Rumo und die Wahrheit der Alchimisten von -Echo ================================================================================ Kapitel 10: Kratzenweisheit --------------------------- Mythenmetz machte sich nicht die Mühe weiterer Erklärungen, doch das war ja nichts Neues. Er hatte begonnen vor den Ruinen des Schlosses auf und ab zu schreiten und den imposanten Eisenzaun, der den Verfall überlebt hatte, aufs Genaueste zu untersuchen. Hier und da klopfte er gegen das verrostete Metall oder strich mit den Klauen über die raue Oberfläche, wobei ihn Rumo und Blaubär interessiert beobachteten. Nach einer Weile gelangte der Schriftsteller so an das kunstvoll geschmiedete Eingangstor und drückte ohne zu zögern die geschwungene Klinke hinunter, die unter der plötzlichen Belastung in einem ohrenbetäubend schrillen Ton zu quietschen begann. "Es ist nicht verschlossen", stellte er fest, nachdem das Tor einige Zentimeter aufgeschwungen war. "Lasst uns hinein gehen, vielleicht finden wir in den Trümmern etwas, das uns weiterhilft." Blaubär zögerte. "Aber stand auf dem Schild nicht geschrieben, dass es sich hier um eine Grabstätte handelt? Also mir ist nicht so ganz wohl dabei, hier einfach so herum zu spazieren." Rumo zuckte mit den Schultern. Ihm war es relativ egal, wer oder was hier begraben liegen sollte. "Was kann schon passieren? Wir werden wohl kaum von irgendwelchen Zombies angegriffen, wenn wir da hineingehen." Blaubär verdrehte die Augen und schob sich an dem Wolpertinger vorbei durch das nun offene Tor. "Ich wollte auch eher auf die Pietätlosigkeit hinaus. Aber so etwas interessiert euch Rohlinge offenbar nicht." "Um Pietät können wir uns Sorgen machen, wenn wir haben, wonach wir suchen", rief Mythenmetz aus einigen Metern Entfernung. Er hatte den leicht geschwungenen Pfad hinter sich gelassen, war die kleine Anhöhe empor gestiegen und an den Rand der eigentlichen Ruine getreten, um sich einen Überblick verschaffen zu können. Rumo und Blaubär folgten ihm zögerlich. Der Weg unter ihren Pfoten war mit Schutt und einer Schicht pechschwarzen Rußes überzogen, sodass sie sich vorsichtig bewegen mussten, um sich nicht an hervorstehenden Metallteilen unter der tarnenden Asche zu verletzten. Rumos Blick wanderte über die zerstörte Umgebung. Hier sah es aus wie auf einem Schlachtfeld, alles war zerstört, kaum ein Stein lag noch auf dem anderen und von dem ohnehin spärlichen Pflanzenbestand waren nur noch ein paar trostlose Gerippe übrig geblieben. Das Gebäude selbst musste vor seiner Zerstörung über einen großen Keller verfügt haben, sodass es nun, eingestürzt wie es war, beinahe ebenerdig lag und sich wie ein riesiges Geröllfeld vor den drei Weggefährten ausbreitete. "Irgendwer oder irgendetwas hat hier ganze Arbeit geleistet", staunte Grinzold. "Sieh dir die Steine an. Das ist oder besser gesagt war Baukunst vom Allerfeinsten. So etwas stürzt nicht einfach so mir-nichts-dir-nichts in sich zusammen. Da müssen gewaltige Kräfte gewirkt haben." "Aber wer macht so etwas?", fragte Rumo gedankenverloren und trat gegen einen kleinen Stein, der aufflog und mit einem leisen "Ping" von einem Stück Kupferplatte abprallte. Blaubär und Mythenmetz drehten sich zu ihm um. "Wer macht was?" Rumo schreckte aus seiner Trance und starrte die Beiden einige Sekunden verwirrt an. "Äh… ich habe nur mit Grinzold geredet", sagte er dann langsam, während er wie zur Erklärung auf sein Schwert deutete. Mythenmetz machte etwas mit seinem Gesicht, was wohl als Augenbrauen-Hochziehen echsenartiger Lebewesen ohne Körperbehaarung gewertet werden konnte. "Du nennst dein Schwert Grinzold?" "Na ja…" Rumo kratzte sich am Kopf. "Eine Hälfte zumindest. Die andere heißt Löwenzahn. Und ich habe sie nicht so genannt, sie hießen schon so, als ich sie bekommen habe." "Also lass mich das noch einmal zusammenfassen: Die beiden Klingen deines Brotmessers heißen wie ein Dämonenkrieger und ein Unkraut. Und du redest mit ihnen." Der Schriftsteller grinste spöttisch. Rumo schien davon wenig mitzubekommen, während er sein Schwert aus der Scheide auf seinem Rücken zog. "Also genau genommen dachte Löwenzahn eher an den Zahn eines Löwen, als er sich benannt hat. Dass das auch eine Blume ist, wusste er wahrscheinlich gar nicht. Er ist ein Stollentroll, weißt du?! Er hat sein Leben komplett untertage verbracht. Und Grinzold - nun, er heißt so, weil er eben ein Dämonenkrieger ist beziehungsweise war, bevor er getötet und sein Gehirn in dieses Schwert geschmiedet wurde." Mythenmetz schlug theatralisch die Hände über dem Kopf zusammen. "Na wunderbar! Ich reise mit einem Schwachsinnigen, der glaubt, in sein Schwert seien die Gehirne eines Stollentrolls und eines Dämonenkriegers eingeschmiedet. Womit, bei allen zamonischen Göttern, habe ich das verdient?