Superbia [TYL!Squalo X Reader] von gluecklich (Kinder und Betrunkene sagen immer die Wahrheit.) ================================================================================ Kapitel 5: Superbia ------------------- Stolz Du fühlst dich elendig. Die Arbeit ist das einzige, was dich davon abhält, dich von der monströsen Klippe hinter dem Varia-Anwesen zu stürzen. Jack lenkt dich ab; manchmal hast du sogar das Gefühl, er wisse, was mit dir los ist und baut deshalb absichtlich mehr Mist als sonst. Damit du was zu tun hast. Fakt ist, dass du dir mittlerweile absolut sicher bist: Du bist in Squalo verliebt. Und Fakt ist auch, dass du das scheiße findest. Es kommt phasenweise. Hin und wieder sitzt du einfach nur in diesem Anwesen und trägst ein seliges Lächeln auf den Lippen, weil du diesen Kerl schlicht und einfach anhimmelst. Egal, was er tut, du findest ihn unwahrscheinlich attraktiv und allein die Tatsache, dass er existiert, versetzt dich in vollkommene Glückseligkeit. Das sind dummerweise die selteneren Phasen. Meistens versetzt dich Squalos Existenz in etwas völlig anderes und du wünschst dir, du hättest diesen Bastard nie kennen gelernt. Ehrlich, wer verliebt sich schon in Superbi Squalo? Das ist selbstzerstörerisch. Das ist dumm. Schlicht und ergreifend dumm. Ja, er sieht gut aus. Verdammt gut sogar. Du fandest ihn schon attraktiv, als du ihn zum ersten Mal gesehen hast (auch wenn du es damals noch nicht zugeben wolltest), und da war er noch ein 14jähriger Hosenscheißer. Jetzt sieht er noch besser aus, viel besser sogar. Und du magst seine Art. Vielleicht, weil er einfach nicht so ist wie du und es dir schwerfällt, ihn zu verstehen. Das macht ihn interessant. Das Laute, das Aufbrausende und diese komplette Aufopferung für die Varia und einen Boss, der ganz offensichtlich ein ziemliches Arschloch ist. Das mit Squalo und Xanxus funktioniert wahrscheinlich nur deshalb, weil Squalo eben auch ein Arschloch ist. Das ist ja dein Problem. Man kann nicht einfach zu einem Arschloch marschieren und ihm sagen, dass man verliebt ist und nun gefälligst eine Beziehung haben will. Einerseits, weil ein Arschloch sicherlich irgendetwas Mieses und äußerst Unbefriedigendes darauf erwidern würde. Und andererseits, weil man dann zugeben müsste, dass man sich eben in ein verdammtes Arschloch verliebt hat. Es ist genau das, was du nicht tun willst. Du hast dich Squalo immer als alleinstehende, starke Frau präsentiert, die niemanden an ihrer Seite braucht, und schon gar niemanden, der ständig herumbrüllt und Befehle gibt. Du willst nicht zugeben müssen, dass ausgerechnet du ausgerechnet so jemanden an deiner Seite willst. Du bist zu stolz. Ach, und davon abgesehen hast du noch einen Haufen anderer Probleme mit dieser Sache. Einfach alles daran ist falsch. Du hast dir vorgenommen, hier bei Jack zu bleiben, deinen Job zu machen und darauf zu warten, dass die Gefühle wieder weggehen. Werden sie sicherlich irgendwann, ist ja immer so. Und bis dahin musst du dir einfach größte Mühe geben, nicht weiter darüber nachzudenken… »Fragst du dich, was aus seinen Freundinnen geworden ist?