Musik mit Seele von Ito-chan ================================================================================ Kapitel 1: Musik mit Seele -------------------------- Hier ist endlich meine Wichtelgeschichte für Jana-dit-Milchatom! Liebe Leser/innen! Liebe Jana! Ich hoffe ihr alle habt Spaß an dieser Geschichte. Ich habe mich schlussendlich für ein Original entschieden, weil ich finde, dass Musik echt was tolles ist und ich liebe es darüber zu schreiben, genauso wie ich es liebe zu musizieren. Alle Figuren habe ich frei erfunden, Copyright für Handlung und Figuren habe ich. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist rein zufällig. Liebe Freischalterinnen die Klammer im ersten Absatz ist ein Erzählerkommentar, nicht mein Geblubber. So das war's auch schon ^^ Viel Spaß mit der Geschichte. Alles Liebe Ito Seufzend warf Jeremy den Kopf zurück. Er war erschöpft vom langen Klavierspiel. Schubert, immer wieder und wieder die selben Tonfolgen bis er auch diese vollkommen perfekt beherrschte, dafür sorgte seine Mutter und Managerin hervorragend. Draußen (oder war es doch in der Wohnung unter der ihren?) hörte er laute Punkrockmusik, die zu ihm nach oben schallte. Er lauschte und erkannte einzelne Töne. Jeremy wusste sehr wohl, dass Arthur gerade mit seiner Band probte. Arthur... eigentlich nannten ihn alle Ar, doch Jeremy mochte das nicht, ihm gefiel der adelig klingende Name besser. Aber es ging ihm dabei dann sowieso eher um den englischen Sagenkönig, den großen King Arthur. Jeremy liebte neben Musik, Märchen, Sagen und Schmetterlinge. Leise begang Jeremy die Melodie der Punkmusik mitzusummen. Wie so oft, wenn er das tat, merkte er nicht, dass seine Mutter hereinkam, bis sie sich scharf räusperte: „Du summst schon wieder diesen Müll.“ Sie zischte den Satz bedrohlich. Jeremy zuckte zusammen, als hätte er sich verbrannt, stoppte sofort sein Summen, wobei ihm klar war, dass die Melodie so sehr von Herzen kam, nicht alt und verstaubt war, wie das Stück, dass er seit Stunden bis zur Erschöpfung üben musste. „Entschuldigung“, murmelte er dennoch fast automatisch. „Mir ist klar, dass du erwachsen bist und damit deine eigenen Entscheidungen triffst, aber dieses Subjekt mit den blauen Haaren, macht weder Musik, noch ist er so wie du. Also lerne weiter das Stück. Er ist nicht... schwul. Deine Karriere ist davon abhängig, dass du normal und perfekt bist, also verstehe endlich, wie man so ist!“ Die Stimme seiner Mutter war eiskalt, schneidend und wie immer spukte sie die Worte schwul und normal möglichst nachdrücklich aus. Sie hatte sich von ihm distanziert, als er ihr vor zwei Jahren, da war er gerade siebzehn gewesen, gesagt hatte, dass er schwul war. Seitdem war sie so zu ihm und er hatte das gefälligst zu ertragen. Er nickte auf ihre Worte lediglich und hoffte, dass sie Unrecht hatte. Erneut schallte Schubert durch den Raum, aber sein Herz war nicht dabei. Solange das Klavierspiel eine Pflicht war, hasste er es, wenn er freiwillig spielte, liebte er die sanften Klänge der Melodien. Aber er spielte am Liebsten Improvisationen. Seine Mutter verließ den Raum offenbar zufriedengestellt wieder und Jeremy ließ Schubert leicht in eine Improvisation übergehen. Vor seinem geistigen Auge sah er eine farbenfrohe Blumenwiese, auf der er stand, zusammen mit Arthur, auf dessen Schulter ein dunkler Birkenspinner saß. Auf der Wiese schwirrten die buntesten Schmetterlinge herum. Jeremy erkannte Tagpfauenaugen, Hauhechel Bläulinge. Hortheusspanner. Dukaten-Feuerfalter, kleine