Wetteifer von Zyra (Der Auslöser war das Pfirsichsorbet ...) ================================================================================ Kapitel 6: Wetteifer -------------------- Hallo! Ich hoffe, die nächsten Kapitel kommen jetzt wieder etwas schneller. Ich werde mich auf jeden Fall bemühen! ^^ Ich hoffe, es gefällt euch! Lg Kyra --- Kapitel 6: Wetteifer Obwohl ich schon mehr gesagt hatte, als geplant gewesen war, beschlich mich die ganze Zeit das ungute Gefühl, dass es nicht genug sein würde. Schließlich begann ich zu grübeln, was ich noch tun konnte, ohne meinen Beschluss, Aaran auf Abstand zu halten, zu unterminieren. Beim Mittagessen kam mir dann eine Idee. Die Frage war nur, ob ich soweit gehen wollte. Im Regelfall war es unter meiner Würde und meines Verstandes nicht angemessen, mir Rat zu holen. Doch diese Situation war nicht normal und – auch wenn ich es mir nicht gern eingestand – ich schien mit meinem Latein am Ende zu sein. Ich war unschlüssig. Nachdem ich Melanie Lennox Visitenkarte endlich in meiner Reisetasche gefunden hatte, starrte ich sie etliche Minuten an. Als ich letzten Endes zum Hörer griff und wählte, kannte ich die Nummer auswendig. Mir behagte es zwar immer noch nicht, aber ich sagte mir, dass wir danach nur Quitt wären. Sie hatte mich, damals um Hilfe gebeten – ich würde es jetzt tun … vielleicht. Als munter ihre Stimme aus dem Hörer ertönte, war ich mir da nicht mehr so sicher. „Seto Kaiba hier“, meldete ich mich, nachdem ich einen Moment lang überlegt hatte, einfach wieder aufzulegen. „Oh, hi“, sagte sie überrascht. Sie schien genauso wenig wie ich damit gerechnet zu haben, dass ich ihre Karte irgendwann wirklich gebrauchen würde. „Sie klingen etwas deprimiert. Ist was passiert?“ „Ja“, erwiderte ich langsam. Ich hatte keine Ahnung, wie genau ich sie über die derzeitige Lage informieren sollte. „Das könnte man so sagen.“ „Ist Aaran etwas passiert?“, sprudelte es beinahe panisch aus ihr heraus. „Er sitzt wie geplant im Flugzeug nach Amerika“, antwortete ich, dem eigentlichen Problem ausweichend. Andererseits schien es, ihrem erleichterten Aufatmen zu entnehmen, genau das zu sein, was sie hatte hören wollen. „Was ist es dann?“ Ich schwieg einen Moment. Zum wiederholten Male fragte ich mich, ob ich sie wirklich einweihen und um Rat bitten sollte. Erfahren würde sie es so oder so. Zumindest von der Wette. Nur, dass es subjektiv aus Aarans Sicht eingefärbt sein würde. Und das, nahm ich an, würde für mich und meine weitere Beziehung zu Aaran, weitaus unangenehmer sein, als wenn ich es ihr selbst erzählte. Also beschloss ich mich zusammen zu reißen und einfach – typisch amerikanisch – direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. „Aaran denkt, das zwischen uns wäre nur eine Wette gewesen“, sagte ich schließlich. Daraufhin herrschte am anderen Ende der Leitung erst einmal Stille. Kurz fragte ich mich, ob sie aufgelegt hatte, doch einen Augenblick später vernahm ich wieder ihren leisen Atem. Ich wartete. Auf die eine Frage, die sie gewiss stellen würde – „War es das denn?“. Als sie letztendlich sprach, kam etwas gänzlich Unerwartetes: „Das ist dumm!