“ "Aber die beiden existieren!", protestierte Rumo und streckte der Echse sein Schwert entgegen, doch der Schriftsteller wich nur angewidert zurück. "Einen Teufel werde ich tun, dieses Ding auch noch anzufassen! Wer weiß, vielleicht ist das ansteckend!" "Aber nur dann..." "Sofort aufhören! Das macht einen ja wahnsinnig!" Blaubär trat mit ausgesteckten Armen zwischen die beiden Streithähne. "Mythenmetz, die ganze Sache geht dich nichts an. Vielleicht ist es so, vielleicht ist es nicht so, was macht das denn für einen Unterschied für dich? Und Rumo - lass es einfach. Du solltest inzwischen wissen, dass diskutieren nichts bringt. Lasst uns lieber endlich herausfinden, ob die Trümmer unser Gewicht tragen und wir uns in der Ruine etwas umsehen können, wie Mythenmetz es vorgeschlagen hat." Lindwurm und Wolpertinger tauschten noch einen letzten giftigen Blick, aus, sagten jedoch nichts mehr, sondern konzentrierten sich wieder auf die vor ihnen liegende Aufgabe. Rumo setzte vorsichtig eine Pfote auf die wackeligen Steine und verlagerte langsam sein Gewicht auf den fragwürdigen Untergrund. Es knackte und knirschte unheilvoll, doch er sank nicht ein, das war gut. Weniger gut war hingegen seine Laune, denn die hatte inzwischen einen nie gekannten Tiefpunkt erreicht. Hoffentlich wusste Smeik, was sein Freund und Leibwächter hier für ihn durchmachte. Himmel, er wäre zweimal innerhalb weniger Tage beinahe umgekommen, nur weil sein Ziehvater seine Gier nicht hatte zügeln können. Und nun musste er sich auch noch beleidigen lassen! Doch er schüttelte die düsteren Gedanken ab und versuchte optimistisch an das heran zu gehen, was aktuell seine Priorität sein sollte. Und das war das Finden von Hinweisen auf die Existenz einer Kratze namens Spiegel. 'Ich wühle für dich im Schutt, Smeik. Dafür schuldest du mir etwas!' Rumo sah sich um, während er sich Schritt für Schritt voran tastete. Auf den ersten Blick war absolut nichts zu sehen, was auch nur ansatzweise hätte nützlich sein können, und wenn er ehrlich war, hatte er auch keine wirkliche Lust, jeden Quadratzentimeter des riesigen Geländes abzusuchen. Doch er zeigte gute Miene zum bösen Spiel und bückte sich nach einem zerfledderten Buch. Es war ein verschimmeltes Notizbuch voller alchimistischer Symbole und Formeln, von denen er keine einzige je auch nur gesehen hatte. Missmutig ließ Rumo das Buch wieder fallen. Wo war das Schild mit der Aufschrift "Spiegel war hier!"? Plötzlich hallte Blaubärs aufgeregte Stimme zu ihm herüber. "He, seht mal, was ich gefunden habe!", rief er und wedelte mit etwas, das von weitem ein wenig aussah wie ein totes Tier, sich aber beim näheren Hinsehen als Hut entpuppte. Es war einer jener pompösen Dreispitze aus schwarzen Rabenfedern, wie sie einige Alchimisten und konservative Adelige trugen, nur dass dieses Exemplar seine besten Zeiten augenscheinlich schon lange hinter sich hatte. Das hielt Blaubär jedoch nicht davon ab, sich die Kopfbedeckung sogleich aufzusetzen und fröhlich damit herumzuhüpfen. Rum ließ sich auf einen größeren, ziemlich stabil aussehenden Stein fallen und senkte den Kopf. "Das bringt doch nichts! Wir können hier noch stundenlang herumsuchen ohne auch nur das Geringste zu finden. Hier wimmelt es von irgendwelchen Geheimschriften und merkwürdigen Aufzeichnungen, die wir ohnehin nicht verstehen. Gehen wir lieber zu den Kratzen, wie wir es von Anfang an vorhatten." Blaubär hörte auf zu tanzen. "Klingt vernünftig, würde ich sagen." "Einverstanden", stimmte Mythenmetz zu und warf die Steintafel, die er bis gerade studiert hatte, achtlos über die Schulter, sodass sie auf dem felsigen Boden zerbarst und Rumo unwillkürlich zusammenzuckte. Die Drei staksten durch die Trümmer zurück in