Die Chroniken von Khad-Arza - Das Blut der sterbenden Welten von Linchan (Erstes Buch) ================================================================================ Kapitel 28: Am Ende der Welt ---------------------------- Tejal hatte keine Hauptstadt. Das Land war klein und bestand nicht aus Provinzen und Kreisen, sondern aus hunderten kleiner Clanländer; Sadara war lediglich die Stadt des Clanlandes des momentanen Herrscherclans, des Clans der Sadara. Von der Größe her glich die Stadt mehr einer kleinen Kreisstadt im Zentrum, aber wenn man bedachte, dass allein in diesem Ort fast nur Mitglieder dieses einen Clans lebten, war das beachtlich. Saidah war niemals in Tejal gewesen, dem Land der goldenen Paläste hinter dem Schlangenmeer. Geografisch gesehen gehörte das goldene Land zum Ostreich, weil es wie Ela-Ri auf demselben Kontinenten hinter dem gefährlichen Meer lag; die Herrscher von Tejal waren aber seit jeher Feinde von Ela-Ri und dadurch Verbündete des Zentrums. Die Macht von Tejal musste verblüffend groß sein, obwohl das Land so klein war; denn nicht mehr als ein recht kleines Gebirge trennte Tejal vom Staatsgebiet Ela-Ris, und seit hunderten von Jahren, wenn nicht tausenden, waren die Menschen in Tejal fähig, diese Grenze zu halten, als einziges Land auf dem ganzen Kontinenten... alle anderen Länder, die einst eigene Regierungen gehabt hatten auf dem Ostkontinent, waren nach und nach an Ela-Ri gefallen. Als letztes Dhimorien, das Fischerreich im Süden. „In Tejal gibt es so gesehen nicht eine Königsfamilie, die immerzu die Herrscher stellt.“, sagte Chenoa Jchrrah zu ihrer Begleiterin, als sie gemeinsam vor den goldene, mächtigen Toren von Sadara standen. „Es gibt viele Clans; jeder Clan besteht aus vielen Familien. Jedes Clanland bestimmt in regelmäßigen Abständen eine Familie, die die Oberhand über das Clanland bekommt; den Clan, der dann repräsentativ für ganz Tejal die Oberhand bekommt, wählt das sogenannte Orakel. Es sind eine Handvoll uralter, weiser Menschen, die in den Bergen bei Ela-Ri leben, die keinem Clan angehören und nur für diese Weissagungen überhaupt existieren. Sie werden von allen Menschen in Tejal wie Götter geehrt und ihr Wort ist Gesetz; selbst die Königsfamilie hat sich dem Willen der Clanlosen zu beugen, falls es Uneinigkeit gibt.“ „Erscheint mir paradox.“, murmelte Saidah, „Dann sind sie ja eigentlich keine Könige, sondern Marionetten.“ Chenoa feixte. „Nun, wir sind ja nicht hier, um deren Regierung in Frage zu stellen. Die vom ganzen Clan gewählte Oberhauptsfamilie des Landes, das die Weisen zum Land des Herrschers erwählen, wird demzufolge die Königsfamilie. Die Familie Ayaghil vom Clan der Sadara ist bereits seit fast einem Jahrhundert an der Macht; natürlich munkeln die Leute, dass sie vermutlich den Weisen den besten Preis zahlen und deswegen immer wieder gewählt werden, aber beweisen kann das auch keiner. Vielleicht ist es auch eine Laune der Geister... wenn wir eine Audienz bekommen, werden wir vor die Königin von Tejal treten, Thamila Ayaghil von Sadara. Sie ist vom Volk der Schamanen, sie ist Telepathin. In ihrer Linie gab es aber diverse Lianer, du wirst es ihr ansehen, wenn wir ihr begegnen, Saidah.“ Saidah straffte die Schultern. Thamila Ayaghil... sie hatte den Namen der hübschen Königin schon einmal gehört. In Tejal herrschte das Matriarchat; damit war das goldene Land das einzige auf ganz Tharr, in dem die Frauen über den Männern standen. Demzufolge war nicht der König, sondern die Königin diejenige, die die Politik regelte, die die Entscheidungen traf. Und nicht ihr Sohn, sondern ihre Tochter würde einmal das Erbe der Familie antreten, während ihr Sohn zur Familie seiner Frau ziehen und diese ehren würde. Saidah hatte sich, als sie als Kind zum ersten mal davon gehört hatte, sehr darüber gewundert, dass es ein Land gab, in dem Frauen wichtiger waren als Männer. Das gab es auf dem gesamten restlichen Planeten nicht... ihr Vater hatte ihr es einigermaßen plausibel erklärt, als sie sich bei ihm über die Verwirrung beklagt hatte. „Sie sehen es so... das Problem liegt bei den Erben. Bekommt eine Königin ein Kind, ist unbestreitbar, dass sie die Mutter dieses Kindes ist, dass sie vom selben Blut ist. Aber die Vaterschaft ist immer zweifelhaft; auch, wenn es natürlich nicht angebracht ist für eine Königin, ein Kind von einem anderen Mann als dem ihren zu empfangen, aber, glaub mir, Saidah, das hat es garantiert oft genug gegeben in unseren Ländern hier. Und dann sitzt nachher einer auf dem Thron, der gar nicht wirklich vom Blut des Königs ist... das vermeiden sie in Tejal dadurch, dass sie es für wichtiger erachten, dass der Erbe das Blut seiner Mutter hat.