Feuerfalter und einige andere Arten, die er sehr mochte. Ein kleiner Fuchs ließ sich auf seiner Hand nieder und er strahlte das wunderbare rotorange Wesen fasziniert an. Die Melodie wurde leichter, sanfter, beflügelter. Der Schmetterling auf Arthurs Schulter erhob sich in die Luft, der strahlende Falter auf seiner eigenen Hand tat es ihm nach. Sie flogen aufeinander zu, trafen in der Luft aufeinander und vollführten einen federleichten Tanz miteinander, den er in der Melodie wiedergab. Arthur ging auf ihn zu und lächelte sanft, die Melodie wurde etwas schwerer, baute Spannung auf. Arthur kam immer näher, in Erwartung schloss Jeremy die Augen und... „JEREMY! Schubert! Nicht Improvisation!“, schrie seine Mutter und er seufzte, begang langsam zu Schubert zurückzukommen. Doch er sehnte sich in seinen Tagtraum zurück. Er war verliebt in Arthur. Seine Mutter hasste diese Vorstellung mehr als alles Andere auf der Welt und er wusste das, dennoch sehnte er sich nach Liebe und Geborgenheit, nach Musik mit Seele und nach Freiheit. Er wollte endlich frei sein, wie dieser Schmetterling, der eben noch auf seiner Hand gesessen hatte. ~*~ Es waren seitdem wieder einige Tage vergangen. Jeremy war erschöpft. Er hatte bis in die Nacht an dem Stück gearbeitet, denn nie befand seine Mutter es für gut genug. Jede Nacht bis weit nach Mitternacht Klavier zu spielen und dann am Morgen um halb sieben wieder am Frühstückstisch sitzen zu müssen, um danach erneut bis nach Mitternacht am Klavier zu sitzen, laugten ihn aus. Langsam glaubte er, dass das Klavier seine Seele fraß. Er nippte abwesend an seinem Kaffee. Seine Mutter hatte das Haus verlassen und im selben Moment war der Flügel verklungen. Er würde wieder anfangen zu spielen, wenn er ihr Auto sah, aber solange würde er die Muskeln entspannen und einen Kaffee trinken, sich zurücklehnen und... von unten drang sie wieder nach oben, die Musik, die eindeutig Arthurs Handschrift trug. Jeremy schloss die Augen und lauschte. Er genoss diese Musik. Leise öffnete er die Wohnungstür, nachdem er die Tasse abgestellt hatte und stellte fest, dass die Melodie ganz nah war. Sie war sicher nur ein Stockwerk tiefer. Also ergriff er den Wohnungsschlüssel und setzte sich auf die Treppenstufen, sodass er nicht gesehen werden konnte, aber auch alles hörte. Die Tonfolgen waren einfach zu summen, einfach zu spielen und sie hatten ein Herz, einen Seele, eine Intensität die Jeremy genoss. Die Bandprobe dauerte leider nicht mehr lange und kurz darauf hörte er im Flur ein Gewirr aus Stimmen, Türen schlagen. Er seufzte, blieb aber sitzen und summte verträumt die Melodie des letzten Stückes. „Na, da hat wohl jemandem gefallen, was wir gespielt haben“, hörte er plötzlich eine warme Bassstimme neben sich. Jeremy zuckte zusammen und sah, als er aufblickte in ein Paar warme braune Augen. Arthurs Augen. Um seinen Mund lag ein bezauberndes Lächeln und ein paar Haarsträhnen seines blauschwarzen Haares hingen ihm wirr und etwas feucht vom Scheiß in die Augen. „Ja, sehr...“, hauchte Jeremy andächtig. „Du bist doch der... Pianist von oben?“, fragte Arthur leise. „Ja... Jeremy...“, er streckte seinem Gegenüber lächelnd die Hand hin. „Ah okay... Ich bin Ar...“ „Ar... und ich dachte nach dem Klingelschild zu urteilen du heißt Arthur“, gab Jeremy frech zurück. „Na ja, meine Freunde nennen mich Ar, meine Mutter sagt Arthur“, bekam er gleich die Erklärung. „Ich finde Arthur schöner, wenn es dir nichts ausmacht würde ich gerne...“, Jeremy brach errötend ab. „Klar meinetwegen gern.