The Bitter & the Sweet von Asketenherz ================================================================================ Kapitel 4: Auf der Suche nach Gefühlen. --------------------------------------- Hallo, verehrtes Leserpublikum! Ich bin erfreut, dass es mehr Favoriten und mehr Kommentare geworden sind. Ich bin richtig gehend motiviert. Wieso ihr Lucy mögt, verstehe ich allerdings nicht so ganz. Aber mir soll es recht sein - ihr kommt später sowieso noch eine wichtige Rolle zu, deswegen dürft ihr euch über mehr Lucy freuen. In diesem Kapitel allerdings noch nicht. ^^ Vielleicht habt ihr aber trotzdem Spaß damit, eure Kapitel 4 „Auf der Suche nach Gefühlen.“ Es war das erste Mal seit der dritten Klasse, das Albus Alice nicht um ein Date gebeten hatte, wenn ein Ausflug nach Hogsmeade anstand. Und es kratzte so sehr am Ego der Brünetten, dass sie am Freitag dem Erstbesten zusagte, der sie fragte, als sie erfuhr, dass Albus mit der kürzlich gedemütigten Morgana ausging. Zu ihrem Pech handelte es sich um den pickligen Paul Smith, der sie schüchtern fragte, ob sie mit ihm ausgehen würde. Er schien sein Glück kaum fassen zu können, dass sie ihm tatsächlich zusagte – auch wenn es mehr damit zusammenhing, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort den Mut dazu aufgebracht hatte. Und obwohl ihr Date nicht sonderlich ansprechend war – wie sich Alice äußerte – zog sie ihr schönstes Kleid an und machte sich eine aufwendige Frisur. Denn Rose hatte ihr geraten, Paul zumindest einen schönen Abend zu machen und ihm vielleicht Anerkennung der anderen einzubringen, wenn sie ohnehin mit ihm ausgehen musste. Der Streber-Hufflepuff hatte Rose schon immer leid getan, wenn er allein am leeren Ende seines Haustisches saß und sich niemand mit ihm unterhielt während des Essens. Er musste ja nicht wissen, dass Alice das nur aus Mitleid tat. Rose freute sich allerdings wirklich auf ihr Date. Sie kam sich schon verdammt rücksichtslos vor, wenn sie daran dachte, dass David Jordan eigentlich vergeben war. Aber sie hatte sich schließlich geschworen, keine Rücksicht mehr zu haben und mal nur an sich zu denken. Sie zog sich eine enge Jeans an und ein Top mit gewagtem Ausschnitt, dass Lily – die Meisterin der bedeckten Verruchtheit – für sie ausgesucht hatte. Denn obwohl es tief ausgeschnitten war, war es ansonsten recht züchtig. Ihre Haare ließ sie offen im Oktoberwind flattern, weil sie wusste, dass David Mädchen mit langen Haaren mochte. „Hey“, begrüßte sie ihn bemüht cool am Treppenabsatz, wo er auf sie gewartet hatte. Sie gingen gemeinsam zu Filch. „Rose Weasley und David Jordan.“, sagte er für sie und zwinkerte ihr zu, als sich die Mädchen nach ihnen umdrehten und tuschelnd weitergingen. „Ich habe gehört, du willst es dieses Jahr darauf ankommen lassen, Rose.“, bemerkte David ohne Umschweife, während sie zusammen hinunter ins Dorf liefen. Rose zog ihre Strickjacke enger um sich. Noch wollte sie ihr Dekolletee nicht einsetzen, um den Ravenclaw zu beeindrucken. Seine schwarzen Haare lagen wirr in seinem Gesicht und seine Cappuccino-farbene Haut wirkte wunderbar warm in diesen grauen Tagen des Herbsts. Rose bemühte sich, ihn nicht zu auffällig zu mustern. „Das erzählt man sich zumindest.“, antwortete sie und grinste verschmitzt. „Und stimmt es, was man sagt?“, wollte er wissen und zog eine Zigarette hinter seinem Ohr hervor, sobald sie außer Sichtweite der Schule waren. „Kann schon sein. Ich habe nichts zu verlieren, das ist unser letztes Jahr und danach sehe ich die Leute nicht so schnell wieder.