Elementary Light & Darkness von abgemeldet (Trilogie - Staffel 2) ================================================================================ Kapitel 1: Hölle auf Erden -------------------------- „...Eins dürft ihr nie vergessen! Egal was passiert... Wir lieben euch über alles und sind immer bei euch, ja?“ ... Kapitel 1 ~ Hölle auf Erden „JILL! JETZT RENN DOCH NICHT WEG!!!“, schrie mir Hailey hinterher, als ich beschloss davonzulaufen, weil ich den Anblick von Shinji und meiner besten Freundin nicht mehr ertragen konnte. So schnell ich konnte rannte ich durch den Regen die Straße herab bis zum Strand, wo ich endlich zum Verschnaufen kam. Tränenüberströmt starrte ich aufs Meer hinaus und fühlte mich innerlich, als würde mein Herz in kleine Fetzen zerrissen werden. Nur noch ein Stück von der absoluten Verzweiflung entfernt, nahm ich eine Muschel und schmetterte sie ins Meer. „WAAAARUM!!! VERDAMMT!“, brüllte ich heraus und sank auf die Knie, wo ich meiner aufgestauten Verzweiflung in Form von bitteren Tränen freien Lauf ließ. Zehn Jahre... Ja, heute war der Tag, an dem wir damals entführt wurden... An dem Mama und Papa uns retten kamen. Und der Tag, an dem wir sie das letzte mal sahen. Der 20. Juli. Damals wussten Clyde und ich nicht wie uns geschah, als Mum uns Marisha in die Arme geworfen hatte und genau wie Papa nie wieder zurückkam. Wir verstanden auch nicht warum es auf einmal hieß, dass wir nun bei Tante Scarlett und Onkel Rico wohnen müssten. Unter Tränen mussten wir uns mit unseren acht Jahren eingestehen, dass unser Leben sich komplett ändern würde. Rico und Scarlett waren schlechte Ersatzeltern, die mit uns allen überfordert waren. Für sie gab es immer nur Maiko, unsren Cousin, der heute auch Geburtstag hatte. Schicksal? Unsere Eltern gingen und Maiko kam... Clyde, Jenn und ich waren nur der unerwünschte Ballast, den man ertragen musste. Für Jenn versuchte ich nach Außen hin stark zu wirken, sie soll nicht merken wie schlecht es mir selbst geht. Und Clyde... Er kam noch schlechter mit allem klar als ich. Als wir Dreizehn wurden, war er auf einmal verschollen und kam in einem Zustand zurück, der mir einfach nur das pure Entsetzen ins Gesicht trieb. Ich wusste von da an, dass irgendwas nicht mit ihm stimmte, denn er war immer öfter verschwunden, kam seltener zur Schule und war kaum ansprechbar. Meinen Beweis bekam ich dann etwas später, als mein Bruder einfach umkippte und im Krankenhaus seine Drogensucht festgestellt wurde. Rico und Scarlett wussten es. Doch sie halfen ihm nicht, da wieder raus zu kommen. Stattdessen meckerten sie ihn immer wieder an und behandelten ihn immer mehr wie Abschaum. Und ich... Konnte nichts für ihn tun. Bis heute nicht. Wenigstens wohnten wir nun alle in unserer Heimatstadt Orlando – Florida. … Selbst nach einer halben Stunde konnte ich mich nicht beruhigen und fragte mich, wie alles wohl wäre, wenn Mama und Papa damals nicht gestorben wären. Man erklärte uns damals, dass das Gebäude, in dem man die Beiden zuletzt gesehen hatte, explodiert war. Hätte ich ohne diesen Schicksalsschlag meine wohlbehütete Familie, so wie ich sie mir immer wünschte? Wäre Clyde dann nicht drogenabhängig? Das Pech schien permanent auf meiner Seite zu sein. Seit einer halben Ewigkeit war ich in Shinji verliebt. Meine beste Freundin Hailey jedoch auch. Für welche von uns beiden er sich wohl entscheiden würde? Wenn überhaupt. Ich spielte nun immer öfter mit dem Gedanken das Feld für Hailey zu räumen und einfach so zu tun, als würde ich mich für sie freuen. „Mann! Hier bist du! Renn doch nicht einfach weg“, hörte ich auf einmal hinter mir jemanden meckern. An der Stimme konnte ich erkennen, dass es Clyde war, der mir auf die Beine half und mich in den Arm nahm. Er war kaum größer als ich und wahrscheinlich wog er auch weniger mit seinem schmalen dünnen Körper. