The Bitter & the Sweet von Asketenherz ================================================================================ Kapitel 16: Ad Absurdum. ------------------------ Lieber Leser, wir nähern uns im Wienerwalzerschritt dem Unvermeidlichen. :) Hier ein Kapitel zum Luftholen. Kapitel 16 - Ad Absurdum - Rose Weasley wälzte sich unter einem genervten Stöhnen durch ihre gestärkten Laken. Sie wollte keine weitere schlaflose Nacht verbringen. Scorpius kreiste durch ihre Gedanken, jedes Mal wenn sie die Augen schloss. Sie war die Spielchen leid, die sie gespielt hatte. Eine müde gewordene Kriegerin, auf dem Boden ihrer Seele angelangt, die Grenzen ihres Seins bereits abgetastet. Sie fühlte sich verloren. Die Pläne waren ihr ausgegangen und nur die Hilflosigkeit bestimmte ihre Emotionen. Kein Gefühl blieb länger als fünf Minuten – zwischen Wahnsinn und Fliegen. Was sollte sie tun? Was blieb ihr noch? Es war kompliziert geworden. Es war anstrengend geworden, jeden Tag erneut in die Schlacht zu ziehen. Sie schob die Füße unter ihrer Decke hervor und ertastete den kalten Stein unter ihren Füßen. Das Gefühl war wie eine Erlösung – etwas anderes, das sie spürte. Unter einem zermürbenden Stechen gebar die Rose auf ihrem Rücken eine neue Dorne. Sie hörte nie auf zu wachsen. Langsam erhob sie sich und bedachte ihre selig schlummernden Mitbewohnerinnen mit einem ratlosen Blick. In traumwandlerischer Sicherheit, griff sie blind nach dem dunkelroten Morgenmantel, der einmal ihrer Mutter gehört, jedoch schon jeden vertrauten Geruch eingebüßt hatte. Sie verließ ihre Folterkammer und glitt barfuss die Trappe hinab in den Gemeinschaftsraum. Es war schon eine Weile nach Mitternacht – unter der Woche hielt sich um diese Zeit keiner mehr darin auf. Selbst das Kaminfeuer war verglimmt. Unentschlossen griff sie nach einem Politmagazin, das auf dem Tisch lag. Es interessierte sie jedoch zu wenig, um es länger als zwanzig Sekunden in den Händen zu halten. Was sollte sie unternehmen? Die Nacht durchwachen? Auf der Suche nach einer anderen Beschäftigung sah sie sich um. Nachdem die Ratlosigkeit keine Anstalten machte, von ihrer Seite zu weichen, schlenderte sie ziellos zum Portaitloch und kletterte hinaus. Es war ihr gleich, ob Filch sie erwischte oder einer der Vertrauensschüler, während sie durch die unbelebten Gänge streifte – dann passierte zumindest etwas. Zu ihrer Enttäuschung begegnete sie niemanden. Ohne es als Ziel gehabt zu haben, stand sie nach einer Viertelstunde vor den Schulsprecherräumen. „Passwort?“, fragte der Ritter schläfrig. Rose runzelte die Stirn. Es hatte sich verändert, aber nicht maßgeblich. So weit konnte sie sich noch erinnern. Gerade wollte sie kehrt machen, als es ihr einfiel. „Incubus.“, nannte sie das männliche Äquivalent zu dem vorherigen Passwort. Der Ritter nickte, dann schwang das Portrait zur Seite um einen in Stein gehauenen Durchgang preiszugeben. Zögernd trat Rose ein. Der warme Teppich an ihren kalten Füßen war eine willkommene Wohltat. Ob Alice noch wach war? Nein, wegen ihrer besten Freundin war sie nicht hier. Sie schlich zu Scorpius' Zimmertür und zögerte. Die Weasley konnte umkehren, noch hatte sie die Gelegenheit. Immerhin hatte sie nichts bestimmtes hierher geführt. Das Zögern verwandelte sich in einen Impuls. Ohne anzuklopfen öffnete sie die Tür und schlüpfte durch den schmalen Spalt hinein. Ein kleines Licht auf seinem Nachttisch empfing sie. Rose hielt inne und betrachtete ihn einen kurzen Moment, wie er von seinem Buch aufgesehen hatte und sichtlich überrascht war. Sein Oberkörper war nackt und seine Lesebrille saß tief auf dem Nasenrücken. „Ist etwas passiert?“, fragte er, als er ihren schüchternen Blick mit Betroffenheit verwechselte. Er nahm seine Brille ab und legte sie beiseite. Der Malfoy vermutete, dass sie seine Taktlosigkeit von vor Stunden hierher geführt hatte. Es tat ihm unendlich leid, so die Kontrolle über sich verloren zu haben. Noch immer lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter, als er sich vor Augen führte, wie entsetzt sie ihn angesehen hatte. So ein Mensch wollte er nie sein. Ihre ausbleibende Antwort veranlasste ihn dazu, die Decke zurückzuschlagen und in einer dunkelgrünen Satinhose auf sie zuzukommen. „Du siehst verstört aus.“, stellte er fest, als er sie in ihrem seidenen Morgenmantel betrachtete, der sich perfekt an ihren Körper schmiegte, sodass er in Versuchung kam, zu glauben, sie wäre darunter nackt. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er noch einmal geduldig, gequält von der Ungewissheit, vielleicht das zarte Band zwischen ihnen zerstört zu haben. Sie blickte das erste Mal auf und begegnete seinem Blick, was seinen Eindruck bestärkte. Die Stille zwischen ihnen schwoll erneut an, dann schluckte sie hart. „Schlaf mit mir.“ Ihre Stimme war leise und belegt. Scorpius war sich nicht sicher, verstanden zu haben. „Was?“ Dieses abstruse Hirngespinst ließ Belustigung in seine Augen treten. Rose war jedoch geduldig und räusperte sich. „Ich sagte: schlaf mit mir.