« Gar nicht so einfach. Ja, das hast du dich tatsächlich schon ein paar Mal gefragt. Und die Antworten, die deine Phantasie dafür ausgespuckt hat, fandest du nie besonders ermutigend. Als du aufsiehst, liegt Jack bäuchlings auf dem Teppichboden, zwischen einem Meer aus Buntstiften. Den schwarzen hält er noch in der Hand, auf dem Blatt vor ihm kannst du jedoch noch nichts erkennen. Er sieht dich mit seinem üblichen Stirnrunzeln an; du hast erst vor Kurzem wirklich gelernt, die feinen Nuancen in seiner Mimik und seiner Stimme zu deuten. Heute hat er gute Laune. »Die drei, die verreckt sind«, fügt er hinzu, und du glaubst, zu spüren, wie sich dein Magen umdreht. »Sag bloß, du weißt was darüber«, meinst du und grinst, versuchst, so zu tun, als seist du einfach nur neugierig. »Hab Daddy gefragt«, erklärt Jack sachlich. »Weil ich dachte, Squalo hat die alle umgebracht.« »Hat er also nicht«, stellst du fest, ignorierst, wie erleichtert du plötzlich bist, und Jack kichert – ein seltenes Phänomen. »Nicht direkt«, sagt er. Du spürst, wie die Erleichterung wieder schwindet. »Daddy meinte, die sind alle wegen irgendwelchem Mafia-Zeug gestorben. Familienkriege und sowas, und einmal hat wohl auch irgendein Depp die Varia selbst angegriffen. Da sind dann Squalos Freundinnen immer verreckt. Weil er ihnen einfach nicht geholfen hat.« Der Groschen fällt. Jack wendet sich wieder seinem Bild zu und dir ist schlecht. »Er hätte sie also beschützen können«, sagst du, »hat das aber nicht getan und deswegen … wurden sie getötet?« Jack zuckt mit den Schultern. »Daddy hat gesagt, das waren eh alles nur Fickdinger. … Fickstücke. Hat er gesagt.« »Dein Daddy ist ein sehr charmanter Mann«, murmelst du, entlockst Jack damit ein Grinsen und ziehst dann die Beine an, bis deine Füße auf der Sitzfläche des Sofas ruhen und du vorsichtig das Kinn auf deine Knie legen kannst. Jetzt weißt du also, was aus Squalos Beziehungen geworden ist. Jack hatte schon ganz Recht mit seiner Wortwahl, er hat sie »nicht direkt« umgebracht. Es war wohl eher sowas wie fahrlässige Tötung. Weil sie ihm nie wichtig genug gewesen waren, als dass er sie bei einem Angriff beschützt hätte. Sie waren ihm die Mühe nicht wert, weil er sowieso nichts für sie gefühlt hat. Warum auch? »Fickstücke« - Bettbeziehungen. Mehr nicht. Und egal, wie verliebt du in ihn bist, denkst du, du wirst nie eine Chance haben, mehr als das zu werden. Du wirst nie mehr als seine Bettbeziehung sein können und auch dich wird er nie schützen wollen, wenn es darauf ankommt. Du willst ja auch keine Bettbeziehung sein, und du brauchst keine Hilfe. Normalerweise. Was Squalo angeht, wärst du über ein bisschen Sex auch schon froh, einfach weil es gottverdammt nochmal Squalo ist. Und was die Hilfe angeht… Du lebst jetzt in der Varia. Ein bisschen Schutz schadet hier nie. »Wusstest du, dass Bel und Mammon letzte Woche den Flur in Brand gesetzt haben?«, fragt Jack auf einmal. Er klingt beiläufig, doch dir entgeht nicht, dass seine Stimme etwas leiser geworden ist. Du nickst. »Klar«, sagst du. »War ja direkt vor meiner Tür.« Du kamst abends von der Arbeit und durftest feststellen, dass die gegenüberliegende Seite noch immer völlig verkohlt war. Die beiden hatten wohl mal wieder eine ihrer heftigeren »Trainingseinheiten«. Auch Jack nickt jetzt, ohne dich anzusehen. Noch immer kannst du beim besten Willen nicht erkennen, was er da gerade malt. »Squalo hat die beiden später voll zusammengeschissen«, erzählt er gedämpft, und in seinem Tonfall schwingt etwas Belehrendes mit, was du nicht wirklich verstehst. »Dass sie hirntote Trottel sind und dass er ihnen die Ärsche aufreißt, wenn das nochmal passiert.