Barfuß im Fieberregen von monophobie (Gilbert x Kiku) ================================================================================ Kapitel 1: Der Barbar im Yukata ------------------------------- Titel: Barfuß im Fieberregen Teil: 1/6 Fandom: Hetalia Pairing: Prussia (Gilbert) x Japan (Kiku) Warnings: Shounen-ai (don’t like, don’t read), Lime, Personifizierte Länder Genre: Historisches, Romantik, Shounen-Ai, Erotik Autor: monophobie Disclaimer: Die Charaktere gehören Hidekaz Himaruya und ich erhebe hiermit keinen Anspruch auf sie. Des Weiteren verdiene ich kein Geld damit. A/N: Wieso mag keiner Kiku? D: Der Japaner ist doch so niedlich und seine Geschichte viel interessanter als man denkt. Klar, mein OTP bleibt Ivan x Gilbert, aber Gott, Kiku und der Preuße sind auch ein unheimlich interessantes Pärchen. Zudem hab ich diese Fanfiction mit wirklichem historischem Kontext versehen und möchte ein wenig mit japanischer Kultur und Vorurteilen aufräumen. Ich hoffe das ist mir gelungen. c.c Vielleicht sind nicht alle Fan von dem Pairing aber allein aus dem Grund der geschichtlichen Zusammenhänge hoffe ich, ist die Fanficiton lesenswert! Ich freu mich wie immer über Feedback und wer besser über die Kultur bescheid weiß darf mich gern an ankreiden. Wenn ihr Begrifflichkeiten nicht versteht einfach nachfragen! Ich werde auch Fußnoten einfügen, die hoffentlich alles Grundlegende erklären. Attention!: Ich habe alle Dinge, die ich so zur Kultur und dem historischen Ablauf nenne, nachrecherchiert, allerdings ist hierbei keine Garantie gegeben. Also schlagt mich nicht, wenn etwas nicht ganz stimmt. xD Widmung: , weil sie der Grund ist, wieso ich das Pairing jetzt so niedlich finde. ♥ Nun viel Spaß mit: Der Barbar im Yukata Die Hitze schwelte über dem Dach des Hauses. Die Shōji waren weit aufgeschoben, damit die wenigen, wohltuenden Windböen die stickige Luft wegspülte. Selbst im Schatten des Daches spürte man noch deutlich die sommerliche, viel zu hohe Temperatur. Kiku fächelte sich Luft zu, sein Yukata war an den Armen hoch geschoben und doch klebte der Stoff an seinem Rücken wie eine zweite Haut an ihm. Die Haarsträhnen schob er mit geschickten Fingern kurz beiseite um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen. Es war ein unsagbar warmer Sommertag in Japan. Selbst die Vögel, die Grillen, das Vieh, Maus und Mann waren zu träge um in dieser prallen Sonne einen Schritt vor die Tür zu setzen, zu singen, sich zu bewegen, zu arbeiten. In dieser steten Glut hätte niemand gedacht, dass dieses Land sich im Umschwung befand und Mutsuhito Meiji-tennō, der Kiku stumm und in den ebenso schweigenden Garten vertieft, gegenüber saß, innerlich zitterte. Er war ein Mann voller Ideen, voller Hoffnung für die Zukunft, ein Mann, der Japans neue Herrlichkeit einläuten wollte. Dieser Mann saß Kiku schweigend gegenüber, im Yukata, trank Tee und sah in den Himmel als würde er wissen, dass an diesem trägen, zähen Sommertag etwas passieren würde. Es kam plötzlich, nicht ganz unerwartet, aber donnernd wie ein Gewitter über sie. „Meiji- tennō! Honda-sama!“ Sie vernahmen das dunkle Klacken von Geta, die über harten Stein näher kamen, die Stimme von einem Bediensteten aus Kikus Haus. Schnell war er im Garten zu sehen, das Gesicht rot von der Hitze und der Anstrengung, der Aufregung, bevor er sich außer Atem vor ihnen verbeugte. „Ein Schiff, Meiji- tennō, es wurde gesichtet. Es scheint unser Gesandter aus dem preußischen Land zu sein, so wie es der Botschafter angekündigt hatte.“ Er hatte schnell gesprochen, kaum Luft geholt und eben diese blieb dem jungen Herrscher gerade weg. Die unangebrachte Aufregung in der sommerlichen Hitze war übergesprungen. Meiji- tennō erhob sich schnell, sah zu Kiku: „Honda-san, rasch, wir müssen uns umkleiden. Wenn die Nachricht des Botschafters der Wahrheit entsprach, dann erwarten wir unseren Abgeordneten nicht allein.“ Kikus Bediensteter war dem jungen Mann nachgeeilt, wollte ihn beim ankleiden helfen. Im Nachbarraum waren prächtige Kimonos bereitgelegt, auch wenn Kiku sich im Klaren darüber war, dass sein Herrscher die Uniformen der Ausländer mehr mochte. Der Japaner konnte sich diesen Umstand schwerlich erklären. Langsam und bedacht trank er seinen Tee aus, erhob sich um sich ebenfalls ankleiden zu gehen. Die See war ruhig. Das Schiff würde sicherlich bald in den Hafen Edos -ach nein, nun Tokios- einlaufen, doch Kiku bot sich keine Eile. Er war sich immer noch nicht ganz sicher, ob er die Modernisierung seines so heimischen Japans gut hieß. In einer Sänfte wurde Kiku und Meiji-tennō zu dem Hafen gebracht. Das Schiff war bereits in Sichtweite, die dunklen Dampfwolken verrauchten im stahlblauen Himmel. Es war langsam geworden, als es in die Bucht einfuhr. Die Menschen am Ufer waren gebannt. Aus Freude, oder aus Furcht, aus Respekt oder Erwartung, darüber war sich Kiku nicht ganz sicher. Noch immer wedelte er mit dem Fächer vor seinem Gesicht um die Schweißtropfen im Keim zu ersticken. Der Kimono war zu warm und der junge Herrscher an Kikus Seite innerlich zu aufgeregt -für seinen Geschmack. Es war doch nur ein Schiff. Als es anlegte, der Anker geworfen und die Taue befestigt wurden, sah Kiku die ersten neugierigen Großnasen auf dem Deck. Genauso interessiert gemustert, wie sie es selbst mit der japanischen Bevölkerung taten. Es schien wahr zu sein, dass dieses Schiff mehr nach Japan brachte, als nur einen Abgeordneten. Dennoch drehte sich vorerst alles um diesen, als er als erster das Land betrat um seinen Herrscher zu begrüßen, die Situation zu erklären. Kiku schnappte nur Wortfetzen auf. Das leise Gemurmel und die noch lauten Rufe auf dem Schiff erschwerten es, unauffällig zu lauschen. Der Abgeordnete schien überrascht Meiji-tennō hier anzutreffen. Er hätte ihn in seiner Residenz erwartet, doch die Umstände waren zu kompliziert um sie nun zu erklären und die nächsten von Bord gehenden Männer näherten sich. Ausländer, preußische Männer, die groß gewachsen in ihren dunkelblauen Uniformen verbargen, dass sie schwitzten. Tapfer trugen sie die schweren Helme unter denen die blonden Haare klebten. Ihnen voran ging ein stämmiger General, mit Orden an der Brust und einem breiten Schnauzer. Die Männer folgten ihm gehorsam. Nur einer, zu seiner Rechten, sah sich in Seelenruhe um, ließ den Blick schweifen, schlenderte eher ausgelassen als stramm zu marschieren. Seinen Hut hatte er unter den Arm geklemmt. „Meiji- tennō, erlauben Sie, das ist der General der preußischen Armee. Er und seine besten Männer haben mich auf meinem Rückweg begleitet. Mit Ihrer Erlaubnis würden sie gern helfen unsere Armee zu reformieren.“, stellte der japanische Abgeordnete vor, deutete auf den General, der sich nicht in etwa verbeugte, sondern vor dem Herrscher salutierte. Die Männer hinter ihm taten es gleich. Meiji- tennō wusste um diese Art des Respektszeigen, er verstand sie im Gegensatz zu den umstehenden Japanern nicht als eine Anmaßung. Der Preuße neben dem General hatte sich anscheinend zu Genüge einen Rundblick verschafft. Beinah trotzig amüsiert, sah er zu dem Mann neben sich, bevor die Augen sich zu dem Herrscher wanden. Man sah kein Fünkchen Respekt darin, nicht einmal Angst, höchsten ein Quäntchen Anerkennung. „Wenn ich mich vorstellen darf.“ Woher konnte er japanisch? Der Preuße trat vor in das Bild des Herrschers und verbeugte sich, nicht tief, nicht japanisch, eher wie ein veralteter Franzose, der an Barocken Sitten festhielt, aber durchaus einen eleganten Schritt dabei tun konnte. „Gilbert Beilschmidt, Sie haben sicherlich von mir gehört. Ich bin Preußen.“ Langsam sah er wieder auf, in das Gesicht eines nun scheinbar wirklich amüsierten Herrschers. Ein kurzer Seitenblick Meiji- tennōs verriet Gilbert auch schon alles, was er noch hätte wissen wollen. „Und Sie müssen sicherlich Kiku Honda sein?“ Mit einer Drehung auf dem Absatz hatte sich der Preuße umgewandt. Er verbeugte sich ebenso knapp vor Kiku, doch als er dieses Mal wieder aufsah, lächelte er siegessicher. Der Japaner blinzelte einen Moment irritiert, nicht sicher, ob es an der reinen Gestalt des Fremden lag oder an dem was er war. Kiku begriff es nur langsam und zäh in der heißen Sonne. Dieser Mann war Preußen, ein Land, er war wie Kiku selbst. Es erschien dem Japaner absurd. Etwas war nicht richtig an diesem Menschen. Vielleicht bildete er sich das auch alles nur ein? Vielleicht war es nur dieser erste Eindruck, der Gilbert so seltsam wirken ließ. Die schwere Uniform, die streng wirkte, kurzes weißblondes Haar das wild aussah, die bleiche Haut, wie die eines Toten, Attribute, die nicht zusammenpassten. Äußerlichkeiten, die sich in Widersprüchen verstrickten und dem ganzen die Krone aufsetzten, wenn die in der Sonne stark rot leuchtenden Augen über Kiku flogen. Wahrscheinlich bildete er sich das alles nur ein. Das musste es sein. Der General der Armee schien kein japanisch zu können, ebenso wenig wie seine Männer. Der Abgesandte, der ein Jahr im preußischen Land zugebracht hatte, dolmetschte für sie. Gilbert selbst verstand ein paar Worte, doch auch das, was er gelernt hatte, schien in einer Unterhaltung zwischen zwei Japanern nichts zu nützen. Er sah ebenso ratlos drein, wie die übrigen Ausländer. Die Schaulustigen um die Gruppe herum, auf Abstand gehalten von japanischen Soldaten, murmelten unterdessen über ihre Ankunft, über deren Bedeutung. Wohin sie wohl gingen? Wie lang sie bleiben würden? Genau dieses Thema beschäftigte auch den Abgeordneten und den Herrscher. Der Vorschlag wurde gemacht, sie für unbestimmte Zeit in ein Gasthaus zu bringen. Es wäre unüblich, war Kikus Argument, der sich nicht vorstellen konnte, dass ein Gasthaus für längere Zeit ausländische Männer aufnehmen würde. Doch sowohl der Abgeordnete als auch Meiji-tennō schienen von der Idee überzeugt. Gilbert, der versucht hatte das Gespräch zu verfolgen, schien sich nur zu wundern, wieso Gäste nicht auch in ein Gasthaus sollten? Die übrige preußische Mannschaft vom Schiff würde in einem anderen Haus unterkommen. „Beilschmidt-sensei.“, der Abgeordnete wand sich an den Preußen, „Möchten Sie zusammen mit der Truppe in das Haus ziehen? Wie Sie wissen habe ich auch ein eigenes Haus und würde es begrüßen, Sie dort unterbringen zu können.“ Gilbert schien nur die Hälfte verstanden zu haben, der Abgeordnete musste sein Vorliegen noch einmal übersetzen, bevor der Preuße sich zu einem gedehnten Nicken überwand. Er schien etwas Kiku fragen zu wollen, doch fehlten im die Worte. Er wand sich wieder an den Abgeordneten, ließ es ihn übersetzen. „Honda-sama.“, die Frage schien knifflig zu sein, „Beilschmidt-sensei fragt, ob Sie nicht ein Haus hätten, in dem er unterkommen könnte, wenn Sie dies erlauben würden.“ Der Japaner schien ehrlich verdutzt, ein wenig ratlos, als er zu Gilbert sah, der breit lächelte und sich erneut verbeugte. „Ich würde mich sehr freuen.“, sagte er, woraufhin Kiku sich schlecht fühlen würde, wenn er nun ablehnte. Er wollte nicht unhöflich erscheinen, also müsste er doch Gilbert aufnehmen, nicht wahr? Zudem, die Umstände, das was sie beide waren, eine Verbindung, die er nicht freiwillig eingegangen war, verpflichtete ihn doch dazu, oder? Langsam schlug Kiku die Augen nieder, nickte minimal: „Es wäre mir eine Ehre Sie als mein Gast begrüßen zu dürfen.“ Es war beschlossene Sache, als das Schiff abgeladen wurde, Geschenke für den Herrscher abtransportiert und mit den Ausländern weggeschafft wurden. Gilbert behielt wenig Gepäck und trug es sogar selbst, als er Kiku zu seinem Haus folgte. Er hatte eine Sänfte abgelehnt, seine Beine bräuchten Bewegung und obendrein könnte er sich so einen kleinen Überblick über die Stadt verschaffen. Kiku dagegen behagte der Umstand nicht, dass Gilbert ihm folgte, mitten auf der Straße. Der Preuße war auffällig und zu seinem Leidwesen schien er Aufmerksamkeit zu genießen. „Honda-san.“, Gilbert kam an seine Seite, seine japanische Aussprache war noch gewöhnungsbedürftig, „Euer Vorname ist doch Kiku nicht wahr? Ich dachte, das sei ein Frauenname.“ Kiku wand den Kopf, die Brauen knapp zusammengezogen, bevor er verlegen lächelte, aber nichts erwiderte. Gilbert lächelte zurück, deutete mit dem Daumen auf seine Person, „Ihr dürft mich gern Gilbert nennen, wenn Ihr wollt. Das mit dem Sensei und Beilschmidt ist ein wenig seltsam.“ Kiku nickte ihm zu, „Danke für das Angebot, Beilschmidt-san.“ Gilbert murmelte etwas, sah leise seufzend wieder nach vorn. Der Blick wanderte nach oben zum Himmel, dann wieder in Kikus Richtung. Er wedelte sich Luft zu, deutete die Enge seines Kragens an. „Die Uniform ist sehr schön.“, sagte Kiku, ohne darauf einzugehen, dass Gilbert wohl meinte, ihm sei warm. Kiku ging es schließlich nicht anders, wem wäre bei dieser Sonne auch nicht warm? Allerdings erwiderte Gilbert nichts, er schien Kiku nicht verstanden zu haben. Schweigend kehrten sie Zuhause bei Kiku ein. Wahrscheinlich war Gilbert schon auf einige Dinge vorbereitet gewesen, wie selbstverständlich, begann er im Vorflur seine Schuhe auszuziehen. Wenn er auch wesentlich länger als Kiku brauchte um die Schnürung seiner hohen Stiefel zu öffnen. Ein befreiendes Geräusch verließ seine Kehle als er endlich aus den Schuhen schlüpfen konnte, mit Socken den Holzboden betrat. Kikus Haushälterin war in heller Aufregung, weswegen Gilbert kein Wort von dem verstand, was sie genau beredeten. Es ging wohl um die Unterbringung und im Allgemeinen wohl darum, was sich Kiku dabei nur gedacht hatte. Ja, wenn er ehrlich war fragte er sich das auch. Gilberts Sachen wurden von der Bediensteten in ein Gästezimmer gebracht, Kiku bot dem Preußen an, nach der beschwerlichen Reise eine erholende Tasse Tee mit ihm zu trinken. Dankend nahm Gilbert an und musterte auf dem Weg durch das Haus zum grünen Garten hin, die Örtlichkeit. Er fasste die Shōji an, wunderte sich über Tatamimatten und nahm mit Kiku zusammen Platz am niedrigen Tisch für den Tee. Kniend, auf Kissen, saßen sie sich stumm gegenüber. Dampfschwaden stiegen über den kleinen Krügen auf, die Gilbert mit zusammengezogenen Brauen musterte. Die bleichen Finger des Preußen schienen sich dem Getränk unsicher zu nähern. Es war eine unangenehme, bannende Stille zwischen den beiden. Ob es nur an den mangelnden Sprachkenntnissen oder der Zurückhaltung lag, konnte keiner so genau sagen. Schließlich nahm Gilbert den Tee und trank einen Schluck. Kiku wollte ihn nicht genau beobachten, keine Neugier zeigen und dennoch blieb es ihm nicht verborgen, dass Gilbert Mühe hatte, das Gesicht nicht zu verziehen. „Entschuldigt.“, der Preuße ächzte dunkel, bevor er sich zurücklehnte und von den Füßen auf den Hintern rutschte. Die Beine verschränkte er im Schneidersitz vor sich, knöpfte sich die Uniform am oberen Teil ein wenig auf und strich sich das blonde Haar aus der Stirn. Das Gesicht in der Hand, den Kopf sacht schüttelnd, lächelte er. „Ich habe eurem Abgeordneten zwar gesagt, ich werde mich benehmen und tun, was Ihr wollt, aber wie könnt Ihr so sitzen?“ Gilbert sah hoch, eine Mischung aus Unglauben und Amüsiertheit im Blick. „Das tut doch weh! Obendrein ist mir unheimlich warm, ich würde liebend gern meine Uniform ausziehen und nebenbei bemerkt schmeckt dieses...“ Er wedelte mit der Hand zu dem Tee „Abscheulich.“ Kiku wand den Körper beiseite, hob den Arm und lachte hinter vorgehaltener Hand. Eine Geste, die Gilbert noch mehr Unglauben auf das Gesicht zauberte, doch schnell wandelte sich die fragende Schnute in ein sanftes Lächeln. Kiku hätte gern gewusst, was dahinter gesteckt hat. „Ich bin nicht gerüstet für einen japanischen Sommer. Zumindest nicht so.“, Gilbert deutete mit der Hand auf den Himmel, „Habt Ihr vielleicht einen Yukata für mich?“ Kiku nickte ihm zu, bevor er sich vom Tee-Tisch erhob, „Folgt mir.“ Gilbert war nicht wählerisch, als es um den Yukata ging. Die Farbe war ihm egal, das Muster oder der Stoff, er wollte nur aus seiner Uniform heraus. Kiku ließ zwei seiner weiblichen Bediensteten kommen. Er selbst stand nur entfernt und beaufsichtigte sie, wie sie beim Ankleiden halfen und beobachtete, wenn auch unbeabsichtigt, Gilbert, wie er sich auskleidete. Er pellte sich regelrecht aus dem schweren, satten Stoff der Uniform. Jacke, Weste, Hemd – vollgesogen mit Wärme und Wasser. Der feingliedrige Rücken glänzte im warmen Sonnenlicht und feine Perlen wanderten zu Boden. Den beiden Bediensteten schien der Anblick zuzusagen. Bleiche Haut war ein Schönheitsideal in Japan und breite Schulter ein Attribut an Männern, das man schätzte. Gilbert schien sich über diesen Zustand nicht bewusst. Ausharrend stand er im Raum, nur mehr in Unterhosen und wartete, dass man ihm den Yukata reichte. Die beiden Damen legten ihm den Stoff an, banden, zerrten, rückten ihn auf Gilberts Größe zu Recht. Der Preuße sah dem eher skeptisch zu, hob die Arme weit um ja nicht zu viel Körperkontakt zu den Frauen zu haben. Es schien ihm gar ein wenig unangenehm, so bemuttert zu werden. Ganz davon abgesehen, dass für ihn diese Falt- und Legetechnik viel zu kompliziert war. Doch der luftdurchlässige, flattrige Stoff schien eine Erholung für seinen überhitzten Körper. Fertig eingewickelt sah er in Kikus Richtung, lächelnd, die Arme ausgebreitet und mit den weiten Ärmeln wackeln. „Viel besser. Danke sehr.“, sagte Gilbert und löste sich von den Frauen um zu Kiku zu gehen. Der nickte ihm nur zu, lächelte bescheiden: „Behaltet den Yukata als Zeichen meiner Gastfreundschaft.“ „Oh nein, nicht doch.“, Gilbert hob die Hände abwehrend, „Das ist zu nett. Wenn dann müsste ich euch auch eine Uniform anfertigen lassen.“ Kiku lächelte sanft, doch die Brauen waren zusammengezogen, bildeten eine kleine Falte an der Nasenwurzel, als er antwortete: „Das ist zu viel der Ehre, Beilschmidt-san, das kann ich nicht annehmen.“ „Ach was. Ach was!“, Gilbert war zu ihm getreten, schlug ihm die Hand auf die Schulter, woraufhin Kiku zusammenzuckte, „Nur nicht so bescheiden! Stoffe haben wir hoffentlich noch genug und Ihr seht sicherlich herzallerliebst in einer Uniform aus. Ein Schneider war an Bord, das wird also nicht das Problem sein.“ Gilbert schien von seiner Idee begeistert, er ging zu dem Haufen seiner Kleider und nahm seinen Hut hervor. „Am besten sollten wir Ihnen auch einen Hut machen, Honda. Die Helme sind absolut grauenvoll.“ Gilbert setzte Kiku den Hut schief auf den Kopf, rückte ihn zurecht, grinste dann zufrieden. Kiku dagegen lächelte entschuldigend als er die, seiner Meinung nach anmaßende Kopfbedeckung, abnahm. Er sah verzeihend zu Gilbert, die Brauen ein wenig zusammengezogen. Gilbert schnitt ihm das unausgesprochene Wort ab: „Keine Sorge, Honda.“ Er nahm den Hut wieder in die Hand, drehte ihn langsam. „Ich habe keine Läuse. Ich bin nicht ungepflegt.“ Kiku hob die Hände abwehrend, lächelte: „Das hätte ich nie von Ihnen gedacht, Beilschmidt-san. Ich würde niemals etwas annehmen was unsere Beziehung gefährden könnte.“ Gilbert wusste es besser. Auch von den alten, noch Vorurteil-belasteten Japanern wusste er. Es war ihm egal. Er legte die Hand auf Kikus Haar, fuhr kurz durch die weichen, schwarzen Strähnen. „Sie sollten besser auch einen Yukata anziehen, Honda. Die Hitze steigt Ihnen sonst noch zu Kopf.“, Gilbert lächelte, bevor er sich von dem Japaner abwand und wieder in Richtung Garten schlenderte. Er sah in den Himmel, zur Sonne, überlegte kurz, bevor sich Kiku an seine Seite stellte und er sich an ihn wand: „Ich werde eine Weile spazieren gehen und Euch allein lassen, Honda. Ihr habt sicherlich viel zu tun, jetzt, da Japan im Umschwung ist.“ Der Preuße lächelte zu ihm, nickte ihm mit dem Kopf entgegen. „Ist es Ihnen Recht, wenn ich kurz vor Sonnenuntergang zurückkehre?“ Kiku verbeugte sich zustimmend, „Ich werde das Essen vorbereiten lassen, wenn es Euch genehm ist.“ Gilbert grinste nur, bevor er den Kopf schüttelte und sich zum Gehen abwand. Mehr zu sich selbst sagte er, während er den Flur entlang schritt: „Diese Höflichkeit wird dich noch umbringen, Gilbert. Ohja.“ „Honda-sama!“ Aufgeregt und sich tief verbeugend kam Kikus Haushälterin in das Zimmer. Kiku sah von seiner Arbeit auf, legte den Pinsel beiseite. „Was ist denn? Ist etwas passiert?“ Die hektische Frau gestikulierte in Richtung Eingang. „Der Ausländer, Honda-sama. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich hab ihm angeordnet, erst einmal stehen zu bleiben, dass ich Euch holen gehe. Er hat mich nicht verstanden.“ Kikus Stirn legte sich in Falten, bevor er sich langsam erhob und an der Dame vorbei zur Eingangstür schritt. Gilbert stand in dem eingelassenen Vorflur, wo die Schuhe ausgezogen wurden. Er stellte gerade seine Stiefel beiseite, lächelte, als Kiku näher trat und hob eine Hand zum Gruß. Anscheinend wartete der Preuße auf etwas. „Was ist der Anlass?“, fragte Kiku und sah dabei zu seiner Haushälterin, die neben ihn getreten war. „Honda-sama, er kam barfuß von draußen herein.“, die Dame deutete auf Gilberts Füße, an denen Staub und Dreck klebte, „Ich kann ihm so doch keine Hausschuhe geben, geschweige denn auf die Matten lassen.“ Gilbert hatte ihnen zugehört, doch deutete auf seine Ohren. Er schien nicht zu verstehen, was die Frau aufregte. Kiku trat ein wenig näher, deutete auf seine eigenen Füße, dann auf Gilberts. Verstehend nickte der Preuße und zeigte zu seinen Stiefeln. „Sie waren mir zu warm, also habe ich sie unterwegs ausgezogen.“, erklärte er. Kiku hob die Brauen, ungläubig fragte er: „Ihr seid barfuß durch die Stadt gewandelt?“ Gilbert nickte, was aber die entsetzten Blicke nur verstärkte. „Aber ihr müsst euch doch vom Unrat distanzieren.“, Kiku deutete nach draußen. Gilbert sah in die Richtung. Seine Miene wanderte ins Ungläubige ab, bevor er die beiden Japaner belächelte. „Unrat?“, fragte er, „Die Straßen sind doch sauber.“ Kiku wand sich an seine Haushälterin: „Holt ein nasses Tuch. Wenn wir gegessen haben, möchte ich, dass das Bad für unseren Gast bereit ist.“ „Sehr wohl.“, die Dame verbeugte sich, bevor sie abging. Gilbert schaute ihnen beiden mit einem ratlosen Blick nach, sah seine Füße an und wieder den Flur entlang. So schmutzig war er jetzt doch nun wirklich nicht. Am Tisch herrschte gedehntes Schweigen. Gilbert saß abermals im Schneidersitz Kiku gegenüber, das dampfende Essen vor ihnen. Kiku hatte sich Reis aufgetan und versuchte den Blick des Preußen zu ignorieren, während er aß. Seit dem Vorfall mit den Dreckfüßchen hatte keiner etwas gesagt. „Honda, seid Ihr mir böse?“, Gilbert hatte den Kopf fragend geneigt und sich leicht über den Tisch gelehnt, damit Kiku auch ja antwortete. „Beilschmidt-san, wie könnte ich einen Groll gegen euch hegen? Ihr habt ni...“ Gilbert brummte dunkel: „Hört schon auf mit diesen albernen Höflichkeitsfloskeln. Das hilft mir auch nicht weiter. Wenn ich was falsch gemacht habe, dann sagt es mir. Was ist so schlimm an nackten Füßen? Ist es anstößig?“ Kiku atmete tief ein, stellte die Schale Reis wieder vor sich hin und legte die Stäbchen quer darauf, bevor er den Blick an Gilbert wand. Innerlich ruhig antwortete er schließlich: „Man sollte nicht mit blanken Füßen die Erde berühren. Besonders nicht in der Stadt.“ Gilbert stützte seinen Ellenbogen auf den Tisch, den Kopf in die Hand und brummte leise: „Warum? Es ist trocken, die Straßen sauber und meine Zehen sind nun wirklich nicht hässlich.“ Kiku schüttelte den Kopf, aber konnte sich ein sanftes Schmunzeln nicht verkneifen: „Es ist unsauber, Beilschmidt-san.“ Gilbert grinste leicht: „Es heißt Gilbert.“ Kiku sah ihn einen Moment schweigend an, bevor er zum Essen nickte: „Ihr solltet essen, bevor es kalt wird. Meine Köchin macht ausgezeichneten Fisch.“ Gilbert sah auf den Tisch, öffnete den Mund, hob einen Finger und sog die Luft ein. „Damit kommen wir zu meinem nächsten Problem.“, sagte er und nahm die beiden Essstäbchen in die Hand, „Wie isst man damit? Wenn Ihr mir es nicht zeigt, esse ich mit den Fingern und dann habt Ihr wirklich einen Grund mich ins Bad zu stecken.“ Kiku schien tatsächlich das erste Mal amüsiert, seit Gilberts Ankunft. Die offene Haltung des Ausländers war auf eine unbekannte Art und Weise erfrischend. Er zeigte ihm, wie man die Stäbchen in die Falte legte, sie aufeinander hielt um damit das Essen aufzunehmen. Die ersten Versuche Gilberts waren noch wackelig, doch Kiku sah großzügig darüber hinweg, wenn dem Preußen etwas von den Stäbchen rutschte. „Bewundernswert, wie ihr damit essen könnt.“, bemerkte Gilbert als er langsam aber sicher mehr Übung hatte und sich nicht mehr zu stark auf das Stäbchen-halten konzentrieren musste. „Da finde ich unser Messer und Gabel viel einfacher. Rein, schneiden, fertig. Das mit den Stäbchen sieht viel akrobatischer aus.“ Kiku sah kurz blinzelnd zu ihm, die Hände stillhaltend. „Akrobatisch?“, fragte er. Gilbert nickte, „Wenn man es zum ersten Mal sieht ist es schon fast kunstvoll.“. War das tatsächlich ein Kompliment gewesen? Schweigend, mit einem sanften Gesichtsausdruck, der innere Zufriedenheit zeigte, wand sich Kiku wieder dem Essen zu. Vielleicht war der Ausländer doch mit mehr Intelligenz gesegnet, als Kiku angenommen hätte. Vielleicht würde diese Zeit nicht so schlimm werden, wie er vermutet hatte. Die Sonne war untergegangen. Die angenehme Frische der frühen Nacht hatte sich über Hof und Haus ausgebreitet. Kiku saß auf den äußeren Holzdielen seines Zimmers, die Shōji hinter ihm weit aufgeschoben um den dünnen Wind für die Bettruhe einkehren zu lassen. Den Blick hatte er in den Garten gewendet, beobachtete, wie sich die Dunkelheit ausbreitete und der Mond begann Schatten zu malen. Eine tiefe, innere Friedlichkeit war in ihm aufgekeimt. In solch angenehmen Nächten erschien ihm sein altes Japan so jung wie es geboren wurde. „Honda-sama, verzeiht die Störung.“ Hinter ihm, vom Flur aus, wurde langsam eine Schiebetür beiseite geschoben. Kniend saßen dort zwei seiner Bediensteten, einen Yukata übergeworfen. Sie warteten ruhig und demütig auf Reaktion und dennoch spürte Kiku, dass etwas geschehen war. „Was gibt es?“, fragte er und wand sich langsam um. Als er näher trat erkannte er, dass die beiden jungen Frauen, diejenigen waren, die er beauftragt hatte das Bad für Gilbert zurecht zu machen. Da ihre Kleidung hastig und unsauber gebunden war, schienen sie von genau dort zu kommen. „Der Gast hat uns hinausgeschickt und auch den Bademeister abgelehnt. Er schien regelrecht empört, dass wir ihm beim säubern helfen wollten. Was sollen wir nun tun, Honda-sama?“ Kiku hatte die Brauen gehoben, betrachtete eine Minute schweigend die Frauen, die vor ihm knieten. Er spürte deutlich ihre Besorgnis, dass sie dachten, Kiku würde sie verantwortlich machen für diesen ungeplanten Verlauf. „Belasst es dabei.