Der Rattenfänger zu Hameln von pink-mink ================================================================================ Prolog: Visionen ---------------- Man erzählt sich, dass einst ein seltsam gewandeter Fremder nach Hameln kam und den Bürgern anbot, dass er sie für einen Lohn von 1000 Talern von der Rattenplage befreien würde, unter der sie litten. Die Bürger stimmten mit Freuden zu und so zog er aus seinen Rockschößen eine Flöte hervor und begann damit aufzuspielen. So zog er spielend und tanzend durch die Gassen der Stadt und jede Maus und jede Ratte aus jedem Haus und jedem Speicher scharrte sich um ihn und keines der Tiere konnte sich seinem Bann entziehen. Immernoch spielend und tanzend zog er mit der Rattenschar an den nahen Fluß Weser und auf das Geheiß seines Liedes stürzten sich Mäuse und Ratten in die Fluten, nicht eine blieb zurück und die Stadt Hameln war von ihrer Plage befreit. Den Bürgern waren aber mittlerweile die versprochenen Taler Schade geworden und so verwehrten sie ihm seinen Lohn. Der Fremde sprach kein Wort, wandte sich um und verschwand. Einige Tage später kehrte er wieder, während die frommen Bürger die Kirche besuchten. Er zog erneut seine Flöte aus den Rockschößen und wieder begann er spielend und tanzend durch die Straßen der Stadt zu wandern, doch diesmal folgten ihm nicht jede Maus und jede Ratte aus jedem Haus und jedem Speicher, sondern jeder Bub und jedes Mägdelein, ab dem vierten Jahre an. Sie strömten aus ihren Häusern und folgten dem fröhlich spielenden Fremden aus der Stadt. Und sie tanzten, sangen, wanderten und der Spieler führte sie auf einen Berg zu, der sich öffnete und die Kinder und den Fremden verschlang. Keines der Kinder ward jemals wieder gesehen und den Bürger Hamelns waren nur 3 Kinder verblieben, die aber auch nicht zu helfen vermochten die übrige Schar zu finden: Das erste Kind war blind und konnte den Weg nicht zeigen. Das zweite Kind war taub und hatte nicht einen Ton vernommen. Und das dritte Kind war ein Bub der auf halbem Wege umgekehrt war um sein Mäntelchen zu holen und danach nicht wieder zu dem Zuge zurückfand. So hatte der Fremde sich die Schuld der Städter hundertfach zurückzahlen lassen und die Hameler hatten ihr gebrochenes Versprechen mit dem Verschwinden von 130 Kindern bezahlt. Wie gesagt, das ist zumindest, was man sich erzählt. ... ... ... Gavriil Euterpe Kraikos wurde als neuntes Kind und einziger Sohn einer Familie geboren, die im Ruf stand bald am Hofe des Königs ein und ausgehen zu dürfen. 7 Minuten nach ihm erblickte seine Schwester Areti das Licht der Welt. Weitere 7 Minuten später starb seine Mutter, doch sein Schicksal war schon lange besiegelt.   ...   Makis Kraikos hatte eine Vorliebe für griechische Mythologie. Eigentlich wie jeder Grieche der etwas auf sich hielt, aber wie die Leute sagten, grenzte seine Begeisterung fast an Fanatismus. Sein Vater hatte es geschafft eine kleine gutgehende Handelsflotte aufzubauen und konnte es sich als erster seiner Familie leisten, seinen Sohn nach Athen in eine der kleineren Rethorikschulen zu schicken.   An seinem letzten Tag in dieser Schule hatte Makis, benebelt von billigem Wein den die Absolventen zur Feier ihres Abschlusses Amphore nach Amphore vernichtet hatten, in den Armen einer fast ebenso billigen Hure einen Traum, der in seinen Augen nur eine Vision sein konnte, die die Götter ihm, ihrem Auserwählten, zukommen hatten lassen.   