“ Wieder ein bezauberndes Lächeln. „Ihr spielt wirklich gut“, nahm Jeremy den Faden wieder auf. „Ich weiß, wir nehmen demnächst an einem Wettbewerb teil, wobei wir was brauchen, um uns abzuheben...“, seufzte Arthur. „Hmm... verstehe und das tut ihr nicht?“, wollte Jeremy wissen. „Nicht wirklich. Uns ist vor drei Wochen unsere Keyboarderin ausgefallen... Na ja, was solls... du hast nen Vertrag oder?“ „Na ja, kann man so sagen... ich spiele, was mir aufgetragen wird, da ist es egal ob es mir gefällt oder nicht, ich muss es halt spielen, wobei ich lieber Improvisationen machen würde.“ „Ah... interessant, dann weiß ich auch endlich, warum ich von oben immer Musik höre, die so gar nicht von Herzen kommt. Nur ab und an dringen dann so ganz sanfte Töne, fast heitere, leichte Melodien nach unten, die aber schnell abbrechen...“ Arthur brach ab. „Ja, ich weiß... ich hasse Schubert und Mozart und Beethoven... Alle starr, alt und verstaubt.“ Jermey lachte. „Ach wirklich? Komisch, ich finde es gar nicht so verstaubt, wenn man es mal auf ner E-Gitarre spielt“, grinste Arthur. „Zeigst du es mir?“, verlangte Jeremy und seine Augen strahlten vor Erwartung. „Klar, komm mit!“ Und schon wurde er hochgezogen und mit in Arthurs Wohnung genommen. Er hatte nicht einmal richtig Zeit sich umzusehen, als er schon in einem der Zimmer stand und erkannte, was es war. „Der Übungsraum. Unsere Wohnung hat kein Büro, aber ein Musikzimmer“, erklärte Arthur. „WOW...“ Es waren Trommeln hier, ein Schlagzeug, ein Keyboard, mehrere Gitarren, ein Bass.... Arthur musste sehr begabt sein. Dann sah er es: Ein Geigenkoffer und an der Wand ein Klavier. Nicht so groß, wie sein Flügel aber auf jeden Fall ein geliebtes Stück. Leicht musste er lächeln. „Wundervoll...“, hauchte er, als er über den Deckel strich. „Wenn du magst begleite mich doch. Die Zauberflöte?“, wollte Arthur wissen. „Sicher, kein Thema.“ Jeremy setzte sich und klappte den Deckel auf, wartete darauf, dass Arthur anzählte und spielte völlig freiwillig ein klassisches Stück. Es ging hierbei nicht um Perfektion, wie bei seiner Mutter, sondern um den Spaß und umso mehr Freude sie beide daran hatten, umso heiterer schien die Melodie zu sein. Er lachte leicht, als der letzte Ton verklang. „Warum lachst du?“, fragte Arthur leise. „Weil mir Musik schon lange nicht mehr so viel Spaß gemacht hat, wie heute.“ Jeremy strahlte ihn an. „Danke.“ Mit diesen Worten fiel er Arthur, der gerade eben seine Gitarre weggestellt hatte um den Hals. „Ach was, gerne.“ Arthur schlang die Arme um Jeremys Taille. Genießend wollte Jeremy die Augen schließen, als er ein ihm wohl bekanntes Geräusch hörte. „Scheiße... sie ist wieder da...“, murmelte er. „Wer?“ Arthur schaute ihn aus braunen Augen verwirrt an. „Meine Mutter... wenn die sieht, dass ich nicht da bin, dann kann ich die Nacht durchmachen. Entschuldige.“ Jeremy stand auf, blieb aber in der Tür stehen, als Arthur im zurief: „Komm wieder bitte!“ „Klar!“ Mit diesen Worten verschwand er und spielte oben gerade wieder Schubert, als seine Mutter hereinkam. „Hast du also entgegen meiner Anweisung Pause gemacht!“, wetterte sie. „Ich war pinkeln“, bekam sie trocken zur Antwort. „Du lügst doch! Da steht eine Kaffeetasse auf der Spüle.“ „Darf ich jetzt noch nicht mal mehr einen Kaffee trinken und auf die Toilette gehen ohne, dass du mir Lügen unterstellst Mutter?“, fragte er leise. „Was auch immer... ich will bis ich dich rufe keine Pausen mehr hören verstanden?“ „Natürlich.