“, nach einem stummen Seufzer antworte Kiku schließlich, „Ich werde ihn persönlich fragen, was ihm missfallen hat, sobald er das Bad verlässt. Geht nun.“ Die jungen Frauen verbeugten sich erneut, entschuldigten sich noch einmal auf höflichste Art und Weise für die Unannehmlichkeiten, die sie Kiku und dem Gast bereitet hatten, bevor sie die Wand wieder zuschoben um zu gehen. Mit einem Schulterblick sah Kiku noch einmal hinaus in den Garten, der sich schweigend in der Nacht wiegte, nur leise die selben Geräusche und Melodien von sich gab, wie schon vor Jahren. Er schien still zu stehen. Mit einem dunklen Lächeln und den Kopf schüttelnd ging Kiku hinaus in den Flur. Er war sich fast schon zu sicher, dass Gilbert keinen ruhigen Garten hatte. Weder Zuhaus, noch würde er hier einen finden oder jemals einen bauen. Kiku schlug den Weg zum Bad ein und kurz bevor er ankam, trat auch Gilbert hinaus aus dem Raum. Sein Haar war feucht und die Haut gerötet. Den Yukata hatte er sich übergeworfen, zusammengerafft und mit einem Band festgeknotet. Seine Haut dampfte noch und er schien neben sich zu stehen. Kiku wusste gar nicht, was er zu erst fragen sollte. Ob ihm die Frauen missfallen hatten oder eher der Bademeister, ob das Wasser gut temperiert gewesen war, oder überhaupt, ob es ihm gut ging? Gilbert ging auf Kiku zu, legte ihm die Hände auf die Schulter und schaute ihn durchdringend an, schien sich zu sammeln: „I-Ist das normal?“ Kiku lächelte sanft, dann nahm er Gilberts Hände von seinen Schultern, deutete ihm an, sich zu beruhigen. „Was meint Ihr?“, fragte er, nachdem der Preuße ein wenig durchgeatmet hatte. „Dieses Wasser.“, Gilbert griff sich an die Stirn, „Es war kochend heiß. Ich hab mich gefühlt wie ein rohes Ei.“ Kiku nickte zustimmend: „Es belebt den Körper und Geist. Wart Ihr vielleicht zu lang im Wasser?“ Gilbert hob die Hand und deutete zwei Finger. „Solang.“, sagte er, „Ich konnte es nicht aushalten. Ich bin rot angelaufen.“ Kiku konnte wieder nur nicken, seine Amüsiertheit verbergend: „Ganz recht, Beilschmidt-san. Es ist gut für die Durchblutung.“ Gilbert aber dagegen gestikulierte wild, schien die Situation nicht greifen zu können. „Aber ich sehe aus wie ein Krebs!“, antwortete er hektisch, bevor er schwer schluckte und wieder leiser fortfuhr: „Und... dieser Mann?“ „Der Bademeister?“ Der Preuße nickte zustimmend, die Augenbrauen zog er dabei weit nach oben. „Er dient für eure Entspannung.“, erklärte Kiku. „Wie, aber, wie, wo?“, Gilbert schien ratlos, der Mund stand ihm offen, „Und die beiden Frauen?“ Der Japaner erläuterte ruhig weiter: „Sie sollten euch helfen, euch abzureiben, bevor ihr ins Wasser steigt. Damit ihr auch den Rücken gut säubern könnt.“ Gilbert fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, hob einen Finger um zusammenzufassen: „Es ist ganz normal, wenn ihr Baden wollt, dabei zwei nackte Frauen, die einen abreiben, einen nackten Mann, der für die Entspannung sorgt und ein heißes Becken, in dem man sich beinah verbrüht, zu haben?“ Kiku neigte den Kopf leicht beiseite und erwiderte nachdenklich: „Nun, dieses Angebot gibt es vor allem für unsere Gästen, damit sie sich voll und ganz entspannen und erholen können.“ Gilbert starrte ihn eine Weile an, dann schüttelte er langsam den Kopf. „Danke.“, begann er, „Aber mich entspannt das kein kleines Bisschen.“ Er schritt langsam an Kiku vorbei, verharrte nur kurz: „Könnt ihr mir sagen wo mein Zimmer ist?“ Kiku deutete ihm den Weg, „Dort rechts. Ich lasse sogleich meine Haushälterin kommen, wegen Eurer Schlafgelegenheit.“ Gilbert nickte nur und wollte gar nicht nachfragen, was der Japaner genau meinte. Diese Überraschung musste er erst einmal verdauen und so trottete er stumm zu seinem Raum. Kiku sah ihm nach, fragend, bevor er seine Haushälterin holen ging. „Er hat die Frauen und die Massage abgelehnt?“, fragte die Bedienstete, die Kikus treuste und engste Bekannte war und gerade einen Futon für den Gast aus dem Schrank holte. Der Japaner nickte langsam, nachdenklich. „Hätte er vielleicht mehr erwartet?“, überlegte er laut, sah zu ihr. Seine Haushälterin schüttelte den Kopf, holte auch das Bettzeug dazu. „Sicherlich nicht.“, antwortete sie, „Wahrscheinlich schämt er sich, weil er ein Ausländer ist und anders aussieht oder weil er die Temperatur nicht verträgt.“ Kiku zog die Stirn in Falten. „Das kann ich mir nur schwerlich vorstellen.“, er seufzte leise, „Er wirkt nicht wie jemand, der schnell verlegen wird.“ Die Frau wog den Kopf überlegen, während sie an Kiku vorbei schritt um in Gilberts Zimmer zu gehen. Der Gast war sicherlich schon müde und wollte schlafen. „Sicherlich, wirkt er nicht so.“, sagte sie auf dem Weg, während Kiku ihr folgte, „Doch ihr habt ihn bisher nur angezogen erlebt. Vielleicht sind die Ausländer nackt deformiert oder mit wenig Männlichkeit gesegnet?“ Kiku blinzelte irritiert. Könnte das tatsächlich der Grund sein? In Gilberts Zimmer angekommen, breitete die Haushälterin sogleich den Futon aus. Gilbert saß an dem Tisch, schien Aufzeichnungen zu machen. Er sah nicht auf, während die anderen beiden in seinem Raum werkelten. Ein Grund, weswegen Kiku Gilbert lang und eingehend betrachten konnte. In der Tat, der Preuße trug sogar unter dem Yukata seine lange Unterhose. Vielleicht mussten die Ausländer doch etwas verstecken? „Das Bett ist angerichtet.“, unterbrach die Haushälterin die Stille, bevor sie sich verbeugte und hinausging. Gilbert sah langsam von seinem Buch auf, sah zu Kiku, dann zum Futon rechts von ihm der auf dem Boden lag. Seine Augenbrauen wanderten nach oben. „Ist das ein Futon?“, fragte er, woraufhin Kiku nickte. „Euer Abgesandter hat mir davon erzählt.“, Gilbert rutschte auf Knien näher und befühlte den Stoff, „Ihr schlaft tatsächlich auf dem Boden.“ Noch bevor Kiku etwas sagen konnte, lächelte Gilbert zu ihm, „Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Honda. Danke für alles.“ Kiku nickte sanft, lächelte leicht und ging langsam zur Tür. „Wenn Ihr einen Wunsch habt, scheut euch nicht Ihn zu äußern. Schlaft wohl, Beilschmidt-san.“ Gilbert musste lächeln, neigte den Kopf verschmitzt. „Nennt mich Gilbert, bitte.“, verlangte er. Kiku schloss kurz die Augen. „Wie Ihr wünscht, Gilbert-san.“ Nun war der Preuße vollends amüsiert. Er schien zufrieden und sah dem Japaner beim gehen zu. „Danke, Kiku.“ Auch wenn das etwas gewesen war, was der Hausherr nicht erwartet hätte. Die Tür schloss er langsam hinter sich, bevor er zurück in sein eigenes Zimmer ging um sich schlafen zu legen. Nach einem anstrengenden Tag schlief es sich immer noch am besten. tbc. A/N: Ja, noch schön unspektakulär. :p Ich hoffe trotzdem der erste Eindruck ist positiv? Es wird mit Verwirrungen über die japanische Kultur weitergehen; Bleibt gespannt. Wenn ihr Fragen habt, stellt sie ruhig. :) I Und wenn man sich Gilbert altertümlich vorstellt, isser doch herzallerliebst, oder? 8‘D · Shoji – Traditonelle japanische Trennwände mit einem Holzrahmen, die mit Papier bespannt sind · Mutsuhito Meiji-tennō – seit 1867 Herrscher Japans der die Modernisierungsbewegung in Kraft setzte, tennō ist die Anrede für die Herrscher · Edo – Der Name Tokyos vor 1868 Kapitel 2: Abgewaschene Zurückhaltung ------------------------------------- Teil: 2/6 A/N: Ich hab endlich genug Freizeit um mal wieder zu betan und weiter zu machen. >3< Yai! Ich hoffe ihr seid noch alle dabei? Dann auf alle Fälle viel Spaß mit: Abgewaschene Zurückhaltung Kiku nippte verschlafen am Tee, ließ seine Haltung ein wenig sacken, als das Frühstück fertig vor ihm gedeckt war. Er hatte in der Nacht kaum Schlaf gefunden und war nun am Morgen umso unausgewogener. Blinzelnd und ein Gähnen unterdrückend sah er nach links als seine Haushälterin sich mit bedachten Schritten näherte. Sie kannte Kiku gut und wollte ihn besser nicht reizen, wenn er unausgeschlafen war. „Honda-sama.“, sie verbeugte sich, „Ihr Gast ist nicht mehr in seinem Zimmer. Eine Bedienstete berichtete, dass er bereits bei Tagesanbruch hinaus gegangen sei.“ Der Hausherr blinzelte einen Moment ratlos. Er erwiderte nichts, sondern wand sich stattdessen stumm seinem Tee und dem Frühstück zu. Seine Bedienstete verstand und verließ ihn wortlos. Waren die Preußen solche Frühaufsteher? Die Sonne war dabei sich zu entfalten, die erste belebende und gleichzeitig vernichtende Wärme zur Erde zu schicken. Der Staub von diesen heißen Tagen würde wohl noch lang in Tokios Straßen haften. Das rege Treiben hatte sich ausgebreitet, die Geschäfte begannen, doch die Menschen hinter den Vorhängen in der Sänfte waren wohl alle noch gleich müde. Kiku ließ sich zur Residenz seines Herrschers bringen. Er wünschte eine Unterredung mit ihrem Abgeordneten aus Preußen. Er musste ihn einige Dinge fragen, bevor er sein kleines Projekt Namens Gilbert Beilschmidt vollständig in Angriff nahm. Kiku hatte seinen Status immer für selbstverständlich gehalten. Wenn er durch die Residenz ging, die Wege verinnerlicht und keiner ihn aufhielt, nach seinem Weg fragte oder auch nur im entferntesten dachte, er hätte hier nichts verloren. Kiku war sich im klaren darüber, dass nicht jeder wusste, was er eigentlich war und wie er in Bezug zu dem jungen Herrscher stand, doch er war ein Sonderfall. Dessen waren sie sich bewusst. Und in diesem sonderbaren Fall war es an der Tagesordnung besser nicht genauer nachzufragen. Doch als Kiku dieses Mal durch die Flure ging, scheue Blicke spürte, fragte er sich, ob dieser Status wirklich so ein Einzelfall war. Fragte sich, wie sie wohl Gilbert gegenüber traten. Ob sie ihn auskundschaften, ihn für selbstverständlich hielten, er passieren durfte, was er wollte. Und Kiku fragte sich, was wohl wäre, wenn sie ihn aufhalten würden, die Gänge versperrten, ihn wohlmöglich noch bestraften. Kiku hatte sich selbst nie große Bedeutung zugemessen, doch die Beziehungen die er und sein Land zu anderen seiner Art hegten, schien mehr auszumachen, als er nun fassen könnte. Bei diesem Gedanke schauderte er kurz, verwarf ihn, als er bei dem Gesandten eintrat. Das Zimmer hatte sich seit seinem letzten Besuch verändert. Der Boden war aus Holz, in der Mitte des Raumes stand ein Hüfthoher, schwerer Tisch in dunklen Tönen. Dahinter saß der dagegen regelrecht kleinwirkende Japaner auf einem Stuhl, der ihn gerade so den Boden berühren ließ. Obgleich noch die Schränke im japanischen Baustil waren, stand das samtweich überzogene Kanapee im klaren Kontrast dazu. Kiku wusste im ersten Moment nicht recht, was er sagen sollte. Er hatte viel von dem Mobiliar der Ausländer gehört, ihm wurden Zeichnungen und Beschreibungen geliefert, doch welche vor sich gesehen hatte er bislang noch nicht. „Honda-sama.“, der Abgeordnete erhob sich und kam hinter dem versperrenden Tisch hervor. Er wollte ihm erst die Hand reichen, besann sich aber eines Besseren und verbeugte sich vor ihm. Er deutete zu dem Sofa, „Es ist mir eine Ehre Euch begrüßen zu dürfen. Setzt Euch doch.“ Kiku nickte, wartete jedoch, dass der Mann sich als erster setzte. Erst dann nahm er neben ihm Platz und wunderte sich über den weichen Stoff in dem er halb versank. Es war ein ungewohntes Gefühl so zu sitzen. „Die Möbel wurden in Preußen gefertigt. Schön, nicht wahr? Ich durfte sie als Geschenk behalten.“, erklärte der Abgesandte und strich über den dunkelroten Bezug. Kiku, der steif und gerade neben ihm saß verschränkte die Hände auf dem Schoß. „Gewöhnungsbedürftig, fürchte ich.“, erwiderte er leise. Der Abgeordnete lachte auf. Er kannte Kiku schon länger und wusste bescheid über ihn und seinen Status, über die Ausgänge von Geschäften, wenn ihm etwas zusagte oder nicht. „Was führt Euch zu mir, Honda-sama?“, fragte er schließlich und lehnte sich zurück, „War der erste Tag mit Beilschmidt-sensei erfolgreich?“ „Wie man es nimmt.“, Kikus Ton war dennoch eher verneinend, „Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Ich kann seine Handlungen nicht immer nachvollziehen.“ Der Mann neben Kiku nickte verstehend. „Sicherlich, sicherlich. Die Preußen sind sehr anders als wir, doch es ist wichtig, dass ihr gut miteinander auskommt, Honda-sama. Beilschmidt-sensei ist überdies auch ein zugänglicher Mensch. Nicht ganz einfach, aber er ist begierig zu lernen. Er war begeistert von der Idee euch kennenzulernen.“ „Tatsächlich?“, Kikus Ton spiegelte nicht wirklich Unglauben wieder. Wahrscheinlich da er wusste, dass Gilbert sich so weit bemüht hatte, wie es ihm möglich gewesen war, Kiku selbst ihm aber verschlossen gegenüber trat. „Ihr dürft ihn nicht wie einen Gast oder Sonderfall behandeln.“, versuchte der Abgeordnete zu erklären, „Er würde gern mehr von euch lernen, verstehen, doch das schafft er nicht allein. Er ist schon recht alt und von seinem Land geprägt so wie Ihr auch, doch ich bin guter Dinge, Honda-sama, dass Ihr und er sich gut ergänzen können.“ Kiku sah überlegend auf seine Finger. Die Worte klangen so leicht daher gesagt, doch für Kiku schien es beinah ein Unding, dieser Forderung nachzukommen. Gilbert war nicht nur sein Gast, er war anders, er kannte weder ihre Sitten noch Gebräuche und selbst wenn Kiku sie ihm beibrächte, würde er sie sicherlich nicht immer befolgen. „Nicht doch, Honda-sama.“, der Abgeordnete lächelte entschuldigend, „Nicht so ein Gesicht. Gab es Unstimmigkeiten? Vielleicht kann ich helfen sie zu klären. Fragen Sie mich ruhig, es ist in unser aller Interesse, dass sie und Beilschmidt-sensei eine gute Zeit miteinander haben.“ Kiku nagte kurz an der Unterlippe, sah zu dem Abgeordneten und fragte schließlich: „Sind die Ausländer deformiert?“ Ratlosigkeit zog sich durch den Raum, ein gedehntes Schweigen. „Wie bitte?“ „Ich schickte Beilschmidt-san zum baden doch er lehnte sowohl die Frauen, die ich kommen ließ, als auch die Massage vom Bademeister ab. Ich kann es mir nicht erklären.“, erzählte Kiku in einem Ton, als würde von genau diesem Umstand die Waage kippen. Der Abgeordnete lachte herzhaft. „Honda-sama, entschuldigt.“ Was war an dem Gesagten nun so witzig gewesen? „Ich versuche es zu erklären.“ Der Abgeordnete schüttelte den Kopf kurz. „Ich hätte Euch darüber aufklären sollen, bitte entschuldigt. In Preußen ist es nicht üblich, gemeinschaftlich zu baden. Wenn überhaupt, dann tut man es allein, Ihr versteht? Zudem ist Beilschmidt-sensei ein christlicher Mann. Es ist sündhaft, wenn nackte Frauen einen Mann umgeben zu einem anderen Grund außer dem Akt. Es ist wahrscheinlich, dass er diese gutgemeinte Geste von euch falsch gedeutet hat.“ Der Abgeordnete erklärte ausschweifend und Kiku nickte verstehend. Der Umstand wurde ihm zwar nun deutlicher, doch ganz greifen konnte er ihn nicht. Wer half den Preußen denn dann beim säubern? Und hatte jeder sein eigenes Bad, wenn sie nicht gemeinschaftlich gingen? „Massagen kennen die Preußen auch nicht.“, fuhr der Abgeordnete fort, „Ihr müsstet ihm vorher erklären, was ihr genau vor habt und bezwecken wollt. Berührungen solcher Art sind für Männer diesen Landes untypisch.“ Kiku hob die Brauen, nickte gedehnt und erwiderte nur ein: „Sehr befremdlich.“ Doch der Abgeordnete winkte ab. „Nicht doch, Honda-sama. Sie sind nur anders erzogen. Mit Geduld und einer Erklärung wird Beilschmidt-sensei sicherlich verstehen, wie es sich in Japan verhält.“ Kiku seufzte lautlos und ließ die Schultern etwas sacken, sah wieder nach vorn. „So unterschiedlich wie unsere Völker auch wirken mögen, Honda-sama, Ihr werdet sicherlich bald feststellen dass die Preußen durchaus Gemeinsamkeiten mit uns teilen.“ Kiku sah den Abgeordneten nicht an. Er konnte es sich nur schwerlich vorstellen, dass diese blonden, großen Männer in ihren wärmenden, dicken Uniformen etwas mit ihnen teilten. Sie waren wie Tag und Nacht. Da gäbe es keine Übereinkunft. „Wenn Ihr Lust habt, Honda-sama könnten wir die Truppen aufsuchen. Beilschmidt-sensei und der General sind gerade dabei Pläne und Formationen zu erstellen und sie mit unseren Heeresführern umzusetzen. Es ist sicherlich eine interessante Erfahrung für Euch.“ Kiku wand den Kopf mit gehobenen Brauen zu ihm, bevor er langsam nickte. Dahin war sein Gast also verschwunden. Er arbeitete hier auch? Das hätte Kiku eher nicht erwartet, obwohl er sich sowieso nicht sicher war, was er eigentlich hätte denken müssen. Zusammen mit dem Abgeordneten nahm Kiku den Weg zu den Übungsplätzen der neuangelegten Kaserne. Bereits von weitem hörte man Schüsse, ab und zu auch wiederhallende Befehle und ein daraufhin lautes: „Jawohl!“ Es war das erste Mal, dass Kiku sich in seinem eigenen Land Fehl am Platz fühlte. Er sah Uniformen und Gewehre, marschierende Soldaten, die exerzierten und Befehle ausführten. Noch mehr japanische Männer, die in ihrer geringen Statur und den Hakama* neben den Preußen in ihrer Gloria untergingen. Es war ein Bild, dass Kiku nicht zusagte, dem er nichts abgewinnen konnte. Doch mittendrin in diesem Bild, das für ihn so unheimlich kontrovers war, saß sein Herrscher in einer weiß-blauen Uniform preußischen Schnitts, begeistert von den Schießkünsten der fremden Soldaten und den silberblitzenden Gewehrläufen. Euphorischer als bei jedem Katana, das er jemals betrachtet hatte. „Honda-san!“, Meiji-tennō winkte ihn zu sich heran und begann zugleich, als Kiku an seiner Seite stand: „Seht, die Preußen haben uns Waffen mitgebracht.“ Kiku nickte und blickte nach vorn, sah einem preußischen Soldat zu, wie er in der brütenden, ansteigenden Sonne einem Japaner versuchte zu erklären, wie er ein Gewehr halten sollte. Das einzige, was ihn zu diesem Bild einfiel war „lächerlich“. Kikus Blick wanderte umher, während Meiji-tennō sich mit dem Abgeordnetem besprach. Wenn Kiku ehrlich war, fand er den Kampfstil eines Samurais weitaus eindrucksvoller als dieses Bild –und es tat ihm Leid das von seinen eigenen Leuten denken zu müssen- von einem Haufen von Dilettanten. Etwas weiter entfernt, auf einem großen Platz und von der Sonne bestrahlt, stand der General vor einer kleinen Gruppe Japaner. Die Befehle, die er gab, übersetzte Gilbert, der neben dem stämmigen Preußen in der Wärme zu zerfließen schien. Er hatte seinen Hut auf, der sein Gesicht zwar vor der ungebändigten Sonnenstrahlung schützte aber seine weißblonden Haare an seiner Stirn kleben ließen. Selbst von dieser Entfernung aus konnte Kiku ausmachen, dass seine Arbeit gerade eher mühselig war und der Preuße sich Schatten und luftigere Kleidung wünschte. Die donnernde Stimme des Generals neben ihm schien seine Laune kaum zu heben. Kiku wand sich langsam zu seinem Herrscher und dem Abgeordneten, fragte leise: „Sagt, wie lang muss Beilschmidt-san hier bleiben?“ „Oh.“, der Abgeordnete sah nach vorn, an Kiku vorbei zu dem Szenario, „An sich könnte er nun gehen, da ich hier bin. Aber so, wie er es verlauten ließ, wollte er länger bleiben um Euch, Honda-sama, Zuhause nicht zu belästigen.“ Kiku wand den Kopf noch einmal herum bevor er sich verbeugte und Anstalten machte sich zu entfernen: „Entschuldigt mich kurz.“ Er nahm den schnellsten Weg in die Kaserne. Was er verlangte und brauchte, bekam er auch. Wenn sein Herrscher so begeistert war, wenn alle sich faszinieren ließen, müsste er sich doch auch aufbringen, nicht wahr? Zum Wohle Japans. Kiku würde sich bemühen, das nahm er sich nun vor, er würde Geduld und Verständnis aufbringen. Das war er nicht nur seinem Land schuldig. Nicht nur. Gilbert wand sich mit einem leisen „Huh?“ um, als Schatten in sein Gesicht fiel und die viel zu helle Sonne ausgeblendet wurde. Er betrachtete den roten Papiersonnenschirm über sich einen Moment, wanderte mit dem Blick von der Hand, die ihn hielt, zu Kiku, der sich hinter ihn gestellt hatte. Gilbert blinzelte einen Moment fragend, ratlos, da drückte der Japaner ihm den Sonnenschirm in die Hand. Kiku selbst musste sich zu sehr strecken um Gilberts Größe zu erreichen. „Ihr verbrennt Euch noch, Beilschmidt-san, wenn Ihr Euch der Sonne so aussetzt.“, erklärte Kiku, griff nach Gilberts Hut und nahm ihm diesen ab. Unschlüssig beobachtete der Preuße die Prozedur, wie Kiku mit einem feuchten Tuch unter die weißblonden Strähnen fuhr und die Stirn abtupfte, kühlte, säuberte. „Ja, ich verbrenne mich sehr leicht...“, murmelte Gilbert, der immer noch nicht sicher war, was Kiku hier eigentlich genau tat. Und warum er es tat. Und wieso er überhaupt hier war. Auf dem Exerzierplatz. Als Kiku fertig war steckte er das Tuch weg, nickte zufrieden. „Beilschmidt-san, mir wurde gesagt, euer Dienst wäre für heute erfüllt? Da ich annehme, dass ihr bis jetzt nichts gegessen habt, würde ich euch einladen.“ Der Preuße schien vollkommen verblüfft. War das der steife Japaner an dem er bis gestern noch hart zu kauen hatte? Hatte ihn jemand ausgetauscht? Gilbert schwieg einen Moment, dann lächelte er. Er verspürte nicht die geringste Lust nachzufragen oder eine Erklärung zu verlangen. Beschweren würde er sich erst Recht nicht. „Es wäre mir eine Freude.“, antwortete er schließlich und war bereit Kiku zu folgen. Nun waren es die Soldaten und der General, die ratlos drein schauten. Der Herrscher und der Abgeordnete schienen die einzigen beiden zu sein, die dieses Bild wahrlich guthießen. Das Bild von dem blonden Preußen in seiner Uniform und dem schmalen Japaner daneben im Kimono, die unter einem Sonnenschirm gemeinsam davon gingen. „Sehr praktisch.“, bemerkte Gilbert über den Schirm. Die Kaserne war längst aus ihrem Sichtfeld verschwunden. „Bei uns Zuhause gibt es auch solche, aber eher für Frauen.“ Kiku nickte zustimmend: „Bei uns tragen vor allem Geishas Sonnenschirme, doch Männern ist es durchaus auch erlaubt.“ Der Japaner sah sich in den Straßen um. „Wo möchtet Ihr Essen gehen, Beilschmidt-san?“ Gilbert lächelte zu ihm: „Habe ich Euch nicht gesagt, Ihr sollt mich Gilbert nennen?“ Kiku blinzelte ertappt, doch Gilbert lachte die Verlegenheit weg: „Und wenn ich ehrlich sein darf, würde ich lieber bei Euch Zuhause speisen. Auswärts würde ich mich wohl nur peinlich machen.“ Gilbert deutete sein Ungeschick mit den Essstäbchen an. „Gilbert-san so schlimm ist es doch nu...“ „Hört auf alles schön zu reden, Kiku! Ich weiß, wenn ich etwas nicht kann.“ Tadelnd hatte der Preuße die Finger gehoben, lächelte aber verschmitzt. Kiku erwiderte den Ausdruck und nickte: „Nun gut, dann gehen wir, wenn Ihr mehr Übung habt.“ Er deutete Gilbert den Weg nach Haus und bemerkte schon gar nicht mehr, wie die übrigen Leute sie bestaunten. Auf dem Tisch neben ihnen standen das benutzte Geschirr und die Essensreste. Gilbert und Kiku hatten sich mit dem Blick zum Garten gedreht, sahen satt und zufrieden den Vögeln in den niedrigen Bäumen zu. Gilbert neigte den Kopf und deutete mit einer Hand nach vorn: „Wie nennt man dieses Wasserding?“ Er deutete auf die in die Landschaft eingeebneten Bambusrohre, die Wasser transportierten und an deren Ende sich ein Rohr immer wieder ab und auf senkte. Es verursachte ein dumpfes Geräusch, wenn es zurück auf den Stein fiel. „Das ist ein Shishi odoshi.“, erklärte Kiku und Gilbert nickte. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Bei uns gibt es nur Springbrunnen.“ Er deutete mit der Hand eine Fontäne an, während er erklärte. Dann wand er den Blick zu Kiku, „Ich habe das Geräusch die Nacht über gehört und mich gefragt, was es sein könnte. Diese Papierwände lassen wirklich jeden Laut durch.“ Der Japaner wiegte den Kopf, in seiner Hand drehte er die Teetasse. „Das ist wahrscheinlich eine Gewohnheitsfrage.“, sagte er, „Ich bemerke das gar nicht mehr.“ Gilbert zog die Brauen zusammen, nachdenklich, dann brummte er: „Ihr meint, man kann es sich angewöhnen, einfach Dinge zu überhören?“ Der Japaner nickte ebenfalls und sah wieder nach vorn. Gilbert folgte seinem Blick, während er einen Schluck Wasser nahm. „Wenn zum Beispiel jemand im Nebenzimmer das Kopfkissen teilt, kann man das überhören und nichts davon mitbekommen.“, sagte Kiku und erntete einen amüsierten Blick von Gilbert. „Erzählt mir nichts von euren Kopfkissen!“, feixte er, „Ich habe mir diese Nacht schon den Nacken verlege... Moment.“ Er hielt inne. Sein Blick wandelte sich ins skeptische und er musterte den gerade und steif sitzenden Kiku eingehend. „Kopfkissen teilen? Ihr meint?“ Kiku sah zurück, seine Mine blieb ruhig und er hob die Brauen fragen. „Also, wenn da zwei Leute?“, Gilbert schien das passende Wort zu fehlen, „Babys und so?“ Der Japaner nickte zustimmend, als würden sie hier von einer Selbstverständlichkeit reden. Nun, für Kiku war es schließlich auch eine. Für Gilbert ganz und gar nicht. „Das überhört Ihr?“, der Preuße hatte vollkommenen Unglauben im Blick, fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und sah wieder in den Garten. „Unglaublich.“, murmelte er. Kiku wusste nicht, was daran so unbegreiflich war. Sollte man zuhören und sich darüber pikieren? Was für eine seltsame Vorstellung. „Und was ist mit Eurem Nacken?“, fragte Kiku, als die Stille zwischen ihnen zunahm. Gilbert griff mit einer Hand in sein Genick, rieb sich die Haut. „Ich habe mich glaube ich verlegen. Er ist ganz steif und tut weh.“, antwortete er mit einem Blick zum Japaner. „Dann solltet Ihr Euch eine Massage und ein entspannendes Bad gönnen.“ Gilbert lachte schief, sah ein wenig gequält nach vorn. „In dem heißen Wasser kann ich schlecht entspannen. Und was ist eine Massage?“ Kiku deutete mit den Fingern die Bewegungen an, machte es Gilbert vor. „Man lockert damit die Verspannungen. Es ist sehr erholsam. Obendrein habt Ihr heute viel geschwitzt, Gilbert-san, ein Bad wäre angemessen.“ Gilbert blinzelte wenig, rümpfte die Nase schnüffelnd und zupfte am Baumwollstoff seines Yukatas. „Stinke ich in etwa?“, fragte er, was aber wohl eher ein Ausdruck dafür war, dass er die Idee des Badens nicht begeisternd fand. Kiku schüttelte den Kopf. „Das habe ich nicht gesagt.“, erklärte er, „Ich mache Euch einen Vorschlag. Ich werde das Wasser ein wenig kühler temperieren lassen, sodass es für Euch angenehm ist und damit Ihr Euch nicht unwohl fühlt werde ich Euch Massieren.“ Gilbert sah ein wenig skeptisch zu Kiku, er nahm noch einen Schluck Wasser, bevor er schließlich gedehnt nickte. „In Ordnung.“ Der Japaner stellte die Teetasse ab, erhob sich und verbeugte sich leicht. „Dann entschuldigt mich.“, sagte er, „Ich werde alles veranlassen.