Hidden Flowers III von june-flower (Die letzte Reise) ================================================================================ Kapitel 12: Kontrollverlust --------------------------- Konoha-Gakure, Fünfter Tag seit Ankunft der Botschaft, Vormittag „Ich würde jetzt gerne schreien“, sagte der ehrwürdige Hokage der Sechsten Generation, an niemand Bestimmtes gewandt. Die weißen, sterilen Wände schlossen ihn schonungslos ein. Nicht einmal das große Fenster trug dazu bei, sein Gefühl der Klaustrophobie zu lindern. Im Raum gegenüber, eben so steril und einfallslos, konnte er Ashuria auf dem Bett liegen sehen. Die Sauerstoffmaske verdeckte ihr Gesicht. Ihre langen, schwarzen Haare umgaben sie wie eine Halo. „Wie bitte, ehrwürdiger Hokage?“, fragte eine zuvorkommende, körperlose Stimme durch die Lautsprecher an der Decke. „Brauchen Sie etwas?“ „Ja, meine Freiheit“, knurrte der Mann. „Ich fürchte, das ist das Einzige, das wir Ihnen nicht gestatten können, solange uns die Testergebnisse nicht vorliegen“, kam die Stimme zurück. „Sie wissen doch, solange...“ „Ja, ja“, unterbrach Naruto missmutig. „Könnten Sie sich vielleicht darauf konzentrieren, herauszufinden, ob ich nun infiziert bin oder nicht? Damit ich mich wieder daranmachen kann, die Lage im Dorf unter Kontrolle zu bekommen!“ Die körperlose Stimme wurde steif. „Wir tun unser Menschenmöglichstes, um...“ „Ich weiß.“ Der Hokage seufzte. „Achten Sie nicht auf mich.“ Es knackte und wurde still. „Ich wüsste gern, was ihr sagen würdet, wenn ich hier drin verschimmeln würde“, murmelte er leise in sich hinein. „Wie bitte, ehrwürdiger Hokage?“ Naruto seufzte lautlos und versuchte, die Angst, die sein Herz eiskalt umklammert hatte, in den Hintergrund zu schieben. Unablässig wanderte sein Blick zu der schlanken Gestalt im Nebenraum. „Nichts. Mir gehts gut.“ Konoha-Gakure, 24h zuvor „Ashuria?“ Die Tür zur kleinen Wohnung seiner Assistentin fand Naruto unverschlossen vor. Als auf sein Klopfen keine Antwort ertönte, schob er sie vorsichtig auf. „Hallo? Ashuria? Hast du die Akten von gestern mitgenommen?“ Niemand antwortete. Die Wohnung war leer. „Merkwürdig“, murmelte Naruto und sah sich um. Ungewollt runzelte er die Stirn. Wenn seine Assistentin sich gestern bis spät in die Nacht im Labor aufgehalten hatte, dann hätte sie spätestens nun eine Pause einlegen müssen. Dass sie nicht hier war, bedeutete, dass sie noch im Labor war... Langsam machte sich Sorge in ihm breit. Er würde sie sowieso finden müssen, um die Akten zu bekommen, beruhigte er sein Gewissen und machte sich auf den Weg. ~*~ Hinata wischte sich mit beiden Händen über die Augen. Müde drehte sie sich samt ihrem Stuhl zum Fenster um und sah hinaus. Es war noch nicht einmal Mittag, und sie fühlte sich bereits, als habe sie eine Doppelschicht hinter sich... Ein Aufblitzen liess sie stutzen und sie sah hinüber zum flachen Gebäudekomplex, in dem die Labore untergebracht waren. Ein Sonnenstrahl hatte sich in den Scheiben gespiegelt und sie geblendet... Etwas lag im Labor auf dem Boden. Hinata stutzte und sah genauer hin. Es dauerte einige Sekunden, bis ihr Gehirn die Verbindung herstellte und den Ausschnit des am Boden liegenden Gegenstandes als menschlichen Kopf klassifiziert hatte. ~*~ Ashurias Labor war hell erleuchtet, als Naruto