« Jack wiegt beim Sprechen den Kopf hin und her und du weißt, dass er Squalo gerade wörtlich zitiert. »Und dass sie gern das ganze Haus in die Luft jagen können, nur nicht diesen Flur.« Du blinzelst. »Was?«, fragst du, aber Jack geht nicht darauf ein. »Und dass sie verficktes Glück hatten, dass sie die andere Seite erwischt haben und du gar nicht da warst, weil er sie beide zerstückelt hätte, wäre dir dabei irgendwas passiert…« Lautes, hysterisches Lachen steigt in deiner Kehle auf und du hältst es nur mühsam zurück. »Da-das hat er gesagt?«, hakst du nach, kannst das wackelige Grinsen in deinem Gesicht plötzlich selbst nicht mehr kontrollieren. »Jop«, sagt Jack. Seine Füße baumeln in der Luft, er ist immer noch damit beschäftigt auf sein Blatt zu kritzeln. Das ist gut, weil er so deine Euphorie nicht mitbekommt. Denkst du. »Na ja, Daddy hat ihm ja ganz am Anfang gesagt, er soll aufpassen, dass dir hier nichts passiert… Aber das war bei meinen anderen blöden Kindermädchen auch sein Job und da war’s ihm immer egal.« Dein Kinn liegt noch immer auf deinen Knien, du sitzt noch immer zusammengekauert auf dem Sofa, doch mittlerweile beobachtest du Jack mit einem breiten Lächeln. Vielleicht heißt es nichts, vielleicht machst du dir auch spontan zu viel aus dieser Sache – aber Squalo hat dich vor seinen Kollegen geschützt. Nachdem er sich bei keiner der vorigen diese Mühe gemacht hat, weder bei Kindermädchen, noch – nun ja – bei seinen Beziehungen. Vielleicht interpretierst du zu viel hinein. Aber für den Moment macht dich das einfach nur unglaublich glücklich. Einen Tag später stehst du vor Squalos Zimmertür. Um genau zu sein, stehst du dort nun schon ziemlich lange. Du weißt nicht mehr, wie du hierhergekommen bist und was du dir dabei gedacht hast, und deine Füße tun weh, aber das bemerkst du gar nicht. Zehn Minuten. Du stehst seit zehn Minuten hier und starrst das dunkle Holz an, und nichts passiert. Dein Hirn fühlt sich an wie Wackelpudding. Zumindest ist das deine Assoziation – warum auch immer. Du kannst keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Der einzige Grund, weshalb du Squalo noch nicht direkt auf den Boden vor seinem Zimmer gekotzt hast, ist, dass du dich dafür minimal konzentrieren müsstest und selbst das nicht kannst. So bemerkst du nicht einmal, dass dir schlecht ist. Du willst klopfen. Aber du kannst nicht. Du willst nach ihm rufen. Aber du kannst nicht. Du willst dich bei ihm bedanken, einfach weil er seit Monaten seine Arbeit macht und bei dir ist, und dich auch noch verteidigt. Aber du kannst nicht. Du willst ihm alles sagen, alles gestehen, alles erzählen. Du willst ihm beichten, wie beeindruckend du ihn damals schon fandest. Du willst ihm erklären, dass diese Bewunderung zurückgekehrt ist, und dass es jetzt noch viel mehr als nur Bewunderung ist. Du willst zugeben, dass du ihm zu Füßen liegst, obwohl du selbst nicht ganz weißt, wieso. Du willst ihm sagen, dass er dich fasziniert und dass du bei ihm sein willst, immer. Du willst ihm sagen, dass du glaubst, dass du ihn liebst. Aber du kannst nicht. Lieben