Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 5: Schwester -------------------- So, da haben wir also das nächste Kapitel. Ich muss eben mal ankündigen, dass es sein kann, dass demnächst mehrere Anjo- Kapitel hintereinander kommen. Ich werd das vorher aber noch mal explizit ankündigen :) Jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen! Liebe Grüße :) _______________________________ Ich bin noch nie mit dem Flugzeug irgendwohin geflogen, aber ich bin mir sicher, dass sich fliegen in etwa so anfühlen muss wie das, was ich gerade durchmache. Ich habe ein komisches Schwebegefühl im Magen, als würde ich dauernd Fahrstuhl fahren. Mein Vater hat mich gefragt, ob ich irgendwelche Drogen genommen habe, weil ich ständig abwesend und verträumt aus dem Fenster starre. In Gedanken bin ich ständig bei dem Grillabend. Es war so ungewohnt und so toll, mit Leuten beieinander zu sitzen und zu essen und zu reden und zu lachen. Und niemanden hat es gestört, dass ich kein Bier wollte. Wenn ich mir überlege, wie Jungs aus meinem Jahrgang darüber gelästert hätten… Sina und Felix waren wirklich sehr nett. Und lustig. Und Christian… der ist Schuld an dem Fahrstuhlgefühl in meinem Magen. Immer, wenn ich an ihn denke, kriege ich Schmetterlinge im Bauch. Ich war noch nie verknallt, aber so muss sich das anfühlen. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob ich mir damit nicht selbst ein Grab schaufele. Christian ist sechs Jahre älter als ich. Er kann vermutlich jeden haben, den er will. Er steht mit beiden Beinen im Leben, hat viele Freunde, weiß, was er will… und ich habe und bin nichts davon. Meine Stimmung schwankt ständig von tief betrübt angesichts dieser Tatsachen bis hin zu himmelhoch jauchzend, einfach weil die Erinnerungen an die letzten Begegnungen mit ihm so schön sind. Ich genieße das Wochenende, denn Wochenende bedeutet schulfrei und ich muss Benni und seine Freunde zweieinhalb Tage nicht sehen. Und bald sind endlich, endlich Sommerferien. Dann habe ich sechs wundervolle Wochen Ruhe vor Benni und seinen Freunden. Niemand wird auf mir herumtrampeln, ich habe viel Zeit zum Zeichnen. Ich könnte mich mit Sina treffen, um ihr meine Mappe zu zeigen. Ich kann meine Ma mal wieder sehen… Nachdem das Wochenende vorbei ist, wird meine gute Laune natürlich wieder ein wenig gedämpft. Ich gehe wieder einmal mit Magenschmerzen in die Schule, auch wenn sie nicht so schlimm sind wie sonst. Eine fünftägige Woche steht mir bevor. Aber der Gedanke an Christian hilft ein wenig, um vielleicht nicht völlig unterzugehen. Ich überstehe den Matheunterricht und werde wie so oft mit Papierkügelchen beworfen. Seufzend denke ich daran, dass ihre Kreativität langsam zur Neige zu gehen scheint. Am Ende der Pause verschwinde ich kurz aufs Klo. Ich gehe lieber am Ende der Pause, damit nicht so viel los ist. Man weiß ja nie, ob man nicht vielleicht auf Benni trifft und der vielleicht meinen Kopf in die Kloschüssel stecken will… bei dem Gedanken daran wird mir richtig schlecht. Ich hoffe, dass er niemals auf diese Idee kommen wird. Ich bin so in Gedanken, dass ich kaum Notiz davon nehme, wie noch jemand anders herein kommt. Aber spätestens als ich nach der Türklinke greife, die Kabinentür öffnen will und es nicht geht, ist mir klar, dass dieser jemand entweder Benni oder einer seiner Kumpanen gewesen sein muss. Es ist wie die Sache mit der Sportlerumkleide. Nur dass ich diesmal nicht ausgesperrt, sondern eingesperrt wurde. Ich kann es nicht fassen. Warum immer ich? Und warum muss ich gerade auf den Toiletten sein, die am Ende der Welt sind, weil ich dachte, dass ich Benni hier