eintrat. Der Vorraum bestand aus einem winzigen Raum, mit dem einen Schreibtisch, Stuhl und dem Aktenschrank bereits hoffnungslos überfordert. Ashuria war nicht zu sehen. Sie musste im Labor sein. Einen Schritt über einen heruntergefallenen Aktenordner tätigend, ergriff Naruto den Griff der großen Schwingtür ins Labor und zog sie auf. ~*~ Die schwarzhaarige Ärztin betrat das Vorzimmer der Assistentin des Hokage und warf nur einen einzigen Blick durch die Glasscheiben der großen Sicherheitstür, bevor sie reagierte. Ihre Hand schoss vor und zerschlug einen kleinen Glaskasten an der Wand. Mit einem hydraulischen Zischen versiegelte sich die Schutztür luftdicht. Was sie sah, war Folgendes: Naruto, der wie erstarrt dastand und fassungslos die am Boden liegende Person betrachtete. Der Raum versiegelte sich zwischend und er erwachte aus seiner Starre. Schon kniete er am Boden und suchte nach einem Puls. Die Person regte sich und stöhnte leise. Es hätte ihr klar sein müssen, aber erst, als Naruto den Kopf der Person anhob und Hinata einen Blick auf das Gesicht werfen konnte, wurde ihr bewusst, wer dort lag: Ashuria. Ihr Gesicht war verzerrt, ihre Augen geschlossen. Ihre Brust hob und senkte sich schwach. Zeitverzögert setzte die Alarmanlage ein. Kontamination. Da ging sie hin, die Kontrolle. Hinata blieb stumm vor der Glastür stehen und sah zu, wie Naruto Ashuria vorsichtig anhob und ans andere Ende des Labors trug, weit weg von dem Körper des toten Boten auf dem Untersuchungstisch. Dann trat er zurück an den Tisch und schloss den Leichensack. Fasziniert sah Hinata zu, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte, als er vom Toten zu Ashuria blickte und dann sie ansah. Seine Augen blitzten eiskalt, und sie erschauerte. Jemand hatte es gewagt, den stärksten Mann des Feuerreiches herauszufordern, in dem er angriff, was diesem am Wichtigsten war: Sein Dorf. Konoha-Gakure, 40h später Ashuria hat sich angesteckt. Wie hatte das passieren können? Seine Assistentin war intelligent und erfahren – sie hatte mit Sicherheit keinen Fehler gemacht! Irgendetwas stimmt nicht, aber er kam einfach nicht dahinter, was es war... Naruto fuhr von dem Bett auf, auf dem er beinahe mit offenen Augen eingedöst war, als ein Aufruhr außerhalb seiner weißen Zelle ihn ablenkte. „Sie können hier nicht hinein! Das ist der Quarantänebereich! Nein, Sie- Haltet ihn auf!“ An der Tür zum Quarantänebereich hatte sich ein Knäuel aus Menschen gebildet, in deren Mitte sich ein hochgewachsener, langhaariger Shinobi befand, der sich offenbar partout nicht davon abhalten lassen wollte, sein Ziel – den Hokage – zu erreichen. Drei Schwestern hatte er kurzerhand mit seinen langen Nadellanzetten an die Wand genagelt, wo sie kreischend und schreiend hingen, als wäre er der Tod persönlich. „Es ist wichtig“, erklärte Genma Shiranui ruhig und funkelte einen Arzt an, der sich daraufhin ebenfalls zurückzog, allerdings nicht ohne Protest. „Wir garantieren nicht für Ihre Gesundheit, wenn sie diese Zelle betreten“, keifte er. „Ich werde keinerlei Verantwortung für Ihr verantwortungsloses Handeln..:“ Ohne ihn zu beachten, ging Genma weiter, bis er Naruto am Fenster gegenüberstand. Wie immer spiegelte sich in seinen Augen ein gewisser widerwilliger Respekt, gepaart mit der Gewissheit, dass er in dem Mann, der nun sein Vorgesetzter war, noch immer den Jungen erkennen konnte, den er hatte aufwachsen sehen. Genma zog die Brauen hoch und deutete in einer merkwürdig übertriebenen Geste zuerst auf seine Ohren, dann auf seinen Mund. „Können Sie mich hören?