Hunted - Gejagt (Arbeitstitel) von Ithii ================================================================================ Kapitel 2: Seltsame Begebenheiten (Damian) ------------------------------------------ ‘Dummes Mädchen. Dummes, dummes Mädchen.’ Ich lief eilig die Straße entlang und musste ständig an dieses Mädchen, dass ich auf die Fahrbahn geschubst hatte, denken. Wieso sind nur so viele Menschen so unfähig? Wieso konnte sie nicht, wie jeder normale auch, am Rand des Gehweges laufen? Nein, sie musste ja die ganze Breite einnehmen. Ich regte mich tierisch darüber auf, weil ich durch sie jetzt noch später als sonst dran war. Leise knurrend raufte ich mir kurz die Haare. Cole wird darüber nicht sehr erfreut sein. Na ja, wird schon schief gehen, ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich zu spät kam. Mich umsehend, ob jemand zusah, bog ich in eine Seitengasse ein, die ziemlich herunter gekommen schien, an deren Ende sich eine Treppe zu einem alten Kellergewölbe befand. Es war eigentlich verboten, hier runter zu gehen. Zu gefährlich, sagten die Medien und die Behörden, die dieses Verbot durchbrachten. Sie behaupteten, dort unten würden wilde Tiere herumlaufen und jeden angreifen, den sie nicht kannten oder den sie als Gefahr sehen würden. Ja, gefährlich war es wirklich, aber nur, wenn man nicht zu Cole und seiner Truppe gehörte. Es überraschte mich, dass ich noch immer an dieses Mädchen denken musste, als ich die Treppe zu dem Gewölbe hinab stieg. Ich musste grinsen, als ich an ihren wütenden Gesichtsausdruck dachte und stellte mir vor, was wohl passiert wäre, wenn ich sie noch mehr gereizt hätte. Dann hätte sie bestimmt ihre Krallen ausgefahren und mir die Augen ausgekratzt. Bei dieser Vorstellung musste ich leise lachen und schüttelte leicht den Kopf, sie sah so schwach aus, so zerbrechlich, also dachte ich mir, dass sie mich wohl kaum angefallen hätte. Und wenn doch, hätte ich sie leicht auf Abstand halten können, bei dem was ich war. Was mich an ihr aber am meisten faszinierte, waren ihre Augen. Unergründliche, schwarze Augen, die stark an eine Raubkatze erinnerten. War sie vielleicht... ? Bei diesem Gedanken schüttelte ich abermals den Kopf und dachte mir, dass es nicht sein konnte. Meine Nase lies mich in solchen Situationen nie im Stich, deswegen war ich auch so wichtig für Cole; ich konnte aus einiger Entfernung wahrnehmen, ob jemand so war wie wir oder nicht und das erleichterte die Suche nach den unseren um einiges; und sie roch garantiert nicht wie eine von uns. Sie roch wie ein ganz normaler Mensch, etwas süßlicher als die anderen, dennoch gab es keinen Anschein darauf, dass sie zu uns gehören könnte. In Gedanken versunken lief ich die endlos wirkenden, steinernen Gänge entlang, fand ohne auf die Umgebung zu achten trotzdem die richtigen Wege und Abzweigungen und kam nach endlosen Minuten, wie es mir schien, endlich da an, wo ich hin wollte. Von weitem hörte ich schon Kampfgeräusche und leises Knurren und rollte mit den Augen. Immer diese Machtspielchen untereinander. Ich ging durch den letzten Torbogen und trat in einen Raum, der eher einer unterirdischen Arena glich als irgend etwas anderem. Man konnte es sogar mit einem Kolosseum im Miniformat vergleichen. Der Raum, in dem ich stand, war Oval und in der Mitte war so etwas wie ein riesiger Käfig. Es war offensichtlich, dass der Käfig nicht die Funktion zum Einsperren hatte, sondern eher zum Schutz der Zuschauer da war. Um den Käfig herum war durchgehend eine Art Treppe, die in einer Senke nach unten ging und die als Zuschauerplätze genutzt werden konnte. Im Allgemeinen erinnerte der Raum stark an diese Arenen, die oft für