Dream like a child von Phoenixfedern (1. Kapi on ^^) ================================================================================ Prolog: -------- ~Ich bin der älteste, lebende Vampir auf der Welt.~ --------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Wenn man durch die Augen eines Kindes die Welt betrachtet, ist sie einfach und simpel. Man sieht nur die schönen Dinge im Leben und weiß nichts von dem Bösen im Menschen. Wenn man dann älter wird, wird auch die Sicht klarer. Man beginnt zu begreifen, die Wahrheit zu sehen und schließlich stellt man Fragen. Viele… unbeantwortete Fragen… “Wer ist die Quelle… dieses ganzen… Übels?” “Du leidest, wenn du tötest… Du hast das Gefühl, du verdienst den Tod und hältst dich dennoch nicht zurück… Aber bist du deswegen böse? Oder bist du, weil du begreifst, was Güte für dich heißt, deswegen vielleicht… gut?” “Dann gibt es also nichts?” “Möglicherweise… Oder möglicherweise ist das, das einzig wirklich Böse, das es noch gibt.” “Dann existiert Gott also nicht?” “Ich weiß nicht das Geringste über Gott… oder dem Teufel. Ich hatte niemals weder eine Vision noch erfuhr ich ein Geheimnis, weder zur Verdammnis noch zur Rettung meiner Seele. Eines dürfte feststehen… Nach 3000 Jahren… ich bin der älteste… lebende… Vampir auf der Welt.” ~Voltera, 1000 v. Chr.~ Ein schweres Zeitalter für alle Menschen in Italien. Der Adel unterdrückte das Fußvolk und hielt sich Sklaven von anderen Nationen, die in Kämpfen im Collosseum meist ihr Leben ließen. Hungersnöte und Kriege waren hier keine Fremdwörter geworden. Es wurde teil ihrer Kultur, teil ihres Lebens und des Alltages. Arm… Reich… Leben… Tod… Krieg… Frieden… Blut und Verzweiflung. Schon oft waren Soldaten fortgegangen, doch niemals zurückgekehrt. Sie ließen ihr Leben für ihr Vaterland. Sie starben für Caesar. Einige hatten jedoch Glück. So wie es immer im Leben war, gab es zwei Seiten der Medaille. Dort war der Adel, der geschützt von jeglichen Stress oder Schmerz in ihren Palästen zu Mittag schmausten, während der Glockenturm auf dem großen Platz zwölf Mal seinen Klang erschallen ließ. Dem Adel ging es zu der Zeit sehr gut. Wie sollte es auch anders sein, wenn einem die Sklaven jeglichen Wunsch von den Lippen ablasen und einem alles brachten, was man begehrte. Dann war da noch das Fußvolk, die Bauern oder die normalen Bürger, die den Luxus des Adels eher weniger genießen konnten. Ihr Leben bestand aus Arbeit. Aus Arbeit für den Staat… für das Überleben anderer. Ihr Leben bestand auch aus Schmerz… Schmerz, wenn der geliebte Sohn oder Ehemann nicht vom Schlachtfeld wiederkehrte… Aus Verlust, wenn das Heim Opfer des Feuers oder der Naturgewalten wurde. Ihr Leben war nützlich… jedoch ersetzbar. Das Leben des Adels war eher nutzlos… jedoch wagte niemand zu behaupten, sie seien ersetzbar. Mir war das Leiden des Krieges erspart geblieben, jedoch vermag ich nicht zu sagen, dass ich von der verbotenen Frucht des Luxus’ genascht hatte. Mein Leben war weder arm noch reich. Ich hatte einen Schlafplatz und doch kein Heim. Ich bekam Speis und Trank, wurde jedoch nicht satt, behielt den Durst bei. Ich trug Kleidung am Leib, jedoch gehörte sie nicht mir. Ich lebte, aber nicht für mich. Ich lebte, um zu dienen. Das war meine Bestimmung. Oft sehnte ich mich nach dem Tod. Das wusste ich jetzt. Doch damals? Welch großer Verlockung war ich unterworfen, genau den Grad zwischen Leben und Tod zu wählen. Manchmal galt mein Wunsch zu