Wenn der Mond fällt von Fuega (Die Freiheit der Wölfe) ================================================================================ Kapitel 17: Misha ----------------- - Info - Das ist nicht wie es normal weitergeht :) Ich werde zunächst ein paar Kapitel für verschiedene Charaktere, zumindest Misha und Tarr schreiben, hier wird ein bisschen über ihre Vergangenheit und ihre Beweggründe erklärt - Schnell wirbelte Misha herum, sah den Angriff seines Kontrahenten schon kommen. Er war erfahrener, aber der junge Rüde wusste, dass er ein guter Kämpfer war. Er war schneller, stärker und ausdauernder, nur an Geschick und Erfahrung war der große, weißgraue Rüde ihm überlegen, der ihn aus den goldenen Augen anfunkelte, bereit zum nächsten Sprung. Die anderen Wölfe hatten sich um das kämpfende Paar versammelt und beobachteten sie aufmerksam, die schlanke, weiße Wölfin musterte sie am wachsten mit ihren schlauen Augen, und das gefiel Misha. Es trieb ihn an und motivierte ich, er durfte den Kampf einfach nicht verlieren. Er übernahm den nächsten Angriff und hechtete nach vorne, schnappte ins Leere und drohte mit gefletschten Zähnen, und der ältere Rüde tänzelte geschickt zurück. Feigling. Es hatte lange bis zu diesem Kampf gedauert. Mishas Vater war gestorben, und das Rudel blieb führerlos, bis zu diesem Tag zumindest. Die meisten hatten den weißgrauen Rüden schon längst für den neuen Leitwolf gehalten, und er hatte die Jagd angeführt und blieb immer selbstverständlicher neben der weißen Fähe, die ihm immer seltener gedroht hatte. Und genau dies hatte den jungen Rüden wahnsinnig gemacht. Er mochte die Wölfin, sie war eine starke Führerin, die seit dem Tod seiner Mutter die unbestrittene Herrscherin im Rudel war. Er war mit der Wölfin auf der Jagd gewesen, und es waren einige der besten Tage seines Lebens gewesen. Für sie wollte er Leitwolf werden, nicht für das Rudel, und vielleicht war das sein größter Fehler. Er sammelte sich, und die beiden Wölfe schlichen umeinander wie die Katzen, als der ältere, kleinere Rüde ihn den Kopf in die Seite rammte und zu Fall brachte, völlig unerwartet. Mühsam stand Misha wieder auf, doch er hatte seinen Vorteil schon vertan und der Rest des Kampfes war kurz. Kurz und grausam, und gerecht. Der alte Wolf kämpfte ihn schnell zu Boden, ohne ihn unnötig zu verletzen, doch Misha weigerte sich aufzugeben, und stand erneut auf, um wieder unsanft zu Boden geschmissen werden, vor den Augen der Rudels und vor den Augen von Fae. Und schließlich ergab er sich, bot zitternd die Kehle dar und fühlte sich so schlecht wie noch nie zuvor im Leben. Mit nun demütig gesenkter Rute schlich er davon, wollte keinem anderen Rudelgefährten begegnen, spürte den traurigen Blick von Fae, und lief in den Wald. Er hatte seine Chance vertan. Mit leerem Blick starrte der große, schwarze Rüde in den Kanal. Das Wasser war wieder still, weder der Hund noch die Wölfin waren noch zu sehen. Es war, als hätte die schwarze Nacht sie verschluckt. Er blinzelte, und stand alleine in der Dunkelheit. Er stand, und stand und konnte keinen klaren Gedanken fassen, und begann zu zweifeln, ob dies alles überhaupt passiert war. War es das? Der Wolf schwankte, Blut klebte in seinem Pelz, ja, es war die Wirklichkeit gewesen. Er atmete ein, atmete aus, langsam und sah wieder in die Tiefe. Er war von der Leere erfüllt, es war ihm egal, es war ihm völlig gleich. Noch einmal legte er den Kopf schief, dann drehte er sich um und ging zurück in das Haus, seine Pfoten bewegten sich von alleine, und er legte sich erneut hin, stand wieder auf, drehte sich im Kreis und legte sich erneut hin, ein Nebel hatte sich über seinen Geist gelegt. Eben war da etwas gewesen. Nicht wichtig. Und er schloss die blauen Augen. Erst nach langer Zeit näherte sich Misha dem Rudel erneut und wurde