Nachtschwärmer von Karopapier (Wichtel für Schreiberliene) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Wir saßen zu zweit auf der Bordsteinkante und sahen den wenigen Autos dabei zu, wie sie vorbeifuhren, nach Hause, zur Nachtschicht, zum Feiern. Wir berührten uns nicht, und doch war ich mir seiner Anwesenheit seltsam bewusst, fast schon mehr als wenn er mich berührt hätte. Wir hingen beide unseren Gedanken nach, während die Sonne immer tiefer sank, die Straßenlaternen an gingen und die Stadt sich langsam aber sicher schlafen legte. "Wie sollte dein perfekter Mann aussehen?", fragte er mich plötzlich, so plötzlich, dass ich zusammenzuckte ob des Zerreißens der Stille. Dabei hatte er gar nicht laut gefragt, nicht besonders betont, eher beiläufig, so, wie man am Rande fallen lässt dass man gleich wieder da sein wird. Ich überlegte. Was wollte ich von einem Mann, was müsste er haben um einfach eine perfekte Partie zu sein? "Er sollte zuhören können", fing ich langsam an, zögerlich. "Ehrlich sein. Er sollte mich für das lieben, was ich bin. Zeit für mich haben. Meine Träume ernst nehmen und mich an seinen teilnehmen lassen. Er sollte mich verstehen. Humor haben. Kochen können, im Haushalt helfen, mich unterstützen. Ich sollte mich auf ihn verlassen können, mit ihm Spaß haben, aber auch über ernste Dinge reden können. Er sollte tanzen können und gerne Geschichten erzählen. Mich nicht als Accessoire zu seinem perfekten Leben sondern als vollwertigen Menschen sehen, der seine Macken und Probleme hat. Er sollte sich für das begeistern können, das mich begeistert, aber mich nicht unkritisch und ohne zu hinterfragen vergöttern. Er muss meine Schwäche für Kunst nicht teilen, mein Streben nach Perfektion in den kleinen Dingen, aber er sollte sie verstehen. Er sollte ein Mann sein für Frühstück am Bett und warme Abende am Flussufer, aber auch für lange Partys und anstrengende Klettertouren, jemand, der auch in schwierigen Situationen die Nerven behält. Jemand mit dem ich über Politik reden kann, aber auch über Zwerge und Feen, ohne dass er mich gleich auslacht." Ohne es zu merken war ich schneller geworden und sicherer und erzählte kaum mehr für ihn, sondern hörte mir selbst überrascht zu. "Er sollte nicht panisch werden, wenn ich Regelbeschwerden habe oder ungeduldig werden und genervt, sondern sein Bestes tun, damit es weniger schlimm wird und da sein für mich. Er sollte nicht hässlich sein, vielleicht ein wenig besser aussehen als der Durchschnitt, aber auch nicht superschön sein." Als ich schließlich nach einer langen Pause zur Seite sah, merkte ich dass er mich musterte, mit einem leicht amüsierten Lächeln, das sich in seinen Augenwinkeln und einer gewissen Spannung um den Mund versteckte, die kaum jemand bemerken würde, der ihn nicht gut kannte. "Das ist viel", sagte er, und das Lächeln war selbst in seiner Stimme zu hören. Ich zuckte nur mit den Schultern und sah wieder auf die Straße vor uns, sodass die Stille, die vor seiner Frage geherrscht hatte, sich wieder über uns legte wie eine warme Decke. Einige Zeit später stand er mit einem lauten Seufzer auf, klopfte sich den Staub von der Hose und streckte sich. "Kommst du?", fragte er mich und ging zurück zum Auto. Ich sprang auf, schnappte meine Tasche und lief hinterher, nahm meinen Mut zusammen und legte meine Hand in seine. Weißt du, fügte ich in Gedanken hinzu zu der nahezu endlos anmutenden Liste, die ich ihm aufgezählt hatte, weißt du, abgesehen davon nehme ich aber auch jeden anderen der es schafft, mir den Kopf zu verdrehen. Und so gingen wir den Weg entlang, Hand in Hand, schweigend, während die letzten Sonnenstrahlen uns den Rücken wärmten und wir weit weg auf einem Campingplatz jemand "Stand By Me" sang, abends, als der Rest der Zivilisation schon schlief, nur für uns. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)