sterben, jedem, der mir begegnete. Niemand erhörte mein Beten. Mein Flehen. Ich war dazu verdammt zu leben, bis ein anderer entschied, mir mein Leben zu nehmen. Doch wer würde schon einen treuen Sklaven töten? Oft habe ich versucht, mich den Befehlen meines Herrn zu widersetzen, die Regeln zu brachen, die mir gegeben waren. Doch nenne es ein gutes Herz, ich tat es nicht. Ich achtete die Regeln. Ich bewunderte noch mehr die Strafen. Mit jedem Peitschenhieb, der auf nacktes Fleisch traf, bekam ich beim bloßen zusehen eine Gänsehaut. Regeln ordneten die Welt. Wer die Regeln brach, wollte Unruhe stiften. Wer Unruhe stiftete, musste bestraft werden… Ich kannte kein anderes Leben, als das eines Sklaven. Als Kind machte ich mir weniger Gedanken darüber. Es kümmerte mich einfach nicht. Man lebte einfach, sah durch die Augen eines Kindes. Naiv und unschuldig. Selbst die kleinsten Dinge waren groß und atemberaubend schön. Als Kind hatte man es… einfach. Das Leben war nicht so schwierig… Man tanzte zu einer Melodie, die nur Kinderohren vernehmen konnten, so leicht und unbeschwert, wie eine Feder im sanften Frühlingswind. Doch dann wird man älter. Es ist so, als würde man aus einem Traum erwachen. Aus einem Traum hinein in die Realität. Man sah nun das Leiden auf den Straßen. Sein eigenes Leiden im Palast. Man erkannte schlagartig, dass das Leben unfair war… und einem keine Wahl gelassen wurde. Man hatte nie eine Wahl… “Aro. Bring mir einen Krug Wein.” “Ja, Herr…” Knapp verbeugte ich mich vor meinen Gegenüber, der auf einer Liege Platz gefunden hatte und beabsichtigte, seine Mahlzeit einzunehmen. Natürlich durfte dabei Wein nicht fehlen. Ich erinnerte mich jedoch an keine mögliche Stunde, wo ich den Herrn ohne Wein gesehen haben mochte. Aber so etwas auszusprechen, stand mir nicht zu. Meine langen, tiefschwarzen Haare waren wie jeden Tag zu einem Zopf gebunden, damit sie mich nicht bei meiner Arbeit störten. Jedoch war es unvermeidbar, dass sich einige Strähnen aus der Fessel lösten und mir zart ins Gesicht fielen. Dieses schmückte kein Bart. Zwar war ich alt genug dafür, jedoch stand mir dieses Zeichen von Macht nicht zu. Meine Haut hatte steht’s rein zu sein. Meine grauen Augen waren auf dem Boden gerichtet. Einen Mamorboden. Ich musste hoffentlich nicht erwähnen, dass selbst die Wände aus diesem kostbaren Stein gefertigt waren? Er repräsentierte schließlich Macht… und zeigte, dass mein Herr reich war. “Aro! Der Wein!” Die Augen meines Herrn lagen nun unangenehm auf meinem Haupt, jedoch wagte ich es nicht, der Schwäche nachzugeben und zusammenzuzucken. Selbst als Sklave besaß ich noch so etwas wie Stolz! Oder so etwas ähnliches… Erneut deutete ich eine Verbeugung an, nun aber mit den großen Unterschied, dass ich wirklich den Weg zur Küche antrat und nicht wie angewurzelt stehen geblieben war. Auf meinen Weg dorthin begegnete ich anderen Sklaven… jedoch durchaus weiblicheren Sklaven, die mich mit einem zaghaften Lächeln ansahen und mich mit ihren Blicken verfolgten. Ich war von Natur aus eher blass. Egal wie lange ich schon draußen gearbeitet hatte, meine Haut wollte keinerlei braune Farbe annehmen. Zusammen mit den schwarzen Haaren und den grauen Augen gab das ein schönes Bild ab. Vielleicht fanden mich deswegen die Frauen so schön. Ich war recht groß. Nach heutigen Maßstäben sicher um die 1,90 m. Durch die viele anstrengende Arbeit, kennzeichneten Muskeln meinen gesamten Körper. Jedoch gerade einmal so