“ Sie schmunzelte bei der Erinnerung, bis Chenoa sich räusperte und sie wieder auf sich aufmerksam machte. „Bevor wir zur Königin kommen, werden wir dem König begegnen; während sie als Herrscherin die Politik macht, ist der König für die Verteidigung und den Schutz des Landes zuständig. Thamila Ayaghils Ehemann ist demzufolge gleichzeitig der König und der oberste Führer der Streitmacht; ihn werden wir hinterher mehr brauchen als seine Frau, er soll uns ja helfen. Deswegen ist es gut, dass du mitgekommen bist; der König wird deinen Namen erkennen, Saidah.“ Die Geisterjägerin runzelte die Stirn und fragte sich, wie Chenoa darauf kam, dass der Name Chimalis bis nach Tejal gedrungen war; weder sie noch ihr Vater noch sonst einer ihrer Vorfahren hatte, soweit sie wusste, jemals viel mit Tejal zu tun gehabt. Aber die Zuyyanerin schien sich ihrer Sache sehr sicher... was blieb ihr also anderes übrig als zu parieren? Am Tor wurden sie von Wachen abgefangen, die sie fragten, wer sie wären und was sie begehrten. Sie sprachen die Einheitssprache, wenn auch mit eigenartigem Akzent; Chenoa übernahm das Sprechen. „Wir sind Gesandte aus Kisara. Mein Name ist Chenoa Jchrrah und dies ist Saidah, Erbin des Chimalis-Clans. Wir kommen, um mit der Königin von Tejal zu sprechen.“ Saidah beobachtete die Wachen, die sich ansahen, ehe sie einen dritten Wachmann voraus schickten, der im Hintergrund gestanden hatte. „Was begehrt Ihr von der Königin?“, fragte einer der Männer dann, „Du siehst mir mehr wie von Zuyya aus als wie aus Kisara.“ Er musterte Chenoa dabei und sie nickte. „Das ist richtig, ich bin oberste Beraterin des Imperators; aber in diesem Fall spreche ich für Kisara und nicht für das zuyyanische Imperium. Falls es Euch sonst lieber ist, wendet Euch an Saidah, ich verübele sicher niemandem, der Zuyyanern nicht über den Weg traut.“ Der Wachmann lachte leise. „Na ja, das ist es nicht mal. Es laufen nur allerhand seltsame Gestalten durch die Gegend, wir sind deswegen doppelt auf der Hut. Wartet bitte einen Moment hier. Der General wird sich Eurer gleich annehmen, sobald er hier ankommt... ah, da ist er ja schon.“ Saidah folgte dem Wink des Soldaten nach Norden, wo der Wachmann, der gerade weggeschickt worden war, zurückkehrte in Begleitung eines kleinen Trupps gerüsteter Männer. Ihnen voran ging der General, der gleichzeitig der König von Tejal war. Seine Rüstung war etwas aufwendiger verziert als die der anderen und er trug einen langen Umhang, der ihn etwas wie einen Geisterjäger erscheinen ließ, was Saidah belustigte. Als der Trupp am Tor angelangt war, verneigten die beiden Frauen sich höflich. „Eure Majestät.“, sagte Chenoa mit einer Kopfneigung, „Es ist mir eine Ehre.“ Der General musterte beide Frauen nur sehr flüchtig und wandte sich dann an seinen Wachmann. „Ihre Namen und ihr Anliegen?“, fragte er knapp und Saidah fühlte sich unweigerlich an ihren Vater erinnert; auch er hatte lange Jahre dem Militär von Janami gedient und sein Tonfall war dementsprechend harsch und knapp gewesen. Es war nostalgisch, so etwas jetzt zu hören. „Sie kommen aus Kisara, Euer Gnaden. Eine kommt eigentlich von Zuyya, aber im Moment doch aus Kisara, hat sie gesagt, die andere nennt sich Saidah vom Chimalis-Clan.“ Das war der Moment, in dem der General sich abrupt zu Saidah umdrehte und sie verblüfft musterte. Die Frau schrumpfte unmerklich zusammen unter dem Blick aus seinen schwarzen, schmalen Augen; mehr von seinem Gesicht sah sie erst, als er seinen Helm abnahm und sich kurz die etwas durcheinander geratenen, schwarzen Haare raufte, die jetzt zum Vorschein kamen. „Chimalis...“, sagte er verdutzt, „Das ist bei Leibe ein Name, den ich lange nicht gehört habe. Wie lange... ist es wohl her, dass ich in Tuhuli gewesen bin, wo Euer Clan lange Jahrhunderte lang zu residieren pflegte? - Ihr seid nicht mehr in Tuhuli, oder?“ Saidah verneigte sich. Ja, Tuhuli; die kleine Stadt in Dokahsan, in der einst das Anwesen ihrer Vorfahren gestanden hatte. Ihr Vater war noch dort aufgewachsen... die Zuyyaner hatten das Anwesen im Krieg vernichtet. „Nein, Euer Gnaden. Ich war nur kürzlich dort wegen Recherchen über die Familie.