. Bevor er sich von dem Schrecken erholt hatte, legten sich schon zwei warme Hände auf seine Schultern. Zu erschöpft, um sie abzuschütteln, hob er den Blick und sah direkt über sich in die roten Augen seines Butler. "Sebastian...", krächzte er mit rauer Stimme. "Mein Herr, was ist passiert?", fragte der Dämon eindringlich und musterte das Gesicht seines Herrn. Oh Gott, wie muss ich aussehen! Beschämt wollte Ciel sein Gesicht abwenden, aber der feste Griff von Sebastians rechter Hand hinderte ihn an seinem Vorhaben. "Wenn Ihr mir nicht sagen wollt, was los ist, werde ich gehen und Euch in Ruhe lassen." Ciel konnte nicht antworten. Schon wieder rasten die Gedanken und Gefühle in ihm um die Wette. Sebastian ließ ihn los, stand auf und wollte gerade den Rückzug antreten, da brach es aus Ciel heraus. "Warte!", rief er heiser. "Bleib hier... das ist ein Befehl." Sein Butler kniete sich wieder vor ihm hin und wartete stumm darauf, dass Ciel weiter sprach. Der Junge zwang sich, dem Schwarzhaarigen in die Augen zu sehen. Er wollte irgendetwas herausfinden, etwas erfahren - auch wenn er selbst nicht die leiseste Ahnung hatte, wonach er eigentlich suchte. Eine ganze Weile starrten sich die beiden einfach nur an, bis auf den ruhigen Atem des einen und den etwas lauteren des anderen war nichts zu hören. "Sebastian", begann Ciel schließlich zu flüstern. "Ich habe ein paar alte Briefe und Bilder von meinen Eltern gefunden." Er nickte mit dem Kopf zu den verstreuten Fundstücken. Der Butler folgte seinem Blick und nahm ein paar der Sachen zur Hand, las ein paar Zeilen, besah sich die Fotografien. Zuletzt inspizierte er auch das Medaillon. Das Gesicht des Dämons nahm einen verstehenden Ausdruck an, er lächelte leicht. "Haben Euch die Schatten der Vergangenheit eingeholt, junger Herr?", fragte er mit ruhiger Stimme. Diese Gelassenheit stand so im Kontrast zu Ciels momentaner innerer Lage, dass sich sofort sein Stolz zurückmeldete. Er entriss dem Dämon das kleine goldene Schmuckstück und schleuderte es in eine der dunklen Ecken des Zimmers. "Warum stellst du immer solch unnötige Fragen?" Der Trotz schwang in jedem Wort mit. "Du solltest mich immerhin so gut kennen, um zu wissen, dass mich so etwas nicht aus der Bahn wirft." Sebastian schien sich ein leichtes Kichern nicht verkneifen zu können. Wie kann er sich jetzt nur über mich lustig machen?, dachte Ciel zornig. "Ihr seht aber reichlich mitgenommen aus, mein Herr. Und was genau meint Ihr mit 'so etwas'?" Sebastian beugte sich etwas hinunter. Sein Gesicht war nun keine dreißig Zentimeter mehr von Ciels entfernt. Der wurde etwas rot im Gesicht, ließ in seiner Stimme aber keine Unsicherheit zu: "Wie ich aussehe, hat dich nicht zu interessieren, Sebastian. Und mit 'so etwas' meine ich Erinnerungen. Du weißt sehr wohl, dass ich die alten Geschichten nicht vergessen habe. Aber ich habe gelernt damit zu leben." Er reckte das Kinn ein wenig in die Höhe. "Ich habe gelernt, den Schmerz zu kompensieren, habe ihn in Hass verwandelt. Nur aus diesem Grund sitzen wir heute hier zusammen! Ich habe diesen Hass nun schon eine ganze Zeit lang vernachlässigt, aber mir wurde soeben bewusst, dass es das Einzige ist, was mich am Leben hält!" Er war etwas außer Atem, als er nun schwieg und wieder von Sebastians Blick gefangen genommen wurde. Der Butler hatte aufgehört zu lächeln und sah ihn sehr ernst an. Der Ausdruck in seinen Augen war nicht zu deuten, aber es war deutlich mehr darin zu sehen, als seine übliche Gelassenheit und Arroganz. "Ihr habt mit allem Recht, mein Herr. Ich kenne Euch sehr gut. Und ich kenne den Hass, der Euch antreibt, den unglaublichen Zorn, der Eure Trauer erstickt, bis die Erinnerung an Eure Familie nur noch Gift in Euern Adern ist. Aber ist es wirklich der einzige Weg zu überleben? Eines Tages werdet Ihr Euch wünschen, die Menschen, die Ihr geliebt habt, hätten nie existiert... um Euch den Schmerz zu ersparen... Euer Zorn verleiht Euch große Kraft, aber wenn Ihr es zulasst, wird er Euch zerstören." [z.T. zitiert nach Batman Begins] Ciel brachte nur ein Flüstern über die Lippen: "Aber ist es nicht genau das, was du willst, Sebastian? Mich zerstören? Meine Seele fressen? Schmeckt sie nicht umso besser, je zerbrochener sie ist?" Warum hörte sich seine Stimme bloß so traurig an? Es war doch eine Tatsache, dass Sebastian ihm einzig und allein seiner Seele wegen diente. Der Butler umschloss das Gesicht des Jungen mit seinen großen schlanken Händen und kam noch ein wenig näher. "Solange ich Euch diene, sorge ich mich um Euch und Euer Wohlbefinden. Der Gier des Dämons kann und werde ich erst nachgeben, wenn Euer Herz aufhört zu schlagen. Bis dahin bin ich Euch treu ergeben und es ist meine oberste Pflicht, Euch vor allem Unheil zu beschützen. Niemals würde ich wünschen, dass Ihr mutwillig Eure Seele zerstört." Pflicht. Das klang so kalt. Ciel begann erneut zu frösteln und eine schwere Traurigkeit lag wie ein Stein in seinem Magen. Lieber Gott, ich bin so angeschlagen, ich kann mich wirklich überhaupt nicht mehr beherrschen. Warum fühle ich mich gerade nur so schrecklich müde? Er konnte nicht mehr. Es war ihm gleichgültig, ob Sebastian nur seiner Pflicht nachging oder ob... Ja, was oder? Eine andere Möglichkeit gab es doch gar nicht, oder? Ganz egal... Seine Oberkörper fiel langsam nach vorne in Sebastians Arme hinein. Der Butler riss erstaunt die Augen auf, wich jedoch nicht zurück. Vorsichtig bettete er den Jungen auf seinen Schoß und strich ihm beruhigend über den Rücken. Ciels Arme wanderten um Sebastians Mitte herum und hielten sich an ihm fest. Der junge Graf hatte sämtliche Mauern fallen lassen und genoss still die Wärme, die vom Körper des Dämons ausging. Ohne weiter darüber nachzudenken, öffneten sich seine Lippen. "Halt mich fest, Sebastian..." Das letzte, was er spürte, waren Sebastians Arme und Hände, die ihn einhüllten, und das Gesicht des Butlers in seinem Haar. Warmer Atem streifte sein Ohr... Dann nur noch warme, geborgene Dunkelheit. Sebastian hatte den ganzen Tag über recht gute Laune gehabt. Seine Spielchen mit dem jungen Herrn wurden interessanter, er wollte weitergehen, ihn noch mehr reizen und ärgern. Kaum hatte er den Auftrag seines Herrn erfüllt und alle Informationen beschafft, war er auch schon zur Villa zurückgeeilt. In freudiger Erwartung war er durch die Flure gelaufen, hatte aber Ciel nicht in seinen Räumlichkeiten gefunden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das erste Mal so etwas wie eine Beunruhigung verspürt. Er war durch alle Zimmer gehastet, bis er den Jungen schließlich im alten Schlafgemach seiner Eltern aufgefunden hatte. Auf dem Boden kauernd, das Gesicht vom Weinen gerötet, die Augen aufgequollen. Für einen Moment war er regungslos an der Tür stehen geblieben, hatte versucht, das Gefühl zu ergründen, das ihn bei diesem Anblick überkommen war. Ciel hatte furchtbar hilflos ausgesehen. Sebastian konnte sich kaum erinnern, wann er ihn das letzte Mal so gesehen hatte. Seine Pläne waren vergessen, seine gute Laune verflogen. Jetzt saß er hier auf dem alten, verstaubten Teppich und hielt Ciel in seinen Armen. Der Junge war eingeschlafen, seine Arme umfassten den Älteren im Schlaf und drückten sich noch näher an ihn. Wie von selbst glitten Sebastians Hände über den schmalen Körper, streichelten zärtlich Ciels Gesicht, den Hals, die Schultern und den Rücken. Von Ciel ging eine große Wärme aus, die sich wie eine Decke auch über Sebastian ausbreitete. Vorsichtig legte er seine Wange auf Ciels Haar und beobachtete, wie die Strähnen unter seinem Atem erzitterten. Er lächelte leicht und genoss diesen Hauch von Frieden. Immer wieder erzitterte Ciel in seinen Armen und so befand er, dass es besser wäre, den Jungen ins Bett zu bringen. Mit ein paar einfachen Handgriffen hatte er ihn hochgehoben, war aufgestanden und brachte ihn in sein Schlafzimmer. Dort legte er ihn in die weichen Decken und Kissen, zog ihm vorsichtig Schuhe und Oberbekleidung aus und deckte ihn sorgsam zu. Ab und zu seufzte der Junge und murmelte seinen Namen. Sebastian bekam eine leichte Gänsehaut. Ich bin eine Schande von Dämon. Langsam, um Ciel nicht aufzuwecken, legte der Butler sich seitlich neben seinem Herrn und umschloss ihn mit seinen Armen. Aber das interessiert mich wirklich einen Dreck, was für ein Dämon ich bin. Ich nehme mir, was ich haben will. Und jetzt, in diesem Moment, wollte er einfach nur dem ruhigen Atem dieses entzückenden Geschöpfes lauschen und es festhalten. Er konnte nichts dagegen tun, dass er in Ciels Gegenwart langsam aber sicher immer besitzergreifender wurde. Er gehört mir. "Uuaaah...." Ciels Mund öffnete sich weit und ließ ein langgezogenes Gähnen hören. Mit einem leichten Seufzer schlossen sich die Lippen wieder. "Hmmm." Ihm war so warm. Er fühlte sich ausgeschlafen und wohl, kuschelte sich noch ein bisschen in seine Kissen. Aber müde war er nicht mehr. Schließlich klappten seine Augen von selbst auf und erblickten sein Schlafzimmer. Nun, nicht sein übliches, aber er hatte die Villa in der Stadt fast genauso einrichten lassen, wie sein Anwesen auf dem Land, daher war der Unterschied nicht allzu groß. Allmählich kamen die Erinnerungen in ihm hoch und er setzte sich auf. Suchend glitt sein Blick durch den Raum, bis er ihn gefunden hatte. "Sebastian, ich will heut zuerst ein Bad nehmen, meinen Tee kannst du mir danach machen. Und dann besprechen wir unverzüglich den Tagesplan." Der Butler sah aus wie immer, er lächelte und verbeugte sich. "Wie Ihr wünscht, mein Herr." Ein leichtes Zögern war in seiner Stimme zuhören. "Wenn Ihr mir die Frage gestattet: Wie ist Euer Befinden?" Ciels Blick traf auf den des Dämons und einen Moment schossen alle Erinnerungen des Vorabends durch seinen Kopf. Dann nickte er. "Es geht mir gut, Sebastian." "Das freut mich zu hören." Es klang ehrlich. Natürlich, sein Butler belog ihn nie, aber diesmal klang es so, als würde er sich Sorgen machen. Ciels Gedanken hatten sich inzwischen geordnet und er rief sich die Erkenntnis ins Gedächtnis, die ihm seine Reise in die Vergangenheit beschert hatte. "Sebastian, ich habe meinen Hass wieder gefunden. Und diesmal werde ich ihn nicht wieder vergessen. Aber ich werde ihm gewiss nicht verfallen. Mich kontrolliert nichts und niemand!" Herausfordernd schob er sein Kinn vor. Sebastian lachte leicht. "Ihr seid wieder ganz der Alte." Er wandte sich um und ging zur Tür. Beim Verlassen des Zimmers murmelte er noch etwas, aber Ciel war sich nicht sicher, ob er ihn richtig verstanden hatte. "Aber doch nicht ganz." Nein, ich bin wirklich nicht mehr ganz der Alte, dachte Ciel. Ich bin nicht mehr der Junge, der sich nur auf seinen Butler verlässt. Von nun an werde ich selbst noch viel mehr dafür sorgen, dass die Unterwelt meine Rache zu spüren bekommt. Und meine Gefühle werde ich von nun an auch im Auge behalten, ich lasse mich nicht von ihnen beherrschen. Ciel lächelte. Es war fast ungewohnt, aber es fühlte sich echt an. Befreiend. In diesem Moment fühlte sich der Graf auf irgendeine Art erwachsener. Kapitel 9: Widerspenstig ------------------------ Hörbuch Kapitel 9: http://www.youtube.com/watch?v=K5ccPjkBFns Und da haben wir schon das nächste Kapitel! Ciel ist wieder irgendwie er selbst und Sebastian würde wahrscheinlich einen Kreislaufkollaps kriegen, wenn er kein Dämon wäre! Also, viel Spaß beim Lesen!^^ Im nächsten Kapitel kommt dann auch wieder mehr Handlung! Gute Nacht! PS: Vielen Dank für 21 Favos!!! ******************************************************************************** "Also, was hast du gestern herausgefunden, Sebastian?" Frisch gewaschen und angezogen machte Ciel es sich im Sessel bequem, nippte an seinem Tee und schaute zu seinem Butler auf, der wenige Meter vor ihm stand. "Ich habe hier eine Liste sämtlicher Angehöriger der Mordopfer. Alle Details jetzt durchzugehen wäre unnötig und ermüdend. Für uns relevant ist vor allem die Tatsache, dass sich die Familien untereinander tatsächlich bekannt sind. Und wie ich schon vermutet hatte, bewegt sich auch die Familie Middleford in jenen Kreisen." Sebastian überreicht seinem Herrn die Dokumente, bevor er weiter sprach. "Mein Herr, ich habe mir erlaubt, die Ermittlungen eigenhändig voranzutreiben. Von der Gräfin Hampshire erfuhr ich gestern, dass am heutigen Abend ein Ball stattfindet. Der Veranstalter ist der Marquis von Darth, Lady Elizabeths Großonkel väterlicherseits." Ciel zog die Augenbrauen hoch. "Ich nehme an, du hast bereits dafür gesorgt, dass wir dort nun auch erwartetet werden." Sebastian lächelte und deutete eine Verbeugung an. "Sehr richtig, junger Herr. Da Ihr immerhin Miss Middlefords Verlobter seid, war es nicht schwer, eine Einladung zu erhalten." "Hm", machte Ciel und sah aus dem Fenster. Unbewusst legte er das Kinn in seine rechte Hand und dachte nach. Heute Abend also würde sein ganzer Einsatz gefragt sein. Sein Entschluss vom gestrigen Tag stand nach wie vor, er wollte und würde mit seinen eigenen Händen dafür sorgen, dass dieser Mörder zu leiden hatte. Ciel wusste schon lange, dass auch er gewisse sadistische Neigungen hatte. Er würde niemals absichtlich einem Unschuldigen etwas antun, aber er fühlte sich auch nicht dazu berufen, irgendwen zu retten. Er wollte nur seine Rache in vollen Zügen auskosten. Und er genoss es, das Gesicht eines Menschen zu sehen, der sich selbst für den Rächer der Hölle gehalten hatte und dann seine eigene Medizin zu spüren bekam. Das Gesicht einer Mörderin würde er bald dabei beobachten können, dessen war er sich sicher. Mit seiner Entschlossenheit und Sebastians Unterstützung war der Fall bestimmt in wenigen Tagen gelöst. Vielleicht gelang ihnen dies ja schon auf dem abendlichen Ball. "Junger Herr?", forderte der Dämon seine Aufmerksamkeit. "Was gedenkt Ihr nun zu tun?" Ciel erhob sich und schritt um den Schreibtisch herum auf seinen Butler zu. Er grinste verschlagen. "Ich mache das, was bisher immer deine Aufgabe war! Wir haben es hier mal wieder mit einer Frau zu tun, die sich aus irgendwelchen Gründen dazu berufen fühlt, junge Männer zu entwürdigen." Ciel stützte die Hände in die Hüften und baute sich nur ein paar Schritte von Sebastian entfernt auf, der ihm abwartend entgegenblickte. "Wie der Undertaker schon bemerkt hat", fuhr Ciel fort, "bin auch ich ein junger Mann." "Tatsächlich?", fragte Sebastian mit vorgetäuschtem Erstaunen. Ciel ignorierte ihn. "Und wenn ich dem Geschwätz der Leute Glauben schenke, sehe ich auch nicht allzu schlecht aus." Sebastian konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und musterte seinen Herrn von Kopf bis Fuß. "Das ist noch untertrieben, mein Herr. Es gibt keinen Mann Eures Alters, der Euch in Schönheit und Männlichkeit ebenbürtig wäre." Ciel wurde schlagartig knallrot und verschränkte wütend die Arme vor der Brust. "Hör gefälligst auf, dich über deinen Herrn lustig zu machen, Sebastian!" Er bedachte ihn mit einem strafenden Blick und Sebastian nickte mit gespielter Unterwürfigkeit, was Ciel noch mehr verärgerte. Doch er ließ sich nicht beirren. "Worauf ich hinaus wollte: Ich werde heute Abend auf Frauenjagd gehen!" HA! Sollte Sebastian darauf erstmal eine Antwort finden! Ciel wurde leider enttäuscht, wie immer war sein Butler die Gelassenheit in Person. Seine Augen weiteten sich nur für einen kurzen Moment, dann lachte er leise und schüttelte bedächtig den Kopf. "Die Damen haben schon jetzt mein vollstes Mitgefühl." Dieser Bastard! Ciel räusperte sich. "Pass auf, was du sagst. Ich weiß, bisher habe ich derlei Tätigkeiten dir überlassen und du warst unverständlicherweise stets erfolgreich. Aber ich bin es Leid, mich auf dich verlassen zu müssen. Ich bin erwachsen!" Sebastian begegnete dem trotzigen Blick seines Herrn mit einem versöhnlichen Lächeln und ging einen Schritt auf ihn zu. Er sah tief in das blaue Auge des Jungen und sagte leise: "Warum wollt Ihr euch nicht mehr auf mich verlassen, mein Herr? Ihr wisst doch, was immer Ihr mir auftragt, führe ich bis zur Perfektion aus. Haltet Ihr mich für ungenügend?" Ciel wich ein wenig zurück und vermied den direkten Augenkontakt, was Sebastian sehr störte. Warum wies ihn sein Herr so zurück? Es machte ihn wütend. Nach außen ließ er sich das natürlich nicht anmerken, aber es verärgerte ihn, dass Ciel ihm auswich. Der Junge beharrte auf seinem Standpunkt. "Es geht nicht um dich, Sebastian, sondern darum, dass mir langweilig ist. Ich will auch mal etwas tun und nicht immer nur neben dir herlaufen, während du dich vergnügst!" Vergnügen? Sebastian grinste ein wenig und war gleichzeitig empört. Sicherlich, einige Angelegenheiten hatten ihm durchaus Vergnügen bereitet, sowohl körperlich als auch auf mentaler Ebene. Aber meistens waren seine Aufgaben nicht sehr erfreulich, sondern geradezu öde. Was sollte denn so schön daran sein, sich mit uninteressanten Menschen zu unterhalten, freundlich zu ihnen zu sein, damit sie Informationen preisgaben, obwohl man sie am liebsten direkt in die Hölle befördert hätte. Den wenigsten Menschen konnte Sebastian wirklich etwas abgewinnen. Momentan war sein Herr der Einzige, dessen Nähe er begehrte. All dies behielt er für sich und antwortete stattdessen: "Nun gut. Ihr wollt also die Damenwelt beeindrucken. Habt Ihr auch schon irgendeine Vorstellung davon, wie Ihr das machen wollt, junger Herr? Ihr seid nicht unbedingt ein Mensch, der sich gern mit anderen unterhält." Sebastian schob seine Hüfte ein wenig vor und senkte das Kinn, schaute Ciel unter einem Kranz von Wimpern hervor an. "Und Ihr habt noch nie versucht, Euch eine Frau gefügig zu machen, richtig? Was wisst Ihr von der hohen Kunst der Verführung?" Hach, wie er diese rote Farbe auf den Wangen des Jungen liebte! Sebastian genoss es, Ciel so zu necken. Es entschädigte ihn dafür, dass er seine gestrigen Pläne für die Nacht nicht in die Tat hatte umsetzen können - Ciel war unpässlich gewesen. Aber in diesem Moment bot der Junge ihm eine Vorlage nach der anderen, er konnte gar nicht anders, als ihn zu reizen. "Und da kommst du ins Spiel, Sebastian!" Ciels Zeigefinger tippte Sebastians Brust an. Überrascht zog Sebastian die Augenbrauen nach oben. "Da du ja ach so viel Erfahrungen im Umgang mit Frauen zu haben scheinst, wirst du mir helfen. Ich will sie doch gar nicht verführen. Ich will nur, dass sie mir bereitwillig erzählen, was sie wissen, und möglicherweise verrät sich die Mörderin versehentlich selbst." Ciel holte Luft. "Du wirst mir Kleidung heraussuchen, die dieser Unternehmung dienlich ist und mir dann die wichtigsten Verhaltensregeln erklären. Wenn wir erstmal auf dem Ball sind, wirst du mich nicht als Butler, sondern als entfernter Freund begleiten. So kannst du normal mit mir sprechen und mir unauffällig Hinweise geben." Sebastian war tatsächlich erstaunt. Seit er Ciel kannte, hatte dieser es zwar geschafft, sich zu verstellen, wenn er musste, aber er tat es nicht gern. Und jetzt war er so voller Tatendrang. "Ihr überrascht mich, mein Herr. Aber wozu all der Aufwand, wenn ich Euch doch bei allem helfen soll?" Ciel runzelte die Stirn und entgegnete patzig: "Es hat dich nicht zu kümmern, welche Logik dahinter steckt! Ich will es so und damit basta! Jetzt geh schon und besorg mir die Kleidung, die ich brauche." Sebastian gönnte sich noch ein letztes anzügliches Grinsen, das den jungen Grafen erneut zum Erröten brachte, dann verbeugte er sich. "Yes, my Lord." Als er zur Tür ging, schwang er absichtlich ein wenig die Hüften. Er wusste ganz genau, dass Ciel ihm hinterher sehen würde. Sebastian saß in einem schicken Anzug auf einem Stuhl im Salon und hatte die Beine übereinander geschlagen. Er sah verboten gut aus, das schwarze Haar umrahmte in seidigen Strähnen sein schmales Gesicht und reflektierte reizvoll das Licht des Kronleuchters an der Decke. Mit einer grazilen Bewegung nahm seine rechte Hand das Sektglas und führte es zum Mund. Er schloss die Augen, spitzte ein wenig die Lippen und befeuchtete sie mit der prickelnden Flüssigkeiten, ohne einen Schluck zu nehmen. Dann ließ er die Hand sinken, öffnete die Augen halb und warf Ciel einen Blick zu, der diesem Schauer über den Rücken jagte. Wie gebannt versenkte er sich in den roten Pupillen... "Guten Abend, Earl Phantomhive. Möchtet Ihr Euch vielleicht zu mir gesellen?" Ciel zuckte zusammen, schluckte und versuchte ein paar unbeholfene Schritte. Er strauchelte und musste sich an der Tischplatte festhalten. Sebastian grinste mitleidig. "Sieh mich nicht so an, Dämon!" "Aber mein lieber Graf, wie nennt Ihr mich denn? Meine Wenigkeit heißt Beth Kingsley", säuselte Sebastian. "Es freut mich sehr, Eure Bekanntschaft zu machen." Mit einem finsteren Blick straffte Ciel seinen Rücken und trat näher. Er beugte sich ein wenig nach vorn und streckte die rechte Hand aus. Sebastian stellte das Glas mit einem leisen Klicken auf den Tisch und legte seine Hand dann in die seines Herrn. Ciel versuchte das merkwürdige Gefühl in seiner Magengegend zu ignorieren und führte Sebastians Hand an seinen Mund, berührte sie jedoch nicht. "Es ist mir eine Ehre, Lady Kingsley", sagte er. Äußerlich ruhig verriet doch das leichte Zittern in seiner Stimme, wie nervös er war. Er hatte sich das Ganze einfacher vorgestellt, als Sebastian ihn in ein dunkelblaues Samtkostüm gesteckt hatte, das seine Figur aufs Vortrefflichste betonte. Er hatte sich im Spiegel begutachtet und war mit dem Anblick recht zufrieden gewesen. Ein kleiner schwarzer Hut mit blauer Schleife auf seinem Kopf und die vielen Knöpfe auf seinem Jackett vervollständigten das Bild eines hübschen jungen Mannes, der mit seinem Äußeren bei den Damen Eindruck schinden wollte. Wo war das ganze Selbstbewusstsein plötzlich hin? Sebastian hatte unmissverständlich erklärt, dass es unbedingt notwendig war, eine Art Probelauf zu bestehen. Da Ciel keinerlei Erfahrung im Umgang mit Frauen hatte, sollte er es also zuerst an seinem Butler versuchen, der sich auch schon für den Abend in Schale geworfen hatte. Und gerade das war das Problem. Ciel konnte bei dem Anblick seines Dämons kaum einen klaren Gedanken fassen und begann allmählich, sich darüber zu ärgern. Sebastian lehnte sich ihm entgegen. "Junger Herr? Ist alles in Ordnung?" Ciel hüstelte. "Ja, wieso fragst du?" "Ihr habt Euch seit gut zwei Minuten nicht mehr bewegt." Abrupt drehte der Junge sich zur Seite, um sein Gesicht zu verbergen, in dem er schon wieder die Hitze in die Wangen kriechen spürte. "Es ist nichts. Ich... Ich kann das nicht. Nicht mit dir." Sebastian stand auf. "Es tut mir außerordentlich Leid, dass ich Euch nicht von Nutzen bin." Ciel lachte kurz auf. "Du bist eben keine Frau. Ich kann mir dich einfach nicht so vorstellen", gab er etwas verlegen zu. "Das ist ja auch nicht weiter verwunderlich." Die Stimme des Butler triefte vor Arroganz. "Welche Frau wäre schon so attraktiv und anziehend wie ich?" Leicht verunsichert blickte Ciel in das lächelnde Gesicht des Dämons. Dann steigerte sich sein Ärger ins Maßlose, er drehte ich auf dem Absatz um und schritt zur Tür. "Ich habe keine Lust mehr, mich mit dir herumzuschlagen. Bis wir aufbrechen, lässt du mich in Ruhe, verstanden?" "Natürlich, mein Herr." Ciel knallte die Tür hinter sich zu und rannte in sein Schlafzimmer. Etwas außer Atem ließ er sich aufs Bett fallen und versuchte, sich zu beruhigen. Das war wohl nicht sehr erwachsen... Er hoffte inständig, dass es in wenigen Stunden besser laufen würde. Aber es war ganz allein Sebastians Schuld, dass Ciel es nicht geschafft hatte, gelassen zu bleiben. Er hatte sich vollkommen absichtlich so überheblich aufgeführt, hatte ihm schmachtende Blicke zugeworfen, sich über die Lippen geleckt und wie seine Stimme geklungen hatte... So würde doch keine Frau sprechen, die sich ihm lediglich vorstellte. Nicht so... verführerisch... Ich habe mir vorgenommen, mich durch meine Gefühle nicht mehr verwirren zu lassen! Ich werde mich jetzt entspannen und völlig ruhig zu diesem Ball fahren. Mit normalen Frauen zu sprechen wird mit Sicherheit nicht halb so anstrengend wie Sebastians Annäherungen standzuhalten! Er wusste wirklich nicht mehr, was er von dem Verhalten seines Butlers halten sollte. Natürlich hatte der Dämon ihm immer schon gute Konter gegeben, hatte ihn aufgezogen und ihm widersprochen, aber das ging langsam zu weit. Sebastian wusste doch ganz genau, wie er reagierte, und dennoch machte er immer weiter damit. Er schien Ciels Unsicherheit richtig zu genießen. Das konnte so einfach nicht weitergehen! Sebastian war äußerst unzufrieden mit der Gesamtsituation. Er wurde ungeduldiger. Natürlich hatte es ihm Spaß gemacht, seinen Herrn zu reizen. Er hatte es gar nicht verhindern können, dass seine Gedanken auf Abwege geraten waren, Ciel hatte in der enganliegenden Kleidung einfach zu verführerisch ausgesehen. Sebastian hatte nicht erwartet, dass Ciel sein Spiel mitmachen würde, umso mehr war er erfreut gewesen, dass der Junge es sich offenbar zum Ziel gemacht hatte, alles durchzustehen, was eben zu tun war. Letzten Endes hatte er es natürlich nicht durchgehalten, aber irgendwie hatte Sebastian gehofft, dass Ciel vielleicht doch ein klein wenig umgänglicher sein würde, nach dem, was gestern Abend geschehen war. So weich hatte er ihn lange nicht mehr erlebt. Und vorhin war er dann doch wieder so widerspenstig gewesen! Wobei, ein Mal hatte er den Dämon die Verlegenheit in seiner Stimme hören lassen. Aber das war einfach nicht genug. Irgendwann würde ihm der Geduldsfaden reißen, das spürte Sebastian. Seit er diese kleinen Spielchen immer weiter trieb, schien er mit jeder weiteren Bemerkung, mit jeder zusätzlichen Rötung von Ciels Wangen immer mehr zu verlangen. Ich würde wirklich gerne seine Lippen auf meinen spüren... Ich verstehe mich zwar selbst nicht mehr, aber ich will es eben. Und in seiner Begierde war der Gedanke, dass Ciel später mit so vielen Frauen flirten würde, nicht gerade beruhigend. Er würde ihm auf Schritt und Tritt folgen, würde sicherstellen, dass keine dieser Puten sein Eigentum berührte. Nur ihm allein war es gestattet, Ciel Phantomhive zu besitzen! Ciel saß bereits in der Kutsche und hörte, wie Sebastian dem Fahrer Anweisungen gab. Er musste etwas tun, um sich Sebastian heute Abend vom Leib zu halten. Natürlich sollte er ihn begleiten, um ihn in seinem Vorhaben zu unterstützen, aber Ciel wollte seinem Butler keine Gelegenheit bieten, ihn irgendwie aus der Fassung zu bringen. Der in einen schwarzen Mantel gekleidete Butler stieg zu seinem Herrn in den Wagen und schloss die Tür. Kaum hatte er sich niedergelassen, fuhr die Kutsche mit einem Ruck an. "Sebastian, ich ändere unsere Pläne für diesen Ball. Ich weiß, es war meine Idee, dass du ein entfernter Bekannter von mir bist, aber das will ich nicht mehr. Du wirst wie immer mein Butler sein. Deine Kleidung wird dennoch nicht weiter auffallen, ich muss ja nicht jedem erzählen, dass dein Status ein anderer ist. Es geht mir nur darum, dass du dich wie immer verhalten und im Hintergrund bleiben wirst." "Ich sollte Euch doch unterstützen", wandte Sebastian ein. "Und das kannst du auch weiterhin tun, aber nicht direkt an meiner Seite. Es gibt genügend Frauen für uns beide." Sebastian nickte nur. Ciel holte tief Luft. "Halte dich ein wenig fern von mir. Ich weiß nicht, was momentan in deinem Kopf vorgeht, und ich will es auch nicht wissen. Aber du wirst mich heute Abend nicht durcheinander bringen. Während der Ermittlungen wirst du mir folgen, aber unauffällig, indem du gleichzeitig einer anderen Beschäftigung nachgehst, du wirst dich ruhig verhalten und keine unangemessen Bemerkungen machen. Das ist ein Befehl." Ciel konnte den Sturm nicht sehen, der hinter Sebastians ruhigem Gesicht tobte. Nach außen hin gab der Dämon sich keine Blöße, der Befehl seines Herrn war deutlich gewesen. Aber innerlich vermochte er seine Wut kaum zu zügeln. Er sollte was? Seinen Herrn den Damen überlassen, dieser gierigen Meute, die sich wie die Tiere auf ihn stürzen würden? Und er durfte nicht eingreifen, wenn sie ihn mit ihren Blicken betören würden? Sein Herr war in der Tat ein grausamer Mensch. Er hatte offensichtlich nicht die geringste Ahnung, wie sich der Dämon fühlte. Oder es war ihm gleichgültig. Aber wie konnte man seine Andeutungen missverstehen? Ciel hatte ihn eindeutig zurückgewiesen und er konnte nichts weiter tun, als da zu sitzen und zu gehorchen. Würde Ciel mir jetzt in die Augen sehen, dann würde er wissen, was ich davon halte. Aber wenn ich jetzt widerspreche, wird er so wütend werden, dass er mich am Ende nach Hause schickt... Die ganze Fahrt über nahm Sebastian nichts von dem Lärm der Straßen wahr, er spürte nicht den leichten Hauch des Frühlingswindes, der durch ihre Haare strich, als er und Ciel die Kutsche verließen. Er blendete die Stimmen der Leute aus, die wie sie auf dem Weg zum Tor des großen Grundstücks unterwegs waren. Und als sie an der Eingangstür von einem Bediensteten empfangen wurden, hatte Sebastian es schließlich geschafft, seine Gefühle so weit zu unterdrücken, dass er sich nicht durch ein Knurren in der Stimme verraten würde. Er war sich aber nicht sicher, ob er das den ganzen Abend über aushalten würde. Kapitel 10: Womanizer, Baby! ---------------------------- Alternativer Titel: Ein Womanizer wider Willen und ein Möchtegern! Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=8CZhcFd4fDA&feature=feedu Kleiner Musiktipp: http://www.youtube.com/watch?v=BFW3uoyddGU Ich liebe dieses Stück und hab's beim Schreiben immer und immer wieder gehört!^^ Anmerkung am Rande: Bei den Örtlichkeiten denke ich in etwa an den Ball bei Mr. Bingley aus dem Film Stolz und Vorurteil (mit Keira Knightley), nur dass es hier eben einen größeren Ballsaal gibt. Aber ungefähr so voll soll es sein und es ist gemischtes Volk anwesend, nicht nur der oberste Kreis der Gesellschaft! Außerdem hatte ich bei Ciels Beinbekleidung dieses Bild im Kopf: http://muse33.deviantart.com/art/Kuroshitsuji-Gunpoint-105309852?q=sort%3Atime+favby%3AAngelinaCullen&qo=2 Viel Spaß! *********************************************************** "...Und Sie werden es nicht glauben, da hat er mir doch tatsächlich in den Ausschnitt geschaut! Aber der Bursche sieht auch gut aus... hach, wenn er nicht mein Diener wäre..." Die blonde Frau seufzte und ihre Begleiterinnen, mit denen sie an einem Tisch saß, kicherten und hielten sich geziert die Hand vor den Mund. Dabei warfen sie sich amüsierte Blicke zu. Ciel stand nun schon seit einer ganzen Weile an einer Säule und beobachtete die fünf Damen unauffällig bei ihrer Unterhaltung. Er studierte ihr Verhalten, sah, wie sie sich kokettierten, die Haare zurück warfen und ihre Wimpern klimpern ließen. Schon nach wenigen Minuten hatte Ciel bemerkt, dass er bei weitem nicht der Einzige war, dessen Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wurde. Keiner der Männer, die sich in ihrer Nähe aufhielten, konnte seine Augen von ihnen abwenden. Nach objektiven Maßstäben musste man sie als hübsch bezeichnen, sie waren schlank, trugen elegante Kleidung und den teuersten Schmuck. Und sie schienen die allgemeine Bewunderung sehr zu genießen. Ciel hatte genug gesehen und wandte sich ab, suchte weiter. Er konnte es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber er verließ sich auf sein Gespür. Und bisher hatte er bei keiner der anwesenden Damen an eine Mörderin gedacht. Vielleicht war er auch zu naiv. Ach, verdammt! Ich hätte das doch Sebastian überlassen sollen! Aber jetzt kann ich unmöglich einen Rückzieher machen. Wo ist der Kerl überhaupt? Nach ein paar weiteren Schritten durch den großen überfüllten Ballsaal erblickte er den Butler, der umgeben von einer Traube von Frauen an einem Fenster stand. Seinen rechten Arm stützte er lässig auf einen Stehtisch und war gerade dabei, mit der anderen Hand die darauf stehenden Sektgläser an die Damen zu verteilen. Jeder einzelnen schenkte er ein charmantes Lächeln. Halb verdeckt von einer großen Stechpalme beobachtete Ciel, wie sich eine der Damen, eine besonders hübsche Brünette in einem langen weißen Kleid, aus der Menge herausschälte, so dass er sich ihr allein widmen musste. Ciel musste schmunzeln, als er sah, was für Blicke sie dafür von ihren Konkurrentinnen erntete. Einige waren bewundernd, andere neidvoll. Vereinzelt war der Ärger im ganzen Gesicht lesbar. Doch sie hatten sich alle schnell wieder unter Kontrolle und lauschten verzückt jedem einzelnen Wort, das aus Sebastians Munde kam. Auch Ciel schenkte ihm nun wieder seine ganze Aufmerksamkeit - vielleicht konnte er sich etwas bei ihm abschauen. Der schwarzhaarige Mann tat gar nicht viel, bewegte nur selten seine Lippen. Das Gesicht hielt er stets etwas gesenkt, während die Augen ernsthaft und kühl sein Gegenüber musterten. Er ließ die Frau vor sich reden, was sie auch voll auszunutzen wusste. Sie kicherte und warf ihm glühende Blicke zu, die er gekonnt ignorierte. Seine Gleichgültigkeit schien sie nicht zu stören, sondern viel mehr anzuspornen. Wagemutig ließ sie schließlich ihre freie Hand über die Brust des Dämons gleiten. Ruhig lächelte er sie an und schob ihre Hand sanft von sich. Eine eindeutige Geste, die besagte: Bitte noch keine Tuchfühlung, aber ich will Sie auch nicht verschrecken. Er hatte es tatsächlich raus, schien ganz genau zu wissen, wie er mit diesen Verehrerinnen umgehen musste. Ciel kam nicht umhin zu bemerken, dass er ihn dafür bewunderte. Er selbst hatte noch keine Dame ansprechen können, weil er immer kurz davor Angst bekam. Er wusste einfach nicht, worüber er sich mit ihnen unterhalten sollte. 