Er träumte, dass er 9 wunderbare Töchter zeugen würde, die die Reinkarnationen der olympischen Musen selbst sein würden. Ihre Gaben wären unendliche Schönheit, Anmut und sie würden all jene Fertigkeiten der jeweiligen Muse beherrschen und besitzen, deren Seele sich in ihrem Körper niedergelassen hatte. Sie würden sowohl Mann als auch Weib zu Tränen rühren ob ihrer Talente, sie würden die Sonne und den Mond von ihren Thronen stürzen und das neue Licht der Welt bilden, Adelige und Fürste würden ihre Knie vor ihnen beugen und jeder König und jeder Kaiser würde seinen Namen kennen. Makis würde in ganz Griechenland bekannt sein als der Vater der neuen Musen, der Erzeuger einer neuen Ära, ja, als neuer Zeus dessen Samen es ermöglicht haben würde, dass wieder Götter auf Erden wandelten!   Als er noch immer volltrunken ob seiner Vision in seine Heimatstadt zurückkehrte, erfuhr er dass sein Vater in seiner Abwesenheit eine Hochzeit mit der ältesten Tochter eines befreundeten, wohlsittuirten Reeders arrangiert hatte. Deren Vater hatte erst kürzlich all seine Söhne bei einem Schiffsunglück verloren und so versprach diese Heirat für beide Familien einen nicht geringen Vorteil: Für die eine Familie den Fortbestand ihres Blutes und Eigentumes, wenn auch unter einem anderen Namen und für die andere Familie einen unglaublichen Zuwachs an Macht und Einfluss.   Während Makis´ Vater sich nach der Heirat seines Sohnes um sein neu erschaffenes Imperium kümmerte, verfolgte Makis seinen Plan die göttliche Vision jener Nacht Realität werden zu lassen.   ....   Wenige Monate später gebar seine Frau ihre erste Tochter und die Schifffahrtsflotte seine Vaters wuchs und wuchs. Binnen eines Jahres erblickte seine zweite Tochter das Licht der Welt und sein Vater kaufte seine erste Reederei auf. Ein weiteres Jahr verging und seine Frau schenkte einer weiteren Tochter das Leben, der Erfolg seines Vaters schien kein Ende zu nehmen.   Und so ging Jahr um Jahr ins Land, bis ihre achte Tochter ihren ersten Atemzug tat und sein Vater seinen letzten. Makis war gezwungen einen Ersatz für die geschäftstüchtige Hand seines Vaters zu finden um den Geldstrom, der die Ausbildung seiner göttlichen Töchter gewährleistete nicht versiegen zu lassen und fand sie schließlich im Bruder seines Vaters. Aber der Zauber, der seine Vision Realität hatte werden lassen, war verebbt.   So wunderbar seine acht Töchter auch waren, so sehr er sein Weib auch bedrängte, seine neunte Tochter, das letzte Juwel in seiner Sammlung, blieb ihm verwährt. Kapitel 1: Fleischwerdung ------------------------- Wieder gingen die Jahre ins Land, aber seine Frau blieb unfruchtbar, während seine Töchter an den besten Schulen unterrichtet wurden um herauszufinden, welche der Musen sich in ihren Körpern niedergelassen hatte. Als die Kinder noch jung waren, wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt, dass Makis dem Wahnsinn anheimgefallen war, denn jedem hatte er von seiner Vision erzählt, aber niemand schenkte ihm auch nur einen Hauch Glauben. Doch nach und nach zeigte sich, dass jede der Töchter eine schier unfassbare Begabung zu haben schien: Seine älteste Tochter tanzte wie die Böe in einem Windspiel, ihr Körper bog und wand sich in den anmutigsten und edelsten Bewegungen, ihr Geschick verzauberte selbst ihre Lehrer und ihre Schönheit blendete ihre Augen. Terpsichore hatte ihren Weg in die Welt gefunden. Makis zweite Tochter lockte mit ihrer lupenreinen Stimme Vögel zu sich, Blüten schienen sich ihr zuzuwenden und wen ihre Stimme erreichte, der lauschte gebannt als würde ihm das Herz übergehen vor Glück. Melpomene hatte ihren Leib gewählt. Die drittälteste Tochter verschwand eines Abends und wurde mitten in der Nacht auf einem Hügel gefunden, wie sie die Arme gen