“ Sie machte eine Pause und bat mich danach darum, ihr zu erklären, wie es dazu gekommen war. Kurz hielt ich verwundert inne, fing mich aber schnell wieder. Wahrscheinlich wollte sie erst wissen, was überhaupt vorgefallen war, um mich dann mit Fragen über meine Gefühle für ihren Bruder zu löchern. Ich erläuterte ihr, was sie wissen wollte. Wie es zu der Wette gekommen war. Worum es dabei ging – Aufgaben und Schulden. Wie Aaran davon erfahren hatte und was ich unternommen hatte, um ihm etwas nachdenklich zu stimmen. „Okay“, sagte sich schließlich nachdenklich. „Ich denke, das ist eine Grundlage, auf der man aufbauen kann.“ Abermals wurde es still. „Ein Sache würde ich gern noch wissen: Warum haben Sie Aaran nicht gesagt, dass Sie ihn lieben?“ Ich stutzte. Das klang so, als zweifele sie nicht daran, dass ich ihn liebte. War mein Verhalten etwa so eindeutig? Dass nur ich selbst nicht sehe wollte, dass ich verliebt war? Ich schob den Gedanken beiseite. Bevor ich es verhindern konnte, war mir schon die Wahrheit herausgerutscht. Die Wahrheit, die besagte, dass ich Aaran Lennox kaum wiederstehen konnte. „Ach ja“, klang es fröhlich aus dem Telefon. Schön, dass wenigstens einer wieder gute Laune hat, dachte ich ironisch. Aber vielleicht war es ein gar nicht so schlechtes Zeichen, dass es sie zum Lachen brachte. Demnach konnten meine Chancen, in ihren Augen, nicht so niederschmettern sein, wie ich es annahm. „Also“, sagte Melanie in einem Ton, der beinahe verschwörerisch zu nennen war, „so sehr wie mein Bruder Sie liebt, müssten Sie sich schon richtig trottelig anstellen, um ihn bis zu ihrem Abschluss zu verlieren. Solange müssen Sie ihm immer wieder kleine Denkanstöße geben. Wichtig dabei ist, dass sie ein wenig persönlich sind und dabei nicht übermäßig sexuell – zumindest nicht im Regelfall. Es muss etwas sein, das die Möglichkeit zu erkennen gibt, dass Sie ihn schätzen, aber dennoch nicht zu eindeutig ist.“ Na, wenn es sonst nichts weiter ist, dachte ich sarkastisch, dann wird das ja das reinste Kinderspiel. „Natürlich muss nicht jeder Denkanstoß alle Kriterien erfüllen, aber im Ganzen sollte es sich die Waage halten.“ Das klang schon etwas besser. „Wird er denn wirklich darüber nachdenken?“, fragte ich, und wollte hören, dass sie ihn sich in den Ferien dahingehend einmal zur Brust nahm. „Oh, glauben Sie mir, dazu bekomm ich ihn schon!“, erklärte sie zuversichtlich. „Aber jetzt sollten wir überlegen, wie wir seinen Kopf auf Trab halten. Denken Sie, sein Auto ist noch zu retten?“ „Das ist unwahrscheinlich“, äußerte ich meine Meinung. Ich hatte auch schon daran gedacht, Aaran zu einem neuen zu verhelfen, aber ich musste dabei sehr vorsichtig sein. Schließlich war er mein Lehrer und wenn herauskam, dass ich ihm ein neues Auto „geschenkt“ hatte, war das sicherlich nicht in unser beider Interesse. „Okay, ich erkläre den Toyota für schrottreif“, sagte Melanie munter. „Er hasst die Karre. Besonders seitdem ich ihn damit aufgezogen hab, dass sie beinahe rosa wäre.“ Sie kicherte. „Wie groß muss der Wagen ungefähr sein?“, fragte ich. „Klein“, antwortete sie prompt. „Er muss damit ja nicht groß etwas transportieren. Nur mal nen paar Koffer und Einkäufe.“ Das war gut. Damit hielt sich das preislich in Grenzen. „Ich denke, da lässt sich was machen. Sofern ein VW Fox nicht zu klein ist.“ „Ein VW Fox?“, fragte sie entgeistert. „Sind Sie wahnsinnig?! Der ist doch viel zu teuer! Wo wollen Sie das Geld hernehmen?