aus dem Weg gehen kann? Die Pause ist zu Ende und ich werde vermutlich mindestens eine ganze Schulstunde verpassen. Und was soll ich dann sagen? Man hat mich auf dem Klo eingesperrt… wird mir vermutlich ohnehin niemand glauben. Egal wie oft ich es versuche, ich kann die Klinke nicht herunterdrücken. Offenbar fand Benni seinen Besentrick so gut, dass er ihn gleich noch mal testen musste. Ich schaue nach oben. Aber über die Kabinentür zu klettern schaff ich nicht. Ich lasse mich auf den Klodeckel sinken und vergrabe das Gesicht in den Händen. Mir ist so dermaßen nach heulen zumute. Und nach zehn Minuten in der Kabine schaffe ich es nicht mehr, die Tränen zurück zu halten. Andere würden vielleicht sauer werden. Aber ich hab das Gefühl, ich habe einfach kein Fünkchen Wut auf irgendjemanden in mir. Und jetzt sitze ich hier wie ein Jammerkloß und heule. Dumpf denke ich, dass Christian mir jetzt helfen würde, wenn er hier wäre. Der Gedanke an ihn hilft ein bisschen. Ich habe keine Lust mehr. Ich will weg hier, weg von der Schule und weg von meinem Vater, der mir jetzt wieder sagen würde, dass das meine eigene Schuld ist, weil ich nun mal schwul bin. Ich bin ziemlich fertig mit der Welt, als ich in der kleinen Pause von irgendeinem Zehntklässler rausgelassen werde, der ziemlich verwundert aussieht. Ich kann nur matt ›Danke‹ sagen, dann gehe ich zum Klassenzimmer, in dem wir Physik haben. Nach dieser Stunde werde ich nach Hause gehen. Ich will weg von Bennis Grinsen und dem Starren der anderen, weil ich nicht da war. Weg von den Fragen meines Physiklehrers, wieso ich in der ersten Stunde nicht da war. Ich murmele etwas von Übelkeit und Erbrechen. Und sobald es zur zweiten großen Pause klingelt, schnappe ich nach meinem Rucksack und verlasse fluchtartig das Klassenzimmer. Leider Gottes nicht schnell genug. Ich bin gerade um die Ecke gebogen, an der ich Christian das erste Mal getroffen habe. Die Ecke, an der mich Benni und seine beiden Freunde beinahe verprügelt hätten. »Dachtest du, du kannst dich wegschleichen?« Meine Eingeweide gefrieren. Ich weiche zurück. Ich möchte rennen, aber meine Beine fühlen sich an wie Blei. Benni grinst hämisch und mit verschränkten Armen. »Diesmal ist der Gorilla nicht da, um dich rauszuhauen«, meint er lässig, als würden wir uns über die Hausaufgaben für morgen unterhalten. Ich schlucke. »Willst du jetzt nach Hause rennen und deinen Eltern alles petzen?«, fragt Richard hämisch grinsend. Als würde ich das tun. Ich hab ja auch nichts zu Herrn Keller gesagt. »Das fänden wir nicht so gut«, erklärt Christopher beiläufig. »Ich hatte nicht vor-«, fange ich mit zittriger Stimme an. Aber ich komme nicht weiter. Und diesmal ist Christian nicht da, um mir aus der Patsche zu helfen. Zu Hause angekommen verkrieche ich mich in meinem Zimmer. Mein Vater ist noch nicht von der Arbeit zurück. Ich schließe die Zimmertür ab, werfe meinen grünen Rucksack in die Ecke – auf dem mit schwarzem Edding ›Schwuchtel‹ steht – und vergrabe mich in meinem Bett. Eigentlich möchte ich einschlafen und am besten nicht mehr aufwachen. Noch ein Jahr Schule, bis ich endlich Abi habe. Wie soll ich das so lange aushalten? Das schaffe ich nie im Leben. Mir tut alles weh und ich muss nicht in den Spiegel sehen, um zu wissen, dass mein Gesicht vermutlich ziemlich zerschunden aussieht. Ich will mir gar nicht vorstellen, was mein Vater sagen wird, wenn er mich so sieht. Ich bleibe einfach immer in diesem Zimmer. Wenn das gehen würde, würde es mir sicherlich besser gehen… Nach einer halben Stunde Geheule schlafe ich tatsächlich ein und träume von Christian. Mein Vater sagt genau