Kollateralschaden von Ur (Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt) ================================================================================ Kapitel 3: Zielperson: Max -------------------------- Was man so alles schafft, wenn man mal ein bisschen länger wach bleibt. Uuh. Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefällt :) An diejenigen, die sich eine ausführliche Szene der alkoholosierten Nacht gewünscht haben und es noch nicht wissen: Ich schreibe solche Sachen selten bis gar nicht. Vielleicht juckt's mich bei dieser Geschichte noch mal. Aber versprechen werd ich's nicht. Noch zwei Kapitel, denke ich. Viel Spaß beim Lesen und gute Nacht! Liebe Grüße, ___________________________ Ein paar Sonnenstrahlen scheinen mir direkt ins Gesicht und bringen mich dazu, meine Augen zusammenzukneifen. Mir ist ziemlich warm, obwohl ich nicht unter einer Bettdecke liege. Und obwohl ich nur eine Boxershorts trage. Als nächstes registriere ich, dass mich ein paar weiche Haare am Hals kitzeln. Blinzelnd öffne ich die Augen und finde mich in Nicos Zimmer wieder. Nicos Zimmer. Nicos Bett. Ich fast nackt. Und Nicolas liegt neben mir. Mein Gehirn spult schnell zurück und vor meinem inneren Auge sehe ich uns beide wild auf seinem Bett rummachen. Ich kann es nicht fassen. Wir wollten Beziehung spielen und sind in seinem Bett gelandet! Wie genau ist das passiert? Was genau war das, als wir uns bei diesem pubertären Spiel geküsst haben? Ich unterdrücke ein Stöhnen. Nicos Körper ist warm und er liegt dicht an mich gekuschelt. Sein Kopf ruht auf meiner Schulter und seine weichen Haare drücken sich gegen meinen Hals. Eine seiner Hände liegt auf meinem nackten Bauch. Was haben wir da nur gemacht? Ich kann’s nicht glauben. Da war niemand. Niemand, der uns zugesehen hat, sodass wir Beziehung hätten spielen müssen. Und wir haben trotzdem rumgemacht. Und zwar nicht nur ein bisschen. Und nett. Und blümchenmäßig. Nein. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit einem anderen Mann so was gemacht habe. Max war bisher der erste Mann, den ich sexuell anziehend fand. Und jetzt habe ich mit meinem besten Freund… Ich versuche die Sache positiv zu sehen und es als gut zu befinden, dass wir immerhin keinen Sex hatten. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass wir das wohl auch gemacht hätten, wenn da irgendwo in Nicos Zimmer Kondome gewesen wären. Um Gottes Willen. Nico hat schon mal mit einem Mann. Ich nicht. Ich bin eine beknackte Jungfrau! Aber was hilft es, jetzt darüber nachzudenken, dass ich noch Jungfrau bin, wenn es um Männer geht? Viel wichtiger ist: wie schleiche ich mich aus dem Zimmer und schaffe es, Nico nachher klar zu machen, dass er das alles nur geträumt hat? Dieser Plan ist utopisch und das weiß ich auch. Als ich mich nämlich zwei Zentimeter bewege, seufzt er leise, kuschelt sich einen Moment lang noch näher an mich und sitzt dann plötzlich kerzengerade im Bett, als hätte ihn ein elektrischer Schlag getroffen. Sehr langsam dreht er den Kopf und starrt mich an. »Oh. Mein. Gott.« Ich muss lachen. »Ja, so in etwa war auch mein erster Gedanke.« Nicos Haare stehen in alle Richtungen. Er schaut etwas zerknautscht aus. Aber alles in allem – muss ich feststellen – sieht er absolut hinreißend aus. »Das waren die Hormone…« »Ja. Wir sind ja noch mitten in der Pubertät.« »…und der Alkohol!« »Also ich war nur leicht beschwipst.« »Mein Gott, Janosch, wir hätten fast miteinander… und so!