Time Changed Everything von Riafya (HP/LV) ================================================================================ Kapitel 15: Memories -------------------- Zu jener Zeit hatte ich viele Fragen. Was wollte der dunkle Lord von mir? Was an mir zog ihn an? Warum wollte er Neville töten? (Warum hatte er mich töten wollen?) Waren meine Eltern tatsächlich noch am Leben? Wo war Sirius? Was bedrückte Remus? Weshalb meldete sich Felice nicht mehr bei mir? Und wer war ich? Im Grunde waren es albernde Fragen, denn die Antworten waren alle in meinem Kopf. Ich wollte sie einfach nicht wissen. Aber im Verdrängen sind wir Menschen nun einmal Experten. (...) Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn ich damals nicht vor der Wahrheit davongerannt wäre, doch ich war ein Kind und die Vergangenheit ist vergangen. Manche Dinge kann nicht einmal ein Zeitumkehrer ändern. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Er stand. Mitten im Kerker. Mit ausgestreckten Zauberstab. Doch seine Beine zitterten und er fürchtete, jeden Augenblick fallen zu können. Aber er musste stehen bleiben. Er musste weitermachen. Die letzten zwei Monate durften nicht umsonst gewesen sein. „Sehr gut“, sagte Severus' leise Stimme. „Du hast es fast geschafft.“ „Aber eben nur fast“, krächzte Harry. In diesem Zustand war er nie fähig, normal zu sprechen, eine typische Nebenwirkung, wie sein Lehrer ihm erklärt hatte. Glücklicherweise trat sie nur am Anfang auf. Sobald er die Kunst der Okklumentik perfektioniert hatte – und das würde er, dafür würde Severus schon sorgen – müsste er nicht mehr darunter leiden. Bedauerlicherweise war er noch nicht soweit. „Geht es dir gut? Wir können für heute auch...“ „Nein“, unterbrach ihn Harry. „Machen wir weiter.“ „Nun gut, ganz wie du meinst“, sagte der Ältere seufzend und schwang seinen Zauberstab. Sofort spürte er, wie der Geist des Mannes in seinen eigenen eindrang und versuchte, an seine Erinnerungen zu gelangen, die er in den hintersten Teil seines Verstandes gepackt hatte. Es hatte fast den ganzen September gebraucht, bis er dazu in der Lage gewesen war. „Unser Verstand“, hatte Severus gesagt, „ist kein Haus mit tausend Türen, hinter denen unsere Erinnerungen verborgen sind, auch wenn es viele gern behaupten. Er ist vielmehr ein großer Raum, eine Halle könnte man sagen, die keinen optischen Anfang noch ein Ende hat. Und darin ist alles, was uns ausmacht, unsere Gefühle, unsere Erinnerungen, unser Wissen, und es ist alles bunt durcheinander gewürfelt. Die Aufgabe der Okklumentiker und Legilimentiker besteht nun darin, diese Unordnung zu beseitigen und eine gewisse Struktur hineinzubringen, da es sonst unmöglich ist, den eigenen Geist zu schützen, geschweige denn, den eines anderen nach gewünschten Informationen zu durchsuchen. Deshalb ist es für die nächsten Wochen deine Aufgabe, deinen Geist und deinen Verstand zu betreten und ihn in Ordnung zu bringen. Du musst lernen, die einzelnen Bestandteile voneinander zu trennen und sie hinter Türen zu verschließen, sodass sie niemand erreichen kann. Mit anderen Worten, du musst das Haus erst aufbauen, das laut Unwissenden bereits in deinem Kopf sein müsste.“ Also hatte er versucht, das Haus zu bauen. „Es ist unmöglich, zu beschreiben, wie der Verstand oder die Seele aussieht, aber das hast du sicher bereits selbst bemerkt“, hatte Severus erklärt, als er Harry bei dieser Aufgabe geholfen hatte. „Er ist äußerst individuell und geprägt von allem, was uns ausmacht, den Genen, der Magie, unseren Erinnerungen oder Wertvorstellungen oder auch unserer Erziehung oder den Beziehungen zu anderen Menschen. Deshalb wirst du niemals zwei vollkommen identische Geister antreffen, ähnliche schon, aber niemals identische.“ Harrys Geist/Verstand/Seele/was auch immer – bei der Definition kam auch Severus des Öfteren durcheinander – war in ein strahlendes Licht getaucht. „Was äußerst selten ist.