bedeutet Schwäche. Das ist okay, Schwäche kann man sich gönnen. Aber nicht vor Superbi Squalo. Du kannst es einfach nicht, du kannst ihm nicht ins Gesicht sehen und zugeben, dass du schwach geworden bist. Seinetwegen. Nur seinetwegen. Es geht nicht. Du bist zu stolz. Dein Blick driftet ab, du schluckst schwer. Ohne die Tür angerührt oder einen einzigen Laut von dir gegeben zu haben, wendest du dich ab und gehst. Squalo sitzt am selten genutzten Schreibtisch in seinem gigantischen Zimmer, das eigentlich viel mehr eine Suite ist, und starrt das Blatt an. Zum wievielten Mal? Das weiß er nicht. Er fühlt sich, als säße er in jeder freien Minute hier, um dieses verfickte Blatt anzustarren. Er weiß nicht, dass Jack das Bild in deiner Gegenwart gemalt hat. Er hat es zusammengefaltet und weggesteckt, bevor du es dir ansehen konntest, und vom Sofa aus konntest du die ganze Zeit nicht erkennen, was die Zeichnung darstellen soll. Jack hat es mitgenommen und am nächsten Morgen, bevor du zu ihm gestoßen bist, unter Squalos Zimmertür durchgeschoben. Squalo wünscht sich, er hätte es übersehen, oder einfach weggeworfen. Er wünscht sich, er hätte es nicht auseinandergefaltet und er wünscht sich vor allem, er hätte es nicht auf seinen Schreibtisch gelegt. Denn nun liegt es hier und er kann nicht aufhören, es anzustarren. Er kann einfach nicht aufhören. Jack zeichnet so, wie fünfjährige Jungen eben zeichnen. Aber Squalo kann euch problemlos erkennen. Sich selbst und dich. Mit seiner unsicheren Anfängerschrift hat Jack unter Squalos Gesicht »Abschaumfisch« und unter dein Gesicht deinen Namen gekrakelt. Zwischen den beiden Wörtern ist ein ungelenkes, großes, rotes Herz. Squalo ist nicht verliebt. Squalo war noch nie verliebt und wird es auch nie sein. Aber er kennt sich gut genug, um zu wissen, dass da etwas ist, etwas mit ihm und dir. Er kennt sich gut genug, um zu wissen, dass er auf dich steht. Und dass er nicht nur auf dich steht, weil er dich gern vögeln würde, so wie es beim Rest war, sondern auch, weil er dich eben irgendwie ein bisschen mag. Er weiß das. Er hat es eingesehen und er akzeptiert es. Aber dass Jack es offenbar auch sieht, bringt ihn durcheinander. Weil es eigentlich niemand sehen soll. Und am allerwenigsten du. Er kann sowas nicht zugeben, nicht zeigen. Er kann dich sowas nicht merken lassen. Nicht er. Nicht Superbi Squalo. Er ist zu stolz. Mühsam wendet er den Blick vom Gekritzel eines Kindes ab, schluckt schwer. Mit der Überzeugung, über diese Sache einfach die Klappe zu halten, bis sie wieder vorbei ist, erhebt er sich und geht. Zwischen euch ist es still geworden. Vielleicht ist Squalos Phase, in der er gerne mit dir kommuniziert hat, schon wieder vorbei, denkst du dir. Er sitzt noch oft neben dir auf dem Sofa, während du dich mit Jack beschäftigst, das muss er ja, das ist ja sowas wie sein Nebenjob. Aber ihr redet nicht mehr viel. Ihr sitzt einfach nur da und schweigt euch an, und du beobachtest Jack in diesen Momenten krampfhaft, weil er der einzige ist, der dich noch irgendwie ablenken kann, ohne, dass du dich fühlst wie eine hoffnungslose Psychopathin. Wie konntest du dich nur jemals so sehr in jemanden verlieben? Du weißt keine Antwort – jedenfalls keine, die sich in Worte fassen lässt. Wenn du den Fehler begehst, zur