angenommen, doch immer, wenn der neue Leitwolf auf ihn zukam, musste er sich unterwerfen. Er hasste es, doch er wollte nicht gebissen werden, und so unterwarf er sich mal für mal. Einmal wollte er mit Fae reden, die sich den weißen Pelz säuberte, doch der Leitwolf wartete nur auf seine Gelegenheit und richtete ihn erneut übel zu. Der prächtige, starke Wolf war nun mager und das Fell war von Narben durchzogen, doch er lernte es zu ertragen und seinen Stolz zu vergessen, wenn es nötig war. Und es machte die Sache einfacher, der neue Leitwolf vergaß seine Gehässigkeit und begann sich auf Misha zu verlassen, denn er war stark und geschickt und ein treuer Betawolf. Und irgendwann ließ er sogar die heimlichen Treffen von Fae und ihm zu, und beobachtete seine Wölfin mit Trauer in den Augen, Trauer um das, was sie mit ihm nicht teilte. Und doch schien der Winter zu nahen, in der eisigen Welt war der Winter ewig lang und hart, und der Leitwolf ging mit dem Rest des Rudels auf die Jagd in die gefrorenen Wälder, und der Tag war der Anfang vom Ende, wie Misha später zu sagen pflegte. Fae war rund geworden von den Welpen von denen sie trug, dessen Vater keiner im Rudel genau ermitteln konnte, und hatte sich ihre Höhle gegraben und nur eine junge Fähe und Misha bewachten sie im Tal, denn die Welpen waren die Zukunft und das Herz eines Rudels. Doch an dem Tag kam ein Mensch in das Tal, mit dem Geruch von Tod an den Fingern und er trug Wolfspelz. Misha sprang in das Gebüsch, Menschen waren dumm, vielleicht würde er von sich aus verschwinden, blind und taub wie sie waren, aber dieser kannte sein Ziel. Die junge Fähe sprang auf, als der Mensch ihrem Versteck zu nahe kam und das war ihr Ende, es knallte, als würde die Welt in tausend Stücke gesprengt und sie fiel tot zu Boden, ohne dass der Mensch sie auch nur berührt hatte. Entsetzt riss Misha die Augen auf, duckte sich noch tiefer in sein Versteck und betete zu dem großen Rudel und zu der Mutter. Der Mensch legte die Wölfin sorgsam zur Seite und trat zum Eingang der Höhle. Und in dem Moment wusste der Rüde, dass der Mensch ganz genau wusste, was in der Höhle war. Und er nahm seinen Mut zusammen und sprang den Menschen an. Ungelenkt riss er den Menschen mit sich zu Boden, der vor Überraschung schrie und seinen Stock fallen ließ. Misha war für einen Moment verwundert, eben hatte er die Wölfin noch ohne Anstrengung getötet, jetzt war der Mensch schwächer als jedes Beutetier. Langsam zog er die Lefzen zu einem Furcht einflößendem Zähnefletschen zurück, als der Mensch zitterte und panisch seine Waffe an sich zu ziehen versuchte. Blut floss über den Stein, und Misha lief zu Fae, die regungslos in der Ecke lang, und für einen schrecklichen Augenblick hielt er auch sie für tot, doch sie folgte ihm aus der Höhle, hinaus aus dem Tal, zu den anderen, langsam und beschwerlich. Noch am selben Tage wurde der Mensch gefunden, und das Blut und die Spuren der Zähne sprachen Bände. Und die Panik überkam die arme Bevölkerung, und Angst macht die Menschen zu Mördern. An diesem Tag begann die Hölle, denn es war der erste Tag vom Ende für die Wölfe. Die Bewohnung des kalten Landes war arm. Der Krieg hatte das Land der Menschen zerstört und sie überlebten nur durch die Landwirtschaft und das Vieh, und nun hatten sie Angst, nachdem der tote Jäger gefunden wurde. Und man rief das, was man schon hunderte Jahre vor ihnen gerufen hatte. Wolfsjagd. Der alte Alpha führte sein Rudel weit über die Bergkämme, und die Leitwölfin konnte sich nur noch schwer mitschleppen, auch wenn Misha sie immer fiepend und anstieß und weiterschob. Und an einem Morgen wollte sie nicht mehr weiter und sie mussten an diesem kahlen, erstbesten Ort bleiben, an dem sie eine Höhle für die Geburt grub. Das Rudel war unruhig, nichts vergiftet die Wölfe eher als die Unsicherheit und die Fremde, und die immerwährende Panik. Immer wieder liefen die Wölfe durch das Land und suchten nach Menschenspuren und nie fanden sie etwas, und der alte Leitwolf musste lächeln. „Die Menschen sind schwache Beute.