Träume von Karopapier (Wichtel für aisling) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich bin der Läufer in einem Spiel, in dem es um Geschwindigkeit geht. Ich bin der Blankscheck in einem Edeljuwelier. Ich bin die leere Schaukel im Kinderparadies. Ich bin... ... allein. Während ich durch die Straßen gehe, immer neben dir, immer aufmerksam, hält mich nichts auf. Du siehst durch mich hindurch, weißt nicht, dass ich da bin. Aber du fühlst mine Anwesenheit dennoch, auch wenn du dir dessen nicht bewusst bist. Ich sehe, wie dein Blick auf eine der Schaufensterpuppen fällt, die in den hell erleuchteten Fenstern stehen. Du siehst dir den Bikini an, lächelst selig und überlegst, ob du ihn dir am nächsten Tag in der Mittagspause kaufen sollst. Er ist noch nicht einmal teuer, höre ich dich überlegen. Und der alte ist schon ganz ausgeblichen, das Chlor hat ihm arg zugesetzt... Ganz nah stelle ich mich, direkt hinter dich, so nah, dass ich dich fast berühre. "Denkst du wirklich, du solltest ihn kaufen?", frage ich so mitfühlend wie möglich. "Du hast über die kalten Tage doch recht viel zugenommen. Warum sparst du dein Geld nicht lieber für einen netten Badeanzug? Oder gibst es gleich gar nicht aus und sparst es für den Tag, wenn du weniger wiegst?" Als ich merke, wie in ihr Frust aufsteigt und die leichte Fläue, die sie immer fühlt wenn ihr in ihrer eigenen Haut nicht ganz wohl ist, beschleicht mich etwas, das Menschen wohl als schlechtes Gewissen bezeichnen würden. Aber als mir einfällt, was sie ihrem Freund heute Morgen gesagt hat, ist es direkt wieder verschwunden. "Schau mal, die Frau links von dir", schiebe ich nach, "die hat eine tolle Figur." Ich drehe vorsichtig ihren Kopf in die richtige Richtung, indem ich sie so wenig wie möglich berühre. "Die könnte auch den Bikini anziehen. Aber du..." Seufzend schüttle ich den Kopf und höre ihrem unausgesprochenen Ärger zu. "Komm", sage ich schließlich sanft, "lass uns nach Hause gehen." Während wir deinen Heimweg antreten, drehen sich deine Gedanken noch immer um dein Gewicht, deine Figur und den - tatsächlich sehr schönen - Bikini. Die Bedenken, die ich dir eingeflüstert habe, machen dir sehr zu schaffen. Ich hatte gewusst, wie viel sie dir ausmachen würden, aber im Nachhinein schäme ich mich doch. Das ändert sich auch nicht, als du die Tür zu deiner Wohnung öffnest und wir beide hindurch schlüpfen, um direkt von deinem Freund empfangen zu werden... dem Freund, dem du heute Morgen erzählt hast, du hättest nicht geträumt, obwohl ich genau gehört habe dass du dich sehr wohl an das Gedankengespinst erinnert hast, das ich für dich in der Nacht gewoben hatte. Ich schaffe es nicht ganz, mich bei dir zu entschuldigen, aber ich versuche, dich ein wenig aufzumuntern. Während er dich in seine Arme schließt und dich fragt, wie dein Tag war und ob alles in Ordnung sei, streiche ich dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und erzähle dir dabei von Kindern, von eurer gemeinsamen Zukunft und lausche im Gegenzug dazu deiner Erzählung von deinem heutigen Tag. Ich merke, dass sich deine Laune ein wenig hebt. Der Seitenhieb von vorhin ist nicht vergessen, aber er rückt in den Hintergrund. Später, als du im Bett liegst, ganz eng an ihn gekuschelt, versuche ich, meinen Fehler wieder gutzumachen. Ich küsse deine Stirn, kraule dir deinen verspannten Nacken bis du lockerer als vorher in die Kissen sinkst und male dir die schönsten Bilder, die ich dir je geschenkt habe. Von Stränden, Wäldern und großen Städten, von der Freiheit des Fliegens, vom Leben unter Wasser und von deinem Alltag, wie ich ihn dir wünsche, wenn ich nicht gerade eifersüchtig auf ihn bin. Der Traum, der neben deinem Freund liegt und ihn behutsam festhält, scheint zu ahnen was ich getan habe und sieht mich strafend an. Er hat Recht, und doch kann ich es nicht ungeschehen machen. Und so begleite ich dich die Nacht hindurch, murmelnd, säuselnd und singend, bis du am nächsten Tag aufwachst und dich nur noch an Bruchstücke meines Geschenks erinnerst. Vielleicht flüstere ich dir eines Tages zu, all die Geschichten aufzuschreiben, die ich erfinde, nur für dich, eine schöner als die andere, damit du sie nicht mehr verleugnen kannst. Aber bis du sie auf Papier festhältst, werden diese Geschichten etwas sein, das nur wir zwei kennen, etwas, das uns verbindet. Etwas, das mir das Gefühl gibt, nicht mehr ganz so einsam zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)