“, fragte er und artikulierte jedes einzelne Wort übertrieben deutlich. „Ich würde dich hören können, wenn du laut reden würdest!“, explodierte Naruto. Genma verkniff sich ein Grinsen und wurde dann ernst. „Der Schattenwolf des jungen Nara kam vor einer halben Stunde“, erklärte er und hielt eine Schriftrolle hoch. „Was schreibt er?“ „Das Team hat das Dorf sicher erreicht und die Untersuchungen begonnen. Ihre Informationen habe ich bereits and ie zuständigen Ärzte und Wissenschaftler weitergeleitet. Weiterhin kam es zu einer Ausnahmesituation, als die Ärztin des Teams während einer Pause...“ Genma sah auf das Papier hinunter und las weiter: „Verschleppt wurde. Der Teamführer lässt ausrichten, dass sie sich nun auf die Suche nach dem vermissten Teammitglied machen werden.“ Naruto schloss die Augen. Ino war verschwunden. Immerhin hatte Shikaru die Informationen geschickt, mit denen sollte man etwas anfangen können... Er öffnete die Augen wieder, und Genma sah zufrieden, dass sie hart und tatendurstig glänzten. „Ich brauche alle verfügbaren Ärzte und Forscher zu einer Generalversammlung, um die neuen Daten auszuwerten und Gegenmaßnahmen zu planen. Und dann... Schick mir Shikamaru.“ Genmas Miene änderte sich nicht um einen Zoll. „Nun, ehrwürdiger Hokage, das dürfte ein Problem werden.“ Mit einem beunruhigenden Gefühl der Vorahnung sah Naruto ihn an. „Kann es sein, dass der Schattenwolf zunächst nach Hause gelaufen ist?“ Genma verlagerte das Gewicht seines Körpers von einem Fuß auf den anderen, das erste Zeichen seiner inneren Unruhe, das er sehen liess. „Das kann gut sein.“ „Kann es vielleicht sein, dass mein strategischer Berater und Diplomat ohne jegliche strategische Planung einfach undiplomatisch losgestürzt ist?“ Genma zuckte unbehaglich mit den Achseln. Woher wusste dieser Junge das alles nur immer schon im Voraus? „Nun, ehrwürdiger Hokage, schliesslich ist es seine Frau...“ Naruto seufzte tief auf. „Ich habe es geahnt. Einer in der Familie wie der andere.“ Xefua, Norden des Feuerreiches, Zeit seit Ino-Sans Entführung: 11h36min Erschrocken fuhr Yuka aus dem Schlaf auf. Automatisch fuhr ihre Hand unter die Kleiderrolle und schloss sich um den schlanken Griff ihres Dolches. Shikaru, der sich lediglich über sie gebeugt hatte, um den Wasserschlauch an sich zu nehmen, gefror, als er den Stahl aufblitzen sah. Aber Yuka hatte sich schnell wieder in der Gewalt. „2 zu 0 für dich“, sagte er und nahm den Schlauch an sich. Ohne eine Regung liess sie das Messer wieder verschwinden. „Was ist los?“, fragte sie stattdessen. Ihre goldenen Augen schimmerten im Dunkeln. „Urchin ist gleich wieder hier. Sobald er sich etwas ausgeruht hat, können wir los. Ich wollte nur die Wasserflaschen auffüllen.