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte ich leise, und starrte wieder aufs Meer hinaus. „Das ist doch einfach. Ich kenn dich... Und ich weiß, dass du hier am liebsten bist.“ „Tzz...“ „Warum bist du weggelaufen? Hailey macht sich voll Sorgen um dich.“ „Ach, wird schon nicht so schlimm sein. Ich seh sie ja auch gleich wieder wenn, wir zusammen in die Schule gehen. Kommst du eigentlich heute mit?“ „Spinnst du? Ich und Schule?“ „Ja, aber Clyde... Dein Abschluss... Das Schuljahr ist fast zu ende...“ Er guckte störrisch zu Boden und kickte einen kleinen Stein ins Wasser, ehe er Luft holte und sich zu mir wandte. „Was bringt jemandem wie mir schon ein Abschluss? Was soll ich damit? Verschwendete Zeit! Du weißt, dass...“ „Jaa, ich weiß...“, antwortete ich abweisend und etwas gereizt, weil ich das Thema erst gar nicht hören wollte. Ich hasste es, daran denken zu müssen, dass mein Bruder in knapp zwei Jahren nicht mehr unter uns sein würde. Er würde unweigerlich an seiner Herzkrankheit sterben und es gab kein bisschen Hoffnung, dass er gerettet werden könnte. Er ließ sich gehen und ich wusste nicht, wie ich in so einer Situation handeln würde. Clyde seufzte. „Also geht’s dir nun wieder besser?“ „Etwas... Ich werde nun nach Hause gehen, bevor die auf dumme Gedanken kommen und mir einen Anschiss verpassen.“ „Hehe! Den hab ich auch noch vor mir. Ich glaube, deswegen werd ich noch eine Weile wo anders pennen.“ „Du kannst nicht ewig davon laufen, Bruder.“ Mit diesen Worten ließ ich ihn am Strand stehen und ging zu dem Haus, das sich mein „zu Hause“ schimpfte. Ich war nicht gerne dort. Stress und Geschrei bestimmten dort den Alltag. Maiko und meine kleine Schwester Jenn hielten Scarlett gut in Fahrt. Clyde hingegen würde nun wieder an seine typischen Stellen gehen, dealen und sich damit neue Drogen kaufen. Mein Leben war so jämmerlich und trostlos... Es gab nichts, was ich mir sehnlichster wünschte als einen Platz wo ich wirklich aufgehoben wäre. Noch bevor es auffallen konnte, kam ich zu Hause an und schlich mich an Scarlett, die mal wieder verzweifelt und fluchend vorm Herd stand, vorbei. Es sollte so aussehen, als sei ich eben erst aufgestanden. Jenn, die bei Maiko im Zimmer schlief, saß in meinem Zimmer auf der Fensterbank und streckte ihre Füße nach draußen, wovon ich erstmal nen halben Herzinfarkt bekam. „Jenn, wehe du fällst runter!“ „Passiert doch nichts, Schwesterlein“, antwortete sie selbstsicher, kam dann aber von da runter, um mich nicht noch mehr zu schocken. „Hast du dich wieder an Tantchen vorbei geschlichen?“, fragte sie mich frech und legte die Hände hinter den Rücken. „Ja, hehe... Wir haben uns vorhin noch mit unsren Freunden getroffen. Feierst du heute mit Maiko schön Geburtstag?“ „Feiern? Nein... Ich hasse diesen Tag, auch wenn ich mit ihm gut klar komm. Er ist eben ein Idiot, aber egal. Sag, hast du Clyde getroffen?“, fragte sie nun eher bedrückt und schaute zu Boden. Ich beugte mich zu der Zehnjährigen hinunter und lächelte sie liebevoll an. „Ja, mach dir keine Sorgen um ihn. Er kommt bald wieder nach Hause“, log ich sie an. Jubelnd vor Freude rannte sie aus dem Zimmer und fiel mit Maiko, dem sie offensichtlich im Treppenhaus begegnete, fast die Treppe hinunter. Ich hörte die Beiden lachen und das laute Rumpeln der Treppe. „GEHT DAS NOCH LAUTER!?! HINSETZEN!