Deepening Friendships von Ninjagirl (Auf einem Ausflug der jungen Pros bilden und vertiefen sich Freundschaften [HikaAki]) ================================================================================ Kapitel 6: Go ist wie... ------------------------ "Touya, hilf mir hier mal!" rief Hikaru durch den halben Laden. Immer war er so laut, dachte Touya, musste aber leicht lächeln. Er packte den Salatkopf ein, den er bis eben in der Hand gewogen hatte und ging dann Hikarus Stimme nach. "Ich finde das Fleisch nicht", klagte der Junge. Touya stand neben ihm an der Kühltruhe, ihre Schultern berührten sich und er stellte fest, dass Shindos Schulter etwas höher reichte als seine eigene. Wann war der Junge denn so gewachsen? Er hatte es wohl nicht gemerkt, weil sie immer nur voreinander saßen und nie nebeneinander standen. Es war nicht gut, dass Shindo größer war, dachte Akira. Er hatte oft erlebt, dass Spieler, die ihm körperlich überlegen waren, versucht waren, auf ihn herabzusehen. Sollte Shindo das je tun, würde er ihm den Kopf abreißen. Auf dem Spielfeld, verstand sich. "Du bist keine große Hilfe, Touya, weißt du das?" "Tut mir leid." Er wandte den Blick von ihren Schultern ab und beugte sich über die Kühltruhe, um halbherzig nach Burgerpattys zu suchen. Er sah sie sofort und überlegte, ob er Shindo ärgern sollte, indem er Unwissen vortäuschte. Seufzend dachte er, dass das einfach nicht sein Stil war. "Dort." "Ah, und auch noch so offensichtlich", meinte Hikaru. Er griff einen ganzen Stapel der Packungen und schaufelte sie in Touyas Tasche. "Wozu hast du Käse gekauft? Ich dachte, du machst Salat?" "Ganz richtig. Ich schneide den Käse in Würfel und gebe ihn dazu." "Tust du noch mehr komische Sachen hinein?" fragte Hikaru und durchstöberte Touyas Tasche, die dieser ihm geduldig hinhielt. "Gurke, Salat, Zwiebel, Paprika... so spannend ist das ja nicht." "Ich habe auch nicht gesagt, ich würde einen spannenden Salat zubereiten. Käse ist im Übrigen auch nicht so spannend." "Sei nicht so ein Haarspalter, Touya! Komm, ich brauche noch die Brötchen." Er zog den anderen an dessen Ärmel hinter sich her, Touya ließ es einfach über sich ergehen. Hikaru war erstaunlich euphorisch, dafür, dass sie sich gestritten hatten und dann gegeneinander geschlagen worden waren, und das vor weniger als einer halben Stunde. Während Hikaru auch für die Brötchen-Suche ewig brauchte, holte Touya Tomaten, zeigte Hikaru danach, wo er suchen musste und bezahlte dann ihre Einkäufe. Auf dem Rückweg ließen sie sich Zeit und nahmen den Weg durch den wunderschönen Park, an dem sie am Vortag gewesen waren. Die Sonne stand genau über ihnen und färbte den Himmel in einen angenehmen Hellblauton. Hikaru trug drei Tüten und Touya nur eine, Hikaru hatte darauf bestanden. "Was wirst du machen, wenn wir wieder in Tokyo sind?" fragte Hikaru. "Ich bin im Moment in den Auswahlen für den Kisei- und den Meijin-Titel. Die Vorrunden-Partien finden bald statt und ich hoffe, mindestens in die dritte Vorrunde zu kommen, wenn nicht sogar in die Titelrunde." "Meinst du, du bist schon soweit? Ich meine, unsere Spiele gegeneinander sind eine Sache, aber dein Stil ist irgendwie manchmal noch etwas ungeschliffen und grob. Nicht grob auf eine offensichtliche Art, aber doch kommt einmal pro Partie ein Zug, der eben irgendwie kantig ist." "Ich weiß, was du meinst. Aber ich glaube, das sind die Züge, die wirklich ich sind. Es ist ja nicht so, als seien diese Züge schlecht, sondern nur ungewöhnlich. Du hast selbst manchmal ähnliche." Hikaru nickte und musste lächeln. Vielleicht war das wirklich ihr beider Stil. "Warum hast du dich noch nicht um Titel beworben?" Hikaru betrachtete den Weg vor sich und befingerte wieder den Fächer in seiner Tasche. "Ich habe mich für den Honinbou-Titel beworben. Mein erstes Spiel in der Vorrunde findet in einem Monat statt." "Dann hättest du dich doch auch gleich für die anderen Titel einschreiben können, oder? Kisei, Gosei, Ouza, Meijin, Honinbou... Warum nur der eine?" Sie sahen sich an, Hikaru verzog seinen Mund zu einem halben Grinsen, aber es erreichte kaum seine Augen, noch weniger seine Stimme. "Das ist..." Er räusperte sich, weil er heiser klang. 