“ Das sollte nicht das Problem sein. Der Automechaniker, zu dem ich meine Wagen immer zur Reparatur brachte, war ein leidenschaftlicher Tüftler. Zudem verkaufte er allerlei Autoteile an andere Bastler. Wenn ich ihn Aarans Toyota ausnehmen ließ, sollte das genügend Geld für einen gebrauchten Fox einbringen. Dass ich einen VW Fox in gutem Zustand bekommen würde, stand außer Frage. Die Firmenwagen, die ich meinen Mitarbeitern für Dienstreisen zur Verfügung stellte, würden Ende dieses Jahres durch neue ersetzt werden. Da würde ich mit Sicherheit einen Fox für Aaran abgreifen können. Melanie war nicht sofort überzeugt, als ich sie darüber aufklärte. „Aber sind die Autos nicht immer noch recht teuer?“, fragte sie. „Nein, für einen 3-jährigen Firmenwagen bekommt man nicht unbedingt viel“, erwiderte ich. Darüber, dass das so war, hatte ich mich schon so manches Mal geärgert. „Okay. Gut, dann verlass ich mich da mal auf Ihr Urteil“, stimmte sie letztendlich zu. „Haben Sie sich schon etwas für Weihnachten überlegte?“ Ein Weihnachtsgeschenk? Im Grunde keine dumme Idee. Nur, dass ich dabei wieder aufpassen musste, dass niemand es als Bestechung deutete. Allerdings sollte das in diesem Fall nicht weiter schwer sein, überlegte ich. Wer sollte schon davon erfahren, wenn ich es im Kofferraum seines neuen Wagens hinterlegte. Die Frage war nur, was ich ihm schenken sollte. Während ich noch nachdachte, kam mir in den Sinn, dass ich Aaran mehr oder weniger schon ein Kopfkissen zu Weihnachten versprochen hatte. Als ich Melanie davon erzählte, war sie sofort begeistert. „Das ist brillant!“, rief sie aus. „Dazu kaufen Sie noch Bettwäsche. Zwei Kopfkissenbezüge, ein Deckenbezug.“ Ich begriff umgehend, worauf sie hinaus wollte. Wenn ich zwei Kissenbezüge schenkte, dann reservierte ich das Kissen automatisch für mich. Natürlich müsste ihm auch so klar sein, dass ich wusste, dass er mit seinem Schlabberkissen voll und ganz zufrieden war. Aber auf diese Art und Weise ließ ich keinen anderen Schluss zu. „Welche Farbwahl können Sie mir empfehlen?“, fragte ich und mir behagte es immer noch nicht, sie um Rat zu fragen, obwohl es bisher ganz glimpflich abgelaufen war. „Hm, eigentlich ist Aaran nicht auf bestimmte Farben fixiert, aber wenn sie etwas mit Braun und Blau finden würden, gefällt es ihm mit Sicherheit. Die Maße der Decke haben Sie ja, oder?“ „Gut!“, sagte ich. „Das sollte fürs erste reichen, meinen Sie nicht auch?“ „Denken Sie daran, dass es sich die Waage halten muss. Also muss noch ein umsichtiger Plan her, wie sie ihn ins Bett kriegen!“, verkündete sie guter Dinge. Einen Moment glaubte ich meine Gesichtszüge würden entgleisen. Sie forderte mich auf, den Abstand, um den sie mich gebeten hatte, absichtlich nicht einzuhalten. Und dann auch noch auf so eine riskante Weise. „Wie bitte?“, fragte ich perplex. „Sie haben mich schon verstanden“, meinte Melanie ungerührt. „Natürlich müssen Sie vorsichtig sein, aber es ist die einfachste Variante den Ausgleich herzustellen. Und versuchen Sie erst gar nicht, mir weiß zu machen, diese Vorstellungen würde Ihnen nicht gefallen!