Haselnuss von Debby-chi (Das Auge des Herzens) ================================================================================ Kapitel 1: Warum? ----------------- Wo bin ich hier? Es ist so dunkel. Alles ist dunkel, wirklich alles. Langsam stehe ich auf, aber was soll ich tun? Ich taste mich zum Fenster und öffne es. Müsste da nicht eigentlich Licht rein kommen? Warum kommt keins? Das kann doch nicht sein. Gestern war ich noch im Krankenhaus und heute in meinen Zimmer, das weiß ich. Warum war ich im Krankenhaus? Das hab ich vergessen. Was hab ich in den letzten Wochen getan? Auch das habe ich vergessen. Das einzige was ich weiß ist das ich nichts sehe, aber warum? Was war noch mal passiert? Ich verstehe es nicht. Woran kann ich mich noch erinnern? Ich war einkaufen, einkaufen mit meiner besten Freundin. „Lania komm doch mal rüber“, sagte Chrisie ungeduldig: „Sonst wirst du es bereuen, ich schwöre es!“. Sie winkte ungeduldig zu mir rüber. Mir blieb wohl nichts anderes übrig als zu ihr zukommen. Seufzend legte ich das reduziert Musikbuch nieder und schlich langsam zu ihr rüber. Sicher hatte sie wieder ein ganz tollen reduzierten Schuh oder vielleicht sogar Unterwäsche gefunden, da muss ich immer sofort kommt, weil ich sonst ja so viel verpassen würde. Kann man wohl nichts tun, Chrisie versteht einfach nicht das ich Klamotten und den ganzen Shoppingwahn nicht so leiden kann. „Schneller! Steh da doch nicht so rum!“, schrie sie. „Ja, ich mach ja schon!“, antwortete ich. Das ist typisch, immer muss ich mit ihr zum Shopping gehen, das nervt. Ich verschnellte meine Schritte und kam schließlich bei ihr an. Chrisie hatte die Arme verschränkt und tippte ungeduldig mit den Fuß auf den Boden. Sie setzte ihren irrsinnig fiesen vorwurfsvollen Blick auf den ich bereits oft genug gesehen habe um bei ihn nicht mehr auf sie zu zustürmen und mich zu entschuldigen, dann sagte sie: „Du lahme Schnecke, das wurde ja auch Zeit! Schau mal.“ Sie deutete auf ein kleines Schild wo, und ich konnte es kaum glauben, eine Information über ein Konzert von meiner Lieblingsband „Die Gurepufurutsus“. Das sah Chrisie nicht ähnlich, sie interessiert sich für das was ich will! Ich schaute sie Fragend an. Da muss doch irgendein Haken an der Sache sein, ich bin mir sicher. „Und was soll ich für dich tun? Eine Leiche vergraben?“ „Ja natürlich was sonst? Es kann ja auch nicht sein das ich dir einfach so einen Gefallen tun will“, antwortete sie und rollte mit den Augen. Ja das kann nicht sein, aber ich spiele mal mit. „Stimmt. Willst du mit mir dahin gehen?“, sagte ich und schaute sie dabei unschuldig an. Chrisie lächelte, jetzt kommt sicher das große „aber nur wenn…“. „Ok, kein Problem. Ich lad dich sogar ein“, sprach sie geduldig „Immerhin bin ich deine Freundin und sollte echt mehr dafür tun“. Wow, jetzt bin platt die meint das ernst! „Eh... Ok“, murmelte ich, dann rief meine Mutter an. Sie sagte mir, ich sei ja eh schon so lange draußen und solle sofort nach Hause kommen. Mit einem kurzen deut aufs Handy und einen knappen „Sorry, meine Mom“, verabschiedete ich von meiner Freundin und lief Heim. Das war wieder typisch… meine Mom gönnt mir einfach keinen Spaß. Ich lief über die Straße, in Richtung U-Bahn. So schlecht war der Tag bisher ja nicht, immerhin war ich jetzt auf ein super Konzert eingeladen. Lächelnd betrat ich die U-Bahn und schaute mich um. Alles ist in Ordnung. „RUNTER!“, Schrie ein Mann weiter hinten im Zug, aber warum sollte ich mich jetzt runter bücken? Ich sah in die Richtung und dann… Ja und dann? Was ist dann passiert? Kann ich deswegen nichts sehen? Ich taste mich durch mein Zimmer und fand schließlich die Tür, dann öffne ich sie langsam und trete hinaus. Jetzt müsste rechts die Küche sein und links das Zimmer meiner Eltern. „Mama?