'Sai... wie soll ich es ihm je sagen? Ich will dir nah sein, das ist der einzige Grund.' "Shindo Honinbou ist der einzige Name, den ich tragen möchte. Ich möchte, dass mich die Go-Welt so nennt und erst, wenn mein Name unausweichlich mit diesem Titel verknüpft wird, werde ich einen anderen erringen." "Du würdest ihn dem Meijin-Titel vorziehen? Oder dem Ouza, dem König?" "Komisch, nicht wahr?" "Naja... ein bisschen, ja. Ich glaube, kein anderer Pro ist so wählerisch, was den Titel angeht. Vorausgesetzt, dass du ihn je erringen wirst, natürlich." "Natürlich." Es klang sarkastisch, doch so hatte er es gar nicht gemeint. Er wusste genau, dass er den Titel in diesem Jahr nicht erhalten würde, er konnte ja noch nicht einmal gegen Touya gewinnen. Doch er hatte noch genug Zeit. Shindo Honinbou. Das würde er sein und würde doch immer an Torajiro denken, der den Namen als Erster getragen hatte, und mit dem er sich über den Titel verband. Sie beide, die Einzigen, die Sai wirklich kannten, würden letztendlich etwas teilen. Hikarus Augen begannen zu brennen, seine Brust zog sich zusammen. Touya hatte seine wechselnden Gesichtsausdrücke beobachtet, überließ ihn diesmal aber seinen Gedanken. Er hatte keine Ahnung, was genau bei Shindo die Knöpfe zu diesem Gesichtsausdruck drückte, aber anscheinend schaffte er es doch immer wieder. Als sie im Haus ankamen, kam ihnen Le Ping entgegen um mitzuhelfen. "Ochi hat riesige Kopfschmerzen!" teilte der Chinese ihnen mit, als er Hikaru die Tüten abnahm. "Das ist auch kein Wunder. Genau deshalb hat Isumi dich auch vom Sake ferngehalten, Le Ping", kommentierte Hikaru und folgte dem Kleineren in die Küche, während er die letzte Tüte von Touya nahm, der eigentlich hatte protestieren wollen. Le Ping half Hikaru bei der Zubereitung, während Touya es vorzug, alleine zu werkeln. Hikaru erhitzte Öl in einer großen Pfanne und sah Touya zu. "Wieso kochst du Wasser?" Touya sah vom Zwiebeln schneiden auf, in das er bis eben absolut versunken gewesen war. "Was?" fragte er verdutzt, während er sich bemühte, die in seinen Augen stehenden Tränen zurückzuhalten. Daran waren die Zwiebeln schuld. "Das Wasser. Wozu kochst du welches?" wiederholte der andere ungeduldig. "Ach ja. Ich ziehe den Tomaten die Haut ab." Hikaru zog eine Augenbraue nach oben. "Touya... gib's zu, du kannst kochen!" "Naja... ich kann essen zubereiten, ja. Ob es schmeckt werden wir dann sehen." "Wenn es gut schmeckt werden wir sauer sein, dann hättest du nämlich jeden Tag kochen sollen!" "Meinst du nicht, du solltest mir mit so etwas nicht drohen, solange ich noch am Zubereiten bin? Es ist nicht so schwer, es jetzt noch fade werden zu lassen." Hikaru streckte ihm die Zunge heraus und widmete sich der Pfanne, in die er jetzt die Fleischscheiben gleiten ließ. So kochten sie beide stumm, während Le Ping ihnen etwas über die chinesische Go-Liga erzählte. Hikaru hörte kaum hin, doch Touya stellte ab und zu interessiert Fragen. Während Le Ping schließlich die anderen rief und den Tisch deckte, war Touya fast fertig. Hikarus Burger waren bereits im Wohnzimmer, bereit, verspeist zu werden. Also stand er untätig neben Touya und sah zu, wie dieser ein Dressing zubereitete. Er nahm Joghurt, etwas von dem Gemüse, allerdings in einem Mixer zerhäckselt, etwas Milch, Öl und schmeckte dann ab, bis er zufrieden nickte. Er sah Hikaru an und hielt ihm seinen Löffel hin, auf dem noch etwas von der Mischung war. "Probieren?" Hikaru nickte und kostete von dem Dressing. Seine Augen weiteten sich. "Damit ist es beschlossen. Du wirst unser persönlicher Koch. Das hättest du ruhig gleich zugeben können!" Touya schüttelte den Kopf. "Asumi-san kann besser kochen, glaub mir." Damit ging er aus der Küche, um das restliche Essen auf dem Tisch zu plazieren. Hikaru