Richtung Tor, durchschritten selbiges und schlossen es sorgfältig wieder hinter sich. "Und was nun?", fragte Blaubär. "Versuchen wir die Kratzen mit Sahne zu locken oder fragen wir ein paar Mäuse um Rat?" Er grinste über seinen eigenen Witz und verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf. "Äh…", begann Rumo, musste dann aber feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wie es weitergehen sollte. Der Rübenzähler hatte gesagt, dass die Tiere das Gebiet rund um die Ruine ihr Zuhause nannten, doch welchen Radius das genau einschloss, darüber hatte er nicht ein Wort verloren. Und keiner von ihnen war zu dem Zeitpunkt auf den Gedanken gekommen, ihn danach zu fragen. "Klopfen wir an einer der Haustüren", schlug Mythenmetz vor, während er mit der Klaue über einen Fleck in seiner Robe kratzte. "Irgendwer hier wird diese Viecher ja wohl schon einmal gesehen haben." Sie suchten sich eines der weniger heruntergekommenen Häuser der näheren Umgebung für ihr Vorhaben aus. Es war klein und wohl eher zweckmäßig als wirklich wohnlich, und doch hatte sich jemand die Mühe gemacht, es liebevoll herzurichten, mit Figuren aus Pappe in den Fenstern und einem Korb voll Blumen vor der kleinen Vordertür. Rumo klopfte, trat dann der Höflichkeit halber einen Schritt zurück und wartete. Nachdem beinahe eine Minute verstrichen war, ohne dass das geringste Lebenszeichen aus dem Häuschen gedrungen war, hob er die Pfote erneut. Doch bevor er sie ein zweites Mal gegen das Holz schlagen konnte, ließ ihn eine sanfte Stimme hinter sich Inne halten. "An der Tür des vollen Gewölbes drängen sich Freunde und Verwandte, aber die kalte Küche ist leer." Rumo wirbelte herum, Blaubär und Mythenmetz taten es ihm gleich. "Wie bitte?" Aber da war niemand. Die Straße lag nach wie vor wie ausgestorben vor ihnen, nichts regte sich. "Hallo?", fragte Blaubär vorsichtig in die Stille hinein. "Ist da jemand?" "In einer kleinen Rolle muss man ein großer Künstler sein, um gesehen zu werden." Plötzlich begann sich etwas am Fuße der kleinen Treppe, die zum Haus hinauf führte, zu regen. Zuerst war es nicht mehr als ein Schatten, begleitete von einem leisen Rascheln, dann schälte sich langsam aber sicher eine kleine Kreatur aus dem Halbdunkel. Sie ging auf allen Vieren, hatte einen elegant gebogenen Rücken, einen langen, s-förmigen Schweif und zwei aufmerksam umher zuckende Ohren. "Eine Kratze!", entfuhr es Rumo und eine Woge der Erleichterung durchfuhr ihn. Dann fügte er vorsichtig hinzu: "Du bist doch eine Kratze, oder?" Der kleine Jäger nickte und wiederholte dann: "An der Tür des vollen Gewölbes drängen sich Freunde und Verwandte, aber die kalte Küche ist leer." Rumo blinzelte verständnislos. "Was sagt er?" Mythenmetz verdrehte überzogen die Augen. "Die Bewohner des Hauses sind nicht zu Hause. Oder nicht auf Gäste vorbereitet, je nach dem, wie du das verstehen möchtest." "Woher weißt du das schon wieder?" Rumo fühlte sich etwas übergangen, ein Gefühl, das ihm ganz und gar nicht gefiel. "Ist das wirklich so schwer?", fragte der Schriftsteller, als hätte er es mit einem bockigen Schüler zu tun. "Die Kratzen dieser Stadt sind wilde Exemplare. Sie sind auf der Straße aufgewachsen und haben nie die Möglichkeit gehabt, richtig sprechen zu lernen. Folglich nutzen sie alles, was sie irgendwann einmal aufgeschnappt haben. Kurz: Sie sprechen in Sprichwörtern und Zitaten. Du musst zuhören und aus dem Zusammenhang erschließen, was sie meinen." Rumo öffnete den Mund, um etwas Intelligentes zu erwidern, schloss ihn allerdings wieder, als ihm auch nach einigen Sekunden des Schweigens nichts einfallen wollte. Trotzig schob er den Unterkiefer vor und beschloss ab jetzt zu schmollen. Blaubär hatte offenbar den Plan gefasst, von nun an nicht mehr auf das Gezanke seiner Mitreisenden einzugehen. Stattdessen wandte er sich der Kratze zu. "Dass die Leute nicht zu Hause sind ist kein Problem", erklärte er. "Wir wollten ohnehin eher zu Deinesgleichen. Die Anwohner sollten uns lediglich verraten, wo man euch finden kann. Das erübrigt sich jetzt allerdings ganz offensichtlich." Er überlegte kurz. "Mal abgesehen von dir - gibt es noch weitere Kratzen in Sledwaya?" Wie auch schon vor wenigen Minuten nickte das zierliche