“ „Saidah...“, grübelte der König, „Von wem stammt Ihr ab?“ „Mein Vater war Meoran, Sohn von Nomboh und Keisha.“ „Ah!“ Das schien der König zu kennen, denn er lächelte jetzt, „Ich erinnere mich an Euren Vater, flüchtig. Meine Familie hat in Dralor gelebt, einem kleinen Dorf südlich von Tuhuli. Wir waren zwar angesehene Schwarzmagier, aber mit Euch oder anderen von Eurem Kaliber haben wir uns nie auf eine Stufe gestellt.“ Er hielt ihr verblüffenderweise die Hand hin. „Madanan Ayaghil von Sadara, Ehemann von Thamila und Vater von Thayalan und Thakani. Es ist mir eine Ehre, Euch vor meine Gemahlin zu führen, wenn es recht ist.“ Saidah nahm seine Hand dankbar an und verneigte sich abermals, während sie irgendwo in ihrem Inneren das Gefühl hatte, seinen Vornamen schon einmal gehört zu haben. Madanan... sie wusste nur nicht, woher sie ihn kannte. Der Palast in Sadara war wunderschön. Da die Familie Ayaghil schon ziemlich lange als Herrscherfamilie fungierte, hatten sie auch genug Zeit gehabt, ihr Anwesen mit den Jahren zu verschönern und zu vergrößern. Teilweise wirkten die prunkvollen Verzierungen zwar etwas überladen, aber die Bezeichnung Goldenes Land für Tejal log nicht... die Dächer glänzten im Licht der aufgegangenen Sonne, als wären sie aus einem speziellen, wertvollen Gold, das direkt vom Himmel herab regnete, und das nur in Tejal, nur über den Palästen derer, die würdig genug waren. Chenoa war Zuyyanerin und dementsprechend scheinbar unbeeindruckt von all den Dingen, an denen sie vorbei kamen, aber Saidah war fasziniert. Dieser Palast war sicher kleiner als der in Vialla, aber schöner war er allemal. Sie wurden vom König und seinem Trupp an Wachen durch den Palast geführt bis zu einer großen Halle, deren gewölbte, kunstvoll bemalte und verzierte Decke von sechs Säulen gestützt wurde. Jede Säule war auf andere Weise verziert und jede erinnerte dank ihrer Musterung und Bemalung an ein anderes Tier. Saidah erkannte eine Säule, die sich offenbar den Fischen widmete, eine andere zeigte Vögel, deren Gefieder rot wie Flammen war, sodass sie wie aus Feuer aussahen. Sie musste sich von den Säulen abwenden, um nach vorne zu blicken; im hinteren Teil der Halle war in den halben Fußboden ein kleiner Teich integriert. Kleine, verzierte Wasserspeier besetzten den Rand des Wasserbeckens, auf dem sogar vereinzelt Seerosen wuchsen. Und direkt vor dem Teich thronte auf einem Podest, das mit seidenen Kissen und Tüchern bedeckt wurde, die Königin Thamila, ihr zu Füßen saßen ein paar Hofdamen und jüngere Mädchen. Alle Frauen waren jetzt still und betrachteten neugierig die Besucher. König Madanan trat zur Seite, um den Blick auf die beiden Gäste freizugeben. „Meine Königin.“, sagte er förmlich, „Wie der Bote zuvor angekündigt hat, bringen wir die beiden Frauen aus Kisara.“ Er wandte sich an seine Männer und wies sie an, zu gehen, da sie jetzt nicht mehr gebraucht wurden. Die Soldaten gehorchten und Saidah und Chenoa verneigten sich ehrfürchtig vor der Königin. Die Frau auf dem Podest war nicht alt; ihre schwarzen Haare hatte sie größten teils offen, nur einige Strähnen waren mit aufwendigem Schmuck auf ihrem Kopf zusammengebunden worden. Ihre Kleidung war aus Seide wie die Kissen, auf denen sie saß, und als Saidah den Blick wieder hob, traf sie der Blick der Königin aus verblüffenderweise nahezu schneeweißen Augen; ihre Augen erinnerten stark an Lianer. Saidah erinnerte sich, gehört zu haben, dass in Tejal viele Lianer lebten; dieses Land war ein Zufluchtsort für sie gewesen, nachdem sie im Zentrum auch vor Scharan schon von allen Seiten schikaniert und gejagt worden waren... so musste auch Königin Thamila Vorfahren aus dem Beschwörervolk haben. Da ihre Haare allerdings völlig im Gegensatz zu denen der Lianer pechschwarz waren und ihre Haut sehr gebräunt, wirkten ihre Augen etwas eigenartig. „Willkommen.“, sagte Königin Thamila mit einem sanften Lächeln und einer ruhigen, ausgeglichenen Stimme. „Wir haben geahnt... dass jemand aus dem Westen käme, mein Gemahl und ich. Er ist der Schwarzmagier von uns beiden und daher mehr für die Worte der Geister zuständig als ich... aber gespürt haben wir beide, dass es eine Veränderung geben wird. Ela-Ri ist im Aufruhr... nicht wahr? Mit Bedauern erhielten wir Kunde über die grausigen Taten.“ „Ganz recht.