“ Gilbert sah ihm nach und mit einem hohlen Seufzen wieder in den Garten. Er hoffte nur, da würden nicht wieder nackte Frauen warten und sich beinah zu verbrennen wäre auch nicht in seinem Interesse. Seufzend legte Gilbert den Yukata im Vorzimmer zum warmen Bade-Raum ab. Fein säuberlich zusammengelegt, das Bändchen zum festschnüren darauf. Gott sei Dank war bis jetzt keine nackte Frau oder ein komischer Bademeister zu sehen. Gilbert schöpfte tatsächlich Hoffnung, dass dieses Bad entspannend werden würde. Er fragte sich nur, wie Kikus Massage danach aussah und was es überhaupt war. Hoffentlich müsste er sich nicht verrenken oder großartig bewegen. Seit der langen Schifffahrt fühlte er sich unheimlich ungelenkig. Er setzte sich auf die Bank, als er sich der Unterhose entledigte. Just diesen Moment öffnete sich die Tür erneut und Kiku kam herein. Er hatte ein Handtuch dabei und zwei hölzerne Zuber. „Entschuldigt die Verspätung.“. Er verbeugte sich kurz vor Gilbert ohne ihn wirklich anzusehen. Kiku legte die mitgebrachten Sachen auf die Bank dem Preußen gegenüber, bevor er den Obi öffnete und den Yukata langsam von den Schultern zog. Hinter ihm war Gilbert still geworden, war in seiner Pose versteinert. Die Unterhose noch in der Hand schaute er auf Kikus Rücken. Er konnte nicht verhindern dass ein leichtes „Eh?“ seiner Kehle entwich. Der Japaner wand sich langsam um, die Brauen fragend gehoben, während er den Yukata von den Armen zog und er somit von Kiku glitt. Im Fundoshi* stand er nun Gilbert gegenüber, der nackt auf der Bank saß und Kiku mit einer Mischung aus Entsetzen und Überraschung ansah. Geschah das gerade wirklich? „Ist etwas nicht in Ordnung?“, Kiku setzte sich nun ebenfalls hin und begann seine Unterwäsche von sich zu wickeln. Er tat es alles mit einer ruhigen Selbstverständlichkeit. Sein Blick hing noch an den eigenen Händen, bevor er auch den letzten Stücken Stoff beiseite legte. Erst dann sah er Gilbert wirklich an, der sich keinen Millimeter gerührt hatte und auch nicht angehalten war zu antworten. Kiku öffnete die Lippen, wollte etwas fragen, schloss den Mund aber wieder. Hatte er etwas nicht richtig gemacht? Hatte der Abgeordnete vielleicht doch etwas Falsches gesagt und Gilbert schämte sich vielleicht einfach nur? Kiku erhob sich und ging einen Schritt näher zu Gilbert, reichte ihm die Hand: „Kommt. Ich habe doch gesagt, dass ich Euch massieren werde.“ Der Preuße starrte gerade aus, blinzelte, einmal-zweimal verstockt, bevor er nach oben zu Kiku sah. Seine Wangen und Ohren glühten bereits ohne, dass er in das warme Wasser gestiegen war. Gilbert schluckte schwer, erhob sich dann, immer noch etwas steif und sah Kiku von oben an. „N-nackt?“, fragte er, woraufhin Kiku nickte. „Natürlich.“, antwortete, „Alles andere wäre unhygienisch.“ Gilbert biss sich auf die Unterlippe, sah dann beiseite und wich Kikus Blick gekonnt aus. Ja, das geschah gerade wirklich. Kiku winkte lächelnd ab, wanderte mit dem Blick an Gilbert hinab. „Ihr müsst Euch doch nicht schä...“ Seine Augen blieben kleben, der Japaner stockte, dann lächelte er schief. Nein, in der Tat, Gilbert hatte eindeutig keinen Grund sich zu schämen. Nun war es an Kiku den roten Schimmer auf den Wangen wegzublinzeln, die Handtücher und Zuber zunehmen und beim Bad einfach alle Unterschiede zwischen ihnen wegzudenken. Das wäre wohl das Sinnvollste. Er setzte sich neben Gilbert auf einen Schemel, die Lappen für beide lagen bereit. „Ihr müsst Eure Haut abreiben bis sie rosa glänzt.“, erklärte Kiku und machte es Gilbert am Arm vor, „Seht Ihr?“ Gilbert nickte ein wenig steif, sah nur flüchtig zu Kiku. Die Situation schien ihm sichtlich unangenehm und somit brachte er auch kein Wort heraus als er vom anderen abgewandt begann seine Haut abzurubbeln. Wahrscheinlich hatte er vieles von den Japanern erwartet. Er hatte gehört, dass sie viel Wert auf Reinlichkeit legten, auf Ordnung und das richtige Auftreten. Offenherzige Kleidung gab es in Japan nicht, Gott verdammt, sogar die Männer trugen hohe Schuhe um sich vom Dreck der Straße zu distanzieren, aber sie verspürten keine Scham, wenn es um das nackt-sein ging? War er selbst vielleicht einfach nur verklemmt? Es gab ja nun wirklich nichts an ihnen, wofür sie sich schämen mussten, oder? Kiku war obendrein sogar sehr hübsch anzusehen. Gilbert drehte den Kopf nur minimal und er blickte aus den Augenwinkeln zu dem Japaner, musterte die nackten Rundungen für seine Verhältnisse unzüchtig lang. Er ruckte wieder zurück als Kiku ihn ansah und sanft lächelte. Ertappt. Der Japaner rückte auf dem Schemel dichter zu ihm, legte eine Hand auf den Rücken. Gilbert zuckte leicht, wand den Blick über die Schulter zu Kiku. „Ich reibe Euch den Rücken ab, Gilbert-san.“, der Japaner erklärte während er den Lappen an die Haut ansetzte und mit kreisen begann, „Danach könnt Ihr es bei mir tun.“. Gilbert nickte nur, immer noch recht steif, doch schon bald entspannte sich seine Haltung. Er bog den Rücken Kiku ein wenig mehr entgegen, während der rubbelte. Wenn er die Seiten streifte, knickte Gilbert sie ein und lachte dunkel. Die Atmosphäre zwischen ihnen wandelte sich von unbehaglich in angenehm. Schließlich sah der Preuße über seine Schulter zu Kiku, lächelte zu ihm: „Soll ich nun?“ Ein Nicken war die Antwort, bevor der Japaner ihm den Rücken zu wand und Gilbert den Lappen zur Hand nahm. Er versuchte sanft zu dem schmalen Rücken zu sein. Er schob die schwarzen Haare im Nacken ein wenig beiseite, als er mit kreisenden Bewegungen begann. Vorsichtig versuchte er jegliche Grobheit abzulegen. Er war für den Kampf und den Krieg geboren, nicht um anderen dünnen, zierlichen Jüngelchen den Rücken abzureiben. Aber er wollte nicht aufgeben ohne sich bemüht zu haben. Kiku schien schließlich zarter als so manche deutsche Frau. Nach der Prozedur wand Kiku den Kopf zu Gilbert, nickte und bedankte sich. „Wartet kurz.“, wies er den Preußen an, bevor er sich mit den Zubern in der Hand erhob. Er füllte beide randvoll mit Wasser, trug sie wieder zurück zu Gilbert. Der saß noch immer erwartend dort, beobachtete Kiku, hätte allerdings nicht damit gerechnet, dass der ihm den gesamten Inhalt des Zubers einfach so über den Kopf schütten würde. Tropfnass und prustet sah er auf. Gehörte das auch zur Behandlung? Doch so wie Kiku schmunzelte, war es wohl eher ein Streich gewesen. Gilbert griff den zweiten Zuber und noch während der Japaner versuchte zu flüchten, traf ihn das Wasser. „Kommt zurück, das gibt Rache!“, erklärte Gilbert lachend, während er den Zuber wieder füllte um Jagd auf Kiku zu machen. Der für seinen Teil nahm den eigenen Zuber um sich wehren zu können. Nach der Rangelei, der kleinen Wasserschlacht in der beide wohl zu genüge abgewaschen worden waren, setzte sich Kiku ergebend wieder auf einen Schemel. „Verschont einen alten Mann wie mich, Gilbert-san.“, sagte er lächelnd und hob eine Hand. Gilbert lachte leise und stellte sich vor ihm. All seine Schamgefühle waren wie weggeblasen. Wahrscheinlich lag es daran, dass er Kiku als weitaus offener und unverkrampfter empfand, solang sie hier waren. Er reichte dem Japaner die Hand. „Nur für heute.“, erwiderte er, bevor er in Richtung des noch dampfenden Beckens nickte, „Wollten wir nicht baden?“ Kiku sah an ihm entlang, hinauf, schluckte und lächelte im gleichen Augenblick. Er nahm die Hand, erhob sich schließlich und führte Gilbert zum Wasser. Kiku hatte kein Problem damit, sogleich in die dampfende Wärme zu steigen, der Preuße dagegen ging es ein wenig langsamer an. Er tauchte erst die Zehen hinein, einen Fuß bis zum Knöchel und ging Stück für Stück schließlich tiefer. Gilbert keuchte angestrengt vor Wärme, als er neben Kiku im Wasser Platz nahm. „Ist es immer noch zu warm?“, fragte der Japaner, hinter der Hand ein Schmunzeln verbergend, da Gilberts Haut sich sehr schnell rot verfärbte. „Es ist schon besser als gestern.“, erwiderte der Preuße wahrheitsgemäß. Er schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück, atmete tief ein und aus und seine Brust hob sich schwerfällig. Kiku sah zu ihm rüber, dann wieder auf seinen eigenen Körper. Er verglich ihren Brustumfang und die Dicke der Arme und wenn er an seinen Bauch hinab sah, war es beinah schon ernüchternd, dass er nicht solch geformte Muskeln hatte. „Gilbert-san, darf ich euch etwas Diskretes fragen?“, Kiku sah in das Wasser. In der Wärme konnte man nicht eindeutig sagen, was den Rotton auf seinen Wangen ausmachte. „Raus damit, Kiku.“ Gilbert sah nicht auf, sein Ton war dunkel und gurrend. „Ist er bei allen Preußen so groß?“ Gilberts Kopf ruckte wieder nach vorn. Die Brauen hatte er zusammen gezogen, wollte schon nachfragen, was der Japaner genau meinte, da bemerkte er den Blick ins Wasser. Er folgte den Augen, dann überlegte er brummend. „Also, naja, schon?“, versuchte er zu erklären, „Ist eben unterschiedlich.“ Er wiegte die Hand hin und her, „Es gibt größere, die Russen oder Südländer sollen das zum Beispiel sein. Wir Deutschen sind eher Durchschnitt.“ Kiku blinzelte ein wenig verstört. Durchschnitt? Dann wäre er ja nur... Mit einer kleinen Schnute sah er hinab, Gilbert räusperte sich. Wahrscheinlich hatte er nicht gewusst, was er bei diesem Thema angeschnitten hatte. „Wieso heißt es überhaupt Preußen, wenn Ihr doch deutsch seid?“, fragte Kiku um vom Thema abzulenken. Gilbert lächelte leicht und lehnte sich wieder zurück. „Wisst Ihr, Kiku, es ist mehr deutsch als nur Preußen. Ich bin dabei das Land zu einen, es zu stärken, damit es ein vereintes Deutschland geben kann.“, erklärte er ruhig. Kiku nickte verstehend: „Und dieses Land wird dann Euer sein?“ Gilbert hob die Schultern abwehrend, unwissend. „Meins, nun ja. Eigentlich möchte ich nur ein Paradies für meinen kleinen Bruder schaffen.“ Ehrlich überrascht hob der Japaner die Brauen und wand sich an ihn: „Ihr habt einen Bruder?“ Gilbert nickte, deutete eine Größe. „Er ist noch jung, aber so niedlich. Ich würde alles für ihn tun, ich würde für ihn sterben, wenn ich es könnte.“ Er lächelte zu Kiku, zufrieden und ein wenig dusselig. „Ich möchte, dass er nicht die selben Kämpfe und Probleme durchmachen muss, die ich bereits ausgefochten habe und wenn es unvermeidlich wird, soll er zumindest stark genug sein um sie bestehen zu können.“ Kiku musste lächeln. „Das ist sehr nobel von Euch.“ Gilbert tätschelte mit einer Hand Kikus Kopf, nickte ihm zu, „Und wenn unsere Freundschaft erhalten bleibt, dann wird er sicherlich auch in Euch einen guten Verbündeten finden. Ich sage Euch, Kiku, wenn Ihr mich einmal in Preußen besucht, werde ich Ihn Euch vorstellen. Ihr werdet Ihn sicherlich herzallerliebst finden. Er ist so klein und niedlich, mit seinen großen blauen Glubschaugen und er möchte immer höflich und nett sein. Ach Gott, wenn er nur immer so bleiben würde.“ Gilbert lachte herzhaft, dann fächelte er sich Luft zu. „Wird es euch zu warm, Gilbert-san? Vielleicht sollten wir langsam hinaus gehen.“ Kiku deutete nach draußen und dankend nahm der Preuße das Angebot an. Sie rieben sich großflächig mit Tüchern trocken und schlüpften wieder in ihre Yukatas. „Ah, verzeiht!“, Kiku trat gerade mit Gilbert heraus, hob eine Hand, „Ich habe die Massage ganz vergessen.“ Gilbert sah zu ihm, neigte den Kopf ein wenig. „Könnt ihr das nicht auch so? Ich kann mich ja auf den Futon setzen.“ „Ein guter Vorschlag.“, Kiku nickte und folgte dem Preußen in dessen Zimmer. „Wo wir bei Vorschlägen sind.“, Gilbert nahm angekommen im Raum auf dem Futon Platz, der Japaner hinter ihm, „Ich wurde eingeladen. Im Gasthaus, wo der General und die Truppe untergebracht worden sind, feiern sie mit dem Abgeordneten. Es wird auch Sachen aus Preußen geben. Bier, Met, Apfelschnaps, alles was wir mitgebracht haben.“ Gilbert sah über die Schulter zu Kiku, der hatte gerade begonnen, den Yukata des Preußen zu lockern. „Es würde mich freuen, wenn Ihr mich begleitet, Kiku.“ Der Japaner lächelte, legte den Rücken Gilberts frei. „Wenn Ihr es wünscht, sehr gern.“ Gilbert lächelte als Antwort, während Kiku ein wenig ratlos die Hände hob. „Nun...“, er betrachtete den Rücken, die Schultern, die viel weiter oben endeten als die seinen, „Vielleicht wäre es besser wenn ihr euch auf den Bauch legt.“ Gilbert zuckte mit den Schultern und schob den Yukata noch etwas mehr auf die Hüfte, bevor er sich langsam niederlegte, den Kopf auf die verschränkten Hände gelehnt und zu dem Japaner hinter sehend. Mit sanftem Druck löste er die starre Haltung des Preußens, legte die Hände dicht an dessen Seite. „Es ist besser wenn Ihr Eure Arme so hinlegt. Den Kopf solltet Ihr gerade lassen.“, erklärte er und Gilbert befolgte brummend seinen Rat, schnaubte durch die Nase an den Stoff. Kiku rutschte auf Knien an seine Seite, legte ihm die Hände vorsichtig auf die Schultern. Gilbert gab keine Regung von sich. „Wenn Euch etwas unangenehm ist, sagt es mir.“ Kiku atmete tief ein. Es war auch schon eine Weile her, seit er das letzte Mal jemanden massiert hatte. Hoffentlich waren seine Hände und Finger nicht eingerostet. Er wünschte sich, dass Gilbert einen guten Eindruck von den Methoden in Japan behielt. All seine Zweifel wurden mit dem angenehmen Nachtwind davon geblasen. Er hatte nur probeweise, noch austestend, begonnen Gilberts Schultern mit Druck in den Fingerkuppen zu streifen, die Linie am Rücken hinab zu wandern, Verspannungen zu erfühlen, da war der Preuße schon zusammengezuckt und eine angenehme Gänsehaut breitete sich an seinen Gliedern aus. Die unbekannte Behandlung genießend atmete er schwer aus. Kiku begann mit mehr Druck im Daumen zu kreisen, die starren und steifen Muskeln zu lockern. Gilbert seufzte leise, seine Atmung wurde wesentlich ruhiger, langsamer, er murmelte ein dunkles: „Oh Gott.“ als Kiku die Haut behutsam knetete. „Fühlt es sich gut an?“, fragte der Japaner lächelnd, obwohl ihm die Antwort doch klar war. Gilberts Körper verriet ihm alles, was er wissen musste. „Ihr seid ein Genie, Kiku-sama.“, drang Gilberts Stimme dumpf aus dem Stoff und der Japaner bemühte sich bei der lobenden Betitelung noch ein wenig mehr, den Preußen zum seufzen zu bringen. „Habt Ihr in Preußen keine Technik um unangenehme Verspannungen zu lösen?“, fragte er, als Gilbert zusammen zuckte während Kiku an den Seiten entlangwanderte. Es dauerte eine Weile, bis Gilbert antwortete. Er schien zu vertieft in die sanften Berührungen, die er so noch nie gefühlt hatte und war außer Stande mehr als ein verneinendes Brummen zu erwidern. Kiku nahm das als Kompliment und schwieg lieber, damit der Mann unter seinen Händen auch den vollen Reiz auskosten konnte. Nach einer kurzen Weile, als Kiku das Gespräch schon fast vergessen hatte, schnaubte Gilbert leise und murmelte: „Außer Kopfkissen-teilen vielleicht, obwohl das manchmal eher anstrengend als entspannend is‘.“ Kiku schmunzelte, fuhr weiter weite weiche Kreise über Gilberts Rücken und brachte ihn so wieder zum verstummen. Die Stille des Hauses hatte sich über sie gelegt, Kiku sprach nur noch mit leiser Stimme: „Dann habt Ihr es bisher vielleicht nicht richtig gemacht?“ Der Preuße antwortete nichts, gab nur ein leises Schnauben von sich, was Missbilligung zeigte. Er stimmte mit dieser Aussage wohl eher nicht überein, widersprechen würde er jedoch nicht. Dafür waren Kikus Finger, die warme, prickelnde Haut hinterließ zu verlockend. Der Japaner hatte sich den Weg gebahnt, die einzelnen Partien der Muskeln entlang und massierte nun knapp oberhalb des Steißes. Er fuhr vorsichtig mit den Fingern an die Seite, doch Gilbert zuckte und wand den Körper, ungewollt entkam ihm ein verzerrtes Stöhnen. Hervorgerufen durch Schmerz und Wohltat. „Ihr seid hier sehr verspannt.“, bemerkte Kiku, wurde vorsichtiger, aber eingehend bei der Seiten zu der verhärteten Stellen hin. Er kreiste vorsichtig und drückte sanft, doch Gilbert wand sich weiterhin, brummte in den Stoff unter sich. „Kiku, bitte.“, klagte er, woraufhin der Japaner von der Stelle ließ und Gilbert beruhigend nur mehr schwach über den Rücken tänzelte. Der Preuße atmete schwer durch, schloss die Augen seufzend. „Habt Ihr keine Rückenschmerzen?“, Kiku ließ langsam von ihm und legte ihn wieder den Yukata über den nackten Rücken. Gilbert wand den Kopf und sah ihn an, drehte sich dann leicht auf die Seite. „Wir kennen keinen Schmerz.“, er nickte sich beschwichtigend zu, doch Kiku lachte nur leise hinter vorgehaltener Hand. „Dann solltet Ihr Euch nun umso mehr Eurem Schlaf widmen, damit das auch lang so bleibt.“, Kiku erhob sich langsam, schob einen Shōji beiseite. „Schlaft wohl, Gilbert-san.“ Gilbert lächelte zu ihm, nickte langsam, „Träumt schön.“ tbc. A/N: Hakama: Traditionelle japanische Hose, die beim Sport getragen wird. Fundoshi: Japanische Unterwäsche die von Männer unter dem Yukata oder Kimono getragen wurde. Wie sie gebunden wird zeigt Kiku euch gern ;D : http://blyme-yaoi.com/main/wp-content/uploads/2009/11/yaoi-fundoshi-by-yinji.jpg Bei weiteren Fragen einfach melden ♥ Kapitel 3: Klänge für den Milchmond ----------------------------------- Teil: 3/6 Viel Spaß mit: Klänge für den Milchmond „Honda-sama!“, seine Haushälterin schob die Schiebetür auf, verbeugte sich schnaufend, „Ihr Gast ist wieder nicht zu finden. Sein Zimmer ist verlassen, doch keiner hat ihn außer Haus gehen sehen.“ Kiku sah langsam vom Frühstück auf. Es sah verlockend aus, es duftete verführerisch, doch sein Tee müsste sowieso noch ein wenig abkühlen. Seufzend legte er die Hände in den Schoß, dann erhob er sich langsam. Er ging an ihr vorbei, durch den Raum und nahm den Weg zum Flur. All seine Bediensteten schienen bereits auf der Suche nach dem Gast, es herrschte eine helle Aufruhr am Morgen. Als Kiku gerade in das obere Geschoss wollte, näherte sich sein Gärtner. „Honda-sama? Die Mädchen haben Ihren Gast gefunden.“, er verneigte sich höflich und Kiku sah nur mit gehobenen Brauen zu ihm. Wieso haben sie Gilbert dann nicht direkt zum Essen geschickt? Trauten sie sich nicht? „Bring mich zu ihm.“ Der Gärtner verneigte sich erneut und führte den Hausherren den Weg entlang zum vorderen Hof. Am Türspalt sah er einige seiner jungen Dienstmädchen stehen. Mit vorgehaltener Hand tuschelten und kicherten sie. Etwas Interessantes schien ihre Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen. Als eine von ihnen jedoch Kiku erblickte, hielt sie ihre Freundinnen an, still zu sein und beiseite zu treten. Sie verbeugten sich demütig, tief. Ein Schmunzeln auf den geröteten Wangen konnten sie dennoch nicht unterdrücken. „Was schaut ihr euch an?“, fragte Kiku und schritt durch die Gasse der Mädchen zur Schiebetür, öffnete sie und konnte somit auf seine Frage selbst antworten. Im Hof unter der noch jungen Morgensonne stand Gilbert vor einer Wand. Auf Kopfhöhe hatte er einen Spiegel gehängt und vor sich eine Schale mit Wasser gestellt. Der Preuße streckte seinen Hals, hob das Kinn weit nach oben, während er weißen Schaum mit einer Klinge von der Haut schabte. An sich wäre dieses Bild nicht verwunderlich gewesen, hätte Gilbert seinen Yukata sachgemäß angehabt und nicht bis zu den Hüften hinab gekrempelt, ihn dort festgebunden und würde mit nacktem Oberkörper im Hof stehen. Dass die muskulösen, breiten Schultern bei der Damenwelt Anklang fanden, konnte Kiku gut nachvollziehen. Tief einatmend trat der Japaner hinaus und ging schnellen Schrittes zu Gilbert hinüber. Der erblickte ihm im Spiegel, lächelte zu ihm. „Guten Morgen, Kiku.“, grüßte er, in seiner Morgentoilette vertieft und das Kinn wieder hebend. Beinah hätte er sich geschnitten, als Kiku von hinten am Stoff zerrte und ihn Gilbert wieder über die Schultern legte. „Bedeckt euch, Gilbert-san.“ Über den forschen Ton des Japaners verwundert wand Gilbert den Kopf, musterte ihn kurz eingehend, dann schmunzelte er entwaffnend. Er legte Kiku die Hand auf den Kopf, zerzauste so das feine, schwarze Haar. „Keine Sorge, Kiku-chan, Ihr seid der Einzige, der hier außer gucken auch anfas...“ „Beilschmidt-san!“ Kiku hatte die Hand von seinem Kopf geschlagen, sein Ton war tadelnd und im Gesicht zeigte sich unterdrückte Wut. „Ich bitte höflichster Weise um eine Erklärung für Euer Verhalten.“ Gilbert blinzelte ein wenig ratlos, nicht sicher, was er nun schon wieder falsch gemacht hatte. „Ich wollte mich rasieren.“, er deutete mit der Klinge auf die Überreste des Schaums, die an seiner Wange klebten, „Aber in Eurem Haus gibt es keinen Spiegel. Ich war mir nicht sicher ob Ihr es als anmaßend empfindet, wenn ich in Eurem Heim einfach einen aufstelle, also bin ich in den Hof gegangen.“ Er hob die Schultern, sah zu Kiku. „Habe ich Euch verärgert?“, fragte der Preuße leise, mit entschuldigendem Ton. „Bedeckt Euch, wenn Ihr das Haus verlasst, Gilbert-san.“, wies Kiku ihn zurecht, dann deutete er auf das Wasser und die Klinge, „Beendet euer Werk bald, das Frühstück wurde bereits angerichtet.“ „Ein Grund mehr gut auszusehen.“, Gilbert nickte zustimmend, bevor er sich wieder an den Spiegel wand und den Hals streckte. Tief einatmend schritt Kiku langsam wieder zurück. „Kiku.“, durch den Spiegel sah der Japaner noch einmal zu Gilbert zurück, der ihn gerufen hatte. Er musterte ihn kurz, „Wenn Ihr keine Spiegel habt, frage ich mich, wo rasiert Ihr Euch dann?“ Der Japaner blinzelte einen Moment, versuchte die Schamesröte, die ihm ins Gesicht kroch zu unterdrücken. Gilbert machte die abwehrende Haltung Kikus nur noch neugieriger. Er wand sich um, ging auf ihn zu, „Sagt schon. Wo? Geht ihr immer zum Barbier?“ Kiku schüttelte den Kopf, etwas leise, damit nur Gilbert es auch verstand antwortete er: „Ich muss mich nicht rasieren.“ dann wand er sich um zum gehen. Der Preuße sah ihm ratlos nach. Dass Kiku kein Mädchen war, wusste er ja, aber... kein Bartwuchs? So etwas gab es? Den Kopf leicht schüttelnd wand er sich wieder seinem Spiegel zu. Diese Ausländer und ihre Eigenarten. Die Straßen der Stadt dampften in der nachmittäglichen Sonne, beinah so, als würde unter ihnen ein ewigwährendes Feuer brennen. Erschöpft und ausgetrocknet nickten die Gräser an den Rändern, die Blumen ließen die Köpfe tief hängen. Selbst mit Sonnenschirm und Fächer, genug Wasser im Trinkbeutel und einem luftigen Yukata schwitzten die Leute, die geschäftig dem Treiben der Stadt nachgingen. Sie schwitzten, wenn sie die Karren zogen und sie schwitzten, wenn sie die Zutaten für ihr Abendessen besorgten. Doch vor allem waren die Leute in den Geschäften geplagt, die in der stickigen Luft glanzvolle Arbeiten abliefern musste. Und so war es kein Wunder dass der Schneider sich immer wieder die feinen Tröpfchen von der Stirn wischen musste, als er an dem hochgewachsenem Preuße den feinen Seidenstoff absteckte. Gilbert hatte sich für den Abend und auch als Erinnerung an Japan einen Kimono gewünscht, einen eigenen, extra für ihn angefertigten. Er wollte dunkle blaue Farben aber glanzvolle Seide darüber, einen Obi mit Stickmuster. Es sollte ein besonderer Kimono sein, gefertigt beim besten Schneidermeister Tokios. Doch wer hätte denn ahnen können, dass der Stoff so schwer, das Abstecken und Vermessen so lang dauern und die Sonne so unerträglich warm werden würde? Und so war der Preuße selbst geplagt von seiner Idee und sah sehnsüchtig zu Kiku hinüber, der an der Tür des Raumes saß, sich Luft zufächelte und immer wieder am Wasser nippen konnte. Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als der Schneider die letzte Lage am Kimono bemessen hatte und Gilbert könnte sich nun endlich aus dem satten Stoff quälen. Einen Kimono passend zu schneidern war für den Meister ein leichtes, doch Gilberts Schultern waren breiter, sein Oberkörper länger als der normaler Japaner. Ja selbst seine langen Beine und die längen der Arme waren anders. „Ich werde mich sogleich an das Werk machen.“, erklärte der Japaner Kiku gegenüber während Gilbert sich hinter seinem Rücken den Yukata überstreifte, „Doch ich werde den Kimono erst heut Abend fertiggestellt bekommen. Der Obi wird mehrere Tage benötigen.“ Kiku bedankte sich und nickte, erklärte: „Dann werden wir heut Abend den Kimono holen kommen. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit.“ „Nicht doch, Honda-sama. Es ist mir eine Ehre für Sie und Ihre Gäste zu schneidern.“ Der Japaner verneigte sich sowohl vor Kiku als auch vor Gilbert als sie hinaus gingen. Der Preuße hatte aber nun ganz andere Dinge in seinem Kopf als den Kimono. „Kiku-chan.“, er seufzte, lehnte sich dann umständlich rüber an die Schulter des kleineren Japaners um auch die Luft, die Kiku sich zufächelte, abzubekommen. „Ich zerfließe. Und ich habe Durst und Hunger.“, ächzte er leise und nahm umso lieber den Trinkbeutel mit Wasser von Kiku entgegen. „Wollen wir uns etwas Leichtes kaufen und essen, Gilbert-san?“, schlug der Japaner vor und hielt den Sonnenschirm wieder etwas höher als Gilbert sich aufstellte um zu trinken. „Ich wäre begeistert.“ Kiku nickte, sah sich nun um nach einem Stand an dem man schnell etwas kaufen könnte. Im Gegensatz zu Gilbert konnte er die Zeichen an den Türlappen wenigstens lesen. „Gilbert-san, würdet ihr gern etwas Süßes probieren?“, Kiku sah zu Gilbert, der sich ratlos nach etwas umsah, dass nach einem Verkauf für Süßwaren aussah. „Was denn Süßes?“, fragte er nach. Er wusste, dass es in Japan keine Schokolade gab und auch Milch kannten sie nicht. Gilbert konnte sich schwerlich etwas Essbares vorstellen, dass ohne diese Bestandteile auskam und trotzdem sättigte. „Es nennt sich Manjū.“, erklärte Kiku und deutete auf einen Laden in dem es scheinbar diese Süßigkeit zu kaufen gab, „Es ist aus Mehl und Wasser gemacht und wird gedämpft. Ihr könntet es auch mit Gemüse im Inneren essen, doch ich würde euch Anko als Füllung empfehlen.“ Gilbert musterte den vermeidlichen Laden. Für ihn sah hier alles gleich aus. Vielleicht hätte er doch zumindest ein wenig das lesen der Zeichen üben sollen? „Was ist Anko?“, er sah zu dem Japaner, schien sich noch nicht ganz sicher zu sein, ob er diese ominöse Süßspeise tatsächlich probieren wollte. „Eine Paste, ein Mus.“ „Oh!“, Gilbert schien entzückt, „So etwas wie Apfelmus in etwa? Dann will ich es kosten.“ Kiku nickte, hob die Hände knapp. „Wartet einen Augenblick hier.“ Dann verschwand er in das Innere des Geschäfts und kam mit vier Manjū im Stoffbeutel wieder hinaus. Gilbert hatte brav gewartet und schlüpfte wieder mit unter den Sonnenschirm als Kiku zu ihm kam. „Lasst uns einen geeigneten Platz zum rasten suchen.“, schlug der Japaner vor und führte Gilbert weiter durch die Straßen, doch dessen Aufmerksamkeit ruhte auf den weißlichen Knödeln. „Sie erinnern mich an Hefeklöße.“, sagte er als er ein Manjū in der Hand hatte und genauer betrachtete, „Manchmal sind die auch mit Kirschen oder Pflaumen gefüllt.“ Er zwickte mit zwei Fingern in den weichen, gedämpften Teig, zupfte leicht und neigte den Kopf aufgrund der lockeren Konsistenz. Schließlich führte er ein Manjū zum Mund und biss ab. Die bräunlich-rote Bohnenpaste schimmerte aus der Mitte hervor. Blinzelnd sah Kiku zu ihm rüber, beobachtete ihm beim kauen und gehen. „Habt Ihr so großen Hunger?