Hidden Flowers III von june-flower (Die letzte Reise) ================================================================================ Kapitel 10: Loyalitäten ----------------------- Xefua, Norden des Feuerreiches, Zeit seit Ankunft: 31h26min Yuka hörte einen hohen, schrillen Laut, langgezogen und qualvoll, und erst als Shikaru und Camille aus dem Haus gestürmt kamen bemerkte sie, dass sie selbst es war die schrie. Ein leichenblasser Shikaru packte sie an den Schultern und schüttelte sie, aber erst nach einer Weile drangen seine Worte zu ihr durch. „Yukatsuki! Was ist los? Antworte!“ In die folgende Stille hinein starrte sie ihn an. Sorge war in sein Gesicht geschrieben, Sorge um sie, Sorge, die sie nicht sehen wollte, weil er sie nie wieder ansehen würde, wenn er erfuhr, was sie getan hatte – was sie zugelassen hatte – und weil das letzte, was sie in seinen Augen sehen wollte, ganz sicher kein Mitleid sein sollte. Ino-San war tot, und es war ihre Schuld. Yuka schluchzte auf und presste beide Hände vor ihr Gesicht. „Shikaru – es tut mir leid – es tut mir so leid!“ „Yuka, das mit Rafaelle wäre auch meiner Mutter passiert. Das ist nicht deine Schuld!“ Durch einen Tränenschleier hinweg sah sie ihn an. „Nein, nicht Rafaelle – deine Mutter! Deine Mutter ist – sie ist...“ Shikaru packte ruckartig ihre Handgelenke und zog ihre Hände von ihrem Gesicht weg. Sein Griff war hart und schmerzhaft. „Was ist mit ihr?“ „Sie wollte eine Pause machen – sie ist weggegangen – nur für eine Stunde! Ich habe sie überwacht, die ganze Zeit, aber dann ist sie angegriffen worden und dann...“ Yuka brachte es nicht über sich,ihn anzusehen. Ihr Blick blieb auf den Boden gerichtet. Als er nichts sagte, sah sie ihn schliesslich an und erschauerte. Sein Blick war eiskalt und hart. „Wo?“ Yuka senkte ihren Blick wieder und Shikaru sah Verzweiflung in ihrem Ausdruck. Gewaltsam unterdrückte er die Taubheit, die in seinen Gliedern aufsteigen wollte und die aus der Sorge und der plötzlichen, überwältigenden Angst um seine Mutter herrührte. „Wo?“, fragte er und versuchte sich zu sammeln, er musste nachsehen gehen, er würde es nicht glauben, ehe er es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Yuka kniete noch immer vor ihm. Sie machte Anstalten, aufzustehen, sank aber wieder zurück. Shikaru sah sie an und blickte in ein schmerzverzerrtes Gesicht – erst da wurde ihm klar, dass er ihr Handgelenk noch immer fest umklammert hielt. Yuka gab keinen Laut von sich. Er liess ihre Hand so schnell los, als habe er sich an ihr verbrannt. Die roten Striemen um ihr Gelenk brannten sich in sein Gedächtnis ein, sodass er sich abwenden musste, weil er sich anwiderte. „Zeig es mir“, befahl er rauh. Irgendwo, Norden des Feuerreiches, Nachmittag Von den Eindrücken, die Ino-San wahrgenommen hatte und unbewusst an sie weitergegeben hatte, setzte sie sich selbst ein Bild zurecht und folgte den subtilen Spuren, die selbst Shikaru nicht mehr wahrnahm. Blind folgte der ihr durch den Wald und konnte und wollte nicht glauben, was angeblich passiert sein sollte. Nein, seine Mutter war nicht – konnte nicht! tot sein. Wie sollte er das seiner Schwester erklären? Seinem Großvater? Und am allerschlimmsten: seinem Vater? Plötzlich blieb Yuka abrupt stehen. Ohne sich umzudrehen, sagte sie: „Hier.