das, was ich erwartet habe. Er meint, dass mir diese Dinge nicht passiert wären, wenn ich nicht schwul wäre. Das hilft mir nicht besonders. Auch nicht, dass er mir ruppig anbietet, ›mal kurz‹ zum Arzt zu fahren. Ich lehne ab. Seine geheuchelten Sorgen brauche ich wirklich nicht. Jedenfalls wird er mich die nächste Woche nicht in die Schule bekommen. Die Sommerferien scheinen noch soweit weg zu sein. Natürlich tobt und schimpft mein Vater, als ich die nächsten Tage nicht zur Schule gehen will. Aber ich lasse es einfach über mich ergehen. Immerhin mache ich jeden Tag Schlimmeres durch, als nur angeschrieen zu werden. Ich verlasse das Haus kein einziges Mal, auch wenn ich liebend gern zu Christian und Sina gehen würde. Aber wie würde das aussehen, wenn ich da mit blauen Flecken und Schürfwunden auftauche…? Dann hält Christian mich sicher noch mehr für einen Versager. Und ich will wirklich nicht, dass er schlecht von mir denkt. Ich gehe erst am Freitag wieder in die Schule und erst zum Kunstunterricht. Da sitzt Benni nicht drin und die Mädchen lassen mich in Ruhe. Manchmal sind sie sogar nett und unterhalten sich mit mir. Und Lilli ist da. Sie vermittelt mir merkwürdigerweise das Gefühl, dass nichts passieren würde, wenn sie neben mir säße. Aber das ist albern. Und ich sollte mich nicht auch noch von einem Mädchen beschützen lassen. Ich sitze auf meinem Platz in der zweiten Reihe und krame gerade nach meinen Bleistiften, als die Tür aufgeht und Frau Pape hereinkommt. Aber sie ist nicht allein. Mir fallen beinahe die Augen aus dem Kopf. Sina lässt den Blick schweifen, erkennt mich, stutzt und strahlt mich dann an. Allerdings verwandelt sich ihr Strahlen beinahe sofort in einen entsetzten Blick. Vielleicht sind die blauen Flecken noch nicht ganz verschwunden. Ich schaffe ein Lächeln und hebe unsicher die Hand. Sie sieht aus, als wollte sie etwas sagen, aber dann überlegt sie es sich erst einmal anders. »Gute Morgen«, begrüßt Frau Pape uns. Sie trägt wie immer knallbunte, nicht zusammen passende Klamotten und einen merkwürdigen Haarreif mit einer blauen Schleife darauf. Sie sieht immer aus wie ein Paradiesvogel. »Wie ich ja am Dienstag angekündigt habe«, - ich war am Dienstag nicht da, was habe ich verpasst?, »machen wir heute mal was Besonderes. Ich habe Frau Schleiermacher eingeladen, damit sie für uns Aktmodell stehen kann.« Frau Pape sieht aus, als hätte sie uns ein wunderbares Weihnachtsgeschenk gemacht. Die Mädchen kichern, Sina grinst. Ich starre sie an. Sina nackt? Vor mir? Und ich soll sie auch noch zeichnen? Ich spüre, wie mein Kopf knallrot anläuft. »Das ist doch kein Problem für Sie, oder?«, wendet sich Frau Pape freudestrahlend an mich: ich schlucke und schüttele den Kopf. Sina sieht aus, als würde sie sich prächtig amüsieren. Und ehe wir es uns versehen, hat sie auch schon angefangen sich auszuziehen und dann dirigiert Frau Pape sie herum, grübelt laut, in welcher Position es am besten wäre und setzt Sina schließlich mit übergeschlagenen Beinen auf einen Stuhl. Wenigstens komme ich dann drum herum, mich näher mit dem weiblichen Geschlechtsteil zu befassen. »Nehmen Sie sich ruhig ein DIN A2 Blatt, probieren Sie ein wenig herum, Sie können auch Skizzenblätter verwenden…«, instruiert Frau Pape uns. Und schließlich sitze ich da und starre Sina an, bemüht dabei möglichst professionell auszusehen. Was wohl allein dadurch scheitert, dass ich die ganze Zeit über rot bin wie eine Tomate. Frau Pape ermutigt uns, ruhig näher heran zu kommen, auch mal aus der Nähe ein paar Fingerknöchel oder das Schlüsselbein zu betrachten und uns so einen Überblick zu verschaffen. Ich