“ Langsam gehe ich auf die Tür zu und bleibe stehen. Jetzt dürfte die Tür direkt vor mir sein. Ich strecke die Hand aus und da war sie, die Tür. Ja sie war da, sie war da gewesen und jetzt ist sie weg. Also gehe ich ein paar Schritte vor. „Lania? Schätzchen, wo hast du denn deinen Stab gelassen? Der Arzt hat dir das doch nicht umsonst beigebracht“, Sagt eine Stimme die von meiner Mutter stammte zu mir. Beigebracht? Was denn? Jetzt fällt es mir wieder ein. Im Krankenhaus habe ich gelernt wie ich mir das Leben als Blinde erleichtern könnte. Das heißt ich bin wirklich blind, aber was soll ich tun? Was ist nur mit mir geschehen? Ich atme tief durch und murmel leise: „Mama? Der wievielte ist heute?“. „Heute ist der zehnte August, das steht doch auf den Kalender“, sagt sie ohne viel nachzudenken. Ja toll, auf den Kalender also. Den kann ich ja wohl schlecht lesen. „Entschuldigung, ich hatte nur vergessen das…“, flüstert meine Mom und ich glaube, dass sie anfängt zu weinen. Langsam gehe ich zu ihrer Stimme. Hier müsste jetzt das Bett sein. Noch ein Schritt und... ja, da ist es. „Mama, alles wird gut“, versuchte ich sie aufzumuntern „Ich lebe ja noch“. Ich strecke meine Hand aus. Gut da ist sie. Vorsichtig steig ich aufs Bett und schließe meine Mutter in die Arme. Ja, alles wird gut werden. Obwohl ich das selbst nicht glaube, versuche ich meine Mutter davon zu überzeugen. Die Dunkelheit erdrückt und doch ist sie wichtig. Drum werde nicht verrückt und empfinde sie richtig. Sie schafft sehr viel Schmerz, doch spendet sie auch Trost, denn tief in deinem Herz da stört die Welt bloß. Du spürst nur was du fühlst und riechst. Ich hoffe du hast das bemerkt, Denn das meiste was du siehst ist eh verkehrt. Kapitel 2: Neues Leben ---------------------- Mein Atem geht schneller. Ich sehe wie er auf mich zukommt, aber was will er von mir? Er streckt die Hand aus. „Komm mit mir“, haucht der Mann leise und kommt noch ein Schritt auf mich zu. Instinktiv weiche ich zurück. Lass mich in ruhe. Lass mich... aber wer ist das überhaupt und warum sage ich nichts? Ich schaue mich um und merke erst jetzt das ich in einer U-Bahn. Der Mann schaute mich an. „Komm mit mir du musst hier raus!“, sagte er „Sonst wirst du dein Augenlicht nie wieder finden. Hättest du damals das getan was ich gesagt habe, könntest du noch sehen“. Ich sehe ihn doch… was meint dieser Mann? Der Mann schaute panisch nach hinten. „Hör wenigstens jetzt auf mich“, sagte er mit einen leichten Lächeln. Warum sollte ich? Ich versteh das nicht. Er schaut wieder hinter. „RUNTER!“ Ich schrecke auf. Das Wort hallt in meinen Kopf wieder. Runter! Warum hatte ich nicht auf ihn gehört? Könnte ich dann noch sehen. Langsam stehe ich auf und gehe zum Fenster. Wie jeden Morgen öffne ich mit der Gewissheit das es nichts ändert die Vorhänge. Ich seufze kurz und gehe dann wieder zum Bett, setze mich darauf hin und denke über mein Leben nach. Was hat es noch für ein Sinn? Es bringt eh nichts wenn man nichts sehen kann. Seit Tagen bin ich nun im Haus, das nervt. Langsam schleiche ich runter und nehme meinen Stock. Seit dem ich wieder hier bin sind jetzt zwei Wochen vergangen, dann werde ich wohl einmal rausgehen dürfen. Ich lauschte kurz nach oben. Das hören hab ich in letzter Zeit trainiert und bin darum schon besser darin als meine Mutter, denn ich hörte ihr leises Atmen von ihren Zimmer. Gut sie schläft noch. Ich schlich mich raus auf die Straße. Es ist relativ ruhig also muss es wohl noch recht früh sein. Ich taste nach meinen Augen. Das tat ich in letzter Zeit öfter um zu schauen ob sie noch da sind, aber Mama hat gesagt es ist schlecht für meine Augen wenn ich zu oft darauf rum drücke, aber was solls. Es gibt noch eine kleine Chance dass ich wieder sehen kann, wenn meine Augen sich erholt haben. Naja, die Chance war eben nur klein und ich hoffe normalerweise nicht auf etwas fast unmögliches, also konnte ich meine Augen auch ruhig zerstören. Ich frage mich in letzter Zeit ziemlich oft wie ich wohl aussehe, natürlich