“, sagte Saidah, die es für sinnvoll hielt, zu sprechen, „Mein Name ist Saidah Chimalis, ich bin Mitglied des obersten Rates der Geisterjäger in Kisara. Dies ist Chenoa, die meinem Heimatland ihre Unterstützung angeboten hat gegen die Barbaren. Wir kommen auf Geheiß des Königs von Kisara, um Euch um Hilfe zu bitten... als Verbündete des Zentralreiches.“ Das drückte es simpel aus und ersparte langes Reden vorweg. Königin Thamila schwieg einen Moment und dann glitt ihr Blick hinüber zu ihrem Mann, der mit etwas Abstand neben den Gästen stand wie ein aufmerksamer Wachmann, der bei falschen oder beleidigenden Worten sofort zuschlagen würde. Er drehte jetzt den Kopf zu den Besuchern. „Ja, so etwas in der Art haben wir erwartet.“, behauptete er dann in aller Ruhe. „Die Geister und die Schutzgötter haben uns darauf vorbereitet. Wann seid Ihr aufgebrochen in Vialla?“ „Wir waren rasch unterwegs, wir haben vier Tage gebraucht.“ „Das ist in der Tat schnell. Na ja, Zuyyaner haben da eigenartige Reisemethoden, wie ich mitbekommen habe, sie haben die Fähigkeit, überall und nirgends zugleich zu sein. Im Krieg konnten sie das jedenfalls sehr gut.“ Chenoa räusperte sich und der König tat es ihr gleich. „Aber ich will mich nicht beschweren, euch Zuyyanern habe ich es ja zu verdanken, dass ich von Dokahsan aus hier gelandet bin. Ihr habt mir wirklich ein ziemlich angenehmes Schicksal beschert durch euren Krieg. Während andere starben, bekam ich eine schöne Frau und ein Land geschenkt, das soll mir mal einer nachmachen.“ Saidah runzelte die Stirn und fragte sich, ob das bitterer Sarkasmus war; aber da sprach auch die Königin wieder und wechselte das unangenehme Thema. „Das Zeitalter... nähert sich dem Ende.“, murmelte sie, „Ihr bekommt die Hilfe von Tejal, Frau aus dem Westen. Gebt uns einen Tag, um uns vorzubereiten und die Armee zusammenzurufen. Morgen bei Sonnenaufgang brecht ihr auf.“ „Ich danke Euch, Eure Gnaden.“, murmelte Saidah und verneigte sich, „Das... bedeutet uns viel in den düsteren Zeiten.“ „Wartet.“, räumte Chenoa ein, „Wir sprechen noch nicht exakt über dasselbe Thema. Wir erbeten Hilfe, das ist richtig; aber der Weg, auf dem Eure Streitmacht nach Kisara gelangen sollte, ist nicht der über das Schlangenmeer und durch Janami. Unser Weg, der vor uns liegt, führt durch das Herz von Ela-Ri... nach Süden, den Kontinent entlang, durch Dhimorien und über die Inseln, um die Streitmacht von hinten zu zerschlagen.“ Darauf erntete die Frau Schweigen und Königin Thamila machte ein verblüfftes Gesicht. „Durch... Ela-Ri? Durch das Reich des Feindes? Unsere Männer sind tapfer und halten die Grenzberge, aber nie wagt sich einer hinüber ins Reich der Blutsonne.“ „Dann wird es dieses Mal geschehen, Königin.“, sagte die Zuyyanerin trocken, „Ela-Ri ist jetzt harm- und schutzlos. Die Krieger sind alle in Kisara, es wird nie wieder eine Chance geben, Noet, ihre Hauptstadt, zu Fall zu bringen und den Rest des Landes auszumerzen.“ „Auszumerzen?“, wiederholte die Königin erstaunt, „Das bedeutet, Frauen und kleine Kinder...?“ „Frauen, die neue Bestienzüchter gebären, und Kinder, die zu solchen heranwachsen. Wenn ihr Ela-Ri loswerden wollt, geht es nur auf diese Weise. Sie werden auf keine Angebote eingehen. Sie wollen nicht unterworfen werden oder anderen Ländern dienen. Sie wollen lieber sterben als ihr Reich zu verraten, und wenn auch nur einer von ihnen am Leben bleibt, wird er aus dem Schatten eine neue Armee ziehen und dann geht das Theater von vorne los.“ „Ihr sprecht, als wären diese Menschen von Natur aus schlecht.“, murmelte die Herrscherin bestürzt und senkte den Blick, ehe sie eine Weile schwieg. „Ist das wirklich der einzige Weg?“ „Wenn sie überleben und eine neue Armee machen, und wenn es in dreißig Jahren erst wäre, dann wird sie mächtiger und hartnäckiger als die jetzige sein und Ihr... werdet sterben bei dem Versuch, sie aufzuhalten. Überlegt Euch also gut, was Euch wichtiger ist. Wir sind im Krieg und der... erfordert drastische Maßnahmen.“ Schweigen. Saidah senkte den Kopf und knetete unruhig ihre eigenen Finger. Chenoa war skrupellos. Es war kein Wunder, sie war Zuyyanerin. Alle Zuyyaner waren pragmatisch und kannten keine Schmerzgrenze. Deswegen waren sie im Krieg auch lange so erfolgreich gewesen... sie bewunderte diese Einstellung und fand sie gleichzeitig verabscheuungswürdig. Und dennoch... es gab wirklich keinen anderen Weg. Der König räusperte sich, ehe er vor seiner Frau den Kopf neigte. „Dann haben wir keine Wahl.