Tier. "Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche." Mythenmetz stieg die wenigen Stufen zu der Kratze hinunter. "Das ist ja schon einmal ideal. Darf ich fragen, wie dein Name lautet?" Der Kleine legt den Kopf schief. "Ich bin schon zweiundvierzig und immer noch solo." Dieses Mal schien sogar der Lindwurm etwas überfordert mit der Entschlüsselung der verquerem Kratzensprechweise. "Ähm… okay, nennen wir dich einfach Solo." Solo war ganz offensichtlich zufrieden mit dieser Lösung. "Nun gut", fuhr Mythenmetz fort. "Vielleicht kannst du alleine uns schon weiterhelfen. Wir sind auf der Suche nach jemandem." "Man tut, was man kann", antwortete Solo fröhlich, setzte sich auf die Hinterläufe und sah die große Echse erwartungsvoll an. "Er ist eine Kratze, daher unsere Vermutung, du könntest ihn eventuell kennen", erklärte dieser. "Sein Name lautet Spiegel, sagt dir das etwas?" Der sprechende Haustiger hob den Kopf und sah gen Himmel, ein Anzeichen dafür, dass er überlegte. "Spieglein, Spieglein an der Wand", summte er dabei, "wer ist die Schönste im ganzen Land?" Dann wurde sein Blick auf einmal wieder völlig klar und er sah seinem Gegenüber so gut er konnte in die dunklen Augen. "Mein Name ist Hase und ich weiß von nichts", erklärte er mit Unschuldsmiene. Rumo ließ die Schultern hängen. Das war ja zu befürchten gewesen. Doch Solo hatte noch mehr zu sagen. "Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Je mehr, desto lustiger. Die Party hat gerade erst angefangen", plapperte er vergnügt drauflos. Mythenmetz spielte den Übersetzer. "Du denkst also, dass die anderen Kratzen etwas wissen könnten?" "Fragen kostet nichts." "Wo er recht hat, hat er recht", bemerkte Blaubär und sah die anderen beiden an. "Versuchen können wir es ja mal, immerhin ist es so etwas wie unsere letzte Chance." Rumo verschränkte die Arme hinter dem Kopf und stieg nun ebenfalls die Treppenstufen hinunter, vorbei an der kleinen Frohnatur. "Richtig. Lasst uns keine Zeit verlieren." Solo erhob sich und bedeutete den drei Reisenden mit einer Kopfbewegung ihm zu folgen. Er war flink und bewegte sich sicher zwischen Blumentöpfen und Gartenzäunen hindurch, wobei ihm völlig egal zu sein schien, dass er seine Begleiter ein ums andere Mal durch ein sorgsam angelegtes Blumenbeet oder über eine fremde Veranda scheuchte. Schließlich war er es so gewohnt - er war eine Kratze und Kratzen scherten sich nicht sonderlich um Grundbesitz oder möglichen Hausfriedensbruch. Doch nachdem sie über den dritten Zaun in Folge geklettert waren und bereits einen nicht sonderlich freundlich gesinnten Hund hatten abschütteln müssen, bat Mythenmetz keuchend um Einhalt. "Hätten wir nicht auch einfach die Straße nehmen können?", schnaufte er. "Wie weit ist es denn noch?" Solo schien darauf etwas erwidern zu wollen, fand aber offenbar nicht die richtigen Worte, um auszudrücken, was ihm auf der Zunge lag. Also schüttelte er nur kurz den Kopf und wies mit seiner Pfote auf eine etwa zweieinhalb Meter hohe Mauer aus rotem Backstein. "Das Gras ist stets grüner auf der anderen Seite", erklärte er schließlich und nach einigem Überlegen, und sprang dann mit einem einzigen kraftvollen Satz hinauf und hinüber. Mythenmetz stöhnte angesichts dieser sportlichen Leistung, als hätte man ihm gerade eine Strafe biblischen Ausmaßes auferlegt, überwand sich dann jedoch und zog sich unter größter Anstrengung und lautem Gefluche an den Steinen hoch. Für Rumo war das alles kein Problem, er fühlte sich fit, war noch nicht einmal außer Atem. Die Mauer war kaum höher als er selbst groß war, er zog sich mühelos mit den Armen hinauf und landete sicher auf der anderen Seite. Blaubär ließ sich in Punkto Geschicklichkeit nichts vormachen und kam gleichermaßen elegant neben dem Wolpertinger auf - nur Mythenmetz machte keine wirklich gute Figur, bei der Kletteraktion. Wie ein nasser Sack rollte er von der schmalen Oberkante und plumpse unsanft und auf allen Vieren knapp hinter seinen Weggefährten in den Staub. Das, was ihm in dieser Sekunde über die Lippen kam, wollte wenig zu seinem gesitteten Auftreten passen. Rumo sah sich um. Sie befanden sich in einem der Hinterhöfe des Viertels mit unsauber gepflastertem Boden und den obligatorischen Wäscheleinen, die sich von einer Hauswand