die illegalen Hundekämpfe genutzt wurden. Im ganzen Raum waren verschiedene Tiere und Leute versammelt, die dem Kampf unter mir zuschauten. Ich blickte mich um und sah zwei, drei verschiedene Hunderassen, ein paar Leguane und verschiedene große und kleine Vogelarten. Cole war so eine Art Sammler von außergewöhnlichen Tieren und überall krabbelten, krochen oder hüpften irgendwelche bunten Viecher herum. Ich blieb kurz an der obersten Stufe stehen und sah den beiden Tieren, die in dem Moment in dem Käfig kämpften, zu und schüttelte grinsend den Kopf. Es gab kaum unterschiedlichere Tiere, die es miteinander aufnehmen konnten, ohne dass einer von beiden zu all zu schweren Verletzungen kommen würde. Ein Puma könnte einen Münsterländer mit Leichtigkeit auseinander nehmen, doch die beiden im Ring waren sich sehr ebenbürtig. Der Münsterländer, ein Außenstehender würde seinen Augen nicht trauen, war dem Puma sogar ein klein wenig überlegen. Noch immer grinsend ging ich am oberen Rand der Steinsenke herum, zum gegenüber liegenden Teil, an dem eine riesige Couch stand. Auf der Couch lümmelte sich Cole mit seiner Gefährtin und sah dem Kampf eher gelangweilt zu. Cole war ein breitschultriger, muskulöser Mann, der im ungefähren Alter von Mitte dreißig war. Keiner wusste genau, wie alt er war, er hatte es nicht mal seinem aller engsten Vertrauten gesagt. Man munkelte, dass es nicht mal seine Gefährtin, die nur ein paar Jahre jünger schien als er, wusste. Es interessierte aber auch kaum jemanden, denn egal wie alt Cole wirklich war, fast jeder bewunderte ihn und sah ihn als eine Art Retter an. Ich selbst sah es mehr als Zweckbündnis, da Cole mir nichts bieten konnte, außer in gewisser Weiße seinen Schutz. Seine Gefährtin war zwei Köpfe kleiner als Cole und war ziemlich schmächtig, fast schon zu dünn. Cole hob seinen Blick von den Kämpfenden, als er mich bemerkte und ein böses Lächeln stahl sich auf seine Lippen. “Du bist spät, Damian. Wieder mal.”, sagte er zur Begrüßung. Ich senkte kurz mein Haupt, eine leichte Verbeugung andeutend und nickte kurz. “Ich weiß. Verzeiht. Ich wurde aufgehalten.”, entschuldigte ich mich. Cole hob die Hand und wedelte kurz damit, mir bedeutend, dass er jetzt keine Ausreden hören wollte und ich mich setzen sollte. Er wendete seinen Blick wieder auf die Kämpfenden, die jetzt beide aus dem Käfig und jeder zu einer anderen Tür ging. Ich wusste, dass ich mich auf eine Strafe gefasst machen konnte, setzte mich dennoch auf eines der Sitzkissen, die zu Füßen der Couch lagen. Cole lies jetzt seinen Blick suchend über die Anwesenden gleiten, schien zu überlegen. “Ben!”, rief er dann plötzlich. Kurz darauf erschien ein dunkel-grauer Wolf und stellte sich mit ehrfürchtig gesenktem Kopf vor Cole. “Wo ist James? Er sollte doch schon längst wieder von seinem Erkundungsausflug zurück sein.”, fragte Cole direkt an den Wolf gerichtet. Ben hob seinen Kopf und schüttelte diesen leicht, blickte dabei ahnungslos drein, sogar etwas sorgenvolles war in seinem Blick zu lesen. In dem Moment kam eine Frau, mit langen, dunklen Haaren und nur in einen schwarzen Umhang gehüllt, aus einer der Türen, wo vorher die beiden Tiere verschwunden waren und Cole sah zu ihr, begann zu lächeln. Auch der Wolf sah zu der Frau, senkte jedoch fast sofort wieder seinen Blick und trottete zur Seite, setzte sich neben die Couch und starrte in die Richtung des Käfigs. Doch sein Blick war leer und man merkte sofort, dass er in Gedanken war. Ob sein Denken bei der Frau oder bei James war, konnte man jedoch nicht sehen. “Oh, Damian. Du beehrst uns heute auch noch? Welch Wunder.”, begrüßte die Frau mich und grinste breit. “Hallo Janie.”, grüßte