“, fragte er leise und sah sich um, ob die vorbeigehenden Leute sie beobachtet hatten. Der Sonnenschirm bot zwar ein wenig Sichtschutz, der bei Gilberts Größe aber fast schon wieder nichtig war. Gilbert kaute noch immer, schluckend antwortete er: „Ist noch aushaltbar. Weshalb fragt Ihr?“ Kiku hob die Brauen. War es nicht selbstverständlich, weswegen er ihn fragte? Zu seiner Überraschung biss Gilbert noch ein zweites Mal ab und hob anerkennend die Brauen. Nun, wenigstens schien ihm das Innere der Manjū zu schmecken. „Ihr könnt ja gar nicht warten, bis wir einen Sitzplatz gefunden haben, Gilbert-san.“, erklärte Kiku und deutete zum Manjū. Gilbert besah sich den Teigkloß, sah wieder auf, in das Gesicht des Japaners und zuckte die Schultern ratlos. „Wir müssen uns doch nicht unbedingt setzen.“ Kiku blinzelte erneut, hob diesmal die Hand, bevor Gilbert wieder abbiss, verbot ihm die Unhöflichkeit. Einige der umstehenden Personen hatten sie schon von der Seite ausgemustert. „Wenn man etwas isst, sollte man sich Zeit nehmen und sich hinsetzen.“, erklärte Kiku ruhig, deutete nach vorn zu einigen Bänken, die im Kreis um einen Zierteich angeordnet waren, „Man sollte nicht im Gehen essen.“ Gilbert sah zu den Bänken, dann zu dem Rest Manjū in seiner Hand und schließlich zurück zu Kiku. Er hatte eine missbilligende Schnute gezogen. So viele Eigenarten wie er den Japanern ja zusprach, diese fand er dann doch recht dämlich. Vielleicht hätte ihm diese Regel eingeleuchtet, wenn sie in Preußen wären oder in Österreich, irgendwo, wo man die Zuckerbäckerei bei jedem Biss huldigte, doch dann setzte man sich schon in das Café hinein. Wenn man etwas für unterwegs kaufte war es doch im Begriff an sich inbegriffen, dass man es auch auf dem Weg aß, oder nicht? Ganz davon zu schweigen, dass in dieser Sonne man ungern ewig auf der Suche nach etwas zum sitzen ist. Und wenn Gilbert ehrlich war, hatte man in Getas keine bequemen Wanderschuhe und die Yukatas, die einem die Beinfreiheit einer höfischen Dame gaben, unterstützen seine These. Alles in allem; Gilbert hatte kein Problem in diesem Fall unhöflich zu sein und so steckte er den Rest Manjū in den Mund. „Wie wäre es, Kiku-chan, wenn wir den Rest für Zuhause aufheben und langsam zurück gehen?“, grinste Gilbert, nachdem er gekaut und runtergeschluckt hatte, „Der Gedanke behagt Euch sicherlich auch mehr. Die Leute schauen schon neugierig ob Ihr mit dem Barbaren fertig werdet.“ Kiku empörte sich ein wenig, wollte anmerken, dass er Gilbert niemals als einen Barbaren bezeichnen würde, da reichte dieser ihm den Arm. Er solle sich einhaken, damit sie zusammengehörig gehen könnten. Kiku hatte von dieser Gestik gehört. Dass die westlichen Männer Frauen den Arm anbieten und damit andeuten, dass sie ein Gentlemen sind, die Frau beschützen, weiter führen und angekommen ganz gern auch verführen. Zögerlich hob Kiku die Hand und hängte sich bei dem Preußen ein, sah ihm dabei allerdings nicht ins Gesicht. „Sagt mir, Kiku-chan, woraus ist diese Paste gemacht?“, Gilbert fuhr fort als wäre nichts gewesen, während sie die Straße entlang schritten und nun beinah noch mehr Blicke auf sich zogen als vorher. „Bohnen.“ „Tatsächlich? Schmeckt gar nicht danach.“ Und während die Straße unter ihren Geta verdampfte, die müden Gräser sich vom sanften Wind bewegen ließen und die Menschen unter ihren Yukatas schwitzten, hatte Kiku das erste Mal das Gefühl, dass so ein Ausländer vielleicht prägender sein könnte, als er gedacht hätte. Es liebte seine alte, so vertraute Kultur und doch konnte er nicht verkennen, dass er gern gewusst hätte, was dieses Gefühl war, als seine Hand auf Gilberts Arm ruhte. Ob es daran lag, dass Kiku darüber nachdachte, ob Gilbert ihn beschützen würde, ob es das Gefühl war, geführt zu werden oder aber die Reizung seiner Sinne, wenn er sich ausmalte, Zuhause angekommen würde ein verführen auf ihn warten. Es wunderte ihn, dass er in dieser dumpfen Wärme in der Lage war zu erschauern und eine Gänsehaut zu bekommen. Es war eine seltsame Befangenheit, die durch solche kleinen Gesten ausgelöst wurde. Der Himmel war in einem blassen Violett gepaart mit feuerroter Glut verbrannt. Nun war sein Licht erloschen und nur ein fahler halber Mond war übrig geblieben. In den Straßen, an den Häusereingängen und den Brücken waren die Laternen bereits angezündet. Wie aufgestellte Puppen sah man Silhouetten durch die Papierwände scheinen. Gilbert beobachtete das alles durch den schmalen Spalt in den Vorhängen der Sänfte. Neben ihm saß Kiku. Er kannte die Straßen schon bei Nacht, viel eher interessierten ihn die neugierigen Augen des Preußen. In der Nacht hatten sie keinen roten Glanz mehr. Sie waren grau-blau und düster, undurchsichtig, aber immer noch alles klar erfassend. Kiku fragte sich, ob Gilbert die Welt vielleicht anders sah als er. Langsam lehnte sich Gilbert wieder in den Sitz der Sänfte, die auf ihren Weg zum Gasthaus ruhig schaukelte. Er strich den Seidenstoff seines neuen Kimonos glatt, hob die langen Ärmel um sie sich zu besehen. Er schien sich auch in der fremden Mode zu gefallen. „Ich bin schon gespannt auf heute Abend.“, Gilbert sah zu dem Japaner, lächelte dunkel, „Es werden doch Geishas anwesend sein, oder nicht? Ich wollte schon immer mal eine sehen.“ Kiku nickte ihm zu, „Sie werden uns sicherlich einen angenehmen Abend bereiten. Wenn Ihr wollt, Gilbert-san, könnt Ihr auch gern länger bleiben und die Exklusivität des Gasthauses ausschöpfen.“ Gilbert hatte die Hände im Schoß verschränkt, hob die Brauen, dann zog er eine nachdenkliche Schnute. „Exklusivität?“, fragte er, „Was ist denn eigentlich an einem Gasthaus so besonders? Das habe ich mich schon bei unsrer Ankunft gefragt. Die Männer erzählten nur, sie hätten dort jede Menge Vergnügen.“ Kiku räusperte sich, verbarg ein sanftes Schmunzeln hinter den Fingerspitzen und nickte. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen.“ „Wieso?“, Gilberts Blick war nun noch verwunderter. Was verheimlichte man denn hier vor ihm? „Hat man Euch nicht aufgeklärt, was ein Gasthaus ist?“, fragte Kiku nach und Gilbert schüttelte den Kopf. „Wie der Name bereits sagt.“, begann der Japaner zu erklären, „Ist es ein Haus, dass die Wünsche seiner Gäste zu vollster Zufriedenheit erfüllen möchte. Man erfährt dort jede Annehmlichkeit, die man sich denken kann.“ Gilbert nickte und formte dabei ein verstehendes „Oh!“. Er begann an den Finger abzählen zu überlegen: „Also sowas wie bekocht werden, Bad nehmen wann man möchte, von Geishas unterhalten werden?“ Kiku schmunzelte leicht, neigte die Hand nachdenklich, „Ob eine teure Geisha täglich zur Verfügung steht ist fraglich, aber das Haus hat sicherlich seine eigens angestellten Kurtisanen.“ Der Preuße legte die Stirn kraus und verzog den Mund nachdenklich: „Ist das nicht das gleiche?“ Kiku saß bei dieser Aussage kerzengerade und sah schon beinah empört zu dem Preußen. „Gilbert-san, ich darf doch bitten.“ Gilbert hob abwehrend die Hände. Er hatte das Gefühl bei Kiku heute von einem Fettnäpfchen ins nächste zu hüpfen. „Eine Kurtisane und eine Geisha sind grundverschiedene Dinge. Es ist wahr, dass beide gebildet sind und sich in Tanz, Musik und anderen unterhaltenden Künsten auskennen, doch eine Kurtisane, Gilbert-san, wird vor allem gemietet um die Bedürfnisse des Mannes zu decken.“ Gilbert blinzelte verlegen zur Seite, zog ein Schnütchen und brabbelte etwas auf Deutsch. Kiku fuhr fort: „Und eine Geisha ist eine Kulturdame. Sie dient allein der Unterhaltung und würde niemals eine Beziehung mit einem Mann eingehen.“ „Jaja.“, Gilbert winkte ab, sah in die andere Richtung und schob die weißen Finger durch den Stoff des Vorhangs um hinaus sehen zu können. Prostitution war für Gilbert nach wie vor ein heikles Thema. Kiku sah ihm eine Weile zu, leise fragte er dann: „Würdet Ihr gern das Kopfkissen mit einer Kurtisane teilen, Gilbert-san?“ Der Preuße fuhr herum, hatte die Lippen geöffnet und sah Kiku an. Sein Blick verriet Unglaube, ein wenig Entsetzen vielleicht auch, so wie ihm die Röte auf die Wangen und in die Ohren schoss, wohl besonders Scham. „Wie bitte?“, nach einer kurzen Weile fand er seine Stimme wieder. Kiku sah ihn nur stumm an, ohne eine Wertung im Blick. „Ich? Nein, oh Gott, nein! Seh ich so aus? Nein!“, Gilbert wedelte mit einer Hand, überspielte die Verlegenheit mit einem schiefen Lächeln. Kiku verbarg ein Schmunzeln hinter der Hand doch beließ es vorerst bei Gilberts Aussage. Er würde den Abgesandten fragen, ob alle Preußen so zugeknöpft waren. Anscheinend hatte er ein sensibles Thema erwischt. Der Japaner lehnte sich ein wenig vor und sah ebenfalls durch den Spalt des Vorhangs. „Wir sind gleich da.“, sagte er und Gilbert nickte ihm zu. Seine Gesichtsfarbe war wieder normal, die Lippen hatte er aufeinander gepresst. Als sie im Gästehaus ankamen wurden sie von dem Hausherren gegrüßt und sogleich in einen Raum für die Feierlichkeiten gebracht. Der Abgeordnete, der General, die meisten der preußischen Truppe und andere hochrangige Offiziere der japanischen Armee waren anwesend. Es gab kleine Leckerrein auf dem Tisch, Sake stand bereit und hübsche japanische Mädchen servierten für sie. Gilbert und Kiku durften nebeneinander Platz nehmen auch wenn Gilbert sofort von seinen Männern belagert wurde. Es schien um dem Kimono zu gehen und wie Gilbert denn auf Geta laufen könne. Für Kiku war es beinah unbegreiflich, wie ausgelassen die Preußen sein konnten und besonders, wie ansteckend diese Stimmung war, ohne, dass sie einander in Worten verstanden. Oft dolmetschten der Abgeordnete und Gilbert selbst für sie, trieben damit die Diskussionen voran. Hauptsächlich drehte diese sich darum ob Japan denn mit Preußen zu vergleichen wäre. Die meisten im Raum waren sich darüber einig, dass die Offiziere und Samurai, der Gehorsam, ja sogar manche Landstriche, Sitten, Moral und viele Eigenschaften vergleichbar wären, ähnlich waren. Ähnlicher zumindest als zu anderen westlichen Ländern. Kiku schwieg bei diesem Thema. Er sah ab und an aus den Augenwinkeln zu Gilbert und konnte nur wenig Gemeinsamkeit finden, doch wenn er den Blick schweifen ließ, von den preußischen Soldaten zu den japanischen Offizieren, wurde ihm die Ähnlichkeit immer mehr bewusst. Beim Eintreffen der Unterhalterinnen jedoch verstummte die Männerrunde gleichermaßen. Kiku als auch Gilbert waren gebannt, als sie den Sake servierten. Gilberts Augen musterten die Geishas eingehend, sogen jede Regung, jede Information über dieses fremde Ideal auf. Die wieder rot glimmenden Augen waren offen und neugierig und in keinster Weise in Zurückhaltung geübt. Er schien verzückt über die edelmütige Scheu der Damen. Gilbert selbst war befremdlich Diskret. Er fragte nichts und verlangte nur wenig. Er beobachtete lieber die Frauen, wie sie sich in Gespräche einbrachten, kleine Spiele veranstalteten und immer wieder den Sake nachgossen. „Ein Lied. Wie wäre es mit einem Lied?“, der Abgeordnete wand sich an Kiku und Gilbert und diese nickten zustimmend. Gilbert war ein Bewunderer der Musik und er würde liebend gern fremde Instrumente kennenlernen. Auch die Truppe und der General schienen nichts gegen stimmungsvolle Musik zu haben. Drei der Geishas brachten Instrumente. Gilbert war beinah schon ein wenig enttäuscht, dass sie den westlichen doch sehr ähnlich waren. Eine kleine Trommel, gespielt mit der Hand auf einer der Schultern der Geishas. Die zweite hatte eine größere vor sich ausgebreitet, hielt zwei dickere Stöcke zum schlagen bereit. Die dritte hatte eine Holzflöte, die sie, zu Gilberts Verwunderung, sogar quer spielte. Er dachte tatsächlich, die Klänge würden sich kaum von dem unterscheiden, was er kannte, doch da hatte er weit gefehlt. Die vierte Geisha nahm vor ihnen Platz, eine andere positionierte sich im Raum. Gespannte Blicke der Preußen wanderten umher. Sie kannte diese Zeremonie nicht, wussten nicht, was auf sie zukommen würde. Doch es passierte; plötzlich, laut, leierhaft und zum davonlaufen schief. Die Flöte spukte viel zu hohe Töne in einem anderen Takt als die Trommeln, leidend und unverständlich sang die dritte Geisha und zu dieser unrhythmischen Musik bewegte sich die vierte steif wie ein Ast im Wind.* Im ersten Moment hielt Gilbert dieses Katzengejammer für einen schlechten Witz, für einen Spaß, den die Japaner mit den Preußen trieben, doch er wurde eines besseren belehrt als er die Japaner musterte. Sie lauschten der quäkenden Stimme der Frau, erzitterten bei den schiefen Flötentönen und bewunderten die krampfhafte Art, wie die Geisha sich dazu bewegte. Sie schienen in diesem Bild in dem jede Harmonie, jeder Takt und für Gilbert auch jegliches positive Gefühl fehlte tatsächlich eine beeindruckende Kunst zu sehen. Der Preuße war sich nicht ganz sicher ob er deswegen lachen oder weinen sollte. Es tat nicht nur seinen Ohren sondern auch seinem Herzen weh, solch schlechte Musik über sich ergehen zu lassen. Er blickte zu seinen Truppenmitgliedern, zum General, die, wenn man es milde ausdrücken wollte, nicht minder überrascht waren über den japanischen Musikbegriff. Ein Soldat schien sogar darum zu ringen, sich nicht einfach die Ohren zuzuhalten. Gilbert dankte Gott inständig, dass er dieses bizarre Schauspiel nicht all zu lang hat dauern lassen. Die Japaner kehrten einen Moment in sich, ließen die Töne auf sich wirken, bevor sie klatschten, ihrer Begeisterung kund taten. Die Preußen klatschen wohl eher zum Dank, dass es vorbei war. „Hat es Euch gefallen, Beilschmidt-sensei?“, der Abgeordnete wand sich lächelnd an Gilbert, der ein wenig verlegen dreinschaute, dann unter einem gequälten Lächeln sagte: „Es war äußerst interessant.“ Kiku musterte den Preußen, schien mit der Aussage zufrieden. Es war wohl besser, dass Gilbert nicht die Wahrheit sagte. „Wie wäre es, wenn ihr den Offizieren und Honda-sama ein Lied aus Preußen singt? Eure Volkslieder sind wahrlich in-brünstig.“, der Gesandte wand sich an Gilbert und die Truppe, die diesen Vorschlag dankend entgegen nahmen. Ein Lied das nicht nach Verzweiflung und Leid klang wäre an diesem Abend wohl durchaus eher angebracht. Gilbert hielt sich aus der Diskussion, welches Liedchen sie anstimmen wollten, raus. Er war kein Mensch der gern sang und normalerweise empfand er seine Truppe auch nicht gerade als schönen Knabenchor. Ihre Stimmen waren dunkel und dröhnend, gut für die Schlacht um Gegner zu verschüchtern und abzuschrecken, doch nicht anmutig genug für ein preußisches Lied. Dennoch widersprach Gilbert ihnen nicht. Selbst der Männergesang der Soldaten wäre erträglicher als das Jaulen der Geishas. Kiku wunderte sich, wieso die Männer ein Lied anstimmten, Gilbert aber nicht mitsang. Er verstand die fremden, hart und gepoltert klingenden Worte nicht, doch Gilberts Stimme hätte sich sicherlich gut darin eingefügt. Es war ein fröhliches Lied, ganz anders als das, was die Geishas sangen. Die Männer klatschten dazu, trommelten auf den Schenkeln. Es war ein eingängiger gleicher Takt, der die Japaner zum Lächeln brachte. Sie endeten ihre Vorstellung lachend und bekamen Beifall. Der Sake, der wie von selbst immer wieder nachfloss, hatte auch die Japaner offener gestimmt. „Ihr solltet auch singen, Beilschmidt-san.“, vor fremden Personen sprach Kiku den Preußen immer noch mit seinem Nachnamen an. Gilbert billigte es wohl eher wenig begeistert. Er sah Kiku an, zuckte dann leicht mit den Schultern: „Ich habe leider keine schöne Singstimme.“ „Aber er spielt ausgezeichnet auf Instrumenten! Flöte zum Beispiel.“, warf der Abgeordnete ein und lächelte zu Kiku und Gilbert. Der Preuße verzog das Gesicht kurz brummend. Er wusste genau, was Kiku jetzt sagen würde. „Tatsächlich?“, der Japaner sah zu ihm, „Vielleicht könntet Ihr uns eine Kostprobe geben?“ Tada. Da hatte er es. Kiku deutete zu der Holzflöte der Geisha, lächelte freundlich. Gilberts Blick wanderte skeptisch zu dem Instrument, dann hob er eine Hand: „So gern wie ich euch meine Kunst beweisen würde, auf so einem Modell kann ich nicht spielen.“ Zudem wollte er gar nicht wissen, wie schlecht die Japaner über ihre Musik denken würden. Sie klang schließlich vollkommen anders als das, was die Japaner arrangierten. Sicherlich würden sie, den Preußen nicht unähnlich, die fremden Töne erst einmal ablehnen. Und das könnte Gilbert auf den wunderbaren deutschen Komponisten nun wirklich nicht sitzen lassen. „Sehr schade.“, Kiku sah hinab, nahm einen erneuten, kleinen Schluck Sake. Gilbert hatte bisher nur wenig von dem bitteren Reiswein getrunken. Von dem Alkohol war in seinem Kopf auch noch nicht all zu viel angekommen. „Beilschmidt-sensei, hatten Eure Truppen nicht Instrumente mit auf dem Schiff geführt?“ Kiku und Gilbert ruckten gleichermaßen herum, sahen den Abgeordneten an. Kiku begeistert von der Idee, Gilbert nun doch spielen zu hören. Der Preuße in böser Ahnung, gleichzeitig überrascht und bittend, dass dies nicht der Fall wäre. Doch noch bevor er etwas hätte sagen können, wand sich der Abgeordnete an die preußische Truppe und diese bejahten seine Frage. Sie hatten tatsächlich einige Instrumente dabei unter anderem auch eine Querflöte, die Gilbert sogar befohlen hatte mitzuführen. Daran konnte er sich gar nicht mehr erinnern... Die Diskussion zwischen den preußischen Truppenmitgliedern und Gilbert entstand gleich darauf. Kiku konnte nicht nachvollziehen, was sie solang besprachen und besonders, warum sie dabei ganz hitzig wurden. Es sah beinah so aus, als würden sie Gilbert in seiner Autorität untergraben, bis sich schließlich auch der General einmischte und der Preuße klein bei gab. Seufzend wand er sich an Kiku: „Entschuldigt uns für einen Moment. Wir holen die Flöte und die versprochenen Getränke.“ Kiku lächelte sanft, nickte ihm zu. Auch wenn er nicht ganz verstand, wieso sie noch ihren Alkohol holen wollten. Reichte der Sake nicht? Gilbert und zwei preußische Männer erhoben sich, verneigten sich in Kikus Richtung und die der Damen, dann gingen sie hinaus, machten sich auf den Weg in ihre Räumlichkeiten um alles nötige für einen angenehmen „preußischen“ Abend zu holen. Kiku sah ihnen ein wenig gedankenverloren nach, betrachtete kurz die Geishas bis ihm wieder ein Einfall kam. Er wand sich an den Abgeordneten. Jetzt konnte er schließlich fragen - Solang Gilbert nicht hier war und die japanischen Offiziere mit diskutieren beschäftigt waren. „Könnten Sie mich über etwas aufklären?“, Kiku wartete höflich bis der Abgeordnete sein Schälchen Sake gelehrt hatte und sich dem Japaner zu wand. Nickend hielt er ihn an fortzufahren: „Nur zu.“ Kikus Ton wurde leiser und er wanderte mit dem Blick von den Geishas zu dem Abgeordneten: „Sind preußische Männer Kurtisanen abgeneigt?“ Der Japaner Kiku gegenüber lachte hohl und dunkel, schüttelte energisch den Kopf: „Keineswegs!“ Er deutete auf den General, „Ganz im Gegenteil. Der Leiter des Gasthauses und die Dame, die über die Kurtisanen wacht, haben mir schon vom unsäglichen Appetit der Preußen erzählt.“ Kiku blinzelte verwirrt, er sah zu dem Platz an dem Gilbert gesessen hatte und schließlich zu den übrigen Ausländern. „Sehr eigenartig.“, bemerkte er und erntete nun einen verständnislosen Blick des Abgeordneten: „Weshalb? Ist etwas vorgefallen?“ Kiku nickte knapp, sah überlegend auf seine Hände: „Beilschmidt-san schien regelrecht empört darüber, als ich ihn fragte. Dennoch war er mehr als nur interessiert an den Damen, das merkte man.“ Der Abgeordnete machte ein verstehendes Gesicht, überlegte dann kurz und wiegte dabei die Hände. „Ich denke, Beilschmidt-sensei ist in diesem Fall anders zu behandeln.“, der Abgeordnete versuchte zu erklären, „In Preußen wurde erst vor einigen Jahren ein Gesetz verabschiedet, dass käufliche Liebe verbot. Obwohl es vorher gängige Praxis und wie bei uns staatlich geregelt war.“ Kiku hob die Brauen ein wenig überrascht: „Ihr meint, selbst wenn er Interesse an einer Frau hätte, dürfte er das nicht zugeben, weil das Land welches er ist, es nicht erlaubt?“ Der Japaner nickte zustimmend, hob eine Hand weiter erklärend: „Zudem ist Beilschmidt-sensei ein christlicher Mann. Ihre Kirche verpönt käufliche Liebe ebenso.“ Kiku nickte, selbst wenn er dieses ganze Verbot nicht verstand. Eine Kurtisane war schlau und bewandert in allen Künsten. Männer konnten sich nur in ihren Schößen gut behandelt fühlen. Wieso es also brandmarken? Er wurde aus seinen Gedanken geholt als Gilbert und die Preußen wieder eintrafen. Sie trugen Flaschen aus Glas bei sich, dazu einen länglichen Koffer. Sie setzten sich wieder und schraubten eines der Getränke auf. Kiku schwappte ein süßlich herber Geruch entgegen. „Bevor wir beginnen sollten wir einen Obstler trinken.“, erklärte Gilbert, während ein Soldat in die leeren Sakeschälchen den klaren Schnaps füllte. Die Ausländer machten es de Japanern vor, wie man das „Glas“ vor sich hielt, sich Prost wünschte und in einem Zug den brennenden Schnaps die Kehle runterfahren ließ. Kiku schüttelte sich und blinzelte verklärt, nachdem er sein Schälchen geleert hatte. Er hatte das Gefühl, dass das Brennen direkt von seinem Hals in seinen Kopf stieg. Er musste die Hände am Boden abstützen um Halt zu finden. Nicht übel. Gilbert lächelte zu dem General, bevor er den Koffer auf seinem Schoß öffnete. Kiku linste von der Seite aus hinein, öffnete die Lippen überrascht. In samtenem Blau eingebettet lag die Flöte, noch in Einzelteilen, silbern und glänzend mit Metallplättchen und Gravur. Sie machte einen weitaus nobleren Eindruck als die hölzerne der Geisha. Mit spitzen Fingern setzte Gilbert die Querflöte zusammen, nahm sie hinaus und erhob sich damit. Er verneigte sich vor der Runde lächelnd – der Schnaps schien sein Gemüt ein wenig erheitert zu haben – dann fragte er: „Was darf es denn für ein Stück sein?“ Spielend leicht hob er die lange Flöte, besah sie sich, fuhr mit den Fingern über das glänzende Metall. Er pustete kurz in das Mundstück ohne dabei einen Ton zu erzeugen. „Vivaldi vielleicht?“, er wand sich an die Preußen, „Händel? Oder etwas Moderneres? Mendelssohn?“ Dann sah er zu den Japanern, lächelte und verneigte sich erneut: „Vielleicht doch eher etwas klassisches zum Einstieg? Wäre Bach angenehm?“ Die Japaner schienen ratlos. Keiner dieser Namen war für sie ein Begriff doch der Abgeordnete nickte Gilbert beistimmend zu. Er solle beginnen. Kiku setzte sich gerade hin und schien seine Gedanken ordnen zu wollen. Der Nebel, der durch den Alkohol in seinem Kopf aufgestiegen war, sollte ihm nicht die Sicht auf diese Darbietung nehmen. Es war für ihn eine Frage der Höflichkeit, sich voll und ganz auf die neue Musik einzulassen. „Dann also Johann Sebastian Bach. Partita für Flöte.“, erklärte Gilbert, fasste das Instrument, die kleinen Plättchen darauf und setzte die Lippen an. Die Töne der Flöte waren weitaus dunkler, weicher als Kiku es kannte. Gilberts Finger bewegten sich in den richtigen Momenten flink, erzeugten eine angenehm frische Melodie, die sich immer wieder in dem Stück fand. Wenn Kiku die Augen schloss, nur für einen Moment zum blinzeln, sah er Bilder vor sich, lebendig, sonnig und satt in ihrer Farbe. Bilder, die japanische Stimmen zu besingen nicht in der Lage schienen. Kiku beobachtete Gilbert, der den Oberkörper zu der Musik bewegte, der seine Luft verbrauchte und mit Hingabe auf dem Instrument spielte. Es war Leidenschaft in dem was er tat, als verbände der Preuße die Melodie, die Stimmung, die sie erzeugte mit einer angenehmen Zeit in seinem Leben. Der Japaner verbarg seine Fingerspitzen in den langen Ärmeln des Kimonos, atmete schwer aus, doch all dies erleichterte nicht, dass sich eine angenehme Gänsehaut auf seinem Körper ausgebreitet hatte, dass er erschauerte, bei den angenehmen Tönen und er bebte, wenn er die feinen Finger beobachtete. Er wunderte sich, dass Gilbert nun schon zum zweiten Mal eine solche Befangenheit in ihm ausgelöst hatte. Es waren doch nur so kleine Gesten. „Hoppala! Kiku-chan, seid vorsichtig.“, Gilbert hatte nach Kikus Arm gegriffen, als der mit einem Fuß weggeknickt war und beinah auf seinem hübschen Hintern gelandet wäre. Der Preuße half ihm dabei, wieder auf die wackeligen Beine und die noch wackeligeren Geta zu kommen. Nach der Musikdarbietung, weiteren zu sich genommen Schnäpsen, Bier, Honigwein und der Erheiterung der Damen hatten sich Gilbert und Kiku auf den Heimweg begeben. Der Betreiber des Gasthauses hätte ihnen zwar eine Sänfte bereit gestellt, doch hatte Gilbert es für besser gefunden zu Fuß zu gehen. Für Gilbert war dieser Umstand nicht weiter schlimm. Ein Spaziergang bei frischer, klarer Luft machte den Kopf wieder frei, zumindest war ihm das jedes Mal so gegangen, allerdings hatte er da nicht mit den Japaner gerechnet. Der schien den heutigen Alkoholexzess weitaus weniger gut verdaut zu haben als Gilbert selbst. Im Allgemeinen war ihm aufgefallen, wie schnell die Japaner betrunken gewesen waren. Mit roten Gesichtern, tollpatschigen Bewegungen und glänzenden Augen. Genau hier stellte sich auch sein Problem: Kiku fiel es außerordentlich schwer gerade zu gehen. Er war wackelig auf dem lockeren Untergrund mit seinen so vertrauten Geta und selbst, wenn er sich an Gilberts Arm festhielt, rutschte er auf den Steinen. Es war mühselig so vorwärts kommen zu wollen. „Kiku-chan, Ihr solltet die Schuhe besser ausziehen, sonst fallt Ihr irgendwann noch hin.“, meinte Gilbert als der Japaner an seiner Seite ein erneutes kritisches Stolpern überstand. Mit einer empört gezogenen Schnute sah er Gilbert an und meinte leicht lallend dagegen: „Dann mach ich ja meine Socken schmutzig!“ Der Preuße lachte dunkel, zwang ihn zum anhalten. „Dann zieht auch Eure Socken aus.“, erklärte er ihm und deutete auf Kikus Füße. Der Japaner aber schüttelte wieder den Kopf, energischer, als Gilbert es von ihm kannte und er tippte sich mit dem Finger an die Nase. „Ich mache meine Füße nicht schmutzig!“ Der Preuße blickte amüsiert zu ihm, dann seufzte er hohl. Eher zu sich selbst murmelte er ein: „So kommen wir nicht weiter.“ Kiku sah ihm ratlos zu. Die braunen Augen waren befremdlich weit geöffnet. Der Alkohol schien den Japaner vollkommen aufblühen zu lassen, er beugte sich Gilbert näher als er es jemals auf der Straße freiwillig getan hätte. „Vielleicht macht Ihr Eure Füße nicht schmutzig.“, erklärte Gilbert während er sich nach einer Weile des Überlegens hinab lehnte, „Aber ich.