“, sagte er herhablässig und kehrte in das Tal zurück, um nach seiner Gefährtin zu sehen, und Misha stimmte ihm zu, als er zum leeren Horizont sah. An einem Frühlingsabend, an dem das Eis in den letzten Sonnenstrahlen glitzerte, lag das Rudel schwach über die Ebene verteilt. Die Hirsche waren rar geworden, und die Wölfe hungerten, bis man ihre Rippen erkennen konnten, und Fae winselte, weil sie ihren Welpen nicht die Energie geben konnte, die sie zum Wachsen brauchten. Noch einige Tage vergingen, und der Alpha nickte Misha zu. Wölfe können lange ohne Nahrung überleben, aber nicht für immer. Und so schlichen sie das Tal herunter und suchten die einzige Beute die sie finden konnten. Wenn ein Raubtier einmal verstanden hatte, wie schwach der einzelne Mensch war, dann wusste es wo es leichte Beute machen konnte, dann brauchte es keine starken Hirsche mehr zu reißen. Der Mensch schrie, doch er schrie nicht lange, bis die Wölfe ihn zur Höhle zogen. Es war kein gutes Fleisch, aber es rettete das Rudel. Doch Wölfe irren sich, weil sie die Menschen nicht verstehen. Menschen mögen langsam sein, aber sie sind manchmal verbissen wie ihre Hunde, und Menschen die Angst haben, wollen töten. Denn sie fanden noch zwei Gerippe von Menschen außer dem ersten, und wieder waren die Spuren eindeutig. Wolfsjagd. Es vergingen noch zwei Wochen, bis die Fae, die Leitwölfin unruhig wurde und sich endgültig in ihre Höhle verzog, dick und behäbig wie sie geworden war unter der Last ihrer Kinder. Die Wölfe waren aufgeregt, Welpen waren das Herzstück des Rudels, der Schatz der Wölfe und es würden ohne Zweifel prächtige Tiere werden. Und in dieser Nacht begann der Sommer, der in der eisigen Welt nach dem Krieg nicht viel wärmer war, als der kälteste Winter. Es sollte der letzte Sommer der Wölfe sein. Der Tag begann mit Schreien, und es war nicht das Rudel von Misha, es könnte jedes Rudel in Russland sein. Die Wölfe starben auf die unterschiedlichsten Weisen, es war Gift, es waren Schüsse, Fallen, Treibjagden, aus dem Helikopter, zu Fuß, sogar auf dem Pferd. Der Tag begann mit Schreien. Er endete mit Blut. Misha wälzte sich im Schlaf, in dem Aufflammen eines Augenblickes dacht er wieder klar und dann sank er wieder in die Erinnerung, in die schemenhaften Welten des Schmerzes und der Vergangenheit. Der alte Alpha starb auf der Flucht, ein Weibchen, zwei junge Rüden, ein Welpe, und er musste sie alle irgendwie führen. Er, der unerfahrener, junge Beta sollte das Rudel vor den Menschen retten, vor dem Chaos und dem sicheren Tod. Die Aufgabe war unmöglich. Bis eines Tages der Hund kam. Und Misha vertraute ihm, denn er kannte die Menschen. Und er würde sie retten mit den Hunden, die eigentlich die Wölfe jagten. Denn dort, wo sich die Hunde und die Wölfe vereinen, da fürchtet sich die Beute. Und so wurde der größte Pakt der letzten Wölfe geschlossen mit den Wolfshunden, und die Russen hatten wieder andere Probleme. Der Krieg schnitt sie von dem Rest der Menschen ab und so begann der Krieg der Wölfe und der Menschen. Der Hund. Die Menschen. Die Wölfe. Misha riss die Augen auf. Nori. Russland. Heimat. Sein Aufgabe, sein Volk. Und er stand auf, auf drei Beinen, blutverklebt und er heulte. Heulte seinen Groll, seinen Triumph, und seinen Schmerz. Nichts würde ihn jetzt noch aufhalten, selbst die Hölle nicht. Und was war schon die Hölle, wenn nicht seine Heimat? Er war einer der letzten Wölfe der Erde. Die Stille wurde zerrissen von dem starken Heulen, das Heulen eines Leitwolfes. Das Heulen eines der letzten Wölfe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)