“, behauptete er, „Dann... wird Noet brennen, noch bevor morgen die Sonne untergeht.“ Man bot den beiden Frauen jeder ein Gästezimmer im Palast für die eine Nacht an, die sie in Sadara bleiben würden; mit dem Morgengrauen würden sie aufbrechen. Saidah hatte eine Weile nach Chenoa gesucht, nachdem am Abend die Sonne wie ein feuerroter Ball im Westen untergegangen war, aber die Zuyyanerin war spurlos verschwunden; die Geisterjägerin dachte, sie würde schon wieder auftauchen. In Tejal war es warm für die Jahreszeit; ungewöhnlich warm und trocken, dachte sich die Frau, als sie rastlos durch den Palast und seine Gärten streifte und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Aber sie war nervös... wie lange waren sie fort? Was wohl mit den anderen war in Kisara? Sie sorgte sich... die Zeichen standen schlecht, die sie in ihren Träumen sah. Sie war schon immer eher nervöser Natur gewesen, aber das, was sie im Moment spürte, war schlimmer als normal. Irgendetwas würde passieren... irgendetwas, das alles verändern würde. Das Ende der Welt... Sie hockte sich seufzend auf eine steinerne Treppe, die zu einer kleinen Pagode hinauf führte, die wie ein kleiner Tempel mitten im Garten herum stand. Es war erstaunlich hell dafür, dass es Nacht war; lag das an Tejal oder hatte dieser Garten irgendetwas an sich, das leuchtete? Sie dachte plötzlich an Karana, während sie da auf der Treppe saß, und die Gedanken an Purans Erstgeborenen ließen sie schaudern. Karanas Augen hatten auch immer geleuchtet. Als sie noch ein Kind gewesen war und Karana zum ersten Mal gesehen hatte, war er noch ein Baby gewesen. Er erinnerte sich gewiss nicht daran, aber sie tat es. Er war unruhig gewesen und hatte geweint... sie hatte ihn zu trösten versucht und sobald sie leise zu ihm gesprochen hatte, war er ruhig geworden. Seine Mutter war ganz verblüfft darüber gewesen, aber in jenem Moment war es gewesen, dass Saidah gemerkt hatte, dass das Band der Geister sie und Karana auf seltsame Weise aneinander gebunden hatte. Und sie hatte das Gefühl tief in ihrem Inneren aufbewahrt wie einen wertvollen Schatz... die Verbundenheit zu dem Jungen, der viele Jahre später zu ihr nach Minh-În gekommen war, um die Lehre zu absolvieren. Der Junge, den sie zum Mann gemacht hatte... er hatte sich wirklich verändert. In Vialla war ihre Begegnung nicht sehr erfreulich gewesen, weder für sie noch für ihn. Es tat ihr leid, ihn verletzt haben zu müssen, aber sie hatte keine Wahl gehabt. Das Band, das die Geister einst zwischen ihnen geknüpft hatten, war jetzt nicht mehr da. „Ihr seid ruhelos... genau wie ich. Das ist wohl eine Krankheit unter uns Schwarzmagiern... was, Herrin?“ Sie fuhr herum, als sie eine Stimme hörte und hinter ihr am Eingang der Pagode der König von Tejal auftauchte. Er trug nicht mehr seine Rüstung und den imposanten Umhang; in zivil sah er nicht aus wie ein König oder ein General. Saidah neigte den Kopf in seine Richtung. „Das kann gut sein. Guten Abend, Majestät.“ Der König lächelte kurz, ehe er die Stufen herab kam und sich mit gehorsamem Abstand neben sie hockte. „Ich habe das Gefühl, mein Land morgen zu verlassen ohne zurückzukehren. Ich weiß nicht genau, woher es kommt... ich habe aber keine Angst. Was mir mehr Angst macht, sind die eigenartigen Klimakatastrophen... ich glaube, die Monde bringen uns Unheil.“ Saidah sah ihn verblüfft an und er deutete in den Himmel. „Seht... ist über Kisara die Ghia auch so monströs groß?“ Sie starrte hinauf und hatte das Gefühl, ihr Herz würde aussetzen. Die Ghia, der grüne Mond am Himmel, war wirklich riesig; jetzt wusste sie, warum es so hell war. Sie erhob sich keuchend und starrte fassungslos auf diesen gigantischen Himmelskörper, während sie im Augenwinkel wahrnahm, wie König Madanan sich ebenfalls erhob. „Das... das ist unheimlich.“, sagte die Frau japsend, „Das... ist nicht normal. Bisher ist es mir nicht aufgefallen...“ „Wir beobachten die Ghia schon lange; sie wird immer größer, in jeder Nacht. Es ist, als... käme sie auf uns zu. Es ist wirklich unheimlich... ich bin mir nicht sicher, ob das vielleicht Schuld an dem Klimawandel ist. Die ganze Welt spielt verrückt, in Fann regnet es und in Intario brechen alle Vulkane aus... und hier ist es viel zu warm für die Jahreszeit. Die Leute haben gemeint, weil die Ernte gut war und es ein fruchtbares Jahr geworden ist, dass der Mond uns Glück brächte... dass er einen Zauber auf Tharr wirft, der es gut macht. Aber ich glaube, es ist kein Glück, das von der Ghia kommt, sondern der Tod... seltsam, oder?