« Ich muss schon wieder lachen. »Sprich es doch aus. Sex. Du und ich. Ja, Herrgott, was macht das schon. Dann waren wir halt notgeil. Kann vorkommen. Männer sind so«, beschwichtige ich ihn und er stöhnt kläglich, ehe er sich mit der Hand über das Gesicht fährt und sich aus der Bettdecke befreit, die halb um seine Beine gewickelt ist. Dann klettert er aus dem Bett. Offenbar ist er noch ziemlich verpennt, denn es dauert zehn Sekunden, bis er peilt, dass er nackt ist. Ich kann jedenfalls nicht umhin, diese zehn Sekunden zu nutzen und Nicolas anzusehen. Wie Gott ihn geschaffen hat. Wenn ich gläubig wäre, würde ich Gott hiermit feierlich gratulieren. Schneewittchen sieht nackt ziemlich umwerfend aus. Natürlich ist das nur aus der Perspektive des besten Freundes. Oder so. Ok, ich kann mich nicht selbst bescheißen. Zum ersten Mal wird mir klar, dass mein bester Freund nicht geschlechtslos und überirdisch ist. Nein, ich mache mir zum ersten Mal darüber Gedanken, dass man auch seinen besten Freund geil finden kann. Genau das tue ich nämlich gerade. »Ich bin nackt«, sagt Nicolas verlegen und ist so schnell hinter seiner Kleiderschranktür verschwunden, dass ich beinahe enttäuscht gegrummelt hätte. Wer hätte gedacht, dass eine flache Brust ohne Möpse so gut aussehen kann? Vielleicht sollte ich nicht weiter darüber nachdenken, morgens ist das eine heikle Sache. Morgenlatten sind nicht weit. Scheiße, ich will noch mal so mit ihm rummachen! Ich hieve mich ebenfalls aus dem Bett. Als ich meine Klamotten zusammen gesammelt habe, sehe ich zu meiner Enttäuschung, dass Nico in einer Shorts und einem Shirt steckt. Ärgerlich. Aber ich sollte ohnehin nicht mit ihm rummachen wollen. Fuck! »Ich geh mal Zähne putzen«, sage ich. Er könnte jetzt sagen, dass er mitkommt und dass wir dann noch mal rummachen. Tut er aber leider nicht. Er nickt nur lächelnd – hat er immer schon so strahlend gelächelt? – und geht zum Fenster hinüber, um es aufzureißen. Auf dem Weg in mein Zimmer – halbnackt wohlgemerkt und auf der Suche nach neuen Klamotten und Duschzeug – treffe ich Maike, die wie verrückt kichert. Keine Ahnung ob sie das tut, weil ich fast nackt bin, oder weil sie sich ans Flaschendrehen erinnert. Wenn ich mich daran erinnere, tanzen meine Hormone Tango. Herrgott, seit wann bin ich dermaßen notgeil? Nicht mal Max hat so was mit mir gemacht! Überhaupt kommt mir Max plötzlich nur noch halb so heiß vor. Meine Fresse, diese Küsse von Nico… wer hätte gedacht, dass der Kleine so fordernd küssen kann? Ich jedenfalls nicht. Schneewittchen kann rangehen. Wahnsinn. Unter der Dusche trägt all das Grübeln über Nicos Nacktheit und seine Küsse dann doch Früchte. Ich bin allein, die anderen beiden Duschkabinen sind nicht besetzt. Also kann ich mir in Ruhe einen runterholen. Vielleicht sollte ich dabei an Max denken. Tu ich aber nicht. Ich denk an Nico. »Also ich hol dich nachher von der Arbeit ab.« »Hmhm.« »Wir stehen grad so schön öffentlich im Flur…« »Ja… schon…« »Vielleicht kommt Kai gleich um die Ecke.« »Dann sollten wir noch mal so richtig Pärchen spielen«, sage ich und mein Herz überschlägt sich. Ganz zu schweigen vom Inhalt meiner Hose – und das nur beim Gedanken daran. Oh man. Nico steht an die Wand gelehnt, ich beuge mich zu ihm hinunter und drücke meine Lippen auf seinen Mund. Gut. Sehr gut. Nicos Arme schlingen sich um meinen Nacken und wir knutschen. Zum sechsten Mal heute. Nach dem Duschen bin ich noch mal zu ihm gegangen und wir haben geknutscht – weil die Tür offen war. Es kann ja sein, dass jemand vorbei geht. Dann haben wir in der Küche geknutscht. Mehrmals. Da kam Kai tatsächlich rein, aber er hat nur amüsiert gegrinst und sich ein Hot Dog gemacht. War mir egal. Und Nico offenbar auch, denn der blieb einfach auf meinem Schoß sitzen und hat mich noch mal geküsst. Ich bin nicht sicher, ob hier gilt: je mehr, desto besser. Aber mir soll es recht sein. Nicos Küsse sind Gott. Ich werde doch noch gläubig. Was für eine Erleuchtung! Jetzt