Klaustrophobie von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Klaustrophobie „Eiji, warte!“ Verwundert sah sich Kikumaru nach dem Verursacher des Geräuschs um. Im letzten Moment bemerkte er Fuji, der gerade um die Ecke kam. Es war sehr ungewöhnlich für den Tensai, dass er so spät dran war. In zwei Minuten fing der Unterricht an und sie mussten dazu noch fünf Stockwerke hoch. „Beeil dich, Fuji! Ich geh schon vor. Endlich bin ich mal vor dir da!“ Lachend wollte Eiji losrennen, als er Schlüssel klimpern hörte. Fragend sah er Fuji an, der hingegen deutete nur zum Aufzug. Sofort drehte der Akrobat um und schnappte sich den Schlüssel, im Nullkommanichts hatte er den Aufzug geholt. Fuji lachte leise, leicht humpelnd trat er in den kleinen Aufzug, der eigentlich nur für die Lehrer gedacht war und deswegen nur mit einem entsprechenden Schlüssel benutzt werden konnte. „Oi, Fujiko! Was hast du denn gemacht?“ Eiji inspizierte den Tensai genau. Schliesslich ging er in die Hocke und hob die Hose seines Freundes leicht an. Darunter wurde ein weisser Verband sichtbar, dessen Ursache wohl der Knöchel war. Vorsichtig stupste Eiji gegen den Knöchel, woraufhin der Tensai sofort den Fuss zurückzog und gequält aufkeuchte. „Lass das, bitte. Es ist nichts Ernstes, nur verstaucht.“ „Damit kannst du aber nicht trainieren, oder?“ „Ich kann nicht damit rennen, aber Kräftigungsübungen sollten schon gehen.“ „Nya, schade. Oishi und ich wollten doch Doubles gegen dich und Taka-san üben... Immerhin kommen wir so noch pünktlich in den Unterricht.“ Fuji liess sein übliches Lächeln sehen, ging aber nicht weiter darauf ein. Er hatte beim Sekretariat einen Liftschlüssel geholt, aber so ganz wohl war ihm dabei nicht gewesen. Der Lift war auf maximal drei Personen ausgerichtet und bot eigentlich nur Platz für zwei. Fuji lehnte an der Rückwand und konnte einen Schritt nach vorne machen und zwei nach rechts, wenn Eiji nicht dort gestanden hätte. Der Rothaarige war sichtlich erfreut über die Nutzung des Aufzugs und inspizierte ihn genau. Etwas zu genau, denn Eiji machte einen Schritt zu viel und trat auf den schwarzen Gummischutz bei der Tür, was die Notbremse in Gang setzte. Syusuke seufzte vernehmlich, er hätte das Energiebündel einfach die Treppe nehmen lassen sollen. Jetzt sassen sie hier fest und das vermutlich für längere Zeit. Soweit der Tensai wusste, konnte keiner der Lehrer den Aufzug wieder in Betrieb nehmen und dienstags war der freie Tag des Hauswarts... Wer weiss, wo der gerade war? „Mist! Das blöde Ding ist kaputt! Fuji, tu doch was. Oi, Fuji?! Hast du Schmerzen? Du bist ganz blass...“ „He,he... nein, mir gehts gut. Drückst du den Alarmknopf?“ „Fuji... der ist direkt neben deinem Kopf. Drück ihn selber.“ Besorgt musterte der Rothaarige seinen Freund. Der Tensai hatte sich mit beiden Händen an die Haltestange geklammert und schien nicht gewillt sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren, die Schweissperlen standen ihm auf der Stirn. Da Fuji nicht auf ihn reagierte, drückte Kikumaru den Knopf. Dann lehnte er sich neben Fuji an die Rückwand und starrte ihn von der Seite an. „Was hast du?“ „Es ist alles in Ordnung, Eiji.“ „Fujiko! Lüg mich nicht an. Mit dir stimmt was nicht, das sieht doch ein Blinder.“ „Mach dir keine Gedanken.