“, brüllte Scarlett die Beiden an. Ja, sie war wieder einmal völlig überfordert. Ich seufzte und guckte noch einmal das Foto von unserer Clique an, das ich auf der Kommode stehen hatte. Shinji... Hach... Schnell wandte ich mich wieder von dem Bild ab und starrte noch einmal im Vorbeilaufen auf Clyde's Bett, das immer leer stand. Wir schliefen allesamt in Hochbetten, weil das Haus nicht genug Zimmer für jeden Einzelnen von uns hatte. Unten in der Küche war schon wieder die Hölle los, so wie jeden Morgen. Scarlett schrie hysterisch herum und Jenn gab sich mit Maiko eine Essensschlacht. Beide Kinder waren von oben bis unten verschmiert mit Nutella und Marmelade. „IHR HABT SIE DOCH NICHT MEHR ALLE!!! GEHT SOFORT DUSCHEN!“ „Aber doch nicht zusammen!!!“, schrie Maiko auf und starrte Jenn entsetzt an. „Nö, ich geh zuerst.“ „WAS!? Ich geh zuerst!“ Und schon ging das Gezanke von vorne los... Sie schubsten sich und meckerten sich an, sodass man sie von oben noch hören konnte. Schließlich folgte ein lauter Knall und Maiko fluchte, weil Jenn wohl zu erst im Bad war und nun die Tür hinter sich abgeschlossen hatte. Scarlett seufzte und wandte sich wieder an ihre Hausarbeit. „Sag mal, Jill. War Clyde heute wieder nicht zu Hause? Hab ihn gestern Abend gar nicht kommen hören.“ „Er war da. Er ist durchs Fenster gestiegen und heute Morgen schon sehr früh gegangen“, log ich sie an. Von ihr war natürlich nichts Anderes zu erwarten, als dass sie mir glaubte. Typisch... Man hatte es echt einfach dabei sie hinters Licht zu führen. Im nächsten Moment betrat Onkel Rico verschlafen die Küche. Bei ihm hatte man es schon schwerer. Er war nicht mehr so faul und egoistisch wie früher. Er war nun verantwortungsvoller, doch er versteifte sich zu sehr auf seine Arbeit. Kinder und Erziehung blieben an seiner Frau hängen. Müde kratzte er sich den Kopf und gähnte ausgiebig. „Was ist das denn schon wieder für ein Lärm heute Morgen?“ „Frag das deine Nichte!“ „Hey, als ob Maiko nicht auch mitgemacht hätte.“ „Jenn hat angefangen.“ Das war ja mal wieder klar, dass in Scarletts Augen nun Jenn die Schuldige für das hyperaktive Fehlverhalten ihres Sohnes war. Rico schüttelte leicht grinsend den Kopf und schmierte sich sein Brötchen mit Butter. „Clyde heute wieder nicht da gewesen?“ „Doch!“, warf ich sofort ein um meinen Bruder zu schützen. „Jill sagt, er sei heute morgen früh gegangen.“ „Glaub ich irgendwie kaum. Na ja, wenn er mir das nächste Mal unter die Augen kommt, muss ich mal ein ernstes Wort mit dem Jungen reden.“ Ich war froh, dass es nun endlich Zeit war zur Schule zu gehen. Da konnte ich etwas abschalten und Zeit mit Hailey verbringen, auch wenn wir nicht in dieselbe Klasse gingen. Gerade als Onkel Rico den Mund aufmachen wollte um mich noch etwas zu fragen, spritze ich hektisch auf und stürmte in den Flur zu meiner Schultasche und der Regenjacke. „Jill? Wieso hast du es so eilig!?“ „Mir fällt ein, dass ich noch mit der Leiterin von meiner Sport-AG reden muss!“ „Um was geht es denn da?“, fragte Rico, der nun auch zu mir kam und die Hände in die Hüfte gelegt hatte. „Es geht um meine Kür. Mir ist noch nicht klar welche Musik ich zu meinem nächsten Auftritt nehmen soll.“ „Ach so. Okay, dann viel Erfolg, Kleines.“ „Danke!“ Puh, gut gelogen! Haha! Hailey und ich hatten uns auf der Highschool einer AG für Rhythmische Gymnastik angemeldet, was uns viel Spaß brachte. Shin und Clyde guckten uns auch gerne dabei zu. Und ich... Ich liebte es, wenn Shin mir dabei zusah. Ich hatte dann immer die Hoffnung mit meinem Körper etwas erreichen zu können. Um die Ecke wartete schon meine jüngere Cousine und auch beste Freundin Hailey ungeduldig. Sie sah besorgt aus und kam mit wütenden Schritten auf mich zugestampft. „JILL!!! ICH HAB MIR SOLCHE SORGEN GEMACHT!!! WARUM BIST DU VORHIN EINFACH ABGHAUEN!?!!?“ „Mach dir kein Kummer, Hail! Ich brauchte einfach kurz einen Moment zum Verschnaufen und Clyde kam ja dann gleich nach mir gucken.“ „Clyde...“ „Ehm ja... Clyde! Warum?“ „Kommt er heute mit zur Schule? Ich konnte ihn gar nicht fragen.