Heldenzeit von Ur (Spiegelverkehrt & Kryptonit & Vulkado | Oneshot- Sammlung) ================================================================================ Kapitel 17: Die Karten auf den Tisch ------------------------------------ Das hier ist das kleine kreative Bonbon für meine Beste zum Geburtstag :) Sie hat sie mal eine Kennenlern-Szene zwischen Felix und Chris gewünscht und hier ist das erste Treffen der beiden. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen! _________________________________ Sinas Stimme in meinem Kopf ist tadelnd und weist mich darauf hin, dass ich im ersten Semester mehr Veranstaltungen hätte machen sollen, dann wäre ich jetzt nicht so im Stress. Zugegebenermaßen ist mein zweites Wintersemester mit dem Praktikum und dem riesigen Berg an Veranstaltungen schon vollgestopft genug, da brauche ich eigentlich nicht noch ein Seminar aus dem ersten Semester zum Nachholen. Aber gut, es lässt sich nicht mehr ändern und durch mein Gestöhne schreiben sich die Protokolle auch nicht von selber. Ich war seit Wochen nicht mehr feiern und der Sport leidet auch unter der Uni, was mich ziemlich schlecht gelaunt durch die Weltgeschichte laufen lässt. Sina hat kein Mitleid. Sie nölt mich skrupellos an, wenn ich ihr zu grimmig bin und meine schlechte Laune an ihr auslasse. Das ist wahrscheinlich genau das Richtige. Jemanden, dem ich mit meiner Stimmung auf den Schlips treten könnte, wäre jetzt einfach nur unheimlich anstrengend. »‘Tschuldigung, ist das hier das Becker-Seminar?«, erkundigt sich eine Stimme neben mir, während ich vor dem abgeschlossenen Seminarraum stehe und griesgrämig in der Gegend herum starre. Ich drehe den Kopf und mustere den jungen Mann, der sich zu mir gesellt hat. Er ist kleiner als ich – aber das ist kein wirklicher Maßstab, fast jeder Mensch in meiner Umgebung ist kleiner als ich – und sehr schlank. Sein Gesicht hat sehr weiche Züge und seine mandelförmigen Augen sehen schalkhaft aus. Alles in allem ist er mit seinen braunen Haaren und den vollen Lippen mit Abstand der hübscheste Junge, den ich je gesehen hab. »Ja, ist es«, gebe ich zurück. Es wird Zeit, dass ich wieder feiern gehe. Mein Testosteron verlangt Sex beim Anblick dieses griechischen Halbgottes. »Ah, gut. Ich hatte schon Angst, ich würd mich verlaufen. Hier sieht jeder verfluchte Gang gleich aus«, klagt er und ich sehe mich um. Er hat völlig Recht. Weil ich schon ein Jahr in diesem grässlichen Plattenbau herumstromern muss, kenne ich mich mittlerweile doch recht gut aus, aber für einen Erstsemester wären die grauen Wände ohne Bilder oder Ausschilderungen sicherlich verwirrend. »Man gewöhnt sich dran«, versichere ich ihm. Er nickt und bringt ein Lächeln zustande. Heiliger Bimbam, ist der scharf. »Ich bin übrigens Felix«, erklärt er abwesend, während sein Blick über das graue Gemäuer streift, so als wäre er bemüht irgendwelche besonderes Merkmale ausfindig zu machen, die ihm nächstes Mal dabei helfen könnten, wieder hierher zu finden. »Chris«, gebe ich zurück. Seine Augen finden zu meinem Gesicht zurück und er grinst. Ich sehe seine ausgestreckte Hand erst einige Wimpernschläge später und schlage ein. »Du bist wohl kein Ersti, was?