ich knapp und kühl zurück. Janie setzte sich neben mich, auf eines der anderen Sitzkissen und lehnte einen Arm gegen die Couch, legte ihren Kopf in die Handfläche und sah mich grinsend an. Ich hob meinen Blick, musterte sie fragend blickend. Sie hätte hübsch sein können, mit ihrem allzu perfekten, herzförmigen Gesicht, den mandelförmigen, dunklen Augen, der geraden Stupsnase und den genau richtig sitzenden Wangenknochen. Ihre Lippen hatten genau das richtige Maß, waren nicht zu dünn und nicht zu voll. Doch eine ziemlich große Brandnarbe, die sich von ihrer rechten Wange, über den Hals und fast die ganze Schulter zog, entstellte das hübsche Gesicht. Es hieß, Cole hätte sie, als sie noch ein kleines Kind war, aus einem brennenden Haus gerettet, ob es der Wahrheit entsprach wusste jedoch niemand. “Warum grinst du so?”, fragte ich sie und konnte ein leises Fauchen in der Stimme nicht unterdrücken. Ich konnte Janie nicht leiden, sie hatte so eine überaus überhebliche Art an sich und schien sich selbst für etwas besseres zu halten, nur weil sie so eine gute Beziehung zu Cole pflegte und bei ziemlich vielen Dingen von ihm bevorzugt wurde. Für Cole war sie, nach seiner Gefährtin, die wichtigste Person in seinem Umkreis, oder wie er es gern nannte: seiner ‘Familie’. Er bezeichnete uns alle als seine Familie und sich selbst als Familienoberhaupt, wobei es eher einer Sekte glich, was hier vor sich ging. Janie grinste auf meine Frage hin nur noch breiter und fuhr sich kurz mit der Hand, die sie gegen die Couch gelehnt hatte, durch ihre Haare, lies den Arm dann sinken und sah mich an. “Nun ja. Du bist schon wieder mal zu spät. Was sollen wir mit dir nur anstellen, Damian?”, ironisch den Kopf schüttelnd lies sie ihren Blick zu Cole wandern. Cole hatte die ganze Zeit auf den Türbogen, aus dem ich gekommen war, gestarrt und unserem Gespräch nicht gefolgt. Er lies seinen Blick jetzt von der Tür schweifen und sah sich kurz nach Ben um, bemerkte ihn neben der Couch. “Nun gut... Ich werde noch...”, Cole brachte seinen Satz nicht zu Ende. In dem Moment, in dem Cole ausreden wollte, hörte man plötzlich lautes Knurren, ein Geräusch, dass sich stark nach einem brechenden Knochen anhörte und ein schmerzerfülltes aufheulen. Das Jaulen lies mir die Nackenhaare zu Berge stehen und ich biss die Zähne zusammen, ballte die Hände zu Fäusten. Ich blickte zu der Tür, die ich Minuten vorher durchquert hatte, als ein Silber-grauer Wolf, etwas größer als Ben, mit einem nur halb so großen Luchs im Schlepptau eintrat. Der Wolf hatte seine Zähne in eines der Hinterbeine des Luchses gesenkt und zerrte ihn fast schon hinter sich her. Cole musterte die beiden kurz und erhob sich dann, streckte seine Arme zu einer grüßenden Geste etwas nach vorne. Janie folgte ihm und stellte sich etwas schräg rechts hinter Cole. “Aah... James! Gerade haben wir über dich gesprochen. Sag, wen bringst du mir da mit?”, sagte Cole direkt an den Wolf gerichtet und es klang fast schon väterlich. Ben schnaubte kurz erleichtert auf, ging zu einem nahe gelegenen Tisch und zog ein Bündel Stoff herunter. Er ging mit dem Bündel in der Schnauze zu James und lies dieses vor seine Füße fallen. James nickte Ben dankend zu, hob es auf und verschwand kurz in einem Nebenzimmer. Ben blieb derweil bei dem Luchs, der sich mittlerweile ängstlich auf dem Boden zusammen gekauert hatte und vorsichtig seine Wunde untersuchte; und behielt ihn aufmerksam im Blick, drauf und dran ihn anzugreifen, sollte er versuchen zu fliehen. Nach ein paar Minuten kam ein junger Mann, mit hellen, schulterlangen Haaren aus dem Zimmer, in dem der Wolf verschwunden war, mit nur einem schwarzen Umhang bekleidet