“ Ich seufzte innerlich. Meine Güte war die Frau schlagfertig … und hinterhältig. Einen Augenblick dachte ich darüber nach und mir kamen prompt ein paar Ansätze, wie ich für ein relativ sicheres Ungestörtsein sorgen konnte. Allein beim Gedanken daran, jagten mir warmen Schauer über den Rücken. Es war wirklich unleugbar, dass mir diese Entwicklung gefiel. „Ich denke, da kann ich etwas einfädeln“, sagte ich schließlich und hatte das ungute Gefühl, dass meine Stimme nicht ganz so klang, wie sie sollte. „Darauf wette ich, so wie Sie das sagen!“, kicherte Melanie wenig später meine Bestätigung. So ein Mist! *** Die Ferien nutzte ich dazu, alles vorzubereiten. Ich setzte mich mit dem Mechaniker in Verbindung, der seinen Winterurlaub sogar freiwillig um eine Woche verschob, als er erfuhr, dass er für mich ein komplettes Auto auseinandernehmen sollte. Das Geld, das ich für die Teile bekam, war mehr als genug, um einen meiner VW Fox zu finanzieren. Für den kleinen Restbetrag stellte ich einen Scheck aus. Diesen steckte ich mit den Fahrzeugpapieren, den Abrechnungen der Werkstatt und des VW-Händlers sowie einem kurzen Brief mit Erläuterungen in einen Umschlag, den ich Roland – samt Autoschlüssel und Parkmarke – am Flughafen hinterlegen ließ. Vorher verstaute ich das Packet mit Aarans Weihnachtsgeschenk im Kofferraum. Die Entscheidung, welches Kopfkissen ich nehmen sollte, war schnell getroffen: Mit dem, das ich täglich benutzte, war ich schließlich rundum zufrieden. Passende Bettwäsche zu finden war mir bedeutet schwerer gefallen. Letztendlich hatte ich eine weiße Garnitur mit verschieden breiten hellblauen, hellbraunen und schwarzen Streifen gewählt. Selbstredend aus Seide. Dazu legte ich noch eine Weihnachtskarte. Zu den gedruckten Floskeln schrieb ich: Wenn ich wieder bei dir strande … SK Während dem mit Duke vereinbarten Treffen wurde schnell klar, dass er alles tun würde, um mich zu unterstützen. Er sagte, er wollte seine Fehler wieder gutmachen. Aber natürlich wusste ich, dass er am Verkuppeln eine ebenso immense Freude hatte. Entscheidend jedoch war, dass ich mich auf ihn verlassen können würde. Für den hoffentlich nicht eintretenden Fall, dass es nötig ein sollte. Nur fiel mir keine gute Möglichkeit ein, Aaran in naher Zukunft zu treffen. Zwar wusste ich von Duke, dass Aaran plante unsere Klasse vor unserem Abschluss einmal zu einer Fete zu sich einzuladen, aber es stand zu befürchten, dass er damit bis zum Frühjahr warten würde. Sein Garten eignete sich schließlich wesentlich besser für eine Klassenfeier, als sein Wohnzimmer. Wenn sie stattfand, hatte ich mir mit Duke allerdings schon einen guten Grund überlegt, dort anwesend zu sein und etwas länger zu bleiben, als der Rest der Klasse. Manchmal war Dukes augenscheinlicher Einfluss auf mich gar nicht so schlecht. Die Lösung für das Problem lieferte mir letztendlich Mokuba. Wenige Tage vor Ferienende war er in meinem Büro aufgetaucht. Mit den Bechern, die ich in der Grundschule für uns erkämpf hatte. Sie hatten sowohl das Waisenhaus als auch die Zeit bei Gozaboru überstanden. Und wann immer sie seitdem beide vor meiner Nase auftauchten, war ein unangenehmes Gespräch mit Mokuba auf dem Fuße gefolgt. „Was brütest du in letzter Zeit aus?