“ Ihren Blick hatte sie stur geradeaus gerichtet – es war ihr ernst mit diesem Vorhaben und sie würde es sich nicht vermasseln lassen. „Das ist eine gute Einstellung.“, meinte er schließlich. Natürlich hatte sie ihm mit dieser Einstellung beeindrucken können. Sie musste dadurch selbstbewusst und mutig auf ihn wirken und sie gab ihm damit die Hoffnung, dass es vielleicht irgendwann mehr sein würde, als ein Kuss, was sie ihm zu geben hatte. Doch zunächst stand erst einmal der Kuss an und um den zu bekommen, musste sie einen interessanten, aber vor allem guten Eindruck hinterlassen. „Wie war es in Frankreich?“, wollte er nach einer Weile wissen. Rose hob die Schultern und ahnte schon, worauf die Frage abzielte. „Da habe ich diese Einstellung her.“, sagte sie nur und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie war sich nicht sicher, ob er ihre Andeutung auf Georgette verstand, denn mit diesem Thema wollte sie vorsichtig umgehen. „Du weißt, dass ich in Beauxbaton eine Freundin habe?“, erkundigte er sich. Er tat es mit der gleichen Sorgfalt, wie Rose ihre Anspielung gemacht hatte. Okay, er wollte also erst einmal die Fronten klären und damit das etwas unangenehmere aus der Welt schaffen. Rose mochte diese direkte und aufrichtige Art. Offensichtlich war er niemand, der es auf Boshaftigkeit abgesehen hatte. „Georgette de Mason, ich kenne sie sogar.“, antwortete Rose deswegen genauso ehrlich und versuchte sich nichts weiter anmerken zu lassen. „Und das stört dich nicht im Geringsten?“ Er sah sie skeptisch an und verlangsamte seinen Schritt, damit ihn die größten Tratschtanten der Schule überholen konnten. Rose überlegte noch einmal, bevor sie antwortete. Sie ging das Für und Wider durch und wog ihre Entscheidung sorgsam ab. Schließlich sagte sie mit der festen Stimme einer Weasley: „Nein, kein bisschen.“ Sie sah ihm mit diesen Worten direkt in die Augen, um seine Meinung zu diesem Thema zu erfahren. Es konnte gut sein, dass er es inzwischen bereute, sie gefragt zu haben. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen seiner Freundin gegenüber – Rose würde das respektieren. Es war nicht ihre Absicht, zwei Menschen mutwillig zu entzweien, selbst wenn sie keine Behutsamkeit mehr walten lassen wollte. „Das ist wirklich skrupellos von dir.“, merkte David an und zog an seiner Zigarette. Sie betrachtete sein Gesicht – es verriet nichts davon, was er dazu dachte, wie er das von ihr fand. Ein absolutes, glattes Pokerface. Aber Rose ließ sich so schnell nicht abschütteln, bis sie etwas fand, dass ihn verriet. Rose verkniff sich ein hämisches Grinsen. Seine Augen verrieten ihn als Heuchler. „Aber irgendwie gefällt mir das.“, setzte er hinzu, als er merkte, dass er enttarnt war und warf ihr einen kurzen Blick unter gesenkten Lidern zu. Er wurde nicht rot – dafür war er zu cool, aber dass es ihm peinlich war, so etwas zu sagen, erkannte sie an dem leisen Zittern seiner Stimme. Er war gar nicht so böse, wie er immer tat. Aber das hatte Rose schon davor gewusst. Sie entdeckte Alice mit Paul Smith vor sich laufen. Sie hatte einen ähnlichen Gesichtsausdruck, wie Rose selbst: entschlossen, ihre Entscheidungen durchzuziehen und nichts zu bereuen. Sie lächelte Paul manchmal zu, während er sich in Beschreibungen eines neuen Buches verlor, das Alice schon vor zwei Jahren gelesen hatte, bevor es berühmt wurde. „Das Herz des Bösen“, hieß es und es war ein Roman über eine junge Hexe im siebzehnten Jahrhundert, als Hexen noch verfolgt wurden und sie sich unsterblich in einen bösen Zauberer verliebte und wie sie verging. Es war wirklich kein Buch mit einem glücklichen Ende – sie stürzte sich von einer Brücke ohne zu wissen, dass sie schwanger war. Rose richtete ihre Aufmerksamkeit wieder an David, der immer noch neben ihr hertrottete und seinen eigenen Gedanken nachhing, wie es schien. Dass er manchmal so schweigsam war, wie sie selbst, war für Rose eine Wohltat. „Wohin gehen wir?