Himmel streckte und mit ihren Fingern Wege in das samtene Blau des Firmaments zeichnete, denen Sternschnuppen folgten als hätten sie nur darauf gewartet dass sie befreit wurden. Urania hatte dieses Kind beseelt. Die vierte Tochter verzauberte ihre Umwelt mit einem Lachen, das selbst die Sonne in den Schatten stellte, ihr Gemüt war heiter, sie kannte weder Tränen noch Leid und gequälte Seelen trug sie Verse und himmlisch poetische Geschichten vor, die ihre Pein vergessen lies und sie mit neuem Mut erfüllte. Thalia teilte ihr Glück mit den Menschen. Seine fünfte Tochter war klein und zierlich und ihr Blick schien in die Ferne gerichtet als würde sie Stimmen lauschen, die der Wind ihr zutrug. Jeder der sie erblickte war erfüllt von Wärme und Sehnsucht und wenn sie sprach, versprach ihre Stimme wunderbares und ihre Liebesverse brachten verwandte Herzen zusammen. Erato hatte ihre Hand auf dem Herzen des Mädchens. Die sechste Tochter schien mit dem Griffel in der Hand geboren zu sein, sie vermochte zu schreiben ehe sie sprechen konnte und sie verbrachte ihre Tage in Bibliotheken in denen sie aufblühte. Geschichtsdaten flogen ihr zu und Herrscher schickten nach ihr um Hymnen auf ihre Verdienste geschrieben zu bekommen, die das Volk zu Tränen rühren konnten. Klio hatte ihre Gunst in dem Mädchen gesät. Makis´ siebente Tochter spielte die Leier wie kein anderer Meister. Sobald ihre Hand die Saiten berührte, schien das Instrument wie von unbändiger Kraft besessen und sie spielte und spielte bis ihre Musik und ihre Stimme ihre Zuhörer glauben lies, sie wären persönlich in den Olymp geladen worden. Polyhymnia vergoss ihr Talent in diesem Leib. Und seine achte Tochter vermochte zu sprechen dass niemand sich ihrem Bann entziehen konnte. Sie konnte die Meister der höchsten Rhetoriker in den Boden debattieren und ihre philosophischen Schriften schienen die Welt aus den Angeln zu heben. Kalliope erhellte den Geist dieses Mädchens. Die schier göttlichen Gaben der Mädchen wandten den Spott von Makis Zweiflern bald in reine Ehrerbietung und die Geschichten über ihre einzigartigen und ungesehenen Talente drang bis an den Königshof, Adelige überschlugen sich darin die acht fleischgewordenen Musen in ihrer Mitte begrüßen zu dürfen und die Wege und Pfade die die Mädchen gingen, schienen für sie aus Gold gepflastert zu werden. Aber 20 Jahre lang wartete Makis vergeblich darauf, dass auch die letzte Muse ihren Weg durch den Leib seines Weibes in die Welt finden würde. Als er deswegen beinahe dem Wahnsinn verfiel, betrank er sich eines Abends mit seinen Freunden und klagte ihnen sein Leid. Da trug ihm einer seiner Bekannten die Kunde über eine wandernde Alte zu, die in der Lage sein sollte Hexenwerk zu tun und Unseeliges zu vollbringen, wenn man sie mit Gaben und Geschenken für sich gewinnen konnte. Daher ging Makis in der nächsten Nacht zu ihr und als er einen Fuß in ihren nach Tod und Verderben stinkenden Wagen setzte, packte sie ihn an der Kehle, stieß ihn an die gegenüberliegende Wand und flüsterte ihm mit rasselndem Atem ins Gesicht, dass ihr Lohn für seinen Wunsch höher sein würde, als er bereit wäre zu zahlen, noch ehe er ein Wort sprechen konnte. Sie presste ihre hageren, knochigen Finger der anderen Hand an seine Brust und er fühlte wie sich sein Herz im Leib verkrampfte, er spürte dessen Pochen schmerzhaft in den Augen, in seinen Ohren und sein Atem stockte ihm in der Lunge dass er dachte er müsse sterben. Und doch hielt sein Geist immer noch an der Vision aus jener fernen Nacht fest und er würgte unter Schmerzen hervor, dass er bereit wäre jeden Preis zu bezahlen, jeden, jeden Preis den sie nennen würde, wenn er nur der Vater seiner Musen werden konnte, wenn nur noch ein Kind von der letzten Göttlichen berührt werden könnte. Die Alte lies ab von ihm und betrachtete ihn mit halbblinden, irren Augen, während Makis sich den nach Blut schmeckenden Schaum aus dem Mund wischte und spürte wie sein Herz sich wieder beruhigte. „Nimm dein Weib diese Nacht, und gib dem nächsten Kind dass ihren Leib verlässt an seinem dritten Geburtstag dies hier.