viel, dass es mir noch möglich war, sie unter meiner Kleidung zu verstecken. Die Küche war eher klein, besaß jedoch alles Notwendige, um den Herrn zufriedenzustellen. Eine Art Kammer diente als Kühlschrank. Dort lagerten wir diverse Sorten Fleisch oder andere Lebensmittel in großen Haufen von Trockeneis und Salz. Beides half dabei, die Sachen haltbar zu machen. Über dem offenen Feuer in der Ecke gegenüber, kochte schon in einem Eisenkessel ein Süppchen als Vorspeise. Der angenehme Geruch von Kräutern gelang in meine Nase. “Wein?” Ich nickte bloß auf Frage der Köchin und ein kleiner Junge hastete sofort davon, um kurz darauf wieder mit einem Krug zurückzukehren. Er lächelte mich verschmitzt an und reichte mir das Objekt. Meine Hand legte sich kurz auf sein zerzotteltes Haar und erwiderte das Lächeln. Er war noch jung und voller Eifer. Dies sollte man fördern, solange es noch existierte. Ich wandte mich ab und lief wieder durch die Mamorflure, die mit Statuen jeglicher Form und Motiv und ausländischen Pflanzen geschmückt waren. “Warum hat das so lange gedauert?! Soll ich dich den Löwen zum Fraß vorwerfen?! Willst du das?!” Er droht dir nur.. Er macht es nicht wahr… //Ich weiß… Leider…// Mit einem höflichen Lächeln schüttete ich ihm etwas Wein in das Becherglas. Wie es wohl wäre… //Der Tod? Erlösend… Der Tod wäre erlösend… Nicht so schwer wie dieses Leben…// Was wäre, wenn ich dir ein anderes Leben schenke? Ein besseres. Ein Leben mit Macht… Oh ja, du wirst sehr mächtig sein… und du wirst auf ewig leben. Eine Ewigkeit zwischen Leben und Tod. Himmel und Hölle. Du wirst aussehen, wie ein Mensch, doch du wirst keiner mehr sein. Du bist nicht am Leben und doch nicht tot. //Wie?// Mit Schmerzen. Kapitel 1: ----------- Zunächst glaubte ich, ich sei verrückt geworden, als ich die Stimme in meinen Kopf hörte, dann zog ich eine Erscheinung in Betracht. Hatten die Götter mich erhört? Wollten Sie mich von meinen Qualen befreien? Bei diesen Gedanken musste ich schwach lächeln, während ich den Platz mit den großen Brunnen hinter mich ließ und in die nächste Gasse verschwand. Jemand, der sich in Voltera nicht auskannte, würde sich ohne große Probleme verlaufen. So jemand wie ich, könnte selbst blind den richtigen Weg finden. Nun wusste ich selbst nicht, was mein Ziel war. Ich wurde von unsichtbaren Fäden gezogen. Es zog mich zu sich. Was auch immer Es war. Ich merkte erst jetzt, dass sich mein Herzschlag beschleunigt hatte und ich und so schnell ging, dass ich beinahe über meine eigenen Füße stolperte. Links, rechts, geradeaus und wieder links. Abrupt blieb ich stehen. Ich war da. Das spürte ich einfach. Meine Augen huschten umher, auf der Suche nach dem Unbekannten. Ich war in einer Gasse gelandet, wo es ein Café gab. Ansonsten nur Türen und diverse Fenster mit Blumenkästen. Nichts… besonderes. Oder außergewöhnliches.Zukunft wird Vergangenheit sein. Und Gegenwart dein Fluch. Willst du immer noch ein anderes Leben, mein Freund? Ich wirbelte herum, sodass die Spitzen von meinen Pferdeschwanz mir ins Gesicht peitschten. Hektischer sah ich mich um. Doch ich konnte niemanden die Stimme zuordnen. War ich vielleicht doch verrückt geworden? Nein, du bist nicht verrückt, Aro… Vielleicht kurz davor, Jedoch noch nicht ganz. Nun langsam wurde ich doch etwas angenervt. Dies kam nicht schnell und oft vor, aber… man! Es war so, als würde man jemanden von einer süßen Frucht kosten lassen und sie dann so platzieren, das man sie