“, fragte sie nach einer Weile, als sie das Dorf erreichten und die Läden an ihnen vorbeizogen. „Was wäre dir denn am liebsten?“, fragte er. Rose überlegte eine Weile. Zu „Madam Puddifoot's“ zu gehen, empfand sie als zu aufdringlich, deswegen entschied sie sich für einen besser besuchten Ort: Die Drei Besen. Die Wirtin war zudem Alices Mutter, die Rose schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Hinzu kam, dass Rose testen konnte, wie ernst David sein Angebot meinte, wenn andere sie zusammen sahen. Sie würde es an seinem Verhalten merken, wenn sie unter Leuten waren, die sie kannten. Gemeinsam steuerten sie den Pub an und nahmen sich einen abgelegenen Zweiertisch in einer etwas dunkleren Ecke des Raumes. Allerdings erst, nachdem Rose Hannah Longbottom ausgiebig begrüßt und umarmt hatte. Bei dieser Gelegenheit bestellte sie ihnen zwei Butterbier an ihren Tisch. Hannah hatte gezwinkert, als sie den hübschen David Jordan sah, dessen Vater sie kannte. Als sie allerdings schweigend an ihrem Tisch saßen und Rose beim besten Willen nichts einfiel, worüber sie mit ihm reden konnte, fragte sie sich, wie sinnvoll diese Verabredung eigentlich war und ob es dabei in Wahrheit nicht nur darum ging, ihr eigenes Ego zu polieren, wenn sie mit dem Erzfeind von Scorpius ausging, den sie am Ende noch heiraten musste. War es Rache? Sie wusste es nicht – noch war sie ja frei und würde es auch noch sein, bis sie ihr Examen überreicht bekam. „Du hast dich ganz schön verändert, Rose.“, stellte er schließlich fest, nachdem er sie eine Weile lang schamlos gemustert hatte. Dabei war ihm natürlich auch ihr Ausschnitt aufgefallen. „Das ist der Lauf der Dinge.“, antwortete sie bemüht geheimnisvoll. Er mochte das Nachdenkliche an ihr, das wusste sie, weil sie sich so zur Anfangsparty verkauft hatte. Eigentlich sollte sie sich schämen, dass sie auf diese Art und Weise Menschen manipulierte. Doch es war nicht die Zeit für Skrupel. „Das ist wahr.“, gab er zu und trank von seinem Bier. Ein Jahr lang war es egal, ob es jemand verletzte, beleidigte oder ihm sonst irgendeinen Schaden zufügte. Ein Jahr lang eine andere Rose Weasley sein, als die, mit der sie es jeden Tag aushalten musste. „Und? Was machen wir jetzt?“, fragte sie ohne Scheu. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie sich irgendwie langweilte. Sie ließ ihren Blick über die anderen Gäste schweifen, entdeckte Albus mit Morgana Greengrass in einer anderen Ecke des Raumes und Scorpius, der wieder einmal an Lucy hing. Zumindest war ihre ungeliebte Cousine ein Fortschritt, denn ansonsten waren es immer Blondinen gewesen. Als führe er auf sein eigenes Aussehen derart ab. Lucy warf ihr ab und zu einen neugierigen Blick zu – offensichtlich wunderte sie sich genauso wie alle anderen über das Date mit David Jordan. Rose betrachtete sie. Sie lachte glockenklar und wandte sich peinlich berührt um, ob jemand diesen Ausbruch der Freude mitbekommen. Da erkannte Rose die Show und ihr Blick verdunkelte sich. Was wollte er denn mit der? Sie war ganz und gar anders, als die anderen Mädchen, die Scorpius immer im Schlepptau hatte. Rose konnte sich nicht helfen, aber sie kam ihr immer niveaulos vor. Aber das mochte daran liegen, dass sie und Lucy nie ein gutes Verhältnis hatten. „Ich weiß nicht, erzähl was.