«, erkundigt sich Felix. Ich schüttele den Kopf und kann nicht anders, als zurück zu grinsen. Langsam füllt sich der Korridor vor dem Seminarraum mit noch anderen Studenten. Die meisten sehen verschüchtert, verwirrt und unsicher aus und geben eine eindeutige Erstsemester-Aura ab. »Drittes Semester. Ich hab im ersten Semester das ein oder andere Seminar versäumt. Muss jetzt nachgeholt werden«, gebe ich schulternzuckend zurück. »Ich hab gehört, dass das dritte Semester am härtesten sein soll«, meint Felix nachdenklich. Ich nicke mit grimmiger Miene. »Man hat keine Zeit für irgendwas, ich warn dich schon mal vor. Ich verbringe momentan die meiste Zeit am PC, in der Uni oder im Labor. Ist wirklich keine Freude.« Felix schmunzelt und lässt seinen Blick an mir hinunter schweifen, als würde er versuchen sich mich im Kittel vorzustellen. »Ich hab mir das mit diesem Studiengang ziemlich lang und gut überlegt. Chemie war immer mein Lieblingsfach. Wird schon werden«, antwortet er leichthin. Ich bin etwas beeindruckt. Ich hab einfach auf Gutdünken Bewerbungen für verschiedene Studiengänge abgeschickt. Studenten, die wissen, was sie wollen, finde ich beinahe etwas gruselig. In diesem Moment kommt Herr Becker um die Ecke und klappert verheißungsvoll mit dem Schlüssel. Er trägt eine große Hornbrille, eine alte Cordhose und eine Halbglatze. Die Menge drängt schweigend in den ziemlich kleinen und von Heizungsluft stickigen Raum hinein und verteilt sich auf die freien Plätze. Felix setzt sich neben mich und stellt schwungvoll seine Tasche auf den Tisch. »Sehr enthusiastisch, was?«, frage ich amüsiert. Felix grinst breit und wirft sich neben mir auf den Stuhl. »Das ist mein erstes Seminar. Ich glaube, da ist jeder Ersti noch hochmotiviert.« Ich krame meinen eselsohrigen Collegeblock und einen Kugelschreiber hervor, während Herr Becker vorn den Beamer zum Laufen bringt und seine Unterlagen auspackt. »Hast du zufällig Lust hiernach mit mir in die Mensa zu gehen? Ich würd mich nicht so verloren fühlen, wenn jemand dabei ist, der schon hundert Mal da gegessen hat«, fragt Felix leise. Ich mustere das hübsche Gesicht neben mir. »Sicher. Kein Ding. Ich warn dich vor: Die Currywurst ist nicht zu empfehlen. Manchmal bin ich sicher, dass sie noch lebt«, informiere ich ihn vorsichtshalber und Felix gluckst heiter. Sein Block sieht bei weitem nicht so zerfranst aus wie meiner. »Oh«, sagt Felix, als wäre ihm plötzlich etwas Wichtiges eingefallen, »bevor ich mit dir anbandele, solltest du noch wissen, dass ich schwul bin. Falls du damit ein Problem hast, kann ich auch allein in die Mensa gehen.« Sein Ton ist sachlich und ich starre ihn verwundert blinzelnd an. »Ohne Scheiß jetzt?«, gebe ich etwas stumpf zurück und er legt seinen hübschen Kopf schief, um sich fragend anzusehen. »Ja, ohne Scheiß«, sagt er nachdrücklich. Ich lache leise. »Ist ja witzig. Vielleicht hast du ein unterbewusstes Gaydar«, sinniere ich laut und sehe dem leicht schwitzenden Herrn Becker dabei zu, wie er mit dem Beamer ringt. Er scheint einer dieser Professoren zu sein, die trotz langjähriger Beschäftigung an einer Universität die dazugehörige Technik noch nicht gemeistert hatten. »Wieso? Du auch?«, fragt Felix erstaunt. Ich nicke feixend und auf seinem Gesicht breitet sich ein spitzbübisches Lächeln aus. »Wie großartig! Wir könnten auch mal zusammen feiern gehen. Vorausgesetzt, du findest mich nicht total furchtbar.