“ Er schlüpfte aus den Geta und den Tabi-Socken, knotete alles provisorisch zusammen um es als Bündel besser tragen zu können. Kiku sah zu dem knieenden Preußen hinab. Er war nicht imstande zu protestieren aufgrund des Alkoholnebels in seinem Kopf, doch auch er konnte noch eins und eins zusammenzählen und verstand deshalb keines Wegs, wieso Gilbert sich nun die Schuhe ausgezogen hatte. Der Preuße war nicht halb so betrunken wie Kiku selbst. Er konnte noch gut auf den Geta laufen. Wollte er Kiku zum mitmachen animieren? Da hatte er aber falsch gerechnet! Alkohol hin oder her, Kiku vergaß seinen Anstand nicht. Gilbert sah von unten zu Kiku auf. Seine Augen waren wieder grau-blau und viel zu dunkel um sie einschätzen zu können. „Ich werde euch einfach nach Hause tragen.“, erklärte er schließlich sein Vorhaben und noch immer vor Kiku kniend krempelte er dessen Kimono nach oben. Der Japaner quietschte leise, entsetzt und versuchte seine Beine wieder zu bedecken. Gilbert konnte ihn doch nicht mitten auf der Straße ausziehen! „Jetzt lasst schon!“, der Preuße hielt die Hände fest, zog den Stoff über die Knie bis zu der Mitte der weichen Oberschenkel, „Anders könnt Ihr nicht auf meinem Rücken sitzen. Und es ist besser als den Kimono mitten auf der Straße ganz aufzuschnüren, nicht wahr? Kommt jetzt.“ Gilbert drehte sich nach vollendetem Werk mit dem Rücken zu Kiku, sah über seine Schulter zu ihm. Noch immer etwas duselig im Kopf stolperte Kiku auf seinen Geta nach vorn, legte die Arme um Gilberts Hals und wurde schon im nächsten Moment an den Kniekehlen gepackt und auf den Rücken des Preußen gehoben. Er ging gebeugt weiter, damit der Japaner nicht zu sehr herunter rutschte, auch wenn der sehr gut darin war, seine Oberschenkel fest an Gilberts Seite zu pressen und sich mit den Armen festzuhalten. Nur zwischen den Zehen gehalten schlenkerten die Geta von Kiku mit jedem Schritt mit. Er schloss die Augen langsam, müde und vom Abend gezeichnet, dann verbarg er das Gesicht in Gilberts Nacken, an dem Haaransatz des Preußen. Warmer Atem rollte sich daran ab, als Kiku gähnte. „Gilbert?“, der Japaner murmelte leise, als Angesprochener ohne ein Wort mit ihm durch die Straße ging. „Ja?“, er ließ den Blick nach vorn gewendet und Kiku damit an seinem Hals ruhen. „Ich mag eure Musik viel lieber.“, nuschelte Kiku schläfrig, rutschte knapp und hielt sich im nächsten Moment doch wieder stärker an Gilbert fest. Der Preuße lachte dunkel in die klare Nacht. „Das freut mich außerordentlich.“, erwiderte er leise, wollte Kiku, der halb dösen zu schien nicht aus den Gedanken zerren. „Gilbert, spielt Ihr auch mal nur für mich?“, murmelte der Japaner während das Kinn leicht über die Schulter schob um seinen Gesprächspartner ansehen zu können. Der nickte sanft. „Es wäre mir ein Vergnügen.“ Kiku lächelte sanft, dann schloss er die Augen erneut und lehnte den Kopf an Gilberts Schulter. Es war eine Weile ruhig zwischen den beiden. Das Tapsen der nackten Füße, Windrauschen und Gebüsch-Geraschel waren ihre Wegbegleiter. Der Japaner atmete ruhig und schläfrig an die Schulter vor ihm. „Euch mag ich auch viel lieber.“, der leise Satz wäre beinah untergegangen. Kiku seufzte hauchdünn an den Stoff, zog sich noch ein letztes Mal näher. „Lieber als wen?“, fragte Gilbert nach, doch dieses Mal bekam er keine Antwort mehr. Der Preuße bemühte sich leise und behutsam zu sein, als er mit Kiku auf dem Rücken an dessen Haus ankam. Dennoch erwachte der Japaner, als Gilbert ihm am Eingang die Schuhe und Socken auszog und wegstellte. Kiku jedoch war nicht im Stande sich zu bewegen oder richtig zu reagieren, als Gilbert ihm aufhelfen wollte. Seine Beine waren noch schläfriger als sein Kopf und kaum imstande ihn zu tragen. Der Kimono rollte sich bei seinen erneuten Stehversuchen wieder bis zu den Knöcheln hinab. „Kommt, ich bringe Euch in Eurer Zimmer.“, Gilbert reichte Kiku den Arm und der war dankbar über die Führung zu seinen Räumlichkeiten. Gilbert war es gerade egal mit nackten, schmutzigen Füßen die Tatamis zu betreten. Der Preuße rollte für Kiku den dicken Futon aus, ließ den Japaner darauf Platz nehmen. „Wartet kurz, Kiku-chan, ich hole Euch ein wenig Wasser.“, erklärte Gilbert und erhielt nur ein Nicken. Dem Japaner war gerade jede Bewegung zu schnell und die Zeit nur ein Bruchteil. Er merkte gar nicht, wie Gilbert den Raum verließ und mit einem Becher wieder eintrat. Benommen nahm Kiku einen Schluck Wasser, dann hielt er auch Gilbert den Becher hin. Er kicherte, diesmal ohne die obligatorisch vorgehaltene Hand, als der Preuße ebenfalls trank. „Was amüsiert Euch?“, fragte Gilbert als er den Becher beiseite stellte und Kiku, dessen Miene langsam wieder aufzuhellen schien, musterte. Der Japaner tippte sich an die Lippen, lächelte sanft. „Das war ein indirekter Kuss.“ Gilbert blinzelte überrascht. Soviel Offenheit hätte er Kiku nicht zugetraut. Besonders nicht in diesem Zusammenhang. Als der Preuße nichts erwiderte, sondern fortfuhr Kiku nur anzusehen, lachte der herzlicher. Er ließ sich in den Stoff des Futons zurückfallen, wackelte leicht mit den nackten Füßen. Ein Arm ausgebreitet, der zweite ruhte auf dem vibrierenden Bauch. Diese liegende Position war angenehm für seinen Kopf. Gilbert lehnte sich vorsichtig über Kiku, musterte den Japaner, der sich nur langsam beruhigte, leiser lachte und schließlich nur noch schmunzelte. Der Preuße erwiderte seinen Blick und behutsam strich er die dunklen Strähnen aus dem zarten Gesicht. Er sagte dunkel, als läge die Nacht ihm direkt auf den Stimmbändern: „Ihr seid ernüchternd herzallerliebst, Kiku.“ Der Japaner wusste mit dieser Aussage nichts anzufangen, nicht in diesem Moment. Er legte den Kopf schief und lächelte sanft. Er hätte sich diese Geste zweimal überlegt, hätte er auch nur im Keim ahnen können, wie er gerade aussah. Wie das Licht den roten Wangen schmeichelte und die glasigen Augen weder auf Gilbert noch in der Ferne ruhte. Kikus Hals war gestreckt. Es war eine unheimlich unterschwellige Einladung. Gilbert schluckte schwer, musterte den Japaner lang. Die Finger wanderten zum Hals, strichen behutsam über die Haut. Er hätte mit mehr Ablehnung gerechnet, mit einem empörten Blick, doch Kiku tat nichts, sah ihn nur weiter an. „Wäret Ihr jeden Tag so vertraut, Kiku.“, Gilbert brummte leise, lehnte sich hinab und senkte die Lippen an den Hals, an die heraustretenden Sehnen und die weiche Haut, „Ich würde euch gar jede Nacht in Grund und Boden lieben.“ Kikus Körper wand sich überrascht nach oben, ein Hohlkreuz bildend dem Preußen entgegen, als dieser mit den Händen in den Kimono fuhr und die schmale Brust von dem lästigen Stoff befreite. Die schlanken Beine wanden sich, bewegten sich unstet, als Kiku den plötzlich geweckten Gefühlen keinen Ausgang geben konnte. Er fühlte Hände, tastende Finger an seinem Hals und den Schultern, der Brust und dem Bauch. Er fühlte, wie sie erforschten und aufsogen, sich mit einer Hingabe dem schmalen Körper widmeten, beinah so, als wäre es ein Instrument, dem man süße Töne entlocken könnte. Gilbert lernte ihn zu reizen. Mit Liebkosungen züchtig brav über dem Schlüsselbein aber Fingern neugierig und keck an den aufgedeckten Beinen entlang tastend. Mit Wohlgefallen wanderte Gilbert die weiche Haut der Schenkel, die glatten Beine entlang. Sein Gewicht ruhte auf Kiku, doch es war nicht der Grund, wieso der Japaner schwer zu atmen begann. Er schlang die Arme um Gilberts Nacken, presste sich an ihn und seufzte an sein Ohr. Es war warm zwischen ihnen und warm in Kikus Bauch, sein Kopf war vernebelt und nicht mehr an seinem rechten Platz. Kiku fühlte die angenehme Schwere seiner Glieder, die Schwere des Raumes und der Nacht. Seine Augenlider waren bleiern, nicht einmal für einen Moment konnte er Gilbert so ansehen, wie er gerade von dem Preußen gemustert wurde. Die Lippen hatte er noch geöffnet, nur leises Seufzend begleitete ihn, während er in den Futon zurücksank. Es war ein schöner Gute-Nacht-Kuss. tbc. A/N: • Japaner empfanden solchen „Klagegesang“ wirklich als etwas Schönes. Ihr solltet dabei für euch selbst entscheiden: http://www.youtube.com/watch?v=qsgQ2aJ0TIk&feature=related • Das ist das Stück, welches Gilbert spielt :) http://www.youtube.com/watch?v=jAJ4i1L3y5M Kapitel 4: Schmackhafte Farben auf ungenießbarer Zurückhaltung -------------------------------------------------------------- Teil: 4/6 Viel Spaß mit: Schmackhafte Farben auf ungenießbarer Zurückhaltung Im Haus war es noch still, obwohl die Sonne hoch am Himmel stand und die Vögel ihre Arien begonnen hatten. Der Tag war längst in voller Blüte, bereit in Angriff genommen zu werden und doch wehrten sich genug Leute an diesem Morgen vor dem Aufstehen. Kiku lag zugedeckt im Futon. Er blinzelte einer Papierwand nach außen entgegen und brummte leise, missbilligend. Die Sonne schien zu hell. Seine Augen strengte es zu sehr an. Gähnend drehte sich Kiku langsam herum und blickte in die andere Richtung des Raumes. Er zog die Decke ein wenig tiefer über sein müdes Gesicht, die verstrubelten Haare und die schmerzenden Augen- wäre ihm dort auf dem Tisch nicht etwas aufgefallen. Ein Becher mit Wasser, halbgeleert aber Kiku sofort erweckend. Mit blanken Entsetzten drehte sich der Japaner auf den Rücken, erinnerte sich schlagartig an den gestrigen Abend. Erinnerte sich an den Alkohol, die Musik, den Weg nach Hause und wie Gilbert ihn getragen hatte, erinnerte sich, wie er im Futon lag und Gilbert über ihn und wie die Lippen seine Haut verbrannt und wie die Hände den Körper erkundet hatten. Er erinnerte sich genau daran, dass Gilbert hier gewesen war und zu seinem Leidwesen erinnerte er sich auch daran, dass er einfach unter ihm eingeschlafen war. Schlicht und ergreifend war er unter der Behandlung des Preußens in einen Traum versunken. Das Gesicht vor Scham ganz rot verbarg Kiku es unter der Futondecke. Es war doch geschehen, nicht wahr? Er hatte es sich nicht eingebildet, dass Gilbert ihn berührt hatte, oder etwa doch? Kiku tastete seinen Hals ab, doch es gab keine verräterische Spur des Preußens. Nur den gelockerten Kimono, die nackten Füße, doch war sich Kiku nicht sicher, ob dies wirklich ein Indiz dafür war, dass Gilbert sich gestern an Kiku versucht hatte. - Und dabei kläglich gescheitert war. Kiku wollte im Boden versinken, als er sich der Peinlichkeit bewusst wurde, die er Gilbert damit unterzogen haben musste. Wenn es tatsächlich geschehen war, dass Gilbert wirklich zärtliche Begierden für Kiku entdeckt hatte, dann musste der Japaner sie gestern erfolgreich gemeuchelt haben. Gilbert hatte den Japaner nach Haus getragen, sich um ihn gekümmert, war freundlich zu ihm gewesen und Kiku war einfach... eingeschlafen. Er konnte nicht beschreiben, wie sehr er sich dafür gerade verurteilte. Er drehte sich hohl seufzend auf die Seite, sah zur Wand. Es schien unbegreiflich für ihn. Besonders, wenn er darüber nachdachte, wieso Gilbert das getan haben musste. War der Preuße tatsächlich romantischen Gefühlen Kiku gegenüber erlegen? Das konnte er sich schwerlich vorstellen. Gilbert war ein schöner junger Mann, der edelmütig und respektvoll Frauen gegenüber trat. Selbst die jungen Japanerinnen warfen ab und an unzüchtige Blicke zu dem exotischen Preußen. Er konnte sicherlich jede Frau verführen, wenn er dies wünschte, da müsste er sich nicht an Knaben oder Kiku selbst vergreifen. Nein, das war wirklich ein abwegiger Gedanke. Hatte sich der Japaner es wirklich nur eingebildet? Hatte er geträumt? Vielleicht gab es aber auch einen anderen Grund. Wenn er recht überlegte ergab sein Gedankengang sogar Sinn. Gilbert war nun schon einige Tage in Japan und vorher war er lang mit dem Schiff unterwegs gewesen. Eine Mannschaft ohne Frauen. Sicherlich vermisste der Preuße die Liebschaften, die Zuhause auf ihn warteten. Natürlich. Und dadurch, dass Gilbert moralisch gebunden war, durfte er auch nicht den Dienst einer Kurtisane wahr nehmen. Es gab niemanden außer Kiku, dem er so schnell nah kommen könnte. Wahrscheinlich verzerrte er sich nur nach etwas Aufmerksamkeit und zärtlichen Momenten. Kiku richtete sich langsam auf, betrachtete seine Hände. Gilbert war hier jedoch in Japan. Niemand würde ihn für seine Taten verurteilen, niemand würde es jemals erfahren. Kiku war sich sicher – würde er Gilbert davon überzeugen, dass ihm hier kein moralischer Schuldspruch wiederfuhr, würde sich der Preuße sicherlich öffnen. Das war es. Ein guter Plan. Kiku strich sich die Futondecke von dem Körper, erhob sich langsam. Zuerst müsste er jedoch aus dem Kimono heraus und sich Socken anziehen, danach am besten baden und dann müsste er mit seiner Haushälterin reden. Dringend. Wenn er gerade darüber nachdachte; Wieso hatte ihn eigentlich keiner geweckt? Er hatte nicht angeordnet ihn schlafen zu lassen und wo er genauer überlegte, meldete sich sein Magen, bereit für ein Frühstück. Er ging aus seinem Zimmer über den Flur und suchte seine Haushälterin. Er fand sie im oberen Geschoss, Futons lüftend. Sie begrüßte ihn höflich, fragte: „Habt Ihr gut geschlafen, Honda-sama?“ Kiku nickte, deutete an den Himmel: „Wieso habt ihr mich nicht geweckt? Es ist schon Mittag.“ Die Haushälterin nickte wieder, schüttelte weiter den Futon und klopfte ihn ein wenig aus. „Beilschmidt-san war vor Ihnen wach und erklärte, dass es eventuell besser wäre, Sie noch ein wenig schlafen zu lassen. Er selbst hat schon früh das Haus verlassen.“ Kiku zog die Lippen missbilligend kraus, dann senkte er die Schultern kurz. Er winkte ab, „Ich würde gern etwas essen und danach brauche ich einen Boten.“ Die Haushälterin nickte ihm zu, „Einen Boten wofür?“ Kiku sah auf, dann nach draußen. „Wir werden heut Abend nach Shin-Yoshiwara* gehen.“, erklärte er dunkel. Die Haushälterin raffte den Futon etwas mehr zusammen. Gilbert war bis zum späten Nachmittag in der Kaserne. Kiku war verunsichert deswegen. Er fürchtete, Gilbert hätte ihm die letzte Nacht übel genommen, dass der Preuße nun gekränkt sei und vielleicht sogar ein anderes Haus oder eine Abreise bevorzugen würde, doch nichts von alldem war der Fall. Er kam Heim und begrüßte und lächelte Kiku an, wie an jedem anderen Tag auch. Das gestrige Ereignis schien für ihn keine Bedeutung zu haben. Vielleicht hatte Kiku es sich doch eingebildet? Sie saßen gemeinsam am Essentisch. Gilbert seufzte leise als er sich mit den Stäbchen ein wenig kleingeschnittenen Fisch nahm. „Ist Euch nicht wohl?“, Kiku sah zu ihm, beobachtete, wie er lustlos das Essen kaute. Gilbert zuckte brummend die Schulter, „Es ist jetzt nur schon der vierte Tag mit Fisch und Gemüse und Reis.“ Er deutete auf die Speisen vor sich, zog eine kleine Schnute. „Ich will mich wirklich nicht beschweren.“, er drehte in der Luft die Hand erklärend, „Aber ich vermisse das Fleisch, Kartoffeln. Wisst Ihr? Ein saftiges Schnitzel oder eine Wurst oder geschmorter Braten.“ Leise seufzend ließ er die Schultern hängen, nahm sich ein wenig Reis. Kiku tippte sich überlegend an die Lippe. Er wusste zwar nicht, was ein Schnitzel, Braten oder eine Wurst war, aber er wollte es Gilbert schon angenehm machen. „Gilbert-san, ich mache euch einen Vorschlag.“, Kiku lächelte und sah zu ihm auf, der Preuße nickte, „Ich wollte Euch heut Abend mit nach Shin-Yoshiwara nehmen. Es ist ein sehr angesagtes Viertel. Ihr würdet Euch sicherlich gut amüsieren und wenn Ihr Lust habt gehen wir dort essen. Es ist gewiss ein Gericht dabei, dass euren Wünschen entspricht.“ Der Preuße formte mit den Lippen ein „Oh“ bevor ein breites Lächeln sich auf seine Züge setzte und er heftig nickte, „Liebend gern!“ Kiku sah wieder zu seinem Essen hinab, schlug die Augen kurz nieder. Ja, so würde sein Gast sicherlich auf seine Kosten kommen und müsste keinen schlechten Eindruck von Japan mit in die Heimat nehmen. Er wollte ja, dass Gilbert sich wohlfühlte. Es war noch nicht ganz dunkel, die Sonne dämmerte rot am Horizont. Wenige flattrige Wolken schirmten den warmen Abend ab. Die Straße war laut, bunt, belebt. Gilbert traute seinen Augen nicht als er mit Kiku an seiner Seite sich zwischen den Menschen hindurch den Weg bahnte. Es erinnerte ihn an die lauten, hektischen Märkte in Europa oder den südlichen Ländern. Hier gab es mindestens genauso viele Gerüche und Geräusche, man sah Japanerinnen in kunstvoll verzierten Kimonos flanieren und kleine Kinder, die an den Händen ihrer Mütter Süßes naschten. Händler warben lautstark ihre Ware an, aus den Restaurants schwappten Gilbert leckere Düfte entgegen. Er konnte sich gar nicht satt sehen oder satt hören. Ab und an blieben seine Blicke an den aufgeschobenen Fenstern hängen. Dort saßen Geisha ähnlich angemalte Frauen, doch sie trugen ihr Haar anders, hatten buntere Gewänder an. Sie riefen den Männern auf den Straßen zu, lachten und wurden angelacht. Weiße Hände winkten in die hereinbrechende Nacht. * Gilbert wand den Kopf. Kiku beobachtete ihn mit einem sanften Schmunzeln. Es war entzückend, wie der Preuße dieses ungewohnte Bild verinnerlichte. Ihnen entgegen kam eine schöne Frau, angemalt, die Haare kunstvoll zusammengesteckt, mit Spangen und goldenen Kämmen im Haar. Sie trug schwarzlackierte Geta mit hohem Absatz. Gilbert fragte sich, wie sie darauf so galant laufen konnte. An ihrer Seite liefen zwei junge Mädchen, die Kimonos hatten alle die gleiche Farbe, das gleiche Muster.* Sie waren bunt und farbenfroh. Gilbert sah ihnen lang nach. „Habt Ihr die gesehen?“, er wand sich an Kiku, schien begeistert, „War das auch eine Geisha?“ Er wand den Kopf noch einmal um, sah über die Schulter der Frau nach. Kiku schüttelte währenddessen lachend den Kopf: „Nein, nicht doch. Das war eine hochrangige Kurtisane.“ Gilbert hob die Brauen und nickte gedehnt, sah ihr noch einmal kurz nach. So konnte man sie also auseinander halten. „Wollt Ihr mir eigentlich endlich verraten, wo wir hingehen?“, Gilbert lächelte zu dem Japaner. Innerlich war er aufgeregt wie ein kleines Kind auf das eine große Überraschung wartete. „Wir werden in einem Haus speisen und uns dort unterhalten lassen.“, erklärte Kiku, „Hättet Ihr etwas dagegen, wenn wir die Nacht dort verbringen?“ Gilbert schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Keines Wegs.“, er sah zum Himmel, atmete tief ein, „Ich werde mir den Bauch mit Fleisch vollschlagen und wahrscheinlich sowieso als der glücklichste Mann der Welt einschlafen.“ Kiku sah zu Boden, lächelte sanft: „Davon bin ich überzeugt.“ Das Haus, welches sie schlussendlich betraten, ließ den Preußen tatsächlich staunen. Es war groß und komfortabel. Von außen sah man viele Schnitzereien, bemalte Papiere, Statuen, verzierte Möbel. Überall roch es nach Hölzern, Gewürzen und Gräsern. Ein betörender Duft, der den Kopf und den Blick verklärte. Gilberts Augen blieben ab und an staunend hängen, an den Silhouetten hinter den Wänden, an den hübschen jungen Damen, die an ihm vorbei gingen und hinter der Hand kicherten. Er hörte Klänge, angenehmer als das, was ihm gestern Abend gezeigt worden war, er roch Parfum und beobachtete das stete Treiben. Er schien interessierter an diesem Bild, an den Räumen, den Mädchen, den jungen Knaben, die Herren, die ein und aus gingen, den versteckten und doch allzu deutlichen Geschehnissen im oberen Stockwerk, als diese an ihm. Doch er fiel auf, der große weißblonde Mann, der Kiku folgte und mit den dämonisch roten Augen sich ein Bild zu machen versuchte. Eine Hausdame, die hohe Achtung vor Kiku zu haben schien, führte ihn in einen Raum mit Tisch, die Wände in warmen Tönen rot und gelb beleuchtet. Geschirr stand bereit, Sake, man hatte einen schönen Blick in den Garten. Gilbert nahm Kiku gegenüber Platz. Dieses Mal schien es nur sie beide zu sein. Der Umstand sagte dem Preußen weitaus mehr zu. „Ich habe für uns Essen bestellt.“, erklärte Kiku als sie saßen, Gilbert sich zu genüge umgeschaut hatte. Der Preuße rieb sich die Hände. Er konnte es kaum erwarten. „Wir werden unterhalten werden und heut Abend unsere Zimmer beziehen.“ Gilbert blinzelte und neigte den Kopf. Unterhalten werden? In seinem Kopf klang das nach etwas anderem. In seinem Kopf signalisierte Kikus Lächeln etwas nicht Gutes. Mehr und mehr fügte sich das Puzzle zusammen und das letzte Teilchen traf zusammen mit dem Essen ein. Zwei junge Damen, die für sie servierten und den Sake eingossen. Der Preuße hatte die Lippen geöffnet, musterte die schöne Kurtisane an seiner Seite. Sie erwiderte den Blick, lächelte ihm zu, nickte leicht. Sie stellten sich vor, sie wünschten ihnen einen guten Appetit, fragten, ob noch etwas fehlte, ob sie etwas bräuchten. Doch als Gilbert zu Kiku sah, war da kein Wunsch im Blick, eher die Frage, ob das nicht zu viel wäre? Der Japaner jedoch lächelte sanft und nickte zu den aufgetischten Speisen vor Gilbert, erklärte ihm: „Süßkartoffeln und Ente. Ich hoffe Euch sagt das mehr zu?“ Gilbert rang sich zu einem Lächeln durch, blendete die beiden Damen an ihrer Seite soweit er konnte aus und versuchte wenigstens das Essen zu genießen. Allerdings fiel ihm das reichlich schwer. Die Kartoffeln waren anders, als die, die er kannte. Süß und sie wurden trocken gegessen. Das Fleisch war hauchdünn portioniert, er hatte beinah das Gefühl Luft zu kauen. Er aß ohne ein Wort, lauschte nur ab und an den Dingen, die Kiku und die beiden Kurtisanen besprochen und quälte sich zu einem leisen Lachen ab. Die Enttäuschung lag ihm schwer im Magen und er versuchte sie im Sake zu ertränken. Mehr oder weniger erfolgreich. Er wurde zwar durchaus offener, getraute sich, mit der Kurtisane, die sich bedrohlich an ihn annäherte, zu reden, doch das flaue Gefühl im Magen blieb. Die sonderlichen Klänge ihrer Lieder oder Gedichte, die Tanzeinlage, die Spiele, die sie veranstalteten, all das half Gilbert nicht, sich nicht Gedanken um heut Nacht zu machen. Es würde ihm nicht schwer fallen, eine Frau abzulehnen, gewiss nicht, doch es war eine harte Bürde, wenn er daran dachte, wie enttäuscht Kiku sein müsste. Der Japaner hatte sich extra die Mühe gemacht und ihn hierher eingeladen. Sicherlich dachte er sich, Gilbert hätte es nötig, da er sich ja dümmlicher Weise gestern an ihm vergriffen hatte. Er könnte sich ohrfeigen deswegen! Er hatte tatsächlich damit gerechnet, Kiku wäre ihm gegenüber offen, oder würde es genießen. Er hatte wirklich gedacht, der Japaner würde einen Mann nicht vollständig ablehnen, doch dem Anschein nach hatte er sich da geirrt. Er schämte sich dafür. Er hatte das Gefühl, Kiku genötigt zu haben und somit hatte er es wahrscheinlich auch verdient, dass er nun ein einem Bordell war. Er wollte Kiku nicht diffamieren. Sicherlich wäre es für seinen Ruf keine Wohltat, wenn Gilbert vor vollendetem Werk Heim gehen würde. Er müsste sich zusammenreißen. Er wollte gut vor Kiku da stehen. Inständig hoffte er jedoch, dass Kiku einfach sagen würde, sie gingen nun wieder nach Haus. Er wollte keinen großen Hehl daraus machen, doch er hatte seine Prinzipien. Er müsste sie für diesen Abend über Bord werfen. Gilbert hatte nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen war, wie nah ihnen die Frauen gekommen waren, wie sie darauf gearbeitet hatten, in die Zimmer zu verschwinden. Der Preuße befürchtete die Nacht allein mit der Dame. Sie war hübsch und klug -er würde nie etwas anderes behaupten- und sie tat wirklich alles, damit Gilbert sich öffnete. Doch in seinem Blick lag Besorgnis und Frage, als er von Kiku getrennt in einen Raum gebracht wurde. Er trug einen weißen Yukata, als er auf dem weichen Futon Platz nahm. Es roch angenehm süßlich, das Licht war gedämmt. Gilbert hatte die Beine im Schneidersitz verschränkt und atmete tief. Er hörte das leise Rascheln, die Schiebetür, als die Kurtisane mit bedächtigen, eleganten Schritten zu ihm kam. Das Haar trug sie nun offen, glatt und hüft-lang. Es schmeichelte ihrem lieblichen Gesicht ungemein, beinah noch mehr, als wenn sie sanft lächelte. Sie setzte sich Gilbert gegenüber und nahm seinen strengen Blick als bloße Zurückhaltung. Sie neigte den Kopf, als Gilbert keine Regung zeigte, nur musterte, dann sagte sie leise: „Ich fühle mich geehrt. Ich hatte noch nie einen Ausländer als Gast.“ Der Preuße nickte leicht, „Und ich noch nie eine Asiatin.“ Sie setzte sich auf die Knie vor ihm, seinem Blick ausgesetzt, dann lockerte sie den Obi des Kimonos. Ihre Bewegungen waren fein und bedacht, mehr und mehr löste sie den Stoff, ließ eine Schicht und die nächste Fallen. Gilbert seufzte leise. Er streckte die Hand langsam zu ihr, legte sie auf dem noch bedeckten Oberschenkel ab. Sie trug nunmehr einen dünnen Seidenkimono und Gilbert sah dadurch, dass sie zitterte, erschauerte, doch er glaubte nicht daran, dass ihr kalt war. Die dunstige Wärme des Tages schlief noch unter diesem Dach. Der Preuße lehnte sich zu ihr, legte eine Hand auf ihrer Wange ab und küsste die andere. Bedächtig schob sie die Hände an Gilberts Kimono, öffnete seinen Obi. Sie musste schmunzeln, als Gilbert einen prüfenden Blick zu ihren Händen warf. „Ihr seid sehr zurückhaltend.“, merkte sie an, strich mit einer Hand durch Gilberts Haar, „Sagt mir, wenn euch etwas nicht gefällt.“ Der Gürtel segelte zur Seite und langsam schob sie den Stoff auseinander. Neugierig musterte sie die fremde Brust, die sich ihr darbot. Gilbert besah sie allerdings eher gleichgültig. So schön diese Frau auch war, er konnte nichts an ihr finden. Gilbert lag auf dem Rücken, die Kurtisane lehnte über ihm. Das schwarze Haar floss auf seine Brust und das dunkle Lächeln nahm ihn gefangen. Er spürte ihre weiche Haut, gut duftend, glatt und sanft zitternd wenn weiße Finger über den Rücken tanzten. Sie beugte sich hinab, schmiegte sich an ihn und strich über seinen Bauch, die Hüfte. Sie war vorsichtig. Wahrscheinlich schätzte sie Gilbert aufgrund seiner Zurückhaltung falsch ein, doch er war nicht schüchtern. Er war nicht vorsichtig. Keinen Deut gehemmt. Er sah an die Decke, an ihr vorbei, war gelangweilt. Gleichgültig. Diese Frau erregte ihn nicht. Nein, wenn er ehrlich war, Frauen im Allgemeinen erregten ihn nicht. Gilbert weitete die Augen, blinzelte verstört und verzog das Gesicht. Sein Blick wanderte hinab. Wo um alles in der Welt fasste die ihn auf einmal an? Er schloss die Augen, atmete tief ein, sammelte sich, dann griff er zu ihren Händen, zog sie von sich weg. Er rollte zusammen mit ihr herum, dann zog er die Decke über sie. Überrascht sah die Kurtisane ihm entgegen, hatte die Lippen fragend geöffnet. Diesmal war sie sich sicher, dass der strenge Blick keine Zurückhaltung war. „Es tut mir Leid.“, sagte er leise, dunkel. Er wusste, dass die Wände Ohren hatten und er wusste auch, was an seinen Worten hing. „Ich kann das nicht.“ Sie schlug ergeben die Augen nieder, seufzte leise. Sie war zärtlich, als sie seine Haare hinter das Ohr strich. Ihr Blick an Gilbert hinab, verriet, dass sie sich das beinah gedacht hätte. „Ich würde euch aber sehr gern dazu bringen, es zu können.“, flüsterte sie, lehnte sich ihm entgegen. Gilbert brummte leise, drehte sich auf den Rücken neben sie. „Das hat keinen Zweck, glaubt es mir.