“ In einer einzigen, fliessenden Bewegung stand sie auf und nahm ihren Schlauch an sich. „Ich mach das schon“, sagte sie und verschwand lautlos nach draußen. Shikaru sah ihr nach. Zehn Minuten später hörte der Shinobi ein Geräusch, welches beinahe im leisen Regen der Welt vor dem Haus unterging, und stand auf. Die Taschen standen bereits gepackt neben der Tür, im Vorbeigehen nahm er sie auf und schloss die Tür leise. Draußen stand Yuka wie ein dunkler Schatten reglos im Regen. Da setzte ein grauer Schatten in einem Satz über die Mauer, landete mit einem dumpfen Aufprall vor ihr und begann begeistert, sie zu beschüffeln. Yuka lachte leise, ein glockenheller Klang, der Shikaru jedes Mal aufs Neue erstaunte. Dann nahm sie den großen, zottigen Kopf des Wolfes in ihre Hände und beugte sich vor. „Wir finden sie, ja?“, fragte sie ernsthaft. In ihrer Stimme lag etwas, das Shikaru nicht genau deuten konnte. Mit einem Anflug an Schuldgefühl erinnerte er sich an den gestrigen Tag: Er hätte nicht so wütend reagieren dürfen. Sie hatte weiß Gott genug zu tun gehabt. Aber die Sorge um seine Mutter hatte alles andere ausgeblendet. Wütend auf sich selbst, weil er sich a) ablenken liess, b) Yuka so viel Platz in seinen Gedanken einzunehmen schien und c) er nicht besser auf seine Mutter aufgepasst hatte – Warum bleibt so etwas immer an den Kindern hängen? – schüttelte er den Kopf und sprach sie forscher an als sonst. „Lass uns gehen.“ Sofort war aller Ausdruck von ihrem Gesicht verschwunden. „Okay.“ Urchin brauchte eine Weile, um die Spur zu finden. Doch kaum hatte er den Duft in der Nase – Große Menschenfrau Mutter Blumentochter hierlang gegangen geschleppt am Leben – warf er einen Blick über die Schulter und stürmte los. Shikaru setzte ihm nach, Yuka folgte ihm auf dem Fuße. Sie brauchten der Spur nicht lange zu folgen. Der Tag war nicht zur Hälfte um, als sie aus dem Wald auf eine Lichtung kamen. Mehrere kleine Hütten standen sauber und ordentlich nebeneinander. Urchin reckte die Schnauze in die Luft und nahm Witterung auf. Shikaru folgte Yukas Blick, der fest und entschlossen auf den kleinen Hütten ruhte. Gefunden. Konoha-Gakure, Sechster Tag nach Ankunft der Botschaft, Nachmittag „Hinata-San...“ “Ja?” Die Ärztin sah von Ashuria auf, die sie gerade untersuchte. Vor dem großen Panoramafenster der Quarantänestation trat ein junger Krankenpfleger unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Da ist ein weiterer Patient, der... Nun, er...“ „Ja?“ Beunruhigt wanderte Hinatas Blick zur anderen Seite des Ganges. Hinter der Glasscheibe auf der anderen Seite des Flurs war Naruto aufgestanden und an die Scheibe getreten. In seinem Blick spiegelten sich Verzweiflung und Wut. Mit der selben Vorahnung wandte sie sich wieder an den Pfleger. „Nun... Er hat die selben Symptome wie die, die Sie uns beschrieben haben und nach denen wir Ausschau halten sollen...“ Sie wartete nicht weiter ab. „Quarantäne. Sofort.“ „Ja – Jawohl!“, stotterte der Pfleger und hastete davon. Hinata richtete sich auf und trat langsam aus dem gläsernen Raum. Im Gehen zog sie Handschuhe, Schutzanzug und Mundschutz ab und warf alles in einen bereitstehenden Abfallbehälter. Ohne Narutos Blick loszulassen, wandte sie sich an den unsichtbaren Überwacher. „Sofortige Schutzmaßnahmen einleiten. Das Krankenhaus wird hiermit zum Seuchengebiet erklärt.“ Naruto schloss die Augen. Die Worte waren dennoch nicht auszublenden. „Und ganz Konoha ebenfalls. Ab sofort stehen wir unter Quarantäne.“ * * * Ende des Kapitels * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)