“, wiederholte sie etwas lauter, aber mit einem Zittern in der Stimme. Vielleicht war dies der einzige noch verbliebene Plan. Vielleicht war dies die einzige verblieben Antwort, die überhaupt existierte. Die Rothaarige schloss einen Moment die flatternden Lider, um Fassung ringend. Befremdet zog der Slytherin, als er bemerkte, dass er sich nicht verhört hatte, seine Augenbrauen zusammen und versuchte zu verstehen, wie es nun dazu gekommen sei. Sie kam ihm vor wie eine nächtliche Erscheinung, genauso undurchdringbar waren auch ihre Absichten. Geschickt löste sie den Knoten ihres Gürtels, der ihren Morgenmantel zusammenhielt. Er glitt an ihren nackten Schultern hinunter und legte ein knappes weißes Nachthemd frei. Scorpius sog scharf sie Luft ein, als er bemerkte, dass es ihr ernst war. Der dünne Stoff, den sie am Leibe trug war fadenscheinig. Ihre Brustwarzen zeichneten sich dunkel darunter ab. Den Blick weiter abschweifen zu lassen, wagte er nicht. Sie hatte es wirklich so gemeint. Ein Gefühl der Beklommenheit ergriff ihn, als er ihre traurigen Augen sah. Etwas in ihr hatte aufgegeben. Nein, so sah man nicht aus, wenn man das wollte, was sie forderte. „Ich habe dieses Spiel so satt, Rose.“ Er klang nicht wütend, aber enttäuscht. Stumm bückte er sich nach dem Morgenmantel und legte ihn ihr wieder um die Schultern, wobei ihre Brust seine nackte Haut streifte. Gedemütigt schloss die junge Frau die Augen und rang um ihre Beherrschung. Ihr Körper erzitterte, als er sich abwandte. Wie viele Verschmähungen sollte sie noch ertragen? „Geh schlafen.“, sagte er sanft und drehte ihr den Rücken zu. Sie wollte das nicht. Nicht wirklich zumindest und es kränkte ihn, dass sie annahm, ihm würde das entgehen. So ein Mensch war er nicht. Er ließ sich vieles nachsagen, aber nicht, rücksichtslos zu sein. Scorpius hatte vielleicht die Beherrschung verloren, jedoch nicht seine Skrupel. Roses Stimmung wandelte sich abermals in diesen Sekunden. Von einem Gefühl der Blöße zu Wut, die ihre Wangen und Ohren in rot tauchte. „Deine Antwort hätte mir klar sein sollen.“, machte sie ihrem Ärger Luft. Scorpius hielt inne, drehte sich aber nicht um, sondern starrte auf sein Bett. „Was hast du erwartet? Dass du wie ein billiges Flittchen zu mir schleichen kannst und ich das auch noch gut finde?“ Er mochte Rose für ihren Stolz und nicht für ihre Unterwerfung. Seine Stimme klang eisern. Empört hörte er sie nach Luft schnappen. Wenn er sie hätte sehen können, würde er feststellen, dass sie wie vom Donner gerührt dastand und keine Erwiderung wusste. Seine Abweisung veranlasste die Dorne zu einem weiteren Stich, der sich bis in ihr Herz fortsetzte und es aufzuspießen drohte. „Vorhin hat dich das nicht halten können.“, entgegnete sie mit gehobener Stimme. Eigentlich wollte sie etwas viel gemeineres sagen, aber ihr waren keine passenden Schimpfworte eingefallen. Sie wusste, dass es ihm leidtat, aber das Salz in dieser Wunde blieb die einzige Waffe, die sie noch führen konnte. „Vorhin wärst du mir um ein Haar gleichgültig gewesen, Rose. Du hast keine Ahnung wie viel Anstrengung es mich gekostet hat, dich loszulassen. Also fordere mich nicht heraus.“ Seine Stimme war gereinigt von jeder Emotion. Er war noch immer voller Zorn – sie wünschte, diese Spannung würde sich entladen. Egal, welcher Preis dafür zu zahlen war. Ein Gefühl – nur eins, das er preisgab. Mehr wollte sie nicht verlangen. Irgendwas, das ihr sagte, dass sie nicht die einzige war, die den Boden unter den Füßen verlor. „Wovor hast du Angst? Ich kann dir nicht fortlaufen.“, sprach sie vor Verbitterung. Als sie keine Antwort erhielt, bückte sie sich hinab und raffte den Morgenmantel zusammen. Rose kam sich erschreckend billig vor, sie sollte besser verschwinden. Die Ideen, die man nach Mitternacht hatte, waren immer zum Scheitern verurteilt. Scorpius drehte sich schwungvoll um und brachte den Abstand zwischen ihnen mit einem großen Schritt hinter sich. Er presste sie, als sei es eine einzige Bewegung gewesen, gegen die Tür. Vor Erstaunen brachte sie es nicht fertig, ihren Kopf zu bremsen, der nun mit einem dumpfen Ton gegen die Tür schlug. Ein heller Schmerz überwältigte sie und beraubte sie für einige Sekunden ihrer Sinneswahrnehmung. Kaum, dass sich das Schwarz vor ihren Augen lichtete, drückte ihr der Malfoy mit aller Heftigkeit seine Lippen auf den Mund, als wolle er ihr drohen. Auch wenn sie sich diese Reaktion vor ein paar Augenblicken noch gewünscht hatte, hinterließ sie der harte Kuss mit einem Schrecken, der sich in ihre Knochen fraß. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihn ihre Worte erreichten. Noch weniger war ihr bewusst gewesen, eine Grenze zu überschreiten in ihrer blinden Wut über seine Abweisung. Er ließ von ihr ab. Mit boshafter Verzückung betrachtete er ihre geweiteten Augen. „Ist dir dieses Verhalten lieber?“ Sie wagte nichts zu erwidern. „Das dachte ich mir.“, spie er ihr entgegen. Seine Stimme war dunkel geworden und klang voller Hohn und Verachtung. Die Weasley schluckte, als sein Atem auf ihre Lippen traf. Dabei versuchte sie ihn nicht aus den Augen zu lassen. Ihr Verstand arbeite nun mit der Schärfe eines Skalpells. „Oder“, fragte er und hob seine Hand, „hättest du es lieber gefühlvoller?