leckte sich über die Lippen, als er ihm folgte. ~x~ "Go ist wie Kochen", sagte Hikaru. Touya hob den Blick und musste schief grinsen. Schon wieder eine Metapher. Er nickte, um Hikaru zum weiterreden zu bringen. "Macht man am Anfang etwas Wichtiges falsch, ist das ganze Mahl versaut. Gibt man zu viel Salz hinzu muss man sofort aufgeben. Wie im Go - von etwas zu viel, und die Partie ist dahin. Es gibt nur wenige... Köche, die ihr Handwerk wirklich verstehen, und nur Feinschmecker können schätzen, was sie bekommen. Auch im Go können meist nur Pros die Überlegenheit einer Partie erkennen." Touya wiegte den Kopf hin und her und meinte dann: "Da fehlt aber noch einiges. Du kannst den Gegner eines Go-Spielers nicht mit Essen vergleichen, das einem nichts entgegensetzt. Ich finde eher, Go ist wie..." Er verstummte. "Wie was?" hakte Hikaru nach. "Naja..." "Jetzt drucks nicht so herum. Oder ist es so schlimm?" Touya hielt seinen Blick auf das Goban gesenkt. "Nunja... Ich denke, es ist wie Sex. Nehme ich an." Er wurde etwas rot. "Wenn man sich zuerst sieht, kann man es kaum erwarten und will so viele... Partien wie möglich spielen. Doch nach ein, zwei Partien will man sich Zeit lassen und das Erlebnis genießen. Es ist immer ein Hin und Her, ein Kampf um Dominanz und ist nur bei ebenbürtigen Partnern ein wirklicher Genuss." Hikaru dachte eine Weile darüber nach. Selbst ohne eigene Erfahrungen auf dem Gebiet fand er Touyas Ausführungen durchaus schlüssig. "Seit wann kennst du dich denn so gut mit Sex aus, Touya?" grinste Hikaru nach einer Weile schließlich. Ein weißer Go-Stein verfehlte sein Ohr um wenige Zentimeter. "Natürlich kenne ich mich nicht aus! Das ist nur, wie ich es mir vorstelle, du Trottel!" Wir sind beide Jungen in der Pubertät, wollte Touyas Blick ihm sagen. Es ist nicht so, als hätten wir nicht eine Ahnung davon. "Irgendwie wundert es mich nicht, dass du es dir wie Go vorstellst." Hikaru musste kichern. Er sah, wie Touya nach mehr weißen Steinen griff und hob abwehrend die Hände, während sein Kichern zu einem Lachen wurde. "Nein, nicht!" Ein Stein traf seine Stirn, ein anderer die ausgestreckte Hand. Das Lachen wurde lauter. Er reichte nach vorne und griff Touyas Hand, um sie still zu halten. Langsam ebbte sein Lachen ab. "Ruhig, Brauner", schnurrte er. "Du solltest nicht so aus deiner Haut fahren, wenn sich jemand über dich lustig macht." "Da spricht der Richtige", erwiderte Touya, ließ allerdings die Hand, die Hikaru umklammert hielt, sinken. "Du bist es doch, der nach unseren Spielen immer die Krallen ausfährt." Hikaru ließ die Hand los. "Ich will mich jetzt nicht streiten, Touya." Touya lächelte. "Ich auch nicht." ~x~ Sie entschieden sich, den Tag in den heißen Quellen zu verbringen und danach auf das kleine Straßenfest zu gehen, das stattfand. Hikaru lief mit Asumi am Arm zu den Onsen. Diesmal blieb Touya nicht bis zum Kreislaufkoller im Wasser, sondern gab vorher auf und stieg aus der Quelle. Yashiro ging mit ihm, gemeinsam machten sie es sich im Park gemütlich. "Touya, wir haben noch keine entspannte Partie gespielt", meinte der Blonde. Touya lächelte ihn an. "Du schläfst immer ein, bevor ich die Ruhe für ein entspanntes Spiel habe." "Ich kann nichts dafür, zu Hause muss ich immer schon um elf ins Bett, ich werde einfach so früh schon müde." Touya wiegte seinen Kopf hin und her. "Wenn wir zurückkommen, spielen wir." Er legte sich auf das weiche Gras, Yashiro ebenfalls. Touyas Kopf berührte Yashiros Schulter und Yashiros Kopf spürte Touya an seiner eigenen Schulter. Die Nähe ließ ihn kurz erschaudern. "So nah bin ich Menschen nicht gewohnt", gab er zu. "Dagegen hilft nur Abhärtung." "Ich verstehe nicht, wie Shindo das viele Anfassen aushält. Vor allem mit dir und Waya. Immer klebt ihr aneinander." "Das klingt entweder eifersüchtig oder verbittert." Touya dachte kurz nach. "Neidisch vielleicht. Ich wäre auch gern so unkompliziert wie ihr." Yashiro stieß ihn leicht an und sagte dann lächelnd: "Keine Sorge, du