sehen, aber nicht erreichen konnte. Ein schöner Vergleicht. Ich wusste nicht, dass du ein Poet bist. Aber vielleicht steckt wirklich mehr in dir, als bloß ein Sklave. Ich schnaubte auf, sah mich immer wieder um. Immer noch nicht. “Zeig dich…” Eine gefühlte Ewigkeit passierte gar nicht, während meine Augen immer wieder durch die Gasse huschten, auf der Suche nach irgendetwas. Irgendetwas… unnormales. Erschrocken riss ich die Augen auf, stolperte zurück und knallte gegen die nächste Häuserwand. Mein Herz klopfte unangenehm gegen meine Brust, so als wollte es sich am Liebsten losreißen und davonlaufen. Ein Mann war urplötzlich vor mir aufgetaucht. Nun strahlte sein gemeines Grinsen mir entgegen, bevor er sich durch sein weißes Haar strich und seinen schwarzen Mantel glättete. Amüsiert blitzten seine Augen auf. Rote Augen… “Nun?” Seine Stimme war tief, glich einem Bass, sodass sich eine Gänsehaut auf meinen Körper ausbreitete. “Sie haben mich erschreckt…” Ich atmete tief durch. “Was hast du erwartet?” Der Mann lachte. “Nebel? Rauchschwaden? Vielleicht aufsteigende Raben bevor ich auftauche?” Er machte sich über mich lustig. Na toll. “Oder vielleicht Feuer? Oder-” “Schon gut, ich hab’s kapiert!” Der Mann lachte erneut. Ich runzelte nur leicht die Stirn, schaffte es endlich, mich von der Hauswand zu lösen. Wer war diese komische Gestalt? Diese roten Augen ließen mich nicht mehr los. Am Liebsten wäre ich wieder zurückgezuckt, jedoch war es zu spät. Der Mann vor mir packte mein Kinn und zog mein Gesicht näher an seines heran. “Wer ich bin? Rate… Ich gebe dir aber einen Tipp… Ich bin alt. Sehr alt. Multiplizier irgendeine Zahl mit der Unendlichkeit, erweitere es um die Ewigkeit und du hast den Hauch einer Ahnung wovon ich spreche.” Nur ein Wort schoss mir bei diesen Worten durch den Kopf. Gott. Hier stand wahrhaftig ein Gott vor mir. Nichts anderes konnte so alt sein und noch so alt werden. Augenblicklich war ich noch nervöser. Also waren meine Gebete wirklich erhört worden! Doch der Mann verdrehte nur genervt die Augen. “Mach dir nicht ins Hemd. Ich bin kein Gott. Auch kein Teufel. Mit den beiden hab ich nichts zu tun. Ich bin in einer anderen Branche.” Er beugte sich vor, nah an mein Ohr. Die nächsten Worte hauchte er bloß. “Ich bin der Tod.” Der Tod… Aber war der Tod nicht auch ein Gott? “Eine irrtümliche Annahme. Mich kann man nicht definieren. Ich bin einfach der Tod. Mit Gott oder dem Teufel habe ich nie ein Wort gewechselt. Ob sie existieren, weiß ich genauso wenig. Ich nehme lediglich das Leben von dieser Erde.” “Und wohin… gehen die Seelen?” Ich schluckte leise. Wenn es wirklich keine Götter geben sollte… dann auch keine Unterwelt. Und ohne Unterwelt… Desinteressiert zuckte der Tod mit den Schultern. “Es interessiert mich nicht. Vielleicht verschwinden sie ins Nichts oder sonst wohin. Wie gesagt, dass ist nicht mein Aufgabengebiet.” Langsam ließ er mich wieder los, trat einen Schritt zurück, um mich genauer zu betrachten. “Ja, du bist perfekt dafür. Du wirst es überleben, da bin ich mir sicher.” Mir wurde das ganze unangenehm. Hier war etwas faul. Für was war ich perfekt? Bei was würde ich nicht sterben? Und was passierte, wenn das Gegenteil der Fall war? “Dann ist das natürlich ein Jammer. Nun, ich muss zugeben. Dieses Projekt ist noch recht neu und unerprobt. Aber irgendwo muss man ja den Anfang machen, nicht? Und sehe es doch mal positiv. Selbst wenn du stirbst… dann haben halt die…” Er lachte