'Guten Abend, meine Name ist Phantomhive - ja, richtig, der Graf Phantomhive, der mit der Spielzeugfirma. Ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob sie zufällig einen Groll gegen das männliche Geschlecht hegen und sadistische Neigungen haben. Nein? Und Sie kennen auch niemanden, auf den diese Beschreibung zutrifft? Zu schade, dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend!' Schön, wenn es so einfach wäre. Unverwandt blickte er Sebastian an und meinte, ein kleines Zwicken in seiner Magengegend zu spüren. Übertrieb der Dämon es mit seinem süffisanten Lächeln nicht ein wenig? Wenn das so weiter ging, würde er die anhängliche Brünette nicht mehr los werden. Dieser Gedanke gefiel Ciel gar nicht. Plötzlich blickte Sebastian über die Köpfe der Damen hinweg geradewegs zu der Palme, hinter der Ciel stand, und grinste breit. Ertappt duckte Ciel sich und lief in die entgegengesetzte Richtung davon. Doch schon an der nächsten Ecke musste er wieder abtauchen, als er ein Stück entfernt vertraute Gesichter sah. Zwar gab es in diesem Ballsaal nur wenige, die ihn kannten, aber er wollte verhindern, dass sich seine Anwesenheit herumsprach. Also vermied er diese Begegnungen, was in dem sehr vollen Raum zum Glück nicht allzu schwer war. Elizabeth hatte ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt und sich für den Ball ihres Großonkels besonders schön gemacht. Ihr langen blonden Locken trug sie zu einem eleganten Knoten hochgesteckt, aus dem ein paar seidige Strähnen in ihren Nacken fielen. Ihr Körper war in ein dunkelrotes ausladendes Samtkleid gehüllt, das mit vielen Rüschen und Schleifen verziert war. Vervollständigt wurde ihr Aussehen durch prachtvolle Armreifen und einem Geschmeide aus Gold um ihren Hals. Die junge Lady fühlte sich sehr erwachsen und schritt hocherhobenen Hauptes durch den Ballsaal. Die Blicke der Männer genoss sie sehr, und so drehte sie mit Absicht noch eine weitere Runde durch den Saal, wobei sie versuchte, besonders graziös zu schreiten. Plötzlich sah sie vor sich eine vertraute Gestalt, mittelgroß, schlank, dunkles Haar... "Ciel!", rief sie laut und rannte sehr undamenhaft auf ihren Verlobten zu, der sich in ihre Richtung drehte, nachdem er die vertraute Stimme gehört hatte. Kurz sah sie in seinem Auge etwas aufblitzen, was sie nicht so recht deuten konnte. War es Ärger? Sorge, Bestürzung? Doch schon war alles beim Alten und sein Blick hatte wieder einen kalten Riegel vorgeschoben. Sie wollte sich in seine Arme werfen, blieb aber mit dem Schuh am Saum ihres Kleides hängen und stolperte ihm entgegen, was sie beide beinahe umwarf. Unbeholfen versuchten sie ihr Gleichgewicht zu halten und standen sich schließlich etwas außer Atem gegenüber. "Musst du immer so stürmisch sein, Lizzy?" Na, das war eine nette Begrüßung! Elizabeth überging sie. "Ach, Ciel, es ist wirklich schön, dich zu sehen! Wie geht es dir? Warum hast du mir denn nicht Bescheid gesagt, dass du auch kommen würdest?" "Es war eine spontane Entscheidung", antwortete er ausdruckslos. "Und warum bist du hier?" Ciel sah sie schweigend an. Er schien sich nicht sicher zu sein, was er darauf antworten sollte. Lizzy war verwirrt. Warum sagte er ihr nicht einfach, was er hier machte? Verheimlicht er mir etwas? Ihr Blick fiel auf seine Kleidung. Oh mein Gott. Er hat sich richtig schick gemacht. Und diese Hose... so eng. Und die langen Strümpfe, das enganliegende Jackett. Alles zeigt viel mehr von seiner Figur, als das, was er sonst trägt! Das Lächeln, das bis eben noch ihr Gesicht geschmückt hatte, verschwand. Wenn Ciel nicht hier war, um sie zu sehen, warum trug er solche Kleidung? Er wollte doch nicht etwa... Ciel räusperte sich. "Es gibt keinen besonderen Grund. Sebastian hat mir nur kürzlich nahe gelegt, mich ein bisschen mehr unter Menschen zu bewegen. Er ist wohl der Ansicht, ich würde zu viel Zeit hinter dem Schreibtisch verbringen." Elizabeth wunderte sich. "Seit wann hörst du auf das, was Mr. Sebastian dir sagt? Ist er übrigens auch hier?" Sie blickte suchend um sich. Da griff Ciel nach ihrem Arm. "Ja, aber er ist gerade beschäftigt. Komm, warum gehen wir nicht zum Buffet und gönnen uns eine Kleinigkeit?" Dem Mädchen wurde warm ums Herz und freudig hakte es sich bei seinem Verlobten unter. "Sehr gerne, Ciel!" Zusammen begaben sie sich an den langen schmalen Tisch, auf dem eine schier endlose Zahl an Speisen und Getränken aufgebaut war. Mehrere Bedienstete wuselten umher, um die feinen Herrschaften mit Essen zu versorgen und die Gläser aufzufüllen. Da Elizabeth es irgendwie unangenehm war, nur schweigend neben Ciel herum zu stehen, und er auch keine Anstalten machte, daran etwas zu ändern, tat sie das, was sie immer tat, wenn sie verlegen war. Sie fing an zu plappern. "Weißt du, Ciel, ich habe erst neulich wieder an dich gedacht! Ich hatte einen ganz eigenartigen Traum, in dem wir beide in einem Boot auf einem See trieben. Es war ein ganz schöner sonniger Tag und die Vögel zwitscherten. Aber du hast dich überhaupt nicht bewegt, du saßt da, als wärst du aus Stein. Und dann wurde alle irgendwie merkwürdig bunt und die Fische fingen an, aus dem Wasser zu hüpfen und turnten um dich herum. Das sah so lustig aus! Und dann hast du dich plötzlich in einen großen bunten Vogel verwandelt und bist weggeflogen..." Lizzy häufte wahllos irgendwelche Törtchen auf einen Teller und quasselte weiter, während Ciel mit unergründlicher Miene neben ihr stand. "Der Traum war wirklich komisch und auch gruselig. Ich hatte auf einmal Angst um dich. Auch als ich noch aufwachte." Ihr Stimme war zum Schluss leiser geworden und sie warf Ciel einen verzagten Blick zu, den dieser nicht zu bemerken schien. "Ciel!", sagte Lizzy laut und beugte sich näher zu ihm hin. Er zuckte kurz zusammen, sah sie direkt an und fragte: "Entschuldige bitte, was hast du gesagt?" "Ach Ciel!", stöhnte Elizabeth entrüstet. "Mit dir kann man sich ja nicht einmal richtig unterhalten. Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken?" Sorgenvoll betrachtete sie das angespannte Gesicht ihres Verlobten, der ihr kurz darauf eine Hand auf die Schulter legte. "Es tut mir Leid, Lizzy, aber ich habe momentan keine Zeit für dich. Wir sehen uns gewiss später noch. Bitte grüß deine Eltern von mir." Dann drehte er sich um und verschwand schnellen Schrittes in der Menge. Lizzy sah ihm mit großen Augen hinterher. Was war denn das nun wieder gewesen? Warum konnte Ciel nicht ein einziges Mal Interesse an ihr zeigen? Es war ihm offensichtlich auch nicht aufgefallen, wie schön sie heute aussah. Wenn er ihr doch wenigstens ein Kompliment gemacht hätte. Doch schon im nächsten Moment ärgerte Elizabeth sich über sich selbst. Ich habe schon wieder nur Unsinn erzählt. Es gibt so viele Dinge, die ich ihn gern fragen würde, aber wenn wir uns dann sehen, bringe ich es einfach nicht über die Lippen. Kein Wunder, dass er mich nicht beachtet, wenn ich nicht mal einen ernsthaften Satz sagen kann! Wütend stellte sie ihren Teller etwas zu schwungvoll auf dem Tisch ab, woraufhin eine Serviette zu Boden fiel. Ein Fluchen unterdrückend wollte sie sich bücken, als eine große Hand ihr zuvor kam und das Tuch aufhob. Ihre Augen folgten der Hand nach oben, glitten über den Arm hinauf hin zu dem Gesicht eines jungen Mannes. Hellbraunes Haar kräuselte sich in leichten Locken um den Kopf, strahlend blaue Augen begegneten mit einem Lächeln ihrem Blick. Die Hand hatte die Serviette inzwischen auf dem Tisch abgelegt und machte eine einladende Geste. Lizzys Miene hellte sich auf und ohne zu zögern reichte sie dem Herrn in dem dunkelgrünen Anzug ihre rechte Hand. "Guten Abend, junge Dame", sagte er mit leiser, sanfter Stimme und drückte sachte seine Lippen auf ihren Handrücken. Leicht zitternd erwiderte Elizabeth den Gruß mit einem kleinen Knicks. "Ihnen auch, mein Herr." Er ließ ihr Hand los und lächelte sie an. "Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Lord Jonathan Miller. Verraten Sie mir, wie Sie heißen, schöne Frau?" Bis unter die Haarwurzeln errötete sie, fing sich aber schnell genug, um nicht unhöflich zu erscheinen. "Mein Name ist Lady Elizabeth Middleford. Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen, Lord Miller." "Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Lady Middleford." Er winkte einem der Diener, der sogleich mit einem Tablett voller Gläser herbei eilte. "Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten, Mylady?" "Sicher, vielen Dank!" Erfreut nahm Elizabeth das Glas entgegen. Lord Miller nickte ihr bedeutungsvoll zu, und während er das Glas zum Mund führte, zwinkerte er ihr zu. Sebastians Laune ließ sich in wenigen Worten zusammenfassen: Miserabel, genervt, finster. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, seit sich sein Herr von ihm getrennt hatte. Natürlich hatte er seinen Befehl befolgt, sich von Ciel ferngehalten und sich zu den Damen begeben. Schon nach wenigen Minuten waren sie ihm alle verfallen. Er sprach nur wenig, gab Anstöße und ließ sie dann reden. Er lenkte die Gespräche auf Männer, aber keine zeigte irgendwelche Abneigungen. Im Gegenteil, sie waren alle ganz begeistert und hielten es für eine Masche seinerseits, um sich ihre Zuneigung zu verschaffen. Als dies also nicht fruchtete, sprach er das Thema Abendveranstaltungen an. Der letzte Mord hatte am späten Abend stattgefunden und so überprüfte Sebastian unauffällig die Alibis. Aber selbstverständlich hatten sie alle eines. Eine Frau ging doch nachts nicht allein aus dem Haus! Er ging von einer Gruppe zur nächsten, aber überall hatte man nur dieselben Antworten für ihn. Es war sehr ermüdend! Allmählich bekam der Dämon seine Zweifel, ob es sich tatsächlich um eine Mörderin handelte. Wenn der Täter doch ein Mann war, dann wäre dieses ganze Spiel für die Katz. Wenigstens musste er sich keine Sorgen um Ciel machen. Er hatte den Jungen hin und wieder gesehen, wie er sich hinter Säulen und Pflanzen versteckte, die Damen beobachtete, aber niemals wagte sie anzusprechen. Das war auch gut so, denn es half dem Dämon, seine Wut in Schach zu halten. "Mr, Michaelis! Hören Sie mir zu?", quäkte eine hohe Stimme direkt vor ihm und holte ihn aus seinen Gedanken. Mit ruhiger Miene erwiderte er den schmachtenden Blick der großen Frau, die ihren nicht gerade schmalen Körper in ein viel zu enges pinkes Kleid gequetscht hatte. Was zu viel ist, ist zu viel. "Bitte entschuldigen Sie mich, meine Dame." Er lächelte gezwungen, drehte sich auf dem Absatz um und floh regelrecht in Richtung Balkon. Eine Abkühlung und etwas Ruhe vor der geifernden Meute konnte er jetzt gut vertragen. Und Ciel würde ihn sicher nicht enttäuschen und weiterhin brav in der Gegend herumstehen. Vom Balkon führte eine Treppe in den Garten hinab und von dort unten konnte er einen zarten Geruch wahrnehmen, dem er sogleich folgte. Ich habe es ja gewusst! Er ging in die Hocke und streckte die Hand nach dem kleinen Tier aus, das unter einem der Büsche hervorkam. Die Katze schnurrte leise und schmiegte ihren Kopf an Sebastians Finger, die hingebungsvoll den pelzigen Nacken kraulten. "Meine schöne, liebe Freundin", murmelte der Dämon leise. "Wäre doch jedes Geschöpf auf der Welt so entzückend wie du." Mit einem auffordernden Mauzen strich die Katze an seinem Bein entlang und genoss die streichelnden Hände. Also schön... es reicht jetzt! Wenn ich nicht bald zur Tat schreite, wird das Sebastian nur einen weiteren Grund geben, sich über lustig zu machen. Was er kann, kann ich schon lange. Ciel kippte sich den letzten Schluck seines Sektglases die Kehle hinunter und stellte es dann auf einem Tisch ab. Er holte tief Luft und fixierte sein Zielobjekt. In einer Ecke des großen Saals standen viele Sofas und Sessel, dazwischen niedrige Tische. Überall hatten sich Grüppchen gebildet. In einer Runde saßen vier Frauen zusammen, die alle schon ein wenig über den Durst getrunken hatten und sich sehr angeregt unterhielten. Immer wieder sahen sie vorbeilaufenden Männern hinterher, als hofften sie auf männliche Gesellschaft. Nun, den Gefallen würde Ciel ihnen jetzt erweisen. Er hatte sie lange beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass sie irgendwie... gefährlich aussahen. Sie trugen alle eher dunkle Kleidung, die etwas freizügiger war, und waren auch stärker geschminkt. Sie machten auf Ciel nicht einen ganz so vornehmen Eindruck wie der Rest der anwesenden Damen. Wenn er eine Mörderin suchte, dann fand er sie vielleicht dort vorne. Ciel straffte sich, atmete noch einmal tief ein und ging langsam auf die Sofaecke zu. In dem Moment erhob sich eine von den Damen und verschwand in der Menge. Wie passend!, dachte Ciel. Jetzt ist ein Platz für mich frei. Er trat näher und machte mit einem Hüsteln auf sich aufmerksam. Drei paar Augen wandten sich ihm neugierig zu. "Einen schönen guten Abend, die Damen." Er versuchte, seine Stimme tiefer klingen zu lassen, wusste aber nicht, ob ihm das gelang. "Darf ich mich vielleicht zu Ihnen setzen?" Die drei tauschten belustigte Blicke aus, die Ciel verunsicherten. Hatte er was falsches gesagt? Die schwarzhaarige Frau mit den grünen Augen klopfte auf den freien Platz neben sich. "Sehr gerne, junger Herr, nur zu." Sie grinste anzüglich. Ciel bewegte sich langsam, um nicht durch ein Stolpern seine Nervosität zu verraten, und setzte sich. Die Frau mit den rothaarigen Locken und dem dunkelroten Lippenstift beugte sich seitlich von der anderen Couch zu ihm herüber. "Mögen Sie uns nicht Ihren Namen verraten?" Himmel, wo blieb sein Benehmen? "Verziehen Sie, wie unhöflich von mir." Er überlegte schnell und entschied, das Gespräch gleich in die richtige Bahn zu lenken. "Aber aufgrund einer Wette mit einem guten Freund darf ich Ihnen meinen wahren Namen nicht verraten. Mein Freund behauptet, das würde mir einen ungerechten Bonus einbringen. Daher nennen Sie mich doch für heute Abend einfach Lord M." Lord M! Ciel, du bist mal wieder wahnsinnig einfallsreich! "Ein echter Lord?", mischte sich die Blondine daneben ein. "Nun... ja." Ciel lächelte leicht. "Und wie darf ich Sie drei nennen?" Die Frau neben ihm säuselte zu ihren Freundinnen: "Wie liebenswürdig von ihm. Ich wollte schon immer mal Josephine genannt werden. Ich liebe Französisch!" Die anderen kicherten. Die Rothaarige spitzte ein wenig ihre Lippen und hauchte: "Oh ja, auch ich mag französische Namen. Wie wäre es mit Arielle? Und du, Liebste", wandte sie sich nach rechts an ihre Begleiterin, die ein Lachen hell wie ein Glöckchen ertönen ließ. "Wie heißt du?" "Satine." Nun kicherten alle drei. Ciel fühlte sich sehr unwohl, er spürte die Schamesröte in seinen Wangen aufleuchten. Und war äußerst verwirrt. War das normal, dass sich die Frauen in der Öffentlichkeit so verhielten, so... aufreizend? "Also, lieber Lord, dann erzählen Sie doch mal, was Sie hier machen", sprach ihn Josephine an. Ciel versuchte gleichmäßig zu atmen und antwortete: "Um ehrlich zu sein, bin ich auf der Suche nach jemandem. Einer Frau." Josephine legte ihre recht Hand auf seine Schulter und blickte ihm tief in die Augen. "Und waren Sie schon erfolgreich?" "I... Ich weiß nicht..." Ciel war mit der ganzen Situation definitiv überfordert, aber er wollte nicht so schnell aufgeben. Arielle berührte ihn an der anderen Schulter. "Können wir Ihnen vielleicht bei der Suche behilflich sein? Wie sieht sie denn aus und wie heißt sie?" Leicht zitternd verschränkte der Junge seine Hände im Schoß. "Das weiß ich nicht. Sie... mag die Nacht. Sie ist gerne nachts unterwegs." Josephines Augen fingen an zu leuchten. Sie nickte. "Ach so ist das." Ciel war erstaunt. Wie meinte sie das? "Ja, und sie... und sie mag das Düsteres, das Geheimnisvolle..." Er wusste nicht mehr weiter. Oh Gott, was rede ich denn da für einen Unsinn? Die müssen mich doch für verrückt halten. Doch Josephine beugte sich noch näher zu ihm. "Das Geheimnisvolle also... meine Damen, ich glaube, es wird Zeit, dass wir den lieben Lord M mit jemandem bekannt machen, was meint ihr?" Die anderen beiden nickten nur, grinsten und erhoben sich. "Wie bitte?", fragte Ciel verwirrt und stand auch schnell auf, schwankte leicht. Josephine nahm seinen linken, Arielle seinen rechten Arm, während Satin voraus ging. "Kommen Sie, lieber Lord. Wir haben genau das, was sie suchen." Viel zu zittrig und verwirrt, um sich zu sträuben, ließ er sich mitziehen. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Kam das vom Alkohol? Lautlos verschwand die schwarze Katze in der Dunkelheit des Gartens und Sebastians sah ihr sehnsüchtig nach. Wie gern wäre er noch länger bei ihr hier draußen geblieben. Aber es wurde Zeit, dass er nach seinem Herrn schaute, ob auch alles in Ordnung war. Und dann war es auch notwendig, die Ermittlungen voran zu treiben. Zu diesem Zweck musste er nun aber wirklich mit Ciel sprechen, denn er war der Ansicht, dass es keinen Sinn mehr hatte, mit der bisherigen Methode nach dem Täter zu suchen. War ja ein netter Versuch, mein Herr, aber Ihr seid einfach nicht genügend an Frauen interessiert, um sie zu verführen. Ohne Leidenschaft geht das nicht. Sebastian wollte diesen Abend endlich beenden. Er wusste nicht, wie lange er sich noch ruhig verhalten konnte, denn in sich spürte er immer stärker die Gier... das Verlangen, seinem Herrn nahe zu sein. Er hatte es die ganze Zeit mit derselben Perfektion zu unterdrücken gewusst, mit der er jeden anderen Befehl ausführte, aber langsam war er mit seiner Geduld am Ende. Er wollte mit Ciel allein sein, und zwar am besten an irgendeinem Ort, wo er ihm nicht davon laufen konnte. Auf seinem Weg durch den Saal musste er Elizabeth ausweichen, die sich gerade sehr angeregt mit einem braunhaarigen Schönling unterhielt. Ihr wollte er jetzt ganz bestimmt nicht begegnen! Verdammt, es wird Zeit, dass sie endlich ihre Verlobung auflösen! Sebastians Laune sank tiefer, je länger er nach Ciel suchen musste. Wo steckte sein Herr nur? War er womöglich in Schwierigkeiten geraten? Als er an der großen Couchecke am Ende des Saals vorbeilief, vernahm seine Nase einen dezenten Hauch von Ciels Geruch. Er folgte diesem Duft, der ihn schließlich vor eine Tür führte, deren Schild den Durchgang nur für Hausbewohner gestattete. Als ob ihn so etwas daran hindern würde, Ciel zu folgen. Aber der Dämon fragte sich doch, was zur Hölle der Junge da drin zu suchen hatte. Unbeobachtet öffnete er die Tür, schlich hindurch und schloss sie sofort wieder. Er stand in einem langen Flur mit viele Türen auf beiden Seiten. Hinter einer dieser Türen hörte er Stimmen. "Mein lieber Lord, was haben Sie denn?", säuselte die Stimme einer Frau. "Sie haben mich angelogen, sie wollen mir niemanden vorstellen, hab ich Recht? Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen." Nanu? Ciels Stimme klang merkwürdig. War er betrunken? Da sprach eine weitere Frau: "Sie wollen uns doch nicht weismachen, Sie wüssten nicht, weshalb wir Sie hierher gebracht haben. Sie sind doch auf uns zu gekommen!" "Lassen Sie mich in Ruhe! Alle drei!" Drei?! Sebastian spürte das Dämonenblut in seinen Adern pochen, seine Hände ballten sich zu Fäusten und mit einem harten Schlag stieß er die Tür auf. Acht erschrockene Augen sahen ihn an. Kapitel 11: Es beginnt zu kochen! --------------------------------- Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=9pHNKQnWYwg ***************************************************************************** Mit der Begründung, es würden noch einige Verwandte darauf warten, dass er sich ihnen widmete, hatte sich Lord Miller nach einer sehr netten Unterhaltung vorerst von Elizabeth verabschiedet, ihr aber versichert, dass er sie später sehr gern wieder sehen würde. Das blonde Mädchen schaute dem jungen Mann wehmütig hinterher. Er war so liebenswürdig und aufmerksam gewesen, hatte ihr Komplimente gemacht und wirkliches Interesse an ihr gezeigt. Ich hoffe, er hält sein Versprechen! Sie gesellte sich ein Weilchen zu ihren Eltern, die jedoch in ein Gespräch mit ihrem Großonkel vertieft waren. Gelangweilt nippte Elizabeth an ihrem Glas und sah sich um in der Hoffnung, irgendetwas Interessantes zu entdecken. Sie hätte sich natürlich auch an den Rand der Tanzfläche stellen können, um darauf zu warten, aufgefordert zu werden. Aber ihr war gerade nicht danach. So beobachtete sie die anderen Gäste, wie sie mit mal mehr, mal weniger Geschick durch den Saal wirbelten. Unter ihnen gab es auch hin und wieder etwas skurrile Paare. So tanzte ein Junge von vielleicht dreizehn Jahren mit einer ältlichen Frau, die ihn alle paar Sekunden anmeckerte, er solle gefälligst auf seine Füße achten, ihre restlichen neun Zehen würde sie gern behalten. Lizzy kicherte und ihre Augen wanderten zum nächsten Paar, das an ihr vorbeitanzte. Diesmal waren es ein bulliger Mann mit einem Wallrossschnurrbart und eine dünne, kleine Frau, die aussah wie eine Maus. Auf den ersten Blick würde man nicht denken, dass diese zwei zusammenpassten, aber sie bewegten sich erstaunlich elegant von einem Ende des Parketts zum anderen. Aber auch die Tänzer vermochten Elizabeths Langeweile nicht zu vertreiben und so begann sie nach Ciel zu suchen. Als würde sie sich so von ihm abspeisen lassen! Sie hatte einige Fragen an ihn und würde nicht eher nachgeben, als bis er jede einzelne beantwortet hätte. Im ganzen Saal suchte sie, drängte sich an der Menge am Buffet vorbei, gelangte in die angrenzenden Räume, den Salon, das Raucherzimmer, aber nirgends konnte sie Ciel oder Mr. Sebastian entdecken. Wo könnte er nur sein? Hoffentlich ist er noch nicht gegangen! Ich wollte ihn doch so gern mal wieder sehen! Plötzlich stand sie in einem leeren Flur. Sie wusste, dies war der private Bereich des Anwesens, sie war schon einige Male hier gewesen. Allerdings hatte sie immer Begleitung gehabt, ihren Großonkel oder die Tante oder einen Diener. Doch nun war sie allein. In Lizzy war die Neugierde erwacht. Sie liebte es, alleine durch verlassene Flure zu streifen und die Geheimnisse eines Hauses zu entdecken. Mit ein paar kurzen Blicken vergewisserte sie sich, dass ihr niemand gefolgt war, dann fixierte sie den Flur vor sich und schlich vorwärts. Der junge Mr. Buckley war sehr aufgeregt. Sein Herz klopfte bis zum Hals, in seinem Magen tobten die Schmetterlinge und seine Füße führten ein Eigenleben; nervös trat er von einem Bein auf das andere, während er wartete. In seinen schwitzigen Händen hielt er noch immer die rote Rose, die ihm ein Mädchen zugesteckt hatte, zusammen mit einer Nachricht von seiner Gattin, die ihn bat, in diesem Raum, den ihnen die Familie von Darth eigens zur Verfügung gestellt hatte, auf sie zu warten. Wann immer Mr. Buckley an seine frischvermählte Frau dachte, stieg ihm die Hitze in die Wangen und er grinste von einem Ohr zum anderen. Er sah dann ihre roten Locken vor sich, wie sie im Wind tanzten, ihre braunen Augen, in denen sich sein Gesicht spiegelte, die süßen kleinen Sommersprossen, die ihr einen so unschuldigen Ausdruck verliehen. In dieses Gesicht hatte er sich auf den ersten Blick verliebt, als er Charlotte vor einigen Monaten bei einem Abendessen in ihrem Haus kennengelernt hatte. Am selben Abend war beiden klar gewesen, dass sie zusammengehörten, und glücklicherweise hatten auch ihre Eltern nichts einzuwenden gehabt. Erst seit zwei Wochen waren sie nun ein Ehepaar und das Feuer der Leidenschaft brannte noch stark in ihnen. Und dann hatte sie ihm hier auf diesem Ball durch eine Mittlerin diese Einladung zukommen lassen, der er natürlich freudig nachgekommen war. Der junge Mann warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Wo blieb sie denn nur? Nun, vielleicht wurde sie angesprochen, er musste sich einfach ein wenig gedulden. Er wurde ruhiger und sah sich nun das Zimmer ein wenig genauer an. Einige Schränke, ein Schreibtisch, ein Bett - ihm kam eine wunderbare Idee. Mit wenigen Handgriffen entledigte er sich seiner Oberbekleidung und legte sich auf das Bett. Die Rose bettete er neben sich auf das Kopfkissen und schloss die Augen, um sich ein wenig zu entspannen. Dann hörte er ein zaghaftes Klopfen. Ihm wurde warm vor freudiger Erregung, aber ohne die Augen zu öffnen, sagte er leise: "Komm rein, Charlotte." Die Tür öffnete und schloss sich, vorsichtige Schritte näherten sich ihm. Er musste lächeln. Was Charlotte wohl gerade dachte? Immerhin lag er hier fast nackt vor ihr. Bestimmt errötete sie. Dann würde sie ihre Hand zum Mund führen und kichern. Mit ihrer lieblichen Stimme würde sie ihn aufziehen: 'Jetzt hast du mir ja fast nichts mehr zum Auspacken gelassen!' Warum sagte sie denn nichts? Er streckte die Hand aus und ertastete weichen Stoff. Stimmt, Charlotte trug heute Samt. Dann spürte er wie zwei Finger sich auf seine Augen legten und verstand. Er entspannte sich und wartete darauf, dass sie sich zu ihm legte. Das Bett knarzte, als sich ein schweres Gewicht in die Matratze drückte. Fingernägel strichen seine Beine hinauf und zupften an seiner Unterwäsche. Ein wohliges Kribbeln fuhr in seine Lenden und er hob ein wenig die Hüfte an. Sogleich wurde das letzte störende Stück Stoff hinuntergezogen und es tasteten sich zarte Finger die Innenseite seiner Schenkel wieder hinauf. Mr. Buckley entfuhr ein Keuchen, als sich eine Hand um seinen Penis legte, der auch sofort reagierte und sich ein wenig aufrichtete. Immer wieder strich die Hand den Schaft hinauf und hinab, bis er vollends erregt war. Aber irgendwas stimmte nicht... Charlotte war sonst nicht ganz so schweigsam. Und von ihrer Hand war er mehr gewohnt. Da war noch etwas - nein, etwas war nicht da. Ihr Parfüm. Er versteifte sich augenblicklich. "Ach du liebes bisschen. Dabei fing es gerade an Spaß zu machen." Entsetzt riss Mr. Buckley die Augen auf. Ihm blieb fast das Herz stehen, als er sah, wer da vor ihm saß und seinen Penis noch immer in der Hand hielt. Er wollte aufschreien, doch eine schwere Hand legte sich auf seine Lippen. "Nana. Wir wollen doch die Gäste nicht belästigen." Die andere Hand ließ von seinem Glied ab und holte aus den Tiefen des Mantels ein blitzendes Messer hervor. Dem armen Mr. Buckley brach der Schweiß aus und als er sich aufrichten wollte, wurde ihm das Messer an die Kehle gehalten. "Bitte, ich möchte kein unnötiges Blutvergießen. Dreh dich auf den Bauch." Sein Gegenüber zog das Messer ein paar Zentimeter zurück. Er tat, wie ihm geheißen, und wälzte sich herum. Seine Hände wurden gepackt und auf dem Rücken zusammengehalten. Er hörte ein reißendes Geräusch und keuchte vor Schmerz auf, als seine Handgelenke gewaltsam zusammengedrückt und gebunden wurden. Dann wurde er mit festem Griff wieder herumgedreht. "Willst du wissen, was ich mit Männern wie dir mache?" Er schüttelte heftig den Kopf und fing an zu zittern. Sei kein Feigling! Vielleicht lässt er ja mit sich reden... "Was verlange Sie? Geld? Das können Sie haben! Aber bitte... bitte, nehmen Sie doch das Messer runter!" Als Antwort erhielt er nur ein Grinsen, bei dem ihn das nackte Grauen packte. "Ich brauche kein Geld! Geld ist das Einzige, wovon ich nie zu wenig hatte! Nein..." Ein Kichern. "Nein, mein Hübscher, ich will etwas anderes von dir." Wieder legte sich die schwere Hand auf seinen Mund, um jeglichen Laut zu verhindern, die andere hob das Messer. "Mein...Herr", hauchte Sebastian mit weit aufgerissenen Augen. Zuerst fühlte er Erleichterung, als er sah, dass sein Herr noch vollständig angezogen war. Dann wurde er der gesamten Szenerie gewahr. Drei anzüglich gekleidete Frauen standen um Ciel herum, hatten ihn an den Armen gepackt und offensichtlich vorgehabt, ihn seiner Kleidung zu entledigen. Jetzt zogen sie allerdings ihre Hände hastig zurück und grinsten verunsichert. Sie schienen nicht zu wissen, ob sie sich aus dem Staub machen oder den neuen Gast lieber in ihr Spiel integrieren sollten. Ciel stand nur da, rot wie eine Tomate, und versuchte, nicht allzu beschämt drein zu sehen. "Möchte der gutaussehende Herr sich vielleicht zu uns gesellen?", wagte es die Blondine zu fragen. Da platzte den beiden Herren der Kragen. "RAUS!" riefen sie im Chor. Und schauten sich erschrocken an. Die Damen murmelten Entschuldigen und verließen unter Sebastians drohendem glühend roten Blick eilig das Zimmer. Die Tür schloss sich. "Junger Herr, was hatte das zu bedeuten?", verlangte Sebastian mit knirschenden Zähnen zu wissen. Seine perfekte Fassade aufrecht zu erhalten, fiel ihm mit jedem Atemzug schwerer. Ciel drehte sich weg, schaute aus dem Fenster. Als ob er in der stockfinsteren Dunkelheit da draußen etwas erkennen könnte! Ich will, dass er mich ansieht! "D-Das geht dich nichts an, Sebastian", sagte Ciel mit dünner Stimme. "Aber Euch ist schon bewusst, wem Ihr da gerade beinahe zum Opfer gefallen wäret?" Verwirrt wandte Ciel sich ihm wieder zu, sah ihn aus dem einen leicht glasigen, aber dennoch verärgert dreinschauenden Auge an. "Was meinst du?" Sebastian konnte ein Knurren nicht unterdrücken. "Glaubt Ihr wirklich, dass eine Frau von gutem Stand einfach so mit einem jungen Mann, den sie eben kennengelernt hat, aufs Zimmer geht? Das waren die weiblichen Beilagen eines Besuchers." Ciel war deutlich das Entsetzen anzusehen, aber er versuchte seinen nächsten Satz dennoch spottend klingen zu lassen. "Du meinst, das waren Prostituierte?" "Ja, genau das meine ich, junger Herr. Edelhuren. Manche Herrschaften bringen sie für sich und ihre Begleiter auf solch eine Veranstaltung mit." Ciel fuhr sich durch sein dunkles Haar und seufzte. "Na und wenn schon. Glaubst du wirklich, ich wäre mit ein paar Weibern nicht fertig geworden? Für wie schwach hältst du mich?" Sein Körper strafte Ciels Worte Lügen. Er schwankte leicht und hielt sich an der Platte eines Tisches fest. Sebastian lachte höhnisch auf. "Ihr könnt Euch ja nicht einmal selbst auf den Beinen halten. Wie viel habt Ihr getrunken? Ihr wisst doch, dass Euch Alkohol nicht bekommt." Mit wenigen Schritten war er bei seinem Herrn und hielt ihn an den Schultern fest, wobei seine Hände vor unterdrückten Emotionen leicht zitterten. Er spürte, ihm drohte ein Gefühlsausbruch, aber konnte nichts dagegen tun. Unwirsch hob Ciel seine Arme, wollte Sebastian abschütteln, aber der hielt ihn fest. "Sebastian, was soll das? Ich hatte dir befohlen, dich heute Abend von mir fernzuhalten..." Ciel sah ihn aus kalten Augen an, aber der Dämon konnte in diesem Blick noch etwas anderes aufblitzen sehen. Nervosität? "Ihr hattet mir befohlen, mich während der sogenannten Ermittlungen im Hintergrund zu halten, aber die sind für diesen Abend eindeutig beendet." Automatisch wanderten Sebastians Hände höher, den Hals hinauf und umrahmten Ciels Gesicht, der immer noch krampfhaft an seinem kühlen Ausdruck festhielt. "Sebastian, was erlaubst du dir?!" Ciels Hände umklammerten die Handgelenke seines Butlers, versuchten, ihn wegzudrücken, doch gegen die Stärke des Dämons kamen sie nicht an. Dessen glühend rote Augen war nun dem Gesicht seines Herrn sehr nahe gekommen und er hauchte: "Habt Ihr auch nur irgendeine Vorstellung davon, was für eine Tortur dieser Ball für mich war?" Ciels Augenbrauen zogen sich zusammen und er erwiderte wütend: "So schlimm kann es doch gar nicht gewesen sein, du hattest schließlich gute Gesellschaft! Gib es doch zu, du genießt es, wie sie dir alle zu Füßen liegen, diese heuchlerischen Weiber! Und du lachst über mich, weil ich sie nicht im Griff habe!" Sein Herr wurde immer lauter. "Du belächelst mich wahrscheinlich und denkst 'was für ein armes, unschuldiges Kind er doch ist'!" Sebastian glaubte nicht, was er da hörte. Nun hob sich auch seine Stimme. Sie klang rau. "Ihr wisst wirklich gar nichts, mein Herr! Ihr wisst nichts von mir! Ich halte Euch ganz und gar nicht für ein unschuldiges Kind. Früher hab ich Euch als solches gesehen, aber das ist lange vorbei!" Bevor Sebastian selbst wusste, was er tat, hatte er seine Lippen auf die seines Herrn gepresst, und seine Arme schlangen sich um den schmalen Körper des Jungen. Als er keinen Widerstand spürte, umarmte er Ciel noch fester und drückte ihn an die Tischplatte. Wie von selbst glitten seine Hände den Rücken hinauf und griffen in Ciels Haar, zwangen seinen Kopf in eine seitliche Lage. Ciel gab ein gekeuchtes Murren von sich, seine Finger klammerten sich in Sebastians Ärmel, doch er war zu schwach, um sich ernsthaft gegen ihn zu wehren. Doch diese kleinen Versuche spornten die Gier des Dämons nur noch mehr an. Seine Zunge strich über die Lippen seines jungen Herrn, schob sich dazwischen, öffnete sie. Und dann durfte er endlich seinen Herrn kosten. Als hätte sie einen