« Ich schüttele den Kopf und er nickt zufrieden mit sich und der Welt. Als Herr Becker vorn endlich anfängt zu reden, mustere ich Felix von der Seite. Ich hätte absolut nichts dagegen, mal mit ihm feiern zu gehen. Wer weiß, vielleicht wird ja irgendwann mehr draus. Mit ins Bett nehmen würde ich ihn auf jeden Fall. Nicht nur, weil er so scharf ist, sondern auch, weil er mit dieser eiskalten Sachlichkeit direkt am Anfang der Bekanntschaft klargestellt hat, dass er auf Männer stellt. Ich weiß selber besser als viele andere, dass tatsächlich einige Kerle Probleme damit haben. »Ich finde den Blonden in der zweiten Reihe scharf«, sagt Felix aus heiterem Himmel leise, während er die Sprechstundenzeiten von Herrn Becker auf seinem Block notiert. Ich werfe einen Blick auf besagten Blonden und grinse. »Ich wittere eine wunderbare Freundschaft«, gebe ich flüsternd zurück und Felix lacht laut auf, hält sich hastig den Mund zu und lächelt entschuldigend, als alle sich nach ihm umdrehen. »Wir können in der Mensa Ärsche benoten«, schlägt er unterdrückt kichernd vor und ich beiße mir heftig auf die Unterlippe, um keinen Ton zu machen, während Herr Becker die Kursanforderungen herunter rattert. Das Seminar ist – obwohl der Stoff wahnsinnig trocken ist – eines der unterhaltsamsten, das ich bisher in meiner Unizeit besucht habe. Felix ist klug, witzig und völlig unverfroren, was mir sehr gut gefällt. Ich hab nach anderthalb Stunden geflüsterten Bemerkungen und notierten Botschaften bereits das Gefühl, als würde ich ihn schon seit Beginn meiner Studienzeit kennen. So schnell bin ich noch nie mit irgendwem warm geworden. Mal abgesehen von Sina. Auf dem Weg zur Mensa tauschen wir Handynummern. »Hast du ‘nen Freund?«, will Felix wissen, während wir hintereinander an der Kasse stehen. Ich habe ein Rumpsteak auf dem Teller, Felix gebratenen Reis mit Hähnchen. »Bist du immer so direkt?«, kontere ich grinsend und ignoriere die erstaunten Blick des jungen Mannes hinter uns in der Schlange. »Manchmal. Ich kann aber auch ganz schön zweideutig sein. Also?«, gibt er amüsiert zurück. »Kein Freund. Ich bin nicht so der Beziehungsmensch«, untertreibe ich galant. Felix lacht leise in sich hinein. »Interessant«, sagt er. Felix scheint diese Information irgendwas zu sagen, ich kann ihn allerdings kein bisschen lesen. »Und du?«, will ich wissen und greife nach einer Apfelschorle im Kühlregal. »Auch nicht. Aber ich würd mich nicht unbedingt gegen eine Beziehung sträuben«, antwortet er. Nachdem wir gezahlt haben, suchen wir uns zwei einander gegenüberliegende Stühle und fangen an zu essen. »Noch mehr direkte Fragen gleich zu Anfang?«, erkundige ich mich halb neugierig, halb belustigt. Felix kichert. »Oben oder unten?« »Oben.« Felix lacht und spießt ein Stück Hähnchen auf. »Wer hätte das gedacht«, gibt er immer noch glucksend zurück. »Und du?« Wenn er schon die Fragerunde eröffnet, dann möchte ich doch bittesehr auch informiert werden. »Mal so, mal so. Ich bin flexibel«, entgegnet er ohne Umschweife. Ich muss an Sina und ihre Offenheit denken und schmunzele kurz stumm in mich hinein. »Was ist los?«, erkundigt sich Felix bei mir und klaut mir einen Schluck von meiner Apfelschorle. »Ach, nichts. Ich hab nur grad festgestellt, dass ich offensichtlich besonders gut mit Leuten klarkomme, die die Karten immer direkt auf den Tisch legen«, erkläre ich. Felix grinst von Ohr zu Ohr. »Na, dann haben sich ja die Richtigen gefunden!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)