Seite zu schielen und Squalo anzublicken, glaubst du, dass irgendwas in dir drin eine Antwort weiß. Du könntest sie nur niemals aussprechen. Und du weißt, dass das nur bedeutet, dass du immer noch verliebt bist. Viel zu sehr. Viel zu sehr. Du standest noch ein paar Mal vor seiner Tür. Jedes Mal bist du irgendwann einfach wieder gegangen. Es geht nicht, du kannst es nicht sagen, niemandem, nicht einmal dir selbst. Weil du noch immer zu stolz bist. Viel zu sehr. Im Moment ist Squalo nicht in deiner Nähe und darum bist du sehr froh. Du machst einen Ausflug mit Jack, in einen Zoo in der Gegend, und sein Vater war schlau genug, Squalo dort nicht als Bodyguard hinzuschicken. Ihr habt ein paar »Wächter« dabei, die immer wieder unauffällig verteilt auf dem Gelände herumstehen und aufpassen, dass niemand versucht, euch zu fressen. Meistens fallen sie nicht einmal dir auf. Und einen ganzen Tag lang so ruhig und nahezu unsichtbar irgendwo herumzustehen, würde Squalo eben nicht durchhalten. Deshalb darf er wieder irgendwo in Italien herumlaufen und Leute töten, während du dir mit Jack friedlich ein paar Tiere anschaust. Einige der Tiere scheinen Angst vor Jack zu haben, und Jack scheint das furchtbar zu amüsieren. Andere fühlen sich offenbar unglaublich zu ihm hingezogen – Löwen zum Beispiel – und das amüsiert ihn genauso. Der Junge fasziniert dich, und du bist dankbar. Das bringt dich auf andere Gedanken. Aber nicht die ganze Zeit. Jack wollte ein Eis essen, und du hast ihm natürlich eines spendiert. Aber dass die Eisbude ausgerechnet hier ist, ist wirklich schlecht. Ihr sitzt nebeneinander auf der Bank neben dem kleinen Häuschen, das das Eis verkauft – und direkt vor dem gigantischen Haibecken. Dumme Viecher. Dumme, hässliche Viecher, denkst du. Sie schwimmen in großen Runden an euch vorbei und du wirst das Gefühl nicht los, dass sie dich gedanklich auslachen, weil du hier sitzt und sie angaffst, und dich das einfach nur bedrückt. Nur das. Nur die Tatsache, dass dort Haie sind. Das ist doch lächerlich, das ist kindisch. Aber du kannst es nicht ändern. Jack kann dich ablenken, so viel er will, es ist alles vergessen, seit du hier sitzen und diese Tiere beobachten musst. Du willst nicht an Squalo denken müssen, du willst ihn vergessen, damit du dich nicht mehr damit quälen musst. Aber das geht nicht so leicht. Um genau zu sein, geht es gar nicht. Deshalb sitzt du nun hier, neben Jack, der still sein Eis leckt, und blickst trüb in das große Becken, in dem die riesigen Fische kreisen und dich verspotten. »Ich find es scheiße, dass du jetzt immer so traurig bist.« Jack hat sein Eis so still geleckt, dass du nicht mitbekommen hast, dass er schon fertig ist. Irritiert drehst du den Kopf zur Seite, blinzelst zu ihm hinab und musst feststellen, dass der Blick, mit dem er dich ansieht, ein wenig beängstigend ist. Jack wirkt richtiggehend angefressen, als sei er sauer auf dich. Das war er noch nie. »Was?«, fragst du geistreich, versuchst noch, seine plötzliche Wortmeldung als kindischen Einfall abzutun. »Jack, ich bin nicht…« »Nur wegen Squalo.