“ Noch immer beschwörte sein Zorn ein dunkles Grollen herauf. Als würde ein Gewitter nicht lange auf sich warten lassen. Mit seinem Zeigefinger strich er von ihrer Wange, vorbei an ihrem Ohr, am Hals hinab zu ihrem Dekolletee, wo er inne hielt. Rose, deren Kopf gerade wieder seine Tätigkeit aufgenommen hatte, wurde überrannt von einer Gänsehaut, die aus einer Mischung aus Angst und Erregung entstanden war. Ungewollt hatten sich ihre Augen geschlossen, doch als sie sie wieder öffnete, sah er sie triumphierend an. Ihr dämmerte, dass das ein Machtspiel war und ihr Stolz rührte sich. Sie sah direkt in seine sturmgrauen Augen. Ein kleines Lächeln wartete in ihren Mundwinkeln. „Beides.“ Ihre Stimme war fest wie ein Diamant geworden, dessen scharfe Kanten die Luft zerteilten. Er hatte vorgehabt, sie abzuschrecken. Nun richtete sie seinen Speer allerdings gegen ihn selbst und das faszinierte ihn. Sie forderte. Und sie sollte auch bekommen, was sie verlangte. Er verlagerte sein Gewicht, sodass ihr die Luft wegblieb. Ihr Herz schlug kräftig gegen seine Brust und strafte ihren Mut Lügen. Doch fürchtete zurecht den nächsten Augenblick, denn diesmal würde er es ihr nicht durchgehen lassen. Vernunft und Anstand, seine treuen Begleiter seit vielen Jahre, verloren ihre Stimme. Scorpius beugte sich hinab und küsste sie liebevoll. Eine Entschuldigung für etwas, das geschehen würde. Rose, deren Saiten längst überspannt waren, biss ihm in die Unterlippe. Er vertiefte ihn und verschaffte sich drängend Einlass. Mit einem Seufzen schloss sie die Augen, als ihre Münder verschmolzen. Sie konnte dieses Gefühl beinahe schmecken, dann setzte er tief einatmend ab. „Wenn das nicht der berühmte Gryffindormut ist.“, flüsterte er anerkennend. Seine Hände glitten hinab zu ihren Händen und legten sie sich um den Hals. Sie wanderten wieder hinab zu ihrem Hintern und strichen über die sanften Rundungen unter dem seidigen Hemdchen. Erschreckend schamlos drängte sich ihm entgegen. Wie selbstverständlich schlang sie ihre nackten Beine um ihn, als er sie anhob. Die Generalprobe eines leeren Orchesters. Sie zog an seinen Haaren, als er sie erneut zu zärtlich küsste. Er stöhnte und verlor einen Augenblick an Spannung. Sie spürte ihn zwischen ihren Beinen, als er sich gegen sie stemmte um sie am Luftholen zu hindern. Schwer atmend setzte sie ab. Seine Augen funkelten dunkel vor Erregung. Die Hitze stieg ihr ins Gesicht. Scorpius ließ sie an sich hinunter rutschen, bis sie wieder auf eigenen Beinen stand, die sich anfühlten als würden sie ihr Gewicht nicht mehr halten können. Anstatt sie freizugeben, hob sie hoch und warf sie wie ein Sack Mehl über seine Schulter. Sich lautstark beschwerend, trommelte sie mit ihren Fäusten gegen seinen Rücken und quiekte während er sie wie eine Trophäe zum Bett trug. ~ Eine Weile bewegte er sich nicht und Rose, die keinerlei Erfahrung damit hatte, befürchtete bereits, dass er in Ohnmacht gefallen war, als er sich ihr entzog und sich neben sie legte. Seine Augen fixierten dabei einen unbestimmten Punkt an der Decke des Bettes, während sich sein Atem langsam beruhigte. Rose bewegte sich als erste und bemerkte einen kleinen blutigen Fleck zwischen ihren Beinen und auf den Laken. Verlegen sah sie zur Tür. Am liebsten würde sie weglaufen. „Du hättest mir sagen sollen, dass es dein Erstes Mal ist.“, sagte er mit belegter Stimme und ließ seinen Blick von der Decke zwischen ihre Beine wandern. Es schwang kein Vorwurf im Unterton, nur Bedauern. „Ich dachte, das wusstest du.“, antwortete sie nach ein paar Sekunden, in der sie die aufwallende Scham niedergekämpft hatte. Scorpius lachte freudlos auf. Was er gedacht hatte, seit er mit ihr unter der Dusche gestanden hatte, war in Jordans Richtung gelaufen. Es war eine zweifelhafte Ehre, dass sie ausgerechnet ihm ihre Unschuld geschenkt hatte. „Habe ich dir sehr wehgetan?“, erkundigte er sich fürsorglich und richtete sich auf. Er erkannte, als sie den Blick abwendete, dass er sie mit diesem Thema in Verlegenheit brachte. Anstatt ihm Auskunft zu erteilen, schüttelte ihre zerzauste Mähne. Sie verriet wozu sie sich gerade hatte hinreißen lassen. Schließlich gewann die Euphorie eines Siegers die Überhand in ihrem Gefühlschaos und sie musste grinsen: „Ich bin hart im Nehmen, das solltest du nach den zahllosen Duellen und Prügeleien wissen.“ Er lachte. Und als es verklungen war, kramte er aus seiner Schublade zwei Zigaretten und einen Aschenbecher hervor. „Nächster Schritt: die Zigarette danach.“ * Es war ein wunderschön sonniger Morgen irgendwann im Februar, als die ersten Strahlen des anbrechenden Tages Rose Weasleys Nase kitzelten. Als sie die Augen öffnete, fragte sie sich einen Augenblick lang, wo sie sich befand und wer das war, der neben ihr lag. Gleich darauf brach eine Flutwelle an Erinnerungen der letzten Nacht auf sie herein und sie wurde rot. Sie konnte nicht glauben, dass es allein aus der Tatsache resultiert war, Scorpius zu beleidigen. Immerhin war er dabei gewesen, sie aus Anstand wegzuschicken. Sie seufzte. Rose hätte gern nachgesehen, wie er aussah, aber die wagte es nicht aus Angst, seinem Blick zu begegnen. Stattdessen starrte sie eine gefühlte Ewigkeit den Aschenbecher und die vier darin befindlichen Zigarettenstummel an. Sie wünschte Alice hätte ihr erzählt, wie man sich am Morgen danach verhielt, denn einen groben Leitfaden konnte sie dringend gebrauchen. Aber vielleicht gab es dafür auch kein Standardverhalten und wenn es eines gab, wäre es für ihre Situation nicht angemessen, immerhin handelte sich um ihren Verlobten, den sie zwangsweise heiraten