“, sagte David. Rose sah ihn verwirrt an, bis sie sich erinnerte, dass sie ihn etwas gefragt hatte, bevor ihr Blick auf Lucy gefallen war. Sie bemühte sich rasch um ein unverbindliches Lächeln und überlegte fieberhaft, was sie erzählen konnte. „Ich freue mich auf dieses Schuljahr.“, sagte sie schließlich unvermittelt. „Ich glaube ich habe alles brave, das ich je zu meiner Persönlichkeit zählen konnte, endlich abgeworfen, wie einen zu kleinen Kokon.“ Sie gratulierte sich zu der gelungen Vorstellung und auch dazu, dass sie sich so schnell hatte etwas aus den Fingern saugen können. David zog eine Augenbraue hoch und nickte. „Welche Verbote hast du denn schon gebrochen?“, fragte er. Rose überlegte, was sie David verraten konnte und stellte fest, dass das, was übrig blieb, ziemlich mickrig war und nicht gerade rebellisch. „Noch nicht viel. Aber das kommt noch, denke ich. Dieses Jahr ist mir alles egal.“, seufzte sie. „Das ist cool. Welche Musik hörst du eigentlich, Rose?“, fragte er als nächstes. Genau diese Frage hasste Rose von ganzem Herzen. Sie könnte ehrlich antworten, doch sollte er ein Musikfanatiker sein, könnte ihre Antwort auch katastrophal falsch ausfallen und er würde sich nach diesem Date um kein weiteres mehr bemühen. „Verschiedenes.“, versuchte sie zu flüchten. Er lachte. „Nein, so kommst du mir nicht davon, Rose.“ Verdammt, er wollte es wirklich wissen. Das ließ darauf schließen, dass ihm diese Frage wirklich wichtig war. „Ehrlich gesagt höre ich am liebsten Muggelmusik. Die ist so unmagisch. Da geht es noch um echte, unverfälschte Gefühle. Irgendwie mag ich das.“, sagte sie schließlich resigniert und sah ihn unsicher an. Sie war sich sicher, dass es nicht das war, was er hören wollte. „Echt? Das ist großartig. Und in welche Richtung geht das?“, fragte er weiter. Wow, er war wirklich interessiert. Sie hätte nicht gedacht, dass er das wirklich „großartig“ fand. Sie seufzte erleichtert. „Das kommt auf meine Stimmung an. Wenn ich genervt oder wütend bin, dann aggressiver Rock und wenn ich traurig bin, irgendwelche Schnulzen.“, fuhr sie etwas mutiger fort. „Und wenn du glücklich bist?“, fragte er weiter. Er schien amüsiert. „Reggae.“ Nun lachte er laut und lehnte sich nach hinten in den Stuhl. Er beobachtete sie aus schmalen Augen und schien über irgendwas nachzudenken. „Ich stehe eher auf die Laughing Corpses und Blairwitch.“, sagte er schließlich. Rose rümpfte die Nase. Das waren wirklich laute, schreiende, revolutionäre Bands. Albus hörte sie auch und sie hasste es. Die Songs waren brutal, vulgär und manchmal kaum zu verstehen, vor lauter Grölereien und Schreien. Aber über Geschmack ließ sich bekanntlich streiten. Über die Musik kamen sie dann zu Politik, von Politik zur Geschichte, von der Geschichte zu Malfoy, über den sich David ausgedehnt ausließ und schließlich zu Lehrern, die sie nicht mochten oder besonders gut leiden konnten. Sie redeten über ihre Pläne in der Zukunft (wobei sich Rose zurückhielt) und über die Länder, die sie schon besucht hatten. Und am Ende des Abends, schlenderten sie gemeinsam hinauf zum Schloss, wobei sie die fast zu den letzten Schülern gehörten, die heimkehrten. Rose müsste lügen, wenn sie behaupten würde, dass sie David nicht mochte. Er war sehr gut aussehend und auch nicht dumm wie Bohnenstroh. Und er mochte sie offensichtlich genauso sehr. Und Georgette war nie wieder angesprochen worden und es dachte auch keiner mehr an sie. Als sie sich in der Großen Halle gegenüberstanden und sich verlegen in die Augen sahen, wissend, dass nun der Abschied folgte, war sich Rose das erste Mal dieses Schuljahr ihrer Sache unsicher. David sah ihr in die Augen und meinte dann: „Dann... bis dann.