“ Sie drehte sich um und zog aus einer Schublade eine lange Schatulle, die mit Schnitzereien von Schädeln und Knochen gefasst war. Makis spürte wie ihn eine Gänsehaut überlief als sie ihm die Schatulle entgegenhielt, aber seine Obsession kannte keine Grenzen und er griff gierig danach. Doch als sich seine Hände um die Schatulle schlossen, zischte die Alte: „Darin ist eine Aulos, geschnitzt aus dem Bein des Widders Chrysomeles und berührt dein Kind diese Flöte, so wird kein Mensch seinem Spiel wiederstehen können. Sie werden ihm folgen, sie werden jeden Ton den es tut anbeten und sie werden in Ehrfurcht vergehen ob seines Könnens. Die Welt wird ihm offen stehen und Könige dich anflehen ihre Krone zu tragen nur um es spielen zu hören. Dein Name wird bis über alle Grenzen bekannt sein, Makis Kraikos, aber mein Lohn wird hoch sein.“ Makis zwang seine Zunge zu sprechen und starrte der Alten in die trüben Augen. „Was ist dein Lohn?“ „Meinen Lohn werde ich dir am Tag der Geburt deines Kindes nennen und ich werde ihn mir nehmen. Solltest du wiedersprechen, so nehme ich dir auch deine Töchter und schicke sie in den Hades.“ Makis Augen weiteten sich, aber er konnte die Hand nicht von der Schatulle nehmen und so presste er hervor: „So sei es.“ Da lies die Alte die Schatulle los und gackerte und lachte dass es Makis Angst wurde und er in wilder Panik den Wagen der Hexe verlies, der Gestank nach Unheil, Krankheit und Fäulnis haftete aber immer noch an ihm, so dass er sich noch Tage später verfolgt fühlte. Doch die Alte sollte Recht behalten, denn bald auf diese unsägliche Nacht begann der Leib von Makis´ Weib in Schwangerschaft anzuschwellen und obwohl es seiner Frau im Gegensatz zu den vorherigen nicht gut ging und die litt und sich quälte, begann Makis zu frohlocken und vergaß die Drohung der alten Vettel und sonnte sich bereits jetzt im Ruhm der ihm verheissen war. Als schließlich die Wehen seiner Frau einsetzten und sich ihre Töchter im Raum ihrer Mutter scharrten und der Leidenden Trost, Liebe und Vertrauen zuflüsterten, fühlte Makis sich wie ein Gott unter Menschen. Stunden vergingen, der Tag ging in die Nacht über und endlich hörte er das heisere Krähen eines Neugeborenen. Er stürmte in das Geburtszimmer und sah seine älteste Tochter ein Bündel in den Händen halten, strahlen vor Freude und weinend zugleich. „Vater, begrüße unseren Bruder, deinen Sohn!“ Da wurde Makis weiß wie die getünchte Wand hinter ihm und krallte sich selbst in die Brust, riss seiner Tochter das Bündel aus der Hand und sah mit eigenen Augen, dass seine Frau ihm einen Sohn geboren hatte. Er stieß seinen Sohn achtlos zurück in die Arme seiner Töchter, tönte an das Bett seiner Frau, riss sie am Kragen und brüllte hasserfüllt, „Wie konntest du mir das antun, Weib!“ Hart schlug er sie zweimal ins Gesicht und stieß die vor Schmerz schreiende Frau zurück in das Bett, schob mit den Ellenbogen seine entrüsteten und entsetzten Töchter aus dem Weg und trat auf den Hof, wo er immer wieder erneut brüllte: „Wie konntest du mir das antun!