“ Fuji zwang sich zu einem Lächeln, dass beruhigend wirken sollte. Wahrscheinlich hatte er dieses Ziel nicht erreicht, denn Eiji sah ihn abwartend an. Der Tensai wollte seinem Freund nicht sagen, was los war. Es war ihm peinlich. In engen Räumen hatte er sich noch nie wohlgefühlt. Dann wurde ihm schlecht, er begann zu zittern und nach ein paar Minuten fühlte es sich an, als ob alle Luft aus dem Raum weichen würde. Es machte ihm Angst, Angst zu ersticken. Kikumaru hasste es, wenn er ignoriert wurde. Er räusperte sich vernehmlich, aber auch das ignorierte Fuji. Nach einer Minute beharrlichem Schweigens hielt es Eiji nicht mehr aus. Er schnippte dem Tensai gegen die Stirn. Tatsächlich drehte Fuji den Kopf zu ihm, aber er sah ihn nicht wirklich an. Seine Augen waren verschleiert, als ob er mit den Gedanken ganz woanders war. Also jetzt machte sich der Rotschopf ernsthaft Sorgen. „Fuji, du machst mir Angst... Was ist los?“ „Ich... bin klaustrophobisch. Es geht wieder vorbei, muss mich nur ablenken.“ Jetzt war es raus. Fuji war klar, dass spätestens bis Ende Woche die ganze Schule sein Geheimnis kennen würde. Eiji war ja ein lieber Kerl, aber auch unglaublich gesprächig. Aber damit sollte er sich jetzt nicht befassen, er musste sich konzentrieren. Worüber konnte er sich Gedanken machen? Tennis? Nein, das tat er sonst auch. Das kannte er alles schon. Vielleicht über die Schule? Nein, das funktionierte auch nicht. Die Lektionen fielen ihm sehr leicht. Blieb noch seine Zukunft. Ja, das würde klappen. Darüber hatte er sich nie gross Gedanken gemacht. Natürlich könnte er versuchen, professionell Tennis zu spielen. Das nötige Talent hatte er, aber wie Tezuka immer gesagt hatte, ihm fehlte der Ehrgeiz. Nein, das stimmte so nicht. Bisher hatte bloss niemand seinen Ehrgeiz geweckt, niemand ausser Tezuka. Nur waren sie im gleichen Team und so konnte er nicht einfach so gegen ihn spielen. „..jiko... Fuji! Jetzt hör mir doch zu!“ „Wie? Was ist?“ „Nya, Fuji! Du sollst mich nicht ignorieren. Ich habe gefragt, was klaustrophobisch heisst!“ „Oh.. Klaustrophobie ist die Angst vor geschlossenen oder engen Räumen. Engen Räumen, wie diesem Aufzug.“ „Nyaaa! Das ist ja schrecklich! Wieso haben wir das nie gemerkt? Seit wann hast du das?“ „Ich wollte es euch nicht sagen und es hat nie jemand danach gefragt. Mit der Klaustrophobie bin ich gross geworden. Etwa mit neun hat es angefangen, damals im Internat.“ „Du warst im Internat? Davon hast du nie erzählt.“ Eiji wollte gerne wissen, was passiert war. Als Fuji damals nach Seigaku gekommen war, waren sie sofort in die gleiche Klasse gekommen. Da war ihm der Junge mit dem ewigen Lächeln unheimlich gewesen, genauso wie dessen scheinbar unbegrenztes Wissen. Alles was die Lehrer erzählten, schien er schon zu wissen. „Es war keine schöne Zeit. Meine Eltern arbeiten viel und sind praktisch nie zu Hause. Meine Schwester war gerade in der Lehre und Yuuta und ich mussten ins Internat, damit wir nicht allein zu Hause waren. Unsere Freizeit war begrenzt. Es war eine katholische Schule. Morgens gings erstmal in die Messe, danach hatten wir Zeit für Hausaufgaben, dann gabs Frühstück....“ Fuji erzählte eine Weile, schien sich in der Erinnerung zu verlieren. Zufrieden beobachtete Eiji, wie sein Freund sich etwas entspannte und die Zeit verging. Umso erstaunter war er, als Fuji abrupt abbrach. Sein Blick klärte sich wieder und huschte gehetzt zu seiner Armbanduhr. Drei Stunden, so lange waren sie schon hier. Angespannt horchte er, aber es war nichts von Rettungsmassnahmen zu hören. Das war gar nicht gut. Langsam setzte das Zittern ein. Die Ablenkung funktionierte nicht gut genug. Er konnte seinen Körper nicht mehr richtig kontrollieren. Schlagartig wurde ihm das Stehen zu viel. Er glitt die Wand hinab und machte sich klein. Es war ihm egal, was Eiji von ihm dachte. Im Moment wünschte er sich Yuuta her. Sein Bruder hatte ihn schon immer am besten beruhigen können. „Fuji! Beruhig dich, sie werden schon kommen. Soll ich im Sekretariat anrufen? Oder Tezuka?