“ Inmitten dieses Lichts hatten anfangs unendlich viele Erinnerungen geschwommen. Diese konnte er am ehesten mit Bildern vergleichen, die in den verschiedensten Formen durch die Luft schwebten. Manche waren flach, wie normale Fotografien, aber andere wiederum ähnelten geometrischen Figuren und wieder andere schienen nichts, als kleine, bunte Fäden zu sein. Inmitten dieser Erinnerungen gab es optisch gesehen freie Stellen, doch wenn man ihnen nahe kam, bemerkte man sehr schnell, dass auch dort etwas war. „Gefühle, Bedürfnisse, Träume“, hatte Severus gesagt, als er ihn danach gefragt hatte. „Alles, was man nicht sehen kann. Du wirst bald bemerken, dass sie mit deinen Erinnerungen untrennbar verknüpft sind, da die meisten Gefühle, Wünsche oder Bedürfnisse mit etwas entstehen, was wir erlebt haben. Darüber hinaus wirst du hier noch viele andere Dinge finden, die nicht einmal ich dir nennen kann. Der Geist ist eines unserer größten Geheimnisse, Harry. Niemand kann sagen, wie genau er funktioniert oder warum er uns rät, das zu tun und dies zu unterlassen. Das, was wir mit Hilfe von Legilimentik und Okklumentik oder Empathen mit ihren natürlichen Fähigkeiten erfassen können, ist nur ein kleiner Teil dessen, was in uns existiert. Aber genug dazu, wir müssen hier etwas Ordnung schaffen.“ Und das taten sie, auch wenn es anfangs nicht gelingen wollte. Erinnerungen, die jahrelang in Freiheit gelebt hatten, waren nicht sonderlich erfreut, wenn sie von ihrem Besitzer auf einmal hinter Türen verschlossen wurden und machten es ihm dementsprechend schwer. Doch nach etwa einem Monat hatte er es endlich geschafft, weshalb Severus ihm nun beibrachte, sich gegen offene Angriffe auf seinen Geist zu verteidigen. Allerdings war das alles andere als einfach. Der Mann wusste genau, wie er am Besten einen Geist überfallen konnte. Innerhalb weniger Sekunden war er dazu in der Lage, Harrys schwache Abwehr zu durchbrechen und die Tür zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen aufzustoßen. Augenblicklich kam ihm der Geruch von heißen Plätzchen entgegen. Ihre alte Küche. Die Mistelzweige in jeder Ecke. Vor dem Fenster weißer Schnee. Und ihre Stimme. Lily Potters Stimme aus lang vergangenen Tagen. „Bist du dir wirklich sicher, Albus? Bei Merlin, bist du dir wirklich sicher? Aber das kann nicht wahr sein. Nicht mein Harry! Nicht mein Sohn! Er kann unmöglich...“ Mit einem einzigen Ruck stieß Harry Severus aus seinem Geist und aktivierte damit automatisch Felices Schutz, den er sonst immer zu diesen Gelegenheiten ablegte. Im nächsten Augenblick fand er sich in der Gegenwart wieder. Diesmal hatten seine Beine nachgegeben und er lag mit dem Rücken am Boden. Sein Atem ging schnell, so als wäre er gerade einen Marathon gelaufen und wer weiß, vielleicht war er das tatsächlich. Diese Erinnerung war etwas, was er hatte vergessen wollen, was er erfolgreich vergessen hatte! Niemand würde sie wieder zum Vorschein bringen, weder Severus, noch Felice, noch der dunkle Lord noch sonst irgendwer. Das war niemals geschehen. Es durfte niemals geschehen sein. Und doch konnte er deutlich ihr hysterisches Geschrei hören, als sie Albus aus ihrem Haus geworfen hatte. Konnte ihre Tränen sehen, als sie sich zu ihm umwandte. Aber am deutlichsten nahm er nach wie vor die Plätzchen war, die unschuldig auf dem Boden lagen und es nicht verdient hatten, niedergetrampelt zu werden. Wenn er es sich recht überlegte, hatte es damals angefangen. Alles hatte damals angefangen, doch er wollte nicht daran denken. Nicht jetzt. Niemals wieder. „Harry“, sagte Severus' besorgte Stimme. „Kannst du aufstehen?“ Einen kurzen Augenblick lang fragte er sich das selbst. Doch dann schaffte er es irgendwie, auf die Beine zu kommen und stand nun leicht schwankend vor ihm. „Ich glaube, wir sollten jetzt wirklich aufhören“, flüsterte er, jedoch ohne dem Zaubertrankmeister in die Augen zu sehen. Severus nickte. „Selbstverständlich, der Meinung bin ich bereits seit einer guten halben Stunde. Du bist zu ehrgeizig für deine eigene Gesundheit, Harry. Und dabei dachte ich immer, Draco wäre verrückt.