“ Der Shinobi sprang zu Boden. Er sah eine kleine Waldlichtung mit einem einzigen, dünnen Flusslauf – eine Insel inmitten des Waldes. Seine Mutter hatte ein Paradies gefunden und war dort gestorben. Shikarus rastloser Blick fegte hin und her, über die Lichtung und zurück, und sah... Niemanden. Nichts. Nicht einmal eine Leiche. Shikaru Nara überfielen mehrere Gefühle gleichzeitig. Er versuchte sie erst gar nicht voneinander zu trennen: Da waren zuallererst Dankbarkeit für die Tatsache, dass seine Mutter noch am Leben war, Erleichterung, dass man nirgendwo Blut sah und es ihr vermutlich gut ging, Glück, Erleichterung, dass er seinem Vater die schlechte Nachricht nicht zu übermitteln brauchte. Tief atmete er ein und strich sich über das Haar. „Das macht das Ganze natürlich kompliziert“, murmelte er und drehte sich zu Yuka um. Die stand hinter ihm, ihren Kopf gesenkt. Shikaru hatte in den letzten Tagen bemerkt, dass die Beziehung zwischen seiner Mutter und Yuka enger geworden war. Entsprechende Gefühle spiegelten sich auf dem schönen Gesicht seiner Partnerin. „Es tut mir leid“, sagte sie wieder. Ihre goldenen Augen vermieden den Blickkontakt. „Ich hätte sie nicht aus den Augen lassen dürfen. Ich werde die volle Verantwortung auf mich nehmen.“ Überrascht starrte Shikaru sie an. Der traditionelle Satz, mit dem ein Untergebener einem Vorgesetzten einen Fehler eingestand und die Schuld auf sich nahm, klang völlig fehl am Platz. Yuka sah aus wie ein verwundeter Vogel – und plötzlich konnte er sich nicht mehr daran erinnern, warum er so wütend auf sie gewesen war, so wütend, dass er auf dem gesamten Weg kein einziges Wort mit ihr gesprochen hatte. Aber sie trug ebenso wenig die Schuld wie er. „Ich nehme an, es war eine gezielte Entführung“, sagte er langsam. „Was bedeutet, dass sie etwas mit ihr vorhaben, und wenn sie uns nur zu einer bestimmten Reaktion zwingen wollen. Ich werde Urchin nach Konoha schicken. Wir werden uns wohl verspäten.“ Der Blick seiner Partnerin wurde hart. „Es ist meine Schuld, dass sie ungeschützt war. Ich habe Mist gebaut. Du bist Teamleiter, dir wurde befohlen, morgen zurückzukehren. Du musst in Konoha dabei helfen, die Informationen auszuwerten.“ Shikaru wollte sagen, dass er auch eine Pflicht gegenüber seiner Familie hatte, aber Yuka liess ihn nicht aussprechen. „Ich werde Ino-San finden und sie zurückbringen.“ Ohne ihn anzusehen, wusste sie, dass er sie anstarrte. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich bin der Teamführer, das hast du selbst gesagt. Wir brechen Morgen auf und suchen sie – zusammen. Urchin bringt die Informationen nach Konoha. Er wird uns entgegenkommen. Heute Nacht werden wir uns ausruhen.“ Er spielte darauf an, dass sie sich heute zu sehr verausgabt hatte, und Hass quoll in ihr herauf. Nicht auf Shikaru, sondern auf sich selbst. „Habe ich mich klar ausgedrückt?“ Steif nickte sie zum Zeichen, dass sie seine Befehlsgewalt akzeptierte, wenn sie schon seine Entscheidung nicht guthieß. Shikaru trat einen Schritt vor und tat etwas, was er bisher noch nie getan hatte: er berührte ihr Gesicht. Genauer gesagt, er hob ihr Kinn an, sodass sie gezwungen war, ihn anzusehen. Seine braunen Augen bohrten sich unerbittlich in ihre. „Du wirst keine Alleingänge beginnen, weder heute noch morgen. Du ruhst dich aus und dann machen wir uns zusammen auf die Suche. Hast du mich verstanden?“ Yuka schlug die Augen nieder. „Ja.