“, versuchte er sich zu erklären. Ihre dunklen Augen flogen über ihn. „Würdet Ihr einen Knaben bevorzugen?“ Ertappt blinzelte Gilbert, sah zu ihr und zog die Brauen zusammen: „Nein!“ Er verschränkte die Arme. Keine Diskussion. Sie rutschte allerdings wieder näher, legte die Hand auf Gilberts Brust ab. „Habt doch keine Scheu.“, sagte sie leise, schmiegte den Körper an die Seite Gilberts. Das Haar floss hinüber, der Preuße zog es vorsichtig durch seine Finger, dann brummte er resignierend. „Bitte.“, er hielt sie fest, drückte sie ein wenig mehr von sich, „Ihr könnt doch einfach hier liegen, oder? Erzählt allen, wir hätten es getan, dann hat niemand von uns etwas zu befürchten.“ Langsam schlug sie die Augen nieder, schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht tun.“, antwortete sie leise, suchte kurz darauf wieder Gilberts Blick. Der seufzte tief, hob die Decke an und legte sich zu ihr darunter. Er nickte zu seinem Schoß, die Brauen missbilligend zusammengezogen. „Probiert es doch.“, raunte er sie leise an, „Es wird sich sowieso nichts tun.“ Sie sah in seine Augen, lang, bevor sie den Blick abwand. Langsam ergriff sie seine Hand und hielt sie fest, drückte sie sanft. „Es ist ein Jammer.“, die Kurtisane musste lächeln, „Ihr seid ein sehr schöner Mann und weitaus männlicher als einige Japaner, die ich kennenlernen durfte.“ Gilbert lachte hohl auf, nickte, „Davon habe ich gehört.“ Gerade empfand er sie sogar als äußerst nett. Sein Blick flog kurz über sie, dann fragte er dunkel: „Fällt es auf, wenn sie keine Geräusche hören?“ Sie schmunzelte in die Dunkelheit und spitzte kurz die Ohren, dann drehte sie sich ihm zu: „Ich bin mir nicht sicher?“ Gilbert grinste leicht, sah zur Tür, dann wieder zu ihr. Er bewegte die Hände, als würde er gleich ein großes Kunstwerk vollführen, lehnte sich auf den Rücken, räusperte sich knapp und hob schließlich einen Finger. Er schloss die Augen, konzentrierte sich, setzte Spannung an, dann begann er; Er grollte dunkel, laut, stöhnte auf. Die Kurtisane neben ihm hielt sich eine Hand vor den Mund um nicht aufzulachen. Grinsend sah Gilbert zu ihr, hob die Brauen und flüsterte ihr zu: „Ihr müsst mitmachen, sonst ist es nicht glaubwürdig.“ Doch das Fräulein hatte immer noch damit zu kämpfen, nicht loszulachen, als Gilbert neben ihr seine schauspielerischen Fähigkeiten zur Schau stellte. Er griff ihre Hand, zwang sie, ihn anzusehen, während er abermals stöhnte, ein Seufzen spielte. Sie kicherte immer noch. Im Endeffekt war der Abend für Gilbert nicht allzu schrecklich gelaufen. Am nächsten Morgen verließ er recht früh mit Kiku das Bordell. Er schwieg den Japaner an. Er hatte zu gestern nichts zu sagen, wollte erst recht nicht wissen, wie angenehm es für ihn war, oder was er gehört und höflich ignoriert hatte. Kiku dagegen war fröhlich gestimmt. Er glaubte anscheinend, Gilbert damit einen Gefallen getan zu haben. Sie waren schon beinah Zuhause angekommen, als Kiku endlich das Gespräch aufgriff: „Ihr seid schweigsam, Gilbert-san.“ Der wiegte den Kopf, zuckte dann sanft die Schultern. „Kann sein?“, erwiderte er lustlos. Kiku musterte ihn kurz, lächelte in den Himmel. Ob er es auf etwas Gutes zurückführte? „Die Damen gestern waren sehr gesprächig, nicht wahr? Aber kultiviert. Fandet Ihr es auch angenehm?“, fragte er weiter. Gilbert verzog die Miene kurz, blies Luft aus und trat einen Stein vor sich mit der Geta. Er antworte leise, wiederholend:„War ganz angenehm.“ Auch wenn das keines Wegs, das war, was er dachte. Er hoffte nur, Kiku würde nun aufhören über das Thema reden zu wollen. Der allerdings besah sich Gilbert weiterhin von der Seite. Er schien zu spüren, dass etwas nicht richtig war, dass den Preußen nach wie vor etwas beschäftigte. Allerdings war Kiku nicht in der Lage, genau zu sagen, was es war. Kein Wunder, dass er so zu einem Fehlurteil kam: „Gilbert-san, wenn ich Euch etwas beruhigen kann; Keiner wird erfahren, dass wir Kurtisanen besucht haben. Ihr müsst Euch keine Sorgen machen.“ Der Preuße bog die Brauen nach oben, verzog den Mund spöttisch. War es in etwa das, was der Japaner wirklich dachte? Unsicher sah er hinüber. Kiku lächelte ihm beschwichtigend zu. Das war es wohl. Er lachte leise, schüttelte dabei den Kopf. „Ihr denkt ich würde mir Sorgen machen, dass jemand erfährt, wo ich war?“, fragte er, sah Kiku mit Unglauben und Belustigung an, „Das ist mir vollkommen egal, Kiku, vollkommen. Was habt Ihr denn gedacht, wieso ich so eine ablehnende Haltung hatte?“ Verwirrt blinzelte der Japaner zu ihm hoch. Hatte er etwas falsch gemacht? Hatte er sich getäuscht? Aber der Abgeordnete hatte doch gesagt ... und Gilbert ist rot gewesen ... und am Ende hatte er doch? Kikus Stirn lag in Falten, vorsichtig antwortete er: „Es tut mir sehr Leid, Beilschmidt-san, falls ich etwas falsch gemacht und Euch verärgert habe. Das war unter keinen Umständen meine Absicht gewesen. Ich dachte nur, vielleicht würdet Ihr Euch nicht getrauen, eine der Damen aufzusuchen. Schließlich war es einst in Preußen erlaubt, oder irre ich mich? Wenn mir ein Fehlurteil unterlaufen ist, entschuldige ich mich dafür höf...“ Gilbert hob die Hand und unterbrach Kiku: „Spart Euch die Höflichkeiten.“ Er lächelte bitter, schüttelte den Kopf und murmelte leise ein: „Hätte ich das gewusst.“ Bevor er mit großen Schritten Abstand von Kiku nahm und auf den letzten Metern zu Kikus Heim auch keine Anstalten machte, sich von dem Japaner wieder einholen zu lassen. Unschlüssig sah Kiku ihm nach. Er fragte sich, was Gilbert dann für ein Problem gehabt hatte? Als Kiku in den Flur eintrat, waren Gilberts Geta in der Ecke. Seine Haushälterin teilte Kiku mit, dass der Gast in sein Zimmer gebraust wäre, ohne einen Ton zu sagen. Leise seufzend nickte Kiku und nahm den Weg zu Gilbert. Er klopfte an den Holzrahmen, wartete, bevor er leise fragte: „Gilbert-san?“ Von Innen hörte er es brummen, Gilbert erwiderte ein gedehntes: „Jah. Kommt rein.“ Der Japaner schob den Shōji auf, ging in das Zimmer und setzte sich ruhig zu Gilbert an den Tisch. Der legte sein Buch und das Schreibzeug beiseite. „Bitte, Gilbert-san, sagt mir, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Ich möchte nicht, dass es nochmal vorkommt.“, erklärte er ruhig, woraufhin der Preuße tief seufzte. Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch vor sich, verzog die Mundwinkel und schien zu überlegen. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Ich müsste wohl eher sauer auf mich selbst sein.“, erwiderte er dunkel, „Ich hab gedacht, dass ich es vermasselt habe, dass Ihr mit mir dorthin geht, weil Ihr denkt ich wäre, also, als hätte ich es nötig, versteht Ihr? Ich hab gedacht, wenn ich Euch den Gefallen nicht tue, beschmutzt das Eure Ehre.“ Der Japaner neigte den Kopf nachdenklich. Nun, ganz falsch hatte er dann doch nicht gelegen? Er sah hinab, räusperte sich kurz. Er musste einfach direkt fragen: „Ich war mir nicht sicher, Gilbert-san. Ich dachte, da Ihr bereits so lang unterwegs seid, würde euch der Schoß einer Frau fehlen. Besonders, da Ihr... vorletzte Nacht...“ Gilbert rieb sich die Stirn mit den Fingerspitzen, winkte ab, „Dann habt ihr wirklich gedacht, dass ich so unbefriedigt bin?“ Kiku räusperte sich verhalten und sah beiseite. Ja, hatte er? Gilbert rollte mit den Augen und fuhr fort: „War ja nett gedacht, aber nein danke. Ich mag keine käuflichen Frauen.“ Kiku tippte sich mit einem Finger an seine Wange, nickte verstehend, räumte aber ein: „Es gibt sicherlich auch genug andere Frauen, die sich euch anvertrauen würden.“ Gilbert hob beide Hände, schüttelte den Kopf. „Ich glaube Ihr versteht nicht.“, er lächelte, rieb sich den Nacken, „Ich bin im Allgemeinen eher Frauen abgelehnt.“ Er hätte jetzt mit einem Donnerwetter gerechnet. Mit Verleumdung und Beschimpfungen. Er hatte das oft genug bei Männern in seinem Land erlebt, doch Kiku tat nichts dergleichen. Er sah ihn fragend an. „Das ist doch kein Problem, hättet Ihr das gesagt, hätte ich Euch anstatt einer Kurtisane einen Knaben geschickt.“, er lächelte zu Gilbert, der gerade aus allen Wolken fiel. Sein Augenlid zuckte voll Unverständnis. „Heißt das... heißt das, in Eurem Land ist sowohl Prostitution als auch Knabenliebe erlaubt?“ Gilbert schien fassungslos und sein Mund stand offen als Kiku schlicht und ergreifend nickte. „Ihr hättet Euch nicht mit einer Frau abmühen müssen, Gilbert-san.“, erklärte Kiku. Ein Knabe war obendrein weitaus günstiger, doch Gilbert lachte nur: „Keine Sorge, ich hab sowieso nicht mit ihr das Kopfkissen geteilt.“ „Nicht?“, Kiku wich ein wenig nach hinten, wollte bereits erwidern, ob Gilbert, denn gar kein Verlangen gehabt hätte, da fuhr der Preuße fort: „Seid nicht so geschockt.“ Er zuckte mit den Schultern, „Frauen bewirken bei mir gar nichts.“ Kiku tippte sich überlegend an die Lippe, fragte: „Also sollte ich Euch besser einen Knaben besorgen?“ Gilbert lachte auf, schüttelte den Kopf: „Hört zu, ich stellte das jetzt ein für alle mal klar. Ich bin nicht interessiert an käuflichen Frauen, Männern oder Knaben. Ich bin an gar keinem käuflichen Service interessiert und ich bin auch nicht an anderen Frauen oder Männern, die ihr mir vorstellt, interessiert.“ Kiku sah ihn an, atmete tief, neigte dann langsam den Kopf. Was hatte dann die vorletzte Nacht zu bedeuten? Langsam sah der Japaner zu Boden, schlug die Augen nieder. „Ich verstehe Euch nicht, Gilbert-san.“, murmelte er leise, „Wenn Ihr für nichts ein Verlangen hegt, wieso habt ihr dann...“ Gilbert griff am Tisch vorbei, nahm Kikus Hand und gab ihr einen Kuss, sah den Japaner über die Haut hinweg an und lächelte. Er brummte dunkel dagegen: „Ich suche ein Abenteuer, Kiku, nicht mit irgendwem und nicht irgendwie.“ Eine Gänsehaut kroch über Kikus Arm höher, blinzelnd sah er Gilbert an. Er konnte nicht reagieren, nichts sagen, er hätte nicht gewusst was. Er wusste ja nicht einmal, was der Preuße, der noch immer seine Hand hielt, damit überhaupt sagen wollte. „Versteht Ihr es nicht?“, Gilbert lächelte und rutschte näher. Kiku wich ein wenig zurück, doch der Preuße griff beide Handgelenke, zog ihn sanft näher in eine Umarmung. Er brummte leise, flüstert an das Ohr: „Ich will nicht irgendwen, ich will Euch.“ Er strich sorgsam durch das schwarze Haar, atmete gegen die Haut. Kiku legte zaghaft die Arme um ihn, ließ sich an ihn sinken und halten. Es war ein gutes Gefühl, als Gilbert über seine Wange strich. „Die einzige Frage, die sich mir dabei stellt ist, ob Ihr auch ein Abenteuer mit mir wollt.“, raunte der Preuße leise, küsste Kikus Wange. Der Japaner wand den Blick ab, griff nach den Händen, die ihn umklammert hielten. Er löste sie langsam von sich, vom Stoff. Er faltete die Finger ineinander, betrachtete sie eine Weile, bevor er Gilberts Hände in dessen Schoß legte. Er lächelte und beugte sich zu ihm, küsste seine Stirn sanft. „Ihr seid gebunden an Eure Gesetze und moralischen Grundsätze.“, Kiku senkte den Blick, „Und genau so habe auch ich meine aufgestellt und versuche mich daran zu halten. In meinem Haus wird zwischen uns nichts passieren, Gilbert-san.“ Gilbert grinste leicht, dann legte er eine Hand auf Kikus Kopf und zerzauste das Haar: „Genau deswegen, Kiku-chan, nenne ich es Abenteuer.“ Er beugte sich vor und küsste Kikus Schopf, bevor er sich erhob: „Es wäre langweilig, wenn von vornherein klar wäre, mit wem ich das Kopfkissen teile.“ Der Preuße verbeugte sich, entschuldigte sich und ging schließlich hinaus. Kiku sah ihm nach, erneut ratlos und unschlüssig. Er fragte sich, ob er nun tatsächlich schlauer in Bezug auf Gilbert war als vor dem gestrigen Abend. So wie der Preuße gelächelt hatte, wohl eher nicht. tbc. A/N • Shin-Yoshiwara – Das Bordellviertel Tokyos, was allerdings keines Wegs verschrien war. Sie waren eher wie moderne Einkaufstraßen und sind vergleichbar mit Weihnachtsmärkten o.ä. • Niederrangige Kurtisanen saßen an Fenstern und warben von dort aus die Männer an, da es ihnen nicht erlaubt war, auf den Straßen zu werben. • Hochrangige Kurtisanen waren in Begleitung von zwei Mädchen, die sie ausbildeten. Ihnen war es erlaubt mit prachtvollen Kimonos spazieren zu gehen um für sich zu werben. Kapitel 5: Die Dekadenz der Prinzipien -------------------------------------- Teil: 5/6 A/N: Uni und Arbeit schlaucht weswegen ich nicht wirklich zum betan komme - verzeiht! Ich hoffe das neue Kapitel gefällt dennoch, es ist wesentlich sinnlicher als die vorherigen. :) Ist auch eine Erwachsenengeschichte, also nicht wundern, dass es teilweise doch ein wenig kitschig wird. Jetzt aber viel Spaß mit: Die Dekadenz der Prinzipien Kiku sah Gilbert erst am Abend zum Essen wieder. Der Preuße aß kommentarlos und Kiku erwiderte das Schweigen. Zwischen ihnen lag nur der dumpfe, warme Abend, das geräuschlose Schwitzen und das leise Klacken des Shishi odoshi. Oben im Haus waren die Bediensteten lebhafter am werkeln, als die beiden am handeln. Kiku aß etwas Reis, hatte die Lider gesenkt. Er wich jeden von Gilberts Blicken aus. Er wollte den Preußen nicht mit Ablehnung in Verlegenheit bringen. Der schien auf diese Gesten hin jedoch eher amüsiert. „Habt Ihr nun Angst vor mir?“, fragte er, während er genüsslich auf einem Stück Möhre kaute. Er verzog die Mundwinkel dabei amüsiert nach oben, als Kiku ruhig in seine Richtung sah. Der Japaner schien ausdruckslos, erwiderte hohl: „Hätte ich dazu einen Grund?“ Gilbert tippte sich mit den Stäbchen an die Lippen, gurrte: „Also würdet Ihr mit mir nach dem Essen ein Bad nehmen?“ Kiku wand sich seiner Reisschale zu. Die Brauen hoben sich minimal als er weiterhin ruhig erwiderte: „Ihr könnt sehr gut allein baden.“ Und wenn nicht, dann müsste Gilbert dieses Mal eben Vorlieb mit nackten Frauen nehmen. „Oho.“, der Preuße nickte gedehnt, grinsend, „Aber brauche ich nicht jemanden, der mir den Rücken säubert?“ „Meine Bediensteten stehen Euch jederzeit zur Verfügung.“ „Ich will keine Bediensteten.“ Kiku sah nach oben, direkt in Gilberts Gesicht und er sagte gelassen: „Dann lernt Eure Arme zu verbiegen.“ Der Preuße lachte auf, tippte sich erneut an die Lippen und verzog sie zu einer amüsierten Schnute, murmelte: „Also habt ihr doch Angst vor mir.“ Kiku stellte die Schale Reis vor sich. Er war gefasst und ruhig. Er ließ sich nicht reizen. „Keines Wegs, Gilbert-san. Wovor sollte ich mich fürchten?“ „Dass ich euch, wenn ihr nackt seid, überfalle.“ Ein sanftes aber dunkles Lächeln legte sich auf die Züge des Japaners, „Egal ob nackt oder nicht, Ihr seid so oder so nicht in der Lage mich zu überfallen.“ Gilbert lachte auf und schlug sich auf den Schenkel, deutete mit dem Daumen auf seine Brust. „Große Worte von einem Mann der 10 Zentimeter kleiner ist als ich.“ Kiku nahm die Tasse Tee, drehte sie in der Hand, bevor er nippte und leise erwiderte: „Größe oder körperliche Stärke spielt keine Rolle, Gilbert-san. Nur weil eure Nation gut mit Pistolen und Gewehren umgehen kann, heißt das nicht, dass ich Euch in einem Zweikampf nicht niederringen würde.“ Der Preuße hob die Brauen, murmelte ein „Soso.“ und musterte den Japaner eingehend. Sein kritischer Blick schien zu prüfen, ob Kiku wirklich in der Lage wäre ihn auf den Rücken zu legen. Doch das schien ihm zu absurd. Solche hageren schlanken Kerle wie Kiku waren allenfalls gut um Pagendienste zu erledigen, für Statuen Modell zu stehen oder aber sich im Bett zu verbiegen. Im Kampf gingen diese feinen Jüngelchen doch ein. „Das bezweifle ich.“, äußerte Gilbert seine Bedenken, „Ich glaube, selbst wenn ich keine Waffen bei mir trage, könnt ihr mich niemals besiegen.“ Kiku lächelte an die Teetasse bevor er sie absetzte. Er faltete die Hände, nickte ihm zu, „Man weiß es nicht, bevor man nicht wieder Geta trägt.“ Der Preuße hob die Brauen, neigte den Kopf und fragte: „Ihr meint, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben?“ Er schüttelte leise zischend den Kopf: „Beweist es mir doch. Lasst uns kämpfen.“ Kiku lächelte amüsiert und wand sich wieder dem Tisch zu, deutete auf das Essen. „Sind wir nicht gerade am speisen, Gilbert-san?“ Der Preuße deutete mit dem Daumen in ein Zimmer, nickte grinsend. „Und danach? Dort?“, fragte er, „Dann könnt ihr nach euren großen Worten auch Taten sprechen lassen.“ Gilbert hatte nicht vor dem Japaner weh zu tun. Wirklich nicht. Er glaubte nur, wenn er Kiku zu Boden rang, bot sich ihm sicherlich eine gute Gelegenheit ihn auch anderweitig in Verlegenheit zu bringen. Kiku wand den Kopf und sah in den Raum. Sein Gesicht verriet wenig Begeisterung. „Man muss mit Tatami-Matten vorsichtig sein.“, erklärte er, „Und so wie ich Euch einschätze macht Ihr in Eurer Wildheit noch die Shōji kaputt.“ Der Preuße musste auflachen, als er tatsächlich das erste Mal bemerkte, wie Kiku zynisch wurde. Er empfand diese Laune als regelrecht erfrischend. „Dann eben im Garten.“, der Preuße nickte nach links, „Dort ist genug Platz und ich mache nichts kaputt.“ Kiku wand den Kopf, musterte den Platz, den sauber gepflegten Garten und zog die Stirn kraus. „Ihr macht euch noch schmutzig dabei.“, tadelte er, doch Gilbert winkte ab: „Ihr habt doch nur Angst zu verlieren.“ „In keinster Weise.“ „Dann kämpft gegen mich!“ Kiku seufzte leise, sah abermals zum Garten und dann zum Essen. „Wenn wir fertig sind.“ Damit gab Gilbert sich schließlich zufrieden, schob den Reis mit den Stäbchen zum Mund und nahm sich noch ein wenig salzigen Fisch. Kiku und Gilbert hatten die Geta und sogar die Socken ausgezogen. Der Rasen war allerdings auch gepflegt, es hatte keine Große Überwindung für Kiku dargestellt. Er lockerte nur den Yukata ein wenig, damit er mehr Beinfreiheit hatte. Er krempelte ihn sich nicht hoch, so wie Gilbert es tat. Er hatte nicht vor diesen sinnlosen Kampf lang währen zu lassen. Der Preuße schob die Ärmel gerade höher, grinste zu Kiku: „Wenn ich Euch weh tue, war das nicht meine Absicht. Ich hoffe Ihr nehmt mir das dann nicht übel?“ Er ging in eine gebückte Haltung. Kiku nickte ihm zu, lächelte freundlich: „Ich werde euch sehr wahrscheinlich weh tun und es wird Absicht sein, da man nur aus seinen Fehlern lernt.“ Der Preuße lachte auf. Kiku konnte ja regelrecht frech werden, wenn er wollte. „Hört hört.“, sagte Gilbert und rieb sich den Nacken. Es machte umso mehr Spaß, wenn Kiku so überlegen drein schaute. Der Japaner verneigte sich kurz vor ihm: „Doch keine Sorge, Gilbert-san, ich werde mir gern Eure Klagen anhören.“ Gilbert pfiff höhnisch die Luft zwischen den Zähnen aus, bevor er schließlich dazu überging, Kiku anzugreifen. Gekonnt blockte Kiku jeden Griff des Preußen ab, versuchte den Kampfstil zu analysieren und bemerkte ernüchternder Weise, dass Gilbert keinen besaß. Welch Schande. Als Gilbert erneut probierte, den Japaner an der Hüfte zu greifen, fasste Kiku am Handgelenk einfach um, legte die zweite Hand dazu und während er einen Schritt an Gilbert vorbei tat, drehte er dessen Arm, nutzte den entstehenden Hebel und warf den Größeren zu Boden. Als er auf dem Rücken landete, drehte Kiku sich erneut mit ihm, zog am Handgelenk, hielt den Arm fest und zwang ihn auf Gilberts Rücken fest. Ächzend sah der Preuße, nun auf dem Bauch liegend, hinter zu dem Japaner. Sein Gesicht verriet alles: Was um alles in der Welt hatte der gerade getan? Kiku lächelte und hielt den Arm fest, beugte sich zu Gilbert hinab. Mit einem gewissen Wohlgefallen in der Stimme fragte er: „Ihr habt verloren. Gebt Ihr Eure Niederlage zu?“ Der Preuße sah zu ihm, merkte, dass er den Arm nicht losbekam und so nur schwerlich aufstehen könnte. Er musterte den Japaner, neigte den Kopf etwas vor und sagte gurrend: „Wenn Ihr die ganze Zeit so stehen bleibt, während ich hier liege, gebe ich gar nichts zu.“ Kiku bemerkte, wie der am Boden liegende Preuße, von unten die Waden musterte, der Blick an der Haut hinauf glitt und sich langsam ein unzüchtiges Lächeln auf seine Züge schlich. Mit einem dunklen „Tzz!“ ließ Kiku die Hand schließlich los, machte Anstalten zu gehen, da war Gilbert herum geschnellt. Er zog Kiku am Handgelenk hinab, auf sich selbst, wo er nun wieder auf dem Rücken lag. Lächelnd schlang er beide Arme um Kikus Hüfte. „Ich dachte Ihr hört Euch meine Klagen an?“, brummte er, lehnte den Kopf nach oben, doch Kiku zog den Hals weg. „Ich höre keine Klagen.“, bemerkte der Japaner strikt und versuchte sich gegen die Hände zu wehren, die an seinen Beinen den Stoff des Yukatas nach oben zogen. Gilbert lächelte sanft, ließ den Kopf zurückfallen und sah ihn an: „Gefällt es Euch in dieser Position?“ Er brummte zufrieden, als er endlich weiche Haut an Kikus Beinen spürte, der den frechen Händen allerdings einen Klaps gab. Der Japaner selbst sah beiseite. „Keine Sorge.“, Gilbert lehnte den Kopf vor, küsste Kikus hervor blitzendes Schlüsselbein: „Ich bin in jeder Lage bewandert.“ Der Japaner schnappte leise nach Luft, als Gilbert am Hals nippte, ihn an der Hüfte fasste und sich mit ihm herumdrehte. Er beugte sich tief über ihn, hielt ihn fest, versuchte sich seufzend an der Haut hinter dem Ohr. „Oder gefällt es Euch so besser?“, fragte er leise, brummend. Kiku dagegen machte keine Regung, nur langsam stemmte er die Hände gegen Gilbert und sah ihn an. „Ich höre noch immer keine Klagen.“, sagte er. Gilbert lächelte, dann richtete er sich langsam auf und ließ von Kiku, half ihm dann auf die Beine zu kommen. „Ihr müsst mir verraten wie ihr diesen Trick nennt. So etwas zu lernen wäre sicherlich hilfreich.“ Gilbert redete, als wäre nichts gewesen, richtete den Kimono und putzte ihn ab. Kiku tat es ihm gleich, bevor er wieder in die Geta schlüpfte. „Das war ein Aikido-Griff Namens Kotegaeshi.“, antwortete Kiku fachlich, setzte sich wieder auf das Holz zum Haus hin, „Ein sehr einfacher Griff. Es sollte Euch zu denken geben, dass ich Euch so leicht niederringen konnte.“ Gilbert setzte sich grinsend neben ihn, sah zum noch hellen Himmel und ließ die Beine baumeln. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und seufzte leise. „Dafür kann ich Euch mit einer Smith and Wesson einen Apfel vom Kopf schießen.“, er grinste zu Kiku, der unbeeindruckt die Brauen hob: „Wie löblich.“ Das könnte er mit einem Langbogen auch. Gilbert hatte sich tatsächlich durchgerungen allein baden zu gehen. Kiku hatte ihm schon vorher eine angenehme Nacht gewünscht und ihn danach nicht mehr gesehen. Der Preuße schien früh zu Bett gegangen zu sein. Kiku selbst hatte noch einige Schriften verfasst und gelesen, bevor er sich durchrang schlafen zu gehen. Mehr oder weniger erfolgreich. Diese Nacht war besonders warm. Die Hitze hatte sich im Holz des Hauses gestaut und zu allem Überfluss war es beinah windstill. Alle Lagen des Futons waren unter dem feuchten Rücken des Japaners, eine Zudecke war überflüssig. Den Kopf hatte er träge zu den Shōji hin gedreht, schloss die Augen und dachte einen Windhauch auszumachen, doch spielte ihm seine Einbildung nur einen Streich. Er wollte sich zwingen einzuschlafen, doch die Wärme saß ihm schwer in den Gliedern, tanzte in seinem Kopf, machte ihn langsam aber nicht müde. Kiku seufzte lautlos nach oben, streckte den Hals, als er spürte wie feine Perlen nach unten wanderten. Er schob die Finger zum Gürtel des Yukatas, öffnete ihn ein wenig und legte glänzende Haut frei. Er winkelte die Beine an, schob den Stoff beiseite und atmete aufgrund der Anstrengung tief durch. Sein Blick wand sich wieder nach draußen, in den dunklen Himmel mit dem dünnen Mond. Wenn er die Augen kurz schloss, konnte er sich einbilden, dass es jeden Moment mit regnen anfangen würde, doch die Gräser blieben trocken, die Straßen staubig. Es gab kein Prasseln auf dem Dach und keine Rinnsale auf dem Holz. Es fehlte der Geruch vom Regen, die leise Vorahnung eines Gewitters, die noch schwülere Atmosphäre, in der sich die Nackenhaare aufstellten. Kiku ließ den Kopf wieder zurückfallen und atmete durch, schloss die Augen ein erneutes Mal und wünschte sich, endlich einzuschlafen. Die Wärme und die Träume verschmolzen langsam in seinem Kopf. Die Glieder füllten sich mit einer angenehmen Abwesenheit, sein Bewusstsein schwand dahin. Kiku war innerlich entspannt, als er leise Schritte hörte, ungewollt, in der Fantasie eingereiht. Er hörte Holz auf Holz, das Rascheln von Stoff, dunklen Atem. In seinem Kopf sah er Gilbert mit geröteten Wangen, verschwitzt auf der Seite liegend und die Hände im Schoß. Ein schweres Atmen, leises Seufzen – war es sein eigenes? Er sah scharf gestochene, graue Augen, als er blinzelte. Er wand sich der Hand entgegen, die ihm verschwitzte Strähnen aus der Stirn strich. Er fühlte sich wie im Fieberwahn, nur ohne Fieber, genauso warm. Er atmete leise als er Gilbert endlich neben sich erkannte, in der Dunkelheit, tief über Kiku gelehnt. Der Japaner hatte die Lippen geöffnet, fragend, doch der Preuße antwortete intuitiv: „Ich kann nicht schlafen.“ Kikus Ausdruck wandelte sich in Zufriedenheit, er lächelte sanft, dann schlug er die Augen kurz nieder. Er hob die Arme und verschränkte sie in Gilberts Nacken. Er spürte Gewicht auf sich, einen zweiten warmen Körper, der Kiku zum aufseufzen und wacher werden brachte. Er fühlte wie Gilbert den Kopf an seiner Halsbeuge vergrub, sanft dagegen atmete, doch er wehrte sich nicht. Vorsichtig suchte er mit den Fingern die blonden Strähnen, zerzauste sie zärtlich. Kiku war liebevoll in seiner Ablehnung. Er fand seine Stimme nicht gleich wieder. Sie hatte sich schon schlafen gelegt, ganz allein, ohne ihn und schien nicht wieder aufwecken zu wollen. Er wand sich Gilberts Ohr zu, doch in der Schwere der Nacht, fand er keine Worte. Es dauerte, bis er leise, flüsternd, Gilbert endlich belehren konnte: „Ihr könnt nicht bleiben.“ Der Preuße atmete tief, drückte den eigenen Körper fester an den schmalen Leib unter sich. Das Gesicht fuhr am Hals entlang, die Nase sog den süßen Geruch auf, die Lippen tanzten über der empfindlichen Haut. Mit Wohlwollen spürte Gilbert, wie Kikus Nackenhaare sich aufstellten. „Nennt mir einen guten Grund.“, brummte er leise zur Antwort. Er glaubte nicht daran, dass Kiku diese Behandlung missfiel. Der Körper verriet einfach so viele Details, so viele Dinge, die ungesagt blieben, aber keineswegs ungeachtet. Die träge Nacht hatte sich über ihnen ausgebreitet, Kikus Lider schlossen sich wie von selbst. Seine Hände ruhten schwer auf dem warmen Rücken über ihm, er unterdrückte die Neugier die feinen Linien der Muskeln nachzuzeichnen. „Meine Bediensteten würden Euch hören.“ Kikus Widerstand war schwach, beinah kaum vorhanden. Es war mehr seine Ehre, als seine Überzeugung, die sprach. Er mochte das Gefühl von dem Größeren über sich. Die zähe, klebrige Wärme teilend, so dass er nicht mehr wusste, ob es sein Puls war, den er fühlte, sein Atem, der schwer im Raum hing. Und er mochte das Gefühl der weichen Innenseiten der Lippen, die rot glänzend die Haut am Hals streiften, wenn Gilbert sprach: „Ich tue nichts, wobei sie uns hören könnten.