musste. Und dem sie ihr Erstes Mal geschenkt hatte. Am liebsten hätte sie sich mit der flachen Hand an die Stirn geschlagen, weil diese Tatsache mehr als peinlich war. Welche verdrehte Logik ihr am Vorabend auch innegewohnt haben mochte, sie wusste, dass sie lieber sterben wollte als unbefleckt in diese Ehe zu gehen. Andererseits war sie trotzdem noch unbefleckt, weil ihr erster Mann besagter künftiger Ehemann war. Zugegeben, Rose hatte schon ausgeklügeltere Pläne geschmiedet, wenn man ihren Überfall überhaupt als einen solchen bezeichnen konnte. Einen Moment lang spielte sie die Situation durch, wenn sie verschwunden wäre und nun in ihrem eigenen Bett aufwachte. Dann hätte sie den peinlichen Moment zumindest bis zum Frühstück hinausgeschoben. Wäre es allerdings beim Essen dazu gekommen, wäre ganz Hogwarts Zeuge ihres feuerwehrroten Gesichts geworden. Nicht gut. Scorpius musste sie heiraten, richtig? Dann konnte er auch ihr beschämtes Verhalten vertragen. Ihr Blick streifte die Uhr, als er sich neben ihr bewegte. Er rückte näher an sie heran und Rose hoffte, er würde nun nicht den Arm um sie legen, wie er es in den Ferien so oft getan hatte. Ihre Augen weiteten sich. „Scheiße!“, entfuhr es ihr und sie sprang auf. Scorpius warf sich auf die andere Seite des Bettes um ihrem Lärm zu entkommen, doch unnachgiebig zerrte sie ihm die Decke weg und dann auch das Kopfkissen mit dem er seine Blöße zu verdecken versuchte. „Wach auf, Malfoy!“, schmetterte sie, wobei ihr das Distanz wahrende 'Malfoy' wie selbstverständlich über die Lippen glitt. Etwas planlos streunte sie durch den Raum auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, womit sie den Tag beginnen konnte. „Scorpius!“, entfuhr es ihr schärfer, als er immer noch keine Regung von sich gab. Müde öffnete der Schulsprecher erst das eine, dann das andere Auge. Irrte er sich oder lief Rose Weasley gerade nackt durch sein Zimmer? Die Zahnräder in seinem Kopf sprangen an und summierten den letzten Abend. Deswegen hatte er also gut geschlafen. „Was ist denn los?“ Seine Stimme triefte vor Müdigkeit. Rose bückte sich und streifte sich schnell ihr Nachthemd über, dann wandte sie sich zu ihm um. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Haare standen zu Berge und ihre Augen sahen panisch von einer Ecke des Raumes zur anderen. Er musste grinsen, als ihm der Vergleich mit einem aufgescheuchten Huhn einfiel. „Es ist fast acht!“ Sie wirkte ungehalten. „Wir verpassen die erste Stunde und ich habe nicht mal... Kleidung.“ Am liebsten wollte sie weinen, wenn sie daran dachte, in einem Morgenmantel durch die Gänge zu huschen, der mehr preisgab als er versteckte. Scorpius erhob sich in aller Gemütlichkeit und griff sich eine Unterhose aus der Kommode. Verschreckt sah Rose in eine andere Ecke, selbst wenn sie mittlerweile bestens darüber Bescheid wusste, wie er nackt aussah. „Willst du was von mir anziehen?“, fragte er nicht ganz bei Trost. Rose lachte. „Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, was im Mädchenklo abgeht, wenn ich in einer Slytherinuniform für Jungs herumlaufe?“ Nein, Scorpius konnte sich das nicht vorstellen. Viel aufsehenerregender fand er es, wenn sie in diesem Aufzug durch die mittlerweile belebten Gänge lief. Die meisten der Schüler würden wohl gerade vom Frühstück kommen und noch schnell ihre Bücher holen. „Rose.“, rief er sie zur Besinnung. „Nebenan wohnt deine beste Freundin.“ Überrascht sah sie ihn an. „Du bist genial!“, rief sie und stürmte aus dem Zimmer. Hinter ihr fiel die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. „Darauf hätte sie auch selbst kommen können.“, sprach er mit sich selbst, dann betrachtete er die Unordnung im Raum. * Alice war, weil sie zwei Tage in Folge unter dem Zeichen ihrer Schulsprecherpflichten wach geblieben war, am Abend um zehn Uhr ins Bett gegangen, um sich ihre verdiente Mütze Schlaf abzuholen. Es hatte auch funktioniert, schnell einzuschlafen, obwohl sie tagsüber Unmengen schwarzen Tees konsumiert hatte. Doch kurz nach Mitternacht meinte es Merlin nicht mehr gut mit ihr. Ein lauter Knall ließ sie aus ihren Träumen fahren. Es hatte geklungen wie ein Kanonenschuss. Erschrocken tastete sie im Bett herum und versuchte Cameron wach zumachen. Es dauerte einen Augenblick, bis sie verstand, dass ihre Hände ins Leere griffen, weil er nicht da war. Ihr Herz hatte bis zum Hals geschlagen, als sie erhobene Stimmen im Nebenraum hörte. 'Das darf doch nicht wahr sein', hatte sie gesagt und sich allerlei Foltermethoden für Malfoy ausgedacht, der es wagte ihre heilige Ruhe mit einem Betthäschen zu stören. Hätte sie gewusst, dass man in den Nebenräumen so viel mithören könnte, wäre sie die eine oder andere Nacht gewiss etwas leiser gewesen. Doch aus Anstand hatte sich der männliche Teil der Schülervertretung nicht beschwert. Sie überlegte, ob sie Razzia im Nebenzimmer machen sollte, als ihr das erste Stöhnen in den Ohren klang und mitteilte, dass es für eine Störung zu spät war. Ihr wurde schlecht bei der Vorstellung, wie Scorpius vermutlich beim Sex aussah. Das gehörte zu den Erfahrungen im Leben, auf die sie mit Freuden verzichtete. Aber aus irgendeinem Grund drängte sie sich ihr in äußerst passiver Weise auf. Alice gebot sich also Ruhe und hatte sich wieder hingelegt. Verzweifelt drückte