“ „Er sagte, er geht da nicht mehr hin.“ Enttäuscht wandte sie sich ab und schritt langsam und bedrückt neben mir her. Warum erkundigte sie sich so interessiert nach Clyde? Dieser Morgen war irgendwie komisch. Wir hatten wenig zu bereden – untypisch für uns. „UUUH!!! Wen haben wir denn da?!“, hörten wir auf einmal hinter uns rufen. Anhand der Stimme ahnte ich schon Schreckliches. Es war Maya, meine Cousine und Hailey's Halbschwester. Maya war nicht mehr das schüchterne kleine Mädchen mit wenigen Freunden, das kaum etwas zu sagen hatte. Sie hatte auch keine langen braven Haare mehr... Auch ihr Outfit hatte sich komplett verändert. Alles in Allem war Maya zu der Bitch geworden, die man auch schon in ihrer Mutter sah – Nein, es war sogar schlimmer, denn Maya nahm wirklich JEDEN Kerl und band sich nie an jemand Bestimmtes. Zudem war sie genau wie Clyde drogensüchtig, weshalb man die Beiden auch oft zusammen sehen konnte. Maya hasste uns abgrundtief und nutzte jeden Moment um uns fertig zu machen, so wie auch diesen Morgen. „Was willst du?“, fragte Hailey genervt und flach, während sie schützend die Arme vor sich verschränkte. Hailey war zwei Jahre jünger und etwas kleiner als Maya, daher meist auch die Unterdrückte. „Wenn ich euch beide sehe muss ich nur immer wieder lachen. Habt immer noch keinen Kerl abbekommen oder? Na ja... Man sollte nicht so verklemmt sein, Mädels.“ „Verklemmt? Wenigstens sind wir keine Schlampen“, antwortete Hailey zynisch. „Hehe! Ich wünsche euch viel Spaß in eurer Spießerwelt. Ich geh nun lieber Clyde suchen, hab mit ihm Spaß und schwänz mit ihm zusammen die Schule. Das macht viel mehr Fun und ist nicht so langweilig wie ihr.“ Dass sie wieder Clyde mit hinein zog in ihren Kram, machte uns alle beide wütend und wir mussten aufpassen nicht auf sie loszugehen. Jedoch konnten wir uns noch beherrschen und ließen sie einfach links liegen. Kaum war sie außer Sicht, ging es los mit den Hetzereien. „Ich hasse sie!“, fluchte meine Cousine und brannte fast vor Wut. „Ja, die ist echt ätzend. Hoffentlich werden wir sie irgendwann endlich los.“ „Jaaa... Aber solche Leute sind zum Nerven geschaffen. Die wird man nicht so einfach los. Es nervt nur, dass sie so viel Zeit mit Clyde verbringt. Mag er sie etwa!? Was findet er nur an ihr!?!“ „Keine Ahnung. Ich weiß ja auch nicht, was die Beiden so miteinander treiben.“ Auf einmal wurde sie ganz blass und wechselte abrupt das Thema. „Ob ich Shin endlich nach einem Date fragen sollte?“, fragte sie und guckte mich mit ihren großen Kulleraugen an. Mir zog es durch den Magen... Wieder dieser Schmerz. Ich wollte immerhin nicht, dass sie etwas mit Shin anfängt, doch ich hatte mich entschieden ihr freie Bahn zu lassen, deshalb lächelte ich liebevoll. „Ja, es wäre endlich mal an der Zeit, meine Liebe.“ „Oh, aber ich trau mich nicht!“, quiekte sie hell auf und versuchte mit ihren Händen die roten Wangen zu verstecken, was ihr nicht ganz gelang. Schweigend lief ich einen Schritt schneller um mir weitere Worte von ihr über Shin zu ersparen, es hätte zu sehr geschmerzt. Sie bemerkte nicht, dass es mir damit nicht gut ging – ja, ich ließ mir nichts anmerken über meine wahren Gefühle. Hauptsache ihr würde es gut gehen, bei mir war sowieso schon alles zu spät. „Also dann! Bis später, Cousinchen! Ihr habt doch heute um 15 Uhr Feierabend, oder?“ „Ja. Bis dann...“, verabschiedete ich mich mit einem aufgesetzten und angestrengten Lächeln. Ach, Hailey... Ich würde es dir so gerne eher gönnen, doch es war so schwer... Wehleidig schritt ich ins Klassenzimmer, wo mich wieder meine dummen Klassenkameradinnen erwarten würden. Es war jeden Tag dasselbe … „JILL!!! Jill, wo ist Clyde!?!!? Hast du ihn heute schon gesehen?“ „Ja, wo ist er!?