eigenen Willen wühlte sich seine Zunge in Ciels Mund, er stöhnte leicht, als er den süßen Speichel des Jungen schmeckte. Ciels Hände verkrallten sich in seine Schultern, er stöhnte, versuchte seinen Kopf wegzudrehen, aber es half alles nichts. Und dann begann er nachzugeben, das Spiel von Sebastians Zunge zu erwidern. Der Butler spürte, wie der Körper des Jungen weicher wurde und langsam drückte er ihn nach unten, bis sie halb auf dem Tisch lagen. Die Luft ging ihm aus und er löste sich keuchend von Ciels Mund, nur um das Gesicht des Jungen mit Küssen zu bedecken und seine Zunge über die zarten Ohrläppchen gleiten zu lassen. "Seb... astian..." Bei diesem gekeuchten Flüstern lief dem Butler ein angenehmes Kribbeln den Rücken herunter. Die Bestie in ihm grollte zufrieden, als er erneut Besitz von Ciels Mund ergriff. Oh Herr! ... Diese Lippen... so weich...! Seine Hände begaben sich auf eine aufregende Reise über Ciels Oberkörper, ertasteten durch den Stoff hindurch die Brust, die Rippen, den Bauch. Das hatte er schon tun wollen, als er Ciel diese enge Kleidung angelegt hatte. Ciel fing an zu zappeln und zu stöhnen, leistete nun mehr Widerstand. Als sich Sebastians Lippen von seinen lösten, holte er tief Luft und rief mit zittriger, aber dennoch entschlossener Stimme: "Das ist ein Befehl: Lass mich los, Sebastian!" Unter der Wucht des Vertrags brach die Gier in ihm mit einem letzten Aufheulen zusammen, seine Hände lösten sich vom Körper seines Herrn und im nächsten Moment kniete der Dämon vor Ciel nieder. Für einige Sekunden war nur der heftige Atem der beiden zu hören. Sebastian musste krampfhaft um Fassung ringen. "Verzeiht... mir, mein Herr", zwang er sich zu sagen. Sein ganzer Körper zitterte unter der Anstrengung, die es erforderte, seine Erregung zu verdrängen. Ciel richtete sich langsam auf, sein Atem ging schnell und auch er zitterte, während er sich mit der Hand über den Mund wischte. Er starrte seinen Butler an und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war. Doch das Adrenalin pumpte noch immer in seinem Körper und er war zu keinem klaren Gedanken fähig. Alles, was er in diesem Moment wusste, war, dass sein Gesicht und sein ganzer Körper von einer Hitze durchflutet wurden, die ihm Angst machte. Er hatte Angst zu fallen, die Kontrolle zu verlieren. Wie gebannt starrte er seinen Butler an, der vor ihm auf dem Fußboden hockte, das Gesicht nach unten gewandt. Hatte er eben etwas gesagt? Ciel war sich nicht sicher. In seinem Kopf herrschte das reinste Chaos, tausend Fragen wirbelten umher. Schließlich platzte die dringendste aus ihm heraus: "Warum...? Wieso hast du...?" Sebastian hob langsam den Kopf und gewährte Ciel einen Blick in die roten Augen. Dem Jungen klopfte das Herz bis zum Hals, als er den Sturm sah, der in diesen sonst so ruhigen Augen tobte. Wieder spürte er die Hitze in seinen Wangen und unterbrach hastig den Augenkontakt. "Es tut mir Leid, aber ich fürchte, ich kann Euch keine angemessene Antwort auf Eure Frage geben, junger Herr. Denn ich bin mir selbst nicht sicher, warum ich Euch geküsst habe." Ciel zuckte unter den letzten Worten zusammen. Was sagte sein Butler da? Er wusste doch sonst immer alles und er blieb seinem Herrn nie eine Antwort schuldig. Irgendetwas stimmte nicht. Ciel wollte nachhaken, da wurde er ruckartig aus seinen Gedanken geholt. "AAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHH!" Gleichzeitig sprangen Sebastian und Ciel auf, warfen sich einen kurzen Blick zu und rannten zur Tür, die der Ältere aufriss. Wieder hörten sie den Schrei. "HILFE! Oh Gott... Hallo, ist hier irgendwer?" "Das ist Lizzys Stimme!", rief Ciel und mit einem unruhigen Gefühl im Magen stürmte er Seite an Seite mit seinem Butler in die Richtung, aus der sie die Rufe vernommen hatten. Als sie um die nächste Ecke kamen, sahen sie Elizabeth vor einer offenen Tür auf dem Boden knien. Sie zitterte wie Espenlaub, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und schluchzte herzzerreißend. "Lizzy!" Sie blickte auf, ihre Augen waren aufgequollen. "Ciel... Oh, Ciel!" Er hockte sich neben sie und ergriff ihre Hände. "Geht es dir gut, Lizzy?" Prüfend wanderte sein Blick über ihr Gesicht. "Ciel, da drin... da ist..." Ihre Hände wiesen nach vorne in den Raum hinein, vor dem sie sich befanden. "Mein Herr", sagte Sebastian. "Ich glaube, wir haben ein Problem." Ciel wandte sich um und sah durch die Türöffnung. Seine Augen wurden größer. "I-Ich habe nach dir gesucht und bin... durch den Flur gelaufen, hab die Türen geöffnet und... und dann hier..." Lizzy schluchzte erneut auf und vergrub ihr Gesicht wieder in den Händen. Ciel stand auf und betrat langsam das Zimmer, näherte sich dem Bett, in dessen blutgetränkten Decken die nackte Leiche eines jungen Mannes lag. "Ciel, nicht! Geh nicht näher ran!" Mit ruhiger Stimme antwortete Sebastian für seinen Herrn: "Bitte, beruhigt Euch, Lady Elizabeth. Der junge Herr ist solch einem Anblick durchaus gewachsen." "Was sagen Sie da, Mr. Sebastian? Das verstehe ich nicht." Seufzend drehte sich Ciel zu seiner Verlobten um. "Lizzy, bitte. Ich weiß, die Situation ist nicht einfach für dich, aber für Erklärungen ist das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Ich kann Sebastian im Moment leider nicht entbehren, also bleib am besten, wo du bist, und versuch nicht herzuschauen." Elizabeth sah ihn mit großen Augen an, nickte dann und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ist gut, ich werde warten." Nun trat auch Sebastian näher und inspizierte den Tatort. Es war kein schöner Anblick. Gestorben war der Mann ganz offensichtlich durch den Stich in seine Brust, aber zuvor war ihm noch sein bestes Stück genommen worden, das sie in einer Ecke des Zimmers wiederfanden. Eine feine Spur von Blutspritzern deutete darauf hin, dass das Stück Fleisch geworfen worden war. "Junger Herr." Sebastians Hand wies auf das Kopfkissen. Dort lag eine rote Rose. "Hm... von einer Rose war bisher nicht die Rede gewesen. Aber alle anderen Indizien sprechen klar dafür, dass es sich um unsere Serienmörderin handeln muss." Sebastian nickte zögerlich. Plötzlich tönte es aus einiger Entfernung: "Lady Elizabeth? Wo sind Sie?" Lizzy sprang unter den Augen von Ciel und seinem Butler auf und bekam rote Flecken auf den Wangen. "Sind Sie das, Lord Miller? Ich bin hier drüben!" "Lizzy, nicht!", warf Ciel zischend ein, doch es war schon zu spät. Schwere Schritte näherten sich. Eilig ging Ciel zur Tür, um sie zu schließen, bevor jemand den Tatort zu Gesicht bekam, aber der Fremde war schneller. Schon stand er neben Elizabeth und starrte ins Zimmer. "Was...?", stammelte Lord Miller entsetzt und sein Gesicht verlor jegliche Farbe. "Oh mein... Das ist doch... den kenne ich! Das ist Mr. Buckley!" Sebastian warf Miller einen kühlen Blick zu. "Sie kennen diesen Mann?" Lord Miller wich ein wenig zurück. "Flüchtig... Ich habe ihn heute auf dem Ball kennengelernt, zusammen mit seiner Gattin. Sonst weiß ich nichts über ihn..." Selbst Ciel spürte, dass er etwas verschwieg. "Lord Miller war Ihr Name, richtig? Hören Sie, wir haben es hier mit einem Verbrechen zu tun und da ist jede Information von Nutzen, wenn Sie uns also noch irgendetwas mitzuteilen haben, tun Sie es." Ciels kalter Blick bohrte sich in Millers Augen. Der sah verunsichert zu Elizabeth, die aber den Kopf gesenkt hatte und zitterte. "Ähm, also... Ich habe vorhin beobachten können, wie ein Mädchen dem Herrn hier eine rote Rose zugesteckt hat... Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aber wenn ich das hier sehe, wird mir übel bei dem Gedanken... Meinen Sie, das hat etwas mit dem Fall zu tun?" Ciel antwortete nicht, sondern wandte sich an seinen Butler: "Sebastian, bitte sorge dafür, dass niemand der Ballgäste hiervon etwas mitbekommt, und informiere dann den Marquis und Scottland Yard. Wir treffen uns später an der Kutsche." "Yes, my Lord." Beim Hinausgehen streifte er mit seiner Hand unauffällig Ciels Arm, der unter der Berührung erzitterte. Ciel atmete tief ein. "Lord Miller, würden Sie sich uns vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zur Verfügung stellen? Wir bräuchten ein paar Informationen bezüglich dieses Mädchens, aber jetzt ist leider keine Zeit dafür. Scotland Yard wird sie vermutlich auch noch befragen wollen, aber das ist nicht meine Sorge." Der Angesprochene nickte hastig. "Sicher, sprechen Sie mich an, wann immer Sie wollen... darf ich fragen, wer Sie sind?" Ciel hob unbewusst ein wenig das Kinn und schaute ihn aus seinem kalten blauen Auge an. "Mein Name ist Ciel Phantomhive." Lord Miller wurde noch blasser. "Der Wachhund..." "Richtig, der Wachhund der Königin. Und als solcher muss ich Sie jetzt bitten, den Tatort zu verlassen. Die Herren von Scottland Yard haben es nicht so gern, wenn ihre Spielwiese schon verwüstet wird, bevor sie ankommen, denn dann haben sie ja nichts mehr zum zerstören." Mit einem höhnischen Lächeln wandte Ciel sich um und verdeutlichte damit, dass das Gespräch für ihn beendet war. Hinter sich hörte er, wie Lord Miller zu Elizabeth sprach und sie aufforderte mit ihm zu kommen. "Das ist sehr freundlich, aber ich habe noch etwas mit Earl Phantomhive zu besprechen. Aber wir werden uns bestimmt bald wieder sehen, lieber Lord Miller." Nanu? Was waren das denn für Töne? Mochte Lizzy diesen Mann? "Ciel?" Er reagierte nicht. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte. Jahrelang hatte er ihr nie etwas davon gesagt, was seine eigentliche Tätigkeit war. Natürlich hatte sie gerüchteweise von anderen Leuten gehört, dass Ciel für die Königin arbeitete. Selbst Miller hatte sofort Bescheid gewusst. Nun, die Damenwelt interessierte sich nicht so sehr für finstere Machenschaften, und da Lizzy nie viel mit anderen Männern zu tun gehabt hatte, war es nicht schwer gewesen, sie im Unklaren zu lassen. Aber jetzt musste sie natürlich misstrauisch sein. "Ciel! Hörst du mich? Was hat das alles zu bedeuten? Warum hast du nicht sofort die Polizei benachrichtigt?" Mit schnellen Schritten trat sie vor ihn und erzwang so seine Aufmerksamkeit. Die Leiche neben ihnen schien sie für den Moment sogar vergessen zu haben. "Du bist so..." Er sah sie herausfordernd an. "Na, was bin ich? Sag schon!" Jetzt wurde sie wütend. "Du spielst dich hier wie der große Detektiv auf, als hättest du so etwas schon tausendmal gemacht! So kenne ich dich gar nicht!" Er schwieg. In Elizabeths Gesicht machte sich nach und nach die Erkenntnis bemerkbar. Die Erkenntnis, dass es eine Seite an Ciel gab, die sie in all den Jahren niemals kennengelernt hatte. Die er vor ihr geheim gehalten hatte. "Das glaub ich einfach nicht!", stieß sie aus. "Bitte, Ciel. Rede mit mir!" Er seufzte entnervt. "Lizzy, es reicht. Es ist wirklich nicht der passende Augenblick für Erklärungen, die so viel Zeit in Anspruch nehmen würden, wie diese. Bitte gib dich damit zufrieden. Ich verspreche dir, dass ich dir ein anderes Mal eine besser Antwort geben werde. Und nun..." Er nahm ihren Arm und zog sie zur Tür. "Nun gehen wir und überlassen das Feld den unfähigen Trotteln von der Polizei." Elizabeth wollte sich wehren, gab dann aber klein bei und folgte Ciel, der den heranstürmenden Männern entgegen ging. Er wechselte ein paar knappe Worte mit Lord Randall, der schon von Sebastian über den Mord aufgeklärt worden war, und nachdem auch Lizzy Sebastians Aussage bestätigt hatte, brachte er sie in den Ballsaal zurück, wo ihre Eltern schon nach ihr suchten. Ciel hielt Elizabeth noch kurz fest. "Ich muss dich bitten, auch wenn es dir schwer fällt, mit niemanden über diesen Mord zu sprechen. Wenn es nicht anders geht, kannst du es deinen Eltern sagen, aber nur, wenn sie dir das Versprechen leisten, es unter keinen Umständen an jemand anderen weiterzutragen. Hast du das verstanden?" Lizzy nickte verängstigt und sah ihn verwirrt an. Ciel wusste, sie verstand nichts. Aber er hoffte, dass sie dennoch die Dringlichkeit seiner Bitte erkannt hatte. Er begrüßte flüchtig Lizzys Eltern und begab sich dann nach draußen zu seiner Kutsche. Es war ein langer, aufreibender Abend gewesen und er war sehr müde. Sein Butler empfing ihn an der Kutsche, öffnete die Wagentür und hielt ihm seine Hand hin. Den Augenkontakt vermeidend griff Ciel danach und stieg ein. Sobald sich die Tür hinter Sebastian geschlossen und der große schwarzhaarige Mann sich seinem Herrn gegenüber niedergelassen hatte, entstand eine eigentümliche Spannung. Die ganze Luft im Wageninneren schien zu elektrisieren und Ciel presste seine Stirn an die kühle Fensterscheibe. Zum Glück sprach Sebastian ihn nicht an. Das wäre in diesem Moment einfach zu viel für ihn gewesen. Kapitel 12: Ein ausgewachsener Orkan ------------------------------------ Liebe Leser, vielen Dank für inzwischen 32 Favoriteineinträge und die lieben Kommentare! Ich möchte euch an dieser Stelle sagen, dass ich mich immer über eure Meinung freuen, auch wenn diese nicht positiv ausfällt! Ich bin eurer Kritik nicht abgeneigt, denn ich möchte mich ja verbessern. Also wenn euch etwas negativ auffällt - nur her damit! So, nun ab zum nächsten Kapitel: Es war eine schwere Geburt. Diese ganzen Gefühle unter Dach und Fach zu kriegen, war nicht leicht, deswegen bange ich jetzt eurer Meinng entgegen... Achtung, Kitschgefahr!^^ Mit dem Mordfall geht es dann im darauffolgenden Kapitel weiter... Viel Spaß beim Lesen, eure Bella^^ **************************************************************************** Kaum hielt die Kutsche vor der Villa des Grafen, stieg Ciel hastig aus, noch ehe Sebastian Gelegenheit hatte, ihm die Tür zu öffnen. Draußen atmete er tief ein und füllte seine Lungen mit der kühlen Abendluft. In der Kutsche war es so furchtbar eng und stickig gewesen, er hatte wie auf Kohlen gesessen. Die Fahrt, die noch nicht einmal eine halbe Stunde gedauert hatte, war ihm vorgekommen wie der reinste Höllentrip. Ständig war er darauf bedacht gewesen, nicht zu seinem Butler hinüber zu sehen, da er sich nicht im Mindesten darüber klar war, wie er ihm nun begegnen sollte. Und diese Tatsache verwirrte ihn am allermeisten. Er hatte geschwitzt, Herzrasen gehabt und war zu keinem vernünftigen Gedanken fähig gewesen. Eigentlich müsste er jetzt stinkwütend sein, Sebastian mit irgendeiner unangenehmen Aufgabe bestrafen und die ganze Sache vergessen. Aber er konnte nicht. Er hatte einfach noch nicht die Gelegenheit gehabt, in Ruhe über alles nachzudenken. Aber das musste er tun, diese angespannte Stimmung zwischen ihm und dem Dämon zerrte an seinen Nerven. Sie betraten das Haus und Sebastian nahm ihm wie gewohnt Hut und Mantel ab. Er sprach immer noch nicht. Was geht nur in ihm vor? Warum ist er so still? "Sebastian." Der Butler blickte auf, ihre Blicke trafen sich. Kein Anzeichen des Sturms, der vorhin in den Augen des Dämons getobt hatte, war mehr zu sehen. Zumindest rein äußerlich war Sebastian beherrscht und völlig ruhig. Das wiederum brachte Ciels Gefühle zum kochen. Dieser Teufel von Dämon! Erst fällt er über mich her und jetzt besitzt er die Frechheit, sich absolut nichts anmerken zu lassen! Mit wütender Miene lief er an dem Älteren vorbei und sagte barsch: "Ich möchte für die nächste halbe Stunde nicht gestört werden. Wenn ich zu Bett gehen will, rufe ich dich." "Wie Ihr wünscht, junger Herr." Auch die Stimme des Butlers verriet nichts über seinen Gemütszustand. Er wirkte so gelassen wie immer. Mit hoch erhobenen Kopf erklomm Ciel die Treppe, begab sich in sein Schlafzimmer und ließ die Tür mit einem Krachen zufallen. Dampf stieg auf, als das heiße Wasser in die Kanne floss. Zwei Esslöffel Kräutertee rieselten hinterher und ein Deckel wurde oben draufgesetzt. Tasse und Untertasse, ein Löffel, eine Dose Zucker und ein Teller wanderten auf das Tablett. Die Hände taten ihre gewohnte Arbeit. Ihnen war es egal, ob die Welt morgen unterging, welche Wünsche eine Königin hatte oder welcher Nachbar mal wieder nicht die Hecke geschnitten hatte. Der junge Herr trank oft vor dem Schlafengehen noch eine Tasse Tee, also war es gut, vorbereitet zu sein. Die Teekanne wurde auf das Stövchen gestellt. Jetzt gab es nichts mehr zu tun. Keine chaotischen Hausangestellten, die bei jeder guten Absicht doch nur immer das Gegenteil bewirkten. Niemand da zum Ausschimpfen oder Zurechtweisen. Nicht einmal eine Katze gab es hier. Es gab einfach nichts zu tun. Sebastian stand minutenlang regungslos in der Küche. Im Geiste ging er alle Tätigkeiten durch, denen er normalerweise nachkam. Doch keine davon war jetzt angebracht. Seine Beobachtungen am Tatort hatte er auch schon zu Papier gebracht. Und jetzt? Mit einem ergebenen Seufzen setzte der Butler sich auf einen Stuhl und ließ sie zu. Ließ die Gedanken zu, die er zurückgedrängt hatte, seit Lady Elizabeth mit ihrem Schrei alles zerstört hatte. Oder vielleicht gerettet? Was hätte Ciel getan, wie hätte er reagiert, wenn sie in ihrer Zweisamkeit nicht unterbrochen worden wären? Sebastian wusste es nicht. Gut, er konnte es sich denken. Ciel hätte sich wahnsinnig über ihn aufgeregt und darauf bestanden, sofort die Heimreise anzutreten. Und wahrscheinlich hätte er ihm irgendeine Strafe auferlegt. Aber was, wenn er anders gehandelt hätte? Warum hatte er selbst so gehandelt? Das fragte sich Sebastian nun wohl zum hundertsten Mal. Eigentlich hatte er eine einfache Antwort: Weil er es gewollt hatte. Und er wollte es immer noch. Aber er spürte, dass irgendetwas anders mit ihm war. Denn die wichtigere Frage war ja: Warum wollte er es? Er hatte es immer schon gemocht, Ciel zu reizen, ihn aufzuziehen, sich über ihn lustig zu machen. Menschen konnte man mit so vielem verlegen machen und Ciel wurde immer so schön wütend, was den Dämon sehr amüsierte. Seit einiger Zeit bemerkte Sebastian jedoch, dass er selbst die Scherze immer in eine ganz bestimmte Richtung trieb. Dabei ging es meist um Ciels heranreifende Sexualität. Gerade mit diesem Thema konnte man den jungen Herrn auf die Palme bringen, denn es war etwas, wovon Ciel nichts verstand. Und der junge Graf schätze es nicht, unwissend dazustehen. Wie dem auch sei - Sebastian hatte sich also über ihn lustig gemacht, ihn verspottet, aber in jüngster Zeit vor allem körperlich gereizt. Ciel konnte es gar nicht mehr verhindern, dass sein junger, impulsiver Körper darauf entsprechend reagierte. Und er hasste es, wenn er die Kontrolle verlor, es fiel ihm außerordentlich schwer, sich fallen zu lassen. Und tiefe Gefühle empfand er selten. Es war also kein Wunder, dass er sich so gegen die Annäherungen des Dämons sträubte. Aber warum mache ich das? Was empfinde ich dabei? Wäre es eine rein körperliche Lust, müsste ich eigentlich in der Lage sein, sie zu beherrschen. Nun, Ciel hatte so seine Reize, das war ganz offensichtlich. Und auch ein Dämon kannte bestimmte Bedürfnisse und Begierden. Sie traten meist nicht so offen zutage wie bei Menschen, ein Dämon wusste sich normalerweise gut zu kontrollieren. Normalerweise... aber ich habe bereits festgestellt, dass ich inzwischen alles andere als normal bin. Er interessierte sich viel zu sehr für seinen Herrn, das war ungewöhnlich. Frühere Vertragspartner hatte er als Opfer angesehen. Er diente ihnen, brauchte nicht lange, bis er ihre düsteren Wünsche erfüllt hatte und verschlang ihre Seelen. Auch Ciels Seele würde er sich irgendwann einverleiben und er freute sich auf diesen Tag, denn er hatte selten eine so leckere Seele gespürt. Ihm lief allein bei dem Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen. Aber dieser Tag war noch nicht abzusehen, denn Ciels Rache dehnte sich immer weiter aus und bis sie erfüllt war, würde es dauern. Bis dahin musste er sich also mit dem Jungen abfinden. Und das war nicht mal das Schlechteste. Tief in seinem Inneren spürte Sebastian, dass er seinen Herrn gern hatte. Er war ihm ähnlich. Ciel hätte einen wunderbaren Dämon abgegeben, er war schon fast so grausam wie die meisten seiner Artgenossen. Und er war ebenso höhnisch und voll von kaltem Vergnügen, wie Sebastian es zuweilen war. Ciels Körper war, um es gelinde auszudrücken, alles andere als unerotisch. Er war inzwischen recht groß geworden, auch wenn der Dämon ihn noch immer um eine Kopfeslänge überragte, hatte einen schlanken, drahtigen Körper (zum Glück hatte Sebastians stets darauf bestanden, dass der Junge mindestens einer sportlichen Aktivität nachging), aber dennoch wirkte er so zierlich, so zart. Er besaß noch immer die Unschuld eines Kindes, und das verlieh ihm einen ganz besonderen Reiz. Sebastian grinste, als er an die eine Nacht zurückdachte, in der er seinem Herrn einen ganz besonderen Traum beschert hatte. Unter seinen Händen hatte Ciels Haut sich so unglaublich weich und glatt angefühlt. Er war kaum behaart und Hautunreinheiten waren auch nirgends zu sehen. Und dann diese Augen - ganz besonders schön waren sie natürlich, wenn Ciel die Augenklappe nicht trug. Die verschiedenfarbigen Augen hatten so etwas bedrohliches an sich, sie besaßen den Hauch des Übernatürlichen, der seinen Herrn ihm noch ähnlicher machte. Und seine Lippen... sie konnten sich zu einem spöttischen Lächeln verziehen, sie konnten die schlimmsten Worte entlassen, wenn sie sich öffneten und der grausamen Zunge dahinter einen Weg ebneten. Und sie waren so weich... Erst als das schrille Geräusch des Glöckchens Sebastian aus seinen Gedanken riss, merkte er, dass er völlig zusammengesunken war, seine Finger berührten seinen Mund. Er schalt sich innerlich selbst einen Idioten. Nun hatte er endlich Zeit gehabt, seine innere Ruhe wieder zu finden, und was tat er? Verfiel in Schwärmereien. Das war wirklich erbärmlich. Und nun war ihm die Zeit davon gelaufen und er musste seinem Herrn gegenüber treten, ohne sich selbst wieder unter Kontrolle zu haben. Nach außen hin konnte er natürlich den Anschein erwecken, es wäre alles in Ordnung, denn darin hatte er jahrhundertelange Übung. Aber er konnte nicht vorhersehen, was er sagen würde, sollte Ciel eine Erklärung für sein Verhalten verlangen. Denn er hatte noch keine angemessene gefunden. Oder sollte er ihm vielleicht einfach sagen: "Mein Herr, Ihr habt eine wahnsinnig erotische Ausstrahlung, wollt Ihr mir Euren Körper zur Verfügung stellen?" Sebastian schüttelte den Kopf und lächelte. Langsam bekam er schlechte Laune von seinen eigenen Gedanken. Vielleicht sollte er irgendetwas töten, um sich abzulenken. War nicht irgendwo ein Hund...? Oder ein geistig verwirrter Shinigami vielleicht... Erneut bimmelte die Glocke und Sebastian beeilte sich, dem Ruf seines Herrn nachzukommen. Ciel lag seit geraumer Zeit auf seinem Bett und ließ sich die Ereignisse des Abends durch den Kopf gehen, versuchte die wild umher schwirrenden Gedankenfetzen zu ordnen. Obwohl ein neuer Mord geschehen war und Elizabeth sein anderes Gesicht kennengelernt hatte, konnte er im Moment nur an eines denken: Dass Sebastian ihn geküsst hatte. Immer wieder lief die Szene wie in einer Bandschleife in seinem Kopf ab: Er war leicht betrunken in die Hände von drei Prostituierten gefallen, und als er begann, sich zu wehren, war der Dämon aufgetaucht. Und mit was für einem Gesichtsausdruck er in der Tür gestanden hatte! Ciel fand keine Worte dafür. Dann hatten sie sich gestritten, oder besser gesagt, Sebastian hatte ihn wie ein kleines Kind verspottet, ihm Vorwürfe gemacht. Aber warum? Wieso scherte es den Butler, ob Ciel etwas mit einer Frau hatte oder nicht? Das hatte schließlich nichts mit dem Vertrag zu tun. Möglicherweise war der Kuss ja die Antwort. Ganz plötzlich war Sebastian ihm so nah gewesen, dass er den Atem des Älteren auf seinem Gesicht gespürt hatte. Und dann hatten sich auch in ihm Gefühle ihre Bahn gebrochen, derer er sich vorher nicht einmal bewusst gewesen war. Er hatte sich über Sebastian geärgert, hatte ihm vorgehalten, er würde die Bewunderung der Frauen genießen. Ciel erkannte, dass ihn der Anblick von Sebastian inmitten der Damen sehr gestört hatte. Daher auch dieser Ausbruch. Sebastians darauffolgende Worte hatten ihn in die größte Verwirrung gestürzt. Er sieht mich nicht mehr als Kind an. Aber dennoch behandelt er mich oft genug wie eins. Und dann der Kuss. Ciels Finger tasteten nach seinem Mund, auf dem er noch immer den Druck von Sebastians weichen Lippen spüren konnte. Es war ein ungewohntes, aber nichtsdestotrotz faszinierendes Gefühl gewesen. Es war ein absolutes Paradoxon: Obwohl Sebastian sich hart an ihn gepresst hatte und seine Zunge gewaltsam in Ciels Mund eingedrungen war, hatte es sich gleichzeitig so weich und gut angefühlt. Es hat sich gut angefühlt? Unfassbar... Ciel kannte sich selbst nicht mehr. Aber manchmal meinte er so etwas wie ein Verstehen zu empfinden, als wäre ihm endlich etwas klar geworden, was schon lange in seinem Unterbewusstsein geschlummert hatte. Ich krieg es einfach nicht zu fassen! Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er krampfhaft versuchte, dieses Gefühl des Erkennens wieder herauf zu beschwören. Es hatte etwas mit dem Kuss zu tun, da war er sich sicher. Da! Da ist es wieder! Er spürte, wie sich etwas in seiner Brust zusammenzog. Sein Herz schlug schneller. Mal war es ein angenehmes Gefühl, dann tat es wieder weh. Er konnte es einfach nicht verstehen. Und das machte ihn rasend. Ich will es jetzt wissen! Und Sebastian wird mir jetzt Rede und Antwort stehen für das, was er mir angetan hat! Ciel gebot seinen Gedanken Einhalt und zwang sich zur Ruhe. Seine Hand griff nach der Kordel, die das Glöckchen in der Küche betätigen würde. Er zog daran und wartete. Wo bleibt dieser Bastard nur? Ungeduldig läutete er erneut und stand von seinem Bett auf. Er wollte Sebastian erhobenen Hauptes entgegentreten. Es klopfte leise an der Tür. Ciel holte tief Luft, sein ganzer Körper war bis in die Zehenspitzen angespannt. Sein Stimme klang gepresst, als er Sebastian herein befahl. Langsam öffnete sich die Tür und der Butler trat ein, ein Tablett auf dem Arm. Ohne Ciel eines Blickes zu würdigen trug er dieses zur Kommode und stellte es ab. "Wünscht Ihr noch einen Tee zu trinken, junger Herr?" Ciel starrte auf den Hinterkopf des Dämons. Wie bitte?! "Sebastian!", rief er barsch. "Vergiss den Tee, dreh dich um und komm näher!" Sebastian tat, wie ihm geheißen, und stand schließlich nur noch drei Schritte von seinem Herrn entfernt. Er hatte den Blick geradeaus gerichtet, vermied aber den direkten Augenkontakt, sehr zu Ciels Missfallen. "Hast du mir irgendetwas zu sagen, Dämon?" Das übliche kühle Lächeln huschte über Sebastians Gesicht. "Was wollt Ihr denn hören, junger Herr?" "Ich will wissen, was zum Teufel noch mal in deinem verdammten Kopf vorgeht! Was sollte dieser Ausbruch vorhin? Ich habe dich noch nie so die Kontrolle verlieren sehen!" "Das liegt daran, dass ich noch nie so die Kontrolle verloren habe. Und wie ich Euch bereits gesagt habe, fehlt auch mir eine richtige Erklärung dafür. Und die, die ich vielleicht hätte, wollt Ihr mit Sicherheit nur ungern hören, junger Herr." Ciel wurde immer wütender. Warum bekam er keine klare Antwort? Mit einem zornigen Knurren riss er sich seine Augenklappe vom Kopf, warf sie achtlos zu Boden und überwand die kurze Entfernung zwischen sich und seinem Butler mit wenigen Schritten. Erst jetzt, als er direkt vor ihm stand, konnte Sebastian ihn nicht weiterhin ignorieren. Ihre Blicke trafen sich. Und Ciel blieb seine Frage im Hals stecken. Stocksteif sah er zu diesem wunderschönen Teufel auf, der ihn ernst und ohne die Miene zu verziehen betrachtete. Wieder knisterte die Spannung durch die Luft, prallte von einem Körper zum anderen und wieder zurück. Bevor er sich selbst daran hindern konnte, wanderte Ciels rechte Hand langsam nach oben, berührte vorsichtig mit den Fingerspitzen Sebastians Lippen. Er konnte fühlen, wie der Ältere unter der Berührung leicht zitterte. In Ciels Hals saß ein riesiger Kloß, der auch durch ein kräftiges Schlucken nicht verbannt werden konnte. "Warum hast du ... warum hast du mich... geküsst, Sebastian?", fragte der Junge leise und mit rauchiger Stimme. Sebastian gab allmählich seine gelassene Fassade auf. Sein Blick tauchte tief in den seines Herrn ein und er antwortete wieder mit einer Gegenfrage: "Warum wollt Ihr das wissen, mein Herr? Wieso ist es Euch so wichtig?" Ciel erstarrte, während seine Hand an der Wange des Dämons ruhte. Wieso es ihm wichtig war? Na, ganz einfach weil... Er wollte es eben wissen! Er wollte es unbedingt wissen. Und er wollte... "Hat es Euch gefallen?" Gemächlich griff Sebastian nach Ciels Hand an seinem Gesicht, hielt sie fest. Ciel wollte schon patzig antworten, dass es ihm nicht im Geringsten gefallen hätte, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht. Offenbar konnte sie nicht mehr lügen. Dafür formte sie andere Worte, übernahm die Kontrolle über Ciels verwirrten Geist. "Ich weiß es nicht..." Autsch! Er hatte sich kräftig auf die Zunge gebissen. Dieses dumme Biest wurde langsam lästig! Sebastian lächelte finster. "Ihr wisst also nicht, ob es Euch gefallen hat, und ich weiß nicht, warum ich es getan habe." Er beugte sich langsam zu Ciel herunter und sah ihm ohne zu blinzeln in die Augen. "Vielleicht sollten wir unser beider Erinnerungen auf die Sprünge helfen." Oh Gott, oh Gott, oh Gott.... Ciel wollte schreien, aus dem Zimmer rennen, Sebastian rausschmeißen, irgendetwas kaputt machen oder sich die Haare ausreißen. Er war von sich selbst entsetzt, von dem eigenen Verlangen, dass er immer stärker in sich kochen spürte. Er wollte... Plötzlich fühlte er sie wieder. Die weichen und doch festen Lippen seines Dämons. Er wusste nicht, ob er sich bewegt hatte oder der andere, aber das war jetzt auch egal. Es war so verlockend einfach, das Denken aufzugeben. Sein Arme schlangen sich um Sebastians Hals, während er gleichzeitig den Druck von dem starken Griff des Dämons in seinem Rücken fühlte. Ihre Körper trafen wie Magnete aufeinander, passten sich perfekt an den anderen an. Ciel wusste nicht mehr, wie ihm geschah, Sebastian war überall. Seine Hände streichelten Ciels Rücken, die Schultern, die Hüfte, wieder den Rücken. Dann hielten sie den Kopf des Jungen fest und drückten ihn noch näher an Sebastian heran. Automatisch legte Ciel seinen Kopf etwas zur Seite, und er spürte, wie Sebastian dasselbe tat. Ihr Lippen öffneten sich gleichzeitig und die Zungen drangen tief in den Mund des anderen vor, umschlangen sich und tanzten miteinander. Das Gefühl war unbeschreiblich. Sie küssten sich und konnten einfach nicht aufhören. Laut dröhnte das eigene Keuchen in Ciels Ohren, sein Atem ging heftig und auch Sebastian stöhnte hin und wieder in seinen Mund hinein. Der Griff des Jüngeren wurde immer fester, er zog sich zu seinem Butler hinauf, wollte ihm noch näher sein. Näher... enger... wärmer... Ihre Beine hatten sich inzwischen selbstständig gemacht und waren miteinander verschlungen. Sie stolperten ein wenig, und mit einem lauten Poltern knallte Sebastians Rücken an das große Regal, in dem es gefährlich wackelte und klirrte. Keiner der beiden nahm davon Notiz. Sie hatten ihre Stütze und konnten sich nun voll aufeinander konzentrieren. Luft... Aufstöhnend befreite sich Ciel von Sebastians Lippen, ließ die Augen aber geschlossen und legte seufzend den Kopf in den Nacken, als der Dämon sich an seinem Hals zu schaffen machte und hingebungsvoll mit seiner Zunge darüber strich. Kein Denken mehr, keine Pläne und Überlegungen, keine Vorwürfe oder Zweifel. Nur noch Fühlen. Spüren. Genießen. Fallen... Hätte Sebastian ihn nicht festgehalten, wäre Ciel bestimmt zu Boden gerutscht. So lehnte er sicher in den Armen seines Butlers und ließ sich von dessen Zunge verwöhnen. Auch seine Lippen blieben nicht untätig und legten sich immer wieder auf Sebastians Wange und Stirn. Die großen Hände an seinem Rücken wanderten tiefer, streichelten die Hüfte und seinen Po. Seit sich die Lippen das erste Mal getroffen hatten, war in ihm dieses Kribbeln gewesen, das nun rasch stärker und zu einem ausgewachsenen Orkan in seinem Körper wurde. Schauer rieselten über seine Haut, die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf und er stieß ein lautes Keuchen aus. Auch Sebastians Atem ging sehr schnell, seine Lippen fanden den Weg zu Ciels zurück und fingen sie mit einem stöhnenden Knurren ein. Diese teuflische Zunge würde Ciel um den Verstand bringen, wenn das so weiterging. Ciel wurde von Empfindungen überschwemmt, die ihm allesamt sehr neu waren, und allmählich registrierte sein Körper das auch. Ihm war mal heiß, dann wieder kalt, er zitterte und begann sich unter Sebastians fordernden Händen zu winden. Aber auch der Dämon schien das Denken für den Moment aufgegeben zu haben, oder er hatte sich mit Absicht der Kontrolle seiner inneren Gier unterworfen. Erst als Ciel merkte, wie sich vorwitzige Finger an seiner Kleidung zu schaffen machten, fing sein Kopf wieder an zu arbeiten. Und er bekam Angst. Was geschah hier mit ihm? Hilfe... Ich... das geht zu schnell... nicht... Seine Hände drückten sich gegen Sebastians Brust, was dieser ignorierte. Ciel musste all sein Kraft aufbringen, um