“ Er war ja wieder zurück in der Welt, in der es keine heitere Musik gab. Jedoch hielten ihn Arthurs Lächeln, die warme Bassstimme und dessen wundervolle Augen über Wasser, bis seine Mutter verkündete, das Abendessen sei fertig und er dürfe etwas Essen kommen. Wie gnädig von ihr... ~*~ Es dauerte etwas, bis seine Mutter das nächste Mal verschwand, kaum war sie weg, hörte er die Klingel und als er die Wohnungstür öffnete, war es wahrhaftig Arthur. „Hör mal wir proben unten und ich hatte gedacht... na ja... hast du nicht Lust bei uns mal ein bisschen das Keyboard zu quälen?“ Aufgeregt trat der wunderschöne junge Mann von einem Fuß auf den anderen, seine Augen blickten Jeremy erwartungsvoll an und seine Lippen waren halb geöffnet, damit er direkt ein Argument bringen könnte, wenn Jeremy ablehnte. „Gerne“, strahlte dieser aber und griff nach seinem Schlüssel, um Jeremy nach unten zu folgen. Dort wurde er der Band vorgestellt, wie sich herausstellte drei Mädels und Arthur. Anne saß am Schlagzeug und gab den harten Beat besser vor als jeder Mann, Marie spielte Bass und dafür dass sie so klein war, beherrschte sie das Instrument hervorragend und die kleine Jo sang und spielte dabei ganz vernünftig E-Gitarre, genauso ging es Arthur. Jetzt sollte er sich also hinter das Keyboard stellen. Er tat es und stellte fest, dass Noten auf dem Board lagen. „Hat Arthur zusammengestellt, damit du dir die Tonfolgen nicht abhören musst, das dauert zu lange“, erklärte Jo und er grinste. „War klar, dass ihr glaubt ich sei 'n Anfänger.“ Jeremy lachte. Er fühlte sich dazugehörig, auch wenn er nicht wie die Mädels in schwarzen Klamotten rumlief und sich die Haare bunt gefärbt hatte. Ihm war es allerspätestens klar, als er die ersten Töne gespielt hatte, die Mädels waren gut, aber es machte Spaß, jedem von ihnen. Man sah es deutlich. Jeremy selbst fühlte sich leicht, konnte förmlich über jeder anwesenden Person einen Schmetterling schweben sehen. Anna am Schlagzeug wurde definitiv begleitet von einem Hauhechel Bläuling. Das machte er daran fest, dass ihre Haare dessen Farbe hatten und ihre Augen das Leuchten dieses Falters spiegelten. Marie war definitiv ein kleiner Feuerfalter, wie sie mit ihrem feuerroten Haar sehr herausstach und eindeutig zu diesem Falter passte mit ihrer Art. Klein, aber doch mit einer großen Kraft ausgestattet. Jo mit ihren schildernden bunten Haaren und ihrer herausstechenden Art war für ihn definitiv ein Dukaten-Feuerfalter und Arthur ein dunkler Birkenspinner, wie er selbst schon festgestellt hatte. Was er selbst war, das schien auch durch seinen Tagtraum von der Improvisation wieder aufzuleben... Nach der Probe strahlte Arthur ihn an und umarmte ihn freudig. „Danke, das war... wow...“ Er lachte. „Na Ar hast du endlich 'nen neuen Schatz gefunden“, neckte da Marie ihn und Jeremy sah, wie Arthur errötete. „MARIE!“, schimpfte er. „Hey... wir wissen nicht mal, ob Jeremy schwul ist und schon verkuppelt ihr ihn, mit Arthur...“, seufzte Jo. „Bist du's?“, wollte Anna nun wissen und sah ihn aus großen Augen an. Jeremy senkte den Blick. Er machte keinen Hehl mehr daraus, aber das hier war ihm unangenehm. „Sicher ist er's nicht...“, murmelte Arthur und wirkte fast enttäuscht. „Die ehrliche Antwort ist: Ich bin's...“, erklang es dann aber leise von Jeremy. „Ach du...“, Jo unterbrach sich. „Wie niedlich, dann sind wir ja 'ne fünf Mädels Band!“, lachte Anna und fiel Jeremy um den Hals. „Wie, 'ne fünf Mädels Band?