“ „Kommt er heute!?“ „Kommt Clyde?!“ „Nein! Und jetzt lasst mich in Ruhe!“, fuhr ich die Mädels genervt an und setzte mich in die letzte Ecke des Zimmers auf meinen Platz. Die Anderen wendeten sich wütend von mir ab. „Pff! Zicke!“ „Was bildest du dir überhaupt ein, Schlampe!?“ „Ja, ja, ihr mich auch“, antwortete ich matt und widmete mich meinem Schulbuch, um sie besser ignorieren zu können. Ich hasste diese Klasse und war wirklich überaus froh, dass die Schule und mein Abschluss so gut wie fertig waren. Aber was sollte ich danach machen? Studieren? Arbeiten? Sterben? Ach, keine Ahnung... Hatte eh alles kaum einen Sinn. Nur schwer überstand ich den ganzen Morgen und halben Mittag und freute mich sogar endlich wieder ein normales Gesicht zu sehen – Hailey! Dass sie mir heute Morgen so sehr zugesetzt hatte, hatte ich schon fast wieder vergessen und begrüßte sie mit aller Fröhlichkeit die ich aufbringen konnte. „Und? War wieder schlimm heute?!“ „Ja, sie haben mich wieder über Clyde ausgequetscht.“ „Blöden Kühe! HEY!!!“ „Was?“ „Guuuck mal! SHIIIIN! HIER SIND WIIIIR!“ „Oh nein!“, murmelte ich entsetzt, weshalb sich Hailey fragend zu mir drehte und ich wieder ein Grinsen aufsetzen musste. Na toll... Die Beiden zusammen versauen mir den Tag. „Hey! Hailey, Jill! Wie geht’s euch?“, fragte er mit seiner typischen Lässigkeit nachdem er angelaufen kam und uns beide nacheinander in den Arm nahm. Seinem tollen durchtrainierten Körper so nah zu sein fand ich einfach klasse und drohte für einen kurzen Moment in einen Tagtraum zu verfallen. Ich hielt ihn fest und stellte mir vor wie er mich zärtlich küsst. Doch plötzlich wurde ich die Realität zurück gerissen und schubste Shin förmlich von mir weg, was ihn verwirrte. „Was ist denn nun los?“ „Nichts!!! Lasst uns gehen!“ „Öhm... Okay... Kommt ihr noch mit zu mir?“, fragte Hailey. Eigentlich wollte ich absagen, doch Shin kam mir zuvor. „Sorry, aber mein Dad will, dass ich ihm heut bei der Karre helfe.“ „Schade. Du, Jill?“ „Ja, ich komm noch mit.“ So müsste ich wenigstens nicht zu Tante Scarlett und Onkel Rico nach Hause und mir den Geburtstag von Maiko geben. Wahrscheinlich waren Jenn, Jayden und Pia schon dort um miteinander zu feiern. Wer Jayden und Pia waren? Nun... Zwei Jahre nachdem Mum und Dad verschwunden waren, wurde Tante Marisha von Onkel Kyle schwanger. Eigentlich wollte Mari kein Kind mehr, denn sie sah es als zu gefährlich zu diesen Zeiten. Doch letztlich konnte sie sich dazu hinreißen lassen und bekam den kleinen Jayden, der nun acht Jahre alt war. Onkel Kyle hatte allerdings noch ein dunkles Geheimnis, das ich durch Zufall erfuhr und von dem sonst niemand was wusste. Weil ich die Beiden miteinander gesehen hatte und sie belauschte, bekam ich es mit. Er hatte sich wieder mit Naga getroffen, die schließlich ebenfalls von ihm schwanger wurde. Mit Pia! Ein Unfall? Keineswegs! Naga hatte erfahren, dass Marisha schwanger war und bequatschte ihn, wie unfair das sei... Tja, das Ergebnis konnte man dann ein paar Monate später sehen. Bis heute dachte Mari, dass Pia nicht von Kyle ist, denn sie hat Augen und Haare von ihrer Mutter geerbt. Ich bin und war entsetzt über die Dummheit meines Onkels. Nun hatte er vier Kinder um die er sich allesamt nicht wirklich kümmert. Leider konnte ich noch keinen Moment abfangen, um es Hailey oder Tante Marisha zu erzählen. Eigentlich wollte ich mich da auch raushalten... „Jill, was grübelst du denn?“, fragte meine Cousine mit ihrer kindlichen Art und hakte ihren Arm bei meinem ein. „Schon okay, ich bin nur froh, dass ich mir die Kiddies heute nicht geben muss.“ „Hehe! Ja, mein Bruder ist ätzend! Und Pia mit ihrer Schwärmerei für Maiko unerträglich.“ „Ja... Und er erkennt es nicht mal.