“ Rose fand es wenig originell, doch er brachte im Vergleich zu ihr zumindest etwas über die Lippen. Sie lächelte mit dem linken Mundwinkel, ihr Herz schlug schneller und sie bemühte sich, nicht jeden Moment rot anzulaufen. „Dann... bis dann.“, sagte sie ebenfalls. Er kam ihrem Gesicht näher, fest entschlossen sie zu küssen. Rose wurde schlecht, doch die riss sich zusammen, schloss langsam die Augen, den Kuss erwartend. Und als seine Lippen ihre endlich berührten – sie waren herrlich warm und weich – tobten Jubelschreie in ihr, die dringend hinausgelassen werden wollten. Sie erwiderte den Kuss etwas fordernder, als er ihn angesetzt hatte. Denn für halbe Sachen stand sie nicht hier. Überrascht schlang er seine Arme um ihre Hüften und zog sie näher zu sich heran. Sie musste sich etwas auf Zehenspitzen stellen, um an ihn heranzureichen. Als sie absetzten, hatte sich ein Lächeln in Roses Züge geschlichen. Sie trat einen Schritt zurück und tat beschämt, auch wenn sie sich eher nach einem spontanen Applaus fühlte. „Gute Nacht.“, sagte David nur – grinsend, aber auch etwas verwirrt. Er drehte sich um und erklomm mit großen Schritten die Treppe. Rose sah ihm verträumt nach und überlegte, ob es das Richtige war, ihn zu küssen. Da erklang endlich der Applaus, der schon die ganze Zeit in ihr wütete. Erschrocken wandte sie sich um, als sich eine Person aus dem Schatten der Treppe löste und auf sie zu kam, als hätte er alle Zeit der Welt. Scorpius. Irgendwie redete sie für ihren Geschmack zu oft mit ihm in diesem letzten Schuljahr. Obwohl es der Plan war, ihn eben für dieses eine Jahr auszublenden. „Mit geschlossenen Augen, große Vorstellung, Wiesel.“, merkte er trocken an. Rose wich einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Verfolgte er sie? Hatte er nichts besseres zu tun? Irgendeinen Erstklässler quälen oder ihre Cousine vernaschen? „Was hast du hier verloren?“, fragte sie so unfreundlich, wie sie es zustande brachte. Und es war nicht viel, denn sie war noch immer wie betäubt von dem Adrenalin, das nun wie ein Schwarm Schmetterlinge durch ihren Bauch tobte. „Ich war gerade auf dem Weg in die Küche.“, antwortete er schließlich und beantwortete ihren skeptischen Ausdruck mit einer hochgezogenen Braue. „Und was willst du jetzt von mir?“ Er hob die Schultern und steckte seine Hände in die Gesäßtaschen. Rose kannte diese Geste, doch damit biss er auf Granit bei ihr. So konnte er kleine Mädchen überzeugen – mit einem Dackelblick und einer lässig-coolen Geste. Doch sie auf gar keinen Fall. „Ich war gerade unfreiwilliger Zeuge einer Glanzleistung von dir. Was mich interessiert ist, ob du Jordan nur datest, weil du mich ärgern willst oder ob du wirklich so dämlich bist, es aus eigenem Interesse zu tun.“, sagte er schließlich. Rose schnappte nach Luft, um nicht allen ihren Beleidigungen in ihrem Kopf Luft zu machen, wenn sie sich diesen arroganten Schnösel ansah und wie er meinte, immer Recht zu haben und vor allem noch so selbstverliebt war, es persönlich zu nehmen, wenn sie sich mit einem Jungen traf, den sie mochte. Doch sie bezwang ihren Ärger und lächelte ihn stattdessen freundlich an. „Ich muss dich und dein Ego enttäuschen, Malfoy. Es hat wieder einmal nichts mit dir zu tun, sondern nur mit meinem freien Willen.“, entgegnete sie zuckersüß. „Also bist du wirklich dämlich.“ Er schüttelte enttäuscht den Kopf, ganz so, als hätte er mehr von ihrem Verstand gehalten. Rose war verwirrt, denn ihr fiel kein Grund ein, der ihre Verabredung zu einer nicht durchdachten Angelegenheit machte. „Wieso dämlich?