“, wollte er dann wissen. „Sie nehmen uns einfach als Männer nicht ernst, weil wir bei Frauengesprächen mitreden können“, erklärte Arthur und grinste schief. „Ach so, dann stimmt es also, dass du...“ Jeremy wurde rot und im selben Moment grinste er. Die Mädels hatten sich also nicht nur, wie er befürchtet hatte einen Spaß erlaubt, sondern hatten ernsthaft vor die beiden zu verkuppeln. Seine Mutter hatte noch gesagt, Arthur sei nicht wie er und jetzt saß er hier und erfuhr, dass genau das der Fall war. Er war versucht leise loszukichern, ließ es dann aber doch. „Jap, tut's...“, stimmte er zu. „Wir gehen dann mal,“ beschloss Jo und zog Anna und Marie hinter sich her nach draußen. „Was'n nü kaputt?“, wollte Jeremy wissen. „Ach... na ja...“ Arthur wurde rot und senkte den Blick. Doch noch ehe er mehr sagen konnte, ging die Tür auf und Arthurs Mutter stand in der Tür. Eine nette, rundliche Dame, die freudig nickte. „Ja Mrs. Berger ihr Sohn ist wirklich hier. Offenbar haben die Jungs gemeinsam musiziert.“ Sie lächelte. „Mist...“, murmelte Jeremy und wollte am Liebsten verschwinden, denn im selben Moment war seine Mutter hinter Arthurs Mutter aufgetaucht und wirkte not amused. „Komm, wir gehen Jeremy.“ Sie wirkte kühl. „Auf Wiedersehen.“ Jeremy hatte keine Wahl und als er wieder oben war, lächelte sie kalt. „Ich hatte dir etwas zu dem Thema gesagt mein Lieber.“ „Ich weiß, aber... aber Musik muss doch von Herzen kommen Mutter... Sie muss lebendig sein, atmen!“, flüsterte er, jedoch wurde er da schon wieder auf den Klavierstuhl gedrückt. „Solange bis ich sage es reicht und das kann eine Weile dauern.“ Damit verschwand seine Mutter und er hörte den Schlüssel im Schloss, wohl wissend, was das bedeutete. Er war eingesperrt und wenn er sich jetzt nichts einfallen ließ, dann blieb er das auch... ~*~ Es schienen Stunden zu vergehen, in denen er am Flügel saß und dieses verdammte Stück von Schubert immer wieder und wieder spielte. Seine Hände schmerzten und immer wieder musste er an Anne, Jo und Marie denken und am Allermeisten an Arthur. Was hatte er ihm sagen wollen? Warum hatte er ausgerechnet ihn gefragt, ob er mit ihnen musizieren wollte? Warum nur, war er bei dieser Musik nur so glücklich gewesen? So viel glücklicher, als bei seiner klassischen Musik, die ihm nur in den Momenten, in denen er improvisierte etwas gab, das man als Freude oder Glück bezeichnen konnte. Er war traurig, so unendlich traurig darüber, dass er hier festsaß. Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass seine Mutter ihn hier einsperrte, aber doch eines der Male, in denen er das Gefühl hatte, Angst haben zu müssen, dass sie ihn solange spielen ließ, bis seine Kraft ihn vollkommen verließ und er wirklich tot am Boden lag. Lange war es her, dass sie ihn bis zur Besinnungslosigkeit hatte spielen lassen und er wusste, dass sie das auch heute tun würde, wenn er nicht acht gab. Wütend schlug er auf die Tasten des Flügels und schlug den Deckel mit einem lauten Krachen zu. „Vergiss es!“, brüllte er das Klavier an und stand auf, ging einige Male durchs Zimmer. „Ich lass mich nicht mehr einsperren, wie ein kleiner Junge!“ Eigentlich wusste er, dass seine Worte erfolglos bleiben würden, aber ihm war noch etwas klar, sobald sie lange genug nichts gehört hatte, würde sie hereinkommen und das musste er ausnutzen. Es verging eine Stunde, dann eine weitere und noch eine. Mittlerweile machte Jeremy sich doch Sorgen. Dunkelheit hing über der Stadt und seine Mutter schloss weder auf noch tat sie sonst etwas. Er musste langsam wirklich etwas essen, geschweige denn noch ganz andere Dinge erledigen. „Lass mich raus verdammt!