“ Wie gut ich nur mitfühlen konnte... Arme Kleine. Shin begleitete uns weiter und erzählte vom Fußball und wie beschissen er die andere Mannschaft fand. Vom Gemecker über die Gegner bis zum Geschwärme über das Training – alles war vertreten. Doch dies war auch das Einzige was ihn interessierte. Mädchen allgemein und Flirten interessierte ihn kaum und angemacht hatte er weder Hailey noch mich jemals, zu unsrer Enttäuschung. Wir hechelten ihm ja praktisch hinterher. Plötzlich schweifte er vom Thema ab. „Hmm... Irgendwie kommt mir das seltsam vor. Wo bleibt unser täglicher Besuch?“ „Gute Frage“, antwortete Hailey sacht und schaute gen Himmel. Auch ich fing an mich umzusehen. „Vielleicht lassen sie uns ja heute mal in Ruhe?“ „Na du bist ja naiv, Blondchen“, lachte Shin. „Die haben sicherlich Schiss vor uns, haha!“, fügte er hämisch hinzu. Doch wie auf Kommando und als hätten sie es gehört, schlug plötzlich eine Energiekugel neben uns ein. Der Druck ließ uns alle drei erstmal zu Boden fallen. Da wir das inzwischen aber gewöhnt waren, standen wir schnell wieder auf. „Tja, Shin... Schiss?!“ „Keine Spur! Na wartet!“, rief er den im Himmel schwebenden Dämonen zu, die sich endlich zeigten. „Wann kriegt ihr eigentlich endlich genug?“, rief ich zu ihnen hoch, während Shin schon seinen ersten Angriff startete. Er hob die Hand und ließ Erdbrocken auf sie fliegen. Diesen wichen sie gleich aus. „Wir haben dann genug, wenn ihr endlich alle tot seid!“ „Hört doch endlich auf zu kämpfen! Bitte! Das muss ein Ende haben!“ „Hahahaha! Jetzt hört euch die kleine Blonde an. Niedlich! Ich geb dir ne Antwort!“ Schneller als wir gucken konnten bekam Hailey ne Energiekugel ab und wurde gegen eine Mauer geschleudert, die viel Staub hinterließ. Ich wusste, ihr geht es trotzdem noch gut. Ihre Aura war deutlich spürbar. Shin startete den nächsten Angriff aus Ranken, die die Dämonen zerschneiden sollten. An den Ranken waren riesige Dornen, die zumindest einen der Dämonen umklammerten. Ich ließ diesen Dämon mit meinen Kräften einfrieren, der wiederum von Haileys Windböe zerfetzt wurde. Einer weniger! Shin jubelte: „HA! Der Nächste bitte!“ Ich guckte kurz nach meiner Cousine, die wieder fest auf den Beinen stand, jedoch dreckige Klamotten hatte und das gar nicht so witzig fand wie unser Kumpel. „In der Luft sind sie zu schwer erreichbar...“, bemerkte ich nachdenklich, während Shin und einer Attacke von ihnen auswich. „Das kann ich ändern!“ Hailey fing an ihren Arm hin und her zu schwenken, wodurch sie den Wind so stark beeinflusste, dass eine riesige Orkanböe entstand. Sie war so stark, dass sich die Dämonen nicht mehr in der Luft halten konnten und landen mussten. „So, willkommen auf festem Boden!“, sagte Shin selbstsicher und grinste. Er sprang hoch und sammelte seine Kräfte, die er auf den Boden lenkte. Einige Meter weiter vorne entstanden plötzlich Risse im Boden, wodurch wieder gigantische Wurzeln hervorkamen, die weitere Dämonen mit sich rissen. Hailey wirkte gehetzt. „Leute, wir sollten es langsam zu Ende bringen! Wir müssen weg hier, bevor die Bullen kommen!“ „Haha, zum Glück sind hier nie Leute unterwegs zu diesen Zeiten. Los, gehen wir!“ Wir drei rannten die Straße weiter Richtung zu Hause. Noch einmal gingen wir auf Nummer sicher um zu verhindern, dass uns einer der restlichen Dämonen gefolgt war, doch alles war in Ordnung. Hailey seufzte schwer. „Oh Mann, ich will nicht mehr! Dieses ewige Kämpfen nervt!“ „Ganz ruhig, Kleine! Ich find es ganz witzig.“ „Hahaaa!“, entgegnete sie genervt, worauf hin er verständnisvoll lächelte und sie in den Arm nahm und mir ganz und gar nicht gefiel. Ich konnte mir das nicht mit ansehen und drehte mich weg, doch hören konnte ich sie immer noch. „Sei nicht so besorgt, okay? Passieren wird dir eh nichts, solange ich dabei bin.