“ „Wir kommen aus dem gleichen Elternhaus“, erwiderte er lächelnd. „Da ist es nur logisch, dass wir auf dieselbe Art und Weise wahnsinnig sind.“ „Da wirst du wohl Recht haben“, sinnierte Severus und betrachtete ihn nachdenklich. „Was war das für eine Erinnerung?“ „Keine, über die ich momentan sprechen möchte“, sagte Harry und setzte sich auf den nächsten Stuhl. „Kann ich bitte etwas trinken?“ „Natürlich.“ Er reichte ihm ein Glas Wasser, das er mit einem Zug leerte. Danach saßen sie sich schweigend gegenüber, bis sein Lehrer etwas gefunden hatte, was er noch loswerden wollte: „Du gehst morgen gemeinsam mit Draco nach Hause?“ „Ja. Narcissa möchte unbedingt, dass die ganze Familie zu ihrem Halloweenball anwesend ist.“ Der Lehrer schnaubte. „Eine alberne Tradition.“ „Aber eine Tradition nichtsdestotrotz. Außerdem ist das besser, als diese Weihnachtsbälle, die bei der weißmagischen Bevölkerung eine so große Beliebtheit gefunden haben. Und kommen nicht jedes Jahr alle zu Halloween nach Malfoy-Manor? Selbst du tauchst immer auf.“ „Ja und zwar aus dem einzigen Grund, dass Lucius mir die Hölle heiß machen würde, wenn ich nicht erscheinen täte. Bleibt ihr die ganze Woche dort?“ „Ich denke schon. Wenn Dumbledore uns Schülern schon einmal eine Woche Halloweenferien zugesteht, wollen wir sie auch nutzen. Und es ist gut, dass wir alle mit Flohpulver reisen können und nicht stundenlang mit dem Hogwartsexpress fahren müssen. Aber sag, seit wann interessierst du dich so sehr für mein Leben, liebster Patenonkel? Oder hat dich jemand darauf angesetzt?“ „Du bist wie immer zu schlau, als dir guttut, Harvey“, entgegnete Severus seufzend. „Du hast natürlich Recht, ich wurde auf dich angesetzt.“ „Von wem?“, fragte er, obwohl er es sich bereits denken konnte. „Von dem dunklen Lord natürlich“, bestätigte der Andere auch bereits seine Vermutung. „Ihm liegt wirklich sehr viel an dir. So besorgt wie um dich hat ihn noch keiner von uns erlebt.“ „Er ist besorgt?“, wiederholte Harry zweifelnd. „Warum das denn?“ „Dumbledore“, sagte Severus, als wäre es Antwort genug und im Grunde war es das tatsächlich. Der alte Mann beobachtete ihn immer noch und hatte nun offenbar auch Neville und Hermione auf ihn angesetzt. Zumindest war das seine einzige Erklärung dafür, dass sie seit neuestem versuchten, ihn für ihre Überzeugungen zu gewinnen. Er nahm es ihnen ehrlich gesagt auch nicht übel. Sie taten nur, was sie für richtig hielten. Das war etwas, wofür er niemanden verurteilen würde. Trotzdem konnte er nicht bestreiten, dass er froh war, bald eine Woche Ruhe von ihnen zu haben. //Aber mit etwas Pech bekomme ich im Gegenzug das größere Übel zurück.// Der dunkle Lord würde sich mit einer hundertprozentiger Sicherheit im Malfoy Manor einfinden, sobald Harry auch nur einen Fuß hineingesetzt hatte. Einerseits musste er zwar zugeben, dass er sich darauf freute, den Mann wiederzusehen, aber andererseits fürchtete er sich davor, dass diese Besessenheit ein Ausmaß annehmen könnte, dass keiner von ihnen zu kontrollieren in der Lage wäre. „Du solltest in deinen Gemeinschaftsraum zurückkehren“, riss ihn Severus' Stimme plötzlich aus seinen Gedanken. „Es ist schon spät und du hast morgen noch einmal Unterricht.“ Harry warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass er Recht hatte. Also stand er auf, verabschiedete sich von ihm und machte sich auf dem Weg in den Ravenclawturm. Die letzten Monate waren relativ friedlich verlaufen. Remus lud ihn immer einmal die Woche zu einer Tasse Tee ein und plauderte mit ihm über alberne Nichtigkeiten. Zugegebenermaßen rührte ihn dieser stumme Wunsch des Werwolfes, sich ihm wieder zu nähern. Inzwischen zweifelte er nicht mehr daran, dass er es ehrlich meinte und im Grunde genoss er ihre Gespräche. Trotzdem würde es noch lange dauern, bis er ihm