sich von Sebastians Mund los zu reißen. "HALT!" Sebastian lehnte sich ein wenig zurück, um seinem Herrn in die Augen sehen zu können, während seine Arme den Körper des Kleineren nach wie vor gefangen hielten. Er keuchte ein wenig, schaffte es aber dennoch, gelassen zu sprechen. "Warum haltet Ihr mich auf, mein Herr?", fragte er leise und lächelte anzüglich. "Ihr scheint meinem Körper alles andere als abgeneigt zu sein." "Ich will das nicht hören, Sebastian!" Er versuchte, seine Stimme zornig klingen zu lassen, versagte aber kläglich. Sebastian lehnte sich vor, führte seinen Mund nah an Ciels Ohr heran. Der Junge spannte sich unwillkürlich an. "Was wollt Ihr dann hören, mein Herr?", hauchte der Dämon und leckte frech über das zarte Ohrläppchen. "Seid Ihr wirklich so naiv, dass Ihr nicht merkt, was Euer Körper verlangt, oder wollt Ihr es gar nicht bemerken?" Seine Stimme klang unwiderstehlich verführerisch: "Gebt auf." "Du Bastard!", spie Ciel wütend aus und stemmte seine Hände wieder gegen die Brust des anderen. "Lass mich gefälligst los! Es steht dir nicht zu, so mit mir zu sprechen, Dämon!" "Das schert mich momentan herzlich wenig." Sebastian kicherte finster und ließ Ciel seine rot glühenden Augen sehen. "Ihr habt meinen Kuss mit solcher Leidenschaft erwidert, dass ich annahm, mir stehe jetzt noch viel mehr zu, als nur mit Euch zu sprechen." Ciel wurde kochend heiß, er lief rot an und schwitzte, zitterte... Was der Dämon gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Er hatte den Kuss erwidert. Er hatte ihn vielleicht sogar begonnen. Was war ihm vorhin noch durch den Kopf gegangen? Ich wollte ihn küssen... Übelkeit stieg in ihm auf, ihm wurde fast schwarz vor Augen. Sebastian schien zu erraten, was in ihm vorging. Sein Grinsen wurde breiter. "Seid Ihr endlich einmal ehrlich zu Euch?" "Das geht dich einen Dreck an, Sebastian", sagte Ciel leise und kalt, sein Gesicht war sehr blass. "Es kann dir völlig egal sein, ob ich ehrlich zu mir bin oder nicht. Es sind meine Gefühle und über die wirst du nicht bestimmen. Niemand kontrolliert mich." Sebastian sah ihn nun ebenso kalt an. "Dann befehlt es mir, junger Herr." Schweigen. Einige Sekunden sahen sich die beiden nur in die Augen, verharrten in der Umarmung, musterten sich prüfend. Ciel schluckte hart, befeuchtete seine Lippen. "Lass mich los. Das ist ein Befehl." Der Klammergriff in seinem Rücken löste sich und er stolperte ein paar Schritte rückwärts. So standen sich Herr und Butler gegenüber, ihr Atem war immer noch unruhig, die Blicke abschätzend, als wüssten sie nicht, was nun zu tun wäre. Sebastian nahm Haltung an und verbeugte sich knapp. "Wünscht Ihr nun zu schlafen, junger Herr?" Nur ein Flüstern kam über die Lippen: "Ja, aber ich werde mich selbst umziehen. Geh jetzt." Von Sebastian erntete er für diesen Satz einen ausgesprochen düsteren Gesichtsausdruck, und mit eisigem Tonfall antwortete er: "Yes, my Lord." Dann verließ er das Schlafzimmer. Ciel fiel auf das große Himmelbett, zerrte an seiner Kleidung und kroch schließlich nur noch mit Unterwäsche bekleidet unter die Bettdecke. Sein Inneres war furchtbar aufgewühlt, es kam ihm vor, als hätte sich seine gesamte Welt schlagartig auf den Kopf gedreht. Er hatte nach Antworten gesucht, hatte von Sebastian eine Erklärung hören wollen. Und was war passiert? Plötzlich sah er wieder das Bild seiner Eltern in dem kleinen Medaillon vor sich. Und ihn überkam wieder dieses eine bestimmte Gefühl, das er damals nicht hatte benennen können. Er konnte es auch jetzt noch nicht, aber mit einem leichten Schauer, der ihm den Rücken hinunterlief, erkannte er, dass dieses Gefühl demjenigen ähnelte, das er hatte, wenn er an Sebastian dachte und an das, was eben geschehen war. Sein Herz pochte und zog, sein Puls ging schnell und ihm wurde heiß. Er spürte ein starkes Kribbeln zwischen den Beinen und erinnerte sich an seinen Traum. Damals waren beim Onanieren Sebastians rote Augen in seinen Gedanken aufgetaucht. Das ist einfach unmöglich, dachte Ciel fassungslos. Ich habe nie irgendjemanden begehrt, weder körperlich noch sonst wie. Aber er konnte die Tatsache nicht länger ignorieren, dass er sehr heftig und unkontrolliert auf Sebastians Annäherungen reagierte. Und das auf eine Art, die er sich nie hatte vorstellen können. Obwohl ihn diese Erkenntnis anwiderte und er sich in seinem Stolz sehr verletzt fühlte, wurde er sich langsam einer gewissen Sehnsucht bewusst. Wenn er alles andere ausblendete, sah er nur noch Sebastians Gesicht vor sich, spürte dessen feste, weiche Lippen auf seinen, die heiße, feuchte Zunge in seinem Mund, die starken Hände auf seinem Rücken. Und es fühlte sich unglaublich gut an. Ihm kam eine Idee. Er zögerte noch etwas, schämte sich entsetzlich, aber dann griff er nach seinem steifen Glied und bewegte seine Hand auf und ab. Dabei rief er sich bewusst die Empfindungen in Erinnerungen, die ihm bei seinem Intermezzo mit dem Butler gekommen waren. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten und er ergoss sich mit einem unterdrückten Stöhnen in seine Hand. Mit weit aufgerissenen Augen lag er keuchend in seinem Bett, zitterte unter den Nachwehen des heftigen Höhepunkts, den er eben erlebt hatte. Sein kleines Experiment hatte ihm die Antwort gegeben, vor der er sich gefürchtet hatte. Kapitel 13: Sebastian in Aktion ------------------------------- Liebe Leser! Es tut mir außerordentlich Leid, dass ihr so lang auf das neue Kapitel warten musstet! Ich hatte in letzter Zeit wahnsinnig viel um die Ohren, ein Problemfall in der Familie, Hausarbeiten für die Uni, an meiner Zukunft feilen... selbst wenn ich mal Zeit hatte, hatte ich einfach ne Schreibblockade. Ich möchte mich ganz herzlich für die vielen Favos und Kommis bedanken, ihr gebt mir damit einen guten Teil meiner Motivaten! Aber nun genug der Vorrede... Viel Spaß mit dem neuen Kapitel! Hörbuch: http://www.youtube.com/watch?v=ZGB3VyRX2OA&context=C33437c7ADOEgsToPDskJGLMtOXyKFaUTZixRC73Y7 **************************************************************** Mit einem leisen Klicken fiel die Tür seiner Kammer zu und Sebastian lehnte sich mit einem Seufzen dagegen - so etwas geschah zum ersten Mal, soweit er sich erinnern konnte. Ein hölzernes Brett im Rücken zu haben fühlte sich gar nicht so schlecht an, es war sehr fest und stabil und gab nicht nach. Genau das richtige in diesem Moment. Sebastians Blut floss noch immer in einem erhöhten Tempo durch seine Adern, brachte sein menschliches Herz zum Rasen. Nie zuvor war ihm dieser Körper so lästig vorgekommen. Eigentlich hatte der Dämon sich nach langer, langer Erfahrung daran gewöhnt von Zeit zu Zeit 'Mensch' zu sein, ihm waren die Regungen dieses Organismus vertraut und so groß war der Unterschied zu seiner dämonischen Gestalt nicht. Aber diesmal hatte er seine eigene Kontrolle überschätzt und der Mensch Sebastian Michaelis tat, was er wollte. Und momentan bedeutete das, dass nicht nur sein junger Herr von dieser Erregung betroffen war. Auch in seinem Unterleib kribbelte es gewaltig und so sehr sein dämonischer Geist auch versuchte, dieses gewisse Körperteil zu bezwingen, gelang es ihm nicht ein bisschen. Sebastian zog sich aus und legte die Kleidung sorgsam zusammen, bevor sein Blick an sich herab glitt. Fasziniert starrte er auf sein hoch aufgerichtetes Geschlecht, das ihn jetzt gerade zu einem ganz normalen Mann machte. Ein Mann, der ein heftiges Verlangen verspürte, der vollkommen von seinen Trieben gefangen war. Niemals hatte er als Mensch selbst Hand an sich gelegt. Dieser Körper war schließlich nur eine Attrappe. Er nutzte ihn, wenn es seinen Zwecken dienlich war, beherrschte ihn und ordnete sich ihm nicht unter. In der Vergangenheit hatte er mit Frauen und auch mit Männern geschlafen, aber niemals um des Vergnügens oder der Lust Willen. Er war kein von sexueller Befriedigung lebender Inkubus, sondern ein Dämon, der seine größte Erfüllung im Verspeisen von Seelen fand. Er fühlte sich schmutzig. So ekelhaft menschlich. Ebenso wie Ciel war auch ihm jeglicher Kontrollverlust zuwider. Aber in diesem Fall ließ es sich nicht ändern. Er legte sich auf sein selten benutztes, schmales Bett, und wie von selbst wanderte seine Hand nach unten und strich langsam probeweise über den Schaft. Automatisch tauchte der Junge mit dem seidigen dunklen Haar in seinem Kopf auf, er fühlte wieder dessen zarte Lippen, die schüchterne Zunge, die sich an seiner eigenen rieb, ihn herausforderte. Im Geiste strichen seine Hände über Ciels Rücken, streichelten den kleinen, süßen Po. Ein Stöhnen entfloh seiner Kehle. Es folgten weitere Laute der Lust, die sich seines ganzen Körpers bemächtigte und ein heißes Verlangen in ihm entfachte. Seine Lenden wurden von einem unerträglich schönen Kribbeln erfüllt, während seine Hand immer schneller wurde. Alle seine Muskeln spannten sich an, sein Rücken hob sich und seine Hand fühlte etwas nasses. Mit einem undefinierbaren Gefühl besah sich der Dämon das Ergebnis seiner Tat und zum ersten Mal in seinem langen Leben fühlte er sich furchtbar erniedrigt, aber gleichzeitig spürte er eine unbekannte Wärme in jedem Winkel seines Körpers - war das Glück? Wieso hatte er sich nicht im Griff? Was passierte mit ihm? Es war doch nur ein lächerliches Spiel. Ja, verdammt, ich will Ciel, ich will ihn! Wäre er nicht so schrecklich stolz, hätten wir es getan! Er hätte die Oberhand gehabt. Er war doch der Verführer, er war derjenige, der den anderen mit einem kühlen, triumphierenden Lächeln zum Höhenpunkt gebracht hätte. Warum verweigerte sein Körper ihm den Gehorsam? Sebastian hasste es zu verlieren. Er war immer gelassen, kalt, reserviert und nahm sich, wonach ihm der Sinn stand. Aber sein eigenes Spiel hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er merkte, wie er langsam aber sicher zu einer Art Marionette wurde. Wer oder was der Spieler war, der die Figuren führte, wusste er nicht mehr. Du bist erbärmlich, Dämon. Stell dir nur vor, die anderen könnten dich so sehen. Wie würden sie sich über dich lustig machen! Ein Dämon, der einem Menschenkind verfällt! Eine größere Schande gibt es nicht! Sebastian hatte genug. Er setzte sich auf und begann seinen Körper zu verwandeln, nahm seine eigentliche Gestalt an. Vielleicht würde ihm das ja helfen, wieder er selbst zu werden. Seine Haare wuchsen, lange Fingernägel wurden sichtbar, Flügel brachen aus seinem Rücken hervor. Schließlich saß eine große, dunkle Gestalt in der kleinen Kammer. Aber er fühlte sich nicht anders. Selbst jetzt schlug sein Dämonenherz schnell, sein Gedanken wuselten umher, es war noch genauso wie zuvor. Dennoch - Sebastian wäre kein Dämon gewesen, wenn er sich nicht irgendwie wieder hätte zusammenreißen können. Gut, dann hatte er eben Sehnsüchte. Also schön, dann war er eben von seinem Herrn besessen. Er lebte schon lange, er würde geduldig sein. Er würde ruhig bleiben, den Alltag aufrecht erhalten und seinen Dienst als Butler tun. Irgendwann werde ich ihn schon bekommen! Und spätestens wenn Ciel starb, würde er seine Seele essen und der ganze Spuk wäre vorbei! Er verwandelte sich zurück, zog sich wieder an und versuchte, seine Sinne zu fokussieren. Er würde sich beherrschen. Er würde es schaffen! Ciel erwachte an diesem Morgen mit einem unbestimmten Gefühl. Er war müde und verwirrt und wäre am liebsten sofort wieder eingeschlafen, aber wie üblich stand Sebastian neben seinem Bett und es duftete nach Tee... Moment mal... Mit einem Ruck schnellte er nach oben, saß aufrecht und starrte zu seinem Butler hoch, der zurückhaltend lächelnd auf ihn hinabschaute. Sofort waren alle Erinnerungen wieder da, Hitze stieg ihm in die Wangen, und Ciel sah betreten zur Seite. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Fieberhaft versuchte er sich zu sammeln. Denk nach, Ciel, denk nach! Reiß dich zusammen! Du hast ihn gestern abgewiesen. Und sieh doch, er ist wie immer! Keine Panik! "Guten Morgen, junger Herr. Ich habe hier eine Tasse Tee für Euch." Der Butler sprach wie immer in einem gelassenen und höflichen Tonfall. Das ermutigte Ciel, es ihm gleichzutun. Nachdem er tief eingeatmet hatte, wandte er sich dem Älteren wieder zu und streckte die Hand nach der Tasse aus. Dann lehnte er sich gegen die Kissen und nahm einen Schluck. "Geh und bereite das Bad vor, Sebastian." Na also! Er konnte also normal mit ihm sprechen. "Natürlich, mein Herr." Sebastian drehte sich um und verließ das Zimmer. Ciel sah ihm nicht nach. So ein Mist, dachte der Junge. Er hatte Kopfschmerzen. Ihm war, als hätte man ihn mit einer Dampfwalze überrollt. Nach seiner nächtlichen Entdeckung war er irgendwann vor Erschöpfung in einen traumlosen Schlaf gesunken. Doch dieser hatte ihm keine Erleichterung verschafft, im Gegenteil, er wäre gern den ganzen Tag im Bett liegen geblieben, hätte sich wie ein Kind die Decke über den Kopf gezogen und sich vor aller Welt versteckt, vor allem vor Sebastian. Seine Gefühle für den Butler verwirrten ihn viel zu sehr, als dass er sie einfach ignorieren konnte. Aber er musste die Situation mit Würde und Fassung ertragen. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Und außerdem hatte er einen Fall aufzuklären. Die Schritte seines Butlers holten ihn aus seinen Gedanken. Er erhob sich und folgte dem großen Mann ins Badezimmer. Dann standen sie sich gegenüber, Ciel sah zögerlich zu ihm auf. Sebastian begann wie immer die Knöpfe des weißen Nachthemds zu öffnen, es schien alles normal zu sein. Aber da! Für einen winzigen Augenblick hatte er Sebastians Augen auflodern sehen, er war sich sicher! Vorsichtig stieg der Junge in die Wanne und überlegte. Er wusste, dass er seinem Butler nicht mehr mit Gleichgültigkeit begegnen konnte. Was auch immer zum Teufel mit ihm los war, er fühlte sich zu ihm hingezogen. Aber wie stand es um Sebastian? Es ist eigentlich nicht möglich. Er ist doch ein Dämon. Er würde sich doch niemals zu solchen Gefühlen herablassen... Und dennoch - etwas war anders. Sebastian war regelrecht über ihn hergefallen. Er kannte zwar den Grund dafür nicht, aber das war nicht sein übliches Verhalten. Und auch jetzt, wo er nach außen hin gelassen schien, hatte er doch etwas in seinem Gesicht aufblitzen sehen. Ciel wollte es genauer wissen. Als er die kreisenden Bewegungen des Schwamms auf seinem Rücken spürte, seufzte er ein wenig. Er musste es nicht einmal spielen, sondern sich einfach nur auf die Berührungen konzentrieren. Unbewusst lehnte sich er sich Sebastian wenige Zentimeter entgegen, dessen Hand leicht den Druck erhöhte. Wie zufällig trafen ab und zu die Fingerspitzen auf Ciels Haut und hinterließen brennende Punkte. Wieder seufzte der Junge und mit jeder weiteren Bewegungen des Schwamms und Sebastians Fingern ging sein Atem unregelmäßiger. Und als ihm ein richtiges Stöhnen aus der Kehle entfloh, hielt Sebastian inne. Ciel wartete. Dann drehte er sich um und sah dem Dämon ins Gesicht. Seine Augen glühten purpur, der Blick war starr geradeaus gerichtet und seine rechte Hand zerdrückte den Schwamm, während die linke fest den Badewannenrand umklammerte. "Sebastian!", sagte Ciel laut. Langsam wanderten die leuchtenden Augen zu ihm, tauchten in seine. Ciel wurde augenblicklich kochend heiß, das Wasser fühlte sich dagegen nur noch lau an. Schnell drehte er sich wieder um und lehnte sich an den Wannenrand. "Die Vorderseite." Irrte er sich oder hatte er Sebastian gerade tief einatmen gehört? "Natürlich, junger Herr." Klang seine Stimme gepresst? Der Dämon tauchte an seiner rechten Seite auf und streckte die Hand mit dem Schwamm aus. Sanft strich er über Ciels Hals, das eine Schlüsselbein, dann das andere, glitt tiefer zur Brust, umkreiste die Brustwarzen. Ciels Kopf kippte leicht nach hinten, seine Lider schlossen sich und wieder stöhnte er auf. Jegliche Scham war verschwunden, hatte sich in den zarten Berührungen aufgelöst. Verdammt, warum fühlte sich das nur so gut an? Seit Jahren wusch Sebastian ihn jeden Tag, immer auf dieselbe Art, immer im selben Tempo, den mit wohlduftender Seife getränkten Schwamm über seine Haut führend... ahhh... also warum jetzt? Nie vorher war ihm aufgefallen, dass jede seiner Fasern sich der Berührung entgegenstreckte, dass seine Haut warm wurde und er ein leichtes Kitzeln in seinen Poren spürte... Der Schwamm war inzwischen bei seinem Bauchnabel angelangt und stockte nun. Empört riss Ciel die Augen auf. "Wieso hörst du auf?" Sebastian sah ihn verdutzt an. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem finsteren Lächeln. "Wollt Ihr mich herausfordern, mein Herr?" Ciel erschrak. "Wie meinst du das?" Sein Gegenüber zog die Augenbrauen hoch. "Ihr wascht Euch dort doch lieber selbst, oder irre ich mich?" Wie ertappt wich Ciel dem roten Blick aus und biss sich auf die Unterlippe. Verdammt, daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Er hatte wirklich erwartet, dass Sebastian jetzt wie selbstverständlich weitermachen würde. Wütend entriss Ciel seinem Butler den Schwamm. "Verschwinde, Sebastian. Den Rest mache ich selbst. Bereite das Frühstück vor." "Das habe ich bereits getan." "Dann mach dich gefälligst anderweitig nützlich, wische die Fußböden oder putz die Fenster, was weiß ich." Sebastians Augen wurden eine Nuance dunkler, missbilligend verzog er die Mundwinkel. Doch er stand widerspruchslos auf, verbeugte sich leicht und warf ihm noch einen letzten Blick zu, der Ciel erschauern ließ. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Bad. Frustriert und verwirrt wusch Ciel sich und zog sich dann mehr schlecht als recht an. Mit offenen Schnürsenkeln und unordentlich geknoteter Schleife betrat er schließlich das Esszimmer, wo Sebastian den Tisch gedeckt hatte. Selbiger wandte sich seinem Herrn zu und ein ungläubiger Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dann fing er leise an zu lachen. Ciel starrte ihn finster an und wusste nicht, was er sagen sollte. Mit einem Räuspern wurde Sebastian ernst und fiel vor Ciel auf die Knie. Wenige Handgriffe später hatte er die Schuhe geschnürt und richtete sich wieder auf, um die Schleife um Ciels Hals neu zu binden. "Verzeiht meine Unhöflichkeit, junger Herr." Seine Stimme troff vor Ironie. Ciel beachtete ihn nicht weiter und setzte sich hin. Neben seinem Teller lagen ein paar vollgeschriebene Blätter. "Das sind die Informationen, die wir bisher zu der Mordserie haben. Ich habe alle Beobachtungen zum gestrigen Ereignis bereits dokumentiert. Im Prinzip gab es keinen großen Unterschied zu den vorigen Fällen, mit Ausnahme der Rose, die sich neben dem Kopf des Opfers befand." Ciel biss von seinem Brötchen ab, kaute kurz und schluckte. "Was sind also die Pläne für heute?" "Ich werde mich nach dem Frühstück nochmals zum Polizeihauptquartier begeben. Jonathan Miller wurde gestern sicher noch verhört, daher werde ich die Unterlagen dazu einsehen. Miller hatte von einem Mädchen gesprochen, also wird das wohl unsere nächste Spur sein." "Es gibt außer dem noch immer ungelösten Mordfall aber nun ein weiteres Problem." Stirnrunzelnd ließ Ciel das angebissene Brötchen auf den Teller fallen und stützte sein Kinn in beide Hände. "Sprecht Ihr von Lady Elizabeth?" "Wovon denn sonst?" Sebastian verließ seinen Platz hinter Ciels Stuhl und trat in sein Blickfeld. "Hat die Lady Eure Erklärung akzeptiert?" Missmutig sah Ciel auf. "Welche Erklärung? Ich habe sie kurzerhand abgefertigt und kann nur hoffen, dass sie den Mund hält. Aber so wie ich Lizzy kenne, wird ihr das sehr schwer fallen." Sebastian lächelte boshaft: "Soll ich sie zum Schweigen bringen, mein Herr?" Ciel schnaubte verächtlich und funkelte seinen Butler an: "Glaub mir, ich hätte theoretisch sicherlich nichts dagegen, aber ganz realistisch betrachtet, würde uns deine Methode, dieses Ziel zu erreichen, dann doch eher noch mehr Probleme bereiten." Nachdem Ciel sein Frühstück beendet hatte, begab er sich ins Arbeitszimmer, in dem Sebastian einige Bücher und Zettel bereitgelegt hatte. "Ihr solltet keinesfalls Eure Studien vernachlässigen, junger Herr. Während ich mich um die Ermittlungen kümmere, könnt Ihr Euch diesen Aufgaben widmen, die ich für Euch vorbereitet habe." Wenig begeistert ließ sich der Junge in den Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen und betrachtete die Bücher. "Wir stecken mitten in einem Mordfall und ich soll englische Literatur büffeln?" Sebastian setzte eine strenge Miene auf. "Ihr könnt natürlich tun, was Euch beliebt, es lässt sich auch ungebildet gut leben. Vor allem könnt Ihr dann für das Amüsement der anderen Leute sorgen..." "Schon gut!", unterbrach Ciel ihn genervt. "Jetzt verschwinde schon und lass mich in Ruhe!" Der Butler warf seinem Herrn einen unergründlichen Blick zu und folgte dem Befehl. In Windeseile begab sich Sebastian mal wieder zum Quartier des Scottland Yard. Natürlich hätte er auch direkt Jonathan Miller aufsuchen können, aber dafür hätte er zunächst nach dessen Adresse fahnden müssen. So war es einfacher. Noch schneller, als seine Füße ihn vorwärts trugen, rasten die Gedanken in seinem Kopf, wie so oft in letzter Zeit. Ciel benahm sich fast normal, er schien sogar besonders kühl und gelassen zu sein. Natürlich hatte er vor dem Dämon die leichte Rötung seiner Wangen nicht verbergen können, aber es sah nicht so aus, als würde er in naher Zukunft dem Verlangen seines Butlers oder seines eigenen Körpers - und Sebastian war sich sicher, dass auch Ciel so fühlte - nachgeben. Er war stark, das wusste Sebastian schon seit vielen Jahren. Nun gut, er würde vorerst mitspielen. Ciel zu überfallen, hatte zwar für ein temporäres Vergnügen gesorgt, aber auf die lange Sicht musste er die Gefühle seines Herrn auf subtilere Art unterwandern. Denn es missfiel ihm sehr, dass wann immer die Situation interessant wurde, er von Ciel die Anweisung bekam, das Zimmer zu verlassen. Zwar war ihm noch nicht ganz klar, wie er es anstellen würde, aber das nächste Mal wollte er nicht so schnell zurückweichen. Schon war er an der Rückseite des grauen Baus angelangt und sprang mit Leichtigkeit auf den Balkon im zweiten Stock, wo er ein offenes Fenster vorfand. Den Ort, an dem aktuelle Ermittlungsergebnisse dokumentiert und aufbewahrt wurden, kannte er inzwischen sehr gut, bereits viele Male hatten er und sein Herr sich auf diese Art Informationen beschafft. In ihren Händen wurden sie auch wesentlich sinnvoller genutzt als in den der tölpelhaften Kommissare. Heute musste er nicht einmal so vorsichtig sein wie sonst, denn es war Sonntag Vormittag, die meisten braven Bürger befanden sich jetzt in der Kirche. In einem Regal fand er die Akte, die er bereits vor wenigen Tagen eingesehen hatte. Mehrere Blätter waren hinzugekommen, darunter ein detaillierter Bericht des gestrigen Mordes. Schnell überflog Sebastian das Verhör eines Jonathan Miller, wo er auch dessen Adresse fand, und bei der Beschreibung des Mädchens durchforstete er seine Erinnerung vom Ball. Goldbraunes Kleid mit einer großen dunklen Schleife... dunkle Haare nach oben gebunden... eher klein... Aha!, dachte er triumphierend. Er konnte sich an diese junge Frau erinnern, sie war zwischenzeitlich unter den Damen gewesen, die ihn bezirzt hatten. Dann las er weiter. "Rechts neben dem Kopf des Opfers befindet sich eine rote Rose, die ebenso wie alles andere von Blutspritzern überseht ist. Es ist also anzunehmen, dass der Mörder sie nicht erst nach der Tat dorthin getan hat, sondern sie bereits dort lag. Es ist weiterhin möglich, dass es sich um die Rose handelt, die das Opfer laut Millers Bericht am selbigen Abend von einem noch unbekannten Mädchen erhalten hat." Ja, so viel hatte er selbst sich auch denken können. Die Randnotiz zog eher sein Interesse auf sich: "Hier muss hinzugefügt werden, dass an mindestens einem der vorigen Tatorte auch eine rote Rose gefunden wurde. Offensichtlich hatte der leitende Kommissar dies bisher nicht für wichtig befunden." Wie ich die ungenauen Angaben dieser Stümper hasse! Aber gut, dann werde ich jetzt wenigstens noch ein bisschen Spaß haben.... Er legte alle Dokumente sorgfältig wieder zusammen und verstaute sie im Regal, bevor er ebenso ungesehen verschwand, wie er gekommen war. Nun steuerte er die nächstgelegene Kirche an. Er wusste, dass Lord Randall dort regelmäßig den Gottesdienst besuchte, um im Anschluss direkt ins Hauptquartier zu gehen. Er nahm seine Arbeit so ernst, dass er sich nicht einmal an einem Sonntag Ruhe gönnte. Es lag jedoch jenseits Sebastians Horizont, weshalb jemand, der mit so viel Tatendrang bei der Sache war, ein so interessantes Indiz wie die rote Rose einfach unbeachtet gelassen hatte. “... und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Amen” “Amen...”, flüsterte Sebastian und lächelte diabolisch, während er leise durch einen Seiteneingang das Gotteshaus betrat. Aus dem Schatten des Seitenschiffes heraus beobachtete er die Besucher der Kirche dabei, wie sie sich von ihren Knien erhoben und aufstanden, um zum Schluss der heiligen Messe das Ave Maria zu singen. Sebastians Gesicht zeigte nichts von dem Hohn, den er bei diesem Anblick empfand. Der Dämon wusste nichts von Gott. In seinem langwierigen Leben waren ihm vielfältige Formen des Glaubens begegnet und er hatte mitangesehen, wie Scharen von Menschen im Namen des Herrn in den Krieg gezogen waren. Es war bemerkenswert, dass sie das noch immer taten. Wie töricht! Vielleicht sollte ihnen mal jemanden sagen, dass sie damit nicht Gott, sondern niederen Dämonen dienten, die für Kriege und Seuchen verantwortlich waren. Sebastian mied diesen Abschaum seiner Art, diese ewig hungernden Kreaturen, die sich mit jeder Seele zufrieden gaben. Aasfresser!, dachte er abfällig. “... Sancta Maria, Maria, ora pro nobis, nobis peccatoribus...” Menschen waren wirklich dumm. Erkannten sie die Ironie nicht? Während sie zu Gott, Jesus und der heiligen Jungfrau beteten, waren sie gleichzeitig die Marionetten der Hölle. Wenn es einen Gott gab, so schien er sich herzlich wenig um die Belange seiner Kinder zu kümmern... Endlich verklangen die letzten Töne der süßen Melodie und Sebastian hielt nach dem Polizeichef Ausschau. Und entdeckte ein viel besseres Opfer: Fred Aberline. Der arme Mann war seit Jahren im Dienst und hatte es noch immer nicht geschafft, Lord Randall, der allmählich in die Jahre kam, in seiner Position als führender Kommissar abzulösen. Dafür war er einfach zu gutmütig. Sebastian hielt parallel mit ihm Schritt, als er sich zum Hauptausgang begeben wollte. Dann drängelte er sich geschickt durch die Menge und zog von hinten am Jackenärmel des braunhaarigen Mannes. Dieser drehte sich aufgeschreckt um, bekam von Sebastian aber nichts mehr zu sehen. Mit einem Grinsen sah der Dämon zu, wie sich Aberline verwirrt an den Ärmel fasste und den Zettel bemerkte, den er daran befestigt hatte. Schnell las er die Notiz und hob dann wieder hastig den Blick, ließ ihn suchend umherschweifen. Frustriert stopfte er den Zettel in seine Jackentasche und begann sich durch die hinausströmenden Massen Richtung Seitenschiff zu bugsieren. Vorsichtig betrat er die Kammer am Fuße des Glockenturms. “Hallo? Wer ist denn da?” Mit einem Krachen schloss sich die Tür hinter ihm und Aberline zuckte erschrocken zusammen, doch bevor er sich umdrehen konnte, hatten sich zwei Arme so stark wie Eisen von hinten um seinen Körper geschoben und hielten ihn fest. Seine zittrigen Befreiungsversuche scheiterten und auch ein Blick über die Schulter brachte ihm nichts. Es war viel zu dunkel. “Was...? Wer... wer sind Sie?” “Aberline”, hauchte eine tiefe Stimme, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. “Du bist doch ein motivierter, ehrlicher Polizist, nicht wahr?” Die aufkommende Gänsehaut ignorierend antwortete der verängstigte Mann: “Natürlich! Ich gebe immer mein Bestes, S-Sir...” Die finstere Stimme wurde stichelnd: “Dann ermittelst du sicher gründlich in dem Fall der ermordeten jungen Männer.” “Ja!”, stimmte Aberline eilig zu. “Ist dir dabei irgendeine Unachtsamkeit aufgefallen?” Seinen ganzen Mut zusammennehmend, stellte er eine Gegenfrage: “Warum wollen Sie das wissen?” “Aberline...” Die Stimme nahm einen drohenden Ton an. “Magst du rote Rosen?” Jetzt wusste der Polizist, worum es ging. Und ihn packte eine Heidenangst. Wer außer dem Mörder würde dieses Detail kennen? “Bitte, töten Sie mich nicht!”, flehte er hektisch. “Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen!” “Wie liebenswürdig. Nun denn: Warum findet sich in dem Bericht um die Mordserie kaum ein Vermerk über rote Rosen?” “Die Rosen befanden sich nicht immer unmittelbar in der Nähe der Leiche. Offenbar hatten die Spurensicherer sie deshalb nicht als relevantes Objekt angesehen.” “Aber es gab an jedem Tatort eine?” “J-Ja...” Ein finsteres Kichern erklang, langsam ließ der Druck der Arme nach. “Wenn die braven Bürger von London wüssten, welche Stümper bei Scottland Yard arbeiten... Erst nach dem vierten Mord ist euch dieses Indiz aufgefallen... Was mag euch wohl noch alles entgangen sein?” Wütend drehte sich Aberline ruckartig um, aber er hörte nur noch ein Rauschen, spürte einen leichten Wind und war allein. Kapitel 14: Stagnation ---------------------- Liebe Leser, vielen Dank für 65 Favos, 40 Kommis, aber vor allem vielen Dank für eure Geduld!! Aus privaten Gründen geht es momentan echt nicht so schnell voran, das tut mir sehr Leid! Der Titel des Kapitels ist da sehr passend... ich hoffe, euch gefällt es, auch wenn nicht allzu viel pasiert! Im nächsten kommt dann wieder mehr Interessantes rein - denk ich mal :) Ich hab jetzt übrigens probeweise das "Bocchan" durch "mein Herr" oder "junger Herr" ersetzt. Sagt mir, was ihr davon haltet! Viel Spaß!! ****************************************************************** „Romeo: Ach, du verlässest mich so unbefriedigt? Julia: Was für Befriedigung begehrst du denn noch? Romeo: Gib deinen Liebesschwur für meinen. Julia: Ich gab ihn dir, eh' du darum gefleht; ...“ Ciel gähnte und ließ das Buch zuklappen. „Lächerlich romantisch...“ Warum zur Hölle wurde Shakespeare von der gesamten Welt als so großartiger Schriftsteller gefeiert, wenn doch die Inhalte seiner literarischen Ergüsse das Niveau eines Groschenromans hatten? Seiner Meinung nach benahmen sich die beiden Verliebten vollkommen idiotisch, säuselten sich gegenseitig die Ohren zu, wie sehr sie sich doch liebten... Da wird einem ja schlecht! Seufzend sah Ciel die anderen Bücher durch. Macbeth. Wieso hatte Sebastian ihm das denn gegeben? Wenn er ein Buch von Shakespeare wirklich gern und daher öfters gelesen hatte, dann dieses. Wobei er den Helden des Dramas aber immer verspottet hatte. Kaum hatte er aus Eigennutz jemanden umgebracht, spielte er verrückt und verlor den Verstand. Welch unangenehme Schwäche für einen König. Wo blieb nur Sebastian? Sicher, er war noch keine halbe Stunde weg, aber ihm war so schrecklich langweilig. Und auf Literatur hatte er schon gar keine Lust. Fast vermisste er sein Anwesen – dort hätte er nur Richtung Küche gehen müssen und seine tollpatschigen Hausangestellten hätten ihn perfekt unterhalten. Ich will etwas Süßes. Sebastian, wo zur Hölle treibst du dich herum? Ciel wollte sich nicht langweilen, denn wenn er nicht mehr beschäftigt wäre, würden seine Gedanken unweigerlich wieder um seinen Butler kreisen. Seine Hände wanderten zu den Blättern neben dem Bücherstapel – der Butler hatte doch irgendetwas von Aufgaben gesagt. Er las die wenigen Zeilen auf dem ersten Blatt: „Stellt kurz die Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen Romeo und Julia dar. Welche Umstände und äußeren Einflüsse führten zum tragischen Ende der beiden? Bezieht die Aussagen des Werkes auf Euren eigenen Erfahrungsbereich.“ Auf Ciels Stirn bildeten sich Falten, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Die ersten beiden Aufgaben waren lachhaft, die letzte eine Unmöglichkeit. Doch einmal in seinem Kopf wurde er die Fragen nicht mehr los. Was waren die Aussagen dieses Dramas? Dass jede noch so große Liebe enden muss? Dass es keinen Sinn hat, sich gegen die Engstirnigkeit der Menschen aufzulehnen? Aber Ciel sah nicht, weshalb man überhaupt gesellschaftliche Grenzen brechen sollte für so etwas wie Liebe. Er selbst kannte keine Grenzen, er hatte schließlich einen Dämon an seiner Seite. Das verschuf ihm eine vorteilhafte Position, von der aus er die Schwäche der beiden Verliebten belächeln konnte. Der Inhalt der Geschichte ließ sich nicht auf seinen eigenen Erfahrungsbereich übertragen – er befand sich in einer gänzlich anderen Stellung, aber das wichtigste war doch, dass er sich niemals wegen einer Frau in den Tod stürzen würde. Nachdem er ein paar Sätze dazu geschrieben hatte, legte er seinen Kopf auf den Armen ab und schloss die Augen. „... schlaft nicht mehr! Macbeth Mordert den Schlaf! den unschuldigen Schlaf...“ Ciel fuhr zusammen und spürte behandschuhte Finger in seinem Nacken. Als er die Augen aufriss, erblickte er direkt über sich Sebastians finster lächelndes Gesicht. „Kann wohl des großen Meergotts Ozean Dies Blut von meiner Hand reinwaschen? Nein; Weit eh'r kann diese meine Hand mit Purpur Die unermesslichen Gewässer färben Und Grün in Rot verwandeln.