stehen wir also im Flur und unsere Zungen können so in etwa gar nicht voneinander lassen. Meine Hände wollen sich nur zu gern unter Nicos Shirt schieben. Durch den Alkohol ist die gestrige Nacht so nebelig und das scheint mir eine wahre Verschwendung zu sein. Schließlich löse ich mich doch von meinem besten Freund. »Ihr seid schlimmer als die Karnickel«, meint Isabell, die in diesem Moment vorbei geht. Wir strecken ihr synchron die Zunge heraus. »Ich könnte dich auch zur Arbeit hinbringen«, meint Nico. Seine Lippen sind leicht feucht von meinem Kuss. Und sie laden verdammt noch mal zu sehr viel mehr Küssen ein! »Wolltest du nicht was für die Uni machen?«, frage ich grinsend. »Kann ich auch später noch. Es ist schönes Wetter«, meint er lächelnd. Es könnte auch regnen und grau draußen sein. Dieses Lächeln ist besser als jede Sonne. Wann genau hat mich diese Besessenheit für meinen besten Freund befallen? Ich habe keine Ahnung. War sie schon die ganze Zeit da und ich habe sie nur nicht bemerkt? Weiß der Geier. Als wir die Treppe hinunter gehen greife ich nach Nicos Hand. Er wirft mir einen Seitenblick zu, dann breitet sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus, das mich beinahe blendet. Ich muss mich von meiner Besessenheit ablenken. Also fange ich an über Max zu reden – der ja eigentlich das Objekt meiner Begierde ist. Das wird sich sicherlich wieder einstellen, wenn ich ihn bei der Arbeit sehe. Ich könnte jetzt so tun, als würde mich Max’ Daterei so richtig aufregen. Eigentlich hat es mich auch immer aufgeregt. Vielleicht kommt das wieder, wenn ich mich genug reinsteigere. »Letztens hat Max mir von einem Kerl erzählt, der verheiratet ist. Der Typ hat ihm ne Uhr gekauft. Aber so weit ich weiß, macht er immer nur mit denen rum. Sex ist wohl irgendwie nicht drin«, sage ich ins Blaue hinein. Nico kann meinen Gedankensprüngen immer folgen. Ich seinen nicht. Bin wohl zu langsam, was so was angeht. »Ist doch nicht so schlimm«, meint Nicolas und stupst mir mit dem Finger in die Seite. Ich blinzele und sehe Nico ungläubig an. »Nicht so schlimm? Der datet jeden Tag zwei verschiedene Kerle und ich will gar nicht wissen wie hoch die Dunkelziffer ist, die er mir nicht ständig unter die Nase reibt!« Die Sache mit dem Reinsteigern klappt ganz gut. Was mich am meisten daran aufregt, ist, dass er mich nie irgendwie gefragt hat, ob ich mal mit ihm ausgehe. Bin wahrscheinlich einfach zu arm. Gut aussehen tu ich nämlich eindeutig. Nico lächelt kaum merklich angesichts meiner gespielten Entrüstung. »Naja, du kennst Max doch. Nur weil er sich mit den Kerlen trifft –…« »Und mit ihnen knutscht! Und was weiß ich nicht noch alles mit ihnen treibt!« »…nur weil er sich mit denen trifft, heißt das nicht, dass er sich ernsthaft für die interessiert. Max mag es eben einfach, umschwärmt zu sein. Wie eine Blume von den Bienen.« Nico kennt Max kaum persönlich. Aber er hat ihn sich aus meinen Erzählungen echt gut zusammen gereimt. Ich schnaube. »Was für ein treffender Vergleich. Die Blume von den Bienen. Sag mal einer Biene auf Dauer, dass sie nur an der Blume schnuppern darf, da wird die Biene irgendwann sauer und holt sich ihren Honig!« Nicolas lacht. Ich bekomme prompt eine Gänsehaut an den Armen, obwohl wir mindestens fünfundzwanzig Grad haben. Nicos Hand in meiner fühlt sich gut an. Dabei ist das Wohnheim schon längst außer Sicht. »Eigentlich holt sie sich nur Blütenstaub und den Honig macht sie…« Er bricht angesichts von meiner brummigen Miene ab. Irgendwie deprimiert es mich, dass Nicolas versucht, mir Max schön zu reden. Nicht, dass Max nicht heiß ist. Aber es wäre mir irgendwie lieber, wenn Nico nicht wollen würde, dass ich ihn heiß finde. Ach Scheiße! Was soll dieser Gefühlskram plötzlich? »Entschuldige«, sagt er. »Ich habe ihm das auch schon gesagt«, erkläre ich plötzlich irgendwie schlecht gelaunt, »irgendwann kommt einer, dem diese Spielchen zu dumm sind! Der schlägt ihn dann wohlmöglich k.o. und schleift ihn mit nach Hause und hält ihn da als Sexsklaven gefangen!