“ Xefua, Norden des Feuerreiches, Zeit seit Ankunft: 35h06min „So, Urchin“, sagte Shikaru leise und überprüfte zum letzten Mal den Transportbehälter am Halsband des Schattenwolfes. „Nach Konoha. Du weißt Bescheid?“ Der Schattenwolf japste zur Bestätigung, fuhr Shikaru mit der rauhen, nassen Zunge über die Hand und sprang. Gerade noch konnte Shikaru ihn sehen, wie er pfeilschnell durch die Luft schoss, dann verschwand er im Schatten eines Hauses und tauchte nicht wieder daraus hervor. Fasziniert, selbst nach Jahren, blieb Shikaru einige Sekunden lang stehen und sah ihm nach. Dann wandte er sich um und ging schnellen Schrittes zurück zu dem Haus, in dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Yuka lag dort bereits auf dem Boden, in ihre Decken gerollt, und starrte abwesend ins Feuer. Die goldenen Pupillen glänzten – sie wirkte mehr wie eine Katze denn je. Und sie musste müde sein. Sie hatte den gesamten Tag damit verbracht, Kranke zu untersuchen und mit Camille zu pflegen, ihnen zu Trinken zu geben, sie zu waschen und die Bettrollen neu zu richten. Und trotz allem war es ihnen nicht gelungen, einen Weg zu finden, wie diese Menschen geheilt werden konnten... Shikaru seufzte und liess sich ebenfalls auf seinem Lager nieder. Sie mussten nach Konoha. Dort, mit den geeigneten Laboren und Forschungsmethoden und dem Hintergrundwissen der Ältesten und der Forscher, würden sie vielleicht eine Möglichkeit finden, wie man diese Seuche heilen konnte... Aber sie konnten nicht zurück. Trotz der Wärme im Raum schauderte Yuka und rollte sich enger in ihre Decken ein. Er versuchte, ihren Blick einzufangen, aber sie wich ihm beharrlich aus. Vermutlich war sie einfach erschöpft. „Gute Nacht“, sagte er leise. Beim Klang seiner Stimme zuckte sie ein wenig zusammen und er runzelte die Stirn. „Ruh dich aus.“ Yuka antwortete nicht, sondern drehte sich auf ihrem eigentlich bequemen Lager hin und her. Irgendwann hörte sie ihn erneut seufzten und blieb wie angewurzelt liegen. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte er leise. Sie schüttelte den Kopf, bis ihr einfiel, dass er die Bewegung wahrscheinlich gar nicht sehen konnte. „Nein.“ Es raschelte, als er sich aufsetzte. „Du könntest mir eine Geschichte erzählen.“ „Was?“ Vor Schreck klang ihre Stimme heiser. Ein leises Lachen drang zu ihr herüber. „Komm schon.“ Yuka schwieg eine Weile. „Du hast Glück mit deinen Eltern“, sagte sie schließlich leise. Überrascht blickte er sie an. Im Licht der glühenden Scheite des Feuers sah er nur ihr Profil. „Warum?“ „Sie lieben sich, oder nicht?“ Langsam sank er in seine Decken zurück. „Inoshia hat einmal gesagt, wenn die beiden in einem Raum seien, wäre es, als wären alle anderen Menschen von der Erde verschwunden.“ Inoshia hatte bitter geklungen. „Sie sind glücklich zusammen“, sagte Yuka. „Sie können zusammen sein. Wenn Liebe immer so einfach wäre, wären viele Menschen glücklicher. Nicht alle Geschichten sind glücklich.“ Liebe musste eine wirklich komplizierte Sache sein, dachte Naruto Uzumaki, während er dem bunten Treiben der Menschen auf den Straßen von Konoha von seinem Aussichtsplatz über den Granitgesichtern der vorangegangenen Hokage aus zusah. Denn wenn Liebe einfach war – warum sprachen dann alle Menschen andauernd davon? * * * Ende des Kapitels * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)