“ Kikus Blick war verhangen, als er hinab blinzelte, versuchte dem Preußen zuzusehen, wie er den Yukata über die Schulter strich. Der Atem, die kitzelnden Haare und der Mund verfolgten die Bewegung. Kikus Hand ruhte in Gilberts Nacken, als der begann sich der runden Schulter hinzugeben. „Noch nicht.“, Kikus Lider blieben beim Blinzeln geschlossen, er wand den Kopf zurück in den Stoff. Seine eigenen Finger suchten den Eingang in den Yukata Gilberts, strichen am Nacken entlang und zogen ihn auseinander. Er wusste, dass seine Taten und seine Worte mehr als nur widersprüchlich waren: „Sie werden Euch am Morgen sehen. Sie werden schwatzen.“ Gilbert sah ihn von unten an, mit einer Hand Kikus Seite umfassend, Besitz ergreifend, erobernd - nicht wiederhergeben, unterwerfen, abhängig werden. Er lächelte sanft, bevor er der Brust einen Kuss gab: „Lasst Sie schwatzen.“ Kiku drehte den Kopf und als Gilbert sich ein wenig mehr auflehnte, über ihn, konnte er den Stoff von den Schultern des Preußen streichen. Seine Finger hoben sich von der farblosen Haut ab, als er den Oberkörper erkundend entlang strich. „Das kann ich nicht tun.“, antwortete er, mit dem Blick den Fingern folgend. Gilberts Hand fasste in Kikus Kniekehle, zog es langsam empor, angewinkelt neben sich. Forsch schob er die Finger unter den festklebenden Stoff an den Oberschenkeln, löste ihn, ließ ihn zurückrutschen nur um ihm zu folgen. Sein Griff war fest, aber nicht grob. Er eroberte Kiku Stück für Stück. Gilbert rutschte hinab, beobachtet von dem Japaner. Das Bein legte er über die Schulter und versenkte den Mund an der Haut der Schenkel. Er hatte den Anstand abgelegt, war ungeniert und begehrlich, als er die Haut bis zum rot werden reizte. Er wollte nicht mehr antworten, doch Gilbert wusste, dass er Kiku zumindest ein wenig beruhigen sollte: „Dann werden wir keine Geräusche machen, die sie hören könnten und ich werde noch vor dem Morgengrauen Euer Bett verlassen haben, damit sie nicht schwatzen. Ich werde nur Wind sein, der einfliegt und vorbeizieht, euch berührt...“, er küsste die weiche Haut, sah mit festem Blick zeitgleich zu Kiku auf, „Und euch träumen lässt.“ Mit einer wohlen Gänsehaut fiel Kiku in die Decken zurück, schloss die Augen und genoss schweigend, wie Gilbert seine Beine brandmarkte. Wie er Besitzt ergriff, eroberte. Unterwerfe, gebe nichts wieder her. Werdet abhängig. Es war die Hitze, die Kiku weckte. Sein Kopf glühte, seine Stirn war verschwitzt. Er betrachtete seine Finger, die Haut, die rot glänzte. Wie zäher, süßer Sirup klebte der Yukata an ihm, an den Seiten der Oberschenkel, an der Taille und den Armen. Sonst war er aufgeschoben, verräterisch zeigte er die Stellen, die Gilbert im Dunkeln gestern nur gefühlt haben konnte. Verräterisch war der Futon zerwühlt, die Decke verknüllt beiseite geschoben. Verräterisch zerzaust floss Kikus Haar auf den Stoff hinab. Verräterisch presste er die Lippen aufeinander, schluckend, die gestrigen Taten im schweigen begraben wollend. Und verräterisch war sein Blick zur Tür, wartend, lauernd, obwohl er doch wissen musste, dass das Objekt seiner Begierde erst erscheinen würde, wäre die Sonne untergegangen. Alle Lichter erloschen. Die Geräusche im Haus verstummt. Der Schein gewahrt. Soviel Vorbereitung für einen so süßen Verrat. Es war diese Hitze, die Kiku geweckt hatte. Nicht die Sonne, nicht die Wärme der Stadt, nicht der Sommer. Er brauchte lang um endlich auf die Beine zu kommen, sich anzuziehen um sich waschen zu gehen. In der Küche waren bereits seine Haushälterin und der Koch auf den Beinen. In gewohnter Hausherren-Manier trat er auf sie zu, ordnete an, was es für ihn und Gilbert zum Frühstück geben sollte. Er wartet auf das Jawohl, auf die Blicke, die Gesten, eventuell verstohlenes Tuscheln. Er wartete und beobachtete, analysierte genau, ob eventuell doch die Dinge, die gestern passiert waren, jemand bemerkt hatte. Eine innerliche Angespanntheit, die sich auch nicht löste, als er wieder ging. In der Zurückgezogenheit merkte er erst, dass es genau dieses lauernde Gefühl sein musste, das Gilbert Abenteuer nannte. Erst in diesem Moment erkannte er das wahre Verbot hinter dieser Tat – Und er erkannte den Reiz es wieder zu tun. Es schien Gilbert nicht unähnlich zu gehen. Sie saßen sich beim Frühstück gegenüber, schweigend, aber keines Wegs ausdruckslos. Vielleicht war es diese Übervorsicht, die sich auf einmal über ihnen abgewälzt hatte, die sie auf die Situation sensibilisiert hatte. Vielleicht war es nur eine Verspieltheit, mit der sie sich mehr Ohren, mehr Augen, auf sich einbildeten, als wirklich da waren, dennoch war es ein aufregendes Gefühl, wenn sich ihre Hände über dem Tisch kurz berührten, die Blicke trafen, ein falsches Wort, sie zum stocken brachte. Gilbert musterte Kiku mit ungewohnt hungrigen Augen. Beinah so, als könnte er direkt auf die nackte, pure Haut sehen. Das sehen, was er sich den Abend in vornehmer Zurückhaltung nicht genommen hatte. Das begehrend, was er sich aber mit Sicherheit noch erobern würde. Obwohl beide wussten, dass es ein schwieriges Unterfangen werden würde. Die Geheimhaltung musste das oberste Prinzip bleiben. Umso erleichterter war Kiku, als Gilbert an diesem Tag in der Kaserne arbeiten musste. Er bildete sich ein, dass ihre Blicke verräterisch waren. Die Berührungen, die eher ausversehen und gleichzeitig unheimlich unterschwellig gewollt waren, sie jeden Moment entlarven würden, doch keiner ließ sich etwas anmerken, räusperte sich verhalten und sah ihnen auch nur ein wenig zu lang zu. Im Laufe des Tages wurden seine Gedanken von der Wärme begraben. Er war kein fauler Mensch, er erledigte seine Aufgaben immer gewissenhaft, doch in solchen Sommern wusste er, dass jegliche Anstrengung zu viel des Guten wäre. Somit genoss er das Recht, nur so wenig wie möglich tun zu müssen und sich lieber im Schatten des Daches auf der Veranda auszuruhen. Gilbert kam am frühen Nachmittag zurück. Er ging direkt vom Hofeingang zum Garten, noch in Geta und mit dem Sonnenschirm. Er trug ihn nun jeden Tag, er kühlte zwar nicht und er ließ die ungewohnt hohe Luftfeuchtigkeit auch nicht erträglicher werden, doch wenigstens war seine Haut vor dem Verbrennen geschützt. Er meinte, er würde den Schirm nun jeden Tag tragen, bis es eine Medizin oder eine Creme gebe, die Sonnenstrahlen abwehrte. Kiku glaubte nicht daran, das so etwas möglich war. Man kann die Sonne ja nicht so leicht aufhalten. Der Preuße kam um die Ecke, gut gelaunt als er Kiku erblickte und ein Bündel hochhebend. Kiku verharrte in seiner ungewöhnlich faulen und nonchalanten Lage. Er drehte nur den Kopf zu Gilbert, beobachtete seinen Blick, das Lächeln. Der Preuße schien es zu mögen, wenn Kiku entspannt war. Vielleicht war es ja ein Zeichen, dass Kiku das Gefühl hatte, ihm auch ungeniert diese natürliche Art zu zeigen? Gilbert setzte sich neben seinen Kopf, klopfte die Geta ab und verschränkte schließlich die Beine im Schneidersitz neben dem Japaner. Wenn Kiku den Kopf nach hinten streckte und er Gilbert von unten musterte sah er blonde Bartstoppel. „Ein Schiff kam an, Geschenke aus Preußen für Euren Herrscher.“, erklärte Gilbert und hielt sich wieder das Bündel vor die Nase. Kiku blinzelte uninteressiert, erwiderte nur ein gedehntes: „Mh.“ Der Preuße fuhr fort: „Ich habe ein wenig von den Dingen mitgenommen, um sie Euch zeigen zu können.“ Er wand den Blick ab und schien etwas in dem Beutel zu suchen. Kikus Augen ruhten noch auf seinem Gesicht, träge hob er die Hand und fuhr über das Kinn des anderen, die weichen Stoppeln. Gilbert sah nur aus den Augenwinkeln zu ihm, lächelte schwach, bevor er weiter suchte. Als Kikus Fingerkuppen über die Lippen des anderen fuhren, spitzte der sie kurz, bevor er abermals lächelte und sich an Kiku wand. „Schließt Eure Augen.“, sagte er ihm, die Hand noch im Beutel. „Weshalb?“, Kiku wand den Kopf, erkannte jedoch nichts und bekam von Gilbert nur einen tadelnden Finger. „Tut es einfach.“, sagte er mit Nachdruck und schließlich atmete Kiku tief ein, schloss die Augen. Er hörte ein leises rascheln von Papier, Geknister, dann befahl Gilbert: „Öffnet Euren Mund.“ Kiku kräuselte die Lippen kurz missmutig bevor er sie schließlich doch spaltete, nur ein Stück weit. Er fühlte Gilberts Finger daran, wie er etwas dazwischen schob, in Kikus Mund und ihn so zurückließ. Kurz blinzelte der Japaner zu ihm, dann kaute er, seufzte auf und schloss die Augen wieder. Genießend wand er den Kopf zurück. Gilbert sah ihm dabei zu, lächelte in sich hinein, „Schmeckt Euch die Praline?“ Kiku schlug die Lider träge auf, schluckte schwer und beleckte sich die Lippe, nuckelte daran, als würde noch Schokolade daran kleben. „Eine Praline? Was ist das?“, fragte er, bevor er sich auf den Bauch drehte und sich Gilbert mehr zu wand. Der gab die nächste Leckerei aber erst wieder her, als Kiku die Augen schloss und sich füttern ließ. Mit Wohlwollen bemerkte er, wie der Japaner die fremde Süßigkeit schlemmte. „Schokolade, mit Marzipan, oder Likör oder Nüssen. Von unseren Hofchocolatiers.“, erklärte er und Kiku rutschte wieder ein wenig näher um schneller gefüttert zu werden. Gilbert drang vorsichtig mit der Fingerkuppe zwischen die Lippen, ließ Kiku die geschmolzene Schokolade wegnippen. „Es scheint Euch zu schmecken.“, bemerkte er amüsiert, als der Japaner sehnsüchtig das nächste Stück erwartete. Ertappt wand Kiku die Augen ab, hielt sich eine Hand vor den Mund und entschuldigte seine ungezügelte Art des Schwelgens. Er hatte sich hinreißen lassen. Gilbert lächelte spitzbübisch, bevor er Kikus Kinn griff und ihm eine erneute Praline zwischen die Lippen zwang. Er beobachtete den Japaner, der den ungewohnten Geschmack in voller Blüte auskostete. „Nicht doch, Kiku-chan.“, er strich mit dem Daumen über den weichen Mund, lächelte unanständig, „Ab und zu muss man sich gehen lassen, sonst kann man das Leben nicht genießen. Überall gibt es Regeln und Konventionen, doch wisst Ihr, es bringt keinen Spaß sich an sie zu halten, wenn man nicht auch mal allein sein eigenes Vergnügen in den Vordergrund stellen kann.“ Kiku sah ihn an ohne seine Worte zu verstehen. Er gönnte sich kaum etwas, Vergnügen war ihn nur in Verbindung mit Arbeit bekannt. Die Lustbarkeit, die Gilbert ihm zeigte, war neu für ihn. Es fiel ihm schwer sich ihm zu öffnen, meistens, jedoch hatte die Hitze und die süße, klebrige Schokolade sein Hirn benebelt und er ließ die Dekadenz seiner Prinzipien zu, als Gilbert erneut ein Praline an seine Lippen schob. Er schloss die Augen hingebungsvoll. Er wollte kein Tadler an gutem Essen sein, er wollte zeigen, dass er genießen konnte und doch war er überrascht als er keine Finger und keine Schokolade mehr spürte sondern Gilberts Atmen und fordernde Lippen. Er legte die Hand auf Gilberts Mund, schob ihn von sich weg. „Ihr solltet Eure moralischen Prinzipien nicht zu häufig vergessen, Gilbert-san.“, mäkelte Kiku, ließ von Gilbert. Der blieb weiterhin über ihm gelehnt, aber hatte nur mehr ein schmales Lächeln übrig. Er schien nicht am Ende seines Lateins. Als Kiku sich träge aufrichtete, setzte sich auch Gilbert wieder gerade neben ihn, den Blick zum Garten. Die Sonne hatte den Schatten wandern lassen, machte ihn lang und schlank. „Es kamen mit den Geschenken auch Stoffe, Schuhe, für die Truppen.“, Gilbert sah nur aus den Augenwinkeln zu Kiku, wanderte mit den Augen über die schmalen Schultern, „Ich hatte Euch doch versprochen, Euch eine Uniform schneidern zu lassen, nicht wahr?“ Kiku lächelte zu Boden, schüttelte den Kopf. „Und ich sagte Euch, dass Ihr das nicht tun müsst.“, erklärte er zurück, doch Gilbert wusste um die Höflichkeit, mit der Kiku Dinge ablehnte. Er hatte sie mittlerweile durchschaut. „Tut nicht so, Kiku-chan.“, Gilbert streckte die Arme, tätschelte dann seinen Kopf, „Wenn Ihr eine anhabt, werdet Ihr wissen, was für ein gutes Gefühl das ist. Es sei denn es ist so warm wie an diesen Tagen, doch das sollte im Moment keine Rolle spielen. Lasst mich Euch überzeugen.“ Der Japaner lächelte entschuldigend, die Brauen zusammengezogen in Gilberts Richtung. Er antwortete nichts, hoffte nur, der Preuße würde verstehen, wie wenig sich Kiku von diesem Vorhaben versprach. Es schien, dass Gilbert durchaus in der Lage wäre, das Gesagte und das Gemeinte trennen zu können, aber keine große Lust verspürte, dadurch in irgendeiner Weise zurückhaltender oder unaufdringlicher zu sein. Im Gegenteil. Er provozierte gern, damit das Gemeinte auch endlich das Gesagte werden würde. Kiku dagegen würde sich eher die Zunge abbeißen, als Gilbert direkt zu sagen, dass er keine Uniform wollte. „Ich kann mir das Gefühl lebhaft vorstellen, Gilbert-san.“, Kiku versuchte sich aus der unangenehmen Situation zu winden, „Es ist freundlich von Euch, mir das anzubieten, doch ich glaube nicht, dass ich einer preußischen Uniform gerecht werde.“ Gilbert lächelte, tippte sich an die Lippen und erwiderte verschwörerisch: „Genau aus diesem Grund wird diese Uniform maßgeschneidert und eigens für Euch angepasst. Ihr werdet sie lieben lernen.“ Der Preuße rappelte sich langsam auf, nahm sich die Geta und den Sonnenschirm bevor er eine Shōji aufschob um ins Haus zu gehen. „Der Schneider ist in einer Stunde hier. Er wird verschiedene Stoffe und Schuhe mitnehmen. Ich hoffe die Maße, die ich für euch geschätzt habe, werden stimmen.“ Er sah kurz über die Schulter zu Kiku, musterte den Kleineren, lächelte siegessicher, ein wenig anzüglich. „Sie werden stimmen.“, murmelte er, bevor er hineinging. Er konnte sich auf seine Hände und Augen verlassen, wenn er etwas mit Hingabe behandelte und abzuschätzen lernte. Wenn er sich etwas mit viel, viel Hingabe widmete. Kiku fühlte sich unwohl, auf einem Schemel thronend, die Arme gestreckt oder am Körper liegend, wenn an ihm Stoff abgesteckt wurde. Der Schneider war ein großer, schlanker Mann mit gezwirbeltem Schnauzer. Zu seiner Verwunderung war er nicht, wie die meisten preußischen Soldaten, die er bisher gesehen hatte, blond sondern braunhaarig. Die Augen zeigte eine perfide Mischung aus Grün und Nussfarben. Kiku mochte es nicht, wie die weiten Pupillen über seinen Körper wanderten, während er hier und da Nadeln einstach und sich Nummern notierte. Der satte Stoff war schwer und luftundurchlässig. Kiku schwitzte in der gefangenen Wärme unter dem Dach. Doch das Gefühl des Unbehagens wurde deutlich verstärkt, da Gilbert ihm die ganze Zeit dabei zu sah. Mal neben ihm stehend, direkt die Arbeit des Schneiders prüfend, mal in der Ferne sitzend, deutsche, harte Anweisungen gebend und ab und an Kiku still von der Seite musternd und dunkel lächelnd. Kiku wand immer wieder den Kopf, als Gilbert in ungewohnte starker Stimme Anweisungen gab. Er verstand sie nicht, doch der Schneider war mit flinken Händen dabei, die Änderungen vorzunehmen. Die Jacke wurde Stück für Stück gekürzt, abgerundet weggesteckt. Die Hose sollte enger sein, betonender, damit sie auch ohne hohe Stiefel getragen werden könnte. Gilberts Blick verriet jedoch durchaus, dass er aus anderen Gründen eine akzentuierende Hose bevorzugte. Gemeinsam, ohne Kiku einmal nach seiner Meinung zu fragen, suchten die Preußen die Knöpfe aus, die Bänder für Verzierungen und die Farbe für das Garn um Kikus Namen einzusticken. Erst nach dieser endlosen Prozedur wand sich Gilbert an den Japaner, reichte ihm die Hand, damit er vom Schemel steigen konnte. Der Schneider war dabei seine Notizen zu ordnen und einzupacken, die übrigen Materialien zu kennzeichnen und ebenfalls zu verstauen. „Ihr seht fantastisch aus.“, schwärmte Gilbert, um Kiku herum schleichend, musternd, mit einem verhöhnten Lächeln auf den Lippen, „Habt Ihr einen Spiegel? Ihr solltet Euch anschauen, auch wenn es noch nicht das endgültige Resultat ist.“ Kiku betrachtete kurz die engen Ärmel, die seltsame Hose. Er bezweifelte ernsthaft dass er in dieser Kleidung gut aussah, doch wollte er Gilbert aus Höflichkeit nicht widersprechen. Er nickte zu einem angrenzenden Zimmer und enthüllte dort einen stehenden, bodenlangen Spiegel. Als Kiku davor trat und sich musterte, stand purer Unglaube in seinem Blick. Das war er selbst? Tatsächlich? Er erkannte sich kaum wieder. Die Uniform zauberte breite Schultern und einen langen Oberkörper. Sie betonte seine Beine für ihn beinah schon anrüchig genau. Der Kragen war hochgeschlossen, verdeckte den geschwungenen Nacken. Gilbert trat in der Stille des Moments hinter ihn und legte die Hände auf seinen Schultern ab. Er schlug die Augen nieder, während er leise sprach: „Ich wäre zu gern der erste, der euch in der fertigen Uniform sieht.“ Er wand den Kopf und flüsterte dunkel zum Ohr: „Und auch gern derjenige, der sie euch wieder auszieht.“ Empört sah Kiku aus den Augenwinkeln zu ihm. Er hatte nie gesagt, dass er diese Mode tatsächlich vor hatte zu tragen und Gilberts Anmaßung setzte dem noch die Krone auf. „Es scheint, als könntet Ihr an nichts anderes mehr denken, Gilbert-san.“, Kikus Ton war ungewohnt belehrend, beinah verurteilend. Doch Gilbert ließ sich nicht zurecht stutzen. Er war sich durchaus im Klaren darüber, wie seine Worte und Taten wirkten. Er hatte nie eine andere Intension im Sinn gehabt. „Meine aufrichtigste Entschuldigung.“, Gilbert heuchelte gespielt schlecht. Er versuchte nicht einmal, überzeugend zu klingen, „Aber Kiku, versteht doch, ich muss Euch meine Aufwartungen machen. Es ist schon beinah unerträglich, wenn ich darüber nachdenke, dass Euch der Schneider halbnackt sehen wird, wenn Ihr die Kleidung wieder ablegt.“ Er lächelte frivol, von Kiku Abstand nehmend, aber den Blick fest auf ihm geheftet. „Für Euch mag es nichts besonderes sein, schließlich seid Ihr eine Kultur mit öffentlichen Bädern.“ Kikus Blick verfinsterte sich aufgrund des Spotts in Gilberts Stimme. „Doch für uns Preußen, Kiku, ist es etwas besonderes, den anderen pur und nackt zu erleben. Versteht Ihr meine Eifersucht? Ich muss Euch Aufwartungen machen.“ Er schritt langsam wieder zu Kiku, nahm seine Hand und gab dem Rücken derer einen Kuss, lächelte über die Haut hinweg zu ihm auf. „Ich muss doch sicher bleiben, dass ich etwas Besonderes für Euch bin.“ Kiku hob die Brauen gleichgültig, entzog seine Hand aus Gilberts Griff. Er hatte für diese abwegige Erklärung nur ein: „Wie Ihr meint.“ übrig. Er gab sich vor Gilbert –hier und jetzt zumindest- keine Blöße. Der Preuße schritt mit ihm zurück ins Zimmer zum Schneider, leise flüsterte er dabei zu Kiku: „Darf ich Euch denn wenigstens heut Nacht überzeugen?“ Der Japaner wand sich mit einem strengen Blick zu ihm, erwiderte dunkel ein: „Ihr wisst doch.“ Gilbert lächelte, nickte und überließ Kiku wieder dem Schneider, der ihm half den Stoff loszuwerden. Ja er wusste. „Keine Geräusche, damit niemand schwatzen würde.“ Über die Schulter hinweg hatte Kiku nur ein unterdrücktes Schmunzeln für ihn. tbc. Kapitel 6: Verlassene Geta -------------------------- Teil: 6/6 A/N: Mein Gott, ich dachte ich hätte das letzte Kapitel schon hochgeladen... hatte ich aber nicht. q_q Verzeiht! Nun denn, last but not least, hiermit beende ich die Fluf-Erotik Geschichte. Danke für eure Aufmerksamkeit. :> Viel Spaß mit: Verlassene Geta An diesem heißen Sommertag war der Wind angenehm erfrischend und klar. Er spülte die schwere Luft durch, verwirbelte sie und machte die Temperatur erträglich. Es war immer noch zu warm für harte Arbeit, aber genau richtig, für persönliche Vergnügen. Und Kiku hatte das Bedürfnis Gilbert solche zurückzuzahlen. Der Preuße hatte sein Wort gehalten und seine zweideutige Rede in der Nacht in die Tat umgesetzt. Kiku hatte nicht anders gekonnt, als sich ein Kissen auf den Mund zu pressen, Geräusche erstickend, als Gilbert seine Beine über die Schulter gehoben hatte und weiches Haar ihm an den Schenkeln kitzelte. Er erinnerte sich an Gilberts Worte, an das leise flüstern, als er erklärte, er hätte vielleicht keine Badekultur oder wunderbare Kampfkunst, vielleicht auch keine bewanderten Damen im horizontalen Gewerbe, vielleicht nicht soviel Höflichkeit, doch er besaß Hingabe – mehr als genug. Er opferte sich vollständig für Kiku auf, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Kiku hätte nie gedacht, dass so ein unreifer Spund in der Lage war, ihn aus der Fassung zu bringen, seinen Körper um seine anerzogene Kontrolle zu bringen, ihn haltlos werden ließ, beinah schon reumütig werdend, wenn er dachte, was er noch nicht alles bekommen hatte. Gilberts Hingabe war unheimlich gefährlich. Kiku durfte nicht riskieren haltlos zu werden. Nicht solang nicht vollkommen sichergestellt war, dass sie unbeobachtet und ungehört waren. Gilberts Hingabe war so unheimlich gefährlich. Sie machte Kiku wirr, unvorsichtig, ließ ihn aus seiner gewohnten Rolle austreten. Er wurde abhängig, von dem Gefühl, begehrlich zu sein. Der Wunsch jede Nacht erneut und immer anders erobert zu werden breitete sich in seinen Gedanken aus. Gilberts Hingabe war so unheimlich gefährlich, denn sie war unglaublich wohltuend. Kiku durfte nicht zulassen, dass sie ihn übermannte. Er musste mit Gilbert soviel Abstand wie möglich zu seinem sonstigen Leben halten. Er wollte Gilbert ein persönliches Vergnügen in dieser Wärme bereiten, das wünsche er sich wirklich, doch nicht solang sie unter Beobachtung standen. Kiku hatte Glück, dass Gilbert das gleiche Problem zu beschäftigen schien. Er trat zu Kiku heran, mit dem Wunsch, ein wenig aus der Stadt herauszukommen, die Landschaft Japans zu sehen, Wiesen und Wälder, zu wandern, ohne Sänften, ohne Begleitung und Beobachtung. Kiku konnte seinem Gast doch nun wirklich schwerlich diesen Wunsch abschlagen. Sie wurden an den Rand der Stadt gebracht, gingen von hier mit Sonnenschirm und Kiku als Reiseleiter weiter. Der Japaner kannte die Gegenden gut, er wusste, wo Dörfer waren, wo Wege die Berge hinauf führten, man Wälder und Wiesen sehen konnte und vor allem, wo wenige Menschen verkehrten. Sie konnten den aufgeschütteten steinigen Weg entlang gehen ohne auch nur eine Menschenseele zu treffen – selbst wenn jemand sie gesucht hätte, würde er Stunden brauchen um sie zu finden. Es verbarg sich Sicherheit an den bewachsenen Hängen, unter den Schatten der herab reichenden Äste und dem blauen Himmel. Gilbert konnte herzlich lachen, Kiku nah kommen oder anzügliche Bemerkungen machen – Die einzigen, die ihr vertrautes Verhältnis hier wahr nahmen, waren die im Wind aufsehenden Blumen. Pflanzen und Tiere interessierten sich nicht für sie, hier brauchte man keine Angst vor geschwätzigen Bäumen zu haben. Ungeniert konnte Gilbert sich unter dem Schirm an Kikus Schulter lehnen, schloss die Augen seufzend, als der Japaner auch ihm Wind zufächelte. Der Preuße hatte den Arm um Kikus Taille gelegt, ab und an nur strichen die Finger unruhig über den Stoff und versuchten die Haut darunter zu erfühlen. Das Gesicht wand er an Kikus Wange, genoss die Luft, die der Japaner ihm zu wedelte. Wenn er ab und an die Lippen spitzte und sie auf die Haut drückte, fühlte Kiku, dass er frisch rasiert war. Gilbert fragte, wie sie die Blumen nannten oder die Bäume, wie die Berge hießen, die man in der Ferne sah. Er erzählte Kiku von den Alpen, von Wölfen, Füchsen und Wildschweinen, er verglich Japan mit seinen Wäldern, mit dem was er kannte. Es gefiel ihm, nur die Vögel waren hier bunter. Gilbert hatte kaum noch Mühe, mit den Geta den steinigen Pfad zum Hügel hinauf zu gehen, auch wenn er einen kürzeren Absatz bevorzugte. Der Größenunterschied zu Kiku glich sich somit wenigstens etwas aus. Gilberts Hand glitt von der Taille über den Rücken, zur anderen Seite. Er tastete vorsichtig, dann nahm er Kikus Hand und verschränkte ihre Finger. Einen kurzen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, Kiku schaute auf die offensichtlich anrüchige Berührung. Als er zu Gilbert aufsah lächelte der leicht, drückte ihre Hände sanft zusammen und strich mit dem Daumen über den weichen Handrücken. Für ihn schien diese Berührung weitaus weniger intim zu sein. Kiku war erleichtert, dass ihre Zweisamkeit höchsten von ein paar singenden Vögeln bemerkt wurde. Sie erklommen den letzten steinigen Hang, hatten von dem kleinen Berg aus nach links eine Aussicht in das Tal, das Dorf, das entfernt darin schlief. Wenn die Augen aber in die andere Richtung schweiften, flachte der Hügel ab und mündete in einer weiten Wiese und dem dahinter wiegenden Wald. Der Wind auf der Anhöhe ließ die Blätter rauschen, flüstern, das hohe Gras der satten Weide wog sich wie zum Tanz bereit. Kiku führte Gilbert weiter, hielt mit ihm vor einem kleinen Shintō-Schrein aus Stein. Für Gilbert sah es aus wie ein zu großes Vogelhäuschen mit Treppe und Papierschnipseln daran. „Ich habe Euch doch das Torii gezeigt, welches wir passiert haben, den Eingang zu diesem heiligen Ort.“, erklärte Kiku und der Preuße nickte verstehend, antwortete: „Ihr meint dieses Gebilde, das Aussah wie ein unfertiges Baugerüst?“ Kiku strafte ihn mit einem Seitenblick, deutete auf den Schrein vor ihnen: „Hier ist der Shintō-Schrein für den Gott dieses Berges und des Tals. Er beschützt die Menschen, die in diese Gegend kommen.“ Kiku nahm aus den Innenseiten der langen Ärmel des Yukata ein paar Münzen, legte sie in den Schrein, faltete die Hände und verbeugte sich. Gilbert beäugte ihn dabei misstrauisch. „Was tut Ihr da?“, fragte er und als Kiku sich wieder aufrichtete sah er zu dem Preußen, erwiderte knapp: „Beten.“ bevor er wieder die Hände zusammenschlug, sich erneut verbeugte und zum Schrein hingerichtet sagte: „Bitte beschützt meinen Gast und mich wenn wir den Berg wieder hinabsteigen.“ Gilbert lachte leise, sah an Kiku vorbei: „Und? Wirkt es?“ Der sah über die Schulter zu ihm, drehte sich nur langsam. Er nahm weitere Münzen aus dem Ärmel und drückte sie Gilbert in die Hand, lächelte ihm zu, „Versucht es.“ Gilbert betrachtete das Geld, ging dann zu dem Schrein. Er wiederholte die Prozedur, faltete die Hände wie Kiku und verbeugte sich, grinsend sprach er zum Gott: „Bitte erhört meine Gebete besser als mein Gott und macht, dass Kiku-chan heut Abend zügellos und wild Unzucht mit mir treibt!“ „Gilbert-san!“ Der Preuße wich einem empörten Schlag seitens Kiku aus, lachte ihm zu und streckte die Zunge hervor. „Seht Ihr? Nur für euch werde ich blasphemisch. Wenn ich jetzt in die Hölle komme, ist das allein Eure Schuld.“, erklärte er lachend und wich wieder aus, als Kiku versuchte ihn sich zu greifen. Kiku ging ihm nach, jagte ihn um den Schrein herum, dann nahm Gilbert Kikus Hand, hielt ihn daran fest. „Obwohl ich das wahrscheinlich so oder so komme.