“, fragte er, während er sorgfältig den Becher Kaffee vor mir auf dem Schreibtisch absetzte. Als er aufblickte, wurde mir sofort bewusst, dass er ein Abstreiten nicht akzeptieren würde, weil er ganz genau wusste, dass etwas vorging. Ich seufzte leise, speicherte meine Arbeit und lehnte mich in meinem bequemen Sessel zurück. Eine Weile hüllte ich mich in Schweigen. Ich beobachtete ihn und wusste, dass er über den Rand seines Bechers mit Kakao hinweg, jede meiner Bewegungen verfolgte. Das übliche Spielchen eben. „Das ist nicht ganz einfach zu erklären“, sagte ich schließlich. Das war ebenfalls schon fast ein Ritual, genau wie Mokubas: „Lass dir ruhig Zeit.“ Bisher hatte ich in jeder dieser Situationen gedacht, dass ich ihm den Tatbestand unmöglich verständlich machen und nahe bringen konnte. Dieses Mal war das Gefühl besonders stark. Wie sollte – konnte – ich ihm sagen, dass ich quasi versuchte etwas mit meinem Englischlehrer am Laufen zu halten. Natürlich war ich mir darüber bewusst, dass Mokuba lange nicht mehr das Kind war, als das ich ihn häufig noch sah. Aber das … „Erinnerst du dich noch daran, dass ich dir von dem neuen Referendar erzählt hab?“, fragte ich und nippte an meinem Kaffee. „Der, der angeblich so guten Englischunterricht macht?“, fragte Mokuba. Er sagte das, als wäre es ein Ding der Unmöglichkeit. Mit seinen Englischlehrern hatte er aber auch immer Pech gehabt. Ich nickte zur Bestätigung und beschloss wieder einmal mit der Tür ins Haus zu fallen. Vielleicht hatte ich in letzter Zeit mit zu vielen Amerikanern zu tun … „Ich hab mit ihm geschlafen!“, erklärte ich ruhig. Mokuba reagierte, indem er sich beinahe an seinem Kakao verschluckte. Er sah mich ungläubig an. „Du machst Witze“, brachte er schließlich hervor. „Du hast mit einem deiner Lehrer geschlafen … quasi?“ „Das sagte ich doch!“, erwiderte ich nur, unwillig noch mehr darüber zu erzählen, obwohl ich wusste, dass ich es tun sollte. „Und weiter?“, hakte Mokuba weiter nach. Neugier stand in seinen Augen geschrieben. Ich schwieg weiterhin. In der Lage zuzugeben, dass ich ihn liebte, war ich so oder so nicht. „Du liebst ihn?!“, entfuhr es ihm kurz darauf breit grinsend. Damit traf er den Nagel mal wieder auf den Kopf. „Das erklärt natürlich auch, warum du behauptest, dass er ein guter Englischlehrer ist.“ „Wieso?“, fragte ich scheinheilig, nahm den Aufhänger gerne an. „Behaupte ich etwa, du wärst ein Ass in Chinesisch?“ Daraufhin verzog er das Gesicht – halb beleidigt, halb in Gedanken an das ungeliebte Fach. „Und wo liegt jetzt das Problem?“, lenkte er schnell von dem Thema ab. „Er denkt, ich hab nur mit ihm gespielt und ich muss mir jetzt Dinge überlegen, die ihm bis zu meinem Abschluss am Nachdenken halten“, umriss ich die Situation und kratzte damit mehrere Schwierigkeiten an. Ich vertraute darauf, dass Mokuba mich gut genug kannte, um zu wissen, warum ich es ihm nicht einfach sagte. Sein Kichern bestätigte mir, dass er es begriffen hatte. „Wie süß!“, sagte er und grinste mich neckend an. „Ich muss ihn unbedingt mal kennen lernen, wenn er dich so um den Verstand bringt.“ Ich schwieg … und fragte mich, ob seine Auffassungsgabe nun ein Segen oder doch eher ein Fluch war. Eins stand damit auf jeden Fall fest: Mokuba war ziemlich aufgeklärt. „Warum denkt er denn, dass du nur mit ihm gespielt hast?“, hakte er weiter nach. Mit schiefgelegtem Kopf musterte er mich neugierig. Beinahe so, als könnte er mir die Antwort ansehen. „Die Wette wegen der ich so besorgt war. Ein Versuch von Duke, uns zu verkuppeln. Er hat sich verplappert“, erläuterte ich so kurz wie möglich. Er nickte langsam. „Und worüber brütest du jetzt genau?