« Er hat dich nicht ausreden lassen, stattdessen blickt nun er die Haie an, verschränkt die Arme und bläht die Wangen auf. Und gleichzeitig klappt deine Kinnlade herunter. War es etwa die ganze Zeit so offensichtlich? So offensichtlich, dass es sogar ein Fünfjähriger kapiert hat? Nein, das kann doch eigentlich nicht sein, das ist unmöglich. Jack ist noch klein, jung und genauso sensibel wie sein Vater – gar nicht. Du beschließt, dass du dich schleunigst verteidigen musst. »Das…« Aber er unterbricht dich erneut. »Du bist verknallt!«, erzählt er dem Haibecken energisch. »Das ist doch klar. Mann. Und Squalo auch. Und ihr seid beide blöd.« Wärst du nicht so vor den Kopf gestoßen, hättest du seine offensichtlich sehr frustrierte Vehemenz unglaublich liebenswert gefunden. Aber so wirft er dich einfach nur noch mehr aus der Bahn. Du schluckst, schüttelst vorsichtig den Kopf. »Jack, was redest du denn da?«, fragst du leiser. »Ich bin nicht traurig, und… Und Squalo und ich sind ganz bestimmt nicht verknallt.« Du hast versucht, genauso energisch zu sprechen wie der Kleine, aber es klappt einfach nicht. Es ist falsch. Du bist traurig, und du bist verknallt. Nur Squalo eben nicht. Zumindest bist du dir da ziemlich sicher. Jack nicht. Er schielt zu dir, dann wieder geradeaus zu den Haien, und schnaubt mit einem Maß an Verachtung, das dich beeindruckt. »Euch könnt ihr ja anlügen, aber mich nicht«, verkündet er trotzig. »Ihr seid doof. Alle beide. Du bist dauernd traurig, nur weil ihr nicht miteinander redet.« Plötzlich musst du dich zusammenreißen, um nicht vor Jacks Augen anzufangen, zu weinen. Es ist unglaublich, wie Recht er hat. Zumindest auf deiner Seite. Und mit einem Mal bist du sogar gewillt, in Erwägung zu ziehen, dass es auf Squalos Seite ähnlich aussehen könnte. Aber es geht eben irgendwie nicht anders, als es im Moment ist. Ja, ihr seid doof. Weil du nicht mit Squalo redest. Aber du kannst nicht, es geht nicht, es ist schlichtweg nicht möglich, mit Squalo über Gefühle zu reden, über deine Gefühle, und – noch schlimmer – über seine. »Manches kann man eben nicht so einfach sagen…«, meinst du und gibst dich damit geschlagen. Du beobachtest, wie Jack den Kopf senkt, die Augen schließt und wieder öffnet und seinen Blick schließlich gänzlich zur anderen Seite wendet. Gott, das alles scheint dem Kleinen wirklich nahe zu gehen. Offenbar kannst du deinen Gemütszustand nicht so gut verstecken, wie du gedacht hast. Das tut dir unglaublich leid. Für Jack. »Mum und Dad haben sich auch noch nie gesagt, dass sie sich lieb haben«, nuschelt er, und du siehst ihn perplex an, doch er spricht noch immer zur anderen Seite der Bank, »und sie behaupten auch immer, dass sie das nicht tun, aber ich weiß es. Und die machen es wenigstens besser als ihr, die küssen sich einfach, und dann ist auch keiner von ihnen traurig.« Jack scheint mittlerweile regelrecht zu schmollen, und es droht, dir das Herz zu brechen, als er sich wieder zu dir dreht, die Arme noch immer vor der Brust verschränkt, und vorwurfsvoll zu dir aufblickt. »Warum könnt du und Squalo euch nicht einfach küssen?