“ Die Stimme des Dämons wurde immer tiefer, während seine Hände zum Gesicht des Jungen glitten und es einrahmten. Kühler Atem traf auf Ciels Nase und er sog begierig den vertrauten Geruch auf. Dann antwortete er: „Macbeth, zweiter Aufzug, zweite Szene.“ Sebastian hauchte ein „Korrekt“ und näherte seinen Mund den Lippen des Jüngeren, der nur wie eine erstarrte Maus abwartend dasaß. Doch bevor sie sich zu einem Kuss vereinen konnten, zog sich der Butler grinsend zurück und griff nach dem beschriebenen Zettel. An die Schreibtischplatte angelehnt, überflog er die wenigen Sätze seines Schülers, der wie ein Hund den Kopf schüttelte und eine würdigere Haltung annahm. „Es tut mir sehr Leid, aber der Schüler hat die Aufgaben leider nicht ordnungsgemäß erfüllt. Diesbezüglich müsst Ihr wohl noch ein wenig üben, mein Herr.“ „Idiot.“ Ciel bedachte Sebastian mit einem finsteren Blick. „Warum stellst du mir solche Aufgaben überhaupt? Aus meiner eigenen Erfahrung interpretieren? Dass ich nicht lache!“ „Oh?“, wunderte sich der Dämon. „Ist das so? Ihr meint also, dass gesellschaftliche Grenzen eingehalten werden sollten?“ „Ich sehe nicht, warum man es nicht tun sollte.“ „Gut, dann sollten wir vielleicht allmählich damit beginnen, Eure Hochzeit mit Lady Elizabeth zu planen. Die Lady wird demnächst siebzehn Jahre alt, es wird Zeit.“ Ciel verkrampfte sich und betrachtete seine Finger, die unbewusst an seinem blauen Ring herumspielten. „Warum fängst du damit wieder an? Du weißt sehr gut, dass mir der Sinn nicht nach einer Hochzeit steht.“ „Wird er das denn jemals, junger Herr?“ Der ernste Ton in der Stimme seiner Butlers ließ Ciel aufsehen. „Seid Ihr Euch dessen bewusst, dass Ihr früher oder später ein Ehemann sein werdet? Mit einer Frau das Bett teilen, Kinder haben werdet?“ Kratzig entgegnete der junge Graf: „Wird es denn wirklich dazu kommen? Wer weiß denn schon, wie lange ich noch leben werde? Mein Leben ist verwirkt.“ „Nichts ist gewiss.“ Wieder beugte sich Sebastian zu dem Jungen hinunter und hob mit einem Finger Ciels Kinn an, zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. „Meint Ihr nicht, dass es Dinge gibt, für die es sich lohnt, die Grenzen zu brechen?“ Wortlos starrte Ciel in das schöne Gesicht seines Gegenübers und fühlte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, seine Atmung stockte und ein leises Flüstern in ihm darauf drängte, dem Dämon zuzustimmen. Doch bevor er dazu kam, irgendetwas zu sagen, zog Sebastian sich abermals zurück und lächelte ergeben. „Aber Ihr habt natürlich Recht, mein Herr. Wie dumm von mir etwas anderes anzunehmen. Ihr werdet dem Namen eurer Familie Ehre machen, eine Dame von gutem Stand heiraten und für immer eine Marionette Eurer Verpflichtung sein.“ Ruckartig erhob sich der Junge aus seinem Sessel. „Ich bin keine Marionette! Ich bestimme, was ich tu, und niemand kontrolliert mich!“ Sebastian konnte er damit nicht beeindrucken. „Das ist ein hübscher Gedanke, der Euch eine Zukunft an der Seite dieses Mädchens sicherlich erträglicher machen wird.“ Ciel erwiderte nichts und plumpste in seinen Sessel zurück. „Doch kommen wir zu den Aufgaben zurück. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Ihr zum Thema Liebe inzwischen mehr sagen könntet. Um eine Interpretationsaufgabe richtig zu lösen, müsst Ihr Euch in die Gefühlswelt der Personen hineinversetzen. Fällt Euch das tatsächlich immer noch so schwer?“ Die roten Augen des Dämons bohrten sich in seinen Blick. Ciel hielt ihm mit kalter Miene stand. „Was soll das Sebastian? Die idiotische Liebe von Romeo und Julia zu verstehen, wird mir nicht dabei helfen, die Mörder meiner Eltern zu finden! Womit wir jetzt zu einem anderen Thema kommen. Was hast du herausgefunden?“ Sebastian legte das Aufgabenblatt beiseite und verbeugte sich leicht. Aus der Innentasche seines Mantels holte er einige Dokumente hervor. „Wie wir schon angenommen hatten, befand sich an jedem der Tatorte eine rote Rose. Außerdem habe ich auch einen konkreten Hinweis auf das besagte Mädchen finden können und kann mich an es erinnern.“ „Das heißt also, du hast das Mädchen auf dem Ball gesehen?“ „Ja, so ist es.“ „Und wie hast du vor, es ausfindig zu machen?“ Sebastian lächelte. „Das habe ich bereits getan. Es hat ein wenig Zeit in Anspruch genommen, aber mithilfe der Gästeliste war es mir möglich, die junge Lady aufzuspüren. Ich habe bei allen Häuser, die infrage kamen, vorbeigeschaut, bis ich die richtige Familie gefunden hatte. Es handelt sich um Mr. und Mrs. Willington. Das Mädchen ist das älteste von vier Geschwistern und heißt Sophie. “ „Sehr gut. Wir werden sie gemeinsam befragen.“ Nachdenklich legte Ciel das Kinn in seine rechte Hand und blickte seinem Butler prüfend ins Gesicht. „Glaubst du, sie könnte die Mörderin sein?“ „Das kann ich nicht sagen, junger Herr. Allerdings...“ Eine behandschuhte Hand legte die Dokumente auf den Schreibtisch. „Was?“, fragte Ciel ungeduldig nach. „Nun, wenn Ihr mir die Bemerkung erlaubt: Seid nicht so nachlässig wie die Männer vom Scottland Yard. Verfallt nicht der Einseitigkeit.“ „Was meinst du damit?“, fragte der Jüngere gereizt. „Wir wissen nicht mit Bestimmheit, dass es sich um einen weiblichen Täter handelt. Ihr dürfte Euch durch Eure Annahme nicht blenden lassen. Die Möglichkeit, dass ein Mann der Mörder ist, besteht nach wie vor, selbst wenn sie gering ist.“ „Mag sein“, brummte Ciel. „Aber nun, mein Herr“, sagte Sebastian munter, „werde ich Euch ein Mittagessen bereiten, bevor wir uns weiter um die Ermittlungen kümmern.“ Das Mittagessen verlief ruhig und ohne bemerkenswerte Zwischenfälle. Doch innerlich brodelte Ciel. Es machte ihn wütend, dass Sebastian gelassen und nüchtern wie immer schien, während er selbst sich so unsicher fühlte. Es kostete ihn viel Kraft, sich seine Schwäche nicht anmerken zu lassen. Und er ahnte, dass Sebastian irgendetwas im Schilde führte, denn weshalb wäre er sonst so auf dieser Liebesgeschichte und seiner Hochzeit mit Elizabeth herumgeritten? Nachdem er auch seinen Nachtisch verzehrt hatte, ließ Sebastian eine Kutsche kommen und gemeinsam begaben sie sich zu der von dem Butler gefundenen Adresse. Vor einer kleinen Villa hielten sie an und während Sebastian seinem Herrn aus der Kutsche half, verdüsterte sich der Himmel und einige schwere Regentropfen fielen herab. Bevor Ciel irgendetwas sagen konnte, hatte Sebastian bereits einen Schirm aufgespannt. „In diesem Land geht niemand ohne Schirm aus dem Haus“, erklärte er seinem Herrn, der nur nickte. Gemeinsam erklommen sie die paar Stufen zur Haustür hinauf und der Butler betätigte den eisernen Türklopfer. Nach wenigen Sekunden konnten sie auf der anderen Seite das leise Tappen von kleinen Füßen vernehmen und mit einem Klicken öffnete sich die Tür einen Spalt breit. „Guten Tag! Was wünschen Sie?“, fragte eine piepsige Stimme, die zu einem kleinen Jungen von vielleicht neun Jahren gehörte. Sebastian beugte sich mit einem freundlichen Lächeln zu ihm herab. „Dir auch einen guten Tag, kleiner Mann. Sind deine Eltern zuhause? Oder deine ältere Schwester?“ Der Junge sah etwas ängstlich zu dem großen Mann auf, nickte aber eifrig, wobei seine schwarzen Haare auf und ab wippten. „Ja, Sir!“, sagte er und trat zurück, während er die Tür weit öffnete und mit einer einladenden Geste den beiden Gentlemen Einlass gewährte. „Jimmy! Wer ist da an der Tür?“ erklang plötzlich eine laute und strenge Stimme. „Du dummer Junge weißt genau, dass du nicht einfach irgendwelche Fremden in unser Haus lassen darfst!“ Hinter dem Jungen erschien eine dickliche Frau in der Tracht einer Hausangestellten. Ihre Augen weiteten sich überrascht, als sie der feinen Herrschaften gewahr wurde. Hektisch begann sie damit, ihre Schürze glatt zu streifen. „Oh, verzeihen Sie bitte! Ich wusste nicht, dass wir Besuch erwarteten. Bitte, kommen Sie doch herein!“ Ciel betrat ohne zu zögern das Haus und überließ Sebastian das Reden. „Wir müssen Sie um Verzeihung bitten, gute Frau, denn wir erscheinen unangemeldet. Dies ist mein Herr, der Earl Phantomhive. Wäre es möglich, die älteste Tochter des Hauses, Miss Sophie Willington, zu sprechen?“ Verdutzt wanderten die Augen der Frau zu Ciel, rote Flecken bildeteten sich auf ihren Wangen. „Große Güte!“, hauchte sie. Dann verbeugte sie sich so tief, dass ihre Nasenspitze gegen ihre Kniee stieß, und bewegte sich hastig rückwärts, wobei sie beinahe den Jungen umrempelte. „Welche eine Ehre, guter Earl. Ich werde sofort nach der jungen Lady schicken. Doch vorher lasst mich Euch in den Salon führen!“ Sie nahm den kleinen Jimmy bei der Hand und ging den Besuchern voraus einen langen Flur entlang, der sie in einen großzügig ausgestatten Raum brachte. „Bitte, nehmt doch Platz!“ Die Dienstmagd wandte sich zu dem Jungen um. „Jimmy, los lauf und hol deine Schwester her, mach schon!“ Sogleich rannte der Kleine wieder zur Tür hinaus. Ciel hatte sich inzwischen in einem großen Sessel niedergelassen, Sebastian postierte sich wie immer hinter ihm. „Es tut mir außerordentlich Leid“, sprach die Frau erneut, „aber Mr und Mrs Willington sind zurzeit leider außer Haus!“ „Das ist zu entschuldigen, wir hätten unseren Besuch ankündigen sollen“, beruhigte Sebastian sie. Ihre Augen wanderten unsicher zu Ciel hinüber und nach einem kurzen Räuspern wagte sie es, ihn direkt anzusprechen: „Lieber Earl, ist es gestattet zu fragen, was uns die Ehre Eures Besuches verschafft?“ Ciel blickte sie kühl an. „Ich habe in privater Angelegenheit mit Miss Sophie zu sprechen.“ Die Dienstmagd wurde rot und begann ihre Hände zu kneten. Ciel verkniff sich ein Grinsen – offenbar glaubte die gute Frau, er wäre mit gewissen Absichten hierher gekommen. Lachhaft. Aus dem Flur erklangen nun Stimmen, ein piepsiges Lachen vom Jungen und ein verhaltener, lieblicher Singsang eines Mädchens, dass sich als eine hübsche junge Frau mit langen braunen Haaren entpuppte. Ciel erhob sich, um die Lady höflich zu begrüßen. Sebastian wandte sich wieder an die Bedienstete: „Auch wenn es ungewöhnlich scheint, würden wir gerne allein mit Miss Sophie sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ „Oh nein, ganz und gar nicht“, erwiderte die Frau strahlend, griff sich den Jungen, schob ihn vor sich her in den Flur und schloss geräuschvoll die Salontür. Für die nächsten Augenblicke herrschte Schweigen. Sophie stand etwas unsicher vor den beiden Männern, sah erst zu Ciel, der ihren Blick kalt erwiderte, und dann zu Sebastian, der sie anlächelte. In ihren Augen blitzte Erkenntnis auf. „Sie kenne ich!“, platzte sie heraus und wurde knallrot. Verlegen nestelte sie an ihrem blauen Kleid herum und ging dann schnell zur Couch, auf der sie sich niederließ. Mit einer Geste bedeutete sie den beiden, sich ebenfalls zu setzen, aber nur Ciel kam der Einladung nach und nahm wieder auf dem Sessel Platz. „Verzeihen Sie meine Aufregung, aber ich hatte nicht erwartet Sie hier zu sehen“, sprach sie Sebastian an. „Sie waren doch auch auf dem Ball gestern Abend, bei Marquis von Darth.“ Der Dämon nickte lächelnd. „Das ist richtig. Ich habe Sie unter den reizenden Damen dort erblickt, wenn ich mich recht erinnere.“ Das Mädchen errötete. „Ja, das stimmt. Ich kann nicht leugnen, dass Sie für viele Frauen ein Blickfang sind, mein Herr.“ Mit einem Grinsen bedankte Sebastian sich, bevor Ciels Hüsteln ihn aufmerken ließ. „Oh, wie unaufmerksam von mir!“ Seine linke Hand wies auf den Jungen. „Verehrte Lady Sophie, dies ist mein Herr, der Earl Phantomhive, und ich bin sein treuergebener Butler, Sebastian.“ Das Mädchen wurde sehr blass, blickte erst Sebastian bedrückt und dann Ciel neugierig an. „Der Earl Phantomhive? Es ist mir eine Ehre!“, sagte sie leise. Der junge Graf nickte nur und antwortete: „Die Freude ist auf meiner Seite. Sebastian, können wir dieses Geplänkel nicht beenden?“ Ungeduldig verschränkte er die Arme vor der Brust. Mit gespieltem Ernst erwiderte sein Butler: „Mein Herr, Ihr wolltet die Ermittlungen doch selbst in die Hand nehmen.“ „Schon gut!“, seufzte Ciel entnervt und wandte sich nun vollends an Lady Sophie, die ihn aufmerksam betrachtete. „Ich will sofort zum Punkt kommen. Lady Willington – Sie haben gestern Abend einem Herrn Buckley eine Rose überreicht. Warum taten Sie das?“ Unsicher huschten ihre Augen von Ciel zu Sebastian und wieder zurück, bevor sie sich kurz räusperte. „Ich weiß zwar nicht, woher Sie das wissen, aber nun gut... Sie glauben doch nicht, dass ich irgendwelche... unmoralischen Absichten hatte, oder?“ Ihre Wangen röteten sich ein wenig. „Noch glaube ich gar nichts“, sagte Ciel kalt. „Was wollten Sie von ihm?“ Sophie wich seinem bohrenden Blick nicht aus. „Gar nichts. Die Rose kam nicht von mir. Ich weiß nicht, ob ich Sie überzeugen kann, aber dies ist die Wahrheit: Ich saß alleine am Tisch und blickte zur Tanzfläche, als ich neben mir ein Rascheln hörte. Doch als ich mich umsah, war da nur diese rote Rose auf meinem Teller, zusammen mit zwei kleinen Zetteln. Auf dem einen standen Anweisungen, der andere war zusammengefaltet. Nach den Anweisungen sollte ich ihn nicht öffnen, sondern Rose und Notiz dem Mr. Buckley zustecken, mit freundlichen Grüßen von seiner Frau Gemahlin. Und genau das habe ich dann auch getan.“ „Und Sie haben keine Ahnung, wer Ihnen diese Dinge auf den Tisch gelegt hat?“ Sophies Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an. „Ich nehme an, es war Mrs. Buckley. Die Nachricht kam doch von ihr.“ Unzufrieden lehnte Ciel sich zurück und tauschte einen Blick mit Sebastian, der nur nickte. Daraufhin standen beide Männer auf. Während Ciel ohne zu zögern in Richtung Salontür ging, verbeugte Sebastian sich vor dem Mädchen und bedankte sich für die Informationen. „Wir können Ihnen leider den Grund für diese kleine Befragung nicht nennen, bitte entschuldigen Sie. Außerdem muss ich Sie bitten, niemandem den Inhalt unserer Unterhaltung mitzuteilen. Wir werden Sie nun nicht weiter belästigen.“ An der Tür blieb Ciel stehen und sah abwartend zu seinem Butler hinüber. Dabei entging ihm nicht der Blick, den Miss Sophie dem hochgewachsenen Mann zuwarf. Selbiger lächelte sie an und wollte gerade seinem Herrn folgen, als plötzlich ein lautes Lachen aus dem Flur zu hören war. Aufgeregt kam der kleine Jimmy hereingerannt und lief auf seine Schwester zu. „Schau mal, Sophie!“, rief er fröhlich. „Ich habe diese schöne Schnecke im Garten gefunden!“ Stolz hielt er seinen Schatz hoch. Sophie kicherte und beugte sich zu ihm hinunter. Sanft strich sie ihm über das kurze Haar und streichelte gleichzeitig mit der anderen Hand das Gehäuse des kleinen Tierchens. „Ja, Jimmy, die ist wirklich hübsch!“ Glücklich strahlte der Junge in die leuchtenden Augen der Älteren. Ciel hatte die kleine Szene mit den widersprüchlichsten Gefühlen verfolgt. So war ihm völlig entgangen, dass noch jemand den Raum betreten hatte. „Ciel?“, hörte er eine hohe Stimme. „Was machst du denn hier?“ Aufgeschreckt drehte er sich um. „Lizzy! Du hier?“ Er klang etwas gehetzt. Auf die Begegnung mit seiner Verlobten hatte er sich noch nicht vorbereitet. Das blonde Mädchen trat zögerlich an ihn heran, konnte sich dann ein Lächeln nicht verkneifen und umarmte ihn kurz. „Es ist immer schön, dich zu sehen, auch wenn es unerwartet ist. Ich bin hier, um Sophie zu besuchen, wir...“ Sie geriet ins Stocken und sprach in verwundertem Ton weiter: „Ciel, wieso bist du hier? Doch nicht etwa... also...“ Ciel schloss kurz die Augen und hob die Hand. „Bitte, Lizzy jetzt nicht. Ich werde mit dir darüber sprechen, aber ein anderes Mal.“ Lizzy sah ihn verletzt an, da schaltete sich Sophie ein. „Lizzy, wollen wir deinen Verlobten nicht zum Tee einladen?“ Freundlich wandte sie sich an Sebastian. „Es wäre uns wirklich eine Freude, Sie beide bewirten zu dürfen!“ Ciel ließ seinen Butler und das Mädchen nicht einen Moment aus den Augen. Der Schwarzhaarige verbeugte sich. „Es wäre uns ein großes Vergnü -“ „Nein!“ Ciels Stimme war scharf wie ein Messer. „Wir haben keine Zeit dafür.“ Vier Augenpaare blickten ihn an. Jimmy verkroch sich ein wenig hinter seiner Schwester. Dann lächelte Sebastian und fragte herausfordernd: „Könnt Ihr nicht einmal eine halbe Stunde für die Damen erübrigen, junger Herr?“ Er zwinkerte dem braunhaarigen Mädchen kurz zu, das sogleich errötete. Ciel runzelte die Stirn, machte ein paar Schritte auf seinen Butler zu und packte dessen linke Hand. Er funkelte ihn an. „Nein, kann ich nicht! Komm jetzt!“ Fast grob zog er den Älteren hinter sich her, warf noch ein „Guten Tag!“ über die Schulter und verließ auf schnellstem Wege die kleine Villa, wobei er Lizzys Rufe ignorierte. Kaum war die Haustür hinter ihnen zugefallen, blieb Ciel ruckartig stehen. Es schüttete wie aus Kübeln. Er wartete. „Sebastian, der Regenschirm.“ „Junger Herr, ich brauche meine Hand.“ Ciels Kopf schnellte herum, sein Blick fiel auf ihre verschränkten Hände und mit feuerroten Wangen entriss er sich dem Griff. Sogleich spannte Sebastian den Schirm über sie beide und Seite an Seite schritten sie zur Kutsche. Das Öffnen der Wagentür weckte den Fahrer, der auf seinem Sitz eingenickt war. Sebastian erteilte ihm eine kurze Anweisung, während er Ciel ins Innere der Kutsche half. Dann folgte er ihm und sperrte den Regen aus. „Fahren wir nicht sofort weiter zu Mrs. Buckley?“ Der Dämon schüttelte den Kopf. „Das wird nicht nötig sein. Im Polizeibericht war bereits aufgeführt, dass die Dame für die Tatzeit ein Alibi hat.“ „Dann also erstmal wieder nach Hause...“ Ciel sank ein wenig mehr in die weiche Rückenlehne der Kutschbank. „Bevor wir uns weitere Schritte überlegen, brauche ich etwas Süßes.“ Sebastian kicherte leise, was ihm einen gereizten Blick von seinem Herrn eintrug. Das ermunterte ihn aber mehr, als dass es ihn abschreckte. Mit einer unauffälligen Bewegung saß er Ciel direkt gegenüber und beugte sich zu ihm herüber. „Will mein junger Herr mir vielleicht sagen, weshalb er schon wieder so schlecht gelaunt ist?“ Ciel schloss seufzend die Augen. „Kannst du dir das nicht denken? Das Mädchen ist unschuldig, Lizzy taucht auf und dann noch...“ Hier unterbrach Ciel sich und drückte seine Stirn an die kalte Fensterscheibe. „Was noch?“, hakte Sebastian nach. Er dachte gar nicht daran, Ciel jetzt in Ruhe zu lassen. Der Dämon sah dem Jungen deutlich an, dass etwas an ihm nagte. „Ach nichts...“, murmelte Ciel und wurde rot. Automatisch hoben sich Sebastians Augenbrauen und lächelnd beugte er sich so weit vor, dass lediglich ein Abstand zwischen knappen zwanzig Zentimetern zwischen ihm und Ciel blieb. Letzterer bemerkte diese Tatsache allerdings nicht, da seine Lider noch immer geschlossen waren. „Sagt es mir, junger Herr. Was geht Euch gerade durch den Kopf?“ Mit Absicht senkte er seine Stimme und verlieh ihr einen lockenden Unterton. Dies entging Ciel nicht und seine Augen öffneten sich. Einige Sekunden verstrichen in aller Stille, blaue Augen tauchten in rote und Sebastian fühlte Ciels Atem, der auf sein Gesicht traf, unregelmäßig werden. „Ich habe keine Lust mit dir zu sprechen, Dämon.“ Der abweisende Ton verlor seine Glaubhaftigkeit dank eines eindeutigen Zitterns in Ciels Stimme. Dies brachte Sebastian erneut zum Grinsen. „Was wollt Ihr dann tun?“ Sein Gesicht kam dem seines Herrn gefährlich nah. „Gibt es etwas, womit ich Euch aufmuntern kann?“ Ciels Hand drückte gegen Sebastians Brust und wie eine fauchende Katze hauchte der Junge ihm entgegen: „Was immer du vorhast, mach es doch mit Lady Sophie!“ Damit rückte er von seinem Platz weg auf die andere Seite der Kutsche und schaute demonstrativ aus dem Fenster. Sebastian ließ ihn in Ruhe. Der Junge war ohnehin schon gereizt genug. Wenn er ihn jetzt weiter bedrängen würde, bekäme er nur eine noch schärfere Abfuhr erteilt. Aber ein Anfang war getan und vielleicht würde der Abend noch mehr bringen. Der Sturmhimmel und der dichte Regen ließen kaum Licht ins Wageninnere. So war das intensive Leuchten von Sebastians roten Augen im Dunkeln deutlich sichtbar. Ciel bekam davon freilich nichts mit, er wandte während der gesamten Fahrt nicht ein einziges Mal seinen Blick von der Fensterscheibe ab. Kapitel 15: Nachgeben... ------------------------ Lang, lang ist's her, meine treuen Leser! Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gekommen und hattet eine schöne Weihnachtszeit. Es tut mir sehr Leid, dass ihr über 2 Monate auf dieses Kapitel warten musstet. Es war nicht einfach, irgendwie hatte ich ständig Blockaden. Was mich über alle Maßen erstaunt, aber vor allem erfreut, ist die Tatsache, dass trotz der langen Wartezeit so viele neue Leser dazugekommen sind - beim letzten Kapitel waren es noch 65, jetzt sind es 111!!! Vielen Dank dafür!! >///< In diesem Kapitel wird's heiß, vielleicht ist das ja eine Art Lohn für eure Geduld!^^ Viel Spaß!! Musiktipp: http://listen.grooveshark.com/s/Black+Is+The+Colour/2910vO **************************************************** Elizabeth sah erstaunt ihrem Verlobten hinterher, als er seinen Butler Sebastian mit sich zog und, ohne sich richtig von ihr zu verabschieden, Sophies Haus verließ. Was hatte Ciel hier gewollt? Mit einem wehen Gefühl im Herzen wurde Elizabeth sich bewusst, dass Sophies Eltern nicht da waren. Ciel und Sebastian waren allein mit dem Mädchen gewesen. „Lizzy, komm setz dich doch!“, holte die Stimme ihrer Freundin sie aus ihren Gedanken. Etwas verkrampft lächelnd nahm sie neben Sophie auf dem Sofa Platz, während die Haushälterin den Tee brachte und sich anschließend mit dem kleinen Jimmy zurückzog. Sophie goss ihnen ein und sagte: „Zu schade, dass Ciel und sein Butler nicht bleiben konnten. Das wäre bestimmt nett gewesen, mit den beiden Tee zu trinken.“ Wieder fühlte Elizabeth einen Stich in ihrer Brust. Als sie Sophie die Tasse abnahm, sah sie der Anderen ernst ins Gesicht. „Sophie, ich muss das wissen: Was wollte mein Verlobter hier?“ Sie konnte es kaum glauben, als Sophie ihrem Blick auswich und leicht errötete. „Ich würde es dir wirklich gerne sagen, aber es wurde mir verboten. Ich darf niemandem von der Unterhaltung erzählen.“ Entschuldigend sah sie ihre Freundin an. Diese schluckte und nickte ergeben. Als Sophie merkte, wie bedrückt Elizabeth war, fügte sie hastig hinzu: „Es betraf den Ball gestern Abend, so viel kann ich wohl preisgeben!“ Es half. Das Gesicht der Blonden hellte sich ein wenig auf. Dann jedoch nahm es einen sorgenvollen Ausdruck an, als sie daran dachte, was am Abend zuvor geschehen war. Elizabeth hatte zu niemandem ein Sterbenswort gesagt, ganz wie Ciel es von ihr verlangt hatte. Doch es war ihr sehr schwer gefallen, denn es lag nicht in ihrer Art, Dinge für sich zu behalten. Und gerade in dieser Sache hatte sie ständig das Gefühl, aus allen Nähten zu platzen, wenn sie nicht bald mit irgendjemandem darüber sprach. Sie hatte gehofft, Ciel würde zuallerst sie aufsuchen, und stattdessen war er zu Sophie gegangen. Das konnte nur einen Grund haben. „Hat er dich nach einem Mr. Buckley gefragt?!“, kam es wie aus der Pistole geschossen aus ihr heraus. Sophie riss die Augen auf. „Woher weißt du das?“, fragte sie entgeistert. Innerlich atmete Elizabeth auf. Dann zögerte sie – wieviel konnte sie der Anderen erzählen? „Also, da ist gestern etwas passiert... und aus irgendeinem Grund untersucht Ciel das...“ Als Sophie sie nur fragend anblickte, sprach sie weiter: „Er hat auch mir verboten darüber zu sprechen, aber... wir sind doch Freunde!“ Eindringlich fügte sie hinzu: „Ich sage dir, worum es geht, wenn du mir alles von Ciels und Mr. Sebastians Besuch erzählst!“ Die Neugierde stand deutlich in Sophies Gesicht geschrieben und mit einem schnellen Nicken nahm sie das Angebot an. „Also schön! Das passt mir sogar ganz gut, denn mir ist der Grund für den Besuch nicht wirklich ersichtlich! Das war so: Sie haben mich gefragt, ob ich dem Mr. Buckley eine rote Rose gegeben habe. Und das hatte ich in der Tat!“ Elizabeth machte große Augen, unterbrach sie aber nicht. „Ich frage mich, woher sie das wussten. Jedenfalls sagte ich ihnen dann, dass seine Frau Gemahlin mir unentdeckt eine Nachricht hatte zukommen lassen, in der sie mir auftrug, dem Herrn einen Zettel und die Rose zuzutecken.“ „Dann warst du es, von der Lord Miller gesprochen hat!“, platzte es aus Elizabeth heraus. „Lord Miller?“, fragte Sophie lächelnd, woraufhin das Gesicht der Blonden rot anlief. „Ich habe gestern Abend einen sehr netten jungen Mann kennen gelernt, Jonathan Miller. Aber ich habe dich unterbrochen – was ist weiter geschehen?“ Sophie hob die Schultern. „Nichts weiter. Ich habe den Zettel und die Rose unauffällig übergeben und bin wieder an meinen Tisch zurückgekehrt.“ „Das ist gut“, seufzte Elizabeth. „Ich hatte schon befürchtet, du wärst irgendwie in diese Sache verstrickt...“ „Welche Sache?“, fragte Sophie. Ungeduldig wedelte Elizabeth mit der Hand. „Gleich! Wollten Ciel und sein Butler noch mehr wissen?“ Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. „Nein, das war alles.“ Sie seufzte bedauernd. „Ich wünschte, sie wären zum Tee geblieben. Wie gern hätte ich noch ein wenig mit Mr. Sebastian gesprochen!“ Elizabeth zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Sag bloß, du magst diesen Mann?“ „Du nicht?“, entgegnete Sophie nicht minder erstaunt. Ciels Verlobte besah sich ihre Hände. „Hm, ich weiß nicht so recht. Er ist so... kalt. Völlig unnahbar, ich weiß nie, was er wirklich denkt. Früher als Kind war es mir gleich, er hat mich immer freundlich behandelt. Aber in der letzten Zeit...“ Während sie das sagte, fiel Elizabeth auf, dass diese Beschreibung ebenso auf den jungen Earl zutraf. Schnell brachte sie das Thema wieder auf den gestrigen Abend zurück: „Ich werde dir erzählen, was der Besuch der beiden zu bedeuten hatte. Hör zu...“ Und schon fing das Mädchen an zu berichten, wie sie nach Ciel gesucht hatte und dabei in dem Anwesen herumgeschlichen war. In den düstersten Farben malte sie die Szenerie aus, die sie dabei hinter einer der Türen entdeckt hatte, und beschrieb Ciel als ihren strahlenden Retter. Nachdem sie auch das merkwürdige Verhalten ihres Verlobten und seines Butlers am Tatort geschildert hatte, kam sie zu Lord Miller, der auch noch aufgetaucht war. „Oh Sophie, ich muss ihn dir unbedingt bei nächster Gelegenheit vorstellen, er ist furchtbar nett und höflich und zuvorkommend und besorgt...“ Lizzy bekam rote Wangen, als sie merkte, wie sie vom Thema abschweifte. Sie kam zurück zu ihrer Erzählung und Ciels Verhalten ihr gegenüber. Das Leuchten, das eben noch ihre Augen erfüllt hatte, verschwand, als sie daran dachte, wie kühl er zu ihr gewesen war. „Ciel wollte mir nichts verraten, doch es war offensichtlich, dass er und sein Butler nicht zum ersten Mal einen Toten zu Gesicht bekommen hatten. Und nachdem du mir den Grund ihres Besuches gesagt hast, scheint klar zu sein, dass sie diesen Fall untersuchen.“ Hilflos ließ sie den Kopf hängen. „Wenn ich nur wüsste, wieso...“ Sophies Hand strich beruhigend über ihre Schulter. „Keine Sorge, Lizzy, er wird es dir schon noch erklären! Vielleicht ist die Sache kompliziert. Hab noch ein wenig Geduld und wenn er dir in den nächsten Tagen noch immer nichts gesagt hat, frag ihn nochmal!“ Elizabeths Mund verzog sich zu einem ironischen Lächeln. „Ihn fragen? Das hab ich doch schon getan! Aber er erzählt mir ja nie etwas! Ich bin seine Verlobte, ich sollte alles über ihn wissen.“ Hastig rieb sie sich über die Augen, um die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. „Aber... ich weiß eigentlich gar nichts! Ich weiß nicht, was er macht, wenn er allein in seinem Anwesen ist, ich weiß nicht, wieso er diesen Fall bearbeitet, und am meisten stört es mich, dass ich nichts über diesen Butler weiß! Sebastian Michaelis!“ Sie spie den Namen mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Wut aus. „Seit Ciel damals zurückgekehrt ist, war er immer an seiner Seite, er lässt ihn nie allein! Er lässt uns nie allein. Ich sehe Ciel so selten und nie haben wir eine ruhige Minute nur für uns...“ Sophie hatte die ganze Zeit über stumm daneben gesessen und ihre Freundin reden lassen. Es erstaunte sie jedoch ein wenig, welche Gedanken sich in Elizabeth angestaut hatten. „Lizzy“, unterbrach sie den Redefluss der Blonden schließlich. „Es ist ja schon gut! Beruhige dich!“ Als sie Sophies Hände an ihren Schultern spürte, hob Elizabeth den Kopf und zwang den Kloß in ihrem Hals herunter. „Lizzy, hör mal. Ich kenne deinen Verlobten nicht gut, aber er scheint mir doch ein intelligenter Mann zu sein, er wird schon wissen, was er tut. Du musst ihm einfach zeigen, dass du sein Vertrauen verdienst, dann wird er dich auch eher in sein Leben lassen. Und was den Butler betrifft...“ Sophies Wangen färbten sich rosa. „Ich glaube nicht, dass er irgendetwas Böses im Schilde führt. Dafür ist er viel zu freundlich. Ach, Lizzy!“, seufzte sie plötzlich, woraufhin die Angesprochene ihre Freundin verwundert ansah. „Wenn er doch kein Bediensteter wäre! Er sieht so gut aus! Nie habe ich einen schöneren Mann gesehen.“ Sie kicherte verzagt. Zum ersten Mal in ihrer Freundschaft konnte Elizabeth bei Sophie Interesse an einem Mann erkennen. Ihre braunhaarige Freundin war sonst eher schüchtern und hatte wohl auch ein wenig Angst vor dem anderen Geschlecht. „Als ich ihn gestern auf dem Ball sah, dachte ich wirklich, er sei ein Edelmann. Er trug auch nicht seine Butleruniform. Und er war so charmant und höflich!“ „Er trug andere Kleidung?“, fragte Lizzy überrascht. „Das ist wirklich ungewöhnlich, zumal es sich doch nicht gehört für einen Diener, sich über seinen Stand zu kleiden. Nun gut, Ciel war auch anwesend, es wird wohl irgendeinen guten Grund gegeben haben...“ Elizabeths Worte wurden leiser, als sie sich an Ciels eigenartiges Gebaren erinnerte. Erst hatte er sie zum Buffett geführt und war dann hastig wieder verschwunden. Ob er und Mr. Sebastian geahnt hatten, dass es zu einem Mord kommen würde? Herje, es war alles so wirr. Sie wollte endlich eine Erklärung! „Und du sagst, du weißt wirklich nichts über den Butler?“, holte Sophie sie aus ihren Gedanken. „Das ist wirklich schade! Ich wüsste zu gern, für welche Art von Frau er sich interessiert.“ Elizabeth schüttelte sich. „Sophie, das geht zu weit! So darfst du nicht denken! Er ist ein Bediensteter, er käme für dich niemals infrage. Deine Eltern versuchen doch schon, dir einen passenden Ehemann zu suchen, also mach sie und dich nicht unglücklich, hörst du?“ Sophie lachte unsicher. „Keine Sorge, ich... ich weiß das doch alles! Ich würde mich doch niemals mit einem Butler einlassen.“ Ihr falsches Lächeln konnte Elizabeth nicht täuschen, sie spürte deutlich, dass der schwarzhaarige Mann sich tief in Sophies Gedanken gebrannt hatte. Normalerweise hätte sie jetzt weiterhin versucht, es ihr auszureden, aber da sie selbst genau wusste, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein, behielt sie ihre Einwände für sich, und überlegte schnell, womit sie das Mädchen ablenken könnte. „Da fällt mir ein, ich wollte dir doch noch von Lord Miller berichten!“ Sichtlich erleichtert über den Themenwechsel, nickte Sophie und lauschte dann gebannt der blumigen Erzählung über den höflichen jungen Mann mit den hellbraunen Locken. Nach einer Weile kam Sophie der Gedanke, dass sie nicht die einzige war, die ein Problem mit der Liebe hatte. „Ich hoffe, die Torte war nach Eurem Geschmack, junger Herr.“ „Sie war sehr gut“, antwortete Ciel, während sein Butler das benutzte Geschirr auf den Teewagen räumte und ihn in die Küche schob. Mit einem wohligen Gefühl der Sättigung begab sich Ciel in den ersten Stock, wo Sebastian bereits im Badezimmer auf ihn wartete. Nachdem er seinem Herrn beim Zähneputzen geholfen hatte, gingen sie ins Schlafzimmer. Wie üblich hob Ciel die Arme und Sebastian machte sich daran, ihm die Kleidung abzunehmen. Um zu verhindern, dass seine Augen wie immer in letzter Zeit Sebastians Hände dabei verfolgen würden, starrte er krampfhaft Richtung Zimmerdecke. Weiche behandschuhte Finger strichen über seine Haut, der seidige Stoff seines Hemdes glitt an ihm herab. „Ihr ward in den letzten zwei Stunden ausgesprochen schweigsam, mein Herr“, bemerkte Sebastian leise, während er das Hemd zurseite legte und Ciel bedeutete, sich hinzusetzen, damit er ihm die Schuhe ausziehen konnte. Seufzend ließ Ciel sich auf der Bettkante nieder und erwiderte sarkastisch: „Scharf beobachtet, Sebastian. Du hast dir einen Orden verdient.“ Der Butler kniete nieder und entknotete die Schnürsenkel. „Ich frage mich, was eure Gedanken beschäftigt.“ Ciels Blick klammerte sich am Kronleuchter fest, als Sebastian mit der einen Hand seinen Fuß am Knöchel festhielt, während die andere den Schuh auszog, und blieb still. „Und ich frage mich, was wohl so interessantes an der Decke zu sehen ist.“ Sofort schnellte Ciels Kopf nach unten und sein blaues Auge traf auf den roten, forschenden Blick des Dämons. „Überhaupt nichts!