zur anderen zogen. Diese waren größtenteils verwaist, nur an einer einzigen hingen ein paar Untergewänder und Hemden. Die umliegenden Häuser waren allesamt zwei- bis dreistöckig, sodass der gesamte Hof die meiste Zeit des Tages im Schatten liegen musste. Es würde dauern, bis die Wäsche trocken war. Solo war in der Mitte des Platzes stehen geblieben und warteten nun, bis die seltsamen Besucher sich wieder einigermaßen sortiert hatten. Dann sah er vom einen zum anderen. "Vorfreude ist die schönste Freunde", zitierte er, wobei er alle drei eindringlich ansah, so als hoffe er, dass sie ihn verstünden. Blaubär legte eine Pfote ans Kinn. "Wir sollen hier warten, richtig?" Solo nickte eifrig und grinste, drehte sich dann auf dem Absatz um und verschwand durch einen Spalt in der Hauswand. Rumo hielt es für fragwürdig, ob die Besitzer des Hauses von ihrem kleinen Gast wussten. Es wurde still im Hinterhof, keiner der Drei schien zu wissen, was er hätte sagen sollen und zumindest in Rumos Fall bestand auch kein sonderlich großes Bedürfnis nach Kommunikation. Schon gar nicht mit gewissen Erfolgsschriftstellern. So hing eine Weile jeder seinen Gedanken nach, bis Blaubär plötzlich etwas auffiel. "Sag mal", fragte er zu Mythenmetz gewandt, "ist es nicht so, dass Kratzen von Geburt an alle Sprachen dieser Welt beherrschen? Warum konnte Solo dann nicht vernünftig sprechen? Das ist doch unlogisch." Mythenmetz setzte sich auf einen offenbar zur Dekoration platzierten Stein. "So, wie du das gerade hingestellt hast, ist das nicht ganz richtig", begann er zu erklären. "Kratzen können zwar, wie du bereits sagtest, alle uns bekannten Sprachen sprechen - sowohl die der Zivilisation als auch die der Tierwelt - aber das verdanken sie lediglich einer Anomalie im Sprachzentrum ihres Gehirns, durch die für sie alle Sprachen wie eine einzige klingen. Wüssten sie also nicht, dass jemand eine fremde Sprache spricht, sie würden es kaum bis gar nicht bemerken." Rumo versuchte, sich diesen Geisteszustand vorzustellen, scheiterte aber kläglich. Der Lindwurm fuhr fort. "Das bedeutet allerdings auch, dass sie sich im Grunde gar nicht so sehr von einem durchschnittlichen sprachbegabten Zamonier unterscheiden. Genau wie bei uns auch, gibt es bei ihnen im frühkindlichen Stadium eine Prägephase, in der die Grundsteine für die spätere Sprachfähigkeit gelegt werden müssen. Spricht in dieser Zeit niemand mit ihnen, geht diese Fähigkeit beinahe vollständig verloren. Und ohne Muttersprache nützt ihnen auch ihre Anomalie wenig." Er lachte trocken. "Diese Kratzen sind aller Wahrscheinlichkeit nach schon sehr früh von skrupellosen, geldgierigen Züchtern von ihren Müttern getrennt und verkauft worden und dann völlig verängstigt und verwirrt von ihren neuen Besitzern weggelaufen. Daraufhin haben sie sich verkrochen und sehr zurückgezogen gelebt, bis sie irgendwo auf Artgenossen gestoßen sind. Da war es natürlich schon zu spät. Es sind sehr schüchterne Tiere, müsst ihr wissen. Dass sie dennoch so viel verstehen und einige Sätze sogar nachsprechen können, haben sie wohl ihrer überdurchschnittlichen Lernfähigkeit zu verdanken." "Aha", machte Rumo und versuchte so zu gucken, als habe er alles verstanden und sei noch dazu wahnsinnig interessiert. Er wusste nicht, ob es ihm gelang, doch das war allem Anschein nach ohnehin unwichtig, da ihm weder Blaubär noch Mythenmetz große Beachtung schenkten. "Ist hier irgendwer, dem das nicht am Allerwertesten vorbei geht?", erkundigte sich Grinzold gelangweilt und sprach seinem Besitzer damit unbewusst aus der Seele. "Wenn nicht, dann könnte dieser Wichtigtuer endlich mal die Klappe halten. Er geht mir gewaltig auf die Nerven." "Grinzold!", mahnte Löwenzahn erschrocken. "So etwas sagt man nicht!" "Als ob er mich hören könnte! Er hat beschlossen, unsere Existenz zu ignorieren, schon vergessen?" Rumo lauschte den Worten seines Freundes und musste unwillkürlich und unfreiwillig grinsen. Irgendwo hatte der Dämonenkrieger ja schon Recht, Mythenmetz war ein Unsympath sondergleichen, der ganz offensichtlich viel zu viel Zeit alleine auf einem Berg verbracht hatte. Um das Thema zu wechseln fragte er Blaubär nach einiger Zeit des Schweigens: "Warum trägst du eigentlich immer noch diesen komischen