“ Saidah konnte nicht sprechen. Das war gruselig... es machte ihr Angst. Die Geister wisperten in ihrem Kopf und warnten sie... aber sie verstand nicht, was sie sagten, was ihre Unruhe nicht gerade verringerte. Schließlich unterdrückte sie die Stimmen in ihrem Geist und wandte sich mit einer Kopfneigung an den König. „Euer Gnaden – es ehrt mich und meine Kollegen, die ich vertrete, dass Ihr uns unterstützt. Es bedeutet... uns wirklich viel. Nicht nur den Geisterjägern, sondern dem Land Kisara.“ Der Mann lächelte einen Moment. „Nun, wir sind Verbündete von Kisara. Die Wahrheit eines... Freundes erweist sich doch dadurch, dass er dem anderen zur Hilfe kommt, wenn es brenzlig ist, und nicht nur dann, wenn keine Gefahr droht. Ist es nicht so? Davon abgesehen war ich... seit ich wegen der Zuyyaner aus meiner Heimat Dokahsan geflohen bin nicht mehr in Kisara...“ Saidah lächelte. „Wenn wir überleben, findet Ihr sicherlich irgendwen, den Ihr von früher kennt, wünsche ich Euch.“ „Ich gehe stark davon aus, dass dem so sein wird, Saidah Chimalis.“, erwiderte der Schwarzhaarige und schritt an ihr vorbei, ehe er fortfuhr. „Dein Ratsvorsteher und Herr der Geister ist mit mir in dieselbe Schulklasse gegangen, als wir noch Kinder waren. Ich habe mich gefreut aus der Ferne mitzuerleben, dass Puran aufgehört hat, vor seiner eigenen Macht davonzurennen... er war immer so eine Heulsuse... leider hat meine Frau bei den Politikertreffen in Vialla immer vergessen, ihn von mir zu grüßen, ich glaube, der Gute hat gar keinen Schimmer, dass ich noch lebe. Ich hoffe, er fängt nicht an zu heulen...“ Die Zeit war knapp. Die Reise nach Tejal war schnell gegangen, Chenoa hoffte, dass auch der Marsch durch Ela-Ri verhältnismäßig fix gehen würde. Aus einem Fenster des Palastes beobachtete sie argwöhnisch den gigantischen Mond Ghia. In Vialla hatten sie nicht davon gesprochen... dabei müssten sie es auch dort bemerkt haben. Die Ghia war unnatürlich groß und machte den Eindruck, als wäre sie ein Ballon, der mit zu viel Luft gefüllt worden war und dessen haut jeden Moment platzen würde. Aber dann würde sich keine Luft über die Welt ergießen, sondern das pure Verderben... Mit Feuer und Schatten... kommt das Ende der Welt. Dies ist nun... der Wille der Mächte der Schöpfung... der dreizehnte Neumond geht bald auf. Am dreizehnten Neumond würde ein neues Jahr beginnen, das tausendste Jahr nach Beginn der tharranischen Zeitrechnung. Eine würdige Zahl für das Datum des Endes. Die Frau drehte den Kopf, als Schritte auf sie zu kamen. Ihre gelben Augen fixierten in der Dunkelheit des Korridors die Gestalten zweier Frauen, die den Gang hinunter kamen. Königin Thamila war in Begleitung ihrer jungen Tochter, Thakani. Die Kleine würde einst in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und Herrscherin der Ayaghil-Familie werden. Als die Königin Chenoa erreichte, lächelte sie höflich nickend. „Ah, guten Abend, Herrin.“, sagte sie, „Ihr seid noch nicht zu Bett? Ich denke, morgen wollt Ihr früh aufbrechen.“ Sie hielt die Hand des jungen Mädchens neben sich, das Chenoa mit geweiteten Augen fixierte. Unwillkürlich klammerte sich das Mädchen fester an seine Mutter und Chenoa schenkte der Prinzessin einen kurzen Blick. „Sie ist eine begabte Gedankenleserin, glaube ich, Euer Gnaden.“, sagte sie mit einem flüchtigen, sehr geübten Lächeln. Chenoa fiel es schwer, zu lächeln, aber wenn man mit Menschen sprechen wollte, musste man es hin und wieder tun, damit sie nicht misstrauisch wurden. „Sie wird bestimmt eine weise Königin.“ Die amtierende Königin lachte leise, ließ ihre Tochter los und strich ihr über die schwarzen, langen Haare. „Eure Worte ehren mich und meine Tochter ebenso. Ihr seid... doch sicher nicht ohne Grund hier oben vor ihren Gemächern... wolltet Ihr etwas?“ „In der Tat, es gibt etwas, das ich Euch ans Herz legen möchte, Euer Gnaden. Es wird... Euch nicht gefallen.“ Sie beobachtete, wie Thamila sich anspannte und wie das Mädchen vor Schreck die Augen weitete. „Was mit Ghia passiert... bringt uns Schatten, oder?“, wisperte die Kleine dann und wurde von der Mutter zurechtgewiesen. „Still, du sprichst jetzt nicht. - Sprecht, Herrin.