kurz und ahmte mit seinen Zeige- und Mittelfinger Anführungszeichen nach. “…Götter… deine Flehen erhört und dich von diesem Leben befreit.” Ich atmete tief durch. Besserwisser. “Und wozu das Ganze?” Der Tod schmunzelte. “Aus Langeweile, weswegen sonst? Mit der weile wird die Ewigkeit langweilig. Und irgendwie muss man sich die Langeweile vertreiben. Entweder man macht so etwas wie ich, oder man fängt an, seinen Staat zu grünen, Untertanen zu suchen und Regeln und Gesetze durchzusetzen. Mein Vater hat das mal ausprobiert. Aber es hat nicht geklappt. Die Menschheit war dafür noch nicht reif.” Er zuckte kurz mit den Achseln. “Ich wollte mal was anderes probieren und tada. Da kam mir die Idee. Toll, nicht?” Ich schenkte ihm ein halbherziges Lächeln. Ja, ja… Ganz toll. Aber einerseits… Wenn er mir ein besseres Leben schenken könnte… “Und was genau… wie soll das ablaufen?” Er klopfte mir auf die Schulter. “Das wirst du noch spüren. Aber ein Hacken hat die ganze Sache. Ich werde dir deine Erinnerungen an dein altes Leben nehmen. Du wirst nur wissen, wie du zu dem geworden bist, was du sein wirst. Möglich ist es, dass ein, zwei Sachen hängen bleiben, aber mach dir keine großen Hoffnungen.” Ich verlor also auch noch meine Erinnerungen… Wunderbar, wann ging’s los? Der Tod lachte erneut. “Humor hast du ja, das muss man dir lassen. Wenn du willst… Ich bin bereit. Es kann hier und jetzt losgehen.” Ich stockte, überlegte und nickte schließlich. Alles war besser als dieses Leben. Alles. Langsam schloss ich die Augen. Das Letzte, was ich in meinem alten Leben spürte, war der Lufthauch, der von der Hand des Todes ausgelöst worden war. Dann war da nur Schmerz. Endloser Schmerz. Und Leere. Schwarze Leere. Ich fiel… Ich schnappte erschrocken nach Luft, wie ein hilfloser Fisch am Land, jedoch versprach das Füllen meiner Lungen keinen befriedigenden Effekt. Aber sollte das nicht so sein? Ich war mir nicht sicher. Unsicher öffnete ich die Augen. Zuerst war alles verschwommene Konturen. Schwarze Dinge ohne Form oder Farben. Ein warmer Windhauch glitt über meine Haut. Der Schmerz. Er war weg. Nun war da ein anderes Gefühl. Ein Brennen in meiner Kehle. Ich hatte Durst… Ich versuchte weiter angestrengt meine Umgebung zu erkennen. Wo war ich? Was war das für ein Ort? Und wie kam ich hierher? Egal, wie sehr ich mich anstrenge, keinerlei Erinnerungen waren in mir enthalten. Ich kniff die Augen zusammen, massierte mir kurz den Nasenrücken, in der Hoffnung, dass die aufkommenden Kopfschmerzen wieder verschwinden würden, um dann wieder meine Augen zu öffnen. Nun war das Bild klarer… Nein! Es war messerscharf. Ich konnte sehen, wie Sandpartikel durch die Luft flogen. Das detailscharfe Bild irritierte mich und als ich mich aufsetzen wollte, wurde mir schwindelig. Es war Nacht… Alles war dunkel und doch so sichtbar wie am Tag. Auch mein Gehör war scharf. Ich hörte alles. Vom Summen einer Fliege bis hin zum Schnarchen eines Mannes, der einige Straßen weiter wohnte. Was war das für eine Welt? Sie wirkte so irreal… Und mein Durst wurde immer schlimmer… Ich musste ihn dringend stillen, damit ich nicht verrückt wurde. Noch unbeholfen, wie ein neugeborenes Fohlen, zog ich mich irgendwie auf die Beine, die unter Belastung meines Gewichtes gefährlich zu schwanken begannen, sodass ich mich schließlich wieder an der Felswand neben mir festhielt. Was war mit mir los? Mein ganzer Körper schien nicht auf mich hören zu wollen, als unterliege