“, wagte sie zu fragen. Er grinste und sah sie unter gesenkten Lidern an – nur, dass es bei ihm weniger eindrucksvoll war, als bei David Jordan. Bei Malfoy wirkte es auf seltsame Art und Weise deplatziert. Sie traute ihm keine feinfühligen Emotionen zu. Und diese verlegene Geste war nur Show. Oh, sie hasste ihn. „Es ist hochgradig dumm, wenn du in deinem letzten Jahr noch eine Beziehung anfängst, Rose. Noch dümmer wäre es, würdest du dich verlieben. Denn zusammen bleiben könnt ihr nicht und es hinterließe zwei gebrochene Herzen. Das kann man eigentlich vermeiden, meinst du nicht?“ In Rose brodelte es vor Wut. Zum einen, weil er auch noch Recht hatte und sie ihm nichts Gegenteiliges entgegnen konnte und zum anderen, dass sie sich in einer so ausweglosen Situation befand, in der es ihr förmlich nicht möglich war, zu handeln, ohne sich selbst damit zu verletzen. „Das ist mir egal, Malfoy. Am Ende des Tages kann ich mir noch im Spiegel in die Augen sehen. Denn ich habe nichts verpasst – auch wenn es am Ende schwierig werden sollte.“, bebte sie vor unterdrücktem Zorn. Sie grub ihre Nägel in ihren Handballen und hinterließ kleine blutige Halbmonde. „Schon klar, Wiesel: besser lieben und verlieren, als nie geliebt zu haben. Bla bla bla. Aber ich bin mir sicher, dass nicht einmal du so kurzsichtig sein kannst und dich und Jordan ins Verderben stürzt.“, meinte er mit gefährlich ruhiger Stimme, die sie noch rasender machte. Sie wollte ihn verprügeln, ihm ihren Zauberstab unter die Nase halten, um ihm sein Gehirn aus dem Kopf zu jagen, doch sie hatte ihn nicht bei sich und es würde auch nichts an ihrer momentanen Situation ändern. „Wir werden es sehen.“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte in ihren Schlafsaal. Wütend riss sie sich die Kleider vom Leib, schleuderte sie gegen die Wand, riss sich sogar die Kette ab, die sie immer um den Hals trug und dessen Anhänger noch nie ein Mensch zu Gesicht bekommen hatte, weil sie es hütete, wie ihren Augapfel. „Verfluchter!“, rief sie. Sie hätte am liebsten etwas zerstört, was sehr kostbar war, doch sie riss sich zusammen. Als sie sich mit Wucht auf ihr Bett warf und eine Weile die Decke anstarrte, verflog ihre Wut, je genauer sie darüber nachdachte. Es traf sie, dass sie sich ihre Freiheit nicht mehr einfach nehmen konnte – das sie manchmal eben doch an die Zukunft denken musste, um kein Desaster anzurichten. Sie stöhnte und fuhr sich durchs Gesicht. Sie hasste ihr Leben. Ja, langsam wurde ihr das atmen zu viel, weil sie mit jedem Atemzug weiter in ihren Untergang schritt. Sie hatte schon oft fieberhaft überlegt, wie sie diesem Schwur entkommen konnte, wie sie ihn austricksen konnte. Doch es fiel ihr nichts ein. Natürlich war es ihr möglich, sich nach der Heirat gleich zu trennen, doch man gab sich dabei ein Versprechen und Rose hielt immer ihr Wort. Ihre Ehre und ihren Stolz wollte sie bis zuletzt behalten – etwas, das man ihr nicht nehmen konnte. Vielleicht war das stur und sie könnte sich freikaufen, sobald sie ihren Stolz kurz vergaß – doch das würde sie sich nie verzeihen. So war sie nun einmal und das hatte man ausgenutzt, als sie sich am wenigsten dagegen wehren konnte. Schuldbewusst stand sie auf und hob die zierliche Kette auf. Sie richtete ihren Zauberstab darauf und flüsterte leise „Reparo.“, sodass sich die Glieder von Zauberhand wieder zusammensetzten. Sie seufzte und legte sie wieder an. Dann schlüpfte sie in ihren Pyjama und zog die Vorhänge zu. Für heute wollte sie von der Welt dort draußen nichts mehr wissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)