“ Chenoa seufzte. Die beiden waren Telepathen; Telepathen konnte man schlecht seinen Willen aufzwingen. Was sie vorhatte, musste so laufen, dass sie aus freiem Willen taten, was sie verlangte... andernfalls wäre es schlecht. „Ihr müsst Tejal verlassen, Euer Gnaden. Nehmt die, die Euch am liebsten sind, und geht nach Dan-morough, in die Hauptstadt von Janami.“ Nach diesen Worten sah sie zwei verwirrte Gesichter. „Ich weiß, es klingt wahnsinnig... aber ich... bin eine Seherin, Königin. Ich habe Verderben gesehen... nicht nur für Tejal. Für alle Länder... für ganz Khad-Arza. Wenn Ihr hier bleibt, erwartet Euch und Eure Familie... der Tod.“ Königin Thamila weitete die fast weißen Augen ungläubig. „W-...was redet Ihr da? Ich kann mein Volk nicht im Stich lassen und wegrennen... wieso Dan-morough?“ „Ich sage doch, nehmt die, die Euch am liebsten sind, aber je weniger, desto besser.“ Chenoa änderte spontan ihre Strategie und senkte den Kopf, obwohl ihre gelben Augen die beiden Frauen noch immer fixierten. „Glaubt mir, alle, die hier bleiben, werden... angemessen versorgt. Euer Volk, das zurückbleibt, wird kein Leid erfahren... das verspreche ich Euch.“ „Warum sollen wir dann fort?“ „Weil das Ende... der Welt kommt, Königin. Wollt Ihr verantworten, dass Euch hier etwas zustößt und ich Eurem Gemahl davon berichten muss, dass dies hätte verhindert werden können, wärt Ihr gegangen?“ „Ich verstehe aber nicht, warum uns hier der Tod droht und dem Volk nicht... w-wie... könnt Ihr das wissen?“ Chenoa schloss die Augen – in diesem Moment bekam sie verblüffende Unterstützung von Prinzessin Thakani. „Mutter... lass uns tun, was sie sagt!“, wisperte das Mädchen verwirrt und ängstlich, „Lass uns gehen! Ich habe... ich habe davon geträumt! Ich habe von Feuer und Schatten geträumt und... von einer Stadt mit hohen Türmen. Der... der Traum hat mir gesagt, es ist gut...“ „Das ist Dan-morough.“, erklärte Chenoa mit einem weiteren Lächeln, „Die Stadt mit den Türmen. In Janami gibt es viele Türme.“ „Aber wir können nicht einfach-... was passiert mit allen, die hier bleiben?“, fragte die Königin unsicher, „Ich bin Herrscherin. Ich kann nicht einfach weglaufen.“ „Ihr seid die Familie, die von den Weisen des Orakels erwählt wurde. Die Weisen werden sagen, dass es am wichtigsten ist, dass Ihr hier weg kommt. Wie ich sagte, alle, die hier bleiben, werden versorgt. Es wird kein Leid geben, das versichere ich Euch, Euer Gnaden.“ „Bitte hör auf sie, Mutti...“, keuchte die Prinzessin hysterisch und Chenoa ließ sich nicht anmerken, dass sie auf dem Gesicht des unschuldigen Mädchens die blinde Panik bemerkte. Die Kleine wusste genau, was sie erwartete... sie war eine gute Magierin. „Na gut...“, murmelte die Königin dann resignierend und runzelte die Stirn, „Dann werden wir unsere Sachen packen lassen und morgen aufbrechen. Ich sage deinem Bruder Bescheid... komm, rasch, meine Kleine.“ Sie verneigte sich vor Chenoa und schenkte ihr einen unsicheren Blick. „Habt Dank... Herrin... ich vertraue Eurem Wort. Mir bleibt... wohl nichts anderes übrig.“ „Es ist der Wille der Mächte der Schöpfung, Euer Gnaden.“, sagte die Zuyyanerin und kehrte den beiden bereits den Rücken, um den Ernst in ihrem Gesicht zu verbergen, der sich nicht länger verstecken ließ. Das Einverständnis der Königin hatte einen hohen Preis gehabt... sie würde Chenoas Worten niemals wieder vertrauen, das wusste die Blauhaarige. Aber das war es wert... sie war gewohnt, dass man ihren Worten nicht glaubte. Tja, Prinzessin Thakani Ayaghil von Sadara... Eure Naivität und Euer Überlebenswille hat Euch gerade die Haut gerettet... jeder ist sich selbst der nächste, nicht wahr? Vor Euch liegt keine schöne Zeit... aber gebt die Hoffnung nicht auf. In der tiefsten Dunkelheit findet sich vielleicht... trotzdem eine Kerze. Niemand sprach, als die Streitmacht am Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen aufbrach nach Süden, um zunächst Tejal zu durchqueren, dann die Berge, die das Land von Ela-Ri trennten, um darauf nach Noet zu gelangen, in die Hauptstadt des Schattenlandes. Bei der Reise durch hunderte Clanländer sammelten sie aus jeder Provinz neue Männer auf, die sich der Armee anschlossen und die brav ihrem König folgen würden, den die Weisen im Gebirge zum Herrscher gemacht hatten. Es war ungewöhnlich gewesen, als die Prinzessin einen Ausländer geheiratet hatte, aber es war ihr Wille gewesen und der Großteil des Volkes hatten ihre Wahl akzeptiert; zumal sich König Madanan seit jeher bemüht hatte, seinen Anforderungen gerecht zu werden und den Leuten keinen Grund zu geben, ihm zu misstrauen. Saidah wusste jetzt ja, woher sie seinen Vornamen kannte; zweifelsohne musste Puran mal von ihm gesprochen haben, wenn beide sich aus der Kindheit kannten. Puran... sie hoffte so, dass er wohlauf war, genau wie die anderen in Vialla. Doch wenn sie versuchte, die Geister um Rat zu fragen, erntete sie nur eisernes Schweigen... etwas Schlimmes würde passieren. Und das Bild der gigantischen Ghia ging ihr nicht mehr aus dem Kopf... seit wann war das schon so? Wie hatte ihr das entgehen können? „Seht!