sie die Kissen gegen ihre Ohren, doch die Bässe des Bettes, das sacht an die Wand schlug, vermochten die Daunen nicht zu dämpfen. Und so geschah es, dass sie bei jedem 'Rums', bei jedem 'Qietsch' und bei jedem 'Scorpius!' zusammenzuckte, wie ein erschrecktes Kind. Doch das Schlimmste war es nicht. Zu gegebener Stunde war sie schließlich so paranoid, dass sie förmlich auf das nächste Geräusch wartete und jedes Mal fast aus dem Bett sprang, wenn es kam. Und als endlich die lang ersehnte Ruhe eingekehrt war, war Alice nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hockte im Bett und wippte kichernd vor und zurück, während sie vor Müdigkeit Stimmen hörte, die nicht da waren. Zum Beispiel hörte die Roses Stimme und Lily. Es ging sogar so weit, dass sie in das Knacken des Holzes irgendwelche geheimen Botschaften interpretierte, bis sie irgendwann zur Seite umgekippt war und in ein Koma fiel. Doch mit dieser Ruhe war es nach knappen vier Stunden Schlaf vorbei, als jemand ihre Zimmertür aufriss und mit einer mehr als quengelnden Stimme „Guten Morgen, Alice.“ sagte. Sie fragte sich, was an diesem Morgen nun noch Gutes sei. Als sie das Amt der Schulsprecherin angetreten hatte, war sie mehr als froh gewesen, Roses unangenehmer Morgenstimme zu entkommen, die stets eine Oktave höher war, als ihre Tagesstimme. Doch offensichtlich war sie nun nicht einmal in diesen Räumen davor sicher. Sie öffnete ein Auge und nahm rote Seide wahr. Dann fiel es wieder zu. Moment, rote Seide! Sie riss die Augen auf und versuchte verzweifelt ihren Blick zu schärfen. „Was machst du hier? Wieso hast du nichts an?“, grummelte sie in ihr Kissen. Verlegen trat ihre beste Freundin von einem Bein auf das andere. Allerdings sah es eher aus, als müsse sie dringend auf Toilette. Dringend. Das war das Stichwort. Alice öffnete abermals die Augen, diesmal hoffentlich bleibend. „Ich habe da ein winziges Problemchen und brauche deine Hilfe.“, sagte Rose mit überschnappender Stimme, die sie als aufgeregt auswies. Langsam begab sich Alice in die Senkrechte und schwang ihre Füße über den Bettrand. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwarz vor Augen, als sich ihr Kreislauf unter Kopfschmerzen verabschiedete. Alice gab sich also ein paar weitere Sekunden, um zu sich zu kommen. „Okay“, sagte sie schließlich voller Tatendrang und sah Rose das erste Mal mit geschärftem Blick. „Wo liegt das Problem?“ Doch Rose musste nichts sagen. Mit gekonntem Blick scannte sie die Aufmachung ihrer besten Freundin und zählte Eins und Eins zusammen. Rose trug einen Morgenmantel, es war schon spät, also war sie schon länger hier. Ihre Haare waren zerzaust. Und – Merlin! War das etwa ein Knutschfleck auf ihrer linken Brust? Als Rose ihren Blick bemerkte, richtete sie verlegen ihren Ausschnitt. Alice nahm Luft, um etwas zu sagen, ließ sie aber unvollendeter Dinge wieder ausströmen. Dann sah sie Rose erneut an. „Rose“, begann sie schließlich und runzelte die Stirn, „das ist eine Seite an dir, die ich nie kennenlernen wollte.“ Sofort schmiss Rose ihre Pseudo-Metamorphmagus-Fähigkeiten an und wurde so rot, wie ihr Morgenmantel. Das mit der Tarnung sollte sie besser noch einmal üben. „So laut?“, erkundigte sie sich kleinlaut. Alice lachte freudlos auf, dann ging sie zu ihrem Schrank und kramte eine alte Schuluniform und etwas Unterwäsche hervor. „Laut genug, um mich an den Rande des Wahnsinns zu treiben.“ * Scorpius wog den Verlobungsring seiner Mutter in den Händen und starrte nachdenklich auf die weiße Landschaft, die sich vor Hogwarts auftürmte. Er stand auf dem Astronomieturm, weil Albus ihm gesagt hatte, dass es ein guter Ort zum Nachdenken sei. Und sein bester Freund hatte damit Recht gehabt. Am Vormittag war noch eine Eileule herbei geflogen und hatte ihm den Brief seiner Mutter auf den Schoß geworfen. Sie wollte, dass Rose ihren eigenen Verlobungsring bekam, damit sie nicht in Verlegenheit geriet, nicht einmal einen funkelnden Stein vorzeigen zu können, wenn die anderen Mädchen sie fragten. Er war seiner Mutter dankbar, dass sie im Hintergrund die Fäden für die anstehende Hochzeit zog, damit er und Rose den Kopf frei hatten, um ihre letzten Prüfungen zu meistern. Das hatte ihn allerdings in die Illusion gestürzt, dass die Zeit nicht auf den ersten Juli zuraste und ihn in manchen Situationen vergessen lassen, dass er seine Pflicht zu erfüllen hatte, wenn sie Zeit reif war. Seine Erinnerungen schweiften zur vorherigen Nacht ab und einmal mehr fragte er sich, wieso sie ausgerechnet ihm die Unschuld geschenkt hatte, die sie sich so lange bewahrte. In seiner Annahme, dass Jordan sie schon längst gehabt hatte, war er sogar zu einem grundlegenden Verständnis für ihre Situation gekommen. Nun musste er sich fragen, wie Roses Handlungen wirklich motiviert waren oder ob sie nicht nachgedacht hatte, wie sie es so oft tat. Ein Schauer aus Erregung lief ihm den Rücken hinab, als ihm noch immer ihre Stimme in den Ohren klang, wie sie seinen Namen geseufzt hatte. Sie war leidenschaftlich gewesen. Und er nicht er selbst. Scorpius wusste, dass es besser gewesen wäre, hart zu bleiben und sie wegzuschicken. Aber er hatte es nicht übers Herz gebracht und dann war ihm sein berechnender Verstand abhanden gekommen, kaum, dass er ihre Brüste an seinem Körper spürte. Er rollte die Augen und verfluchte seine Triebe. Schließlich, als die Einsicht sich nicht eingeschlichen hatte, zuckte er mit den Schultern, schnippte den Ring in die Höhe und fing ihn mit geschickter Hand auf, sodass er ihn in seiner Hosentasche verschwinden lassen konnte. Dagegen, dass man ab und zu miteinander schlief war doch nichts einzuwenden, oder? * Morgana konnte nicht leugnen, aufgewühlt zu sein, als sie ihre zitternden, kalten Finger bemerkte, die ungeduldig auf das Holz einer mannshohen Fisteldistel trommelten. Albus hatte ihr beim Abendessen gesagt, er wolle sie hier treffen – seine Augen hatten Dringlichkeit verraten. Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihres Körpers und Morgana stand ihm machtlos gegenüber. Ab und zu schielte sie auf ihre Armbanduhr, doch das brachte ihren Freund auch nicht schneller in die Gewächshäuser. Endlich vernahm sie ein leises Räuspern vom anderen Ende des Raumes. Sie wandte sich mit fliegendem Rock zu ihm um, doch das Gesicht, das sie erkannte, ließ ihre eigenen entgleisen. „Was ist los?“ Ihre Mundwinkel zitterten vor Unsicherheit. Langsamen Schrittes schlenderte Albus auf sie zu. Sie bekam das Gefühl, dass er sich absichtlich so viel Zeit ließ. Ein Quäntchen Zorn spross in ihrem Herzen empor. Das war ein Zug, den sie an ihm hasste. Zeit schinden. „Ich muss mit dir reden.“, begann er mit fester Stimme. Eilig schüttelte Morgana den Kopf, als könne sie ihn somit dazu bringen, gleich zu seinem Anliegen zu kommen. „Das sagtest du mir bereits und deswegen bin ich hier. Also sprich, Potter.“ Sie hoffte ihn zu treffen, wenn sie ihm beim Familiennamen nannte, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos. „Mir ist vor einigen Tagen klar geworden - “, versuchte er es erneut, doch die Slytherin fiel ihm barsch ins Wort: „Dass du mich abgöttisch liebst?“ In ihrer Stimme schwang Angst, Verachtung, aber auch ein Funken Hoffnung, dass er die Frage mit Ja beantworten würde. Doch diese verpuffte jäh, als Albus mit dem Kopf schüttelte und unabwendbar näher kam. Zurück blieben Wut und Verachtung. „Du bist wirklich ein wunderschönes, superschlaues und begehrenswertes Mädchen, Mo.“ Am liebsten würde sie sich die Ohren zuhalten und summen, bis der Spuk vorbei wäre und sie sich in den Armen lagen. Sie hasste solche Spielchen – sie hasste es, dass sie verzweifelt nach jedem Hinweis griff, den er aus vermeintlicher Liebe an sie richtete. „Und ich glaube du würdest jeden Mann glücklich machen, der -“ „Jeden Mann außer dir, meinst du.“ Ihre Stimme klang kalt. Albus seufzte, schließlich kam er vor ihr zum Stehen und suchte ihren Blick. Als Morgana mit gerecktem Kinn aufsah, zersprang ihr fast das Herz in der Brust, als ihr dämmerte, was er damit beabsichtigte. „Es liegt nicht an dir, verstehst du...“ Albus war sich nicht im Klaren darüber, dass er nun in Floskeln abdriftete - seines Erachtens nach, war es die Wahrheit. Es lag nicht an ihr, es lag nur an ihm allein. „Es liegt nicht an mir?“, fragte sie leise. „Es liegt nicht an mir?“, wiederholte sie nun schreiend. Sie machte einen Satz auf ihn zu und bohrte die Spitze ihres Zauberstabes in seine Brust. Doch Albus unternahm nichts, um sie davon abzuhalten. Wenn sie ihn durchhexen wollte, würde er sich nicht beschweren, denn das hatte er verdient. „Was genau liegt nicht an mir? Dass du lieber Longbottom nachhängst und dabei sabberst wie ein Ghoul? Oder dass du nicht die Eier hast, eine Entscheidung zu treffen?“ Ihre Stimme wurde immer lauter. Nun setzte sie sich in Bewegung und drängte Albus so lange zurück, biss sein Becken an einen Pflanzkasten voller Alraunen stieß. Die kleinen Babyschreie wurden von der feuchten Erde gedämpft, verliehen der Atmosphäre jedoch einen unheilvollen Soundtrack. „Dass du mich an der Nase herumführst? Dass du mein Herz brichst? Dass du nur mit mir spielst? Oder dass du es zu keinem Zeitpunkt ernst gemeint hast?“ Morgana Ton überschlug sich. Eine Träne rann aus ihren Augenwinkeln zu ihrem Kinn, doch sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt. Ihre Augen waren zusammengekniffen und ihr Gesicht hatte hässliche rote Flecken bekommen, die sich bis in ihren Ausschnitt fortsetzten. „Ja.“, entgegnete Albus kleinlaut. Sein Gegenüber bohrte die Spitze noch ein bisschen tiefer zwischen seine Rippen, bis er die Funken auf der nackten Hand spürte und das angesengte T-Shirt roch. Scharf sog er die Luft ein, als ein feiner Schmerz sein Hirn erklomm. „DA HAST DU VERDAMMT RECHT, ALBUS SEVERUS POTTER!“ Brüllend warf sie den Zauberstab weg. Sie gab ihm eine Ohrfeige und dann eine zweite, die er stillschweigend einsteckte. Es war nicht das erste Mal, dass er verdient geschlagen wurde. Und er wusste, dass man sich besser nicht wehrte, wenn der Gegner ein Mädchen war. Das beruhigte sie keinesfalls, sondern ließ sie nur noch mehr zur Furie werden. „Ich bin viel zu gut für dich!“ Sie schlug wieder zu. „Du hast meine Liebe nicht einmal im Ansatz verdient!“ Wieder ein Schlag. Seine Wangen kribbelten und wurden warm. „Und dann denkst du im Ernst, du könntest mit mir Schluss machen? Mit mir?“ Sie zog beide Augenbrauen in die Höhe und brachte etwas Abstand zwischen sie. Ein höhnisches Lachen, das nicht ehrlich war, glitt zwischen ihren feinen Lippen hervor. „Das kannst du knicken! Ich mache mit dir Schluss.