und ging auf Cole zu. Er strich Ben noch einmal dankend über den Kopf, ehe er sich vor Cole kniete und ehrfürchtig den Kopf neigte. “Meister, verzeiht, dass ich zu spät komme, aber das Biest wehrte sich und entwischte mir ein paar mal.”, entschuldigte sich der junge Mann. Cole legte ihm kurz eine Hand, fast schon tätschelnd, auf den Kopf und lächelte. Das Lächeln war nicht so böse wie es bei mir war, dennoch war es nicht freundlich, eher belustigt. “Schon gut, James. Letztendlich kommt es ja doch nicht darauf an ob man pünktlich ist, sondern wen oder was man dabei hat. Nicht wahr?”, sagte Cole sanft, dennoch hörte man eine unterschwellige Bedrohung heraus. Cole´s Blick schweifte zu mir, wieder das böse Lächeln auf den Lippen, sah kurz auf James hinab und dann zu Ben und dem Luchs. James hob den Kopf, nachdem Cole seine Hand weg gezogen hatte und stand auf. Er drehte sich zu dem Wolf und dem Luchs herum und ging auf die beiden zu. Dort angekommen packte James den Luchs unsanft im Nackenfell und hob ihn an, das Tier jaulte leise. “Nun, James. Erzähl... Wer ist das? Und wo hast du ihn gefunden?”, fragte Cole, etwas Ungeduld in der Stimme. “Ich erwischte sie, wie sie in der Gasse oben herum schnüffelte, Meister.”, erzählte James. “Sie wollte hier herunter gehen, lief dann aber davon, als sie mich bemerkte. Ich lief ihr hinterher und schnappte sie gerade noch rechtzeitig, bevor sie aus der Gasse fliehen konnte.” James lies den Luchs los, als er zu Ende erzählt hatte und sah Cole an, abwartend wie er urteilen würde. Cole legte einen Finger an sein Kinn, tippte leicht dagegen, schob seine Lippen etwas nach vorne und schien zu überlegen. “Nun gut, wollen wir doch mal hören, was sie zu sagen hat. James, Ben, geht doch schon mal mit unserem... Gast vor. Ich komme gleich nach.”, sagte Cole und wartete nicht darauf, dass die beiden verschwanden, er drehte sich direkt zu mir herum. Ben und James verbeugten sich kurz vor Cole. James nahm den Luchs wieder im Nackenfell und zog sie hinter sich her aus dem Raum heraus, Ben trottete ihm hinterher. “Und du...”, Cole zeigte kurz mit einem Finger auf mich und sah mich etwas zornig an. “Du gehst gefälligst wieder an die Arbeit. Und ich hoffe für dich, dass du das nächste Mal pünktlich bist oder wenigstens jemanden für mich dabei hast.” Als Cole den Satz beendet hatte nickte er seiner Gefährtin, die sich darauf hin erhob, und Janie kurz zu, die ihm beide aus dem Raum hinaus folgten, Ben und James hinterher. Ich seufzte leise und streckte mich noch mal auf dem Sitzkissen am Boden aus, lehnte mich etwas nach hinten und stützte mich auf meine Arme ab, streckte meine Beine aus und überkreuzte die Knöchel. In der Position sitzend überlegte ich erstmal, wo ich anfangen könnte und beobachtete nebenbei das bunte Treiben der verschiedenen Tiere und Leute. Sie hatten mittlerweile in lockere Gespräche gewechselt, jetzt da keiner mehr im Käfig kämpfte und Cole nicht mehr im Raum war. Meine Gedanken schweiften zu dem Luchs, den James angeschleppt hatte und irgendwas an ihr kam mir bekannt vor. Als es mir einfiel, seufzte ich leise und legte meinen Kopf in den Nacken, schloss dabei die Augen. Ich hatte den Luchs vor ein paar Tagen schon mal gesehen und sie auch gestellt gehabt, aber sie bat mich, sie ziehen zu lassen. Von ihr ging keine Gefahr aus, uns verraten zu können, also lies ich sie gehen. Denn ich wollte niemanden, der ohne Führung sein merkwürdiges Leben leben konnte, in eine Art Knechtschaft unter Cole zwingen. Ich hatte ihr gesagt, sie solle ja nicht in die Nähe dieser Gasse oben kommen, denn es gab noch andere, die nicht so dachten wie ich. James und Ben waren unerbittlich