er einer anderen Macht. Einer Macht, die stärker was als ich. Eine Gier… aber nach was? Ich befürchtete, dass ich dies schnell genug herausfinden würde. Langsam stolperte ich vorwärts, auf der Suche nach etwas, was meinen Durst stillen würde. Ich brauchte sicher Wasser. Mit Wasser stillte man doch den Durst, oder nicht? Ich keuchte. Das Kratzen wurde unerträglich. Das Brennen war unerträglich. Meine Atmung wurde schwerer, so als wäre mein Körper auf Entzug. Ich brauchte es dringend. Sofort. Plötzlich -ich wusste nicht woher- drang ein wunderbarer Duft in meine Nase, sodass mir das Wasser im Mund zusammenlief. Egal, was das war… Ich war mir sicher, dass es köstlich schmecken würde. Ich lief weiter, vom Duft weitergetrieben und gezogen. Mein Weg führte mich durch diverse Gassen dieser Stadt. Eigentlich konnte es nicht sein, dass ich schon einmal hier gewesen war, aber so vieles kam mir hier bekannt vor. Etwas in mir drin sagte mir, dass das hier meine Heimat war. Hier gehörte ich hin und hier würde ich auf ewig bleiben. Ich bog um die nächste Ecke, um im selben Moment zu erstarren. Der Duft war mit der Zeit stärker geworden, hier auf diesem Platz war er am intensivsten. Und nun wusste ich auch, wem dieser Geruch zuzuordnen war. Einer Frau… Langsam wagte ich mich näher, von meinem Instinkt gehetzt, dort die Befriedigung meines Durstes zu finden. Sie war ziemlich hübsch, besaß welliges, braunes Haar, das wie Seide ihr Gesicht umrahmte. Ihr dunklen Augen schiene wegen der milchweißen Haut fast schon schwarz zu sein. Nach ihrer Kleidung zu urteilen, war sie bloß ein Sklave. Und auch die roten Striemen auf ihrer Haut zeugte von vielen Bestragungen. Meine Hand streckte sich nach ihr aus. Als sie mich sah, wich sie erschrocken zurück. Ihre Augen waren leicht geweitet, sodass ich ihre Angst darin lesen konnte. Hatte sie etwa Angst vor mir? Ihr Puls steigerte sich ins unermessliche, ihr Blut wurde immer schneller durch ihre Venen gepumpt, intensivierte den köstlichen Duft. “Sh…”, lächelnd sah ich sie an, entblößte dabei eine Reihe makelloser Zähne. “Ich werde dir nicht weh tun. Ich werde… ganz vorsichtig sein.” Sie schüttelte immer wieder den Kopf. Bevor sie sich abwenden und wegrennen konnte, fühlte ich ihren Arm federleicht in meiner Hand. Ihre Haut war kochendheiß, aber das war es nicht, was mich so sehr irritierte. Bilder prasselte auf mich ein. Viele Schnappschüsse aus einem Leben, das nicht meines war. Wieso hörte ich so viele Dinge, die ein anderer Mensch gedacht hatte? Wieso sah ich das alles? Schmerz, Glück, Verzweiflung. Bestrafungen, Liebe, Vergewaltigungen. Ich kniff die Augen zusammen. “Hör auf damit! Was machst du mit mir, du Hexe?”, knurrte ich, sah die Frau vor mir nun voller Hass an. Als letzte Erinnerung sah ich mich selbst aus der Sicht der Frau. Ein Monster. Der Durst überkam mich erneut. Dann war da nur noch ein Schrei… und keine weiteren Erinnerungen in der Nacht. Ich merkte schon bald, dass ich nicht zu schlafen brauchte. Selbst als ich mich bewegungslos hingelegt und gewartet hatte, war ich keinerlei Traumwelt eingetaucht. Ein Vorteil hatte das Rumliegen aber dennoch gehabt. Ich hatte eine Zeit nachdenken können. Was auch immer ich nun war, ich brauchte Blut, um meinen Durst und das Brennen in meiner Kehle zu stillen. Zudem habe ich festgestellt, dass es mir nichts ausmachte zu töten. Aus dem Blickwinkel der Frau habe ich meine blutroten Augen gesehen. Ich konnte mich zwar nicht an