Heldenzeit von Ur (Spiegelverkehrt & Kryptonit & Vulkado | Oneshot- Sammlung) ================================================================================ Kapitel 26: Lügenkontest ------------------------ »Wer hat sich dieses blöde Spiel ausgedacht?«, fragt Benni mit hochgezogenen Augenbrauen und nippt an seinem Apfelsaft. Seit wir zusammen wohnen, hat er keinen Tropfen Alkohol angerührt. »Nöl nicht«, erwidert Lilli schmunzelnd. Sie bufft Benni mit dem Ellbogen an und er ächzt leise. Wer hätte gedacht, dass diese beiden sich mal so gut verstehen und sogar zusammen wohnen würden? Aber gut, Benni und ich sind vermutlich eine noch merkwürdigere Kombination. Lilli hat vorgeschlagen, dass wir einen Lügenkontest machen. Es geht darum, drei Dinge über sich zu erzählen, wobei zwei Sachen wahr und eine gelogen ist. Die anderen Mitspieler müssen erraten, was die Lüge ist. Ich bin so schlecht im Lügen, dass ich garantiert in jeder Runde scheitern werde. »Ich bin nicht betrunken genug für sowas.« »Du hast seit über zwei Monaten nichts mehr getrunken.« »Ich könnte jetzt wieder anfangen.« »Wir haben nichts im Haus.« Ich mustere die beiden halb amüsiert und halb liebevoll. Zwei Paar Augen richten sich auf mich und sehen fragend aus. »Ihr seid niedlich«, erkläre ich schulterzuckend. Benni schnaubt und Lilli lacht. »Also los«, sagt Benni schließlich und ruckt mit dem Kopf in Lillis Richtung. »Wer die blöde Idee hatte, der muss anfangen.« Lilli legt sich bäuchlings auf die Matratze ihres Bettes und grübelt kurz. »Erstens: Ich hab mal in die Besteckschublade meiner Oma gekotzt. Zweitens: Mein erstes Mal Sex hatte ich in einem begehbaren Kleiderschrank und drittens: Ich hab ein Brustwarzenpiercing.« Benni und ich starren sie ein wenig fassungslos an. Bei Nummer eins habe ich noch gegluckst, jetzt bin ich knallrot und Benni sieht aus, als würde er gern aus Lillis Zimmer fliehen. »Was denn? Wenn es keine spannenden Fakten sind, macht es keinen Spaß.« Benni fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Dann grinst er. »Ich tippe auf zweitens.« Ich räuspere mich verhalten. »Mein Tipp ist drittens.« Wir sehen sie gespannt an und ihr verschmitztes Grinsen wird noch breiter als vorher. Mir wird das erste Mal wirklich klar, dass ich über solche Sachen nie mit Lilli geredet habe. Meistens ging es um mich. Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen deswegen, aber ich bin für Themen wie Sex und nackte Frauenkörper auch nicht der ideale Gesprächspartner. »Beides falsch. Als würde ich in die Besteckschublade meiner Oma kotzen… also echt!« Lilli schüttelt gespielt empört den Kopf. Benni und ich sprechen gleichzeitig. »Du hattest Sex im Kleiderschrank?« »Du hast ein Brustwarzenpiercing?« Wir müssen alle Drei lachen und wie so oft haben meine Augen keinerlei Motivation, um sich von Bennis Gesicht abzuwenden, wenn er lacht. Es kommt selten genug vor, aber es häuft sich in letzter Zeit und mir wird ganz warm ums Herz beim Gedanken daran, dass ich ihm dabei geholfen habe. Das ist eindeutig eins der besten Gefühle der Welt. »Ja und ja. Wollt ihr es sehen?«, fragt Lilli immer noch glucksend und mein geschockter Gesichtsausdruck ist Lilli Antwort genug. »Jetzt du«, meint Benni. Ich grübele einige Zeit lang nach. Natürlich kann ich mit solchen Sachen wie Lilli nicht dienen. Aber gut. »Erstens: Ich hab mal einen Playboy bei meinem Vater gefunden und beim zweiten Bild einer nackten Frau panisch den Raum verlassen. Zweitens: Ich hatte das erste Mal den Gedanken, dass ich schwul bin, als ich zufällig eine Folge Dark Angel gesehen habe und Jensen Ackles durchs Bild lief. Und drittens: Ich hatte im Kindergarten Angst vor einem Mädchen namens Lena, weil sie mich immer gehauen hat.« Lilli kichert. »Wer ist Jensen Ackles?«, fragt Benni und Lilli schaut ihn klagend an. Die beiden schauen seit einiger Zeit gemeinsam Supernatural an und Benni kann sich die Namen der Schauspieler noch sehr viel weniger merken als die der Figuren. »Dean aus Supernatural. In jungen Jahren«, erklärt sie schließlich und hievt sich vom Bett, um für Benni ein Bild zu ergooglen. Als sie fündig geworden ist, zeigt sie es Benni. »So ein Milchbubi?«, fragt Benni ungläubig und ich strecke ihm die Zunge raus. »Ich finde ihn ziemlich hübsch.« Lilli verbündet sich angesichts meiner Vorlieben mit Benni und kommt schließlich zurück aufs Bett gekrabbelt. »Ich tippe auf erstens.« »Ich auch«, sagt Benni. Ich wusste ja schon, dass ich ein mieser Lügner bin. Ergeben nicke ich und fahre mir verlegen durch die Haare. Die Wahrheit ist, dass ich schon beim ersten Blick auf so eine Zeitschrift geflüchtet wäre. Erst recht, wenn sie meinem Vater gehört. »Nun denn, Cowboy«, sagt Lilli und wendet sich mit funkelnden Augen Benni zu. »Du bist dran.« Benni schweigt ziemlich lange und sieht aus, als würde er sich auf das schlimmste gefasst machen. »Erstens: Ich saß schon mal in U-Haft. Zweitens: Ich hatte noch nie Sex. Drittens: Ich hatte als Kind Angst vor Graf Zahl.« »Zweitens«, sagen Lilli und ich im Chor. Benni sieht extrem verlegen aus und ist ein wenig rot im Gesicht. Wir sehen ihn schwer gespannt an und schließlich schüttelt er den Kopf und starrt an die Decke. »Ich saß noch nie in U-Haft«, gibt er zu. Lilli und ich tauschen einen kurzen Blick und mir ist klar, dass wir Benni in diesem Moment so wunderbar finden, dass wir nicht anders können, als ihn zu drücken. Und genau das tun wir dann auch. Benni stößt einen überraschten Schrei aus und kippt hinten über. Einen Augenblick lang zappelt er entrüstet, doch dann bleibt er ganz still liegen und mir ist, als hätte er die Luft angehalten. »Dir ist hoffentlich klar, dass dir sowas vor uns nicht peinlich sein muss«, meint Lilli und vergräbt ihr Gesicht an Bennis Schulter. Ich lächele zufrieden und fahre ihm kurz durch die Haare. »Jap. Kein falsches Image vor uns«, bestätige ich. Benni brummt und ich spüre eine Hand auf meinem Rücken, die mich kurz an ihn drückt. Es ist ein wortloses Ich-weiß-vielen-Dank. Ich höre Lilli zufrieden seufzen. Dann hebt sie grinsend den Kopf und sieht uns gut gelaunt an. »Noch eine Runde?« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)