“ „Einen Grund, mich mit ihm alleine zu treffen.“ So, dachte ich erleichtert, damit sollte das Gröbste hinter mir liegen. „Das ist natürlich schwierig“, sprach Mokuba das aus, was ich schon von Anfang an wusste. Danach kehrte wieder Stille ein. Ich trank noch einen Schluck Kaffee und er starrte angestrengt vor sich hin. „Sag mal“, begann er irgendwann. „Wie läuft das eigentlich mit deiner Unterstützung der Renovierung der Schule ab?“ Ich folgte seinem Blick und erkannte den Vertrag auf meinem Schreibtisch. Worauf er hinaus wollte, war mir schleierhaft. „Unter den im Vertrag festgelegten Bedingungen unterstütze ich das Bauvorhaben mit einer festgelegten Summe. Das weißt du doch!“ „Ich meinte von Terminplan her. Wann musst du das Ding abgeben und bis wann muss der Auftrag von der Schule erteilt werden?“ „Die Frist für den Auftrag läuft am Ende der erste Schulwoche ab, bis dahin sollte ich ihn selbstverständlich abgegeben haben“, gab ich die gewünschte Information. Immer noch inakzeptabel planlos. „Ab Freitag bist du auf Geschäftsreise und am Mittwochnachmittag ist doch diese große Schulkonferenz, wo eigentlich die gesamte Lehrerschaft, sowie Sekretäre anwesend sein sollen. Richtig?“ „Richtig“, bestätigte ich. Langsam dämmerte mir, was sein Plan war. „Das Problem dabei ist, dass ich am Mittwoch ein neues Exemplar anfordern könnte und es dann am Donnerstag noch unterschreibe. Am Nachmittag noch jemanden zu mir zu beordern, könnte ich nur, wenn ich am nächsten Tag nicht da wäre. Aber ich habe mit dem Direktor schon abgesprochen, dass ich nur von Freitag bis Montag fehle. Er murrt jetzt schon wegen der vielen Fehltage, die ich in den letzten beiden Jahren angesammelt habe. Da ist kein Toleranzbereich mehr.“ „Ich dachte auch eher, dass ich hingehe und um ein neues Exemplar bitte. Ich behaupte einfach, ich hätte über die erste Ausgabe Kaffee geschüttet und bitte darum, dass am Nachmittag noch jemand vorbeikommt, um mir die neue bringt, weil ich nicht möchte, dass du von meinem Missgeschick erfährst.“ Er grinste mich an. „Wenn ich ganz kleinlaut und lieb bitte, machen sie das bestimmt. Und da die Konferenz ist, wo sie eigentlich alle hinmüssen, nehme ich an, dass sie denjenigen schicken werden, den die Konferenz am wenigsten betrifft: den Referendar.“ Inzwischen strahlte er über das ganze Gesicht. Für einen Moment war ich sprachlos. Mein kleiner Bruder war wirklich durchtrieben. Aber so sollte es funktionieren. Die Sekretärin würde ihm den Wunsch niemals abschlagen. Sie mochte mich nicht. Außerdem war Mokuba ein Kaiba. Und als Kaiba bekam man immer, was man wollte. Für den Fall, dass der Direktor mich auf den Vertrag ansprach, würde ich einfach sagen, dass ich ihn mir noch einmal durchsehen würde – ob auch alles stimmt – und ihn am Tag vor meiner Abreise abgeben würde. „Der Plan ist gut“, lobte ich ihn. Er grinste. „Ich würde darauf wetten, dass es klappt. Am Nachmittag werde ich natürlich zufälligerweise nicht da sein. Ihr könnt also machen, was immer ihr wollt“, sagte er schelmisch und schnappte sich, bevor ich überhaupt reagieren konnte, den Vertrag und meinen Kaffeebecher und verschwand damit ins Bad. … Am Abend lag das kaffeedurchtränkte Papier immer noch im Waschbecken. Mit den