“, rief er und hämmerte gegen die Tür, aber es geschah nichts. Jeremy war müde und hungrig und vor allem am Ende seiner Kräfte. Nichts, aber auch rein gar nichts konnten ihm jetzt noch helfen, außer seine Mutter ließ ihn raus und die Bedingungen kannte er. Täglich solange Klavier üben, bis sie sagte, dass es reichte, was bedeutete Klassik von morgens um acht bis abends um zehn, dazwischen nur kurze Pausen und so tun, als sei er normal, was ab jetzt auch bedeuten würde: Finger weg von Arthur. Sie würde sicher alles dafür tun, um das zu erreichen. Verflucht, sie finanzierte ihren Lebenswandel von SEINEM Geld, warum ließ er sich von ihr, sein Leben kaputt machen? Er wollte nicht einmal mehr klassischer Musiker sein! Sein Leben sah etwas ganz anderes vor, warum also ließ er sich von seiner verhassten Mutter das Leben so schwer machen? Er seufzte tief, setzte sich gegen die Wand und legte den Kopf auf die Knie. „Verdammte scheiße!“ Jeremy weinte leise. Ihm taten die Hände weh, sein Kopf und seine Glieder waren auch steif, außerdem hatte er verdammten Hunger und Durst. Warum also kam sie nicht, wie sonst immer und holte ihn, wenn er einige Stunden eingesperrt Buße getan hatte? Klick... Was war das? Klick... Wieder das Geräusch, ganz nah... Klick... Am Fenster hatte sich doch was bewegt... Er trat heran und sah draußen in der Dunkelheit jemanden stehen. Zum Glück hatte er seinen Hausschlüssel noch in der Hosentasche, sonst wäre er aufgeschmissen gewesen, denn die Fenster waren nur mit einem Schlüssel weit zu öffnen und einen davon hatte er am Schlüsselbund. Jeremy machte also auf und streckte den Kopf aus dem Fenster. „Jeremy?“, nur ein leiser Ruf. „Ja?“ Es dauerte einen Moment bis er Arthurs raue Stimme erkannte. „Was ist los? Ist sie arg böse?“, kam es leise von unten. „Sie hat mich hier eingesperrt und... ach keine Ahnung... ich komm nicht raus...“ „Soll ich die Polizei holen?“, wollte Arthur wissen. „Nein, aber... ist im Wohnzimmer Licht?“ „Alles dunkel...“, sagte Arthur leise. „Verdammt“, laut stieß Jeremy den Fluch aus. „Was'n?“, wollte Arthur wissen. „Hol mich hier raus, die is echt pennen gegangen ohne mich rauszuholen. Verfluchter Mist...“, schimpfte Jeremy laut. „Und wie krieg ich dich raus?“ „Hiermit... fang...“ Jeremy ließ seinen Schlüssel nach unten fallen. „Einfach aufschließen und dabei möglichst leise sein... diese dämliche Kuh...“ Arthur verschwand im Haus und Jeremy wartete eine ganze Weile, aber nichts geschah. Dann hörte er einen riesigen Tumult im Flur. Seine Mutter kreischte, irgendwelche Männerstimmen waren zu hören und mittendrin rief Arthur aufgebracht irgendwelche Dinge, die er nicht verstand. Dann hörte er den Schlüssel knacken und die Tür ging auf. „Endlich...“, rief er erleichtert. Doch anstatt Arthur, sah er den Hausmeisterssohn in der Tür stehen. „Der hat tatsächlich die Wahrheit gesagt!“ „Wie die Wahrheit?“, fragte Jeremy und sah nebst dem Hausmeister, seiner Mutter, Arthur und dessen Sohn drei Polizeibeamte im Hausflur stehen. „Was geht denn hier ab?“ „Ich habe den jungen Mann dabei gesehen, wie er in eurer Wohnung verschwunden ist und dann deine Mutter schreien gehört, da bin ich rein, hab meinen Sohn die Polizei rufen lassen und na ja, den Rest kannst du dir denken. Ein riesen Tumult. Er hat behauptet, deine Mutter hätte dich eingesperrt und du hättest ihm den Wohnungsschlüssel runtergeworfen, damit er dich rauslassen kann“, erklärte der Hausmeister. „Hab ich ja auch“, sagte Jeremy leise, als ihm klar wurde, dass diese Männer von der Polizei Arthur Handschellen angelegt hatten. „Du hast was? Ich habe gesagt, du übst und nicht du lässt Herumtreiber in unsere Wohnung! Wo ist bitte dein Anstand geblieben?