weiß ich das, aber ich weiß nicht genau wie ich aussehe und das stört mich. Früher habe ich mich nach den Aufstehen in den Spiegel bei meinen Schrank angeschaut und diese Gewohnheit habe ich beibehalten, obwohl es nichts bringt, aber heute habe ich das nicht getan. Vielleicht gewöhne ich mich langsam an mein neues Leben. Jetzt stehe ich schon ne ganze Weile einfach an der Straße und denke einfach vor mich hin, aber es ist niemand vorbei gekommen, das höre ich. Ich lausche eine Weile um zu hören ob ein Auto kommt und bleibe noch stehen, obwohl ich weiß das wohl keines kommen wird. Wenn man sich so aufs hören konzentriert, kann man gleich viel besser hören. Ich hörte einen Wecker klingeln und leise ein Telefon klingeln, sowas habe ich früher nie beachtet. Langsam gehe ich dann doch über die Straße, denn auf der anderen Seite ist ein schöner Park, wo ich mich auf eine Bank setzte und nach dachte. Bevor ich blind wurde habe ich über ganz andere Sachen nachgedacht, natürlich hauptsächlich über Jungs, aber das ist wohl normal. Wir haben einen neuen Jungen an der Schule, der gestern in unsere Klasse gekommen ist, also vor den Unfall Gestern. Ich habe mit meiner Freundin sehr viel über ihn geredet und wollte ihn eigentlich auch mal ansprechen, aber dazu ist es ja nicht mehr gekommen. Meine Freundin... Sie hat sich seit den Unglück nicht mehr bei mir gemeldet und das macht mich noch trauriger. Sie will wohl nicht mit einer Blinden befreundet sein, die immer nur Hilfe braucht. Darüber sollte ich jetzt lieber nicht nachdenken, erstmal will ich mein Leben wieder in den Griff kriegen. In zwei Tagen ist das Konzert auf das ich eigentlich so gerne mit meiner Freundin gegangen wäre, aber das geht ja nicht. Was soll eine Blinde schon auf einen Konzert? Obwohl... wenn es ein Konzert ist, ist es nicht schlimm wenn man blind ist, man brauch nur jemanden der mit einen dahin geht und dafür habe ich ja jetzt keinen mehr. Warum ist das Leben nur so unfair? Ich habe doch nie was getan... Ich sitze jetzt schon länger hier. Leute kommen in der zwischen Zeit vorbei und ich höre manchmal wie jemand den ich kenne mir sein Mitleid ausspricht. Meistens sind es Nachbarn von mir von denen ich die Stimme kenne, aber manche kann ich nicht ganz einordnen. Nachdem es für eine Weile so belebt war ist es nun wieder ruhig. Es waren wohl die Leute die gerade zur Arbeit oder zur Schule gehen gewesen und jetzt waren sie angekommen, das hieß das meine Mutter jetzt wohl auch wach ist. Langsam stehe ich auf und taste mich mit Hilfe meines Stockes zur nächsten Bank vor, hier kann man mich sicherlich nicht sehen, also von meinen Haus aus. Der Wind verstärkte sich langsam und kleine Regentropfen rieselten vom Himmel. Meine Mutter hat sicherlich noch nicht nach mir suchen lassen weil sie Morgens nicht mal in mein Zimmer geht, also muss ich wohl frühestens um 16 Uhr wieder nach Hause. Bis dahin sind es bestimmt noch ungefähr sechs Stunden, also kann ich auch ein bisschen weiter weg gehen. Am besten gehe ich zum Marktplatz, weil das so ziemlich der letzte Ort war den ich gesehen habe, denn in die U-Bahn will ich lieber nicht mehr gehen. Obwohl... vielleicht reden Leute ja dort darüber was genau passiert ist also gehe ich doch zur U-Bahn. Langsam gehe ich durch die Strassen in denen sich jetzt kaum Menschen befanden, zum Glück, denn ich habe mein Blindenzeichen nicht dabei. Bei der ersten Straße bleibe ich aber dann schon stehen. Hier muss eine Ampel sein und da ist sie auch. Sie gibt ein leises Klicken von sich das nun in einen Piepton wechselte, also müsste sie jetzt grün sein. In der Hoffnung wie ein normaler Sehender Auszusehen gehe ich den restlichen Weg ganz normal zur U-Bahn Haltestelle ich muss eh nur noch die Straße lang und es wäre doof wenn alle wissen das ich das Opfer war das hier ihr Augenlicht verloren hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)