« Plötzlich scheint der Zoo verschwunden zu sein und es gibt nur noch diese Bank mit dir und Jack. Du öffnest den Mund, ohne etwas zu sagen, schließt ihn wieder und blickst ihn einfach nur an, als habe er dir gerade den Sinn des Lebens erklärt. Ja – warum eigentlich nicht? Warum könnt ihr euch nicht einfach küssen? Die ganze Zeit hast du dir darüber Gedanken gemacht, dass du mit Squalo nicht reden kannst – dass man ihm nicht sagen kann, was man fühlt, weil er es auch nicht sagen können wird. Und du hast gedacht, wenn du nicht mit ihm reden kannst, dann kannst du gar nichts tun. Dabei klingt Jacks Lösung viel logischer. Wer nicht reden kann, muss handeln. Einfach handeln. Ob es wirklich einfach werden wird, weißt du nicht. Aber es ist zumindest einen Versuch wert. Deine Umwelt kehrt zurück in dein Bewusstsein und du musst glucksen, schenkst Jack ein schiefes Lächeln und fährst ihm mit einer Hand durchs Haar. Das verwirrt ihn. Er zieht die Brauen zusammen und verzieht das Gesicht, und dann sieht er so niedlich aus, dass du lachen musst. »Keine Sorge, Kurzer, wir regeln das schon noch«, sagst du, und stupst ihm gegen die Nase. »Und solang kümmerst du dich um deinen eigenen Kram, ja? Lass uns weitergehen…« Jack denkt überhaupt nicht daran, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern. Er hat ja gesehen, wozu das führt: zu gar nichts. Ihr Erwachsenen könnt ja nichts allein regeln, also bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sich einzumischen. Er sitzt wie so oft auf dem Boden im Wohnzimmer und unter ihm ist ein Teppich ausgebreitet, auf dem Straßen aufgemalt sind. Jack fährt Plastiksoldaten mit einem großen Feuerwehrauto platt, als du aufstehst und ankündigst, dass du mal für kleine Mädchen musst. Natürlich weiß er ganz genau, dass du einfach pinkeln gehst. Und das ist perfekt so. Sobald die Tür ins Schloss gefallen ist, hebt er den Kopf, beobachtet eben diese Tür noch einige Momente, bis er sicher ist, dass du weg bist. Dann legt er das Feuerwehrauto weg, setzt sich in den Schneidersitz und sieht Squalo an, solang, bis Squalo ihn auch ansieht. Seine roten Augen bohren sich in die des Kommandanten, und Squalo will schon mürrisch den Kopf wieder wegdrehen, als Jack endlich spricht. »Ich weiß, dass du sie magst«, sagt er, in einem Tonfall, als sei das ein Verbrechen. Die Drohung in seiner Stimme ist kaum zu überhören. Squalo zieht die Brauen zusammen, sieht ihn nur irritiert an und sagt nichts. Wahrscheinlich versucht er noch, sich Worte zurechtzulegen, als Jack schon fortfährt, diesmal nicht ganz so strafend, sondern viel mehr bittend – was Squalo nur noch mehr verwirrt. »Du musst sie küssen!«, fordert er, tadelnd, weil es seiner Ansicht nach das Nächstliegende der Welt ist. »Sonst ist sie immer traurig und dann hab ich keinen Spaß mehr mit ihr und wenn Daddy das merkt, verhaut er sie auch wieder…« Vielleicht ist das ein bisschen übertrieben, aber Jack findet, dass das gut möglich ist. Und nachdem Squalo ein paar Sekunden darüber nachgedacht hat, ist er wohl derselben Meinung. Das kann Jack ihm ansehen, obwohl er sich Mühe gibt, das zu überspielen. Squalo verzieht nur das Gesicht, schnaubt und schüttelt den Kopf. »Voooi!«, antwortet er. »Das ist –« »Ruhe«, befiehlt Jack. »Maul halten und machen.