“ Da trat die Hebamme durch die Tür nach draussen, packte ihm am Arm und eiferte: „Herr, Herr, ein Wunder, ihre Frau hat einem weiteren Kind das Leben geschenkt und es ist eine Tochter!“ Makis wandte sich ihr zu, mitten im Schrei verstummt und stürmte zurück in das Zimmer seiner Frau. Seine Töchter starrten ihm wortlos entgegen und seine bislang jüngste Tochter reichte ihm das Bündel in dem seine lang erwartete letzte Tochter lag. Sie war klein und schwach, sie schrie nicht einmal und trotzdem liefen Makis Tränen über das Gesicht und er brüllte, diesmal von absoluter Glückseeligkeit erfüllt, seine Freude hinaus. Vergessen war der ungewollte Sohn in den Armen seiner Ältesten, vergessen waren die Scherben seines Lebenszieles die er bereits um sich hatte fallen sehen und ungesehen und ungehört blieben die panischen Rufe und Versuche seine Frau in dieser Welt zu halten. Während seine Frau starb, sein Sohn klagende Schreie von sich gab und seine erwachsenen Töchter ihrer Trauer Ausdruck verliehen, strahlte Makis über sein ganzes Gesicht und hielt seine vermeidlich goldene Zukunft im Arm. ..... Seine Töchter trauerten noch immer am Bett ihrer geliebten Mutter, als Makis mit seiner Jüngsten im Arm durch das Haus schritt und den Hof betrat. Immer noch lachend hielt er das Bündel hoch in den Himmel, vor die strahlende Mondsichel die das Firmament regierte und flüsterte ihr liebende Worte entgegen, als eine raspelnde Stimme hinter sich zu sprechen begann. „Makis, ich erwarte meinen Lohn!“ Wieder überzog eine plötzliche Gänsehaut seinen gesamten Leib und Makis wandte sich zu der alten Vettel um, die in der Hoftür stand und von hinten beleuchtet wurde, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Und du wirst ihn bekommen, nun da meine letzte Muse geboren ist.“ „Hahahahaaa, Makis, du ahnst nicht wie mich deine Worte freuen!“ Sie richtete ihren krummen Rücken und deutete mit ihrer klauenartigen Hand auf ihn. „Mein Lohn für jetzt ist jedes Gold dass du jemals besessen hast, deine Schiffe im Hafen und alle deine Besitztümer. Alles bis auf dieses Haus und was sich darin befindet gehört nun mir, werter Makis. Und am dritten Geburtstag deiner Zwillinge komme ich erneut und fordere den Rest ein!“ Noch ehe Makis Einwand erheben konnte, spaltete ein Blitz den wolkenklaren Himmel und als er sich wieder der Hoftür zuwandte, nachdem er sich reflexartig der gleissenden Helligkeit zugedreht hatte, war die Alte verschwunden. Obwohl seine Frau tot war, und die Drohung der Hexe über seinem Haupt schwebte, verbrachte Makis eine ruhige und traumlose Nacht. Auch als ihm am nächsten Tag sein Onkel berichtete, dass alle seine im Hafen liegenden Schiffe wie durch Zauberhand Leck geschlagen hatten und nun mitsamt ihrer teuren Ladung aus Gewürzen und Stoffen auf dem Hafenboden lagen, auch wenn ihm in den nächsten Tagen berichtet wurde, dass seine Lagerhäuser niedergebrannt waren, dass sich die Verwalter seines Vermögens mit all seinem Gold von dannen gemacht hatten und keines seiner ausgelaufenen Schiffe jemals seine Zielhäfen erreicht hatte, trug Makis ein andauerndes und seeliges Lachen im Gesicht und hielt seine jüngste Tochter fest an sein Herz. Die Hebamme musste ihn zwingen das Kind loszulassen wenn es gestillt und gewickelt werden musste und es schlief des Nachts in einem Bettchen neben dem seinen. Seinen Sohn, dem seine Mutter vor ihrem Tod noch seinen Namen gegeben hatte, beachtete er nicht weiter, seinetwegen konnte das Kind genausogut sterben, denn es war nur ein unerwünschtes Nebenprodukt der Schwangerschaft seines Weibes und er wollte ihm nicht einmal die Pflege einer Amme zugestehen und so