“, wetterte seine Mutter. „Hab ich verloren, als du angefangen hast aus meinem Talent Kapital zu schlagen und mich zu verheizen“, sagte er trocken. „Du kannst dir gleich Morgen einen Job und eine Wohnung suchen. Von meinem Geld lebst du nicht mehr. Du bist gefeuert!“, schrie er seiner Mutter entgegen. „Du kannst mich nicht feuern!“, zischte sie. „Und wie ich das kann! Ich zahle die Miete, dein Gehalt, deinen ausschweifenden Lebensstil und ich verdiene das Geld. Alles was du machst ist Auftritte für mich organisieren und das kann auch ein Profi machen. Du bist entlassen, endgültig. Ich hab die Nase gestrichen voll von dem Gelaber, dass ich es nur weit bringe, wenn ich rund um die Uhr spiele, wenn ich möglichst normal bin und immer freundlich lächle. Ich will endlich normal sein, aber das kann ich offensichtlich nicht, wenn du in meiner Nähe bist Mutter, also bist du entlassen!“ Seine ganze Wut entlud sich in einem Schlag und er seufzte erleichtert. „Und was machen wir jetzt mit ihm hier, Ihre Mutter hat gemeint, er sei ein Einbrecher und wolle sie bestehlen“, wollte einer der Polizisten wissen. „Nehmen Sie ihm die Handschellen ab. Den Schlüssel hat er von mir und damit hatte er auch meine Erlaubnis. Wobei... meine Managerin hat sich doch der Freiheitsberaubung schuldig gemacht indem sie mich eingesperrt hat oder?“, fragte er und grinste frech seine Mutter an. „Das wagst du nicht...“, fing sie an. „Ich würde dann gerne Anzeige erstatten...“, sagte er ruhig. „Natürlich...“ Der Polizist lächelte und legte nachdem er Arthur befreit hatte, Jeremys Mutter die Handschellen an. „Ihre Aussage können Sie immer noch Morgen zu Protokoll geben.“ „Danke.“ Jeremy lächelte und sah dabei zu, wie seine Mutter unter zettern und schreien abgeführt wurde. Er wartete noch bis der Hausmeister und sein Sohn ebenfalls abzogen waren, bis er Arthur um den Hals fiel. „Danke, danke, danke... ohne dich wär ich immer noch da drin.“ „Du zitterst ja...“, sagte Arthur nur leise und strich ihm über Haar und Rücken. „Ich hab auch tierischen Hunger und Durst und...“ Beschämt senkte er den Kopf. „Geh mal erst ins Bad, ich überfall eure Küche und schau, was ich für dich machen kann ja?“, lachte Arthur. Das freche Grinsen zierte wieder sein Gesicht. „Mach du... wenn du was findest...“ Jeremy lächelte matt. Als er zehn Minuten später die Küche betrat roch es himmlisch. Arthur stand am Herd und rührte munter in einem Topf herum. Auf dem Herd bruzelte etwas in einer Pfanne und irgendwas köchelte vor sich hin und das alles in nur zehn Minuten. „Das riecht ja toll...“ Jeremy trat von hinten an Arthur heran und lehnte sich dann gegen die Anrichte. „Hab nur gedacht, wenn schon, dann auch richtig. Dein Kühlschrank ist aber jetzt auch leer.“ Er lächelte beschämt. „Da war einfach nicht viel drin.“ „Ach passiert halt...“ Jeremy lachte. „Ich geh dann einfach Morgen einkaufen... wobei... begleitest du mich?“ „Klar gerne und davor gehen wir bei der Polizei vorbei.“ Arthur schwieg einen Moment. „Sag mal, wie fühlt es sich eigentlich an die eigene Mutter anzuzeigen?