“, entgegnete Ciel sauer und brach hastig den Blickkontakt. Den ganzen Tag hatte er nun eine Maske getragen, hatte eine unbeteiligte Miene aufgesetzt und versucht, sich keine Unsicherheit anmerken zu lassen. Deshalb war er angespannt wie ein Bogen und reagierte auf die kleinsten Angriffe gereizt. Er spürte, wie ihm die Kraft schwand und er wollte nur noch ins Bett, damit Sebastian seine Schwäche nicht bemerkte. Inzwischen hatte Sebastian ihm Schuhe und Strümpfe ausgezogen und griff mit beiden Händen nach den Füßen. „Was tust du da?“, keuchte Ciel erschrocken auf, als er fühlte, wie die Finger ihn abtasteten. „Junger Herr, Ihr seid furchtbar verspannt“, bemerkte Sebastian. „Selbst in euren Zehen kann ich das fühlen.“ „Hör sofort auf damit!“, verlangte der Graf mit zittriger Stimme und entzog sich dem Griff des Butlers. „Dann erhebt Euch bitte wieder, mein Herr.“ Wütend pustete Ciel sich seine Strähnen aus dem Gesicht und stand auf. Sebastian öffnete seine Hose und zog sie ihm hinunter. In routinierter Art trat Ciel aus der Hose heraus. Dann hielt er die Luft an und heftete seinen Blick auf den Kleiderschrank, versuchte sich auf den Verlauf der Holzmaserung zu konzentrieren, während Sebastian ihn seiner Unterhose entledigte. Er atmete erleichtert auf, als Sebastian aufstand, und um ihn herumging, um das Nachthemd vom Bett zu holen. Doch statt wieder vor ihn zu treten, stellte der Butler sich hinter seinen Herrn, und seine Hände legten sich auf dessen Schultern. Der junge Mann zuckte zusammen und bevor er Gelegenheit fand, Protest zu erheben, hatte Sebastian schon begonnen, ihn zu massieren. Immer wieder drückten die Finger in sein Fleisch, strichen über die Haut und drückten wieder. „Mein Herr“, wisperte Sebastian so nah an seinem Ohr, dass ihm ein Schauer über den Rücken rieselte. Die langen Strähnen von Sebastians Haaren berührten seine Wange. „Euer Nacken fühlt sich an, als hättet Ihr einen sehr anstrengenden Tag hinter Euch, obwohl Ihr doch lediglich ein bisschen gelesen und eine Besuch gemacht habt.“ Idiot, dachte Ciel. Wie soll ich mich entspannen, wenn er mir so nah ist? Seine Hände ballten sich zu Fäuste zusammen, als Sebastians Finger unermüdlich seine Schultern bearbeiteten. Der warme Atem des Butlers kitzelte ihn im Nacken. Er hätte frieren müssen, doch die Hitze in seinem Körper stieg immer mehr an; so vergaß er schnell, dass er noch immer nackt war. Allmählich wurden Sebastians Hände fordernder und kneteten sich seinen Rücken hinab und wieder hinauf. Ciels Konzentration schwankte und ohne es zu bemerken, ließ er sich innerlich fallen, brachte seine Gedanken zum Ruhen. Sein Kopf kippte nach hinten und er seufzte leise. „So ist es gut, mein Herr. Lasst euch fallen...“, schnurrte Sebastians Stimme an seinem Ohr. Während er ihn weiter massierte, fühlte Ciel auf einmal etwas anderes an seinem Hals, etwas das viel weicher war, als der Stoff der Handschuhe. Augenblicklich stieg ihm das Blut in die Wangen, als ihm klar wurde, dass es die Lippen des Dämons waren, die sich immer wieder zärtlich auf seine Haut legten. Sebastian schien seine Unsicherheit zu spüren. „Entspannt Euch, junger Herr, es ist alles gut. Es gibt nichts, was Euch beunruhigen könnte.“ Doch mit Ciels Gelassenheit war es nun endgültig vorbei und er begann sich unter Sebastians Lippen und Händen zu winden. Die Hitze in seiner Körpermitte war ein deutliches Zeichen dafür, dass er diese Situation auf der Stelle beenden musste, sonst würde es für ihn noch sehr peinlich werden. Ruckartig trat er ein paar Schritte nach vorn. „Sebastian, wie lange willst du mich hier noch so stehen lassen? Zieh mir endlich etwas an!“ Hinter sich hörte er ein verhaltenes Kichern, dann kam Sebastian vor ihn und zog ihm das Nachthemd über, dass er sorgsam bis unten zuknöpfte. Ciel atmete tief durch. Er wollte sich nicht schon wieder von dem älteren Mann verunsichern lassen. Er hatte seinen Ärger über ihn noch nicht vergessen. Und er wollte auch nicht, dass Sebastian sich einfach so aus der Affäre zog. Er hatte mit dieser Lady Sophie geflirtet! Warum kommt mir denn das wieder in den Sinn? Es ist wirklich sowas von unwichtig! Soll Sebastian doch schöne Augen machen, wem er will! Doch er konnte sich gut daran erinnern, wie verstimmt er gewesen war, als Sebastian und Sophie sich so angelächelt hatten. Obwohl er versucht hatte, seine Gedanken zu verdrängen, waren sie doch immer wieder in seinem Kopf herumgegeistert: Was wäre, wenn zwischen den beiden irgendetwas passieren würde? Wenn diese Finger, die gerade über sein Haar wanderten, um die Augenklappe zu lösen, über den Körper dieser Frau strichen? Wenn er auch ihr mit seiner sanften Stimme ins Ohr flüsterte? Konnte Ciel dem gleichgültig gegenüberstehen? Nein.... antwortete eine leise, aber klare Stimme in seinem Innern. Aber er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Er würde nicht zugeben, was er empfand. Er wollte sich nicht vor Sebastian bloß stellen, dem die ganze Sache nicht halb so nah zu gehen schien wie ihm. Schließlich war Ciel fertig für die Nacht, doch er rührte sich nicht vom Fleck. Er war überhaupt nicht müde, seine Gedanken beschäftigten ihn viel zu sehr. „Wollt Ihr mir nicht endlich sagen, was Euch so schwer auf der Seele liegt?“, fragte der Butler noch einmal, während sein Gesicht sich Ciels näherte. Sein eindringlicher Blick verschränkte sich mit dem von Ciels ungleichen Augen. Der junge Adlige merkte ganz deutlich, dass die Wahrheit aus ihm herauszuplatzen drohte. In einem leichten Anflug von Panik log er überhastet, ohne lange zu überlegen: „Elizabeth.“ Sebastians Gesicht verfinsterte sich unmerklich, nahm dann aber wieder einen gelassenen Ausdruck an. „Das ist nur verständlich. Die Lady bereitet Euch einige Probleme. Ihr sorgt Euch bestimmt um sie, immerhin hat sie eine grauenvoll zugerichtete Leiche gesehen.“ Widerstrebend nickte Ciel und ließ sich auf das Thema ein. Es war ihm eine willkommene Ablenkung. „Sie heute so unerwartet zu sehen, hat mich aus dem Konzept gebracht“, gab er zu und versuchte mit einem unauffälligen Schritt nach hinten einen Sicherheitsabstand zwischen sich und Sebastian zu bringen. Der Butler blieb, wo er war und legte nachdenklich die Arme vor der Brust zusammen. „Sie wird früher oder später auf eine Erklärung drängen. Darauf solltet Ihr vorbereitet sein.“ „Das weiß ich selbst!“ Kam die genervte Antwort seines Herrn. „Ich werde mich schon darum kümmern. Du wirst morgen früh bei den Middlefords unseren Besuch für den Nachmittag ankündigen. Und bis dahin werde ich mir überlegen, was ich ihr sage.“ Ciel nahm wieder auf der Bettkante Platz und runzelte die Stirn. „Das wird nicht ganz einfach werden, fürchte ich.“ Sebastian lächelte. „Aber es ist gut, wenn Ihr Eurer Verlobten die ganze Wahrheit erzählt, dass Ihr schon seit vielen Jahren im Auftrag der Königin aus dem Untergrund heraus die schrecklichsten Mordfälle löst. Lady Elizabeth hat, als Eure baldige Gattin, ein Recht darauf, dies zu erfahren, und es ist sogar unbedingt notwendig, dass sie über alles in Kenntnis gesetzt ist, denn sonst kann das friedliche Beisammenleben nicht garantiert werden.“ „Tz“, machte Ciel mit grimmiger Miene. „Friedliches Beisammenleben? Du tust ja fast so, als würde sie morgen hier einziehen.“ „Nun, allzu lang ist es nicht mehr hin, junger Herr. Sobald die Lady ihren siebzehnten Geburtstag hinter sich gebracht hat, gibt es keinen Grund, noch länger zu warten, oder? Ihr habt lange genug allein gelebt, es wird Zeit, dass Ihr wieder eine Familie bekommt.“ Ciel war verwirrt. Was faselte sein Butler denn da? Vorhin noch hatte er ihn gefragt, ob er Elizabeth wirklich heiraten wollte, und nun schien er genau das vorantreiben zu wollen. Er war sich nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte. Sebastians Worte waren nichts als freundlich gewesen, aber Ciel konnte sich nicht darüber freuen. Im Gegenteil, er war verärgert. „Warum fängst du in letzter Zeit immer wieder mit diesem leidigen Thema an, Sebastian?“ Des Butlers Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. „Aber mein Herr, Ihr könnt dem nicht aus dem Weg gehen. Es ist Eure Verpflichtung, die Lady zu heiraten, und es wäre unhöflich, sie länger als nötig warten zu lassen. Außerdem sehen junge Damen in der Regel ihrer Hochzeit sehr ungeduldig entgegen und können es kaum erwarten, endlich die Ehe einzugehen.“ Ciel legte den Kopf zur Seite. „Wieso denn das? Was soll denn an der Ehe so besonderes sein?“ Sebastian ging in die Hocke und sah seinen Herrn von unten herauf an. „Nun, die Ehe bringt einige neue, spannende Erfahrungen mit sich, die eine Frau von Anstand und Ehre sonst nirgends bekommen kann. Aber ich will nicht lange drum herum reden: Ihr seid ein gut aussehender junger Mann und Lady Elizabeth wäre blind, wenn sie Euch nicht attraktiv fände. Sie freut sich gewiss auf Eure erste gemeinsame Nacht als Mann und Frau.“ Das trieb dem jungen Grafen erneut die Röte ins Gesicht. Bisher hatte er es tunlichst vermieden, an diesen Teil seiner ehelichen Pflichten zu denken. Tapfer hielt er jedoch dem Blick des Butlers stand. „Warum sollte sie sich darauf freuen? Meines Wissens nach ist es für die Frau allenfalls schmerzhaft.“ Mit einem Lächeln auf den blassen Lippen näherte der Dämon sich seinem Herrn und kniete nun direkt vor ihm. „Oh, es wird sicherlich nicht nur angenehm für sie werden, aber jede Frau ist bereit, diese Schmerzen auf sich zu nehmen, wenn sie dafür dem Mann, den sie liebt, so nahe sein kann. Und im Übrigen tut es später nicht mehr so weh.“ Ciel konnte es kaum fassen, dass er sich gerade ernsthaft mit seinem Butler über solch ein Thema unterhielt. Aus irgendeinem Grund bereitete ihm das ein unangenehmes Drücken in der Magengegend. Er fühlte sich plötzlich zurückversetzt in die Zeit, in der er als kleiner Junge seine Eltern auf langweilige Feiern begleitet hatte. Zwischen all den Erwachsenen zu sitzen und ihren Gesprächen zu lauschen, von denen er nur die Hälfte verstand, war erniedrigend gewesen. Ganz ähnlich ging es ihm beim Thema Liebe und Beischlaf. Natürlich wusste er, wie es theoretisch funktionierte – das war aber auch schon alles. Sebastian schien seine Verunsicherung zu bemerken. „Beunruhigt Euch unsere Unterhaltung, mein Herr?“, fragte er finster grinsend. Ciel fauchte zurück: „Was denkst du denn, Sebastian? Wie würdest du dich fühlen, wenn du keine Ahnung von einer Sache hast, welche aber verdammt nochmal von dir verlangt wird?“ Sein Widerspruchsgeist versiegte zusehends. Der Butler beugte sich weit nach vorn, während er seine Hände auf die nackten Knie seines jungen Herrn legte. Ciel zuckte zusammen. Seine Kraft, mit der er die Fassade der Indifferenz den ganzen Tag über aufrecht zu halten versucht hatte, schwand mit jeder Sekunde. „Mein lieber Herr, so ahnungslos seid Ihr aber nicht. Selbst Ihr dürftet schon von den verbotenen Lüsten des Fleisches gekostet haben.“ Ciel lehnte sich ein wenig zurück, während er Sebastian mit entsetztem Blick anstarrte. „Oder wollt Ihr mir ernsthaft weismachen, Ihr, ein gesunder junger Mann von siebzehn Jahren, hättet Euch niemals selbst berührt?“ Sebastian hielt tatsächlich ein wenig die Luft an, nachdem er diese Frage gestellt hatte. Er konnte beobachten, wie innerhalb einer Sekunde sämtliche Farbe aus Ciels Gesicht verschwand. Seinem Herrn hatte es offensichtlich die Sprache verschlagen. „Das.... was...“, begann der junge Mann stotternd. „Was erlaubst du dir eigentlich?“, flüsterte er mit Grabesstimme. Darauf hatte der Dämon gewartet. Seine Hände glitten von Ciels Knien die Oberschenkel hinauf und sein Gesicht kam dem von Ciel immer näher. „Ihr leugnet es also nicht?“, hauchte er. Schlagartig kam wieder Farbe in Ciels Wangen. Der Junge wandte den Blick ab und lehnte sich so weit zurück, bis er plötzlich das Gleichgewicht verlor und rückwärts auf die Matratze plumpste. Sebastian ließ keinen Moment nutzlos verstreichen, er richtete sich auf, stützte seine Hände zu beiden Seiten von Ciels Körper ab und beugte sich zu ihm herunter. „Sebastian! Was fällt dir ein?“, rief Ciel kraftlos. Seine Hände drückten vorsichtig gegen die Brust des Älteren. Und das soll mich aufhalten? Er merkte deutlich, dass Ciel sich ihm nicht wirklich widersetzte, es scheinbar nicht mal mehr konnte. Der Dämon grinste. „Junger Herr“, flüsterte er. „Denkt Ihr etwa, Ihr könntet irgendetwas vor mir verbergen?“ Mit einem Ruck sah Ciel ihm direkt in die Augen. „Was soll das heißen?“, forderte er zu wissen. Oh, wie er diese kleinen Spielchen genoss! „Wisst Ihr, mein Herr, ein Dämon hat eine feine Nase. Ich habe es sehr wohl bemerkt, wenn morgens noch Spuren der Lust an Euch hafteten.“ Einen Moment lang machte Sebastian sich ernsthafte Sorgen, als Ciels Gesicht eine krebsrote Färbung annahm. Der Junge antwortete nicht, sondern sah ihn nur zitternd an. Dann schien er nochmal einen letzten Rest an Widerstandskraft zusammen zu sammeln und stieß dem Dämon seine Fäuste hart gegen die Brust. Dieser war tatsächlich kurzzeitig überrascht und wich ein wenig zurück. „Lass mich gefälligst in Ruhe, Dämon!“ Ciel krabbelte hastig rückwärts zum Kopfende des Bettes. Er begann leicht zu schwitzen und sein ganzer Körper war angespannt. „Du erdreistest dich, so mit mir zu sprechen? Was ich in meinem Bett tu, geht niemanden etwas an!“ Innerlich triumphierte Sebastian. Sein junger Herr hatte ihm noch keinen direkten Befehl gegeben. Und so, wie er da mit vor Aufregung geröteten Wangen und nur in seinem Nachthemd bekleidet vor ihm lag, sah er unwiderstehlich verführerisch aus. Zwar hieß ihm sein innerer Butler, vernünftig zu sein und den Herrn schlafen zu lassen, aber viel stärker war sein eigener dämonscher Wille, der ihn nun antrieb, als er mit geschmeidigen Bewegungen seinem Herrn über das Bett folgte, und sich wiederum über ihn beugte. „Sebastian, was soll das?“, protestierte Ciel mit zittriger Stimme. Der Butler verkniff sich ein Lachen. Er wusste ganz genau, warum Ciels Nacken so verspannt gewesen war: Der junge Mann hatte sich sehr angestrengt, um kühl und gelassen wie immer zu erscheinen. Und diese Gelassenheit konnte Sebastian nun vor seinen Augen wegbröckeln sehen. Während er sich mit einer Hand neben Ciels Körper abstützte, berührte er mit der anderen sacht Ciels Hals und strich mit dem Zeigefinger hinunter zu seiner Brust. Ciel machte eine Bewegung, um die Hand wegzuwischen, aber Sebastian war schneller und fing den Schlag ab. Er ergriff das Handgelenk und führte es hoch an seinen Mund, wo er einen sanften Kuss auf den Handrücken drückte. Ciels Augen weiteten sich und er schluckte hart. „Mein Herr“, flüsterte Sebastian mit tiefer Stimme. „Lasst mich Euch helfen, den Stress des Tages abzuschütteln. Ich kann Euch noch viel mehr geben, als eine einfache Massage.“ Der Dämon fühlte, dass es in Ciel kaum noch Widerspruch gab, umso mehr erstaunte es ihn, als der Junge tatsächlich noch einen – wenn auch halbherzigen – Versuch unternahm, dieser Situation zu entkommen. Er drehte sich zur Seite und wollte vom Bett kriechen, doch er kam nicht weit. Ohne viel Federlesens schob Sebastian von hinten seine Arme um Ciels Oberkörper und hielt ihn fest. „Sebastian....“, keuchte Ciel, während seine Hände sich auf die des Anderen legten, sie aber nicht wegdrückten. Ciel kniete nun fast auf allen Vieren und Sebastian hockte hinter ihm, sein Oberkörper presste sich an Ciels Rücken. Mit einem ehrlichen Lächeln legte er seinen Kopf auf Ciels Schulter und hauchte ihm in den Nacken. Er konnte die Härchen dabei beobachten, wie sie sich aufstellten und immer wieder erbebten, was ihn über alle Maßen erregte. Mit der einen Hand knöpfte er das Nachthemd auf, die andere hielt Ciel am Kinn fest. Vorwitzig fuhr seine Zunge den Hals des Jungen bis zum Ohr hinauf, an dem er spielerisch nippte und knabberte. Ciel wand sich unter ihm und sein Atem ging immer schneller. „Nicht... Sebas... hng...“ Sebastian kicherte. „Wenn Ihr mich wirklich aufhalten wollt, wisst Ihr, was Ihr zu tun habt, mein Herr.“ Doch er wusste ganz genau, dass solch ein Befehl nicht mehr kommen würde, und so ließ er seine Hände gemächlich über die nun entblößte Haut wandern. Die eine widmete sich der linken Brustwarze, während die andere kurz den Bauchnabel umkreiste und dann tiefer glitt. „Ihr kennt bisher lediglich das Vergnügen, das Ihr Euch selbst bescheren könnt, aber wenn es jemand anderes für Euch tut, ist es so viel mehr, es ist wie ein Rausch.“ Seine Hand stahl sich in Ciels intimsten Bereich. Dem jungen Mann stockte der Atem, als Sebastian, ohne noch länger zu zögern, seinen Penis in die Hand nahm. „Sebastian!“, steiß er aufgewühlt hervor und wollte vor der Hand zurückweichen, doch das brachte ihn nur noch näher an den Dämon heran, der sich ebenfalls an den Körper seines Herrn schmiegte. „Dir... ist doch wohl...hnnn... bewusst, dass... dass du hiermit eine Grenze über... haaahhh... überschreitest...“ Sebastian stieß ein kurzes, amüsiertes Lachen aus. „Das weiß ich in der Tat, mein Herr. Aber im Gegensatz zu Euch lege ich keinen Wert auf solch unnötige weltliche Regeln. Ihr braucht Euer Gewissen nicht zu belasten – ich breche die Grenze für Euch.“ Und mit diesen Worten begannen geschickte Finger Ciels Glied zu massieren, zogen daran, rieben von der Wurzel bis zur Spitze und wieder zurück, immer wieder hin und her. Ab und zu machten sie kreisende Bewegung um die Eichel herum und es dauerte nicht lange, bis der junge Mann vollends erregt war. Mit glühenden Augen beobachtete Sebastian, wie Ciel unter ihm dahinschmolz, er machte sich nicht einmal die Mühe, sein Stöhnen zu unterdrücken. In der Brust des Dämons flammte ein Gefühl auf, das er nicht zu benennen wusste. Es war unbeschreiblich intensiv, es tobte in ihm wie die Flammen des tiefsten Grunds der Hölle. Brennend heiß durchströmte es seinen Körper und fraß sich in sein Herz. In diesem Moment verspürte Sebastian das dringende Verlangen, diesem keuchenden, errötenden und unwiderstehlichem jungen Mann nahe zu sein, noch viel näher als er es bereits war. Während seine rechte Hand unermüdlich Ciels sensibelste Stellen bearbeitete, langte er mit dem linken Arm um die Brust des Jungen und drückte ihn fest an sich. Er schob seine Nase in die dunklen Haare seines Herrn und atmete tief dessen Duft ein. „Sebastian...“, murmelte Ciel zwischen zwei heftigen Atemzügen. Der Körper des Grafen drückte sich nun seinerseits an den des Dämons, wobei er seinen Kopf nach oben reckte, so dass sich die Wangen der beiden berührten. Zwar hatte Sebastian durchaus geahnt, dass Ciel ihm nicht abgeneigt sein würde – besonders der Anflug von Eifersucht nach dem Besuch bei Lady Sophie hatte ihn beeindruckt – ,aber dass er sich ihm so hingab, überraschte ihn nun doch ein wenig. Liebevoll presste er seine Lippen an Ciels Wange, leckte und saugte an seinem Hals, bis sich rote Male auf der Haut bildeten. Gleichzeitig lauschte er verzückt, wie sein junger Herr unter ihm stöhnte und seufzte und seinen Namen hauchte. Sebastian gab ein Knurren von sich, als der Druck in seiner eigenen Hose zunahm. Er musste das hier bald beenden, der Junge war noch nicht bereit für mehr. Nach ein paar weiteren Bewegungen seiner Finger verkrampfte Ciel sich spürbar unter ihm. Schnell beugte sich Sebastian noch weiter über seinen Herrn, drehte dessen erhitztes Gesicht mit seiner linken Hand zu ihm und nahm die leicht geöffneten und feucht glänzenden Lippen in Besitz. Wie ein verhungerndes Biest verschlang er Ciel von innen heraus, und Ciel antwortete ihm, indem er seine Zunge leidenschaftlich an Sebastians rieb. Mit einer flinken Bewegung brachte der Butler auch seine andere Hand in Ciels Schritt und streichelte zusätzlich den empfindlichen Hoden. Mehr brauchte es nicht und mit einem lauten Stöhnen riss sich Ciel von Sebastians Mund los, als sein Körper sich aufbäumte und die Anspannung in seinem Unterleib schlagartig einem unbeschreiblich lösenden Gefühl wich. Für einige Augenblicke sah er Sterne, dann wurde alles schwarz. *********************************************** Wah... -/////- Ist zum ersten Mal, dass ich solche Szenen schreibe... aber ich dachte, nach 15 Kapiteln wird's mal Zeit, dass wir ins Eingemachte kommen! XD Kapitel 16: Nachgeben... (non-adult) ------------------------------------ Lang, lang ist's her, meine treuen Leser! Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gekommen und hattet eine schöne Weihnachtszeit. Es tut mir sehr Leid, dass ihr über 2 Monate auf dieses Kapitel warten musstet. Es war nicht einfach, irgendwie hatte ich ständig Blockaden. Was mich über alle Maßen erstaunt, aber vor allem erfreut, ist die Tatsache, dass trotz der langen Wartezeit so viele neue Leser dazugekommen sind - beim letzten Kapitel waren es noch 65, jetzt sind es 111!!! Vielen Dank dafür!! >///< In diesem Kapitel wird's heiß, vielleicht ist das ja eine Art Lohn für eure Geduld!^^ Der letzte Teil fehlt allerdings, weil es da zu explizit wird. Viel Spaß!! Musiktipp: http://listen.grooveshark.com/s/Black+Is+The+Colour/2910vO *********************************************** Elizabeth sah erstaunt ihrem Verlobten hinterher, als er seinen Butler Sebastian mit sich zog und, ohne sich richtig von ihr zu verabschieden, Sophies Haus verließ. Was hatte Ciel hier gewollt? Mit einem wehen Gefühl im Herzen wurde Elizabeth sich bewusst, dass Sophies Eltern nicht da waren. Ciel und Sebastian waren allein mit dem Mädchen gewesen. „Lizzy, komm setz dich doch!“, holte die Stimme ihrer Freundin sie aus ihren Gedanken. Etwas verkrampft lächelnd nahm sie neben Sophie auf dem Sofa Platz, während die Haushälterin den Tee brachte und sich anschließend mit dem kleinen Jimmy zurückzog. Sophie goss ihnen ein und sagte: „Zu schade, dass Ciel und sein Butler nicht bleiben konnten. Das wäre bestimmt nett gewesen, mit den beiden Tee zu trinken.“ Wieder fühlte Elizabeth einen Stich in ihrer Brust. Als sie Sophie die Tasse abnahm, sah sie der Anderen ernst ins Gesicht. „Sophie, ich muss das wissen: Was wollte mein Verlobter hier?“ Sie konnte es kaum glauben, als Sophie ihrem Blick auswich und leicht errötete. „Ich würde es dir wirklich gerne sagen, aber es wurde mir verboten. Ich darf niemandem von der Unterhaltung erzählen.“ Entschuldigend sah sie ihre Freundin an. Diese schluckte und nickte ergeben. Als Sophie merkte, wie bedrückt Elizabeth war, fügte sie hastig hinzu: „Es betraf den Ball gestern Abend, so viel kann ich wohl preisgeben!“ Es half. Das Gesicht der Blonden hellte sich ein wenig auf. Dann jedoch nahm es einen sorgenvollen Ausdruck an, als sie daran dachte, was am Abend zuvor geschehen war. Elizabeth hatte zu niemandem ein Sterbenswort gesagt, ganz wie Ciel es von ihr verlangt hatte. Doch es war ihr sehr schwer gefallen, denn es lag nicht in ihrer Art, Dinge für sich zu behalten. Und gerade in dieser Sache hatte sie ständig das Gefühl, aus allen Nähten zu platzen, wenn sie nicht bald mit irgendjemandem darüber sprach. Sie hatte gehofft, Ciel würde zuallerst sie aufsuchen, und stattdessen war er zu Sophie gegangen. Das konnte nur einen Grund haben. „Hat er dich nach einem Mr. Buckley gefragt?!“, kam es wie aus der Pistole geschossen aus ihr heraus. Sophie riss die Augen auf. „Woher weißt du das?“, fragte sie entgeistert. Innerlich atmete Elizabeth auf. Dann zögerte sie – wieviel konnte sie der Anderen erzählen? „Also, da ist gestern etwas passiert... und aus irgendeinem Grund untersucht Ciel das...“ Als Sophie sie nur fragend anblickte, sprach sie weiter: „Er hat auch mir verboten darüber zu sprechen, aber... wir sind doch Freunde!“ Eindringlich fügte sie hinzu: „Ich sage dir, worum es geht, wenn du mir alles von Ciels und Mr. Sebastians Besuch erzählst!“ Die Neugierde stand deutlich in Sophies Gesicht geschrieben und mit einem schnellen Nicken nahm sie das Angebot an. „Also schön! Das passt mir sogar ganz gut, denn mir ist der Grund für den Besuch nicht wirklich ersichtlich! Das war so: Sie haben mich gefragt, ob ich dem Mr. Buckley eine rote Rose gegeben habe. Und das hatte ich in der Tat!“ Elizabeth machte große Augen, unterbrach sie aber nicht. „Ich frage mich, woher sie das wussten. Jedenfalls sagte ich ihnen dann, dass seine Frau Gemahlin mir unentdeckt eine Nachricht hatte zukommen lassen, in der sie mir auftrug, dem Herrn einen Zettel und die Rose zuzutecken.“ „Dann warst du es, von der Lord Miller gesprochen hat!“, platzte es aus Elizabeth heraus. „Lord Miller?“, fragte Sophie lächelnd, woraufhin das Gesicht der Blonden rot anlief. „Ich habe gestern Abend einen sehr netten jungen Mann kennen gelernt, Jonathan Miller. Aber ich habe dich unterbrochen – was ist weiter geschehen?“ Sophie hob die Schultern. „Nichts weiter. Ich habe den Zettel und die Rose unauffällig übergeben und bin wieder an meinen Tisch zurückgekehrt.“ „Das ist gut“, seufzte Elizabeth. „Ich hatte schon befürchtet, du wärst irgendwie in diese Sache verstrickt...“ „Welche Sache?“, fragte Sophie. Ungeduldig wedelte Elizabeth mit der Hand. „Gleich! Wollten Ciel und sein Butler noch mehr wissen?“ Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. „Nein, das war alles.“ Sie seufzte bedauernd. „Ich wünschte, sie wären zum Tee geblieben. Wie gern hätte ich noch ein wenig mit Mr. Sebastian gesprochen!“ Elizabeth zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Sag bloß, du magst diesen Mann?“ „Du nicht?“, entgegnete Sophie nicht minder erstaunt. Ciels Verlobte besah sich ihre Hände. „Hm, ich weiß nicht so recht. Er ist so... kalt. Völlig unnahbar, ich weiß nie, was er wirklich denkt. Früher als Kind war es mir gleich, er hat mich immer freundlich behandelt. Aber in der letzten Zeit...“ Während sie das sagte, fiel Elizabeth auf, dass diese Beschreibung ebenso auf den jungen Earl zutraf. Schnell brachte sie das Thema wieder auf den gestrigen Abend zurück: „Ich werde dir erzählen, was der Besuch der beiden zu bedeuten hatte. Hör zu...“ Und schon fing das Mädchen an zu berichten, wie sie nach Ciel gesucht hatte und dabei in dem Anwesen herumgeschlichen war. In den düstersten Farben malte sie die Szenerie aus, die sie dabei hinter einer der Türen entdeckt hatte, und beschrieb Ciel als ihren strahlenden Retter. Nachdem sie auch das merkwürdige Verhalten ihres Verlobten und seines Butlers am Tatort geschildert hatte, kam sie zu Lord Miller, der auch noch aufgetaucht war. „Oh Sophie, ich muss ihn dir unbedingt bei nächster Gelegenheit vorstellen, er ist furchtbar nett und höflich und zuvorkommend und besorgt...“ Lizzy bekam rote Wangen, als sie merkte, wie sie vom Thema abschweifte. Sie kam zurück zu ihrer Erzählung und Ciels Verhalten ihr gegenüber. Das Leuchten, das eben noch ihre Augen erfüllt hatte, verschwand, als sie daran dachte, wie kühl er zu ihr gewesen war. „Ciel wollte mir nichts verraten, doch es war offensichtlich, dass er und sein Butler nicht zum ersten Mal einen Toten zu Gesicht bekommen hatten. Und nachdem du mir den Grund ihres Besuches gesagt hast, scheint klar zu sein, dass sie diesen Fall untersuchen.“ Hilflos ließ sie den Kopf hängen. „Wenn ich nur wüsste, wieso...“ Sophies Hand strich beruhigend über ihre Schulter. „Keine Sorge, Lizzy, er wird es dir schon noch erklären! Vielleicht ist die Sache kompliziert. Hab noch ein wenig Geduld und wenn er dir in den nächsten Tagen noch immer nichts gesagt hat, frag ihn nochmal!“ Elizabeths Mund verzog sich zu einem ironischen Lächeln. „Ihn fragen? Das hab ich doch schon getan! Aber er erzählt mir ja nie etwas! Ich bin seine Verlobte, ich sollte alles über ihn wissen.“ Hastig rieb sie sich über die Augen, um die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. „Aber... ich weiß eigentlich gar nichts! Ich weiß nicht, was er macht, wenn er allein in seinem Anwesen ist, ich weiß nicht, wieso er diesen Fall bearbeitet, und am meisten stört es mich, dass ich nichts über diesen Butler weiß! Sebastian Michaelis!“ Sie spie den Namen mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Wut aus. „Seit Ciel damals zurückgekehrt ist, war er immer an seiner Seite, er lässt ihn nie allein! Er lässt uns nie allein. Ich sehe Ciel so selten und nie haben wir eine ruhige Minute nur für uns...“ Sophie hatte die ganze Zeit über stumm daneben gesessen und ihre Freundin reden lassen. Es erstaunte sie jedoch ein wenig, welche Gedanken sich in Elizabeth angestaut hatten. „Lizzy“, unterbrach sie den Redefluss der Blonden schließlich. „Es ist ja schon gut! Beruhige dich!“ Als sie Sophies Hände an ihren Schultern spürte, hob Elizabeth den Kopf und zwang den Kloß in ihrem Hald herunter. „Lizzy, hör mal. Ich kenne deinen Verlobten nicht gut, aber er scheint mir doch ein intelligenter Mann zu sein, er wird schon wissen, was er tut. Du musst ihm einfach zeigen, dass du sein Vertrauen verdienst, dann wird er dich auch eher in sein Leben lassen. Und was den Butler betrifft...“ Sophies Wangen färbten sich rosa. „Ich glaube nicht, dass er irgendetwas Böses im Schilde führt. Dafür ist er viel zu freundlich. Ach, Lizzy!“, seufzte sie plötzlich, woraufhin die Angesprochene ihre Freundin verwundert ansah. „Wenn er doch kein Bediensteter wäre! Er sieht so gut aus! Nie habe ich einen schöneren Mann gesehen.“ Sie kicherte verzagt. Zum ersten Mal in ihrer Freundschaft konnte Elizabeth bei Sophie Interesse an einem Mann erkennen. Ihre braunhaarige Freundin war sonst eher schüchtern und hatte wohl auch ein wenig Angst vor dem anderen Geschlecht. „Als ich ihn gestern auf dem Ball sah, dachte ich wirklich, er sei ein Edelmann. Er trug auch nicht seine Butleruniform. Und er war so charmant und höflich!“ „Er trug andere Kleidung?“, fragte Lizzy überrascht. „Das ist wirklich ungewöhnlich, zumal es sich doch nicht gehört für einen Diener, sich über seinen Stand zu kleiden. Nun gut, Ciel war auch anwesend, es wird wohl irgendeinen guten Grund gegeben haben...“ Elizabeths Worte wurden leiser, als sie sich an Ciels eigenartiges Gebaren erinnerte. Erst hatte er sie zum Buffett geführt und war dann hastig wieder verschwunden. Ob er und Mr. Sebastian geahnt hatten, dass es zu einem Mord kommen würde? Herje, es war alles so wirr. Sie wollte endlich eine Erklärung! „Und du sagst, du weißt wirklich nichts über den Butler?“, holte Sophie sie aus ihren Gedanken. „Das ist wirklich schade! Ich wüsste zu gern, für welche Art von Frau er sich interessiert.“ Elizabeth schüttelte sich. „Sophie, das geht zu weit! So darfst du nicht denken! Er ist ein Bediensteter, er käme für dich niemals infrage. Deine Eltern versuchen doch schon, dir einen passenden Ehemann zu suchen, also mach sie und dich nicht unglücklich, hörst du?“ Sophie lachte unsicher. „Keine Sorge, ich... ich weiß das doch alles! Ich würde mich doch niemals mit einem Butler einlassen.“ Ihr falsches Lächeln konnte Elizabeth nicht täuschen, sie spürte deutlich, dass der schwarzhaarige Mann sich tief in Sophies Gedanken gebrannt hatte. Normalerweise hätte sie jetzt weiterhin versucht, es ihr auszureden, aber da sie selbst genau wusste, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein, behielt sie ihre Einwände für sich, und überlegte schnell, womit sie das Mädchen ablenken könnte. „Da fällt mir ein, ich wollte dir doch noch von Lord Miller berichten!“ Sichtlich erleichtert über den Themenwechsel, nickte Sophie und lauschte dann gebannt der blumigen Erzählung über den höflichen jungen Mann mit den hellbraunen Locken. Nach einer Weile kam Sophie der Gedanke, dass sie nicht die einzige war, die ein Problem mit der Liebe hatte. „Ich hoffe, die Torte war nach Eurem Geschmack, junger Herr.“ „Sie war sehr gut“, antwortete Ciel, während sein Butler das benutzte Geschirr auf den Teewagen räumte und ihn in die Küche schob. Mit einem wohligen Gefühl der Sättigung begab sich Ciel in den ersten Stock, wo Sebastian bereits im Badezimmer auf ihn wartete. Nachdem er seinem Herrn beim Zähneputzen geholfen hatte, gingen sie ins Schlafzimmer. Wie üblich hob Ciel die Arme und Sebastian machte sich daran, ihm die Kleidung abzunehmen. Um zu verhindern, dass seine Augen wie immer in letzter Zeit Sebastians Hände dabei verfolgen würden, starrte er krampfhaft Richtung Zimmerdecke. Weiche behandschuhte Finger strichen über seine Haut, der seidige Stoff seines Hemdes glitt an ihm herab. „Ihr ward in den letzten zwei Stunden ausgesprochen schweigsam, mein Herr“, bemerkte Sebastian leise, während er das Hemd zurseite legte und Ciel bedeutete, sich hinzusetzen, damit er ihm die Schuhe ausziehen konnte. Seufzend ließ Ciel sich auf der Bettkante nieder und erwiderte sarkastisch: „Scharf beobachtet, Sebastian. Du hast dir einen Orden verdient.“ Der Butler kniete nieder und entknotete die Schnürsenkel. „Ich frage mich, was eure Gedanken beschäftigt.“ Ciels Blick klammerte sich am Kronleuchter fest, als Sebastian mit der einen Hand seinen Fuß am Knöchel festhielt, während die andere den Schuh auszog, und blieb still. „Und ich frage mich, was wohl so interessantes an der Decke zu sehen ist.“ Sofort schnellte Ciels Kopf nach unten und sein blaues Auge traf auf den roten, forschenden Blick des Dämons. „Überhaupt nichts!