“ Mit diesen Worten wirbelte sie auf dem Absatz herum und verließ das Gewächshaus, als sei sie eine Dampfwalze in den Gängen der Schule. Albus kramte in der Brusttasche seines T-Shirts nach einer Zigarette, um sie sich mit zitternden Fingern anzuzünden. * Rose lief gerade mit ein paar Mädchen schnatternd durch die Flure Hogwarts. Ravenclaw-Mädchen, die aufrichtiges Interesse an ihr zeigten, hatten sie umringt und quetschten sie bezüglich ihrer anstehenden Hochzeit aus. Doch sie würde nicht verraten, wann sie stattfand, obgleich sie wusste, welches Datum Draco Malfoy gewählt hatte. Immer wenn sie danach gefragt wurde, antwortete sie, es sei noch in Planung. Gerade als sie an einem Portrait von Olga der Schreckhaften vorbeigingen und die Bewohnerin dieses Bildes wie üblich zusammenzuckte, als die Mädchen kichernd aufkreischten, wurde Rose an der Hand gepackt und aus der Menge gerissen. Erschrocken sah sie sich um, doch es herrschte nur Dunkelheit um ihre Augen. Sie hatte sich gerade mit Blossom Applefelder über ihr Date für den heutigen Valentinstag unterhalten, doch nun wurden zwei Lippen stürmisch auf ihren Mund gepresst. Sie schreckte zusammen, als sie immer noch niemanden ausmachen konnte. Als der in Finsternis vermummte absetzte, stieg Rose ein allzu bekannter Duft in die Nase, die sie von den Kopfkissen kannte, auf denen sie eines Morgens in den Schulsprecherräumlichkeiten aufgewacht war. „Scorpius!“ „Wen hast du denn erwartet?“ Seine Stimme klang amüsiert. Sie zuckte mit den Schultern, auch wenn sie wusste, dass er es unmöglich sehen konnte. Ihr Blick wandte sich ab und sie erkannte durch schwaches Licht, dass hereinfiel, dass sie sich hinter einem Wandteppich befanden, in den die Geschichte der Schlacht von Hogwarts gewebt war. „Niemanden“, erwiderte sie etwas zu schnell. Sie konnte sich förmlich vorstellen, dass er nun eine Augenbraue hochgezogen hatte und versuchte sie streng zu mustern. Automatisch glitten ihre Finger zu dem Punkt, an dem sie sein Gesicht vermutete – sie hatte Recht, er zog eine Augenbraue hoch. „Warum entführst du mich?“, fragte sie leise. Rose befürchtete nun, von eben jener Gruppe gestört zu werden, der sie entrissen wurde. Ein Bataillon Schmetterlinge stob durch ihren Bauch, als sie sich gewahr wurde, dass sie das erste Mal seit Tagen mit Scorpius allein war. Als er sich zu einem erneuten Kuss hinab beugte, bemerkte sie noch das schiefe Lächeln, dass seinen Mundwinkeln anhaftete. Bereitwillig kam sie ihm entgegen und erwiderte. Wie selbstverständlich glitten seine Hände an ihren Seiten hinab und schoben sich unter ihren Rocksaum. „Es ist Valentinstag – sogar ich weiß, dass man an diesem Tag Zeit mit seiner Zukünftigen verbringt.“, flüsterte er, als er absetzte. Die Weasley war perplex und antwortete nicht. Nun war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob sie die Augen geöffnet oder geschlossen hielt. „Wenn das zu Publicity-Zwecken geschehen sollte, hättest du es nicht heimlich machen dürfen.“, wies sie hin. Scorpius reagierte etwas verschnupft. „Beschwerst du dich?“, fragte er ernst. Rose seufzte. „Nein.“, patzte sie zurück und hätte am liebsten gekichert über dieses Missverständnis, denn eigentlich war sie geschmeichelt, weil er es nicht öffentlich gemacht hatte. Scorpius schien sich auf sein Vorhaben zu besinnen. Er nahm Roses linke Hand und strich liebevoll ihre Finger glatt. Sie wollte schon zurück zucken, aber er umschloss sie etwas fester. Dann streifte er etwas Kühles über ihren Ringfinger. Er hörte sie laut schlucken, als ihr dämmerte, was er da tat. „Frohen Valentinstag, Liebes.“ Scorpius drückte ihr einen weiteren Kuss auf die Lippen, den sie inbrünstig erwiderte, sodass sogar ihm für eine Sekunde Hören und Sehen verging, dann schob er sie zurück zu ihren Freundinnen auf den Gang, die sich bereits wundernd umgesehen hatten. * Alices hohe Absätze klapperten über den Steinboden des ausgestorbenen Ganges. Es war ein paar Minuten vor Mitternacht. Bis jetzt hatte sie mit ihrem Vater diskutiert, wie er mit Scorpius verfahren sollte, der anhand verschiedener Augenzeugenberichte von Ravenclaws überführt werden konnte. Erleichtert hatte sie das Direktorenbüro verlassen und blies sich als Zeichen von Erschöpfung eine widerspenstige Strähne aus der Stirn. Den Valentinstag hätte sie gern anders verbracht, doch ihre Bemühungen waren zumindest nicht vergebens gewesen: Scorpius musste dreimal nachsitzen und zu Ostern würde sie für ihren Vater seine geliebten Waffeleier mit Cognac-Schokolade füllen. Alice musste darüber grinsen, wie banal diese Strafe war. Sie hoffte nur, dass ihr Kollege es ihr ausreichend dankte, denn dieses Zwischenspiel hätte ihn sein Amt kosten können und über einen Schulverweis hatten sich die Lehrer auch schon beratschlagt. Sie seufzte, als ihr wieder einmal bewusst wurde, dass es durchaus Vorteile hatte, die Tochter des Schulleiters zu sein. Als sie in den nächsten Gang einbog, um zum Rittergemälde zu kommen, erkannte sie eine in Schwarz gehüllte Gestalt, die auf dem Boden kauerte. Als er ihre Schritte hörte, rappelte er sich eilig an der Wand hoch. Alice stockte der Atem, als sie Albus erkannte. Sie verlangsamte ihr ihr Tempo. „Hast du das Passwort vergessen oder hat dich Scorpius rausgeworfen?