Hut? Der sieht aus als würde er stinken." Der Buntbär schnüffelte. "Tut er nicht. Und außerdem finde ich ihn lustig. Deshalb." Rumo verzog leicht angewidert das Gesicht, beschloss aber, dass es ihn nicht anging und schloss sich wieder dem kollektiven Schweigen an. Die Minuten vergingen langsam, es gab weder etwas zu sagen noch etwas zu tun und sogar Löwenzahn und Grinzold schwiegen lustlos, sodass sich die Zeit in die Länge zog wie alter Kaugummi. Nach einer halben Ewigkeit - so zumindest erschien es Rumo - tauchte endlich Solos Kopf in dem kleinen Loch auf, durch das er zuvor verschwunden war. Er schob sich mit allen vier Pfoten hindurch, trat hinaus auf den Platz und schüttelte sich, sah dann über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, dass seine Anhängerschaft ihm folgte. Diese bestand aus fünf weiteren Kratzen von unterschiedlicher Größe, Farbe und Fellzeichnung - sie reichten von weiß mit leicht gräulichen Schatten bis hin zu einem Königsblau gemischt mit tiefem Schwarz. Ihnen allen gemein waren ihre neugierig umherblickenden grünen Augen, die interessiert über die Reisenden wanderten und sie voller Erwartung musterten. Mythenmetz fühlte sich wie immer zum Reden berufen und trat gewohnt selbstsicher auf die im wahrsten Sinne des Wortes kleine Gruppe zu. Dabei verbeugte er sich leicht, jedoch nicht zu tief, er wollte sich schließlich nicht entwürdigen. "Ich möchte mich bereits im Voraus bei euch für eure Bereitschaft bedanken, uns helfend zur Seite zu stehen", verkündete er gestelzt, worauf Rumo dem Drang widerstehen musste, sich mit der Pranke vor die Stirn zu schlagen. "Wie euch euer Freund hier vielleicht schon mitgeteilt hat, sind wir auf der Suche nach jemandem. Einer Kratze, um genau zu sein." Eines der größten Tiere - offenbar eine Art Anführer - trat vor und lächelte erwartungsvoll. "Also es verhält sich folgendermaßen", fuhr der Schriftsteller fort, als er sich sicher war, dass ihm allgemeine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. "Die Kratze, die wir suchen, ist aller Wahrscheinlichkeit nach männlich und etwa sechs bis sieben Jahre alt. Sein Name ist meines Wissens Spiegel und er hat einige Zeit hier in Sledwaya gelebt, ist möglicherweise sogar hier aufgewachsen. Das müsste allerdings bereits etwa fünf Jahre her sein. Ist euch eventuell ein solcher Vertreter eurer Gattung bekannt?" Rumo trat unauffällig an Blaubär heran und lehnte sich zu ihm herüber. "Warum rückt Mythenmetz erst jetzt mit den ganzen Detailinformationen heraus? Hätte er damit nicht schon ankommen können, als wir den ersten Typen, diesen Rübenzähler befragt haben?" Er hatte sich zwar bereits damit abgefunden, dass er seit neuestem vieles nicht mehr verstand, doch es konnte ja nicht schaden, noch einmal nachzufragen. "Das hätte nichts gebracht", flüsterte Blaubär durch zusammengebissene Zähne zurück. "Oder kannst du etwa Alter und Geschlecht einer Kratze allein daran erkennen, dass du sie anschaust?" Da war etwas dran, fand Rumo. Die kleine Truppe Mäusejäger hatte sich inzwischen untereinander angeblickt und war näher zusammengerückt. Sie tauschten viel sagende Blicke aus, sprachen jedoch auch untereinander kein Wort, was Mythenmetz' Erklärungen zu unterstreichen schien. Trotzdem verstanden sie sich offenbar einwandfrei, denn schon nach kurzer Zeit traten sie wieder auseinander und stellten sich der Gruppe Reisender. Solo hatte das ganze von außen beobachtet - dass er nicht über den Verbleib Spiegels wusste, hatte er ja bereits deutlich gemacht. Rumo, Blaubär und Mythenmetz sahen die Kratzen erwartungsvoll an. "Und", fragte der Wolpertinger ungeduldig und trat von einer Pfote auf die andere. "Wisst ihr etwas?" Noch einmal tauschten die Tiere Blicke aus, dann schüttelten alle simultan mit dem Kopf. Rumo, der fest damit gerechnet hatte, hier eine Antwort zu finden, traf diese Reaktion wie ein Schlag aus dem Nichts. Er taumelte wie getroffen einen Schritt zurück und blinzelte. "Was?" "Ich weiß, dass ich nichts weiß", erklärte die Kratze, die auch vorher schon als Wortführer fungiert hatte. Im übertragenden Sinne, versteht sich. "Einer für alle." Mythenmetz legte eine Klaue an die Schläfe. "Er will sagen, dass sie alle keine Ahnung haben." "Das hat uns gerade noch