« Nico presst sich eine Hand auf den Mund. »Findest du nicht, dass du jetzt etwas übertreibst?«, höre ich Nicolas’ dumpfe Stimme zwischen seinen Fingern hervor kommen. Ich werfe ihm einen ungnädigen Blick von der Seite zu. Die Sonne knallt auf uns hinunter und der Himmel ist strahlend blau. »Na gut, das mit dem Sexsklaven war vielleicht übertrieben, aber du kannst mir nicht sagen, dass das auf Dauer gut gehen wird. Macht einen auf Obermacker und dann ist er letzten Endes doch so naiv wie ein kleiner Junge«, brumme ich. Das ist wirklich so. Ich meine… Max ist neunzehn. Der steckt ja noch halb in der Pubertät. Nico lächelt und nimmt die Hand vom Mund, nun offenbar frei von dem Drang, laut loszulachen. »Du bist ganz schön niedlich, wenn du dir so Sorgen um Max machst«, sagt er offenherzig und ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Oh Gott. Na super. Alles ist vorbei. Mein bester Freund findet mich niedlich und bringt mich in Verlegenheit. Ich will nicht, dass er das niedlich findet. Er soll das scheiße finden! »Ich…« Ich breche ab und starre einen Moment lang auf unsere verschränkten Finger. Wir biegen um eine Ecke auf die Hauptstraße und an der nächsten Ecke sehe ich die Videothek, in der ich arbeite. »Ich bin nicht niedlich«, meine ich schließlich matt. Nico scheint nicht näher darauf eingehen zu wollen. Als wir näher kommen, sehe ich Max vor der Videothek an der Wand lehnen. Seine Locken fallen ihm ins Gesicht und er zieht an einer Kippe. »Bedenke nur«, sagt Nicolas schelmisch, »du könntest die Hummel unter all den bösen Bienen sein, die landen darf und…« »Ich geb dir gleich ne Hummel«, brumme ich, muss aber lachen. Nico lacht ebenfalls, drückt meine Hand leicht und zwinkert mir zu. Max hebt den Kopf und sieht uns erstaunt entgegen. »Du wärst sicher eine tolle Hummel.« »Sicher… aber im Moment bist du mein Blümchen«, raune ich leise. »Mit Vergnügen«, flüstert er. Dann stehen wir vor Max und begrüßen ihn – als Pärchen natürlich. »Also du und Nico, ja?«, erkundigt sich Max in unserer Pause. Es ist sechs Uhr abends und wir haben mal wieder Pause. Ich esse ein Sandwich, Max raucht eine. Wie so oft. »Ja. Ist noch nicht so lange«, meine ich bemüht lässig. Max lacht leise. »Hätte nicht gedacht, dass du auf Männer fliegst. Wo du doch ständig die Weiber abschleppst.« »Wunder gibt es immer wieder.« Max nickt, grinst und schweigt einen Moment. Dann wirft er die Kippe auf den Boden und dreht seinen Kopf zu mir. »Wenn du mit Nico zusammen bist, dann seid ihr sicher verliebt ineinander?«, fragt er beiläufig. Mir wird ein wenig heiß, aber ich nicke todesmutig. Als hätte ich eine Ahnung vom Verliebtsein. Tzes. »Kann ich dich was fragen?« Ich blinzele verwirrt, aber dann nicke ich. Der letzte Bissen Sandwich wird herunter geschluckt, während Max nachdenklich auf ein wenig Unkraut zu seinen Füßen starrt. Ich stecke mir ebenfalls eine Zigarette an. »Ich hab dir doch von Vincent erzählt, oder?« Ich nicke, die Kippe im Mundwinkel, mein blaues Feuerzeug in der Hand. »Der verheiratete Vincent«, sagt Max. Ich nicke erneut. Wie könnte ich den vergessen? »Was würdest du machen, wenn du dich in einen verheirateten Kerl verknallt hast?« Oh. Mein. Gott. Die Blüte hat sich eine Biene angelacht. Ich starre Max an, er schaut zurück. Ich warte auf die Eifersucht und die Empörung. Aber sie kommt nicht. Hosted by Animexx e.V. 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