“, rief der König und General da von vorne und die Frau merkte, dass die Armee Halt gemacht hatte auf dem Grat im Gebirge, den sie gerade entlang gegangen waren. Der König zeigte nach Süden. „Seht, die Pestbeule von Ela-Ri, Noet!“, rief er, „Das stinkende Loch, in dem die Bestienzüchter hausen und von dem aus sie ihr widerwärtiges Reich vergrößern, indem sie andere unterwerfen! Ich sage, machen wir der Pestbeule ein Ende! Noch bevor die Sonne untergeht, wird Noet brennen... mögen die Schutzgötter euch beistehen, Männer von Tejal!“ Die Männer stießen entschlossen ihre Waffen auf den Boden und stimmten ihm zu. Chenoa war neben den König getreten und gemeinsam blickten sie alle hinab von den Bergen auf die dunkle, gewaltige Stadt vor ihnen. Noet war noch größer als Vialla... die Stadt lag an der Ostküste des Kontinenten und schien sich über den gesamten Horizont zu erstrecken, so groß war sie. Sie würde jetzt schlecht bewacht sein... und dennoch wäre Noets Fall noch der schwierigste Teil ihres Unterfangens. Saidah war davon überzeugt, dass der Rest ein Kinderspiel werden würde, sobald die Reichshauptstadt gefallen war. Sie spürte, wie Chenoa zu ihr herüber sah. „Tu es...“, sagte die Zuyyanerin zu ihr, „Schicke ihnen deine Vogelgeister, Saidah. Sollen sie zittern... und sterben, wenn diese Armee wie eine Flutwelle über sie hereinbricht und nicht einen von ihnen am Leben lässt. Zeige ihnen... unseren Schatten, Saidah.“ Die Geisterjägerin seufzte, ehe sie aus ihrem Umhang eine schwarze Kondorfeder zog und sie in den Himmel erhob. Sie hörte das Grollen des Himmels über sich, der sich bezog, und wie der mächtige Bergwind ihre Kondorfeder in ihrer Hand erzittern ließ. Sie hörte das Wispern der Geister, mit denen ihre Familie vor ewigen Jahrhunderten den Pakt geschlossen hatte... sie war eine Tochter des Chimalis-Clans. Kurz dachte sie an ihre Hellebarde, die jetzt der Junge namens Zoras trug, und sie bat die Geister der Aasgeier, dem Enkelsohn der Cousine ihres Vaters beizustehen, wie sie ihr immer beigestanden hatten. Zoras... du hast einen guten Namen. Der Onkel meines Vaters, der denselben Namen trug, war ein mächtiger Geisterjäger... möge die Stärke seines Geistes auf deinen übergehen und mögest du... das Erbe meiner sterbenden Familie übernehmen, da ich es nicht mehr tun kann. Meine Zeit... ist begrenzt. Dann riss sie den Kopf in den Nacken und atmete tief den kalten Wind ein, ehe der Himmel über ihr grollte und sie auf der anderen Seite des Himmels die Geister sehen konnte, die ihr ihre Macht verliehen. „Dann kommt, Geister der Kondore, Geister der Krähen! Kommt herab aus dem Schatten und seid meine Diener, wie auch ich eure Dienerin sein werde! Kommt zu mir und bringt das Verderben und den Zorn des Himmels über jene, die nicht würdig sind... Vogelgeister!“ Und mit einem Krachen ließ sie ihre Feder in den Himmel empor fliegen, die vom Wind in Richtung Noet geblasen wurde, während sie selbst beide Arme in den Himmel riss und die Macht aus den Schatten zog, die Macht der Todesvögel, die sich jetzt in Scharen von tausenden und abertausenden herab stürzten, Wesen, die halb Tier, halb Geist waren, Wesen aus Finsternis, die wie ein todbringender, alles vernichtender Dämon über den Süden herfielen und keinen am Leben lassen würden. Sie spürte die Macht ihrer Familie in ihrem Geist schlummern und sie hielt sie gut fest... solange sie noch die Kraft hatte, das zu tun. Und als sich die Armee den Schattenvögeln nach herunter auf die Stadt stürzte, um sie zu Fall zu bringen und keine Gnade zu zeigen, dachte Saidah wieder an die riesige Ghia und an das Ende der Welt, das unweigerlich folgen würde. ____________________ yeah, Bollywood-Land ist da Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)