eingetrockneten Flecken würde die Reinigungskraft ihre Freude haben … *** Am Dienstagmorgen verlief alles normal. Aaran verhielt sich mir gegenüber wie immer. Von der Wut und Enttäuschung spürte ich kaum noch etwas. Nur in den Stillarbeitsphasen merkte ich, dass sein Blick hin und wieder kurz nachdenklich an mir hängen blieb. Auf Melanie Lennox war anscheinend Verlass. „Seto, bleibst du bitte noch einen Moment“, sagte er überraschend zu mir, als es klingelte. Einen Moment läuteten bei mir sämtliche Alarmglocken, aber er hatte einen für die Klasse nachvollziehbaren Grund. „Ich möchte mit dir über den Unterrichtsstoff für Freitag sprechen, damit du nächste Woche auf dem Laufenden bist.“ Während die restlichen Schüler in die Pause strömten, begann Aaran mir zu erklären, was er für die nächste Stunde plante und was ich selbstständig erarbeiten sollte. Letztendlich notierte ich mir noch die Hausaufgaben. „Ich möchte mich bei dir bedanken!“, sagte er und lächelte aufrichtig. „Das Auto ist klasse. Auf eine solche Idee wäre ich niemals gekommen. Danke, dass du dich darum gekümmert hast!“ „Das hat überhaupt keine Umstände gemacht“, log ich. Einige Stunden Arbeitszeit waren es schon gewesen, obwohl das Geschenk mehr Zeit in Anspruch genommen hatte. „Ich nehme an, das Ummelden des Wagens hat problemlos geklappt?!“ „Ja, obwohl ich am Anfang etwas skeptisch war“, erwiderte er und lächelte neckisch. „Was Vitamin ‚B‘ alles bewirken kann.“ Meine Mundwinkel zuckten leicht. Vitamin „B“ – Beziehungen. Tja, Kontakte zu einflussreichen Personen waren wirklich etwas Feines. So hatten wir das Auto nicht gemeinsam ummelden müssen. „Allerdings!“, stimmte ich zu. „Den Fahrzeugbrief gebe ich Ihnen bei einer geeigneten Gelegenheit. Ich denke, in der Schule hat er besser nichts zu suchen.“ „Ja, das ist vermutlich richtig so, auch wenn der Wagen dann genau genommen noch etwas länger dein Eigentum ist.“ Ich nickte nur. Dass diese geeignete Gelegenheit wahrscheinlich morgen war, erwähnte ich selbstverständlich nicht. *** „Hallo Aaran“, sagte ich am nächsten Nachmittag und tat milde überrascht. Ich grinste innerlich, als ich sah, dass er mich aus großen Augen anstarrte und mich musterte. Damit wurde ich darin bestätigt, dass es eine gute Idee gewesen war, den Anzug gegen Poloshirt und Freizeithose zu tauschen. „Kann ich dir helfen?“, fragte ich süffisant. „Ähm ja … äh nein …“, stotterte er kurz, dann brachte er einen vollständigen Satz hervor. „Ich wollte zu deinem Bruder. Er hat im Sekretariat um einige Dokumente gebeten.“ Ich hob eine Augenbraue und senkte den Blick auf die Mappe in seiner linken Hand. „Er hat heute Mittag übereilt das Haus verlassen.“ „Oh“, sagte er und wirkte einen Moment ratlos. „Komm erst einmal rein“, schlug ich vor und machte den Weg ins Haus frei. Kurz zögerte er, trat dann aber ein. „Ich nehme an, dass ist der Vertrag.“ Aaran blinzelte. „Du weißt davon?“ „Natürlich. Du denkst doch nicht ernsthaft, ich würde es nicht merken, wenn mir plötzlich ein Vertrag fehlt?!“, antwortete ich und führte ihn durch die Gänge der Villa. „Bist du böse?“, fragte er. „Nein. Warum auch? Mokuba hat sich schließlich darum gekümmert, dass alles wieder ins Lot kommt.“ „Aber der Sekretärin hat er erzählt, du würdest echt wütend werden, wenn du sein Missgeschick mitbekämest.