vertrauen würde. Ansonsten war der Unterricht so anspruchslos wie eh und je – zumindest für ihn. Deshalb war er froh, Severus' Okklumentikstunden zu haben. Sie stellten ihn vor eine angenehme Herausforderung und hinderten ihn daran, sich zu Tode zu langweilen. Tatsächlich gab es nur eine einzige Sache, die ihm Sorgen bereitete: Felice hatte ihm seit den Sommerferien keine Briefe mehr geschrieben. Obwohl es nicht ungewöhnlich war, dass sie sich Zeit mit einer Antwort lassen konnte, waren zwei Monate selbst für sie spät. Ob irgendetwas nicht in Ordnung war? Er würde ihr noch bis nach Halloween Zeit geben, doch wenn sie ihm bis dahin immer noch nicht geantwortet hatte, würde er einen Brief an Fleur schreiben und fragen, was los war. Jedoch war bis dahin noch etwas Zeit und die würde er nicht damit verschwenden, sich unnötig Sorgen zu machen. Am Ende hatte sie einfach viel um die Ohren gehabt oder sie hatte eine neue Art der Zerstreuung gefunden, die sie für alle anderen Dinge unempfänglich machte. Es wäre nicht das erste Mal. Trotzdem hatte er ein äußerst ungutes Gefühl... //Hoffentlich irre ich mich//, dachte er, als er in den Gang vor seinem Turm einbog. //Bitte mach, dass ich mich irre.// Bedauerlicherweise wusste er, dass er mit seinen Gefühlen meist richtig lag. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Zur gleichen Zeit, als Harvey Malfoy den Ravenclawgemeinschaftsraum betrat, lag Nagini zusammengerollt vor dem Kamin in dem Bücherraum ihres Meisters und beobachtete, wie er nachdenklich in einem Buch blätterte. In letzter Zeit verbrachte er fast jeden Abend damit, das zu tun und sie konnte es beim besten Willen nicht nachvollziehen. Zwar war sie es bereits von früheren Jahren gewohnt, dass er wochenlang über einem dieser lästigen Dinger brütete, die bestenfalls dafür zu gebrauchen waren, verbrannt zu werden – zumindest ihrer Meinung nach – aber da war es immer ein Buch gewesen, dass er vorne angefangen und hinten beendet hatte. Nun waren es jedoch viele Bücher, die er aus anderen Häusern geholt hatte und die er oft in der Mitte aufschlug, um sie kurz darauf wieder zu schließen. Als sie ihn ganz am Anfang danach gefragt hatte, hatte er gemeint, man nenne diesen Vorgang „Reschersche“ und es sei wichtiger, als sie glaubte. Nun, ihrer Meinung nach konnte er sagen was er wollte, sie konnte den Sinn darin nicht finden. Plötzlich wurde die Stille, die über dem Hause ihres Meister lag durch näher kommende Schritte unterbrochen. Neugierig hob sie ihren Kopf. Es musste sich um mehrere Personen handeln und sie liefen schnell, zielsicher... wer es wohl wagte, um diese Uhrzeit vorbei zu kommen? Schließlich öffnete sich die Tür, woraufhin Severus Snape und Lucius Malfoy hereinkamen. Letzterer begann auch sofort zu sprechen: „Ich verstehe es nicht, Mylord! Ich verstehe nicht, warum sie nichts tun! Warum sie zögern!“ Nagini zischte verärgert, als sie ihn so respektlos mit ihrem Meister, seinem Meister, reden hörte, aber diesen schien es aus irgendeinen Grund nicht zu stören. „Wovon sprichst du, Lucius?“, fragte er und legte das Buch beiseite. „Von Lily und James!“, rief Lucius und baute sich vor ihm auf, während Severus sich vorsorglich neben ihn stellte, um ihn zur Not davon abzuhalten, eine Dummheit zu begehen. „Warum nähern sie sich Harry nicht? Warum lassen sie ihn in Ruhe? Sollten sie nicht vielmehr versuchen, ihn für sich zu gewinnen? Die beiden würden niemals zulassen, dass ihr Sohn bei uns bleibt.“ „Vielleicht sind sie einfach nicht die Art von Eltern, wie du und Narcissa“, schlug ihr Meister gelassen vor. „Vergiss nicht, dass sie ihn elf Jahre lang bei euch gelassen haben, ohne sich auch nur einmal nach ihm zu erkundigen.“ „Aber warum tauchen sie dann jetzt wieder auf?“, wollte Lucius wissen. „Dafür wird es einen Grund geben, einen guten Grund und es hat sicher mit Harry zu tun! Wer weiß, vielleicht haben sie sogar schon Kontakt zu ihm aufgenommen!