meine alte Augenfarbe erinnern, ich wusste jedoch, dass sie sich verändert hatte. Meine Haut war eiskalt, deswegen kam mir die Frau so heiß vor. Ich war steinhart und unglaublich stark, deswegen hatte ich weder Gegenwehr noch die verzweifelten Kratzversuche gespürt. Aber was ich noch nicht wusste, wieso ich ihre Gedanken hatte lesen können. Entweder es war… eine Begabung… oder es hatte nicht an mir gelegen. Seufzend lehnte ich an einer Wand, die sich in der Nähe des Platzes mit dem großen Brunnen befand. Ich war schon oft hier gewesen und hatte diesen Ort oft aus den Fenster eines dieser Gebäude gesehen. Hier irgendwo hatte ich gewohnt. //Mit der weile wird die Ewigkeit langweilig…// Das waren nicht meine Worte gewesen, aber ich glaubte zu wissen, sie von jemanden gehört zu haben. Die Ewigkeit war also meine Zukunft. Jedenfalls nahm ich das an. Oder hatte dieses Leben auch bald ein Ende? Mein Blick glitt weiter über den Platz. Ich befand mich im Schatten, während vor mir der Markt im vollen Gange war. Viel Getuschel drang in mein Ohr. Sie redeten über die Nacht meines Erwachens. Dass eine Frau von eine Art… Tier umgebracht worden war. Ich hatte die Leiche unachtsam liegen lassen. Das nächste Mal war ich schlauer. Was ich am wenigsten brauchte, waren Menschen, die auf mich aufmerksam wurden. “Aro! Du nichtsnutziger Idiot! Denkst du wirklich, mir würde dein Fehlen nicht auffallen?! Wo warst du?! Willst du, dass deine Schwester geopfert wird?!” Mein Blick glitt zur Seite. Wer war dieser Mann? Und wieso kannte er mich? “Ich habe keine Schwester.” Glaubte ich zumindest… “Willst du mich ärgern?” Der etwas rundliche Mann begann angespannt zu zittern. Alles in Allem machte er keinen unheimlichen Eindruck. “Dieser… Markus oder wie der Kerl heißt, kauft sie mir bald ab. Um sie zu heiraten.” Etwas in mir regte sich. Ich kannte diese Frau vielleicht und diesen Mann vielleicht gar nicht. Aber das gefiel mir nicht. “Sklaverei ist schändlich.” “Und du hast eine Tracht Prügel verdient!” Der Mann sah sich hektisch nach einem Sklaven um und verlangte nach einer Peitsche. //Wer die Regeln brach…// Mein Mundwinkel zuckte. Man konnte mich nicht verletzen. Das wusste ich jetzt. Genau aus diesem Grund interessierte es mich nicht, was der Pummelige tat. Meine Gedanken drifteten zu diesen Markus. Also wenn die Kleine meine Schwester war, musste ich sie befreien und verhindern, dass dieser Kerl ihn bekam. “Caius, wo ist die verdammte Peitsche?!” Ich wurde wieder in das Geschehen zurückgeholt. Nun musterte ich einen weiteren Mann. Er war blond, hatte Haare bis zu den Schultern und braune Augen. “Ein Monat warst du weg, Aro. Das wirst du büßen. Auspeitschen! 30 Hiebe… und Caius? Halt dich nicht zurück!” Ein gehässiges Grinsen huschte auf das Gesicht des Sklaven. Er war sich seiner Sache sicher. Ich meiner auch. Es war zwar viel los… aber dieser Mann sollte lernen sich zu fürchten. “Willst du noch etwas sagen?” “Nein… du?” Erst jetzt schien Caius meine roten Augen zu sehen. Aber zu spät. Ich hatte mein nächstes Opfer gefunden. Doch das Blut konnte ich nicht vollends auskosten. “Diabolo!” Ich riss mein Gesicht hoch, beobachtete die ausbrechende Panik mit einer Spur Faszination, während mir der Rest des Blutes das Kinn hinab lief und auf das blonde Haar des Mannes fiel, der sich voller Schmerz wand, schrie und zuckte. Ich hatte gelernt, wie ich andere zu meiner Art machte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)