will eigentlich nur im Boden versinken, aber ich zeichne Sina. Ihren Mund skizziere ich in Großaufnahme auf einem Extrablatt, weil ich ihn wirklich hübsch finde. Sie sitzt da vorne ganz gelassen und lässt den Blick über uns schweifen, manchmal scherzt sie, wenn jemand nach vorne kommt, um sich irgendetwas an ihr näher anzusehen. In der kleinen Pause darf sie sich von ihrem Platz erheben. »Nach der Pause probieren wir es mal im Stehen«, flötet Frau Pape, die durch die Sitzreihen streift und sich die Skizzen ansieht. »Ah, das sieht ja ganz wunderbar aus«, schmachtet sie, als sie meine Skizze sieht. Sina hat sich in ein großes Handtuch gehüllt und kommt zu mir herüber. Ich höre nur halb zu, als Frau Pape sich über die gut gelungenen Proportionen freut, die ich mit raschen Strichen auf mein Blatt geworfen habe. »…wirklich ein Naturtalent!« »Na Kleiner«, sagt Sina grinsend und setzt sich auf meinen Tisch. Die Mädchen sehen zu uns herüber. Das sieht sicher merkwürdig aus, wie sie hier so halbnackt vor mir sitzt. Genau in so einem Aufzug hat sie mir letzte Woche die Tür geöffnet. »Hallo«, sage ich verlegen und sehe, wie ihre Augen zu meinen Skizzen hinüber gleiten. Sie nickt anerkennend. »Sieht toll aus. Du kannst ja wirklich umwerfend gut zeichnen«, meint sie. Frau Pape ist unterdessen weiter gezogen, um Lilli zu loben. Sina sieht ihr nach, dann verschwindet ihr Grinsen. »Haben dich die Kerle verprügelt?«, will sie wissen. Ich öffne schon den Mund, um es zu leugnen. Aber zur gleichen Zeit frage ich mich, wieso ich diese drei Typen schütze. Also nicke ich. Sina sieht ziemlich sauer aus. »Wenn ich das Christian erzähle, wird er garantiert zum Berserker«, meint sie. Mein Herz macht einen übergroßen Hüpfer und in meinem Bauch schlüpfen gefühlte tausend Schmetterlinge aus ihrem Kokon. »Ich will nicht, dass er mich für einen kompletten Versager hält«, nuschele ich. Sina schnaubt. »Tut er sicherlich nicht. Hör mal, ich hab den Rest des Tages frei, ich lauf gern ein bisschen mit dir durch die Schule. Was hast du nach Kunst?«, will sie wissen. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Wenn Sina bei mir ist, werden die Idioten mich sicher in Ruhe lassen. »Deutsch«, erkläre ich. Sina grinst. »Ich bin schon so lange nicht mehr zur Schule gegangen. Wird sicher spaßig«, meint sie und rutscht von meinem Tisch, als es wieder klingelt. Sina und ich trinken Kakao in der Pause und reden übers Zeichnen. Ich habe Benni und seine Freunde schon entdeckt und bin mir nicht sicher, ob ich sie Sina zeigen soll. Sie wirkt so, als würde sie den Dreien sofort den Hals umdrehen. »Es ist bestimmt der Kerl da drüben, oder? Der mit dem Cappi?«, meint sie dann urplötzlich und sieht zu Benni hinüber. Ich blinzele. »Woher…?« Sina schnaubt. »Ich bin auch mal zur Schule gegangen. Die Jungs fanden mich zwar gut, aber die Mädchen dafür umso weniger«, sagt sie und sieht mich gerade heraus an. Ich schlucke. Es ist nur schwer vorstellbar, dass Sina vielleicht auch solche Probleme gehabt haben könnte. »Ehrlich?«, gebe ich zweifelnd zurück. Sina lächelt schief. »Ja, ehrlich. Sie haben mir die Klamotten beim Sport geklaut, an die Tafel geschrieben, dass ich eine Schlampe sei… ich war nie so schüchtern wie du, aber es war trotzdem ziemlich anstrengend.