“, lächelte er und zog Kiku in eine Umarmung. Es war still um sie herum, man hörte keine Vögel. Nur entfernt sang die Wiese im Wind und Schatten spielte zwischen den hohen Gräsern. Gilbert ließ seufzend von ihm, hielt seine Hand aber wieder fest. Er drehte sich, wand den Blick zum Wald, zur Weide, dann lächelte er spitzbübisch. „Mir kommt gerade eine grandiose Idee.“, sagte er und führte Kiku zum Rande der Plattform. Er setzte sich ungeniert auf den Boden, beobachtet von Kiku, dann zog er sich die Geta und die Socken aus. Kiku fragte gar nicht erst, was Gilbert tun wollte. Er gab es auf ihn belehren zu wollen doch wenigstens beäugten hier keine anderen Menschen sie und urteilten über Kikus Begleitung. Der Preuße stellte die Geta mit den Socken neben sich auf den Boden, dann stützte er sich mit den Armen an der Seite ab und sprang den kleinen Abhang hinunter. Er landete auf den Füßen, sah zu Kiku hoch und lächelte, winkte ihn heran. „Kommt.“, forderte er ihn auf doch Kiku schüttelte nur den Kopf. „Wo wollt Ihr denn hin?“, fragte er mit einem schiefen Lächeln, kniete sich an den Abhang und legte den geschlossenen Sonnenschirm neben sich. Gilbert deutete nach hinten zum satten Grün, breitete dann die Arme aus. „Kommt schon.“ Kiku lehnte höflich ab, hob zwei Hände. „Wir sollten auf dem Weg bleiben, Gilbert san.“, sagte er ihm, doch der Preuße lachte, trat näher zu Kiku. Er streckte den Hals weit nach oben um ihn sich anzusehen, lächelte und reichte ihm die Hand. „Kommt schon, Kiku. Ihr solltet bereits gegangene Pfade auch einmal verlassen. Ihr werdet sonst nie wissen, was andere Wege bereit halten. Vertraut mir.“ Kiku sah ihn lang an, seufzte in sich hinein, bevor er sich schließlich doch auf die Plattform setzte. Er ließ die Beine hängen, wollte ansetzen, um zu springen, da fasste Gilbert seinen Fuß. Der Preuße zog vorsichtig die Geta von den Zehen, rollte den Socken hinab. Er legte das Schuhwerk zu seinen eigenen, machte keine Anstalten, dass Kiku sich selbst die Geta ausziehen durfte. Er nahm sich das Privileg, die nackten Füße behandeln zu dürfen, zu berühren und mit einer Hand die Wade sanft hinauf zu wandern. Schweigend sah Kiku ihm zu. Gilbert schien vertieft in seine Arbeit und Kiku dachte nicht im Traum daran, die Huldigung seiner Beine zu stoppen. Der Preuße streckte schließlich die Arme und half Kiku vom Abhang hinab, auf den Boden. Nicht, dass der Japaner das nicht auch ohne ihn geschafft hätte, doch Gilbert ließ sich keine Gelegenheit entgehen, Kiku zu berühren, zu umarmen, an sich zu ziehen um seine Zuneigung zu zeigen. Wortlos nahm er die Hand des Japaners und zog ihn mit sich in die Wiese, in das mannshohe Gras. Kiku verlor Gilbert beinah aus den Augen, hätte der nicht seine Hand gehalten und würde sich den Weg stur durch die Weide bahnen. Der Japaner stolperte ihm hinterher. Gilberts Kimono war locker, er konnte große Schritte machen, schnell gehen, Kiku dagegen tippelte eher unbeholfen in dem unliebsamen Terrain. „Gilbert-san, nicht so schnell, wo wollt Ihr denn hin?“, Kiku verlor die Finger und blieb stehen. Zwei Meter weiter hörte auch Gilbert auf zu laufen, wand sich um zu dem Japaner. Außer Atem sahen sie sich an, Gilbert mit einem sanften Lächeln. „Weit weg.“, sagte er tief einatmend, kam auf Kiku zu und schloss das Gesicht in seine Hände. Kiku wand sich von ihm ab, sah nach vorn und versuchte das Gras zu überblicken. „Da ist doch nichts, Gilbert-san.“, sagte er und sah wieder zu Gilbert. Der Preuße lachte: „Das könnt Ihr jetzt doch noch gar nicht sagen.“ Kiku hob die Brauen, ungläubig und skeptisch. Ein Lachen war die Antwort. „Und selbst wenn dort nichts ist, Kiku, ich bin doch hier und ihr seid hier. Das sind schon einmal zwei Dinge die interessant klingen.“ Der Japaner schmunzelte sanft, als Gilbert die Arme um seine Hüfte schlang und ihn an sich drückte. Er strich durch das weißblonde Haar, wand den Hals, als Gilbert das Gesicht daran schmiegte. Kurz japste er überrascht nach Luft auf, kicherte, dann fielen sie zurück in das Gras. Kiku lag auf Gilbert und über ihren Köpfen wogen sich die Halme im Wind. Das Bild hatte sie verschluckt, die Wiese sie gegessen. Nur das leise Kichern, die tiefen Seufzer verrieten sie. Im Feld gab es keine Sorgen, außer, ob das Kraut nicht Kikus schöne Haut zerkratzte. Es war warm doch der sanfte Wind spülte immer wieder eine angenehme Frische durch die Landschaft. Die Hitze schwelte noch zu sehr, als das man arbeiten könnte, aber genau richtig für persönliche Vergnügen. Die Hundstage hatten ihren Höhepunkt erreicht, das Ächzen und Kleben und Schwitzen und Fiebern würde bald nur noch andere Gründe kennen. Die Pinselstrich feinen Wolken zogen über Japan hinweg, lösten sich vom steten blau und malten schon bald keine Schatten mehr auf die Felder. Übrig blieb ein strahlender Himmel, der das drohende Übel nicht zu verkünden mochte. Kiku und Gilbert wären beinah im Gras eingeschlafen, hätte der Japaner nicht bemerkt, wie der Himmel sich zusammenzog. Ein grauer Schleier verdeckte die Sonne, ließ den Wind frisch werden, trieb dunkle, brodelnde Wolken heran. Gilbert sah aus den Halmen auf, besah sich seinen Arm und merkte, wie sich die Härchen aufstellten. Eine schwere Schwüle lag in der Luft. Er und Kiku hetzten zurück, sammelten Geta und Schirm ein, eilten ins Dorf und mit einer Sänfte in Kikus Heim. Sie hörten die ersten dumpfen Tropfen auf dem Holz, blickten am Vorhang hinaus und sahen, wie sich die Straße Fleck für Fleck einfärbte. Gilbert lachte leise und zog den Stoff wieder zu, Kiku in die Arme und übersäte das Gesicht mit kleinen Küssen. Die Angespanntheit des Wetters hatte auf ihn abgefärbt und es wallte zu viel Energie in seinem Inneren. Als die Sänfte am Haus eintraf wurden sie mit Schirmen in den Flur begleitet und alle dankten den Göttern, dass der Hausherr und sein Gast unbeschadet, trocken und ohne Gefahr sich zu erkälten wieder heimgekehrt waren. Gilbert erzählte ausschweifend von den schönen Wäldern und Wiesen, von dem Tempel und dem Berg. Er war so enthusiastisch, als er den jungen angestellten Mädchen alles erklärte, man hätte meinen können, er wolle sie damit beeindrucken. Kiku legte nur seine Geta beiseite, stellte den Schirm ab. Spät bemerkte er den strengen Blick seiner Hausherrin, die sogleich in einem Nebenraum einbog. Sie orderte das Abendessen für Kiku und Gilbert an. An diesem Abend aßen Gilbert und Kiku im Zimmer. Die Regentropfen fielen aufgrund des sanften Windes ab und an auf das Holz der Veranda vor dem Raum. Die Shōji waren aufgeschoben und die beiden konnten dem Wettertreiben zusehen, dem langersehnten Regenguss, welcher in der Wärme des Sommers fiel. Es war nicht kühl, die Temperatur sackte kaum ab, stattdessen war das Wasser eine nötige Erholung für die Felder und Wiesen. Durstig tranken die Pflanzen und Vögel badeten in den entstandenen Pfützen. Gilbert aß den letzten Bissen Fisch, da hellte ein grelles Licht sein Gesicht auf und mit geweiteten Augen ruckte sein Kopf herum. Begeistert legte er schnell die Schale und die Stäbchen ab und rutschte zum aufgeschobenen Spalt. Er streckte den Kopf hinaus, besah sich den Himmel. An der düsteren Wolkendecke grollte es einige Sekunden später tief und begeistert wartete Gilbert auf den nächsten Blitz. Kiku aß seine Portion noch auf, bevor er zu dem Preußen rutschte. „Die Blitze sind schön, schaut nur.“, Gilbert deutete nach draußen an den Himmel. Es dauerte eine Weile, dann schlängelte sich ein greller Blitz in Violett und Weiß am Himmel entlang, zuckte, bevor er starb. Kiku öffnete den Mund, deutete ebenfalls auf einen kleineren, der die Wolken von hinten erleuchtete. Gilbert lachte. Er schien Spaß an der Naturgewalt zu finden. „So heftige Trommelschläge gibt es nur in der Natur.“, sagte der Preuße und setzte sich im Schneidersitz hin um den Himmel besser beobachten zu können. Kiku musterte kurz sein Gesicht, dann lächelte er sanftmütig: „Die Natur wird uns immer überlegen sein.“ Der Preuße nickte ihm zu, die Hände legte er hinter sich ab. Er sah zu dem Japaner neben sich und musste lächeln. Bedacht schob er die Finger an sein Ohr und zog einen schmalen Grashalm zwischen den schwarzen Strähnen hervor. „Verräterisch.“, murmelte er und beugte sich vor. Kiku nickte zur Antwort, schloss die Lider halb und seufzte in sich hinein, als der Preuße sein Ohr küsste. Er lehnte sich ihm entgegen. Der Donner am Himmel grollte laut, nachdem der Blitz sie erhellt hatte. Kiku spürte Gilberts Gänsehaut. Die Schwüle, die Luftfeuchtigkeit, schien ihn anzustacheln. Und unheimlich zart wanderten die Lippen an der Ohrmuschel entlang. Hinter ihnen wurde ein Shōji aufgeschoben, sich tief verbeugend stand dort seine Haushälterin, leise „Honda-sama.“ sagend. Hektisch fuhren die beiden auseinander. „Ich decke Euren Tisch ab.“, sagte sie, bevor sie tatsächlich begann den Tisch und das Geschirr rauszutragen. Gilbert sah ertappt, schockiert und ratlos gleichzeitig zu Kiku, dessen Gesicht jedoch war zu Stein erstarrt. Ausdruckslos sah er ihr zu. Als sie das letzte Schälchen wegräumen wollte, befahl er dunkel: „Ich wünsche Euch gleich zu sprechen. Wartet solang in der Küche.“ Sie verbeugte sich tief, die Augen niedergeschlagen. Sie ließ sich nichts anmerken, erwiderte ein monotones: „Jawohl, Honda-sama.“. Damit ließ sie die beiden wieder allein. Die Hände gefaltet hob Gilbert sie Kiku entgegen, wollte schon beginnen sich zu entschuldigen, zu beteuern, wie Leid ihm das tat, da unterbrach der Japaner ihn, als er sich erhob. „Ihr solltet nun gehen.“, wies er ihn an und verließ damit den Raum. Gilbert sah ihm leise seufzend nach. Kiku war mit seiner Haushälterin allein in der Küche. Sie sah über die Schulter zu ihm, drehte sich langsam und verbeugte sich mit niedergeschlagenen Augen. Sie kannte ihre Pflichten gut. Sie wusste, dass man nicht über ein Thema redete, welches der Hausherr verschwieg. Sie wusste, dass Gerüchte nicht nur dem Ruf ihres Herren sondern auch ihren eigenem schaden würde. Kiku hatte Gewalt über sie. Wenn herauskommen würde, was sie gesehen hatte, wenn sie es nicht verschweigen würde, könnte er sie von sich stoßen. Sie war sich im Klaren über dies alles und sie zeigte Kiku ihr Verständnis indem sie gebeugt blieb. Kiku kannte seine Haushälterin ewig, seit sie ein kleines Mädchen war. Ihre Mutter war bei ihm angestellt und sie selbst zu Kindertagen unheimlich frech und ehrlich gewesen. Manche dieser Züge hatte sich nie verloren. Kiku schätzte sie deswegen, hatte eine offene, gute Beziehung zu ihr. Sie durfte sich Dreistigkeit erlauben, wo andere längst den Kopf verloren hätten. Kiku war sich darüber sehr wohl im Klaren – Seine Haushälterin ebenso. Und so wusste sie zwar um ihre Pflichten aber auch um ihre Privilegien. Sie lächelte schmal, immer noch gebeugt und sagte zu ihm: „Euer Gast ist ein sehr netter Mann.“ Kiku kam einen Schritt näher, damit ihr Ton leiser werden könnte, doch er sagte nichts. Er wusste, worauf hin sie anspielte. „Honda-sama, verzeiht.“, sie richtete langsam den Blick auf, ehrlich und freundlich zunickend, „Ich freue mich sehr für Euch. Es scheint, dass Ihr eine gute Zeit genießt. Es fiel mir bereits heut Mittag auf.“ Kikus Brauen wanderten nach oben. Ungläubig sah er sie an, fragte nach: „Was meinst du?“ Sie lächelte, versuchte zu erklären und dabei möglichst nicht aufdringlich zu klingen: „Als Ihr in den Bergen wart, musste ich Euch kurz darauf folgen, doch ich fand am Schrein niemanden.“ Scharf zog der Japaner die Luft ein, die Lippen wurden dabei ganz schmal. Sie fand niemanden, nur Geta und einen Schirm. Deswegen hatte sie ihn mit diesem Blick beäugt, als er Heim gekommen war. Was für eine Misere. Er war unvorsichtig gewesen. Seine Haushälterin hob die Hände und wollte damit Kikus ernstes Gesicht abwehren. Sie hatte nie vorgehabt, ihn damit bloß zu stellen oder ihn anderweitig damit in Verlegenheit zu bringen. Sie war keineswegs dumm. Es war leicht, eins und eins zusammenzureimen. Sie verstand, wieso Kiku damit nicht an seine Bediensteten trat und das Spiel im Verborgenen trieb. Vollkommen rätselhaft dagegen war ihr Kikus Verhalten an sich. In all der Zeit, in der sie ihn kannte, hatte er wohl nie etwas riskiert. Vielleicht erklärte das ihr ungebändigtes Interesse für die allzu menschliche Neigung ihres Herren. „Honda-sama, wenn ich etwas vorschlagen dürfte.“, sie lächelte verschwörerisch. Kiku war beinah schon verblüfft. Diese Seite kannte er an ihr nicht. „Da Ihr Gast ein Naturfreund ist, sollten Sie vielleicht ein Gasthaus in den Bergen aufsuchen? Ich würde mich natürlich als Ihre Begleitung anbieten und dafür sorgen, das alles zum Rechten kommt.“ Kiku zog die Brauen skeptisch zusammen. Ihr Lächeln, das sanfte Verbeugen als sie „zum Rechten“ sagte war verdächtig. Sehr verdächtig. Sie schien etwas zu planen. Etwas, worüber Kiku selbst vielleicht noch nicht einmal genau nachgedacht hatte. Etwas, was er in den warmen, klebrigen Nächten vielleicht nur zu träumen gewagt hatte. Etwas, was in Gilberts Blick ruhte. Er schlug die Augen nieder und nickte langsam, erwiderte gedehnt: „Eine gute Idee.“ Gilbert war wenig begeistert. Wirklich, wirklich sehr wenig begeistert. Sein Körper schunkelte in der Sänfte mit, der Kopf lag träge auf der Hand, der Ellenbogen gestützt auf dem Bein. Sein Blick war nach draußen gerichtet, die Augen flogen über die Landschaft, die an diesem Morgen wieder in voller Farbe erstrahlte. Das gestrige Gewitter hatte alle Lebensgeister aufblühen lassen. Zumindest fast. Er wusste nicht wieso und warum und weshalb gerade er, doch gestern Nacht hatte Kiku und seine Haushälterin auf einmal die Plan-Wut gepackt und die beiden hatten den heutigen Ausflug durchgesprochen. Es ging in die Berge, zu heißen Quellen und erholender Luft. An sich war Gilbert ein Freund solcher Dinge. Er mochte fremde Landstriche gern – doch er war nicht ausgelastet. Wirklich, wirklich überhaupt nicht ausgelastet. Das lag daran, dass Kiku seit dem Vorfall nach dem Essen nicht mehr mit Gilbert privat gesprochen hatte und die Nacht über hatte der Preuße sich auch nicht einschleichen können. Kiku war schließlich mit der Dame am ausgestalten gewesen. Er hatte also still und heimlich allein für sich Kiku begehren müssen. Die Aussicht auf einen erneuten Tagesausflug mit dem Japaner in entlegenere Winkel der Gegend hätte zwar seine Stimmung aufhellen müssen, doch als er von den Umständen erfuhr, wurde dieser euphorische Anflug im Keim erstickt. Sie würden in ein Gasthaus kommen und getrennte Zimmer beziehen und natürlich gehörte es auch zu den Annehmlichkeiten der Bleibe, dass sie Wachen in den Räumlichkeiten hätten und Gilbert mit Sicherheit keine Möglichkeit hätte, zu Kiku zu flüchten. Und selbst, wenn er diesen Umstand außer Acht lassen würde und sich auf Spaziergänge mit Kiku freuen könnte, wurde diese Beglückung erfolgreich niedergeschlagen. Denn Kikus Haushälterin begleitete sie. Gilbert glaubte, das tat sie nur um aufzupassen. Vielleicht dachte sie ja, dass Gilbert Kiku nötigte und er deswegen Schutz bräuchte? Es war zum verrückt werden. Denn selbst auf dem langen Weg zum Haus hin teilten sie mit ihr eine große Sänfte und der Preuße hatte keine Chance Kiku nur zu umarmen, ihn zu küssen und zu fragen, was nun eigentlich genau los sei. Ja, er war wenig begeistert. Es äußerte sich darin, dass er kaum gesprächig war und keinen Appetit verspürte. Er genoss den abendlichen Spaziergang mit Kiku und der Frau nicht, antwortete oft nicht auf ihre Fragen und ging schmollend vornweg. Es erzürnte ihn, wenn er die beiden Japaner kichern hörte, wenn die Haushälterin Gilbert sagte, er sei entzückend. Und er wollte laut aufschreien, als Kiku „niedlich“ hinzufügte. Er hatte das Gefühl, dass hier etwas gespielt wurde und man ihn einfach nicht einweihen wollte. Er trank am Abend keinen Sake und er lockerte sich auch nicht für die Tanz- und Singeinlage der Hauseigenen Kurtisanen. Er erzählte keine Geschichten aus seinem Land und ließ Kiku deutlich seinen Unmut spüren. Noch war er kein Japaner. Er ließ es sich nicht nehmen, seine Gefühle nach außen zu tragen. Wenn er schlecht gelaunt war, durften das andere ruhig spüren. Vor allem Kiku. Und die Haushälterin. Alles deren Schuld. Pah. Gilbert lehnte es schlussendlich sogar ab mit Kiku in die heißen Quellen zu steigen. Er sagte, er fühle sich nicht allzu wohl und wolle gern früh schlafen gehen, dabei war das gelogen. Er wollte Kiku nur nicht nackt sehen, wenn er ihn dann nicht auch berühren dürfte. Außerdem mochte er den Gedanken nicht, dass dort im Bad, er und Kiku und viele weitere Männer sich wuschen und den Po sahen, den Gilbert für sich begehrte. Er würde Kiku am liebsten mit dieser elenden Kalligraphie-Farbe, die man nur schwer von der Haut schrubben konnte, etwas auf den Hintern schreiben. „Preußisches Eigentum“ oder so etwas in der Art. Damit keiner auf die Idee kam, zu lang zu starren. Doch diese Gedanken setzte er nicht in die Tat um und sprach sie auch nicht aus. Er ließ sich sein Zimmer zeigen und zog sich darin zurück. Er wurde gefragt, ob er etwas bräuchte, einen Wunsch hätte, doch ihm fiel nur etwas ein, was ihm die junge Bedienstete sowieso nicht bringen könnte. Von daher winkte er ab und wand sich seinem Tagebuch zu. Die Sonne war bereits untergegangen und einige Stunden nach Gilberts Rückzug wurde auch im Nebenzimmer Licht angezündet. Er wusste, dass dort Kiku war. Allerdings würde er diese Nacht genauso wie Gilbert selbst von zwei Wachen im Zimmer beim Schlafen behütet werden. Es war nur eine dünne Schiebetür aus Papier, nur eine Handbewegung, die sie trennte und dennoch konnte Gilbert nicht zu ihm. Es war zum verrückt werden. Besonders wenn Kiku so reizvolle Dinge tat wie vor der Lampe den Kimono abzulegen, und in den Yukata zum schlafen zu schlüpfen. Kiku tat es bedacht, langsam, legte die Stoffe sauber zusammen um sie nicht zu knittern. Gilbert stützte den Ellenbogen auf den Tisch und den Kopf in die Hand, musterte die schmalen Hüften im Schatten und er merkte gar nicht, wie er kurzzeitig den Atem anhielt. Er sah nur knapp, wie Kiku den Kopf drehte und anscheinend zur Papierwand sah, dann stellte er die Lampe weg und es bildete sich kein Schatten mehr. Gilbert seufzte hohl in sich hinein und wand sich wieder seinem Tagebuch zu. Konzentrieren konnte er sich schwerlich. Er hörte Schritte auf dem Flur vor den Zimmer, Kikus Stimme und die seiner Haushälterin, schließlich dunkles Grollen. Gilbert glaubte, dass dies die Wachen sein mussten. Er spitzte die Ohren und versuchte zu lauschen, doch verstand die schnellen Worte und die vielen Höflichkeiten nicht. Er meinte seinen Namen fallen zu hören, Beteuerungen, doch es dünkte ihm, er bilde sich das nur ein. Schließlich legten sich die Stimmen, nur dumpfes Tippeln und eine Bedienstete kam zu Gilberts Zimmer. Sie klopfte, schob den Shōji auf und sagte, sie bereite ihm den Futon vor. Der Preuße ließ sich von ihr nicht stören, sah ihr nur knapp über der Schulter zu und bedankte sich, als sie das Zimmer wieder verließ. Im Nebenraum bei Kiku schien eine ähnliche Prozedur stattzufinden. Gilbert hatte kein Zeitgefühl, doch es musste spät sein, denn nebenan verstummten langsam die Stimmen und das Licht wurde gelöscht. Er fragte sich, ob es da vielleicht störte, dass er selbst noch wach war? Dürfte er überhaupt schlafen gehen, bevor die Wachen nicht hier wären? Er sah zu der Papiertür, atmete tief ein und brummte in sich hinein – Und wenn es sie störte, selber schuld. Gilbert würde ja schnell Ruhe geben, wäre er dort drüben und dürfte sich ein Zimmer mit Kiku teilen, aber da das nicht der Fall war, durften alle anderen auch gern eine unangenehme Nacht haben. So wie er selbst. Brummend malte er ärgerliche Fratzen in sein Tagebuch, kritzelte und krakelte, dann schlug er es entnervt zu. Selbst wenn er verstimmt war, aufgrund des heutigen Ausgangs des Tages, konnte er Kiku doch nicht leiden lassen. Wahrscheinlich hatte der sowieso zu viel Sake getrunken und musste jetzt seinen Rausch ausschlafen. Gilbert sollte einfach auch Ruhe geben und hoffen, dass der morgige Tag einen besseren Verlauf annahm. Genau. Das sollte er tun. Seufzend löschte Gilbert schließlich sein Licht –ob die Wachen nun da waren oder nicht- und krabbelte in den Futon. Er knautschte sich die Zudecke zusammen und kuschelte sich an sie, schloss die Augen und hoffte, dass Kiku auch an ihn dachte. Wenigstens ein bisschen. Es war warm, aber erträglich. Gilbert dämmerte sanft in eine schöne Traumwelt. Er saß in Kikus Garten, den Yukata halb offen und die Sonne genießend. Der Wind wehte sanft. Auf der Veranda hörte er Schritte, sanft und tippelnd. Es duftete nach heißen Würstchen. Kiku kam näher. Er trug eine Hausmädchenuniform so wie Lizbet früher eine hatte, nur der Rock war länger. Was von Gilberts Standpunkt aus betrachtet wirklich schade war. Kiku servierte die Würstchen und er setzte sich zu Gilbert ins Gras, lehnte sich dabei an seine Schulter. Die schwarzen Haare kitzelten an seinem Ohr, sodass er zusammenzuckte. Er spürte Wind, es wehte knapp an seinem Kopf vorbei, an die Ohrmuschel, pustete hinein. Wieder zuckte Gilbert, dann schlug er die Augen auf. Er blinzelte in die Dunkelheit, verträumt und schläfrig. Schwerfällig und träge gewöhnte er sich an die Schwärze. Er erkannte spät Kikus Gesicht vor sich, der lächelte und ihn anscheinend geweckt hatte indem er in sein Ohr gepustet hatte. Gilbert brauchte einen kurzen Moment um sich zu besinnen und ruckte dann schließlich herum. Was tat Kiku hier? Hektisch sah sich Gilbert um, nach Wachen, nach einem aufgeschobenen Shōji und zeternden Japanern, doch die Nacht dämmerte in dem Raum als wäre nichts passiert. Man hörte draußen nur die Quellen rauschen, sonst war es still. Ratlos richtete Gilbert sich langsam auf den Rücken, auf die Ellenbogen gestützt. Kiku hatte sich wieder aufgerichtete und sah Gilbert von oben an. Der blickte umher, immer noch nicht ganz begreifend, was gerade passierte und dann wieder zu Kiku. Der schmunzelte, aufgrund solchen Unverständnisses. Träumte Gilbert immer noch? Wohl kaum, da er deutlich Kikus Gewicht spürte, als der sich auf die Hüfte setzte. Der Yukata rutschte an den Beinen etwas hinauf und der Preuße sah sahneweiße Haut hervor blitzen. Verwirrt sah Gilbert zu ihm und ließ sich zurücksinken als Kiku sich zu ihm lehnte und an sein Ohr flüsterte: „Ihr seid entzückend wenn ihr ahnungslos seid.“ Der Japaner strich durch das weißblonde Haar, während Gilbert die Augen schloss und das Gesicht Kiku zu wand. Die Hände legte er an die Hüfte und fühlte kurz durch den Stoff des Yukatas. Ja, das war eindeutig sein Kiku. Der Japaner lächelte dunkel, strich weiter sanft durch die Strähnen und zwirbelte sie in den Fingern. Er erklärte sich leise, flüsternd: „Gilbert-san, denkt Ihr tatsächlich ich würde mich euch freiwillig entbehren? Oder wollt Ihr gar nicht mehr mit mir das Kopfkissen teilen?“ Gilbert blinzelte auf, wand den Kopf herum. Er musste sich räuspern bevor er seine Stimme wiederfand. Mit dieser Aussage hatte Kiku ihn noch mehr als bereits geschehen, aus dem Konzept gebracht: „Ja. Also nein. Also ich meine, natürlich. Möchte ich. Aber wie? Ich dachte...?“ Der Japaner legte ihm einen Finger auf die Lippen, versuchte die Erklärung so knapp wie möglich zu halten: „Hier haben wir keine Bediensteten meines Hauses, die uns belauschen könnten.“ Er küsste sanft Gilberts Ohr, während der sich wieder Kiku dichter zu wand. „Ich habe Eure Wachen weggeschickt, habe gesagt, Ihr seid es in Eurer Kultur nicht gewöhnt und schlafet besser, wenn ihr eure Ruhe habt.“, erklärte der Japaner seine kleine Lüge und erntete damit ein sanftes Schmunzeln. „Meine eigenen Wachen schickte ich hinfort mit der Begründung meine Bedienstete wäre ja mit mir gereist.“ Kikus Finger fuhr schlangenlinienförmig am Hals hinab. „Nun ist sie nebenan und wacht, ob jemand kommt oder nicht. Wir haben nichts mehr zu befürchten.“ Kiku richtete sich nach seiner Erklärung der Lage wieder auf, setzte sich gerade auf die Hüfte. Gilbert fasste ihn an der Taille, musterte ihn mit einer Mischung aus Skepsis und Verlegenheit. Er blickte kurz zum Shōji, der die beiden Räume trennte, seufzte und flüsterte: „Sie ist nun nebenan und... bewacht uns?“ Der Japaner nickte, allerdings schien ihm das nichts auszumachen. Er war mehr begeistert von Gilberts Fingern, die durch den Stoff des Yukatas die feinen Linien der Hüftknochen nachzeichneten. Der Preuße betrachtete Kiku eingehend, die Beine an seiner Seite, der Blick der auf ihm ruhte und die Hände, die seine eigenen anspornten. Er presste die Lippen zusammen, sagte ein wenig gequält: „Ich kann unter Druck nicht arbeiten.“ Eine Braue Kikus wanderte nach oben, ungläubig, er ließ von Gilberts Fingern und fasste sich an den Gürtel des Yukatas. Mit flinken, feinen Bewegungen öffnete der ihn, zog an den Ärmel und ließ den Stoff hinab gleiten. Oberkörperfrei saß er nun auf Gilbert, lehnte sich weiter zu ihm nach vorn. Der Preuße schluckte, legte die Hände auf die nackten Seiten und tastete an der weichen Haut entlang. Kiku schlang die Arme um seinen Nacken, beugte sich an ihm vorbei, küsste das Ohr und den Haarschopf und Gilbert konnte ungeniert am Schlüsselbein entlang wandern. Seufzend zog der Preuße ihn dichter, fasste mit einer Hand den Schenkel und zog Kiku daran fest auf sich. Tief einatmend biss er in die weiche Haut, murmelte leise: „Uhn... vielleicht doch.“ und widmete sich voll und ganz dem übrig gebliebenem Stoff und dass der so schnell er konnte verschwand und so weit wie möglich weg blieb. Freundschaften zu intensivieren war ein wirkliches Vergnügen. 1861 kam es zum Abschluss des Handels- und Freundschaftsvertrages zwischen Preußen und Japan. Dieser bildete die Grundlage aller späteren deutsch-japanischen Beziehungen und die beiden Staaten blieben sich auch nach der Auflösung des Vertrages in Wertschätzung verbunden. Preußen prägte Japan besonders zu Zeiten der Meiji-Restauration. Die Modernisierung der Armee wurde maßgeblich von den preußischen Lehrern geprägt und viele Bildungseinrichtungen in Japan gründen sich noch heute auf ehemalige preußische Schulen. Dies sieht man besonders an den japanischen Uniformen der männlichen Hochschüler, die an die damaligen preußischen Uniformen angelehnt sind. Die Meiji-Verfassung, die 1890 in Kraft trat, orientierte sich stark an der damaligen preußischen Verfassung und war die Grundlage für den Schritt Japans in die Moderne. Und da solle noch einmal jemand sagen, Preußen und Japan hätten nichts miteinander zu tun gehabt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)