und brachten ausnahmslos jeden zu Cole. Grummelnd wischte ich den Gedanken beiseite, erhob mich von dem Sitzkissen und beschloss erst mal etwas essen zu gehen. Ohne einen Blick auf die anderen Lebewesen im Raum zu werfen ging ich zurück zu dem Gang, von dem ich gekommen war und eilte diesen entlang. Endlich in der Seitenstraße oben angekommen, atmete ich erst einmal tief durch. Es war zwar schön kühl in diesem Gewölbe, aber irgendwie war die Luft ziemlich stickig, einengend, man konnte fast schon von einem klaustrophobischen Gefühl reden. Ich durchquerte die Gasse und wendete mich dann, am Ende angekommen, nach rechts, in die Richtung der Marktstraße. In Gedanken vertieft ging ich an der Hauptstraße entlang und zu meiner Überraschung musste ich schon wieder an diese Chiara denken. Ihre Augen gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wie sie vor Zorn funkelten und sogar noch schwärzer wirkten, als sie eh schon waren. Schmunzelnd bog ich in die Marktstraße ein und sah mich nach einem geeigneten Restaurant um, entschied mich dann aber für das Bistro. Gutes Essen für wenig Geld war immer gut. Ich ging bis fast zum Ende der Straße und setzte mich an einen der Tische, die sie vor das Bistro gestellt hatten. Auf den Kellner wartend beobachtete ich die Leute, die an dem kleinen Restaurant vorbei gingen. Die meisten davon gingen gerade von der Arbeit nach Hause oder bummelten einfach so in der kleinen Einkaufsmeile. Als der Kellner endlich kam, bestellte ich mir eine Cola und eine Schinkenpizza und lies dann, wieder wartend, meinen Blick weiter über die Leute schweifen, die vorbei eilten und spazierten. Nach etwa fünf Minuten fiel mein Blick auf eine Person bei der ich breit grinsen musste. Es war ein Mädchen, das einen grell bunten, kurzen Rock und ein dazu passendes grell buntes Oberteil und Jacke anhatte, mit dunkelrot gefärbten Haaren die scheinbar auf mich zukam. Als sie fast direkt vor mir war bemerkte sie meinen Blick, sah mich unsicher grinsend an und ging an mir vorbei, setzte sich dann an einen weiter von mir entfernten Tisch. Sie sah sich ständig um und ab und zu auf ihre Uhr, scheinbar wartete sie auf jemanden. Nachdem ich sie noch kurz gemustert hatte, widmete ich mich wieder den Leuten, die am Bistro vorbei liefen. Ich nahm aber eher schlecht als recht etwas wahr, von den Menschen. Ich war schon wieder in Gedanken vertieft. Diesmal waren meine Gedanken aber bei dem grell bunt gekleideten Mädchen und ich fragte mich, warum sie gerade solche Klamotten trug. Entweder, sie wollte um jeden Preis auffallen oder es war ihr wirklich egal, was sie trug. Mein Blick schweifte abermals zu ihr und ich bemerkte, dass sie mich ebenfalls ansah. Sie grinste wieder verlegen, als ich ihren Blick erwiderte sah sie auf ihre Hände hinab. Nach weiteren, endlos scheinenden fünfzehn Minuten, kam endlich meine Pizza und ich versuchte mich auf das Essen zu konzentrieren, musste aber grinsen, da sich das Mädchen ständig in meine Gedanken schlich. Nachdem ich die Pizza zur Hälfte gegessen hatte, hob ich den Kopf um etwas zu trinken und sah zu dem Mädchen hinüber, dass jetzt ein Glas vor sich stehen hatte. Sie blickte noch immer ab und zu auf ihre Uhr, als sich ihr von hinten leise ein Junge näherte und seine Hände auf ihre Augen legte. Mit verstellter Stimme fragte er sie: “Wer bin ich?” Das Mädchen begann zu kichern und nahm seine Hände von ihren Augen, drehte sich halb zu ihm um und begrüßte ihn. “Hi Mike.”, grinste sie ihn an. “Na? Hast du lange gewartet?”, fragte der Junge, der wohl Mike hieß, mit einem Blick auf ihr halb geleertes Glas. “Nein. Eigentlich nicht. Ich war etwas zu früh da.”, sie zuckte mit den