“ „Wenn sie das getan hätten, würdest du es wissen“, entgegnete er trocken. „Harry würde wissen wollen, ob du und Narcissa etwas davon gewusst haben... apropos, weiß Narcissa...?“ „Natürlich nicht“, schnaubte Lucius. „Sie würde sich furchtbare Sorgen machen, Harry zu verlieren. Ich möchte ihr diesen Gedanken solange ersparen, wie möglich.“ „Aber wenn sie es irgendwann herausfindet, wird sie es dir nicht verzeihen“, warf Severus leise ein. „Genauso wenig wie Harry.“ „Ja, ich weiß“, flüsterte der Malfoy und ließ sich auf einen Sessel fallen. „Ich weiß, dass es nicht richtig ist, es ihnen zu verheimlichen. Sie haben beide vielmehr das Recht, es zu erfahren, als ich, aber ich kann es ihnen nicht sagen. Ich weiß nicht, wie.“ Mit einem verzweifelten Blick sah er zum dunklen Lord auf, so als erhoffe er sich von ihm eine Antwort. „Was für ein alberner Mensch“, kommentierte Nagini das Gesagte, was alle dazu brachte, sich zu ihr umzudrehen.. „Er erhofft sich doch nicht wirklich, dass Ihr seine Probleme löst? Was glaubt er, wer Ihr seid? Sein Therapeut?“ „Still, Nagini“, erwiderte ihr Meister sanft, doch mit drohenden Unterton. „Deine Meinung ist zur Zeit unangebracht.“ Wie bitte? Ihre Meinung war also unangebracht? Nun gut, das konnte er gerne haben! Beleidigt entwand sie ihren Körper und glitt wütend zischend aus dem Raum. Wenn er glaubte, dass sie heute noch ein Wort mit ihm wechseln würde, hatte er sich aber gewaltig geschnitten! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es war die erste Nacht, in der Harry nicht nur von seinen Augen, sondern von seinem ganzen Körper träumte. Bisher waren es immer nur seine roten Augen gewesen, die ihn aus der Dunkelheit heraus angesehen hatten, aber nun war es der ganze Mann, der ihn sanft lächelnd betrachtete und seine Arme nach ihm ausstreckte, sobald er sich seiner Aufmerksamkeit sicher war. Harry blieben nun zwei Möglichkeiten. Entweder er blieb wo er war und wartete darauf, dass er in einen anderen Traum kam oder aber er nahm die unausgesprochene Einladung an und ging zu ihm. Natürlich musste er sich das nicht zweimal überlegen, immerhin war er hier in einem Traum und da konnte er tun und lassen, was er wollte, ohne mögliche Folgen fürchten zu müssen, oder? Langsam näherte er sich dem Mann, der immer noch mit ausgestreckten Armen dastand und auf ihn wartete. Doch als er nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war, zerfiel der Körper jäh in tausend Lilienblüten, die von einem unsichtbaren Wind davongetragen wurden. Harry sah ihnen mit einem dumpfen Gefühl im Magen hinterher, ehe er sich wieder zu der Stelle umdrehte, wo Tom noch kurz zuvor gestanden hatte. Es dauerte einige Sekunden bis er realisierte, was nun dort stand und sobald es soweit war, begann er zu schreien. „Harry? Harry!“ Erschrocken schlug er die Augen auf und sah Stephen, seinen Zimmergenossen, besorgt über ihn gebeugt dastehen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er. „Du hast geschrien.“ Eilig setzte er sich auf und sah sich orientierungslos um. Er war in ihrem gemeinsamen Zimmer. In Hogwarts, im Ravenclawturm. Merlin sei dank! „Ja... es war nur... ein Albtraum“, murmelte er. „Wie spät ist es?“ „Um sieben. Wir müssen in einer Stunde beim Frühstück sein. Ist wirklich alles in Ordnung? Normalerweise bist du doch schon um sechs auf den Beinen...“ „Ja, mach dir keine Sorgen, Stephen. Ich... war einfach nur müde gestern Abend. Nichts weiter.“ „Na gut“, sagte der Junge zögernd. „Aber du siehst schon etwas blass aus. Vielleicht solltest du zu Madam Pomfrey gehen und den Tag im Krankenflügel verbringen. Ich glaube, etwas Schlaf könnte dir gut tun.“ „Nein, es geht mir gut!“, beteuerte er und sprang zum Beweis mit einem Schwung aus dem Bett. „Komm, wir müssen uns anziehen und dann zum Frühstück gehen. Vergiss nicht, dass Professor Flitwick darauf besteht, dass wir alle immer morgens reichlich essen!