“, fragte sie. Sie gab sich Mühe, ihre Stimme nicht allzu freundlich klingen zu lassen. Schließlich blieb sie vor ihm stehen. Da er nicht postwendend mit der Sprache herausrückte, zogen sich ihre Augenbrauen zu einer kleinen Falte an ihrer Nasenwurzel zusammen. „Nein, ich wollte zu dir. Aber...“ Er suchte nach Worten. Alice sah hinab zum Boden und bemerkte eine Vielzahl ausgedrückter Zigarettenstummel auf dem Stein. Hoffentlich hatte er vor, diesen Dreck wieder zu beseitigen. Er seufzte und sackte etwas in sich zusammen. Unentschlossen, was er mit seinem Bein anfangen sollte, stützte er es an der Wand hinter ihm ab, um möglichst lässig auszusehen. „Ich wollte dir die Entscheidung überlassen, ob du mich hereinbittest.“ Am liebsten hätte Alice gelacht, doch stattdessen verschluckte sie sich an ihrer eigenen Spucke bei dem Versuch ihm zu zeigen, was sie von dieser Vorstellung hielt. „Und was machst du, wenn ich Nein sage?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Albus entging die abwehrende Geste nicht, doch das erste Mal in seinem Leben, ließ er sich nicht von ihr und seinen Zweifeln aus dem Konzept bringen. Er bemühte sich, ihr in die Augen zu sehen, doch immer wenn es ihm gelang, sah sie schnell auf einen anderen Punkt in ihrer Umgebung. „Dann gehe ich.“, antwortete er mit Verzögerung. „Aber bis jetzt hast du mich nicht mit Flüchen weggejagt, also scheinst du dich noch nicht entschieden zu haben.“ Alice sah seinen berechnenden Geist für eine Sekunde in seinen Augen aufblitzen. Es verschlug ihr fast den Atem, als ihr bewusst wurde, dass Albus sein Verhalten geändert hatte. Nun stand wieder der berechnende Zyniker vor ihr, der Spielchen spielen wollte. Auch wenn es sie ängstigen sollte, dass er sie durchschaute, war sie dennoch fasziniert, endlich wieder den echten Albus vor sich zu haben, an den sie damals ihr Herz verloren hatte. „Ich hoffe für dich, es ist wichtig.“, knurrte sie, dann nannte sie das Passwort. Gemeinsam traten sie ein, als Alice in ihr Zimmer voran ging, das Albus seit jenem ereignisreichen Morgen nicht mehr betreten hatte. Die Einrichtung rief in ihm schmerzvolle Erinnerungen wach, als er die vielen Tücher und Kissen sah, die fast schon orientalisch anmuteten. Auf ihrem Boden lagen noch immer alle Bücher verteilt. Alice wanderte mitleidslos über knackende Buchrücken zu ihrem privaten Schreibtisch, um sich dort auf den Stuhl nieder zu lassen. Wie bestellt und nicht abgeholt, stand Albus nun mitten im Raum und wurde abwartend angesehen. Er hatte sich in den vielen Minuten des Wartens zurechtgelegt, wie er es sagen wollte, doch nun gingen ihm die vielen Wörter verloren. Er kam sich vor, wie vor Gericht und Alice war die Jury, von der sein Todesurteil abhing. „Ich habe mich damals nicht aus dem Staub gemacht.“, platzte es aus ihm heraus, noch ehe er Gelegenheit hatte, die Worte mit Bedacht zu wählen. Danach verstummte er, erschrocken über den rechtfertigenden Klang seiner Stimme. Der Satz hing im luftleeren Raum, dessen Temperatur um zehn Grad gefallen zu sein schien, als er Alices kalten Blick und die zusammengekniffen Lippen bemerkte. „Lily hat mir vor ein paar Tagen gesagt, was du von mir gedacht hast. Aber so war es nicht.“, fuhr er fort. Seine Hände wurden kalt und schweißig zugleich, also vergrub er sie in den Hosentaschen und sah seine Henkerin an. „Ich bin gespannt was du herausgefunden hast.“ Ihre Worte passten nicht zu ihrem Gesicht und ihr Gesicht passte nicht zu ihrem herablassenden, skeptischen Unterton. Albus wusste, dass er nun alles auf eine Karte setzen musste. Er hatte nicht vor, sie für sich zu gewinnen oder sie zu überzeugen. Das einzige Begehren, das er hatte, war, ihr endlich die Wahrheit zu sagen. Also webte er die folgenden Sätze mit Bedacht zu einer lückenlosen Schilderung zusammen. Es fühlte sich für ihn an, als würde er ihr stundenlang erzählen, was wirklich geschehen war. Und als er endete, fühlte sich seine Kehle heiser an. Abwartend sah er zu Alice, die verstummte und deren Mienenspiel in den letzten Minuten in die unterschiedlichsten Richtungen geschwankt war. „Mir ist zum ersten Mal in meinem Leben klar, was ich will. Und ganz gleich, was du nun antworten oder tun magst – ich bin mit mir im Reinen.“, setzte er hinzu und fuhr sich durch die Haare. Er hatte ihr nicht erzählt, dass er mit Morgana Schluss gemacht hatte (oder besser gesagt: Sie mit ihm), weil er sie damit nicht einlullen wollte. Wenn es sie wirklich interessierte, würden ihr der Buschfunk gewiss mitteilen, was im Gewächshaus geschehen war. „Danke für deine Ehrlichkeit, Albus. Nun wäre ich gern allein.“, sagte sie freundlich, aber nicht zu überschwänglich, um ihn zu verraten, was in ihrem Kopf vor sich ging. Er war etwas enttäuscht, dass sie ihm nicht gleich um den Hals fiel. Andererseits würde er es an ihrer Stelle auch nicht tun... aber für einen Moment lang hatte er den Funken Hoffnung gehabt und sich dieser Phantasie hingegeben, während er auf sie wartete. Langsam nickte er und verließ das Zimmer, wie sie es von ihm gewünscht hatte. Als er das Portrait, die Gänge und den Gemeinschaftsraum der Slytherins hinter sich brachte, war sein Herz so leicht in seiner Brust, dass er sich fragte, warum er es sich so lange so schwer hatte werden lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)