“ „In dem Fall richtig gut... Ich mein sie hat mich verheizt, mich gezwungen mich selbst zu verleugnen und mich eingesperrt, wenn mir der Sinn nicht nach dem Klavier stand. Es tut mir also sehr gut, sie mal eingesperrt zu wissen. Heute... sie hätte mich da drin solange eingesperrt gelassen, bis sie sich überlegt hätte, dass es mal langsam an der Zeit währe mich ins Bad zu lassen, damit ich nicht anfange zu stinken und mir was zu essen zu geben, nur um mich danach wieder einzusperren. Sie wollte alles, nur keinen schwulen Sohn und das hat sie mir in den letzten zwei Jahren noch deutlicher gezeigt, als ehedem.“ Jeremy seufzte leise und drehte sich zum Schrank um, um zwei Teller, Besteck und Gläser herauszunehmen. Jeremy deckte gerade den Tisch, als Arthur leise sagte: „Das tut mir Leid. Ich... ich wusste nicht, dass du so leben musst...“ „Ich bins gewohnt... Ich spiele Klavier, seit ich drei bin. Mein Dad hat es mir beigebracht und bis ich dreizehn war, war auch alles okay. Nur dann hatte Dad diesen Unfall und hat's nicht geschafft und Mum... na ja... sie hat das verändert. Sie war strenger zu mir, wollte dass ich immer noch besser werde, als ich sowieso schon war und dann hat sie schlussendlich dafür gesorgt, dass ich mit sechzehn einige Engagements bekam. Sie hat das Management gemacht und ich habe gespielt, aber da hat sie mich schon eingesperrt und unter Druck gesetzt. Es war meine persönliche Hölle. Vor zwei Jahren hab ich ihr gesagt, dass ich schwul bin und meine Hölle wurde noch schlimmer... Aber... dank dir und dieser unglaublichen Musik hab ich heute den Mut gehabt, sie zu feuern und... na ja, der Polizei mitzugeben.“ Er lächelte traurig. Arthur goss derweil den Reis ab, den er gekocht hatte und gab ihn in den Topf auf dem Herd, um das ganze miteinander zu verrühren, dann das, was in der Pfanne war – offenbar Hühnchen – zu zerkleinern und ebenfalls in den Topf zu werfen. „Fertig. Reisgemüse mit Hühnchen“, grinste Arthur und stellte den Topf auf einen der Untersetzer auf dem Tisch. „WOW...“ Jeremy starrte zu ihm hoch. „Wenn Mum nicht kann, dann koch ich einfach. Auch für die Mädels. Ist immer ganz lustig.“ „Ah okay...“ Jeremy nahm etwas, kostete und strahlte Arthur an. „Himmlisch...“, rief er aus. Arthur lachte, aß ebenfalls. Sie lachten miteinander und scherzten, hatten Spaß und irgendwann war es ziemlich spät geworden. „Ich sollte dann mal besser gehen...“, meinte Arthur leise und sah Jeremy wehmütig an, während er aufstand. Jeremy sprang auf und meinte schnell: „Du kannst auch hier schlafen... ich mein...“ Jeremy errötete. „Meinst du echt?“, fragte er leise. „Sicher. Ich mein... ich will ja nicht, dass du wieder für einen Einbrecher gehalten wirst...“ Jeremy grinste. „Ach... willst du das nicht?“ Arthur kam ihm ziemlich nahe. „Nein... ganz sicher nicht...“, flüsterte Jeremy. Im nächsten Moment trafen ihre Lippen aufeinander und verwickelten einander in ein leidenschaftliches Spiel, nachdem sie sich zunächst nur zaghaft kennen gelernt hatten. Als sie sich nach einer ganzen Weile wieder voneinander lösten, grinste Arthur und meinte dann: „So, so... ich werd's wohl nie lernen... Man sollte doch nicht mit seinen Bandkollegen zusammen sein...“ „Wie meinste denn das jetzt?“ Jeremy starrte ihn entgeistert an. „Glaubst du etwa, du wirst die Mädels und mich so schnell wieder los? Also mich schonmal gar nicht, denn wenn ich mich einmal verliebe, dann will ich auch was davon haben...“ Er lächelte sacht und strich Jeremy sanft über den Rücken. „Nicht nur du...“, bekam er zur Antwort und wurde gleich noch einmal geküsst. Es machte einfach zu viel Spaß einmal im Leben glücklich und verliebt zu sein... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)