“ Stephen schnaubte. „Der Mann und sein Essen. Ehrlich, es wundert mich manchmal wirklich, wie er so dünn bleiben kann, wenn man bedenkt...“ Aber Harry hörte ihm überhaupt nicht mehr zu. Stattdessen versuchte er das Bild zu verdrängen, das ihn aus seinen Schlaf gerissen hatte, was leider nicht gelingen wollte. Es war ein Kadaver gewesen. Der Kadaver einer riesigen Schlange. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Du siehst schrecklich aus“, war alles, was Draco sagte, als er sich auf seinem Platz neben ihm in Verteidigung gegen die dunklen Künste fallen ließ. Es war ihre letzte Stunde für heute und um ehrlich zu sein, war er ziemlich froh darüber. So würde er in etwa zwei Stunden Zuhause sein und sich in sein Bett legen können, um zu schlafen. Im Nachhinein musste er nämlich zugeben, dass Stephen Recht gehabt hatte. Ein Tag im Krankenflügel wäre wirklich die bessere Option gewesen, aber er konnte es jetzt auch nicht mehr ändern. //Doch, du könntest diese Stunde sausen lassen. Es wäre kein großer Verlust. Hattest du nicht selbst gesagt, dass die Stunden bei Remus Zeitverschwendung sind?// Ja, das hatte er. Trotzdem ignorierte er seine innere Stimme – die normalerweise richtig lag – und wandte sich seinem Bruder zu, der ihn mit leicht wachsender Besorgnis musterte. „Mir geht es gut“, sagte er zum gefühlten tausendsten Mal an diesem Tag. Hermione, Neville und die Hälfte ihres Jahrgangs hatten ihn den ganzen Tag mit gut gemeinten Erkundigungen nach seinem Befinden genervt. Ob auch nur einer von ihnen auf die Idee kam, dass es niemanden besser ging, nur weil man darauf hingewiesen wurde, dass man nicht in Höchstform war? Wahrscheinlich nicht. „Bist du dir sicher?“, fragte Draco misstrauisch. „Ja doch“, entgegnete Harry genervt. „Es geht mir bestens! Ich bin nur müde, nichts weiter!“ Die Frage war, warum war er müde? Zwar war er immer müde – es kam ihm langsam wie ein chronischer Zustand vor – jedoch hatte es heute ein ungewöhnlich großes Ausmaß. Ob das mit seinem Albtraum im Zusammenhang stand? Es wäre möglich. In diesem Moment betrat Remus den Klassenraum und sofort kehrte Stille ein. Während der letzten zwei Monate hatten alle damit begonnen, ihn in ihrer Mitte zu akzeptieren und zu respektieren. Er hatte sich wirklich gut geschlagen, das musste man ihm lassen. Offenbar war Dumbledore doch noch dazu in der Lage, eine Schule zu führen. Heute wirkte der Werwolf allerdings seltsam beunruhigt und es half nicht wirklich, dass er direkt vor Harry zum Stehen kam und ihn mit einem durchdringenden Blick betrachtete. Bevor der Junge fragen konnte, was das sollte, sagte er: „Der Schulleiter möchte dich sprechen.“ „Jetzt?“, fragten die beiden Malfoys wie aus einem Munde. Remus nickte langsam und sah dabei weiter Harry mit einem Blick an, den dieser nicht deuten konnte. „Oh... okay. Dann... gehe ich wohl besser“, meinte er und packte seine Sachen zusammen. „Wir sehen uns dann spätestens Zuhause“, sagte er noch zu Draco, ehe er aus dem Klassenraum verschwand. Später fragte er sich oft, ob er in diesem Augenblick wirklich geglaubt hatte, dass er an diesem Abend Zuhause sein und friedlich mit seiner Familie zu Abend essen würde. Um ehrlich zu sein: er hatte es gehofft. Aber es änderte nichts daran, dass er insgeheim geahnt hatte, dass dieser Abschnitts seines Lebens bereits vorbei gewesen war, als er Malfoy Manor das letzte Mal verlassen hatte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Schweigend saß Lily Potter, ehemals Evans, in Albus Dumbledores Büro und wartete. Um ehrlich zu sein, sie hasste es zu warten. Sie hatte es immer gehasst. Das einzig Gute an der gegenwärtigen Situation war nur, dass sie nicht alleine wartete. Langsam drehte sie ihren Kopf zu James um, der mit angespannter Miene am Fenster stand und die Ländereien von Hogwarts überblickte. Vor vielen Jahren – manchmal kam es ihr wie gestern vor, manchmal wie ein Jahrhundert – waren sie selbst hier zur Schule gegangen. So vieles hatte sich