“, entgegnete Ciel sauer und brach hastig den Blickkontakt. Den ganzen Tag hatte er nun eine Maske getragen, hatte eine unbeteiligte Miene aufgesetzt und versucht, sich keine Unsicherheit anmerken zu lassen. Deshalb war er angespannt wie ein Bogen und reagierte auf die kleinsten Angriffe gereizt. Er spürte, wie ihm die Kraft schwand und er wollte nur noch ins Bett, damit Sebastian seine Schwäche nicht bemerkte. Inzwischen hatte Sebastian ihm Schuhe und Strümpfe ausgezogen und griff mit beiden Händen nach den Füßen. „Was tust du da?“, keuchte Ciel erschrocken auf, als er fühlte, wie die Finger ihn abtasteten. „Junger Herr, Ihr seid furchtbar verspannt“, bemerkte Sebastian. „Selbst in euren Zehen kann ich das fühlen.“ „Hör sofort auf damit!“, verlangte der Graf mit zittriger Stimme und entzog sich dem Griff des Butlers. „Dann erhebt Euch bitte wieder, mein Herr.“ Wütend pustete Ciel sich seine Strähnen aus dem Gesicht und stand auf. Sebastian öffnete seine Hose und zog sie ihm hinunter. In routinierter Art trat Ciel aus der Hose heraus. Dann hielt er die Luft an und heftete seinen Blick auf den Kleiderschrank, versuchte sich auf den Verlauf der Holzmaserung zu konzentrieren, während Sebastian ihn seiner Unterhose entledigte. Er atmete erleichtert auf, als Sebastian aufstand, und um ihn herumging, um das Nachthemd vom Bett zu holen. Doch statt wieder vor ihn zu treten, stellte der Butler sich hinter seinen Herrn, und seine Hände legten sich auf dessen Schultern. Der junge Mann zuckte zusammen und bevor er Gelegenheit fand, Protest zu erheben, hatte Sebastian schon begonnen, ihn zu massieren. Immer wieder drückten die Finger in sein Fleisch, strichen über die Haut und drückten wieder. „Mein Herr“, wisperte Sebastian so nah an seinem Ohr, dass ihm ein Schauer über den Rücken rieselte. Die langen Strähnen von Sebastians Haaren berührten seine Wange. „Euer Nacken fühlt sich an, als hättet Ihr einen sehr anstrengenden Tag hinter Euch, obwohl Ihr doch lediglich ein bisschen gelesen und eine Besuch gemacht habt.“ Idiot, dachte Ciel. Wie soll ich mich entspannen, wenn er mir so nah ist? Seine Hände ballten sich zu Fäuste zusammen, als Sebastians Finger unermüdlich seine Schultern bearbeiteten. Der warme Atem des Butlers kitzelte ihn im Nacken. Er hätte frieren müssen, doch die Hitze in seinem Körper stieg immer mehr an; so vergaß er schnell, dass er noch immer nackt war. Allmählich wurden Sebastians Hände fordernder und kneteten sich seinen Rücken hinab und wieder hinauf. Ciels Konzentration schwankte und ohne es zu bemerken, ließ er sich innerlich fallen, brachte seine Gedanken zum Ruhen. Sein Kopf kippte nach hinten und er seufzte leise. „So ist es gut, mein Herr. Lasst euch fallen...“, schnurrte Sebastians Stimme an seinem Ohr. Während er ihn weiter massierte, fühlte Ciel auf einmal etwas anderes an seinem Hals, etwas das viel weicher war, als der Stoff der Handschuhe. Augenblicklich stieg ihm das Blut in die Wangen, als ihm klar wurde, dass es die Lippen des Dämons waren, die sich immer wieder zärtlich auf seine Haut legten. Sebastian schien seine Unsicherheit zu spüren. „Entspannt Euch, junger Herr, es ist alles gut. Es gibt nichts, was Euch beunruhigen könnte.“ Doch mit Ciels Gelassenheit war es nun endgültig vorbei und er begann sich unter Sebastians Lippen und Händen zu winden. Die Hitze in seiner Körpermitte war ein deutliches Zeichen dafür, dass er diese Situation auf der Stelle beenden musste, sonst würde es für ihn noch sehr peinlich werden. Ruckartig trat er ein paar Schritte nach vorn. „Sebastian, wie lange willst du mich hier noch so stehen lassen? Zieh mir endlich etwas an!“ Hinter sich hörte er ein verhaltenes Kichern, dann kam Sebastian vor ihn und zog ihm das Nachthemd über, dass er sorgsam bis unten zuknöpfte. Ciel atmete tief durch. Er wollte sich nicht schon wieder von dem älteren Mann verunsichern lassen. Er hatte seinen Ärger über ihn noch nicht vergessen. Und er wollte auch nicht, dass Sebastian sich einfach so aus der Affäre zog. Er hatte mit dieser Lady Sophie geflirtet! Warum kommt mir denn das wieder in den Sinn? Es ist wirklich sowas von unwichtig! Soll Sebastian doch schöne Augen machen, wem er will! Doch er konnte sich gut daran erinnern, wie verstimmt er gewesen war, als Sebastian und Sophie sich so angelächelt hatten. Obwohl er versucht hatte, seine Gedanken zu verdrängen, waren sie doch immer wieder in seinem Kopf herumgegeistert: Was wäre, wenn zwischen den beiden irgendetwas passieren würde? Wenn diese Finger, die gerade über sein Haar wanderten, um die Augenklappe zu lösen, über den Körper dieser Frau strichen? Wenn er auch ihr mit seiner sanften Stimme ins Ohr flüsterte? Konnte Ciel dem gleichgültig gegenüberstehen? Nein.... antwortete eine leise, aber klare Stimme in seinem Innern. Aber er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Er würde nicht zugeben, was er empfand. Er wollte sich nicht vor Sebastian bloß stellen, dem die ganze Sache nicht halb so nah zu gehen schien wie ihm. Schließlich war Ciel fertig für die Nacht, doch er rührte sich nicht vom Fleck. Er war überhaupt nicht müde, seine Gedanken beschäftigten ihn viel zu sehr. „Wollt Ihr mir nicht endlich sagen, was Euch so schwer auf der Seele liegt?“, fragte der Butler noch einmal, während sein Gesicht sich Ciels näherte. Sein eindringlicher Blick verschränkte sich mit dem von Ciels ungleichen Augen. Der junge Adlige merkte ganz deutlich, dass die Wahrheit aus ihm herauszuplatzen drohte. In einem leichten Anflug von Panik log er überhastet, ohne lange zu überlegen: „Elizabeth.“ Sebastians Gesicht verfinsterte sich unmerklich, nahm dann aber wieder einen gelassenen Ausdruck an. „Das ist nur verständlich. Die Lady bereitet Euch einige Probleme. Ihr sorgt Euch bestimmt um sie, immerhin hat sie eine grauenvoll zugerichtete Leiche gesehen.“ Widerstrebend nickte Ciel und ließ sich auf das Thema ein. Es war ihm eine willkommene Ablenkung. „Sie heute so unerwartet zu sehen, hat mich aus dem Konzept gebracht“, gab er zu und versuchte mit einem unauffälligen Schritt nach hinten einen Sicherheitsabstand zwischen sich und Sebastian zu bringen. Der Butler blieb, wo er war und legte nachdenklich die Arme vor der Brust zusammen. „Sie wird früher oder später auf eine Erklärung drängen. Darauf solltet Ihr vorbereitet sein.“ „Das weiß ich selbst!“ Kam die genervte Antwort seines Herrn. „Ich werde mich schon darum kümmern. Du wirst morgen früh bei den Middlefords unseren Besuch für den Nachmittag ankündigen. Und bis dahin werde ich mir überlegen, was ich ihr sage.“ Ciel nahm wieder auf der Bettkante Platz und runzelte die Stirn. „Das wird nicht ganz einfach werden, fürchte ich.“ Sebastian lächelte. „Aber es ist gut, wenn Ihr Eurer Verlobten die ganze Wahrheit erzählt, dass Ihr schon seit vielen Jahren im Auftrag der Königin aus dem Untergrund heraus die schrecklichsten Mordfälle löst. Lady Elizabeth hat, als Eure baldige Gattin, ein Recht darauf, dies zu erfahren, und es ist sogar unbedingt notwendig, dass sie über alles in Kenntnis gesetzt ist, denn sonst kann das friedliche Beisammenleben nicht garantiert werden.“ „Tz“, machte Ciel mit grimmiger Miene. „Friedliches Beisammenleben? Du tust ja fast so, als würde sie morgen hier einziehen.“ „Nun, allzu lang ist es nicht mehr hin, junger Herr. Sobald die Lady ihren siebzehnten Geburtstag hinter sich gebracht hat, gibt es keinen Grund, noch länger zu warten, oder? Ihr habt lange genug allein gelebt, es wird Zeit, dass Ihr wieder eine Familie bekommt.“ Ciel war verwirrt. Was faselte sein Butler denn da? Vorhin noch hatte er ihn gefragt, ob er Elizabeth wirklich heiraten wollte, und nun schien er genau das vorantreiben zu wollen. Er war sich nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte. Sebastians Worte waren nichts als freundlich gewesen, aber Ciel konnte sich nicht darüber freuen. Im Gegenteil, er war verärgert. „Warum fängst du in letzter Zeit immer wieder mit diesem leidigen Thema an, Sebastian?“ Des Butlers Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. „Aber mein Herr, Ihr könnt dem nicht aus dem Weg gehen. Es ist Eure Verpflichtung, die Lady zu heiraten, und es wäre unhöflich, sie länger als nötig warten zu lassen. Außerdem sehen junge Damen in der Regel ihrer Hochzeit sehr ungeduldig entgegen und können es kaum erwarten, endlich die Ehe einzugehen.“ Ciel legte den Kopf zur Seite. „Wieso denn das? Was soll denn an der Ehe so besonderes sein?“ Sebastian ging in die Hocke und sah seinen Herrn von unten herauf an. „Nun, die Ehe bringt einige neue, spannende Erfahrungen mit sich, die eine Frau von Anstand und Ehre sonst nirgends bekommen kann. Aber ich will nicht lange drum herum reden: Ihr seid ein gut aussehender junger Mann und Lady Elizabeth wäre blind, wenn sie Euch nicht attraktiv fände. Sie freut sich gewiss auf Eure erste gemeinsame Nacht als Mann und Frau.“ Das trieb dem jungen Grafen erneut die Röte ins Gesicht. Bisher hatte er es tunlichst vermieden, an diesen Teil seiner ehelichen Pflichten zu denken. Tapfer hielt er jedoch dem Blick des Butlers stand. „Warum sollte sie sich darauf freuen? Meines Wissens nach ist es für die Frau allenfalls schmerzhaft.“ Mit einem Lächeln auf den blassen Lippen näherte der Dämon sich seinem Herrn und kniete nun direkt vor ihm. „Oh, es wird sicherlich nicht nur angenehm für sie werden, aber jede Frau ist bereit, diese Schmerzen auf sich zu nehmen, wenn sie dafür dem Mann, den sie liebt, so nahe sein kann. Und im Übrigen tut es später nicht mehr so weh.“ Ciel konnte es kaum fassen, dass er sich gerade ernsthaft mit seinem Butler über solch ein Thema unterhielt. Aus irgendeinem Grund bereitete ihm das ein unangenehmes Drücken in der Magengegend. Er fühlte sich plötzlich zurückversetzt in die Zeit, in der er als kleiner Junge seine Eltern auf langweilige Feiern begleitet hatte. Zwischen all den Erwachsenen zu sitzen und ihren Gesprächen zu lauschen, von denen er nur die Hälfte verstand, war erniedrigend gewesen. Ganz ähnlich ging es ihm beim Thema Liebe und Beischlaf. Natürlich wusste er, wie es theoretisch funktionierte – das war aber auch schon alles. Sebastian schien seine Verunsicherung zu bemerken. „Beunruhigt Euch unsere Unterhaltung, mein Herr?“, fragte er finster grinsend. Ciel fauchte zurück: „Was denkst du denn, Sebastian? Wie würdest du dich fühlen, wenn du keine Ahnung von einer Sache hast, welche aber verdammt nochmal von dir verlangt wird?“ Sein Widerspruchsgeist versiegte zusehends. Der Butler beugte sich weit nach vorn, während er seine Hände auf die nackten Knie seines jungen Herrn legte. Ciel zuckte zusammen. Seine Kraft, mit der er die Fassade der Indifferenz den ganzen Tag über aufrecht zu halten versucht hatte, schwand mit jeder Sekunde. „Mein lieber Herr, so ahnungslos seid Ihr aber nicht. Selbst Ihr dürftet schon von den verbotenen Lüsten des Fleisches gekostet haben.“ Ciel lehnte sich ein wenig zurück, während er Sebastian mit entsetztem Blick anstarrte. „Oder wollt Ihr mir ernsthaft weismachen, Ihr, ein gesunder junger Mann von siebzehn Jahren, hättet Euch niemals selbst berührt?“ Sebastian hielt tatsächlich ein wenig die Luft an, nachdem er diese Frage gestellt hatte. Er konnte beobachten, wie innerhalb einer Sekunde sämtliche Farbe aus Ciels Gesicht verschwand. Seinem Herrn hatte es offensichtlich die Sprache verschlagen. „Das.... was...“, begann der junge Mann stotternd. „Was erlaubst du dir eigentlich?", flüsterte er mit Grabesstimme. Darauf hatte der Dämon gewartet. Seine Hände glitten von Ciels Knien die Oberschenkel hinauf und sein Gesicht kam dem von Ciel immer näher. „Ihr leugnet es also nicht?“, hauchte er. Schlagartig kam wieder Farbe in Ciels Wangen. Der Junge wandte den Blick ab und lehnte sich so weit zurück, bis er plötzlich das Gleichgewicht verlor und rückwärts auf die Matratze plumpste. Sebastian ließ keinen Moment nutzlos verstreichen, er richtete sich auf, stützte seine Hände zu beiden Seiten von Ciels Körper ab und beugte sich zu ihm herunter. „Sebastian! Was fällt dir ein?“, rief Ciel kraftlos. Seine Hände drückten vorsichtig gegen die Brust des Älteren. Und das soll mich aufhalten? Er merkte deutlich, dass Ciel sich ihm nicht wirklich widersetzte, es scheinbar nicht mal mehr konnte. Der Dämon grinste. „Junger Herr“, flüsterte er. „Denkt Ihr etwa, Ihr könntet irgendetwas vor mir verbergen?“ Mit einem Ruck sah Ciel ihm direkt in die Augen. „Was soll das heißen?“, forderte er zu wissen. Oh, wie er diese kleinen Spielchen genoss! „Wisst Ihr, mein Herr, ein Dämon hat eine feine Nase. Ich habe es sehr wohl bemerkt, wenn morgens noch Spuren der Lust an Euch hafteten.“ Einen Moment lang machte Sebastian sich ernsthafte Sorgen, als Ciels Gesicht eine krebsrote Färbung annahm. Der Junge antwortete nicht, sondern sah ihn nur zitternd an. Dann schien er nochmal einen letzten Rest an Widerstandskraft zusammen zu sammeln und stieß dem Dämon seine Fäuste hart gegen die Brust. Dieser war tatsächlich kurzzeitig überrascht und wich ein wenig zurück. „Lass mich gefälligst in Ruhe, Dämon!“ Ciel krabbelte hastig rückwärts zum Kopfende des Bettes. Er begann leicht zu schwitzen und sein ganzer Körper war angespannt. „Du erdreistest dich, so mit mir zu sprechen? Was ich in meinem Bett tu, geht niemanden etwas an!“ Innerlich triumphierte Sebastian. Sein junger Herr hatte ihm noch keinen direkten Befehl gegeben. Und so, wie er da mit vor Aufregung geröteten Wangen und nur in seinem Nachthemd bekleidet vor ihm lag, sah er unwiderstehlich verführerisch aus. Zwar hieß ihm sein innerer Butler, vernünftig zu sein und den Herrn schlafen zu lassen, aber viel stärker war sein eigener dämonscher Wille, der ihn nun antrieb, als er mit geschmeidigen Bewegungen seinem Herrn über das Bett folgte, und sich wiederum über ihn beugte. „Sebastian, was soll das?“, protestierte Ciel mit zittriger Stimme. Der Butler verkniff sich ein Lachen. Er wusste ganz genau, warum Ciels Nacken so verspannt gewesen war: Der junge Mann hatte sich sehr angestrengt, um kühl und gelassen wie immer zu erscheinen. Und diese Gelassenheit konnte Sebastian nun vor seinen Augen wegbröckeln sehen. Während er sich mit einer Hand neben Ciels Körper abstützte, berührte er mit der anderen sacht Ciels Hals und strich mit dem Zeigefinger hinunter zu seiner Brust. Ciel machte eine Bewegung, um die Hand wegzuwischen, aber Sebastian war schneller und fing den Schlag ab. Er ergriff das Handgelenk und führte es hoch an seinen Mund, wo er einen sanften Kuss auf den Handrücken drückte. Ciels Augen weiteten sich und er schluckte hart. „Mein Herr“, flüsterte Sebastian mit tiefer Stimme. „Lasst mich Euch helfen, den Stress des Tages abzuschütteln. Ich kann Euch noch viel mehr geben, als eine einfache Massage.“ Der Dämon fühlte, dass es in Ciel kaum noch Widerspruch gab, umso mehr erstaunte es ihn, als der Junge tatsächlich noch einen – wenn auch halbherzigen – Versuch unternahm, dieser Situation zu entkommen. Er drehte sich zur Seite und wollte vom Bett kriechen, doch er kam nicht weit. Ohne viel Federlesens schob Sebastian von hinten seine Arme um Ciels Oberkörper und hielt ihn fest. „Sebastian....“, keuchte Ciel, während seine Hände sich auf die des Anderen legten, sie aber nicht wegdrückten. Ciel kniete nun fast auf allen Vieren und Sebastian hockte hinter ihm, sein Oberkörper presste sich an Ciels Rücken. Mit einem ehrlichen Lächeln legte er seinen Kopf auf Ciels Schulter und hauchte ihm in den Nacken. Er konnte die Härchen dabei beobachten, wie sie sich aufstellten und immer wieder erbebten, was ihn über alle Maßen erregte. Mit der einen Hand knöpfte er das Nachthemd auf, die andere hielt Ciel am Kinn fest. Vorwitzig fuhr seine Zunge den Hals des Jungen bis zum Ohr hinauf, an dem er spielerisch nippte und knabberte. Ciel wand sich unter ihm und sein Atem ging immer schneller. „Nicht... Sebas... hng...“ Sebastian kicherte. „Wenn Ihr mich wirklich aufhalten wollt, wisst Ihr, was Ihr zu tun habt, mein Herr.“ Doch er wusste ganz genau, dass solch ein Befehl nicht mehr kommen würde... Kapitel 17: Ein bisschen Ehrlichkeit ------------------------------------ So meine Lieben, ich weiß, es ist kaum zu fassen, aber ich habe tatsächlich das neue Kapitel beendet, nach knapp fünf Monaten >__> Die Verzögerung tut mir echt Leid und wieder kann ich mich nur für eure Geduld bedanken, 155 Leser scheinen der Meinung zu sein, dass Warten sich lohnt. Vielen Dank dafür, ihr seid die besten! ♥ Diesmal habe ich vor allem die Soundtracks von "Tron: Legacy" und "Stolz und Vorurteil" beim Schreiben gehört, einige Stücke passen von der Stimmung einfach perfekt zu Kuro *^* Viel Spaß beim Lesen, eure Bella ***************************************************** An die Minderjährigen: Im vorigen Kapitel hat Sebastian Ciel lediglich mit der Hand befriedigt, mehr ist noch nicht passiert! Schlanke, behandschuhte Finger strichen durch feuchte Strähnen, wischten sie von der verschwitzten Stirn. Ciel seufzte leise, während er sich im Schlaf auf die andere Seite herumdrehte. Sein friedlicher Gesichtsausdruck brachte Sebastians Puls zum Ruhen und seine Erregung ließ nach. Der Dämon setzte sich auf und schaute auf seinen jungen Herrn hinab, begutachtete die Folgen seiner Tat, vermischte die weiße Flüssigkeit an seiner rechten Hand mit den Flecken auf dem Laken. Der rote Blick wanderte zurück zum Gesicht des jungen Mannes, der sich eben noch vor Lust stöhnend unter ihm gewunden hatte. Doch wie intim dieses Erlebnis auch gewesen sein mochte – jetzt in diesem Moment fühlte Sebastian sich seinem Herrn näher als je zuvor. Die Emotionen, die beim Anblick des schlafenden Ciel in ihm aufkamen, vermochte er nicht in Worte zu fassen. Doch obwohl sie ihn einerseits mit einem kaum gekannten Glück erfüllten, beunruhigten sie ihn auch. Eine Ahnung sagte ihm, dass diese Gefühle schon sehr lange in ihm schlummerten, aber in der letzten Zeit wurden sie ihm immer deutlicher; und sie unterschieden sich vollkommen von jenen, die er anderen Vertragspartnern gegenüber gehabt hatte. Federleicht ließ er seine saubere linke Hand immer wieder durch das dunkle Haar gleiten, fuhr dann Ciels Hals entlang bis hinunter zum Bauchnabel. Feine Härchen stellten sich auf, als sich auf der weichen Oberfläche von Ciels Armen eine Gänsehaut bildete und Sebastian daran erinnert wurde, dass sein junger Herr unbedeckt in einem nur schwach beheizten Zimmer lag. Widerwillig seufzend erhob sich der Dämon, um im Bad seine Hand zu waschen. Nachdem er sich einen Lappen genommen und ihn mit Wasser getränkt hatte, kehrte er ins Schlafgemach zurück und machte sich daran, Ciels Körper zu säubern und flink das Laken zu wechseln. Mit leichten Handgriffen war das Nachthemd wieder zugeknöpft und der junge Herr in warme Decken gewickelt. Ciel seufzte leise, während Sebastian seine Wange streichelte. Als der Butler aufstehen wollte, spürte er schmale Finger, die sich um sein Handgelenk legten. Überrascht fuhr er herum, doch Ciel schlummerte friedlich vor sich hin, nur sein Körper hatte sich selbstständig gemacht. Sebastian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und ließ sich ergeben wieder auf dem Bett nieder. Mit sanftem Griff hielt er Ciels Hand fest und ließ seine Finger unaufhörlich über die zarten Knöchel gleiten, während er sich seinen Gedanken hingab. Er dachte an viele Dinge. An den Beginn seines Vertrags mit Ciel, an die vergangenen Jahre in seinem Dienst und an die momentane Situation. Wo hatte er sich da bloß hineingeritten? Sicher, der Junge hatte ihn vom ersten Moment an irgendwie interessiert, keine Seele zuvor hatte so eine verlockende Aura verströmt. Aber ohne es richtig zu bemerken, war er tatsächlich der Diener seines Herrn geworden, und dieser Herr wusste es zu nutzen. Statt intensiv nach den Mördern seiner Eltern zu suchen, taten Ciel und sein Butler vieles, nur nichts, was die Erfüllung des Vertrags bedeutet hätte. Doch das schlimmste daran war eigentlich, dass es Sebastian inzwischen fast egal geworden war. Er würde die Seele schließlich sowieso irgendwann bekommen und er hatte an dem Leben an der Seite von Ciel Phantomhive Gefallen gefunden, warum sollte er das Ende dieser Zweisamkeit also herbeiwünschen? Wie aber würde das Leben hier weitergehen? Wenn Ciel sich seinem Schicksal fügte, wäre die angenehme Zeit in diesem Anwesen dahin. Stattdessen würde eine goldblonde Göre als Herrin in einem Fort versuchen, Ciel zum Lachen zu bringen, vergeblich mit den Unzulänglichkeiten der Hausangestellten fertig werden wollen und dabei seine Nerven und die seines Herrn zum Tode verurteilen. Käme es tatsächlich dazu, dass Elizabeth Middleford hier einzog, so war sich Sebastian sicher: Er würde im Handumdrehen seinen Vertrag erfüllen und mit Ciels Seele im Schlepptau fliehen. Aber dann wäre sein junger Herr tot und das Beisammensein mit ihm vorbei... der Dämon schluckte, als ihm einmal mehr vor Augen geführt wurde, dass seine kühle Gleichgültigkeit der Vergangenheit angehörte. Ciel zu verlieren, würde ihm zweifelsohne nicht gefallen. Nicht gefallen? Sebastian schnaubte. Mach dich doch nicht lächerlich! Es würde dir dein kleines erbärmliches Herz brechen! Leise stöhnend zuckte Ciel zusammen, als sich große, starke Hände in das zarte Fleisch seines Arms krallten. Sofort löste Sebastian sich von ihm und strich sanft und beruhigend über die Schulter des jungen Mannes. Menschen waren so zerbrechlich. Mit nur einem Blinzeln könnte er Ciels Lebenslichter auspusten. Und genauso verletzlich wie der Körper waren die Gefühle so eines Wesens. Wie würde sein Herr wohl mit ihm umgehen, sobald er erwachte? Sebastian schmunzelte über sich selbst – wieder einmal war er nicht imstande Ciels Reaktion vorrauszusehen. Dafür war die Situation zu ungewohnt und im Fall des Jungen schlicht und ergreifend komplett neu. Kopfschüttelnd ertappte der Butler sich dabei, wie sich Mitgefühl in ihm regte. Hatte er seinen Herrn zu weit getrieben? Würde Ciel seinen Überfall als Misshandlung empfinden? Aber es war so leicht gewesen! Er hätte sich doch bestimmt heftiger gewehrt, wenn er es wirklich nicht gewollt hätte. Doch selbst wenn er es in diesem Moment zugelassen hatte, hieß das nicht, dass er es am Morgen noch ebenso sehen würde. Die Scham würde ihn wahrscheinlich dazu bringen, seine ehrlichen Gefühle unter seinem Stolz zu vergraben. Und was würde Sebastian dann tun? Der schwarzhaarige Mann erhob sich, während in ihm ein Entschluss reifte: Ciel würde den nächsten Schritt machen müssen. Sebastian nahm sich vor, zurückhaltender zu sein, er würde seine Prinzipien als Butler nicht wieder verraten, sondern höflich und zuvorkommend wie immer sein. Erst wenn Ciel in vollem Bewusstsein und aus eigenem Willen heraus auf ihn zuginge, würde er seinem Verlangen nachgeben. Gute Nacht, mein Herr. Feine Wimpernhaare zuckten, als das Geräusch von tausenden fallenden Wassertropfen den zuvor friedlich schlafenden Jungen gemächlich aus Morpheus' Armen holte. Langsam hoben sich seine Lider und graublaues Tageslicht traf auf seine Netzhaut. Ein gewohntes Bild. Aber dennoch fühlte Ciel sich anders. Es lag nicht daran, dass er erwachte, bevor sein Butler ihn weckte, das geschah oftmals. Nur hatte er nie einen Sinn darin gesehen, frühzeitig aufzustehen, wenn sein Tee noch nicht auf ihn wartete. Warum also war ihm jetzt, als müsse er sich dringend an irgendetwas erinnern? Und dann traf es ihn wie ein Blitz und schlagartig brach eine Flut von Bildern und Gefühlen in sein Gedächtnis und ließ die Hitze durch seine Adern strömen. Was habe ich getan? Was haben wir getan? Automatisch zog er sich die Decke über den Kopf und kniff die Augen zusammen. Sein Puls raste und jeder Herzschlag brachte ein weiteres Puzzleteil des gestrigen Abends zurück. Ganz ruhig! Es wird alles wieder gut... Sebastian hatte ihn befriedigt. Und er hatte es zugelassen. Nicht mal ordentlich gewehrt hatte er sich, schon nach wenigen Versuchen war er nur allzu bereitwillig der Leidenschaft verfallen. Als er sich allmählich wieder einbekam und ernsthaft versuchte, seine Gefühle zu ergründen, erkannte er – nicht ohne ein ordentliches Maß an Scham –, dass es ihm gefallen hatte. Seine Empfindungen hatten ihn vollkommen überwältigt, es hatte sich einfach so unbeschreiblich gut angefühlt! Was bedeutet das?, überlegte Ciel fiebrig. Bin ich wirklich... schwul? Der stolze und moralische Teil in ihm schrie lauthals 'NEIN!', aber er konnte nicht leugnen, dass er Sebastians Hände an seinem Körper sehr genossen hatte, und auch dieser unglaublich intensive Kuss kurz bevor er... Ciel wäre gerne im Boden versunken. Er hatte ja schon vorher gewusst, dass sein Butler ihm nicht mehr gleichgültig war, aber das... Er musste damit jetzt zurecht kommen, es war nun mal passiert. Ein kleines Grinsen konnte er sich dann doch nicht verkneifen und für einen Moment dachte er sogar daran, dass er eigentlich nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden hätte. Es war einfach so viel... besser gewesen, als wenn er sich selbst Erleichterung verschafft hatte. Und dann beschäftigte ihn natürlich noch eine ganz andere Frage: Warum hatte Sebastian das getan? Begehrte er seinen Herrn? Eine andere Erklärung wollte Ciel kaum einfallen, und so sehr es ihn auch beschämte, konnte er doch nicht verhindern, dass ihm bei dem Gedanken, sein Dämon würde sich zu ihm hingezogen fühlen, die Schmetterlinge in seinem Bauch einen jugendlichen Freudentanz aufführten. So hatte Ciel noch nie empfunden und es erschreckte ihn. Aber dieses süße, warme Gefühl tief in ihm ließ sich nicht mehr verscheuchen. Doch wie sollte er Sebastian gegenübertreten? Irgendwie hatte er nicht mehr dieselbe Einstellung dazu, wie noch am Tag zuvor – was unter anderem auch daran liegen mochte, dass es gestern trotz aller Anstrengungen ganz offensichtlich nicht funktioniert hatte, letzten Endes hatte er Sebastian nicht täuschen können. Unter der Bettdecke ging ihm die Luft aus und mit erhitztem Gesicht tauchte er wieder auf, bevor sein Blick auf die Uhr fiel. Oh oh... er wird gleich da sein... was soll ich tun? Mich schlafend stellen? Doch das würde ihm nicht gelingen, nicht mit seinem schnellen Atem und den vor Aufregung geröteten Wangen. Da klopfte es auch schon an der Tür und den Teewagen vor sich her schiebend betrat der Mann der Stunde das Schlafgemach seines Herrn. „Junger Herr, es wird Zeit aufzustehen“, sagte er, während er ans Fenster trat und die Vorhänge aufzog. Dann wandte er sich dem Tee zu und goss das dampfende Wasser durch ein Sieb in die Tasse, welche er dem längst aufrecht sitzenden Ciel reichte. Der Junge nahm die Tasse, während er Sebastians Verhalten aufmerksam und etwas verwirrt beobachtete auf der Suche nach irgendeinem Anzeichen von Veränderung. Aber nichts dergleichen war zu finden. Der ältere Mann hatte sein übliches Lächeln aufgesetzt und war zur Kommode gelaufen, um schon die Kleidung für den Tag bereit zu legen. Behutsam nippte Ciel an seinem Tee, der gut wie immer schmeckte, bevor er die Tasse wieder abstellte und die Zeitung zur Hand nahm. Geräuschvoll schlug er sie auf und vergrub sich dahinter. Allerdings nahmen seine Augen nichts von dem auf, was die Presse ihm hier anbieten wollte, immer wieder huschte sein Blick über den Rand des Papiers und folgte jeder von Sebastians Bewegungen. Mit einem lauten Räuspern zog er die Aufmerksamkeit seines Butlers auf sich, der sogleich neben ihm stand. „Mein Herr, Euer Bad wird in wenigen Minuten bereit sein -“ „Sebastian.“ Der Angesprochene blinzelte. „Ja, mein Herr?“ Ciel ließ die Zeitung sinken und sah Sebastian direkt ins Gesicht – der schaute jedoch an ihm vorbei. „Sieh mich an.“ Der Butler kam der Aufforderung stumm nach. Mit forschenden Blick wühlten Ciels Augen in Sebastians, doch was immer sie hofften zu finden, war nicht da. Der Butler starrte ihn regungslos und gleichgültig an. Und Ciel konnte sich nicht mehr zurückhalten. „Sebastian, gestern Abend, das... also... was da passiert ist, das...“ Mit einer fließenden Bewegung kniete der Dämon vor ihm nieder und nahm Ciel bei der Hand. „Macht Euch keine Sorgen, junger Herr. Es tut mir außerordentlich Leid, Euch derart überrumpelt zu haben, und ich verspreche Euch, dass es nicht wieder vorkommen wird.“ Für einen Moment verschlug es Ciel die Sprache. Und diese paar Sekunden reichten Sebastian, um aufzustehen und in Richtung Badezimmer zu verschwinden. „Aber das war doch gar nicht...“, begann der Junge, doch sein Butler hatte das Zimmer bereits verlassen. Und hinterließ einen verdutzten und enttäuschten Ciel zurück. Als das Badewasser bereit war, hieß der junge Lord seinen Butler draußen zu bleiben. Seine Enttäuschung hatte sich inzwischen in Ärger verwandelt, daher hatte er momentan wenig Lust darauf, sich von Sebastian waschen zu lassen. „Kontaktiere in der Zeit die Middlefords, ich möchte, wenn möglich, noch vor dem Mittagessen zu ihnen aufbrechen. Wenn sie nichts dagegen haben, würde ich auch dort speisen.“ „Sehr wohl, mein Herr“, antwortete Sebastian höflich und zog sich zurück. Etwa eine Stunde später saß Ciel in seiner kleinen Kutsche, die von Sebastian gelenkt wurde. Er hatte bewusst nach diesem Wagen verlangt, damit er allein sein konnte. Seine Bitte war auch nicht unangebracht, denn die Entfernung zu den Middlefords war gering genug, um auf die große Reisekutsche verzichten zu können. Aus seinem Ärger war inzwischen Wut geworden, Ciel konnte es selbst kaum fassen, aber er war eingeschnappt und verletzt. Er hatte beim Erwachen wirklich so etwas wie Freude empfunden – eine für ihn recht seltene Emotion –, aber Sebastian hatte diese mit seinem kühlen Verhalten im Keim erstickt, und nun wollte Ciel es ihm mit gleicher Münze heimzahlen. Was er kann, kann ich auch. Er wollte Sebastian diesen Tag so richtig schön vermiesen und er wusste auch schon ganz genau, wie er das anstellen würde. Immerhin waren sie auf dem Weg zu seiner Verlobten, für deren Mutter sein Butler ein Dorn im Auge war. Die beiden würden sich bestimmt bestens beschäftigen können, während er selbst sich Elizabeth widmete. Ein wenig später waren sie bereits beim Anwesen der Familie Middleford angelangt, wo sie sogleich vom leitenden Angestellten empfangen und in den Salon gebracht wurden. Elizabeths Mutter Frances kam ihnen mit einem höflichen, aber nichtsdestotrotz strengen Lächeln entgegen. „Herzlich Willkommen, mein Junge“, sagte sie freundlich, während sie ihn prüfend von oben bis unten musterte. Innerlich seufzte Ciel. Die Gewohnheiten seiner Schwiegermutter änderten sich nie, wie stets sprach sie ihn an, als wäre er nicht älter als 12, und sie traute Sebastian wohl noch immer nicht zu, dass er ihn ordentlich anziehen konnte. Wie von selbst zupften ihre Hände an seinem Jacket. Ciel verbeugte sich knapp. „Seid gegrüßt, Ma'm. Ich freue mich sehr, dass ich so kurzfristig kommen konnte.“ Sie nickte kurz. „Das ist doch selbstverständlich für meinen künftigen Schwiegersohn. Unser Haus ist auch Euer Haus.“ Dann wandte sie sich seinem Begleiter zu. „Guten Tag, Mr. Sebastian. Wie ich sehe, haben Sie noch immer nicht gelernt, sich anständig zu frisieren. Sie und Ciel werden sich zuallererst ins Gästeankleidezimmer begeben und das richten!“ Der Butler verbeugte sich tief. „Entschuldigt meine Unachtsamkeit, Milady. Ich hätte eher daran denken müssen.“ Das stimmt, dachte Ciel, und erst jetzt fiel ihm auf, dass auch er nicht vorraus geplant hatte, dass Frances wieder an ihnen herumkritteln würde. Seine Gedanken waren anderweitig beschäftigt gewesen. „Ma'm, wärd Ihr so freundlich in der Zwischenzeit Elizabeth Bescheid zu geben, dass ich sie gleich zu sprechen wünsche?“ Wieder nickte sie nur und scheuchte die beiden dann davon. „Wie konntest du das vergessen, Sebastian?“, raunte Ciel, als sie auf dem Weg ins Ankleidezimmer waren. Er war immer noch sauer auf seinen Butler. „Verzeiht, mein Herr. Ich war wohl nicht ganz bei mir, es wird nie wieder vorkommen.“ „Tse!“, war Ciels einzige Antwort, während er sich von Sebastian die Tür öffnen ließ. Mit schnellen Handgriffen machte der Butler sich daran, erst Ciels und dann seine eigenen Haare dem Geschmack von Frances Middleford entsprechend zu kämmen. „Ich werde im Übrigen alleine mit Elizabeth sprechen.“ Sebastians Finger hielten kurz inne, fuhren jedoch sogleich in ihrer Tätigkeit fort. „Was werde ich in dieser Zeit tun, mein Herr?“ Ciel tat so, als würde er kurz überlegen, dann sagte er mit betont gelassener Stimme: „Du kannst, sofern sie einverstanden ist, Madame Middleford Gesellschaft leisten und sie unterhalten.“ Kurz glaubte Ciel eine ungläubige Empörung in Sebastians Augen aufblitzen zu sehen, doch im nächsten Moment hatte der Butler sich wieder im Griff und seufzte dezent. „Natürlich, mein Herr, ganz wie Ihr wünscht.“ Wenige Minuten später betraten sie wieder den Salon, in dem Elizabeth mit angespannter Miene auf ihren Verlobten wartete. „Ciel!“, rief sie aus, während sie auf ihn zugelaufen kam und ihn mit einer für sie ungewohnt schüchternen Umarmung begrüßte. „Ich freue mich, dass wir uns schon so schnell wiedersehen!