gefehlt!", seufzte Rumo, nachdem er sich einigermaßen wieder gefangen hatte. "Was machen wir denn jetzt?" "Ehrlich gesagt habe ich keinen blassen Schimmer", gab der Lindwurm zu. "Alles, was ich weiß, ist, dass wir mit Fragen allein offenbar nicht weiter kommen." Die Kratzen hatten augenscheinlich verstanden, dass ihre Antwort den Suchenden keine allzu große Hilfe gewesen war, sie sogar ein wenig enttäusch hatte, denn plötzlich blickten alle entschuldigend, beinahe traurig drein. "Ich bin untröstlich", sagte eine und senkte das Haupt, die anderen folgten ihrem Beispiel. Rumo taten die kleinen Geschöpfe, die so sehr hatten helfen wollen, auf einmal Leid. "Schon gut, schon gut", lächelte er und versuchte einen aufmunternden Blick, nicht nur für sie sondern auch für sein eigenes Wohlbefinden. "Ihr könnt ja nichts daran ändern, dass ihr diesen Spiegel nicht kennt. Dann müssen wir eben weitersuchen." "Das Glück ist mit den Tüchtigen", sagte Solo voller Überzeugung und trat zu seinen Artgenossen, unter denen sich Aufbruchsstimmung breit gemacht hatte. "Abends werden die Faulen fleißig. Man kann das Fell des Bären nicht verkaufen, ehe man ihn erlegt hat." Die drei Weggefährten verstanden. Während ihre Suche vorangeschritten war - oder auch nicht, je nach dem, wie man das sehen wollte - war die Dämmerung über die Stadt hinein gebrochen und das bedeutete den Beginn der Jagdzeit für die wendigen Räuber. Sie mussten sich beeilen, denn viele ihrer Beutetiere verkrochen sich bei Dunkelheit in ihren Löchern und Bauten und würden schon bald unerreichbar für jede Kralle sein. "Danke noch einmal", rief Blaubär den Kratzen nach, als diese sich in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen begannen, allerdings nicht ohne den Reisenden noch einmal freundlich zuzunicken. Solo war der Letzte, der sich auf den Weg machte und drehte sich auf den letzten Metern vor dem Loch in der Hauswand noch einmal um. Er grinste. "Auf Wiedersehen." "Auf Wiedersehen", antworteten Rumo und Blaubär unisono, dann war auch diese Kratze im Schatten der Häuser verschwunden. Eine Weile sahen die Drei ihm schweigend nach, dann sprach Blaubär jenen Gedanken aus, der sich ihnen allen wohl bereits aufgedrängt hatte. "Wir stehen also so wie es aussieht wieder ganz am Anfang." Es war eine ernüchternde Feststellung. Inzwischen war es um sie herum dunkel geworden. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages schafften es schon lange nicht mehr über die niedrigen Dächer der umstehenden Häuser, sodass man Einander nur noch schemenhaft erkennen konnte. Rumo fühlte sich erschöpft. "Wir sollten ein Gasthaus suchen, in dem wir etwas essen und die Nacht verbringen können", schlug er daher vor und steckte seine müden Glieder. Da diese Idee auf keinerlei Gegenwehr stieß, wurde sie zur beschlossenen Sache, und mit einem Abendessen und einem weichen Bett in Aussicht, stieg die Stimmung merklich. "Stellt sich mir nur noch eine Frage", sagte Mythenmetz und drehte sich einmal um die eigene Achse. "Wie kommen wir hier wieder weg?" Blaubär grinste, was zwar nicht zu sehen, an seinem Tonfall aber deutlich zu hören war. "Na genau so, wie wir hergekommen sind, würde ich sagen." Aus der Richtung des Schriftstellers kam ein kellertiefer Seufzer. "So etwas in der Art hatte ich befürchtet." Rumo schaufelte das Essen in sein weit geöffnetes Raubtier-Maul als hätte er seit Wochen nichts Anständiges mehr zu sich genommen. Und genau genommen stimmte das ja auch, es sei denn eine Handvoll Mäuseblasen und ein paar Ölsardinen galten neuerdings als vollwertige Malzeit. Umso gieriger versenkte er daher jetzt seine Fangzähne in das zarte Fleisch des Sumpfschwein-Bratens, der auf einem überladenen Teller vor ihm vor sich hin dampfte und ein appetitliches Aroma verströmte. "Oh Götter", schmatzte der Wolpertinger und die bräunliche Sauce tropfte ihm aus den Mundwinkeln, doch das war ihm egal. "Wie lange habe ich so etwas gutes schon nicht mehr gegessen? Egal! Auf jeden Fall zu lange!" Dass niemand auf seine Ansprache reagierte, lag hauptsächlich daran, dass sich Kauen und Reden im Normalfall nicht wirklich gut vertrugen, worüber sich seine Tischnachbarn glücklicherweise etwas mehr im Klaren waren, als Rumo selbst. Den Rest seiner Mahlzeit