“ „Du... Du beschützt mich?“ „Immer!“ Ekelhaftes Gefasel! Flüchtig drehte ich mich noch mal um und bemerkte wie Hailey immer mehr zitterte und scheinbar versuchte sich Mut zu machen. Es war wie ein Stich ins Herz, als sie sich plötzlich auf die Fußspitzen stellte und ihn küsste. Oh... Mein... Gott!!! Warum konnte ich mich nur nicht für sie freuen? Und ich dummes Mädchen wollte es ja nicht anders... Mit verwunderten Blicken löste er sich von ihr und lief einfach davon, ohne noch ein Wort zu verlieren. Und Hailey stellte sich völlig außer sich und hibbelig vor mich. „Hast du das gesehen!? Oh Gott, ich hab ihn geküsst! Wahnsinn!!! Ich bin ganz aufgeregt! Puh! Ich muss erstmal verschnaufen... Puhhhh!!!“ „Wow...“, erwiderte ich matt und folgte ihr ins Haus. „MAAAA, WIR SIND ZU HAUSE!“, rief sie in die Küche und rannte gleich nach Oben in ihr Zimmer. Ich war schon so oft bei ihr, dass ich schon zum Inventar zählte und gar nicht mehr auffiel. Ne Sonderbehandlung als Gast bekam ich auch nicht mehr, ich war praktisch zu Hause. Marisha begrüßte mich warmherzig und nahm mir die Regenjacke ab. „Na? Wie war die Schule heute?“ „Beschissen!“ „Ohje. Willst du was trinken? Essen ist auch gleich fertig.“ „Tantchen, du bist einfach perfekt. Ich nehm ne Cola“, sagte ich begeistert und war für einen kleinen Moment abgelenkt. Meiner Freundin und Cousine folgte ich nicht nach oben, sondern setzte mich erstmal ins Wohnzimmer und schaltete den TV ein, wo grade eine Sondermeldung in den Nachrichten lief. » Die seltsamen Katastrophen finden einfach kein Ende! Letzt erst gab es diesen riesigen Orkan, neulich eine Flut und nun finden Anwohner dieses Wurzelwerk, dass die ganze Straße zerrissen hat. Alles aus dem Nichts! Wir berichten weiter über diese seltsamen Ereignisse.« Huch... Dass sie Shin's Schaffenswerk so schnell finden und ausstrahlen würden hätte ich nicht gedacht. Marisha stand mit offenem Mund hinter mir. Scheinbar hatte sie es auch gesehen. „War das... Shin?“ „Ehm ja... Wir wurden eben angegriffen.“ „Kinder, ihr müsst vorsichtiger mit der Öffentlichkeit umgehen.“ „Ja, ich weiß... Tut mir leid, Tante.“ „Hier, dein Trinken. Ich ruf euch gleich zum Essen.“ Das was im TV lief war mir zu beunruhigend und so beschloss ich dann doch erstmal nach oben zu Hailey zu gehen, die auf ihrem Bett lag und mit leuchtenden Augen ihre Decke anstarrte. „Hast du dich wieder beruhigt?“ „Ehm... Was!? Eh ja! Nein... Ich hab Shin geküsst!!!“ „Hailey... Es nervt.“ „Ja, sorry... Aber... Oh mein Gott!!!“ Ich seufzte genervt und meine Laune sank in den Keller und noch tiefer. Sie würde mir das nun die nächsten Wochen vorhalten... Sicher! Ich konnte es mir nicht länger als eine halbe Stunde anhören, da wurde mir alles zu viel. Als sie weiterhin nicht aufhörte, sprang ich plötzlich auf und verließ fluchtartig das Haus. Dabei rannte ich beinahe noch Tante Mari über den Haufen, die mir gerade mein Essen geben wollte. Schade drum – aber ich konnte einfach nicht mehr. Mit dicken Tränen, die mir über die Wange kullerten, rannte ich über die lange Straße hinweg nach Hause, wo ich mich am Kindergeburtstag vorbei schlich und mich in meinem Zimmer einsperrte. Dort ließ ich mich einfach auf Clyde's Bett fallen und heulte mich aus. Von unten waren Scarlett's Schreie wieder laut und deutlich hörbar. Ebenso das Geschrei von Maiko und Jenn, die sich ständig prügelten. Dumme kleine Jungs eben... Wie ich sie hasste... Als es eine Stunde später an die Tür klopfte, reagierte ich nicht. Ich wusste, dass es Jenn war, denn sie rief besorgt nach mir. Ich wollte nichts sehen und nichts hören. Viel zu sehr hatte ich mich aufs Heulen konzentriert und wie scheiße doch alles war. Ich hasste dieses Leben und