« Ich schweige dazu. Sina versteht mich also. Vielleicht hatte sie es nicht ganz so schwer wie ich, aber sie kann sich bestimmt vorstellen, wie es für mich ist. Als sie den Arm um mich legt, zucke ich leicht zusammen. »Das wird schon irgendwie. Ich weiß noch nicht genau wie, aber wir kriegen das schon hin«, meint sie leise, lehnt den Kopf an meine Schulter und Benni, Christopher und Robert bekommen Stielaugen. Liegt vielleicht daran, dass man sehr deutlich sieht, dass Sina älter ist als ich. Und außerdem trägt sie einen ziemlich weiten Ausschnitt und die Jungs in meinem Jahrgang stehen auf große Brüste. Sina muss so was wie eine wahr gewordene Wichsvorlage für sie sein. Und allein die Tatsache, dass ich so sarkastisch denke, zeigt mir, wie schlecht es mir geht. Im Deutschunterricht neben Sina zu sitzen ist toll. Wir schreiben uns auf meinem Block und sie sagt mir hier und da einiges vor. Dann zwingt sie mich dazu, mich zu melden und mein Deutschlehrer ist ganz überrascht über meine rege Beteiligung, weil ich normalerweise eher im Schriftlichen gut bin. Sina lässt keine Gelegenheit aus, mir auf die Pelle zu rücken. In der Fünfminutenpause schauen tatsächlich Benni und seine Freunde herein. Sie wollen wohl mal sehen, wer diese Frau ist. Das würden sie nie zugeben. Stattdessen tun sie so, als würden sie nur Thomas besuchen, der auch hier im Deutsch- Leistungskurs sitzt – und nebenbei bemerkt ziemlich schlecht ist. »Pubertäre Jungs sind so lustig«, murmelt Sina, steht auf und schlendert hinüber zu dem Platz, an dem Benni und die anderen sitzen. Ich sehe zu, wie sie mit ihnen redet, wie sie lacht. Ich frage mich, was sie da eigentlich erzählt. Aber der Blick, den Benni mir zuwirft, ist diesmal extrem ungläubig. Ich hoffe nur, Sina erzählt gerade nicht wirklich, dass wir irgendwie… zusammen sind. Als sie wieder zurückkommt, sieht sie amüsiert aus. »Denen sind ja beinahe die Augen raus gefallen«, meint sie lässig und setzt sich wieder neben mich. Ich muss lächeln. »Du bist ja auch sehr hübsch«, sage ich und spüre, wie ich wieder einmal rot anlaufe. Sina stutzt einen Moment, dann strahlt sie mich an und drückt mir tatsächlich einen Kuss auf die Wange. Spätestens jetzt sieht mein Kopf aus wie ein Leuchtfeuer in der Nacht. »Du bist so niedlich!«, meint sie und ich weiß gar nicht, was sie eigentlich hat. Sicherlich sagt man ihr das andauernd. »Das kriegst du doch sicher dauernd zu hören«, sage ich verlegen. Sie lacht leise. »Die meisten sagen es nicht so nett. Es ist mehr ein… ›Geile Schnitte‹ oder ›Du siehst echt hammer aus‹. Wenn du es sagst, dann klingt es wirklich wie ein tolles Kompliment«, meint sie und wuschelt mir durch die Haare. Das erinnert mich daran, dass Christian das bei mir gemacht hat. Mein Herz vollführt sofort einen Trommelwirbel. »Was hast du denen eigentlich erzählt?«, will ich zaghaft wissen. Sina zuckt die Schultern. »Sie haben gefragt, was ich mit dir hier mache, ich hab gemeint, dass wir befreundet sind und ich gerade frei habe und deswegen vielleicht öfter mal vorbeischaue«, erklärt sie bereitwillig. Ich starre sie an. Wieso muss sie so nett sein? Und wieso muss Christian so nett sein? »Danke«, flüstere ich erstickt und lasse den Kopf hängen. Angesichts der Erinnerung daran, dass ich Montag noch im Klo eingesperrt wurde, könnte ich schon wieder anfangen zu heulen. Sina legt einen Arm um mich und drückt mich fest an sich. »Willst du nicht heute Abend zum Essen kommen? Chris und ich wollen zusammen kochen und bei uns brennt immer irgendwas an«, sagt sie leise. Ich seufze und hebe den Kopf. »Ich will mich euch nicht aufdrängen«, sage ich niedergeschlagen. Sina schüttelt lächelnd den Kopf. »Keine Sorge. Tust du schon nicht. Bring doch deine Mappe mit, dann können wir zusammen mal reinschauen«, meint sie und ihre Stimme klingt beinahe zärtlich. So muss es sein eine große Schwester zu haben, denke ich, als ich benommen und dankbar nicke. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)