“ Ich blieb abrupt stehen. Als ich mich umdrehte, berührten sich unsere Körper beinahe. Er hat erstaunlich schnell reagiert, dachte ich. Eigentlich hatte ich erwartet, ihn zumindest zu streifen. „Ich sag dir jetzt mal etwas über meinen Bruder: Wenn er die Möglichkeit sieht, nicht selber zu laufen, dann läuft er nicht selbst. In diesem Fall bedeutet das, dass er den Vertrag einfach nicht selbst abholen wollte.“ „Ah ja“, sagte Aaran langsam. Ich stellte zufrieden fest, dass meine Nähe bei ihm ihre Spuren hinterließ. Ohne ein weiteres Wort setzte ich mich wieder in Bewegung. In meinem Büro angekommen bot ich ihm einen Platz an, ließ mich in meinen großen Sessel hinter dem Schreibtisch sinken und streckte fordernd die Hand aus. Er sah mich einen Moment fragend an und reichte mir schließlich die Vertragsmappe. „Dann kann ich ja jetzt gehen“, meinte er. Es klang mehr nach einer unsicheren Frage. „Nein“, sagte ich, während ich begann den Vertrag noch einmal durchzugehen. „Du kannst die Mappe, nachdem ich unterschrieben habe, wieder mitnehmen.“ „Warum? Du bist doch morgen noch in der Schule“, erwiderte er skeptisch. Als ich aufblickte, sah ich eine unterschwellige Freude in seinen Augen. Vielleicht, weil ich ihn nicht sofort wieder wegschickte? „Das ist richtig“, sagte ich und gestattete mir ein feines Lächeln. „Aber was glaubst du, von wem mein Bruder die Angewohnheit hat, nach Möglichkeit andere laufen zu lassen?“ Aaran seufzte. „Hab schon verstanden. Ich wurde zum Laufburschen der Familie Kaiba degradiert.“ „Du solltest es positiv betrachten: Du musst nicht an der mit Sicherheit absolut langwierigen Schulkonferenz teilnehmen und außerdem bin ich davon überzeugt, dir wesentlich besseren Kaffee anbieten zu können“, sagte ich innerlich grinsend. Mal sehen, wie lange er brauchen würde, um zu begreifen, worauf ich hinaus wollte. „Natürlich kann man das auch von der Seite betrachten“, antwortete er und hielt einen Moment überlegend inne. Ernst fuhr er fort: „Und ich bin mir sicher, du kannst mir wesentlich interessantere Fragen beantworten. Zum Beispiel die indirekte, die ich dir vor den Ferien gestellt habe.“ Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, obwohl es logisch betrachtet zu erwarten gewesen war. Warum sollte er in diesem Punkt auch locker lassen? „Du bekommst deine Antwort“, sagte ich letztendlich, „aber wie ich bereits erwähnt zu einem späteren Zeitpunkt.“ Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde Aaran es so nicht akzeptieren, aber dann entspannten sich seine Gesichtszüge. „Also gut“, meinte er beherrscht. „Eine andere Frage, aus reiner Neugier. Wie machen es deine Angestellten so unbemerkt zu bleiben? Ich hab noch niemanden gesehen.“ „Das liegt daran, dass niemand da ist“, erläuterte ich, „so wie eigentlich immer, wenn ich mich zu Hause auf eine Geschäftsreise vorbereite.“ In diesem Fall hatte es selbstverständlich noch einen weiteren Grund: Ich wollte ungestört mit Aaran sein. „Oh“, brachte er hervor. „Das erklärt natürlich alles.“ „Also“, sagte ich schließlich, „kann ich dir einen Kaffee anbieten, oder nicht?“ Aaran blinzelte. Kurz darauf legte er seine Stirn in Falten. „Kaffee im wörtlichen oder übertragenen Sinne?“ Ich lächelte. Na also. „Ganz wie du möchtest!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)