alles drum herum. Inzwischen sogar das Einzige was mir eigentlich noch Freude brachte – meine Freunde. Hailey und Shin nervten. Wenn sie erstmal zusammen kämen, müsste ich sie stets ertragen... Das würde ich nie im Leben aushalten. Einige Stunden später und als es schon dunkel wurde, lag ich unverändert auf dem Bett von meinem Bruder. Meine Augen taten weh und waren schwer, doch kurz vorm Einschlafen hörte ich plötzlich ein Geräusch, das vom Fenster kam. Es war Clyde, der vom dicken Ast, der zum Baum nebenan gehörte, einfach hineingesprungen kam und schwer schnaufte. „Huch? Keiner da?“, fragte er in die Dunkelheit. Eigentlich wollte ich auch ihm nicht antworten, doch mein Schniefen war unüberhörbar. Er orientierte sich daran und setzte sich neben mich auf die Bettkante. „Jill? Was ist denn passiert? Warum weinst du?“ „Ach...“, antwortete ich heißer und tat mich schwer weiter zu reden. Clyde legte sich neben mich und ließ mich an sich kuscheln. Es war schön wenigstens einen Moment der Geborgenheit zu haben. Clyde sollte öfter da sein. „Nun erzähl! Was ist denn schlimmes passiert?“ „Hailey... Und Shin.... Werden wohl bald ein Paar sein. Und ich hasse es... Ich will mit Shin zusammen sein! Wenn die beiden nur noch nen Kopf füreinander haben, dann hab ich bald gar niemanden mehr!“, weinte ich laut heraus und bekam einen neuen Heulkrampf. „Du hast doch...“ „Sag jetzt bloß nicht, dass ich ja dich hab!!! Du bist kaum da!“ „Tut mir leid...“ , antwortete er bedrückt und schwieg. „Am liebsten würde ich die Koffer packen und weg von hier gehen. Das ist doch alles zum Kotzen!“ „Ja, verstehe ich. Aber so einfach ist es nicht. Und ich weiß nicht wie ich dir helfen könnte.“ Wieder seufzte er und schwieg... Ich merkte, wie ihm immer mehr die Worte fehlten und beschloss zur Ablenkung das Thema zu wechseln. „Wo warst du heut eigentlich überall? Man hat in der Schule nach dir gefragt.“ „Ich hab Maya getroffen und mit ihr einen drauf gemacht. Wer hat denn nach mir gefragt?“ „Die ganze Klasse... Zumindest der weibliche Teil davon...“ „Oho!“ „Haha... Ja... Toll! Mit Maya einen drauf gemacht?“ Diese Schlampe! Hat sie es also wirklich wahr gemacht! „Ja... Sie hat mich eben gefragt ob wir zusammen rumhängen wollen. Haben uns in ne Seitengasse gehockt, das miese Wetter genossen und uns besoffen...“ „Und sicherlich mehr als das“, sagte ich matt und wollte mir gar nicht vorstellen, was sie noch so genommen hatten. „Joah... Auch mehr als das...“, sagte er locker hinweg, als sei mit ihr Sex zu haben und Drogen zu nehmen absolut nichts weltbewegendes. Es war doch keine gute Ablenkung, denn nun kam auch noch die Wut auf Maya dazu. Ich schnaufte wütend. „Ihr würdet besser mal zur Schule gehen und euch um eure Noten kümmern!“ „Ich hab es dir schon mal gesagt.“ „Ja und!? Willst du als Versager und Loser sterben!? Hinterlass doch wenigstens was Positives von dir! Willst du gehen mit dem Gedanken, dass alle von dir sagen, du wärst als elender Junkie draufgegangen?“ Doch es kam gar nichts mehr von ihm. Er war eingeschlafen... Eine nutzlose Hilfe und ein hoffnungsloser Fall. Wieder war ich allein, doch daran sollte ich mich langsam gewöhnen, denn dies schien mein künftiger Standard zu sein... ~ Kapitel 1 ~ Hölle auf Erden ~ Ende~ Fortsetzung folgt ~ Hier ist es also – das brandneue Kapitel zur brandneuen Story! :) Ich bin echt gespannt wie sie bei euch ankommt! Es ist echt schwierig diesmal, denn der erste Teil dieser Story war früher eine ganz eigene Staffel und damit werde ich einen Übergang schaffen müssen. Ich wollte aber trotzdem eine Trilogie und keinen Vierteiler, also lass ich mir schon was einfallen ;) Viel Spaß noch und danke fürs Lesen :) Eure Kiro! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)