Die Hexe von Ricchan (~ Eine Kurzgeschichte ~) ================================================================================ Kapitel 1: Das Schicksal bestimmt dein Leben -------------------------------------------- Die Hexe – „Das Schicksal bestimmt dein Leben“ Das weinende Mädchen erschrak vor dem hässlichen Antlitz der Hexe, die plötzlich vor ihr stand. „Hast du dich verlaufen, mein Kind?“, fragte sie in einem verführerischen Singsang und lächelte das Kind an, das nur nickte, „Komm, trink mit mir eine heiße Tasse Tee und dann suchen wir gemeinsam dein Elternhaus.“ Das Mädchen wusste, sie sollte diese Einladung nicht annehmen. Zu oft schon waren Kinder aus ihrem Dorf verschwunden. Die Leute erzählten sich, die Hexen haben sie gefangen und verspeist. Was, wenn daran etwas dran war? Würde diese Hexe sie dann jetzt töten, sobald sie in ihrem Haus war? Sie zögerte kurz, ergriff dann aber doch die Hand der Hexe und ging mit ihr in ihr Haus. Im hellen Licht der kleinen Hütte, erkannte das Mädchen aber, dass die alte Hexe, gar nicht alt war. Sie war jung, und ihr Antlitz im rechten Lichte viel schöner, als sie es zuvor gesehen hatte. „Wie ist dein Name, Mädchen?“, fragte die Hexe sie und reichte ihr dabei eine Tasse voll köstlich riechenden, roten Tee. „Eleonore.“, meinte das Mädchen nur kleinlaut und nippte an dem Getränk, welches genauso köstlich schmeckte, wie es roch. Doch das alles tat sie nur mit Vorsicht, denn sie hatte immer noch Angst: „Bist du eine richtige Hexe? Wirst du mich mit diesem Tee vergiften und dann essen?“ Die Hexe lachte. „Nein. Ich bin keine Hexe, so wie du sie zu kennen meinst. Ich schaffe Medizin für die Kranken und kann die Zukunft vorher sagen, wenn ich es denn will. Ich kann Gifte produzieren, die ein Tier oder sogar einen Menschen töten könnten, doch das alles tue ich nicht, um jemanden zu Schaden.“ Es war zu lustig, die größer werdenden Augen der jungen Eleonore zu betrachten. „Tust du nicht?“ Die Hexe nahm ihren Hut vom Kopf und enthüllte so ihre langen, schwarzen Haare. „Ich möchte den Menschen helfen. Doch dass erkennen sie leider nicht…“ Die Hexe wurde nachdenklich, setzte sich zu dem Mädchen und trank dann stumm ins Feuer blickend ihren Tee. Eleonore war verwundert darüber, dass es auch nette Hexen gab, die jung und schön waren, und nicht so wie in den Märchen der Alten. Aber sie wusste auch, dass niemals jemand ihr das glauben würde, wenn sie es erzählte. „Bring es mir bei!“, rief das Mädchen plötzlich und voller Vorfreude in ihrer Stimme. Ihre Augen waren groß geworden und blickten die Hexe erwartungsvoll an. Ein Lächeln zeichnete sich auf den schmalen Lippen der Hexe ab, als sie sagte: „Ich könnte dir schon ein paar Zauber zeigen, Eleonore.“ Und das tat sie auch. Das Mädchen gab eine sehr gute Schülerin ab. Sie war fleißig und wissbegierig, stark und lebhaft. Sie lernte schnell und konnte schon nach ein paar Wochen einen kleinen Heiltrank herstellen, der einem die weniger starken Schmerzen nahm. Die beiden Frauen saßen jeden Abend vor dem Kaminfeuer, tranken Tee. Die Hexe erzählte dem Mädchen Geschichten, die sie beide zum Lachen und Weinen brachten. Und keiner der beiden dachte noch daran, dass das Kind Eltern hatte, die sie suchten und vermissten. Das laute, plötzliche Klopfen riss eines Abends die beiden Frauen aus ihren Büchern, die sie immer lasen, wenn die Stunde spät und der Mund zu müde wurde um weiter zu erzählen. Bücher voller Magie und Zaubersprüche waren es, die das Mädchen immer weiter in die Welt der Hexe zogen. Durch ein weiteres Klopfen, wohl eher ein Hämmern, fiel der Hexe das Zauberbuch aus der Hand und sie erhob sich zitternd aus ihrem Sessel. „Galina! Mach die Tür auf und gib uns das Mädchen heraus!“, rief eine wütende Männerstimme und erneut wurde gegen die Tür gehämmert. Schleichend ging die Hexe zur Tür, um diese zu öffnen und sich den wütenden Mob zu stellen, der da vor ihrer Tür wartete. „Wer stört zu so später Stunde?“, fragte sie, obwohl die Worte des grauhaarigen Mannes vor ihr recht eindeutig gewesen waren. „Verkaufe uns nicht für dumm, Galina. Wir wissen, dass du Friedrichs Tochter hast! Gib sie heraus! Wir werden keine weiteren verschwunden Kinder mehr dulden!“, schrie der Mann die Hexe an. Ihre Miene war starr und kalt, als sie sich zu dem Mädchen herum drehte und diese zu sich winkte. Sie ergriff das Kind an der Schulter und hielt es kurz auf ihrer Schwelle fest. Ihre Hand fühlte sich heiß an, durch das dünne Leinenkleid, dass das Mädchen trug, und ihr Griff war so voller Angst und Wärme, dass sie nicht wusste, ob sie sie überhaupt gehen ließ. Es war der Griff einer Mutter, die ihr Kind nicht heraus geben wollte, schoss es dem Mädchen durch den Kopf, sodass sie kurz nach oben blickte und so den traurigen Ausdruck auf dem Gesicht der Hexe sah. Plötzlich schupste die Hexe sie von sich, genau in die Arme ihres zitternden Vaters, war es vor Angst oder Wut, und sagte: „Hier habt ihr sie.“ Dann verschloss sie die Tür hinter sich und die Lichter in der Hütte gingen aus. Das Mädchen konnte fast hören, wie das prasselnde Kaminfeuer erlosch, die Kälte durch das Holz drang und die Tränen der Hexe vor ihrer verletzten Güte liefen. Und als sie ging, zusammen mit dem Mann, den sie für einen liebevollen Vater hielt, wusste sie, dass sie nicht mehr dieselbe war. [Ende] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)