« Den Satz hat er von seinem Vater gelernt. Und er ist verdammt stolz auf sich, dass er es gerade tatsächlich geschafft hat, Squalo damit zum Schweigen zu bringen. Hätte sein Daddy das nur gesehen… Egal. Während Squalo ihn noch, ziemlich vor den Kopf gestoßen, mustert, wendet Jack sich einfach wieder seinen plattgefahrenen Plastiksoldaten zu und fährt damit fort, sie zu foltern. Einige Minuten lang ist es still, dann kommst du wieder. Jack lässt dir noch Zeit, dich aufs Sofa zu setzen, dann legt er geduldig sein Spielzeug weg und steht langsam auf. Er klopft sich die Hose ab, richtet sich auf und sieht dich und Squalo mit hochgezogenen Brauen und einem vielsagenden Blick an. »Ich gehe jetzt auch aufs Klo«, sagt er. Er spricht langsamer und lauter, als es nötig gewesen wäre, und eure verständnislosen Gesichter belustigen ihn zutiefst. »Könnte länger dauern.« Jack findet, dass das Hinweis genug war. Zufrieden nickt er euch zu, dreht sich um und schlendert aus dem Zimmer. Er schließt die Tür, wartet noch ein paar Sekunden, dass auch keiner von euch einfach ebenfalls rausgeht, und dann geht er tatsächlich auf Toilette. Und du sitzt wieder auf diesem Sofa, neben Squalo, und starrst fassungslos die geschlossene Tür an. Was war das eben? Versucht da gerade wirklich ein fünfjähriger Junge, dich mit Superbi Squalo zu verkuppeln? »Vooi, na, wenigstens sind wir ihn jetzt für ein paar Minuten los.« Dein rechter Mundwinkel zuckt zu einem schiefen Grinsen und als du den Kopf zu Squalo drehst, fühlt sich dein Hirn schon wieder an wie Wackelpudding. Du siehst ihn an und er sieht dich an, und dann holt ihr tatsächlich beide im selben Moment Luft – Und schweigt. Du schließt den Mund wieder, ziehst die Brauen zusammen, siehst weiterhin tapfer in diese grauen Augen, die sich dir einfach nicht öffnen wollen. Du wolltest ihm etwas sagen. Du wolltest es schon wieder versuchen, es ihm schon wieder gestehen. Aber es geht einfach nicht. Es geht schlicht und einfach nicht. Der Stolz. Die Schwäche. Die Blöße. Der Stolz. Squalo verzieht das Gesicht. Er schielt zur Seite, dann wieder zu dir, und seufzt geschlagen. »Vielleicht sollten wir reden«, schlägt er vor, obwohl er überhaupt nicht klingt, als sei das wirklich seine Meinung. »Nein«, sagst du prompt – und bist im nächsten Moment selbst überrascht darüber. Das hast du nicht geplant, aber mit einem Mal arbeitet dein Mundwerk sowieso ohne dich. Du siehst in Squalos angespanntes, genervtes Gesicht, verengst die Augen etwas und schließlich grinst du. »Ich finde, du solltest mich küssen.« Eine Sekunde lang ist es völlig still. Nichts passiert. Und dann gluckst Squalo. »Ich finde, ich sollte dich für deine Dreistigkeit töten«, antwortet er, in einem völlig normalen Tonfall, als hättest du gerade etwas ganz Alltägliches gesagt. »Aber wahrscheinlich sollte ich dich vorher wirklich küssen.« Dir wird warm. Sehr warm. Du erwiderst nichts, grinst nur stumm weiter, und dann wagst du es tatsächlich, dich in seine Richtung zu lehnen. Nur ein bisschen, minimal. Aber es reicht. Squalos rechte Hand hebt sich so schnell, dass du es kaum realisierst, und dann liegt sie in deinem Nacken und er eliminiert den letzten Rest Abstand zwischen euren Lippen. So einfach ging das also… Du schließt die Augen. Die kleine Kackbratze hatte Recht. Der Kuss reicht. Du weißt nicht, was Squalo für dich fühlt, aber du weißt sehr wohl, dass er es nie aussprechen wird. Und du auch nicht. Das macht nichts, solang ihr euch küssen könnt. Denn das ist schon Aussage genug. Es sagt, Ich will dich, und ich wollte dich schon die ganze Zeit. Es sagt, Ich war nur zu stolz, um dich mir zu nehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)