bist gut so wie du bist." Sie lagen lange dort, bevor die anderen dazukamen. Touya war eingeschlafen während Yashiro leise ein Poplied gesummt hatte. So fanden die anderen sie friedlich zusammen auf der Wiese liegend, Touya mit geschlossenen Augen, Yashiro kaum hörbar singend. Le Ping beugte sich zu dem Schlafenden und strich ihm durchs Haar. Touyas sechster Sinn ließ ihn sofort erwachen. Er zwinkerte einige Male. "Wir wollen weiter, Touya!" Der kleine Chinese wuschelte Touya durch die Haare und half ihm schließlich auf. Hikaru half Yashiro, aufzustehen und keuchte unter dem Gewicht des anderen. "Hey, das hat meine Gefühle verletzt!" grinste Yashiro wegen des lauten Ächzens seines Helfers. "Nur, weil du bloß Haut und Knochen bist, kann das nicht gleich jeder sein." Hikaru grinste ihn an und gemeinsam gingen sie in Richtung von Itous Hauptstraße. Dort genossen sie die Stände mit Essen und kleinen Spielen, es gab auch einen Umzug mit Menschen in einem langen Drachenkostüm, alles schien farbenprächtig und laut und unterhaltsam. Hikaru ging zwischen Yashiro und Touya und zog die beiden regelmäßig zu immer neuen Attraktionen. Er gab ihnen Yakitori aus, erbettelte allerdings die Hälfte von Touyas Spieß, als er merkte, dass sein Geld nicht für noch einen reichte. Kameradschaftlich legte er den beiden Jungen die Arme um die Schultern und merkte nun auch selbst, dass er zu Touyas Schulter ein paar Zentimeter nach unten reichen musste. "Touya, ich bin größer geworden", stellte er verwundert fest. "Nur körperlich", war die trockene Antwort. "Glaub mir." "Pfff." Hikaru zog ihn ruppig heran und Touya stolperte an seiner Seite, fing sich allerdings. In dieser Reihe, fast Schulter an Schulter, gingen sie weiter über das Fest. "Kaum zu glauben, dass wir nur noch zwei Tage hier sind," meinte Yashiro und Touya blickte überrascht auf. "Zwei Tage? Bleiben nicht alle bis zum Kindertag?" fragte er verwundert. Yashiro und Hikaru schüttelten den Kopf. "Ähm, nein. Ochi fährt noch heute und wir hatten eigentlich beschlossen, schon am vierten zu fahren." Hikaru sagte nicht, dass das wegen ihm war. Er hatte den fünften Mai, Kodomo no Hi, Jungentag, nicht mit seinen Freunden verbringen wollen. Stattdessen wollte er zu einem Tempel und wieder versuchen, mit Sai zu reden. Es war erst ein Jahr her, dass der Geist ihn verlassen hatte, die Hoffnung auf eine Antwort hatte er noch nicht aufgegeben. Touya sah etwas enttäuscht aus, doch es war nichts, was seine Stimmung für längere Zeit trüben konnte, schließlich schien er einen anderen Gedanken gefasst zu haben, der ihn aufheiterte. Auch er gab seinen beiden Freunden etwas von dem angebotenen Essen aus und zusammen ließen sie den Rest der Gruppe hinter sich und streiften weiter zu dritt über die Festlichkeiten. Sie trafen sich alle wieder, als die Sonne gerade unterging. Sie standen am Rand der Straße und beobachteten die tanzenden Lichter zwischen den Ständen. Asumi und Hikaru fanden sich irgendwie. Touya hatte die Umarmung Hikarus verlassen und war stattdessen zu Ochi gegangen, Asumi hatte fröhlich seinen Platz eingenommen. Am anderen Ende der langen Hauptstraße wurde begonnen, ein Feuerwerk zu zünden. Rote und grüne Funkenbälle breiteten sich knallend im Himmel aus, um knisternd und Licht sprühend zu verglühen. Immer wieder flogen neue Raketen hinauf, immer neue leuchtende Kugeln entstanden, in weiß, gelb, blau, wieder rot, wieder weiß. Die Gruppe junger Pros stieß begeisterte "Oh"s und "Ah"s aus. Auf ihren Gesichtern tanzten die Lichter, die sich am Himmel ausbreiteten, immer wieder ertönte das Knallen, das die Lichtexplosion einläutete. Yashiro hatte einen Arm um Hikarus Hals gelegt und lehnte seinen Kopf an den blonden Pony des anderen, während Asumi seinen Arm umschlungen hielt und sich an seinen Oberkörper drückte. Die Wärme seiner Freunde umfing Hikaru wie eine einzige Umarmung und er lächelte in den Himmel. Das hier war pures Glück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)