kümmerten sich seine Töchter um ihren Bruder, der ihnen bald lieb und teuer wurde. Auch sie scherten sich wenig um den Verlust ihrer weltlichen Güter, hatten sie doch sich und eine von Haus aus zuversichtliche Einstellung zum Leben, reichte es ihnen doch aus anderen Freude zu schenken. So gingen wieder die Jahre ins Land und die beiden Kinder entwickelten sich prächtig. Gavriil, obwohl von seinem Vater verstoßen, wuchs zu einem gesunden Knaben heran und obwohl er nie einen für Säuglinge typischen Speck ansetzte und schlacksig und langgliedrig blieb, lies sein Gesicht bereits erahnen, dass er stets einen asketischen Eindruck machen würde, denn seine Nase hatte bereits einen verwegenen Haken, seine Wangenknochen dominierten sein Gesicht und sein krauses Haar war schwer zu bändigen. Aber so hart sein Gesicht bereits wirkte, so sanft waren seine braunen Augen und er war freundlich zu jedem. Seine Zwillingsschwester Areti hatte im Kontrast zu ihm ein lieblich herzförmiges und volles Gesicht, ihr hingen die Haare wie ein dunkler und lockiger Heiligenschein um das Gesicht und bis auf die Schultern und sie betrachtete die Welt still, aber aufmerksam und mit großen Interesse. Auch sie hatte ein freundliches Wesen und keiner ihrer Schwestern fiel es ein das Kind, das immer wenn es möglich war die Nähe ihres Bruder suchte, mit weniger Zuneigung zu behandeln, nur weil es ihrer Vater Liebling war. Als der dritte Geburtstag der Jüngsten gefeiert wurde, hatten die widrigen Umstände um den Verlust ihres Vermögens die Familie mit nicht mehr zurückgelassen, als dem Haus in dem ihr Vater aufgewachsen war denn die große Villa hatten sie verkaufen müssen, einigen Hennen im Garten, drei Ziegen auf der kleinen Wiese, zweier Schweine in einem Verschlag hinter dem Haus und 5 Morgen Land auf dem sie sich ihre Nahrung anbauten. Trotzdem mangelte es ihnen nicht ernsthaft an etwas, denn obwohl ihre Güter sich verflüchtigt hatten, waren die Leute den wundersamen Töchtern immer noch gewogen und sie verdienten sich durch ihre Künste kleine Taschengelder hinzu, denn mehr wollten sie den Menschen nicht abnehmen, auch wenn ihr Vater sie drängte. Aber da Makis sich sicher war, dass sich nach dem dritten Geburtstag der Zwillinge alles zum Guten für ihn wenden würde, begnügte er sich mit der Aussicht auf goldene Zeiten, Ruhm und Reichtum. Am Morgen des Geburtstages versammelten sich alle in dem kleinen Raum der ihnen als Wohnbereich diente und genossen einen kleinen Festschmaus den die Töchter gezaubert hatten, als Makis in sein Zimmer ging, die Matratze seiner Schlafstatt anhob und die gehegte Schatulle der Hexe hervorholte. Er ging zurück in den Raum in dem seine Familie saß und überreichte Areti die Schatulle, lächelte sie an und sprach, „Spiel, meine Hübsche!“ Das Kind war angetan ob der feinen Schnitzerei auf der Schatulle, öffnete sie und zog eine fein gearbeitete Doppelflöte heraus, die golden zu schimmern schien, wenn die Sonne sie berührte und mit silbernen Beschlägen verziert war. Areti strahlte ihren Vater an und dankte ihm für das schöne Geschenk, aber Makis drängte sie erneut. „So spiel doch, mein liebstes Kind, spiel darauf und verzaubere mich!“ Areti lächelte immernoch, setzte die Flöte an ihre Lippen, setzte unter den neugierigen und gespannten Blicken ihrer Schwestern und ihres Bruders ihre feingliedrigen Finger auf die, mit winzigkleinen geschnitzten Eichenblättern verzierten, Grifflöcher, holte Atem und blies in das Mundstück. ..... Aber nicht ein Ton entwandt sich der Aulos und der Raum blieb stumm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)