verschlang allerdings auch er schweigend, wofür ihm sicher einige andere Gäste des Lokals sehr dankbar waren. Erst als auch der letzte Krümel von den Tellern geleckt war und die Drei sich in die Polsterung ihrer Sessel hatten zurücksinken lassen, brach Blaubär das Schweigen. "Und was steht nun an?" "Schlafen", murmelte Rumo und ließ seinen gehörnten Schädel auf die Tischplatte sinken, woraufhin er einige missbilligende Blicke von Essenden und auch von Mythenmetz kassierte. "Morgen, meinte ich natürlich", gähnte Blaubär zurück, blieb aber trotz sichtbarer Ermüdung aus Angst vor dem mürrischen Lindwurm aufrecht sitzen. Dieser fuhr sich mit der gespaltenen Zunge über den Mundwinkel. "Auf jeden Fall nicht weiter kopflos herumrennen und fragen. Das bringt ganz offensichtlich nichts." "Was ist mit so etwas wie dem Rathaus?", versuchte es Rumo. "Vielleicht ist er in irgendwelchen Listen eingetragen." "Als Kratze? Wohl kaum." "Hm", machte der Wolpertinger gleichgültig. Es war ohnehin nicht mehr als eine Schnapsidee gewesen. Es wurde wie so häufig wieder still in der Runde. Keinem wollte so recht einfallen, was man nun hätte machen sollen, wie man auch nur einen kleinen Schritt hätte weiter kommen können. Rumo fiel auf, dass Blaubär nun schon seit einer ganzen Weile nachdenklich ins Nichts starrte, als plage ihn irgendein Gedanke, der ihm keine Ruhe ließ. "Woran denkst du?", fragte er ungeniert und hob seinen Kopf von der Tischdecke. Der Buntbär brauchte eigne Sekunden, um zu antworten. "Äh… ich habe mich nur etwas gefragt…" Neugierig beugte sich Mythenmetz vor. "Was denn?" "Na ja, es war nur ein Gedanke…" Blaubär zögerte. "Raus damit", forderte der Lidwurm und klopfte ungeduldig mit den Klauen auf den Tisch, sodass das Besteck klirrend zu tanzen begann. "Äh… gut…" Der Bär kratzte sich verlegen am Kopf. "Ich dachte nur… na ja, Letterkerl hat doch den Namen der Stadt geändert, oder? Er hat aus Sledwaya Seldwyla gemacht. Könnte es dann nicht auch sein, dass er den Namen der Kratze geändert hat?" Ruckartig fuhr Rumo aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf und sah zu Mythenmetz hinüber. "Könnte das sein?" Der Schriftsteller brauchte nicht zu überlegen. "Natürlich könnte das sein!", reif er aus. "Es ist sogar recht wahrscheinlich. So wahrscheinlich, dass ich darauf eigentlich hätte kommen müssen…" Er wurde plötzlich wieder still. Rumo rückte aufgeregt näher an den Tisch heran. "Heißt das, dass wir jetzt tatsächlich einen Schritt weiter sind?" Blaubär seufzte. "Schön wär's. Das ist es ja gerade, wir hätten damit eher wieder einen Schritt rückwärts gemacht, als das wir weiter gekommen sind. Vorher hatten wir einen Namen, an dem wir uns orientieren konnten. Wenn das jetzt allerdings stimmt dann…" Er verstummte. "Eine Variation von Spiegel - Himmel, das könnte alles sein!", stöhnte Mythenmetz. "Wir stünden noch mehr vor dem Nichts als sowieso schon." Aller Enthusiasmus war aus Rumo gewichen wie die Luft aus einem undichten Ballon. Er sank zurück in die Polsterung der Eckbank, auf der er die letzte Stunde gesessen hatte. "Und was nun?" Der Lindwurm stand auf und strich sich das Gewand glatt. "Wir tun das, was du vorher schon so geistreich vorgeschlagen hast: Schlafen. Über unser weiteres Vorgehen können wir uns Gedanken machen, wenn wir ausgeruht sind. Auch darüber, was uns diese neue Erkenntnis brächte oder eben auch nicht brächte, würden wir sie als Wahrheit annehmen." "Einwandfreie Idee", stimmte Blaubär zu und erhob sich ebenfalls von der Tischrunde, Rumo folgte wortlos. Die Zimmer hatten sie sich schon vor dem Essen zeigen lassen, sodass sie nun nur noch die wenigen Stufen zum Obergeschoss des Gasthauses empor steigen mussten, um sich in die wohl verdienten Daunenfedern fallen zu lassen. Rumo trottete müde neben Blaubär her, während sie die Treppe erklommen, und musterte ihn schläfrig von der Seite. Dabei fiel sein Blick unwillkürlich auf dessen neue Lieblings-Kopfbedeckung, den zerfledderten Alchimistenhut aus dem Herzen der Ruine, den der Buntbär aus irgendeinem Grund noch immer trug. Er schnüffelte unauffällig. "Und das Ding stinkt doch", murmelte er zu sich selbst, als sich ihre Wege in Richtung Nachtlager getrennt hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)