seitdem verändert und allem voran sie selbst. Sie hatte sich versündigt. An ihrem eigenen Sohn. Dem sie heute das erste Mal seit elf Jahren wieder als seine Mutter gegenüberstehen würde. Ja, sie hatte Angst – vor seiner Reaktion, vor dem folgenden Gespräch, vor seinen Entscheidungen. Albus jedoch wirkte äußerst zuversichtlich, was ihr etwas Hoffnung machte. Vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren. Vielleicht würde sie ihren Harry endlich wiederbekommen. Bei all diesen Gedanken kam ihr nie in den Sinn, wie egoistisch diese Sicht der Dinge eigentlich war. Schweigend hob sie ihren Kopf und sah zu Albus hinüber, der summend hinter seinem Schreibtisch saß und Däumchen drehte. Was er wohl von der ganzen Sache hielt? Bisher hatte er sich nur bedingt zu der ganzen Sache geäußert. Ob er am Ende...? Auf einmal klopfte es an die Tür und sie zuckte zusammen. Wie es aussah, war es nun soweit. Der Moment, den sie gleichzeitig gefürchtet und herbeigesehnt hatte, war gekommen. „Herein“, rief Albus und im nächsten Moment betrat Harry den Raum. Die Schuluniform stand ihm gut. Aus welchem Unterricht sie ihn wohl geholt hatten? Hoffentlich keinen wichtigen. Andererseits hatte Regulus gesagt, er sei der zweitbeste Schüler Europas, da dürfte es für ihn eigentlich keine Schwierigkeit sein, etwas zu verpassen. Ansonsten sah er genauso aus, wie bei ihrem ersten Zusammentreffen in Frankreich, nur dass er etwas blässer und erschöpfter wirkte. Ob er eine Grippe ausbrütete? Es wäre denkbar, dieses Frühherbstwetter war dafür bekannt, Krankheiten zu fördern. „Sie wollten mich sprechen, Sir?“, sagte Harry höflich, während seine Augen eilig die Anwesenden erfassten. Lily wusste sofort, dass er sie erkannt hatte, aber er war gut darin, es zu verbergen. Kein Wunder, Narcissa hatte ihm sicher beigebracht, den perfekten Slytherin zu mimen und die waren schon immer Experten darin gewesen, ihre Gefühle für die Welt unzugänglich zu machen. //Nur jene, die ihnen nahe stehen, können sie durchschauen. Das heißt, für mich wird es schwierig sein, aus ihm schlau zu werden.// Sie würde es trotzdem versuchen. Sie musste es versuchen. Auch James hatte sich beim Eintreten seines Sohnes umgedreht und musterte ihn nun mit einem beinahe verzweifelten Ausdruck. Da verstand sie, dass sie mit ihren Gefühlen nicht so alleine war, wie sie bisher angenommen hatte. Auch er sehnte sich nach ihrem Sohn. Auch er wusste nicht, wie diese Unterhaltung ausgehen würde. Auch er war völlig hilflos angesichts dieser Begegnung, die es nie so hätte geben dürfen. Irgendwie hatte dieses Wissen etwas unheimlich beruhigendes an sich. „Ah, Harry“, sprach Dumbledore herzlich und bereitete zum Gruß seine Arme aus. „Wie schön, dass du kommen konntest. Setz dich doch! Möchtest du eine Tasse Tee? Oder Kürbissaft?“ „Nein danke, Professor“, erwiderte der Junge leise, nachdem er sich neben Lily gesetzt hatte. „Nun gut“, meinte der alte Mann bedauernd. „Ich denke, du weißt, wer diese beiden bezaubernden Persönlichkeiten sind?“ Harry warf seiner Mutter einen flüchten Blick zu. „Soll das ein Witz sein? Wenn ja, finde ich ihn nicht lustig.“ „Es ist kein Witz“, entgegnete der Schulleiter freundlich. „Dies sind deine Eltern, Harry. Dies sind Lily und James Potter.“ „Ich bin nicht blind“, erwiderte er in dem gleichen Tonfall und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich bin wirklich sehr auf die Erklärung gespannt, die ihr mir jetzt geben werdet.“ Mit diesem Worten ließ er seinen Blick zu James gleiten, der ihn schweigend erwiderte. „Ich nehme mal an, ihr wart Laura und Jeffrey Evans?“ Erschrocken atmete Lily laut ein. Er hatte es herausgefunden! „Ja“, sagte James leise, ohne auf seine Frau zu achten. „Das waren wir.“ Albus runzelte verwirrt die Stirn, während Harry nickte. „Dachte ich mir.“ „Hast du es damals schon gewusst?