“ „Guten Tag, Elizabeth. Ich hoffe, dir geht es gut?“ Sie nickte zustimmend: „Ja, danke. Und dir?“ Mit liebervoller Fürsorge strich sie über seine Wange, doch zog die Finger hastig zurück, als sie sich daran erinnerte, wer hinter ihr stand. „Es befindet sich alles in bester Ordnung“, antwortete Ciel freundlich und ergriff ihre Hand. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Sebastians Blick sich leicht verfinsterte. Dann wandte Ciel sich an Elizabeths Mutter. „Ma'm, wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich gerne etwas mit Elizabeth besprechen. Es ist eine ernste Angelegenheit, die meine Arbeit betrifft, daher soll diese Unterredung nach Möglichkeit unter vier Augen stattfinden. Sebastian wird Euch, falls Ihr es wünscht, bei Euren Aufgaben zuhilfe kommen.“ Frances zog eine Augenbraue hoch und schaute missbilligend drein, senkte dann aber den Kopf und wandte sich an Sebastian. „Ihr Herr schickt Sie also zu mir, nun denn. Begleiten Sie mich nach draußen, wir finden sicherlich eine angenehme Beschäftigung.“ Sobald sie allein waren, bat Ciel seine Verlobte Platz zu nehmen. Sie starrte ihn erwartungsvoll an. „Lizzy“, begann der junge Mann und wählte absichtlich ihren geliebten Spitznamen, er wollte sie positiv stimmen. „Du hast sicherlich schon viel über das nachgedacht, was am Samstag Abend geschehen ist. Und du bist zurecht sauer auf mich.“ Sie lächelte zögerlich. „Ich bin nicht mehr sauer, eher verwundert“, versicherte sie ihm. „Nun denn... Ich werde dir jetzt erzählen, was ich dir seit Jahren verheimlicht habe. Ich tu das, weil ich glaube, dass du jetzt reif genug bist, um mit der Wahrheit fertig zu werden. Und du hast natürlich auch das Recht, es zu erfahren.“ Ciel holte tief Luft und knetete unruhig seine Finger. Das hier war schwieriger, als er sich vorgestellt hatte. Wo sollte er anfangen? Wieviel konnte er ihr erzählen? Da griff Elizabeth plötzlich nach seinen Händen und hielt sie fest. Überrascht sah Ciel in das Gesicht dieser jungen Frau, die ihm fest entgegenblickte. „Keine Sorge, Ciel. Du weißt, wer meine Eltern sind. Ich bin stark, ich werde schon verkraften, was auch immer du mir zu sagen hast.“ Es war einer dieser seltenen Momente, in denen Ciel seiner Verlobten ehrliche freundschaftliche Gefühle entgegenbrachte. Es sah wirklich so aus, als könne er ihr alles sagen – naja, fast alles. Und so begann er. „Seit dem Tod meiner Eltern, habe ich die Position meines Vaters eingenommen, und zwar nicht nur als Chef unserer Firmen, sondern auch in der Rolle, die er im Auftrag der Königin inne hatte. Er war der Wachhund ihrer Majestät und so bin ich seit mehr als sechs Jahren.“ Elizabeth hatte die Augen aufgerissen. „Du meinst, du hast damit schon begonnen, als du noch keine elf Jahre alt warst?“ Ciel nickte mit einem ironischen Lächeln. „Ja, das habe ich. Ich war ja nicht allein, ich hatte Sebastian.“ Mit einem Seufzen ließ Elizabeth Ciels Hände los. „Wo kam dieser Mann eigentlich her? Erzähl mir nicht, dass du ihn als normalen Butler angeheuert hast.“ Hier wurde Ciels Ausdruck etwas härter. „Tut mir Leid, Lizzy, aber über ihn werde ich dir nicht viel berichten können, denn es sind nicht meine Geheimnisse, sondern seine. Natürlich weiß ich davon, ich muss ihm schließlich bedingungslos vertrauen können. Aber ebenso vertraut er mir, dass ich über Details zu seiner Person mit niemandem spreche.“ Enttäuscht schürzte Elizabeth ihre Lippen, zuckte dann aber mit den Schultern und lehnte sich wieder in ihren Sessel. „Na schön... dan erzähl bitte weiter, was ist seitdem geschehen, während deiner Aufträge als Wachhund, wie sahen deine Tätigkeiten aus?“ Während die Kerzen des Leuchters in der Ecke herunterbrannten, breitete Ciel vor seiner Verlobten seine Fälle der letzten sechs Jahre aus. Natürlich verschwieg er die Details, aber er wollte ihr doch ein genaues Bild seiner Arbeit geben und ihr vor allem die Gefahren bewusst machen, die damit einher gingen. Sie sollte den Ernst darin erkennen. Elizabeth lauschte dem jungen Mann mit großen Augen und verknoteten Fingern und unterbrach ihn nur selten. Für sie klangen seine Geschichten wie aus einem spannenden Roman und sie sah sich schon selbst an seiner Seite als die tapfere Ehefrau, die ihren Mann bei seinen Streifzügen durch die finstere Unterwelt begleitete. Dass jeder einzelne dieser Fälle auf blutige Weise endete und daran überhaupt nichts romantisches war, begriff sie nicht. ********************************** Hat's euch gefallen? Am Ende des nächsten Kapitels gibt's vielleicht schon wieder ein bisschen Errrrotik! XD Kapitel 18: Unerwartet ---------------------- Liebe Leser, ich danke euch für 177 Favoriteneinträge! Obwohl ich mir das zeitlich eigentlich überhaupt nicht leisten dürfte, hab ich ein neues Kapitel geschrieben, von dem ich sehr hoffe, dass es euch gefällt! Und hier ist es! Kleiner Musiktipp: http://www.youtube.com/watch?v=tMH7W5iA488 Der Text passt im übertragenden Sinne irgendwie zu Seb und Ciel ♥ ******************************************* Die Engländer lebten die meiste Zeit des Jahres in einer Tropfsteinhöhle, doch dann und wann zeigte sich selbst in diesem Land mal die Sonne. Frances Middleford hatte die Gunst der Stunde genutzt und sich mit Sebastian im Schlepptau in ihren Blumengarten begeben. Dort summte sie gerade leise vor sich hin, nichtsahnend, welche Todesgedanken ihr entgegengebracht wurden. Denn während sie auf ihrer hübschen Gartenbank saß und Blumen arrangierte, musste der Herr Butler sich durch dichtes Rosengeranke kämpfen. Wer auch immer den Garten der Middlefords für gewöhnlich pflegte, tat dies nicht besonders gut. Niemals würde ein Butler des Hauses Phantomhive die Natur so wuchern lassen, wie es hier geschehen war. Natürlich hatte Mrs Middleford sich genau diese Aufgabe für ihn überlegt. Nicht, dass die Dornen der Rosen ihm etwas hätten anhaben können, aber es war doch nicht sehr angenehm, ständig gekratzt zu werden. Heute abend würde er etliche kleine Löcher in seiner Uniform wieder zunähen müssen. „Mr Sebastian, die Rosen sollten doch etwas länger sein, schneiden Sie sie nicht so kurz!“, rief Frances dem Butler zu. Der Angesprochene setzte ein falsches Lächeln auf. „Natürlich, Madame.“ Nachdem er zehn weitere Blumen zusammen hatte, kletterte er aus dem Gebüsch heraus und legte sie auf dem Tisch vor der Hausherrin ab. Sie bedachte Sebastian mit einem kritischen Blick. „Richten Sie Ihre Kleidung, Sie sehen ja fürchterlich zerzaust aus“, sagte sie kühl. Sebastian musste sich alle Mühe geben, die Fassung zu wahren und schaute an sich herab. Seine Weste war leicht schief und an seinem linken Hosenbein hing ein Blatt. Es war ein Wunder, dass er nicht einem in einen Misthaufen gefallenen Igel glich, aber auf Mrs Middleford war Verlass, sie würde immer etwas finden, das sie bemängeln konnte. Schnell war sein Äußeres in Ordnung gebracht, auch wenn es eigentlich vollkommen sinnbefreit war, wo er doch gleich wieder in den nächsten Rosenbusch steigen durfte. Innerlich seufzte der Dämon und versuchte sich dadurch abzulenken, dass er sein Gehör schweifen ließ. Allzu weit entfernt waren sein Herr und dessen Verlobte nicht, vielleicht konnte er etwas aufschnappen. Es wurmte ihn gewaltig, dass er sich hier mit dieser Wetterhexe herumschlagen und Ciel mit der blonden Göre alleine lassen musste. Sein Hörsinn schärfte sich und er musste sich konzentrieren, um das lauter werdende Summen der Insekten um ihn herum auszublenden. Die Hände arbeiteten von selbst weiter, während er allmählich Stimmen ausmachen konnte. „... mit diesem Auftrag waren wir leicht fertig geworden, aber der nächste war dafür umso schlimmer.“ „Erzähl weiter, es ist so spannend!“ Missbilligend rümpfte Sebastian die Nase. Elizabeths hohe schrillende Stimme piekste unbarmherzig auf sein Trommelfell ein. Das Klirren von Geschirr war zu hören und dann ein leichtes Schlucken und ein Durchatmen, bevor Ciel mit seiner Geschichte fortfuhr. Sebastian lauschte weiter und schüttelte etwas verwundert den Kopf. Offenbar erzählte sein Herr ihr wirklich alles. Naja, fast alles, ihre Begegnungen mit so manch übernatürlichen Vorkommnissen ließ er aus. In sich hinein grinsend mutmaßte der Dämon, dass Ciel gewiss auch nicht näher auf das Verhältnis zwischen ihm und dem Butler eingehen würde. Obwohl er Elizabeth damit sicherlich weitaus mehr schockieren könnte, als mit den Aufklärungsarbeiten, deren Muster sich ja stets nur wiederholte. „MR SEBASTIAN!“ Fast wäre der Dämon hintenüber gekippt, als die herrische Stimme von Frances ohne Vorwarnung in seine Ohren schlug. So ein empfindliches Gehör zu besitzen, war nicht immer nur ein Vorteil, wie sich Sebastian eingestehen musste. Unwillkürlich rieb er seine Ohren und wandte sich dann mit einem bemüht neutralen Gesichtsausdruck an Mrs Middleford. „Ja bitte, Madame, was gibt es?“ „Wo sind Sie nur mit Ihren Gedanken? Ich habe sie drei Mal gerufen!“ Offenbar hatte das Ausblenden näherer Geräusche doch einigermaßen funktioniert. „Verzeiht mir, ich habe an meinen jungen Herrn gedacht“, gab Sebastian freimütig zu. „Lassen Sie die Arbeit liegen und setzen Sie sich ein wenig zu mir“, forderte Frances ihn auf. Überrascht nahm der Butler zur Kenntnis, dass ihr Tonfall auf einmal einiges an Strenge verloren hatte. Er legte gehorsam Schere und Blumen zurseite, trat aus den Büschen heraus und zupfte kurz seine Kleidung zurecht, bevor er sich neben Elizabeths Mutter niederließ. Ausdruckslos begegnete er ihrem forschenden Blick. „Sie werden sicherlich verstehen, dass ich mich um Ciel sorge, immerhin wird er meine Tochter in nicht allzu ferner Zukunft heiraten. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht sehr viel über ihn weiß, er ist einfach sehr verschlossen. Daher frage ich Sie, und ich hoffe, Sie werden mir eine ehrliche Antwort geben: Wie geht es Ciel?“ Sebastian verbarg seine Verwunderung und lächelte sie höflich an. „Seine Gesundheit ist in bester Ordnung, Ma'm, auch sein Asthma hat sich in den letzten Jahren nicht verschlimmert.“ Frances sah ihn spöttisch an. „Sie wissen genau, dass ich das nicht gemeint habe. Für mich ist es selbstverständlich, dass Sie als sein Butler dafür sorgen, dass er gesund bleibt.“ Sie seufzte und schaute in die Ferne. „Ich kenne Ciel nun schon sehr lange, länger als Sie. Und auch wenn ich nicht immer in seiner Nähe war, habe ich doch sehr deutlich den Unterschied bemerkt, der in seiner ganzen Art auftrat, nachdem seine Eltern gestorben waren.“ Frances lächelte. „Sie können es sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, aber Ciel war ein sehr fröhlicher Junge, der immer gerne mit meiner Tochter gespielt hat und, wenn auch etwas schüchtern gegenüber Fremden, ein aufgeschlossenes und freundliches Wesen besaß.“ Sebastian musste sich ein Grinsen verkneifen, als er sich vorstellte, wie der jetzige Ciel mit Elizabeth in einem Spielzimmer umher tollte. „Aber seit diesem schrecklichen Ereignis ist er einfach nicht mehr derselbe.“ Mit einem dezenten Räuspern unterbrach der Butler die Lady. „Ist es nicht normal, dass ein solches Erlebnis einen Menschen verändert? Vergesst nicht, dass Ciel nach dem Brand im Anwesen einen ganzen Monat lang verschwunden war.“ Sebastian heuchelte Mitleid. „Gott weiß, was ihm in dieser Zeit zugestoßen sein mag.“ „Wissen Sie es nicht?“, fragte Frances offen. „Von allen Menschen auf dieser Welt hätte ich Sie für denjenigen gehalten, dem Ciel sich anvertrauen würde.“ Bedauernd schüttelte Sebastian den Kopf. „Der junge Herr vertraut sich niemandem an.“ „Das sollte er aber“, meinte Mrs Middleford. „Sicher, es wäre falsch anzunehmen, dass Ciel noch immer derselbe sein würde, aber sollte er nicht langsam seine Vergangenheit verarbeitet haben? Er ist doch nicht allein, Lizzy bemüht sich so sehr um ihn! Aber es zeigt sich einfach keine Besserung.“ „Das ist so nicht ganz richtig“, klärte der Butler sie auf. „Ihr mögt es vielleicht nicht bemerkt haben, aber Ciel ist reifer und erwachsener geworden. Zwar wird er wahrscheinlich nie mehr so werden, wie Ihr ihn gekannt habt, aber er wird ein normales Leben führen können.“ In einem Anflug von Zuneigung wurde Sebastian ehrlicher, als er es sich sonst gestattet hätte. „Er zeigt jetzt viel mehr Gefühle als noch vor ein paar Jahren. Nicht viele, aber zumindest überhaupt welche. Als ich ihn kennenlernte, versuchte er alles, was ihn irgendwie als schwach hätte dastehen lassen, hinter einer Maske aus Stolz und Ablehnung zu verbergen. Dies tut er heute auch noch, aber mir, der ich jeden Tag mit ihm verbringe, hat er durchaus schon einige andere Seiten gezeigt.“ Sebastian bemerkte den Stolz und die Wärme in seiner Stimme nicht, Frances aber schon. Neugierig betrachtete sie das Gesicht des Butlers, in dem echte Zuneigung zu sehen war. Und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, brachte Mrs Middleford diesem ihr sonst so suspekten Mann so etwas wie Sympathie entgegen, der ihr noch nie vorher irgendwelche Emotionen offenbart hatte. „Sie haben Ihren Herrn wirklich gern, nicht wahr?“, fragte sie lächelnd. Verdutzt sah Sebastian ihr in die Augen. Hatte er Ciel gern? Er begehrte ihn, er wollte ihn für sich. War das Gernhaben? „Ich denke schon.“ „Das ist gut“, meinte Frances. „Es ist gut, dass Ciel eine Person in seinem Leben hat, die ihm ein wenig von dem geben kann, was seine Eltern ihm zu geben nicht mehr in der Lage sind. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, muss ich doch sagen, dass wir es wohl Ihnen zu verdanken haben, dass Ciel damals nicht in Depressionen versunken ist.“ Sebastian senkte seinen Kopf. „Das ist zu viel der Ehre, Madame. Ich habe nur getan, was jeder in meiner Position getan hätte. Das ist selbstverständlich für den Butler der Phantomhives.“ Im Stillen gab er ihr jedoch recht. Und andererseits lachte er innerlich über diese Tatsache. Sicher, ohne ihn hätte Ciel nicht überlebt, aber gleichzeitig würde er irgendwann durch seine Hand sterben – was für eine Ironie! „Ich würde Sie gerne um etwas bitten, Mr Sebastian. Vielleicht ist es zu viel verlangt, aber... seien Sie ihm ein Vater. Begleiten Sie ihn auch noch auf dem letzten Stück zum Erwachsenwerden, helfen Sie ihm dabei, sich mit dem Gedanken einer Ehe mit meiner Tochter anzufreunden. Leider ist es mir unmöglich, seine Gefühle diesbezüglich einzuschätzen, aber ich wünsche mir, dass die beiden miteinander glücklich werden.“ Und schon war das bisschen gute Laune wieder dahin. Tatsächlich hätte Sebastian in diesem Moment gerne irgendjemanden erwürgt, vorzugsweise Elizabeth. Doch irgendwie amüsierte es ihn auch, dass Frances in ihm eher eine Vaterrolle sah, wo seine Motive für sein Interesse an Ciel doch ganz anderer Art waren. Dies musste er aber leider für sich behalten, also nickte er nur ergeben und sagt vage: „Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Damit gab sich Mrs Middleford zufrieden und stand auf. „Kommen Sie, das Mittagessen dürfte in wenigen Minuten auf dem Tisch stehen.“ In dem kleinen Salon war es sehr still. Ciel hatte vor kurzem seine Erzählung mit dem Bericht des aktuellen Mordfalls beendet und Elizabeth saß ihm stumm gegenüber und starrte auf ihre Hände, während es in ihrem Hirn ratterte. Sie hatte einiges zu verarbeiten, immerhin hatte ihr Verlobter soeben die vergangenen sieben Jahre seines Lebens vor ihr ausgebreitet. Einerseits war sie geschockt, wie viel ihr in dieser Zeit entgangen war. Es war kaum zu glauben, dass sie all die Jahre immer wieder versucht hatte, an Ciels Leben teilzuhaben, und diese Seite an ihm so völlig übersehen konnte. Andererseits rauschte das Adrenalin in ihren Adern. Sie fand diese Welt, in die Ciel ihr einen Einblick gewährt hatte, unglaublich faszinierend und aufregend. Und sie wollte nicht weiter außen vor bleiben, dessen war sie sich sicher. Ich will nicht weiter nur zu Hause herumsitzen, während Ciel sich fortwährend diesen Gefahren aussetzt! Aber dass sie Ciel unterstützen wollte, war nicht der einzige Grund. Es gab noch einen anderen und dieser war hochgewachsen, schlank, hatte rabenschwarzes Haar und hieß Sebastian Michaelis. Auch wenn sie sich im Klaren darüber war, wie irrational und kindisch sie sich verhielt, konnte sie ihre Abneigung und ihren Neid diesem Mann gegenüber nicht zügeln. Während sie sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als an Ciels Seite zu leben, hatte Sebastian sich ohne zu fragen an diese Stelle geschoben. Lizzy war nicht dumm. Sie hatte sehr wohl gemerkt, dass der Butler einen überaus wichtigen Platz in Ciels Leben einnahm, den wichtigsten überhaupt. Er begleitete ihn, wo er ging und stand, bei all seinen Tätigkeiten, ganz gleich, was es war. Und auch wenn Ciel es vermutlich ihr gegenüber nie direkt zugeben würde, so hatte sie die Vertrautheit, mit welcher der junge Mann über seinen Butler sprach, nicht überhören können. In seiner Stimme hatte eine Wärme gelegen, die er ihr so nie gezeigt hatte, und es traf sie tief, dass sie selbst nicht die Person war, die Ciel so nah sein durfte. Aber sie würde Ciel bald heiraten! Und wenn sie nicht in ihrem eigenen Haushalt eine Fremde sein wollte, musste sie ihren Platz an der Seite ihres Mannes würdig einnehmen. Und das bedeutete für sie auch, dass sie ihr Verhalten Ciel gegenüber ändern musste. Sie sah auf und begegnete dem Blick des jungen Grafen, der an seiner Teetasse nippte. „Geht es dir gut, Lizzy?“, fragte er. „Du bist so ruhig.“ Sie lachte nervös. „Nun ja, du hast mir ja auch einiges zum Nachdenken gegeben.“ „Hab ich dir zu viel erzählt?“ Er klang sogar ein wenig besorgt. „Nein, nein!“, versicherte sie hastig. „Ich bin froh, dass du so ehrlich zu mir warst! Ich muss es nur erst einmal für mich ordnen, das ist alles.“ Sie lächelte ihn an, woraufhin er nickte. Es klopfte an der Tür und ein Diener spähte durch einen Spalt ins Zimmer. „Verzeiht die Störung, Milady, die Herrin bittet um Eure Anwesenheit bei Tisch.“ „Danke, James.“ Elizabeth erhob sich und atmete einmal tief durch. „Nun denn, wir werden wohl eine kleine Pause einlegen.“ Ciel stand ebenfalls auf und gemeinsam begaben sie sich in den großen Speisesaal, wo Frances und Sebastian bereits auf sie warteten. Der Anblick seines Butlers holte Ciel wieder in die Realität zurück und ließ erneut den Ärger und die Enttäuschung in ihm hochkochen. Es war zum Verrücktwerden! Gerade hier wollte er sich keine Blöße geben, also musste er seinen Frust hinunter schlucken und so tun, als wäre alles in Ordnung. Der Butler aß natürlich nicht mit, stattdessen bediente er seinen Herrn bei Tisch, oder besser gesagt, er postierte sich einfach nur hinter ihm. So hatte Ciel permanent das Gefühl, den stechenden Blick der roten Augen auf seinem Nacken zu spüren. Als Lizzys Mutter von der kommenden Hochzeit zu sprechen begann, schrumpfte Ciel innerlich in sich zusammen. Dieses Thema hatte er gefürchtet, er wollte nicht darüber reden, nicht einmal daran denken. So hielt er sich größtenteils aus der Unterhaltung heraus, während die beiden Damen angeregt darüber diskutierten, ob die Einladungskarten farblich auf die Raumdekoration des Festsaals abgestimmt sein sollten. Ciel versuchte sein Wahrnehmungsfeld auf seinen Teller zu beschränken, obwohl er überhaupt keinen Appetit verspürte. Leider war es mit seinem Frieden vorbei, da Lizzy ihn direkt ansprach: „Ciel, findest du nicht auch, dass der August der perfekte Monat für unsere Hochzeit wäre?“ Klonk. Dunkler Wein färbte die Tischdecke blutrot, als der junge Graf sein Glas aus der Hand hatte gleiten lassen. Im nächsten Moment stand Sebastian schon neben ihm und begann die Folgen dieses Missgeschicks zu entfernen. Elizabeth und ihre Mutter starrten Ciel überrascht an, der daraufhin rot anlief und sich schnell entschuldigte. „Verzeiht mir, ich war wohl in Gedanken gewesen...“ August... es sind nicht mal mehr fünf Monate bis dahin... Mithilfe der anderen Bediensteten war das Tischtuch schnell gewechselt, aber dass Ciel sich partout nicht zum Termin ihrer Hochzeit äußern wollte, stieß bei den beiden Middleford-Damen sauer auf. „Lizzy, du weißt doch nun sehr genau, wie meine momentane Arbeit aussieht, kannst du dir nicht denken, dass ich zur Zeit einfach andere Dinge im Kopf habe?“ „Aber du hast doch immer etwas anderes zu tun!“, beschwerte sich Lizzy und erinnerte sich im selben Moment daran, dass sie sich ja eigentlich vorgenommen hatte, sich Ciels Willen nicht mehr entgegen zu stellen. Deshalb sagte sie gleich darauf in einem versöhnlichen Tonfall: „Es ist schon gut, wir müssen jetzt nicht weiter darüber reden, wenn es dich zu sehr belastet.“ Ihr Antwort schien Ciel positiv zu überraschen und er schaute sie nicht unfreundlich an. „Danke, Lizzy.“ Dann erhob er sich. „Nun denn, ich denke, es ist Zeit aufzubrechen.“ Elizabeth seufzte bedauernd. „Ja, leider ist der Rest des heutigen Tages bereits verplant. Aber Ciel, wenn du morgen Nachmittag frei bist, würde ich dich gerne besuchen kommen, um unser Gespräch von vorhin fortzusetzen.“ Sie wusste, Ciel würde ihr die Möglichkeit, auch noch etwas zu diesem Thema sagen zu können, nicht verwehren, und das tat er dann auch nicht. „Sicherlich, komm nach dem Mittagessen einfach vorbei, ich erwarte dich.“ Gemeinsam begaben sie sich alle zur Haustür, wo die beiden Besucher verabschiedet wurden. Elizabeth hielt sich zurück und umarmte Ciel nur leicht. Dann wandte sie sich mit gemischten Gefühlen an Sebastian und sah zu ihm auf. Er schaute mit kühlem Blick auf sie herab und verbeugte sich. „Auf Wiedersehen, Lady Elizabeth. Habt einen schönen Tag.“ „Das wünsche ich Ihnen auch, Mr Sebastian“, erwiderte sie ebenso kühl. Ihre Blicke trafen sich noch einmal und aus irgendeinem Grund wurde ihr in diesem Augenblick klar, dass sie beide Rivalen waren. Worum auch immer sie genau konkurrierten, konnte sie nicht sagen, aber sie meinte nun zu wissen, dass der schwarzhaarige Mann ihr genau die gleichen Gefühle der Missgunst und Ablehnung entgegenbrachte. Es erstaunte sie selbst, wie wenig sie diese Erkenntnis überraschte. Nachdem noch einige Worte gewechselt waren, zogen Ciel und sein Butler von dannen. Elizabeth entschuldigte sich bei ihrer Mutter und verschwand in ihr Schlafzimmer, wo sie sich auf ihr weiches Bett fallen ließ und versuchte, die vielen Gedanken und Gefühle, die in ihr umherrasten, zu sortieren. Nachdem die beiden Herren wieder in der Londoner Stadtvilla angekommen waren, verbrachte Ciel den ersten Teil des Nachmittags damit, ein wenig Arbeit aufzuholen. Ein großer Firmenkomplex, wie der seinige, führte sich schließlich nicht von allein. Diverse Kooperationspartner warteten auf seine Zustimmung zu irgendwelchen Verträgen, ein Dokument nach dem anderen wollte durchgelesen werden, bevor Ciel entweder sein Autogramm darunter setzte oder aber mit einer kleinen Notiz den Antrag abwies. Es war eine eher langweilige Tätigkeit, aber eine, mit der er sich gut von seinen verwirrenden Emotionen ablenken konnte, und so bemerkte er gar nicht, wie die Zeit verging, bis es an der Tür seines Arbeitszimmers klopfte. Auf sein gemurmeltes „Herein“ öffnete sich die Tür und Sebastian betrat mit einem Tablett auf dem Arm den Raum. „Junger Herr, es ist Zeit für Euren Tee. Dazu gibt es ein Stück Pariser Schokoladentorte.“ Er stellte Tasse und Teller neben dem Papierstapel auf dem Schreibtisch ab. Dabei fiel Ciels Blick auf die behandschuhten Hände und beinahe sofort glaubte er diese Hände auf seiner Haut spüren zu können... er lief rot an und versteckte sein Gesicht hinter einem Blatt Papier. „Habt Ihr denn keinen Hunger, mein Herr?“, fragte Sebastian freundlich. Widerwillig ließ Ciel das Blatt sinken und legte es zu den restlichen Dokumenten, bevor er sich an seinen kleinen Imbiss machte. Sebastian öffnete derweil die Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen, und begann dann, die bereits durchgearbeiteten Verträge und Briefe in verschiedene Mappen abzuheften und in ein Regal zu stellen. Nun, da sein Kopf keine andere Beschäftigung hatte, wanderten Ciels Gedanken wie von selbst wieder zu seinem Butler. Und er fragte sich zum wahrscheinlich hundertsten Mal an diesem Tag, wie er Sebastian auf das Thema, welches ihn seit heute früh nicht mehr losließ, ansprechen sollte. Was gab es denn überhaupt zu besprechen? Sie beide waren irgendwie von ihren Trieben übermannt worden – so etwas war nicht unbedingt ungewöhnlich, Ciel hatte in so mancher Literatur von den merkwürdigsten Leidenschaften der Menschen gelesen. Und er wusste auch, dass junge Erwachsene, so wie er selbst einer war, körperliche Bedürfnisse hatten, die über Schlafen und Nahrungsaufnahme hinausgingen. Vielleicht war es gar nicht so abwegig, dass Sebastian, als die Person, die ihm am nächsten stand, sich auch um diese Bedürfnisse kümmerte, immerhin tat er auch sonst alles für ihn. Bei all diesen Überlegungen war Ciel inzwischen ganz schön warm geworden und so schlang er schnell das letzte Stück Torte herunter und schob dann seinen Stuhl zurück. Sebastian trat sogleich wieder an den Tisch heran und räumte das Geschirr aufs Tablett zurück. Um zur Normalität zurückzukehren, fragte Ciel beiläufig: „Was gibt es heute sonst noch zu tun?“ Der Butler wandte sich ihm zu und lächelte leicht. „Da Ihr Eure Ausbildung nicht vernachlässigen solltet, werdet ihr zunächst eine Stunde lang Eure Französischkenntnisse unter Beweis stellen – ich habe dafür einen Text zur Übersetzung vorbereitet. Und danach steht Musikunterricht auf dem Plan, eine halbe Stunde Violine und eine halbe Stunde Klavier.“ Ciel nickte nur. „Gut.“ Auf Sebastians Vorschlag hin, verlegte er seine Französischstudien nach draußen in den kleinen Garten, um zur Abwechslung auch mal ein wenig Licht und frische Luft zu bekommen. Es unterschied sich schon zu seinem Anwesen auf dem Land. Dort hörte er die Vögel zwitschern, ab und zu ein Wiehern und manchmal die Stimmen seiner Angestellten. Hier in seinem kleinen Stadtgarten, der zwar von Mauern und Büschen umgeben war, war es nicht halb so ruhig. Immer wieder waren Stimmen aus Nachbargärten zu vernehmen, die Geräusche von Pferdehufen und Kutschrädern drangen an sein Ohr, aber dennoch störte es ihn nicht wirklich. Eigentlich empfand er es sogar als angenehme Unterbrechung seines Alltags und es besserte aus irgendeinem Grund seine Laune. So konnte er gut arbeiten und war mit der Übersetzung schon eher fertig – was sich als unpraktisch herausstellte, denn jetzt hatte er wieder zu viel Zeit zum Grübeln. Und wieder wälzte er nur dieselben Gedanken in seinem Kopf hin und her. Letztendlich war er richtig froh, als Sebastian zu ihm kam und ihm mitteilte, dass er sich nun zum Geigespielen nach drinnen begeben müsse. Zwar würde Sebastian hierbei natürlich als sein Lehrer agieren, aber da Ciel sich ja auf sein Spiel zu konzentrieren hatte, würde es, so hoffte er, nicht so schlimm werden. Und so war es dann auch, der junge Graf spielte ein Stück nach dem anderen durch, während sein Butler ihn auf dem Klavier begleitete. Am Ende dieser Einheit lächelte Sebastian zufrieden. „Ihr beherrscht dieses Instrument inzwischen wirklich sehr gut, junger Herr.“ Das Lächeln und dieser Ausspruch erinnerten Ciel daran, dass er Sebastian gegenüber ja eigentlich schlechte Laune haben wollte. Eine Unverschämtheit war das, dass der Butler offenbar so gelassen war, während er selbst sich mal wieder Sorgen um Sorgen machte. Frustriert runzelte Ciel die Stirn. Sebastian legte den Kopf etwas schief. „Stimmt Ihr mir nicht zu, mein Herr?“ „Ich weiß, dass ich die Geige gut spielen kann, das brauchst du mir nicht zu sagen“, erwidert Ciel ungehalten. Er merkte selbst, wie unpassend und kindisch dieser Satz war, aber ihm war nicht danach, erwachsen und nüchtern zu sein. Vielleicht hoffte er ja, Sebastian würde bemerken, was mit ihm los war, und in irgendeiner Weise darauf zu sprechen kommen. Aber wollte Ciel das überhaupt? Der Butler hatte sein Lächeln fallen lassen und machte nun den Klavierhocker frei, damit Ciel sich an seiner Stelle dorthin setzen konnte. Nachdem er seine Finger ein wenig geknetet hatte, legte der junge Mann sie auf die Tasten. Er fühlte sich mit diesem Instrument noch immer unsicher, denn er spielte es noch nicht halb so lange wie die Violine. Dementsprechend hatte Sebastian auch einiges zu verbessern. Besonders die schwierigen Stellen in der Partitur musste Ciel immer und immer wieder durchgehen, mal war er zu schnell, dann zu langsam, nicht im Rhythmus, er verspielte sich... und manches Mal kam es auch vor, dass Sebastian etwas an seiner Haltung auszusetzen hatte. „Presst die Elbogen nicht so eng an den Körper“, sagte er zum Beispiel, während er sich vorbeugte und nach den Armen des Jungen griff. „Seid nicht zu verkrampft, dann haben Eure Hände auch mehr Spielraum und die Bewegungen lassen sich fließender vollziehen.“ Die warmen Finger des Butlers verweilten noch ein wenig auf den Unterarmen seines Herrn und Ciel konnte den Atem des Anderen auf seinem Nacken spüren. Irgendwann würde er noch wahnsinnig werden. So deutlich, wie er die Präsenz seines Dämons hinter sich spürte, war es kein Wunder, dass er sich ständig in den Tasten vergriff und hier und da vom Tempo abwich. Das war nicht mal das schlimmste. Es war eigentlich schon fast normal, dass die Nähe Sebastians ihn nervös machte, er hatte sich ja gewissermaßen bereits damit abgefunden, dass er sich zu ihm hingezogen fühlte und körperlich auf ihn reagierte. Es war sogar in Ordnung, dass sie am Abend vorher eine Grenze überschritten und sich so nah gekommen waren. Aber dass er sich überhaupt nichts anmerken lässt, dass es ihm offenbar überhaupt nichts bedeutet, was da zwischen uns passiert ist, das ist nicht in Ordnung! Ciel wollte irgendeine Reaktion von Sebastian, er brauchte sie, um sich zu vergewissern, dass er mit seinem ganzen Gefühlschaos nicht alleine da stand. Irgendwann war der Klavierunterricht vorbei und Ciel konnte sich ein wenig entspannen, während Sebastian das Abendessen vorbereitete. In Ciels Fall bedeutete das: Nichtstun. Er saß in seinem Arbeitszimmer herum und brütete darüber, was er tun sollte. Nach dem Abendessen würde es unweigerlich in Richtung Bett gehen. Sollte er so tun, als wäre alles beim Alten? Dann würde Sebastian ihn bettfertig machen, was hieß, er würde ihn ausziehen und nackt sehen... Sollte er sich lieber selbst umziehen? Aber würde er sich damit nicht noch mehr vor Sebastian bloßstellen? Vielleicht wollte er aber auch gar nicht mehr kühl und gelassen sein, vielleicht wollte er, dass Sebastian etwas tat? Ciel raufte sich die Haare und krümmte sich innerlich. Es war wirklich nicht leicht, sich Schwächen und Begierden einzugestehen. Aber so, wie ihn all das zur Zeit belastete, konnte es nicht weitergehen. Er musste irgendeine Lösung finden. Nachdem er unter Sebastians aufmerksamen Blick sein Essen beendet hatte, suchte Ciel kurz das Badezimmer auf und ging dann in sein Schlafzimmer, wo der Butler bereits auf ihn wartete. Der junge Mann schritt auf ihn zu und blieb stehen. Sebastian sah auf ihn herab und zum ersten Mal an diesem Tag hatte Ciel das Gefühl in diesen roten Augen etwas anderes zu sehen, als Gleichgültigkeit. Ciel hätte im Nachhinein nicht sagen können, was ihn in diesem Moment überkommen war, aber plötzlich wusste er ganz genau, was er wollte. Es war doch ganz einfach: Sebastian hatte sich als sein Butler um seine Bedürfnisse zu kümmern. Und jetzt gerade bedurfte er ... seines Butlers! Er wollte sich jetzt nicht ins Bett legen, darauf warten, dass Sebastian verschwand, um dann selbst Hand anzulegen. Nein. Auch wenn manche es als falsch, moralisch verwerflich oder sogar als abartig und gottlos bezeichnen würden – es hatte ihm gefallen, wie der Butler ihn berührt hatte. Er war der Herr, er konnte Sebastian befehlen, was immer er wollte, und er konnte ihm notfalls auch das Mundwerk verbieten, sollte dem Dämon etwa einfallen, sich über ihn lustig zu machen. Was hatte er schon zu velieren? Sebastian trat einen Schritt auf ihn zu. „Mein Herr, wenn Ihr so freundlich wärd, Euch auf das Bett zu setzen, damit ich Euch die Schuhe ausziehen kann?“ Ciel warf dem älteren Mann einen schwer einzuordnenden Blick zu und drehte sich langsam um. Gegen seine inneren Zweifel ankämpfend ging er hinüber zum Bett, blieb aber stehen. Er hob die Hände und löste seine Augenklappe, die er einfach zu Boden fallen ließ. Schließlich sagte er leise, aber ohne ein Zittern in der Stimme: „Sebastian, dies ist ein Befehl: Befriedige mich so, wie du es gestern Abend getan hast.“ ***************************************************** Bäm! Ich weiß, ich hatte euch am Ende des letzten Kapitels Erotik versprochen, aber dieses Kapi war schon so voll, da musste die Erotik draußen bleiben! Außerdem kommt es nicht oft vor, dass ich ein Kapitel mal mit so etwas wie einem Cliffhanger beenden kann XDD - ich kann euch versprechen, dass es im nächsten Kapitel erotisch wird. Denn schließlich kann Sebastian sich einem direkten Befehl nicht widersetzen, muha! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)