Schultern. Der Junge ging um den Tisch herum und setzte sich ihr gegenüber. Das Gespräch der beiden ging mich nichts an und es wäre unhöflich, wenn ich lauschen würde, also widmete ich mich wieder meiner Pizza, versuchte nicht auf ihr Gespräch zu achten. Meine Gedanken schweiften schon wieder ab und landeten wieder bei dem Luchs, den James heute angeschleppt hatte. Ich hoffte für sie, dass es gut ausging und dass Cole sie aufnehmen würde. Denn die andere Möglichkeit wünschte man keinem. Jeder der unseren, der sich nicht Cole´s Truppe anschloss, war in seinen Augen eine Gefahr für uns und musste beseitigt werden. Es gab keine Gnade. Für niemanden. Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um den Gedanken wegzuscheuchen und überlegte, wo ich heute anfangen sollte zu suchen. Mir wollte nichts einfallen, wo ich noch suchen könnte, denn ich hatte schon fast die ganze Stadt abgeklappert. Es wunderte mich, wo James und Ben immer wieder einen der unseren fanden. Na gut, bei der Tatsache, dass ich mehr als die Hälfte, die ich fand, wieder gehen lies, da sie in meinen Augen keine Gefahr waren, war es kein Wunder, dass die beiden so viele anschleppten. Aber ich konnte auch nicht groß etwas dagegen unternehmen, dass die meisten von uns früher oder später Cole in die Hände fielen. Irgendwann hatte ich wohl so eine Art ‘kalte Schulter’ dafür entwickelt und es war mir mittlerweile egal, dass Ben und James diejenigen zu Cole brachten, die ich gehen lies. Ich fragte mich gerade, wie es dem Luchsmädchen wohl ergangen war und ob es ihr gut gehen würde, da hörte ich bei dem Mädchen und diesem Mike etwas, dass mich aufhorchen lies. Das Mädchen hatte gerade von einer ‘Chia’ gesprochen und ich hob meinen Kopf, sah zu den beiden und lauschte jetzt doch. “Chia meinte heute in der Schule, ich solle zu dir hingehen und dich fragen.”, sagte das Mädchen. “Und dann bin ich dir zuvor gekommen?”, fragte der Junge und man konnte das Grinsen in seiner Stimme heraushören. “Na ja, zuvorgekommen ist vielleicht etwas falsch ausgedrückt. Ich hab mich nicht getraut, zu dir hinzugehen.” Das Mädchen errötete leicht und senkte ihren Blick auf ihre Hände, ich musste grinsen. Scheinbar mochte sie diesen Jungen ziemlich. Und sie kannte wohl dieses Mädchen, dass ich heute Nachmittag auf die Fahrbahn gestoßen hatte. Darüber nachdenkend, ob ich zu dem Mädchen gehen und sie über Chiara ausfragen sollte, aß ich den Rest meiner Pizza auf. Als ich zu dem Entschluss kam, sie wirklich danach zu fragen, hob ich meinen Blick und sah zu dem Tisch der beiden. Doch sie waren nicht mehr da. Ich blickte mich um und sah gerade noch, wie die beiden in ein Büchergeschäft gingen. Leise seufzend nahm ich einen Schluck von meiner Cola und kam zu einem weiteren Entschluss. Es brachte wohl nichts, hinterher zu laufen und dieses grell bunt gekleidete Mädchen auszufragen. Ich entschied mich, darauf zu hoffen, Chiara irgendwann mal wieder zu sehen und sie selbst zu befragen, denn ihre Augen waren wirklich seltsam, zumindest für normale Menschen. Es überraschte mich dennoch, dass mir dieses Mädchen nicht mehr aus dem Kopf ging. Das war wirklich eine Premiere, denn so etwas war mir noch nie vorher passiert. Nachdem ich meine Cola ausgetrunken hatte, streckte ich mich auf dem Stuhl etwas aus. Ich verschränkte meine Finger und legte sie auf meinen Kopf, streckte meine Beine aus und überkreuzte die Knöchel. In der Position sitzend, wartete ich auf den Kellner um zu bezahlen. Der Kellner kam auch schon kurze Zeit später und brachte mir die Rechnung. Ich bezahlte, stand von dem Stuhl auf und schlenderte Richtung Marktplatz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)