“, fragte James. Lily lief es bei dieser Frage kalt den Rücken herunter. Wie sollte er das gewusst haben? Sie hatten, seit sie England verlassen hatten, stets einen Illusionzauber getragen – nur für den Fall. Er hätte sie nicht erkennen können, aber... //Aber er ist mein Sohn. Wer sollte mich erkennen, wenn nicht er?// Ohne dass es ihr bewusst war, vergruben sich ihre Fingernägel schmerzhaft in ihren Oberschenkeln. Wenn er es gewusst hatte, dann... wusste sie nicht, was sie nun tun sollte. Was sie denken sollte! „Ob ich es gewusst habe?“, wiederholte Harry, der immer noch James ansah. „Mach dich nicht lächerlich. Ich kann es nicht gewusst haben. Immerhin wart ihr, wartet.... waren es zehn, elf oder zwölf Jahre? Jedenfalls seit ihr lange genug tot um es nicht gewesen zu sein, nicht wahr?“ Lily zuckte im selben Moment zusammen, in dem James beschämt den Blick senkte. Ihnen war von Anfang an klar gewesen, was sie taten und was es für Konsequenzen haben würde. Natürlich würde Harry nicht begeistert sein, sie zu sehen. Natürlich würde er misstrauisch sein. Natürlich würde er eine Erklärung verlangen. Warum tat er also genau das nicht? Er hätte das Recht, wütend zu werden, sie anzuschreien, auf sie loszugehen, sie zu beschimpfen, sie für alle Ewigkeiten zu verfluchen und doch... Und doch tat er es nicht. Er saß nur da, abweisend – das schon – jedoch ruhig, gelassen, abwartend, wie... //Wie ein Wissenschaftler, der auf den Beweis seiner These wartet.// Plötzlich räusperte sich Albus und sie drehten sich alle zu ihm um. „Nun, ich habe zwar keine Ahnung, worüber ihr gerade redet, doch es scheint so, als wärt ihr euch vor kurzem erst begegnet, liege ich damit richtig?“ Harry starrte ihn schweigend an, während Lily und James nickten. Sofort fuhr der Mann fort: „Umso besser. Dann können wir uns erneute Bekanntmachungen und dergleichen sparen und endlich damit anfangen, den Wissensdurst des Genies in unserer Mitte zu befriedigen.“ „Wie überaus freundlich von Ihnen“, entgegnete der Junge mit einem sarkastischen Unterton. Albus lächelte. „Vergiss nicht, dass ich immer noch dein Schulleiter bin, Harry.“ „Harvey“, verbesserte er ihn sofort. „Für Sie bin ich immer noch Harvey. Und entschuldigen Sie bitte meine Gereiztheit, es ist leider nicht sonderlich einfach, einen kühlen Kopf zu behalten, wenn man bemerkt, dass die Leute, die man als tot erachtet hat, plötzlich wieder am Leben sind.“ „Wir waren niemals tot“, flüsterte Lily und meldete sich damit das erste Mal an diesem Tag zu Wort. Harry wandte ihr seinen Kopf zu und sie musste unwillkürlich schlucken. Dies war ihr Sohn. Ihr eigen Fleisch und Blut. Er gehörte ihr oder sollte es zumindest tun. Unglücklicherweise hatte sie jeden Anspruch auf ihn verwirkt, als sie ihn verlassen hatte. Sie war eine schlechte Mutter gewesen. Ob er ihr die Chance geben würde, das alles wieder gut zu machen? „Wir waren niemals tot“, wiederholte sie lauter, fester, selbstsicher. Nun sahen auch James und Albus zu ihr. „Wir mussten flüchten, verschwinden, es war die einzige Möglichkeit, dich zu beschützen.“ „Mich zu beschützen“, wiederholte er zweifelnd. „Wovor?“ Es war Dumbledore, der ihm antwortete. ______________________________ Was sagt ihr da? Ein Cliffhanger? Wo? O.o Jedenfalls, vielen lieben Dank an alle Leser und Kommischreiber! *jedem ein Glas Butterbier in die Hand drück* Geht es eigentlich nur mir so, oder wird es immer kälter? Nun, mit etwas Glück wird es in Paris wärmer sein, denn dort bin ich in den nächsten Tagen und schau mir mal an, was die Landeshauptstadt Frankreichs so zu bieten hat. Aber keine Sorge, davor und danach habe ich ein paar Stunden Fahrt vor mir, in denen ich vorhabe, mich ein wenig mit dem nächsten Kapitel zu beschäftigen, das heißt, sobald ich wieder da bin, wird es sicher bald weitergehen. Bis dahin wünsche ich euch einen schönen zwanzigsten Jahrestag zu unserer Wiedervereinigung. ^o^ Salut, eure Ayako P.s.: Salut ist französisch und heißt so viel wie „Tschüss“. ^.~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)