“ „Nein, sie müssen das nicht wissen. Es ist schon okay.“ „Kann ich irgendwas tun? Kann ich dir helfen?“ „...nun ja.. könntest du.. mich festhalten?“ Der Tensai wurde leicht rot. Sie waren zwar Freunde, aber er hoffte ehrlich, dass Eiji ihn nicht missverstehen würde. Er brauchte nun mal etwas Nähe um sich zu entspannen. Der Rotschopf hatte überhaupt kein Problem mit Nähe und schloss seinen Freund sofort in die Arme. „Sag das doch gleich, Fujiko! Ich halt dich so lang, du willst. Magst du weitererzählen?“ „un.. wo war ich?“ „Irgendwas wegen einer Chemieprüfung... ihr habt da echt schwieriges Zeug gemacht! Dabei ist das doch Stoff, den wir jetzt durchnehmen!“ „Es war eben ein Internat für Hochbegabte. Jedenfalls wurden die Prüfungen immer in Einzelzimmern geschrieben, weil es so kleine Klassen waren. Die Zimmer waren in etwa so gross wie dieser Lift. Gerade genug Platz für ein kleines Pult und einen Stuhl. Damit wir nicht miteinander reden konnten, die Zimmer lagen nah beieinander, schlossen sie immer ab. Dann hatten wir eine Stunde Zeit um die Prüfung zu schreiben. Diese spezielle Prüfung war sehr einfach. Es ging um Komplexe und Tenside, völlig banal. Ich war nach 20 Minuten fertig. Wir durften aber nicht früher raus, dadurch wollten sie uns animieren unsere Lösungen zu überprüfen. Das hab ich gemacht, immer und immer wieder bis die Stunde vorbei war. Ich habe gehört, wie sie anfingen die Zimmer aufzuschliessen. Schliesslich kamen sie zu meinem Zimmer und ich hörte den Schlüssel, aber die Tür ging nicht auf. Es dauerte einen Moment, bis ich realisiert hatte, dass der Schlüssel abgebrochen war. Natürlich konnte niemand im ganzen Haus, selber was dagegen unternehmen. Sie riefen einen Schlosser an, der aber erst am Abend Zeit hatte. Ich musste sechs Stunden in dem kleinen Zimmer ausharren, ein Fenster gab es nicht. Der Betrieb ging draussen normal weiter. Ich denke, das war der Auslöser für meine Klaustrophobie.“ „Macht Sinn, ja. Aber wieso ist denn niemand da geblieben und hat wenigstens mit dir geredet?“ „Weiss nicht. Sie mochten mich wohl nicht besonders.“ Instinktiv drückte sich der Tensai näher an seinen Freund. Die Erinnerung machte ihm zu schaffen. Seine damaligen Klassenkameraden hatten ihn gehänselt, weil er immer der Klassenbeste war. Er machte ihnen keinen Vorwurf. Das Internat hatte sie so werden lassen, der Leistungsdruck war enorm gewesen. Yuuta wäre beinahe darunter zerbrochen, wenn Syusuke ihm nicht geholfen hätte... Sie waren beide froh gewesen, als sie nach Seigaku durften. Fuji war sehr traurig gewesen, als Yuuta die Schule gewechselt hatte, aber er hatte es nachvollziehen können. Sein Bruder hatte ihm in einer Art Sicherheit gegeben, wie es sonst niemand vermochte. Er hatte ihm das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden. „Also ich mag dich, Syusuke! Und ich bin bestimmt nicht der Einzige! Lass uns heute Abend zu Taka-san gehen, ich lade dich ein, ja? Dann feiern wir alle zusammen, dass du nach Seigaku gekommen bist!“ Eiji strahlte geradezu! Er war von seiner Idee begeistert und würde sich durch nichts davon abbringen lassen. Fuji wurde richtig warm ums Herz. Der Knallkopf wusste wirklich, wie er ihn glücklich machen konnte. „Das wäre schon, Eiji.“ „Na klar! Taka-san macht dir bestimmt Wasabi-Sushi.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)